Gedenkstätten- Nr. 13 / Nov. 2014 / 1,– Euro Rundschau Gemeinsame Nachrichten der Gedenkstätten KZ Bisingen, KZ-Gedenkstätten Eckerwald/Schörzingen und Dautmer- gen-Schömberg, Ehemalige Synagoge Haigerloch, KZ Gedenkstätte Hailfi ngen · Tailfi ngen, Alte Synagoge Hechingen, Stauffenberg Gedenkstätte Albststadt-Lautlingen, Löwenstein-Forschungsverein Mössingen, Ehemalige Synagoge Rexingen, Gedenkstätte Synagoge Rottenburg-Baisingen, Ehemalige Synagoge Rottweil, Geschichtswerkstatt Tübingen

Schutzhaft und Dienstentlassung in der Zeit des National- sozialismus am Beispiel von Rudolf Linkenheil aus Schramberg Carsten Kohlmann, Oberndorf am Neckar

Über achtzig Jahre nach dem Beginn Schubladen wurde er auf eine Map- entdeckte Quelle zum Gedenktag für der nationalsozialistischen Gewalt- pe mit den Aufzeichnungen über die die Opfer des Nationalsozialismus der herrschaft am 30. Januar 1933 und Schutzhaft und Dienstentlassung sei- Öffentlichkeit vorgestellt. In der fast siebzig Jahre nach ihrem Ende nes Vaters aufmerksam. In der Familie Präsentation trug Rolf Linkenheil mit der bedingungslosen Kapitula- war zwar ab und zu einmal über diese einige Auszüge aus den Aufzeich- tion des Deutschen Reiches am 8. Aufzeichnungen gesprochen worden, nungen seines Vaters selbst vor. Mai 1945 ist die Literatur über diese eine Gelegenheit zur Einsichtnahme Bei den Aufzeichnungen handelt es Zeit mittlerweile fast nicht mehr zu hatte sich aber für Rolf Linkenheil bis sich um drei maschinenschriftliche übersehen. zu seinem Ruhestand nicht Dennoch ist bei weitem noch nicht ergeben. alles bekannt und erforscht – gerade Als er beim ersten aus lokalgeschichtlichem Blickwinkel Überfl iegen las, dass sein gibt es trotz mittlerweile langjähriger Vater in der Zeit des Forschung in unserer Region noch Nationalsozialismus als viele Lücken. Und nach wie vor „Landesverräter“ diffa- werden gerade aus Nachlässen neue miert worden war, ver- Quellen bekannt, die das Bild ver- stärk te sich sein Interesse vollständigen. Mit den Aufzeich- an den Aufzeichnungen: nungen des Katastergeometers und „Ich, der Sohn eines Krimi- Vermessungsrates Rudolf Linkenheil nellen, eines Verbrechers? (1880-1939) über seine Schutzhaft Jetzt begann ich damit, sie und Dienstlassung in der Zeit des genau zu lesen und sie Nationalsozialismus wurde dem abzuschreiben. Als mein Stadtarchiv Schramberg im Jahr 2012 Vater starb, war ich knapp eine solche Quelle zugänglich ge- vier Jahre alt. Heute mit macht, die aufgrund ihres außerge- 78 Jahren vermag ich zu wöhnlichen Inhalts und Umfangs sagen: Jetzt erst hast du sogar als landesgeschichtlich bedeut- deinen Vater wirklich sam einzustufen ist. entdeckt.“ Am 27. Januar 2014 hat das Stadtarchiv Der Sohn des Vermessungsrates, der Schramberg die neu Historiker und Journalist Rolf Linken- heil, hatte die Aufzeichnungen selbst Rudolf Linkenheil (1880- erst einige Jahre zuvor entdeckt, als 1939) auf einem Foto aus den er sich einem Sekretär seines Vaters 1930er-Jahren. Privatbesitz Rolf zuwandte. Bei der Durchsicht der Linkenheil Manuskripte. Der erste Teil trägt den Linkenheil zum Kataster- Titel „Meine erste politische Schutz- geometer der Amtskörper- haft“ (21 Seiten), der zweite Teil den schaft Oberndorf in Titel „Meine zweite politische Schutz- Schramberg ernannt, stieg haft“ (30 Seiten) und der dritte Teil im Lauf seiner Berufstätig- schließlich den Titel „Meine Dienst- keit zum Oberamtsgeome- entlassung“ (25 Seiten). Den größten ter und wurde zum Teil der Aufzeichnungen hat Rudolf Vermessungsrat ernannt. Linkenheil aus dem unmittelbaren Über die Mitgliedschaft in Erleben heraus wahrscheinlich noch der linksliberalen Freisin- im Jahr 1933 verfasst. Ein Nachtrag nigen, seit 1910 Fort- am Ende des dritten Teiles schildert schrittlichen Volkspartei kurz einige weitere Ereignisse aus dem kam er in der Weimarer Jahr 1934. Die Anfertigung und Republik zur Deutschen Aufbewahrung solcher Aufzeich- Demokratischen Partei nungen erforderte viel Mut, da sie bei (DDP) und wurde zum einer Hausdurchsuchung als Bela- Vorsitzenden der Orts- stungsmaterial gegolten hätten. Eine gruppe Schramberg Edition des dreiteiligen Manuskriptes gewählt. Von 1909 bis bleibt einem späteren Zeitpunkt 1917 war er Mitglied des vorbehalten. Der vorliegende Aufsatz Gemeinderates der Stadt muss sich auf eine Zusammenfassung Schramberg. 1919 kandi- mit einigen kommentierenden Hin- dierte er mit Erfolg für die weisen zu den Personen und den verfassungsgebende zeitgeschichtlichen Umständen Landesversammlung des beschränken. Volksstaates Württemberg Rudolf Linkenheil wurde am 14. und gehörte ihr bis 1920 April 1880 in Calw geboren im an. Siegfried Kummer (1905-1967) in SA-Uniform auf einem württembergischen Schwarzwald und Nach der nationalsozia- Foto aus dem Jahr 1933. Stadtarchiv Schramberg (Bestand wurde von 1896 bis 1901 zum listischen Machtübernah- Foto Kasenbacher GmbH). Katastergeometer ausgebildet. Nach me veranstaltete die seiner Berufsausbildung und seinem DDP-Ortsgruppe Schramberg kurz vor 1930 Amtsrichter in Oberndorf am Militärdienst war er zu städtebau- der Reichstagswahl am 5. März 1933 Neckar und SA-Standartenführer, lichen Studien außerhalb des König- eine letzte Kundgebung mit dem durch den Polizeikommissar für das reichs Württemberg und verheiratete Landtagsabgeordneten Johannes Land Württemberg zum Unterkom- sich am 3. Mai 1904 im pfälzischen Fischer (1880-1942) und dem Jung- missar für die Oberämter Balingen, Landau mit Anna Karoline Steigel- demokratenführer Heinz Zanke unter Horb, Oberndorf, Rottweil, Spaichin- mann (1882-1932). Der berufl ich und der Leitung von Rudolf Linkenheil, der gen und Sulz ernannt und damit ehrenamtlich beeindruckend aktive auch auf der Landesliste seiner Partei beauftragt, die politischen Gegner Mann musste auf seinem Lebensweg kandidierte. In seinen Aufzeichnungen auszuschalten. In Schramberg erhielt mehrfach schwere Schicksalsschläge schrieb er später – vielleicht um sich der damals 28 Jahre alte NS-Aktivist hinnehmen. Nach dem Tod seiner bei einer möglichen Entdeckung der Siegfried Kummer (1905-1967) die ersten Tochter im Alter von nur 13 Niederschrift zu schützen –, dass er in Aufgabe, als „Sonderkommissar für Jahren verstarb auch seine Ehefrau im dieser Kundgebung als Beamter die polizeiliche Angelegenheiten“ daran Alter von nur 50 Jahren. Auch um Rechtmäßigkeit der neuen Reichsre- mitzuwirken. Am 22. März 1933 seine eigene Gesundheit stand es gierung anerkannt habe. Nach dem wurde unter seiner Führung auch nicht gut, da er ein schweres Gallen- Pressebericht in der „Schramberger Rudolf Linkenheil verhaftet, dessen und Blasenleiden hatte. Zeitung“ vom 2. März 1933 hat er Aufzeichnungen mit der atmosphä- Zum 1. Januar 1905 wurde Rudolf jedoch deutlich mutiger seine Mei- risch eindrücklichen Darstellung der nung ausgesprochen: „Der freie Hausdurchsuchung und Festnahme Die Drucklegung der Gedenk- Bürger, der sich nicht willenlos zur beginnen. Aufgrund bei ihm gefun- stätten-Rundschau Nr. 13 wurde heutigen Regierung bekenne, sei dener, aber falsch ausgelegter Unter- gefördert durch den Landkreis heute in seinen Handlungen einge- lagen wurde er des Landesverrates Rottweil. engt, die Parteien, die eine andere beschuldigt und über das Polizeiamt Der Vorstand und die Mitglieds- Anschauung hätten, würden terrori- Schramberg in das Amtsgerichtsge- initiativen des Gedenkstätten- siert, die Pressefreiheit sei kolossal fängnis nach Oberndorf gebracht. verbundes danken für diese beschnitten worden.“ In der Schutzhaft im Amtsgerichts- Unterstützung. Am 15. März 1933 wurde Dr. gefängnis Oberndorf bereitete Rudolf Hermann Mattheiß (1893-1934), seit Linkenheil sein Gallen- und Blasenlei-

2 für seinen Fall zuständig und gab ihm am 29. März 1933 seine Entlassung aus der Schutzhaft bekannt, die mit der Aufl age verbunden war, sich nicht mehr politisch zu betätigen. Siegfried Kummer ist in Schramberg vor allem als Pionier der „Da-Bach- na-Fahrt“ in Erinnerung geblieben, der am 26. Februar 1936 mit Kapi- tänsmütze und Ledermantel als Startfahrer das damals noch als „Kanalfahrt“ bezeichnete Fastnachts- spektakel des „Jungen Parlaments“ eröffnet hat. Nach dem Ende der NS-Zeit gab er sich in der Entnazifi zie- rung wie viele andere ehemalige Nationalsozialisten als Unschulds- lamm. In einer zusätzlichen Erklärung zu dem für die alliierte Militärregie- rung auszufüllenden Fragebogen erklärte er: „Ich glaubte, wie viele Millionen, an das Gute der Sache […] Als ich aber 1934 merkte, dass das Spiel ein Falsches war […] als die Willkürherrschaft der Parteibonzen oben und unten allmählich klar zu Tage trat, habe ich meinerseits die Konsequenz gezogen. Ich habe mich aber nicht damit begnügt, mich nur von der Partei zurückzuziehen, sondern ich habe diesen Kampf in aktivster Form unter vollem Einsatz meiner Person […] durchgeführt.“ Am 8. Oktober 1948 folgte der Kreisausschuss für politische Säube- rung seinem Antrag, als „entlastet“ eingestuft zu werden. Die Spruchkam- mer V des Staatskommissariats für die politische Säuberung im Land Württ- emberg-Hohenzollern bestätigte am 9. Dezember 1948 diese Sichtweise. Siegfried (Josef) Kummer wurde am 16. Mai 1905 in Schramberg geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters machte er sich mit einer kleinen Fabrik für Uhrenbestandteile selbständig und trat als „Kaufmann“ und „Fabrikant“ auf. Am 30. März 1928 verheiratete er sich mit Cornelia Dellinger (1905- 1967), deren Eltern in Schramberg ein Pressemitteilung von Unterstaatskommissar Dr. Hermann Mattheiß im „Schwarzwälder Tagblatt“ vom 23. März 1933. Stadtarchiv Schramberg Bekleidungshaus führten. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Er pfl egte einen aufwändigen Lebensstil, hatte den große Not. Die Pressemitteilung Unterkommissare zu erheblichen ein sehr lockeres, vermutlich aus über seine Festnahme führte zu einem Spannungen mit den Landräten seiner Studentenzeit in München Nervenzusammenbruch. Gerade in führten, die durch die Unterkommis- stammendes Verhältnis zu Alkohol seinem Fall als Beamter der Amtskör- sare in ihren Zuständigkeiten be- und pfl egte ein ebenso lockeres perschaft Oberndorf machte sich schnitten wurden. Nach einer Woche Verhältnis zu Frauen. Darüber hinaus bemerkbar, dass die Einsetzung der war wieder das Oberamt Oberndorf war er in den Motor- und Flugsport

3 Titelblatt der „Schramberger Nazi-Blätter“ 16 aus dem Jahr 1931. Rudolf Linkenheil auf einer Karikatur in den „Schramberger Nazi- Stadtarchiv Schramberg Blättern“ 27 (1931). Stadtarchiv Schramberg vernarrt und hatte ein eigenes Auto. polizeiliche Angelegenheiten“ am 5. Mal verhaftet und erneut in das Amts- Er war ein Aufschneider, der gerne das Mai 1933 gegen jüdische Geschäfts- gerichtsgefängnis Oberndorf ge- große Wort führte und in der am 1. leute auf dem Jahrmarkt in Schram- bracht. Nach einwöchiger Haft wurde Juli 1930 gegründeten NSDAP-Orts- berg vor. Schon bald spielte er jedoch er zusammen mit anderen NS-Geg- gruppe bald ebenfalls zu einer „Grö- in der NSDAP-Ortsgruppe keine nern in das zwischenzeitlich bei ße“ wurde, sich dadurch aber auch herausgehobene Rolle mehr, da er Stetten am kalten Markt eingerichtete nicht selten lächerlich machte. sich zuweilen tatsächlich quer stellte Schutzhaftlager Heuberg gebracht, Seit Herbst 1931 gab die NSDAP- und offensichtlich durch die so das eines der ersten und im Jahr der Ortsgruppe eine Kampfschrift unter genannte „Röhm-Revolte“ nach dem nationalsozialistischen Machtübernah- dem Titel „Schramberger Nazi-Blät- 30. Juli 1934 in ein politisches Abseits me zeitweise auch das größte Kon- ter“ heraus, die eine pausenlose Hetze geriet. zentrationslager im Deutschen Reich entfalteten, um die Demokratie im Als Rudolf Linkenheil am 30. März war. Das Lagerleben wird in seinen Zeichen der immer größer werdenden 1933 aus der Schutzhaft entlassen Aufzeichnungen ausführlich ge- sozialen und wirtschaftlichen Not wurde, erfuhr er zu Hause, dass schildert. sturmreif zu schießen. Die DDP wurde während seiner Abwesenheit in der An Ostern wollte sich Rudolf in den „Schramberger Nazi-Blättern“ Gewerbebank eine weitere Durchsu- Linkenheil eigentlich wieder verheira- als „Judenpartei“ verächtlich ge- chung stattgefunden hatte und ten, nachdem er die junge Lehrerin macht, in deren Hintergrund als welche Gerüchte sein Fall in der Monika Schneider (1900-1987) aus Geldgeber der jüdische Unternehmer Zwischenzeit ausgelöst hatte. Er nahm Reichenhofen im württembergischen Moritz Meyer (1889-1970) von der seinen Dienst wieder auf, gab die im Allgäu kennen gelernt hatte, die „Schramberger Majolika-Fabrik“ „Schwarzwälder Boten“ bereits damals in der Umgebung von (SMF) stehe. Auf einer abstoßend erschienene Pressemitteilung zu seiner Schramberg unterrichtete. Die Heirat bösartigen Karikatur wurde Rudolf Entlassung auch an die Lokalpresse in musste jedoch wegen seiner Schutz- Linkenheil mit einer Halskette mit Schramberg weiter und trat aus der haft verschoben werden, was sich einem Davidstern dargestellt. Bei der DDP aus, da er sich nicht mehr bald darauf als besonders schicksal- ersten sich nach der Machtübernahme politisch betätigen wollte. haft herausstellen sollte. Aufgrund bietenden Gelegenheit ging Siegfried Nur wenige Tage später wurde er seines Gallen- und Blasenleidens Kummer als „Sonderkommissar für jedoch am 3. April 1933 ein zweites erreichte er eine Verlegung in ein

4 Das Lager Heuberg, in dem eines der ersten Schutzhaftlager im Deutschen Reich eingerichtet wurde, auf einer Postkarte aus dem Jahr 1933. Privatbesitz Carsten Kohlmann spezielles Krankenhaus für Schutzhäft- wurde, aber von dem weiter bis zum Linkenheil nach dem „Gesetz zur linge, das in Schloss Kaltenstein bei Präsidenten des Württembergischen Wiederherstellung des Berufsbeam- Vaihingen an der Enz eingerichtet Politischen Landespolizeiamtes tentums“ drei Viertel der ihm zuste- wurde. Am 14. April 1933, dem aufsteigenden Dr. Hermann Mattheiß henden Ruhestandsbezüge. Er arbei- Karfreitag, seinem 55. Geburtstag, verhindert wurde. Dessen steile tete in bescheidenem Rahmen mit wurde er von dort nach Hause Karriere und sein forsches Vorgehen Werkverträgen freiberufl ich weiter. Als entlassen. schufen dem rücksichtslosen Karrieris- seit Jahren kranker Mann starb er Nach seiner Rückkehr erfuhr Rudolf ten bald Feinde, insbesondere in der schließlich im Alter von nur 59 Jahren Linkenheil, dass sich unterdessen seine SS, die dann die Gelegenheit nutzte, am 8. November 1939 in der Univer- damals eben 24 Jahre alte Tochter ihn im Zuge der „Röhm-Revolte“ am sitätsklinik Tübingen. Gertrud Linkenheil (1909-1984) mit 1. Juli 1934 in der SS-Kaserne in Da die Eheschließung wenige Tage bemerkenswerter Zivilcourage im Ellwangen zu liquidieren. nach der Dienstentlassung erfolgt war, Polizeipräsidium für seine Ungeachtet seiner Loyalitätsbekun- konnte Monika Linkenheil keine Freilassung eingesetzt hatte. Am 21. dungen wurde gegen Rudolf Linken- Witwen- und Waisenrente beanspru- April 1933 nahm er wieder seinen heil die Dienstentlassung nach dem chen. Rudolf Linkenheil hatte seine Dienst als Oberamtsgeometer auf. Als „Gesetz zur Wiederherstellung des Pensionierung deshalb zum 1. Okto- Beamter verhielt er sich der neuen Berufsbeamtentums“ vom 7. April ber 1933 beantragt, die dann aber Regierung gegenüber trotz der 1933 betrieben. Das Oberamt Obern- unerwartet früher erlassen wurde. zweimal erlittenen Schutzhaft loyal dorf gab dem von höherer Stelle Einige Wochen vor dem Tod ihres und marschierte auch bei dem großen ausgeübten Druck nach. Seine Mannes hatte Monika Linkenheil Festzug zum „Tag der nationalen Dienstentlassung trat zum 9. August begonnen, an der „Deutschen Arbeit“ am 1. Mai 1933 in Reih und 1933 in Kraft. Am 14. August 1933 Volksschule“ in Schramberg wieder in Glied mit. Besonders wichtig war ihm – fünf Tage nach seiner erzwungenen ihrem Beruf als Lehrerin zu arbeiten nach den in den letzten Wochen Pensionierung – konnten Rudolf und konnte später an die „Oberschule erschienenen Pressemitteilungen, die Linkenheil und Monika Schneider ihre Schramberg“ wechseln, wo sie bis zu ihn als „Landesverräter“ hingestellt eigentlich bereits für Osten geplante ihrem Ruhestand im Jahr 1968 als hatten, das Erscheinen einer Richtig- Ehe in Ravensburg schließen. Nach sehr beliebte Lehrerin unterrichtet hat. stellung, die ihm auch zugesagt seiner Dienstentlassung erhielt Rudolf Die Witwen- und Waisenrente wurde

5 vor einigen Jahren eine Straße nach ihr benannt, die zu Recht die Erinne- rung an eine bemerkenswerte Frau wach hält.

Quellen

Staatsarchiv Ludwigsburg E 180 b I Bü 839: Akten des Verwaltungs- rats der Pensionskasse für Körperschafts- beamte über Linkenheil, Rudolf.

Staatsarchiv Sigmaringen Wü 33 Bü 6179: Entschädigungsakte Lin- kenheil, Rudolf (Erben).

Stadtarchiv Schramberg Stadtgeschichtliche Dokumentation II (Ru- dolf Linkenheil und Siegfried Kummer).

Literatur

Fehrenbacher, Franz: Stadtgeschichtliches. Ehrenbürger. Ortsvorsteher. Abgeord- nete. Hg. von der Stadt Schramberg, Schramberg 1989, S. 166-168. Kindler, Sven: „… mit Kummer und mit Monika Linkenheil (1900-1987) auf einem Foto aus der Zeit ihres Ruhestandes. Sorgen …“ Junges Parlament – Kanal- Stadtmuseum Schramberg fahrt – Da-Bach-na-Fahrt, Norderstedt 2007. ihr nach dem Ende der NS-Zeit ber 1946, als sie sich bereits kurz nach Lixfeld, Gisela: „Schutzhaft“ – ein Mitte rückwirkend zugesprochen. Kriegsende zur Wehr setzen musste, zur Ausschaltung der politischen Gegner. Siegfried Kummer wurde bei nachdem ihr einen Ausweis für In: Große Kreisstadt Schramberg (Hg.): Kriegsbeginn zur Wehrmacht eingezo- Angehörige von politisch Verfolgten Schramberg 1933. Eine Dokumentation. gen und war bis Kriegsende bei der verweigert worden war, weil ihr Mann Begleitheft zur Ausstellung im Stadtmu- Luftwaffe. Er geriet in französische nicht sehr lange in Schutzhaft gewe- seum Schramberg vom 23.09.– 3.10.1983, Schramberg 1983, S. 35–41. Kriegsgefangenschaft, aus der er am sen sei: „Mehr als sein Leben konnte Olowinsky, Barbara: Monika Linkenheil. 29. Mai 1947 entlassen wurde. Seine er ja schließlich gegen den National- FDP-Gemeinderätin 1956-1962. In: Fabrik für Uhrenbestandteile führte er sozialismus nicht einsetzen, und ein Lixfeld, Gisela/Schmid, Christine (Hg.): nicht mehr fort und arbeitete als größeres Opfer als meinen Gatten Trotz Fleiß kein Preis? Frauenalltag in Vertreter für die Bärenbrauerei in und den Ernährer meines Kindes zu Schramberg 1867–1992. Katalog zur Schwenningen am Neckar. Am 20. verlieren, konnte ich auch nicht Ausstellung vom 23. August bis 30. Sep- November 1967 beging er am Ende bringen. Hätte jeder Deutsche sich mit tember 1992 anläßlich des 125-jährigen Stadtjubiläums, Schramberg 1992, S. 33. eines in vielerlei Hinsicht abenteuer- seiner ganzen Kraft, ungeachtet seines Raberg, Frank: Biographisches Handbuch lichen Lebens Selbstmord, nachdem er Lebens und seiner Familie, wie dies der württembergischen Landtagsabge- zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte mein Mann jahrelang in öffentlichen ordneten 1815–1933, Stuttgart 2001, und seine Ehefrau wenige Tage zuvor Reden und Versammlungen bei jeder S. 512. gestorben war. Gelegenheit tat, eingesetzt, dann Schuhladen-Krämer, Jürgen: Die Exeku- Begegnungen mit ihm waren für wäre unser deutsches Volk nicht in toren des Terrors. Hermann Mattheiß, Monika Linkenheil verständlicherweise diese entsetzliche Katastrophe hinein- Walter Stahlecker, Friedrich Mußgay, schwer erträglich. Im Rahmen ihres gerannt.“ Leiter der Geheimen Staatspolizeileitstelle Stuttgart. In: Kißener, Michael/Schol- Entschädigungsverfahrens schrieb sie Die mutige und tapfere Frau trat – tyseck, Joachim (Hg.): Die Führer der am 27. Januar 1952 an das Innenmi- in der politischen Tradition ihres Provinz. NS-Biographien aus Baden und nisterium des Landes Württemberg- Ehemannes – beim demokratischen Württemberg, Konstanz 1997, Hohenzollern: „Es ist bitter, daß mein Neubeginn in der Bundesrepublik S. 405–443, hier: S. 407–416. Junge nicht einmal einen Mantel für Deutschland in die FDP ein. 1956 den Winter hat, während ich dem wurde sie als erste Frau nach 1945 in Mörder meines Mannes, dem dafür den Gemeinderat der Stadt Schram- nicht ein Härchen gekrümmt wurde, berg gewählt, dem sie bis 1962 in Pelze gehüllt fast täglich auf der angehörte. Auf Initiative des Frauen- Straße begegnen muß.“ Deutliche beirates der Großen Kreisstadt Worte fand sie auch am 17. Novem- Schramberg wurde im Stadtteil Sulgen

6 Der geplante Geschichtspfad zum Nationalsozialismus in Tübingen – ein langwieriges Projekt wird bald Realität Ulrike Baumgärtner, Jens Kolata und Martin Ulmer, Tübingen

Die Geschichtswerkstatt Tübingen mittel für das Denkmal, das im Jahr gruppen Schlag auf Schlag ging und verfolgt bereits seit 1988 die Idee, 2000 in der Gartenstraße eingeweiht eine Reihe von SS-Tätern in Tübingen durch einen Geschichtspfad an den wurde. Damit wurde das Projekt des ihre Karrieren begannen, sollten diese Nationalsozialismus in Tübingen und Geschichtspfades zunächst für längere Zusammenhänge im Mittelpunkt an dessen Opfer zu erinnern. Die Zeit wieder zurückgestellt. Erst durch der Präsentation in Form von Stelen 1990er Jahren waren trotz verdienst- den kommunalpolitischen Wandel stehen. Die Geschichtswerkstatt hat voller Einzelstudien jedoch von der seit 2009 und die erneute intensive 2010 zusammen mit dem „Arbeits- weiteren Erforschung der NS-Ge- Beschäftigung der Geschichtswerk- kreis Universität Tübingen im Natio- schichte und der jüdischen Geschichte statt mit einzelnen Aspekten des nalsozialismus“ und dem Städtischen bestimmt, um überhaupt eine solide Nationalsozialismus und vor allem mit Fachbereich Kultur einen Arbeitskreis Wissensgrundlage für einen solchen dem verdrängenden Umgang mit den gebildet, der die Feinkonzeption Pfad der Erinnerung zu schaffen. NS-Verbrechen in Tübingen wurde erstellt, Inhalte recherchiert und Texte Doch der kommunalpolitische Weg das Geschichtspfadprojekt wieder in verfasst und bearbeitet. Mitglieder dorthin war weiterhin schwierig. Angriff genommen. Die Konzeption des Jugendgemeinderats und Ju- Obwohl die Stadt Tübingen 1999 auf wurde nunmehr auf das Thema Natio- gendguides sind in die Ausarbeitung Initiative der Geschichtswerkstatt hin nalsozialismus in Tübingen und die einbezogen, um eine altersgerechte Finanzmittel für einem Geschichtspfad Rolle der Universität in dieser Zeit aus- Präsentation zu garantieren. zum jüdischen Leben in Tübingen zur geweitet und damit die ursprüngliche Die Geschichte der Stadt Tübingen Verfügung stellte, führten die Ausei- Idee eines Pfades zur Erinnerung an war auch in der Zeit des Nationalsozi- nandersetzungen über das Denkmal die Tübinger Juden in einem größeren alismus stark mit der der Universität Synagogenplatz, die u.a. auch Kon- historischen Kontext eingebettet. Da verknüpft. Daher steht diese auf drei fl ikte über die Finanzierung waren, Tübingen eine Hochburg des Natio- Stelen des Geschichtspfads im Mittel- zum Stopp des Geschichtspfadprojekts nalsozialismus war, hier die Ausgren- punkt. Deren Konzeption hat der und zur Umwidmung der Finanz- zung der Juden und anderer Opfer- „Arbeitskreis Universität Tübingen im

Das Stelen-Modell des Grafi kbüros Braun Engels. Bild: Braun Engels.

7 Nationalsozialismus“ übernommen. Er Im November 2013 konnte der her soll der Geschichtspfad die Spuren besteht seit 2002 und hat das Ziel, die grafi sche Entwurf des Büros Braun der Täter und Opfer für heutige und Geschichte der Universität und des und Engels aus Ulm beschlossen zukünftige Generationen durch eine Universitätsklinikums Tübingen im werden, der den Vorgaben nach Präsentation wieder im öffentlichen Nationalsozialismus zu untersuchen. Sichtbarkeit, Lesbarkeit, Flexibilität Raum sichtbar machen. Das Leitthe- Dem Arbeitskreis gehören Wissen- und Kostengünstigkeit am besten ma des Geschichtspfades ist „Volks- schaftlerinnen und Wissenschaftler gerecht wird (siehe Foto). Der Pfad gemeinschaft“ und Ausgrenzung, bei aus unterschiedlichen Disziplinen an; soll zum 70. Jahrestag des Endes des dem einerseits die große Zustimmung der gewählte Sprecher ist Prof. Dr. Dr. Zweiten Weltkriegs im Mai 2015 der Tübinger Bevölkerung sowie die Urban Wiesing. Bislang hat der eingeweiht werden. Die Stelen Rolle der Universität und der zahl- Arbeitskreis fünf thematische For- werden mit Informationstexten und reichen Täter bei den NS-Verbrechen schungsberichte veröffentlicht. Im Juli Fotos und Dokumenten exemplarisch gezeigt werden und bei der ande- 2010 wurde der von mehreren an einzelnen Gebäuden oder anderen rerseits auf die lokalen Opfer der AK-Mitgliedern herausgegebene Standorten über den Nationalsozialis- Ausgrenzung aufmerksam gemacht Sammelband „Die Universität Tübin- mus informieren. Ergänzt werden die wird, d.h. die Auslöschung jüdischen gen im Nationalsozialismus“ publi- Stelen durch QR-Codes, die über eine Lebens, die Verfolgung politischer ziert, der den Forschungsstand zum Weiterleitung vertiefende Texte- und Gegner, die Opfer von Zwangssterili- Thema zusammenführt. Bildmaterialien liefern. sierungen, das Schicksal der Zwangs- Der neu gewählte Tübinger Ge- Die inhaltliche Konzeption des aus arbeiter/innen etc. Über Gedenktage meinderat hat 2011 mit Mehrheit die 16 Stelen bestehenden Pfades gehen hinaus ist der Geschichtspfad ein Konzeption (s.u.) und die Stelenform von den Grundüberlegungen aus, bleibendes Zeugnis der Erinnerung an beschlossen. Die Stadt Tübingen hat dass nur wenige Spuren in Tübingen die NS-Opfer im städtischen Raum. auf Vorschlag der gemeinsamen an den Nationalsozialismus erinnern Arbeitsgruppe mehrere Grafi kbüros und die braune Geschichte der Uni- mit Gestaltungsentwürfen beauftragt. versitätsstadt wenig bekannt ist. Da-

Die Stelen im Einzelnen

Stele 1: Denkmal Synagogenplatz Stele 3: Doppelstele: Karlstraße/ Uh- 1923 war er Schauplatz einer antise- Ort des Gedenkens landstraße und Uhlandstraße 2 mitischen Schlägerei: Verbindungs- Auf dem Grundstück des heutigen Antisemitismus vor 1933 studenten schlugen den jüdischen Wohnhauses in der Gartenstraße 33 Familie Weil – Tübinger Chronik Holzhändler Ludwig Marx zusammen. stand die Synagoge der Jüdischen Antisemitismus: Dieser Gewaltausbruch war Ausdruck Gemeinde. Sie wurde 1882 erbaut Wo sich heute das Modehaus Zinser des antisemitischen Klimas in der und am 9. November 1938 in der befi ndet, stand bis in die Nachkriegs- Universitätsstadt Tübingen. Die große Reichspogromnacht von Tübinger zeit der Gasthof Ochsen. Mehrheit der Studierenden, Profes- Nationalsozialisten verwüstet und in soren und des Mittelstandes waren Brand gesetzt. Ein Denkmal und ein- nationalistisch, antidemokratisch und zelne Zeugnisse wie Fundamentreste antisemitisch eingestellt. und ein schmiedeeiserner Gartenzaum erinnern an die zerstörte Synagoge Familie Weil – Tübinger Chronik und das jüdische Leben in Tübingen In der Uhlandstraße 2, heute Sitz des im 19. und 20. Jahrhundert. Schwäbischen Tagblatt, wurde auch die Vorgängerzeitung, die Tübinger Stele 2: Uhlandstraße 15 – Chronik verlegt. Albert Weil (1862– Familie Hayum 1946) machte in den Jahren 1903 Simon Hayum (1867-1948) lebte mit bis 1930 aus einem kleinen Blatt eine seiner Frau Hermine (1875-1967) und moderne, aufl agenstarke Tageszei- den fünf Kindern von 1905 bis 1938 tung. In dem Haus wohnte auch die in der Uhlandstrasse 15. Hier betrieb achtköpfi ge Familie von Albert Weil. der Rechtsanwalt Simon Hayum die Nach vielen antisemitischen Angrif- größte Kanzlei in Tübingen. Er war fen schon vor 1930 verkaufte Albert außerdem als Kommunalpolitiker aktiv Weil die Zeitung und emigrierte in die und gehörte für die Deutsche Demo- Schweiz. kratische Partei (DDP) in den 1920er Jahren dem Tübinger Gemeinderat an. Stele 4: Neckarinsel Das Ehepaar Hayum fl oh nach dem Simon und Hermine Hayum im Garten ihres Silcherdenkmal Novemberpogrom 1938 in die USA. Hauses, 1938. Foto: Reynold.S. Koppel. Das Silcherdenkmal auf der Neckar-

8 insel wurde 1941 zur Erinnerung an den Komponisten Friedrich Silcher (1789-1860) errichtet. Die National- sozialisten machten den „Vater der Sangesbewegung“ zu einer Symbol- fi gur ihres Gedankenguts. Das Denk- mal diente auch der ideologischen Verklärung des Krieges.

Stele 5: Bursagasse 18 Täter des Holocaust: Theodor Danne- cker Theodor Dannecker (1913-1945), geboren und aufgewachsen in der Bursagasse 18, war als enger Mit- arbeiter Adolf Eichmanns einer der wichtigsten Organisatoren der planmäßigen Ermordung der Juden in Europa. Seit 1932 war er Mitglied der NSDAP und der SS und als „Judenre- ferent“ in Stuttgart maßgeblich an der Das Modehaus „E. Degginger Nachfolger“ der Kaufl eute Jakob Oppenheim und Albert Schäfer in kartei mäßigen Erfassung aller Juden den 1920er Jahren. Bild: Stadtarchiv Tübingen in Württemberg beteiligt. 1937 holte ihn in das Reichssi- als letzten Tübinger Juden 1941die wurden rassenkundliche Gutachten cherheitshauptamt nach und Emigration in die USA, Albert Schäfer angefertigt, die über die Rechte und Dannecker organisierte die Deporta- starb an Folgen seiner 1938 erlittenen letztlich auch über die Überleben- tion von etwa 476.000 Juden aus KZ-Haft und seine Frau Selma wurde schancen der Betroffenen mitentschie- ganz Europa in die Vernichtungslager. 1942 nach Riga deportiert und dort den. Mehrere Mitarbeiter des Instituts erschossen. waren in nationalsozialistische Verbre- Stele 6: Münzgasse 13 chen involviert. Sitz der Polizeibehörden Stele 8: Rathaus Das stattliche Haus Münzgasse 13, Zerstörung der kommunalen Demo- Stele 10: Neue Aula das heute ein Studentenwohnheim kratie Eberhard Karls Universität ist, war seit 1936 Sitz der Tübinger Kurz nach der sogenannten „Macht- Die Stele am Standort Neue Aula, Polizeidirektion. Hier befand sich ergreifung“ Adolf Hitlers musste sich dem zentralen Gebäude der Universi- auch die Außenstelle der Geheimen der demokratisch gewählte Tübinger tät, erläutert deren Rolle als Gesamt- Staatspolizei (), die hier für Gemeinderat aufl ösen. Nach ihrem institution in der Zeit des Nationalso- die Verhaftung von politischen Geg- Wahlsieg bei den Reichstagswahlen zialismus. Ihre „Gleichschaltung“ nach nern und jüdischen Bürgern, die für wurden die kommunalen Parla- der nationalsozialistischen Machtüber- die Deportation vorgesehen waren, mente zu mehrheitlich von NSDAP- nahme erfolgte ohne nennenswerte zuständig war. Die Gestapo beschlag- Mitgliedern beherrschten Gremien Widerstände, vielfach schalteten sich nahmte deren Besitz und versiegelte umgebildet. Der seit 1927 amtierende die Fakultäten und Institute selbst die Wohnungen. Oberbürgermeister Adolf Scheef ko- gleich. Zahlreiche Angehörige der operierte mit den Nationalsozialisten, Universität richteten ab 1933 ihre For- Stele 7: Holzmarkt unterstützte ihre Politik und konnte so schungen an den inhaltlichen Schwer- Familien Schäfer und Oppenheim / sein Amt behalten. punkten der nationalsozialistischen Textilhandel Ideologie aus. Im Eckhaus Holzmarkt /Neue Straße Stele 9: Schloss 1 (heute Modekette New Yorker) Universitätsinstitute auf dem Schloss Stele 11: Doppelstele: Nervenklinik befand sich in den 1920er Jahren das Im Schloss hatten zwei während des Universitätskliniken: größte Modegeschäft in Tübingen. Nationalsozialismus gegründete Uni- Zwangssterilisierung im Nationalso- Die Kaufl eute Jakob Oppenheim versitätsinstitute ihren Sitz: das „In- zialismus und Albert Schäfer hatten es 1913 stitut für deutsche Volkskunde“ unter In der Universitäts-Nervenklinik als kleines Geschäft erworben und dem „Gleichschaltungskommissar“ wurden eugenische Sterilisationen zu einem modernen Geschäft ausge- Gustav Bebermeyer (1890-1975), das durchgeführt. Der Direktor, Robert baut. 1938 wurden sie gezwungen, sich u.a. mit der Erforschung deut- Gaupp (1870-1953), hatte bereits es zu verkaufen: ein Beispiel für die scher Sprachinseln beschäftigte, und 1925 in einer gleichnamigen Schrift nationalsozialistische „Arisierung“. das „Rassenkundliche Institut“ unter „Die Unfruchtbarmachung geistig Dem Ehepaar Oppenheim gelang Wilhelm Gieseler (1900-1976). Dort und sittlich Kranker und Minderwer-

9 tiger“ gefordert. Die Klinik erstellte Gutachten für die „Erbgesundheitsge- richte“. Insgesamt wur- den während der Zeit des Nationalsozialismus an den Tübinger Universitätskli- niken mindestens 1.158 Menschen im Rahmen der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ sterili- siert.

Universitätskliniken: Zwangsarbeit in Stadt und Universität Das zweite Thema, das am Standort Nervenkli- nik behandelt wird, sind die 152 ausländischen Zwangsarbeiter aus zwölf verschiedenen Ländern, die während des Zweiten Weltkriegs an der Univer- Symbolische Machtübernahme der Nationalsozialisten an der Universität Tübingen: Hissung der Hakenkreuz- sität eingesetzt wurden. fahne auf der Neuen Aula am 9. März 1933. Foto: Privat (Universitätsarchiv Tübingen S 19/10-1-4, Nr. 13) Unter ihnen waren 137 Frauen, die mehrheitlich an den Universitätskliniken als Hausgehil- Stele 14: Gartenstraße Stele 16: Stiftskirche fi nnen Zwangsarbeit leisten mussten. Jugendherberge: Sitz der Hitlerjugend Kirche zwischen Begeisterung, An- Das Gebäude der heutigen Jugend- passung und Widerstand Stele 12: Güterbahnhof herberge wurde 1934 als „Haus der Die Stiftskirche war Schauplatz von Zwangsarbeit durch Kriegsgefangene Jugend“ und Hauptsitz der Tübinger kirchlicher Judenfeindschaft, Anpas- Der Tübinger Güterbahnhof wur- Hitlerjugend gebaut. Kinder und sung der Evangelischen Kirche an den de 1913 in Betrieb genommen. Im Jugendliche sollten auch hier im Sinne Nationalsozialismus, aber auch Ort Zweiten Weltkrieg war er der wich- der nationalsozialistischen Ideologie des Widerstands. In beiden großen tigste Umschlagsplatz für Truppen erzogen werden. Bei sogenannten christlichen Kirchen gab es antisemi- und Kriegsgüter in der Region. Für die „Heimatabenden“ und den bei den tische Traditionen und enge Bezie- Entladungsarbeiten wurden ab 1942 Jugendlichen besonders beliebten hungen zu den nationalsozialistischen etwa 30 sowjetische Kriegsgefangene Zelt lagern wurden Mädchen und Jun- Machthabern. Der zur Bekennenden eingesetzt. Sie wurden von einem Be- gen auf ihre Rolle als Mütter und als Kirche gehörende Pfarrer Gölz wurde wachungsstand aus kontrolliert. Er ist künftige Soldaten vorbereitet. während des Frühgottesdienstes am eines von wenigen sichtbaren, noch 23. Dezember 1944 von der Polizei erhaltenen Zeugnissen an die sowje- Stele 15: Wilhelmstraße 24 verhaftet. tischen Kriegsgefangenen. NSDAP-Kreisleitung Hier befand sich von 1936 bis 1945 Stele 13: Thiepval-Kaserne; Schel- die Kreisleitung der NSDAP. Der Literatur lingstraße 2 Kreisleiter und sein Mitarbeiterstab Die Wehrmacht in Tübingen hatten nach dem Führerprinzip die Wiesing, Urban u.a. (Hrsg.): Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, Con- Das Gebäude Schellingstraße 2 Weisungen Hitlers und der Gauleitung tubernium Bd. 73, Stuttgart 2010.“ war das Mannschaftsgebäude der Württemberg-Hohenzollern in Tübin- Geschichtswerkstatt Tübingen (Hrsg.): Thiepval-Kaserne und eine von drei gen und im Landkreis notfalls auch Zerstörte Hoffnungen. Wege Tübinger Tübinger Wehrmachtskasernen. Hier mit Gewalt durchzusetzen. Juden, Beiträge zur Tübinger Geschichte wurden mehrere Tausend Wehrpfl ich- Sie war auch zuständig für die Insze- Bd. 8, Stuttgart 1995. tige und Freiwillige zu Soldaten aus- nierung der „Volksgemeinschaft“ und Schönhagen, Benigna: Tübingen unterm gebildet. Das Militär war ein selbst- organisierte Umzüge am 1. Mai, an Hakenkreuz. Eine Universitätsstadt in der verständlicher Teil des öffentlichen Erntedank und den Heldengedenk- Zeit des Nationalsozialismus, Beiträge zur Tübinger Geschichte Bd. 4, Tübingen Lebens in Tübingen. Heute sind in tagen. 1991. dem Gebäude Wohnungen und Teile des Finanzamtes untergebracht.

10 Kreatives Erinnern an Menschen, die zu Nummern degradiert wurden Kreativ-Workshop zum KZ Hailfi ngen/Tailfi ngen im Juli 2014

Harald Roth, Herrenberg

Sich kreativ und künstlerisch mit der Unterricht wird das oft oberfl ächlich 601 jüdischen Häftlinge beschäftigt. Geschichte des KZs vor der Haustür behandelt.“ Ein wichtige Quelle waren die auto- beschäftigen: Wie geht das? Geht das Die Ergebnisse des Workshops biografi schen Zeugnisse der Überle- überhaupt? Die Ergebnisse des Pro- bleiben nicht an der Oberfl äche des benden (z.B. die Zeitzeugeninterviews jektes, das von der KZ-Gedenkstätte Allgemeinen, sie gehen in die Tiefe. in der Ausstellung der Gedenkstätte). Hailfi ngen/Tailfi ngen und der Sektion Sie treffen elementar den jungen In vier Workshops fand danach die Böblingen/Herrenberg/Tübingen von Künstler und möglicherweise auch künstlerische Auseinandersetzung „Gegen Vergessen – für Demokratie“ den Betrachter der Werke. Die statt. Der nachfolgend wiedergege- organisiert wurde, zeigen, dass ein außergewöhnlichen Exponate wurden bene Gäubote-Artikel vom 23.7.2014 emotionaler und ästhetischer Zugang am 25. Juli 2014 in einer Vernissage beschreibt anschaulich den drei- bis zu dem schwierigen Thema möglich an einem authentischen Ort, der viertägigen intensiven Schaffenspro- ist und bei jungen Menschen einen ehemaligen Fliegerhalle bei Reusten zess – bei der Journalistin Nadine Dürr bleibenden Eindruck hinterlässt. (Gemeinde Ammerbuch), der Öffent- möchten wir uns für die Abdruckge- Der Kreativ-Workshop ist der lichkeit vorgestellt. Die Werke wurden nehmigung bedanken. Versuch, sich den Häftlingen, die von einer Jury, bestehend aus Künst- Der von Annabelle Höpfer gestalte- eben nicht nur Opfer waren, mit den lern und Mitarbeitern der KZ-Gedenk- te Katalog dokumentiert alle Phasen Mitteln der Kunst zu nähern. Durch stätte, bewertet; zu jedem Workshop des Kunstworkshops und stellt einen die intensive schöpferische Auseinan- gab es zwei Gewinner. Das Projekt Großteil der Schülerarbeiten vor. dersetzung kommt es zu einer exis- wurde von der Landeszentrale für Der Katalog kann für 8 Euro bestellt tenziellen Berührung. Im KZ Hailfi n- politische Bildung und dem Landkreis werden bei: [email protected]. gen/Tailfi ngen waren viele Häftlinge, Tübingen gefördert; die Mittel für die Am 19.November 2014 jährt sich die im Alter der Schüler sterben Sachpreise wurden von Sponsoren zur zum sechzigsten Mal die Ankunft der mussten – an Entkräftung, der Man- Verfügung gestellt (der Hauptsponsor jüdischen Häftlinge im Gäu. Anlässlich gelernährung, den Schlägen des war die Firma Ensinger, Nufringen). des Gedenktages werden die Werke Wachpersonals. Zuvor hatten sich 35 Jungen und der Jugendlichen in der Tailfi nger Ein Teilnehmer des Workshops Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren Zehntscheuer (Gemeinde Gäufelden) sagte: „Für mich war es wichtig, über das KZ-Außenlager Hailfi ngen/ vom 19. bis zum 23. November mal persönlich die Geschichte eines Tailfi ngen informiert und sich dabei gezeigt. (Öffnungszeiten s. Home- einzelnen Häftlings zu erfahren. Im besonders mit den Schicksalen der page der Gedenkstätte).

11 Ein eigenes Denkmal setzen (Erschienen im Gäubote am 23.7.2014) Nadine Dürr

Tailfi ngen: Schüler beschäftigen sich Vorstellung hat Lutz Ackermann Ein- den letzten Tagen“, ergänzt Philip bei Kreativ-Workshop mit lokaler NS- druck auf mich gemacht. Er brachte Heisser. „Man hat natürlich im Hinter- Geschichte. gleich Ideen vor und man hatte das kopf, dass es um was Ernstes geht.“ Von einer Treppe aus blickt Marko Gefühl: Da entsteht was!“ Gemein- Beides miteinander zu verbinden, Dieterle herab auf die olivgrüne LKW- sam habe man sich dann Gedanken schließe sich aber nicht aus. Plane, die fast die gesamte Fläche in zur Umsetzung des künstlerischen „Ich bin sehr froh, dass ich in den Lutz Ackermanns Atelier einnimmt. Projekts gemacht und überlegt, wie Jugendlichen eine Gruppe gefunden „Noch ein bisschen weiter nach die KZ-Häftlinge im Haifl inger Au- habe, die sich so stark einsetzt“, freut links“, ruft er einem Freund zu, der ßenlager litten und starben. „Genau sich Ackermann. „Über das Thema sich gerade auf der Plane ver renkt. so, übereinandergeschmissen, lagen KZ-Außenlager muss geredet werden, In tätig-entspannter Atmosphäre sie da. Wie Puppen. Das haben die zumal es jetzt wieder Bemühungen arbeiten die Jugendlichen momentan Jugendlichen gleich begriffen“, sagt gibt, es zu verdrängen. Es ist mir ein an ihrem Beitrag für den Kreativ- Ackermann. Die Idee für eine gemein- Anliegen, das letzte Überbleibsel des Workshop der KZ-Gedenkstätte same Arbeit war geboren: Auf eine Lagers, die Reparaturhalle, zu schüt- Hailfi ngen-Tailfi ngen. Diese und die LKW-Plane mit den Maßen sechs auf zen und den Baumbestand dort zu Arbeiten von vier weiteren Gruppen vier Meter legten sich so nacheinan- lichten, der die Substanz gefährdet. werden am Freitag im Rahmen einer der die Teilnehmer, während andere Ich halte es für eine Peinlichkeit, den Vernissage der Öffentlichkeit vorge- ihre Körperumrisse nachzeichneten Ort zum Naturdenkmal zu erklären.“ stellt. und mit gelber Farbe ausfüllten. Vieles Genau dort, zwischen den Säulen- „Perfekt!“ lautet Marko Dieterles habe man dabei gelernt: „Als ich eine Relikten der Halle, sollen die Werke Antwort auf die Frage, wie sie sich Stelle nachbessern wollte, sagte Lutz der Jugendlichen bei der Vernissage denn so gestaltet habe, die Arbeit Ackermann zum Beispiel, dass nicht am Freitag der Öffentlichkeit präsen- mit dem Nebringer Bildhauer. „Die alles so perfekt sein muss. Unperfekt tiert werden. Auch Bürgermeisterin Arbeitsatmosphäre war dauergut“, wirkt es viel besser“, erzählt Dieterle. Christel Halm und sämtliche Gemein- erzählt der 18-Jährige. „Schon bei der „Außerdem hatten wir viel Spaß in deräte habe man dazu eingeladen,

12 13 berichtet Gedenkstätten-Mitinitiator Pinkus Frant. Die Überraschung war man bei der rechten Seite aber von Harald Roth. „Die Beteiligung der groß: „Mein eigener Spitzname ist Glück sprechen kann?“ Gemeinde Ammerbuch wünschen wir Frant und das ist ja kein gewöhnlicher Die Bildbearbeitung steht im Fokus uns natürlich sehr. Mit den einzigen Name. Ich habe mich sofort mit der bei der Gruppe von Helga Korndörfer. noch sichtbaren Spuren ist die Repara- Person identifi ziert.“ Und so blickt aus „Da man ja nur fotografi eren kann, turhalle für uns der wichtigste Ort.“ ihrem Bild nun Frants Auge von einer was da ist, und es in Tailfi ngen kaum Fleißig gewerkelt wird jedoch nicht Betonmauer. Schwer beeindruckt von mehr Spuren gibt, braucht man die nur in Ackermanns Atelier. Im Keller den Einfällen der Jugendlichen zeigte Bildbearbeitung. Aus der Phantasie von Marianne Hertkorns Haus in sich Marianne Hertkorn, die die entstehen so eigene Bilder“, erklärt Bondorf trägt Johanna Boch dick Farbe Gruppe mit Heike Ruchay leitet: „Ich die Gruppenleiterin. Eine Teilnehmerin auf einen Untergrund auf. Hier war wirklich geplättet, wie tief die kopierte so ein Stück Stacheldraht- entsteht das Bild eines KZ-Häftlings, Gedanken der Jugendlichen gingen. zaun in das Bild eines Auges: „Den der seine Finger in Stacheldrahtzaun Das ist mitnichten die Null-Bock-Ge- Zaun haben die Häftlinge ja immer krallt. Jacques Baril soll die Figur neration.“ gesehen und der Stachel steht auch darstellen. „Für ihn habe ich mich Die Geschichte typographisch für die harte und quälende Arbeit.“ entschieden, weil er meine Initialen aufarbeiten will Annabelle Höpfer mit Ellen Kußmaul will die düstere Seite hat“, erklärt die 17-Jährige. „Ich ihrer Gruppe. „Wir haben Zitate im eines Weizenfeldes auf dem ehema- kenne nur seinen Namen, seine Museumsraum gesammelt und dann ligen Flugplatz einfangen und Lisa- Häftlingsnummer, seine Nationalität überlegt, was wir daraus machen Marie Brenner „tätowierte“ Ausch- und sein Geburts- und Sterbedatum. können.“ Die Worte „Der Hund war witz-Nummern von Tailfi nger Häftlin- Deshalb bleibt das Gesicht auf dem so abgerichtet, dass er den Häftlingen gen in ein Bild von treppenförmig Bild auch nur schemenhaft. Ich weiß das Fleisch von den Knochen riss“ will angeordneten Steinen. „Mit Steinen nicht, wie er aussah.“ man etwa in einen Knochen ritzen, im Reustener Steinbruch umzugehen, Statt einer Nummer soll Baril auf den ein Fleischer zur Verfügung stellt. war ja eine der Hauptaufgaben der dem Bild seinen Namen zurückerhal- Frieder Rodewald wiederum hat sich Gefangenen“, erklärt sie. ten: „Man hat den Menschen damals ein Zitat des italienischen Häftlings Schließlich arbeiten Schüler des ja alles genommen und ihnen eine Donato di Veroli ausgewählt: „Sie Rottenburger Paul-Klee-Gymnasiums Nummer zugeteilt. Ich will Jaques Baril schickten mich nach rechts und das an einem weißen Architektur-Modell, seine Identität zurückgeben und ihm war mein Glück.“ Ausgehend von auf das sie die Schatten von Drahtfi - ein Denkmal setzen.“ Auch Katharina einem Buchstabensalat im linken guren oder verfremdeten Hakenkreu- Sautter hat einen persönlichen Zugang Bereich seines Werks wird das Zitat in zen projizieren. zum Thema gefunden. Als sie mit ihrer einer Rechtsbewegung lesbar. „Ich Abbildungen von Annabelle Höpfer, Gruppe das Tailfi nger Mahnmal fand das krass, dass links für den Tod Johannes Kuhn und Volker Korn- besuchte, fi el ihr Blick auf den Namen steht“, sagt Frieder Rodewald. Ob dörfer.

14 Frommern war kein „humanes KZ“ Am 22. Juni 2014 wurde das erste Stelen-Paar zum Gedenken an die Opfer der „Wüste“- Lager von Balingen der Bürgerschaft im Stadtteil Frommern übergeben

An den Orten der ehemaligen „Wüste“-Lager am Albrand gibt es einige bedeutende Gedenkorte, z.B. in Schörzingen, im Eckerwald oder in Schömberg. Die Standorte der ehe- maligen Lager auf dem Stadtgebiet Balingen waren bisher kaum noch erkennbar. Durch die vorbildhafte Initiative einer Gruppe von engagier- ten Bürgerinnen und Bürgern konnte nach mehreren Jahren nun am 22. Juni 2014 das erste von insgesamt vier Stelenpaaren der Öffentlichkeit in Frommern übergeben werden. Im Namen des „Wüste“-Arbeits- kreises hielt Immo Opfermann, der sich seit vielen Jahren mit dem Schicksal der Menschen in den „Wüste“-KZs beschäftigt, eine bemerkenswerte Rede, die hier dokumentiert werden soll.

Immo Opfermann sagte: „In diesen Minuten geht im Stammla- ger des KZ Frommern, in Natzweiler-

Die Stelenpaare, die im Stadtgebiet von Balingen aufgestellt werden, bestehen jeweils aus einem Struthof, die Cérémonie commémora- betonierten Gedenkstein, der einen KZ-Häftling darstellt und einer Stele mit Informationen über tive zu Ende, die wie üblich an diesem dem speziellen Ort, hier über das Lager in Frommern. Entwurfskizzen – Kreisarchiv Balingen. Wochenende stattfi ndet, dieses Jahr im Zeichen der Evakuierung des die Recherchen nach „Wüste“ mit in Schieferölgewinnung in „Mänteln“, Lagers vor 70 Jahren. Diesen 22. Juni der Hauptsache Frommerner Schülern dass sich auf „Untertassen“ Öl haben wir für die hiesige Zeremonie unseres Gymnasiums, denn ich hatte angesammelt habe, das teilweise ausgewählt, weil im KZ Erzingen die eine Geschichts-AG übernommen, übergeschwappt sei, so dass man auf ersten Nacht-und-Nebel-Häftlinge aus deren Ziel die Suche nach Gebäuden dem Boden der Halle erkaltetes Öl Natzweiler an diesem Tag eintrafen, und Resten der „Wüste“-Fabriken fi nde, das man nur mit dem Hammer vor genau 70 Jahren. war. Hier in Frommern gab und gibt wegklopfen müsse, wir sollten das mal Meine sehr geehrten Damen und es die große Schwelhalle, in der uns machen und dann an dem „Zeug“ Herren, liebe Kommilitonen und Ölschiefergeschichten von Georg riechen. Freunde, hier am Schiefersee in Bartsch (Schorsch) wie Abenteuer Als wir zu Beginn des Monats Frommern begannen vor 25 Jahren vorkamen, denn er erzählte von November letzten Jahres wieder hier

15 Die Gedenk-Stelen in Frommern stehen direkt in einem Wohn- und Erholungsgebiet auf einer Wiese vor dem Schiefersee. Viele Menschen gehen täglich an dieser Stelle vorbei und haben die Gelegenheit, die Stelen zu studieren. Fotos: Uta Hentsch in Frommern mit dem neuen Besitzer Gedenk-und Informationsstelen Leider ist ein wichtiges Mitglied Achim Sauter das Gelände erkundet aufstellt, sozusagen eine Informati- des AK auf schlimme Weise durch haben, kam es mir so vor, als hätte ich onslücke zu „Wüste“ zwischen einen Unfall getötet worden, Guido im „Wüste“-Arbeitskreis nahtlos an Bisingen, „Wüste“ 2, und Dormettin- Motika, der sich am längsten mit der die Geschichts-AG angeknüpft, ein gen, „Wüste“ 6, 7, 8, zu schließen. Geschichte von „Wüste“ beschäftigt kleiner Schritt, obwohl 20 Jahre Die „Wüste“-Stadtteile sind denn hatte. dazwischenliegen. Wir konnten auch in den Mitgliedern des Arbeits- Diese beginnt mit dem Wehr- erstmalig die Schwelhalle von unten kreises vertreten, Engstlatt mit Hel- machtsauftrag Nr. 4016-5433 von anschauen und Parallelen zu anderen mut Stotz, Frommern mit Hans Kratt, Februar 1942, der den Ölschiefer- „Wüste“-Relikten, den sog. „Um- Erzingen/Bronnhaupten mit Günter Spezialisten Dr. Alexander Schweitzer spannstationen“, die noch im Gelände Ernst. Die anderen repräsentieren die beauftragte, hier ein Werk, nach ehemaliger Werke stehen, ziehen: „Kernstadt“ Balingen: Brigitte von Probebohrungen bereits im Jahr Schienen , auf denen Generatoren Kellenbach, Michael Walther, Mar- zuvor, zur Verschwelung von Schiefer angebracht wurden, Röhren zum tin Sommerer, der nach Ute Jetter epsilon in industriellem Maßstab nach An-und Absaugen, elektrische Lei- 2007 die ersten Anfragen 2009 an seinem Lurgi-Schweitzer-Verfahren zu tungen nach oben, wo in der Schwel- die Stadtverwaltung richtete, warum errichten. halle die Boxen für die großen „Män- denn in Balingen nichts an „Wüste“ Zu diesem Zeitpunkt, 1942, konnte tel“ der vertikalen Mantelschwelung erinnere. Deshalb war Hans Schimpf- bereits das erste Werk, das sich der jetzt auch die Erwachsenen sehr Reinhardt als Stadtarchivar gefragt, Verschwelung von Ölschiefer gewid- beeindruckten. der, glaube ich, mich ins Boot geholt met hatte, schwarze Zahlen buchen Vor 5 Jahren, gefühlt viel länger, hat, weil ich 1994 eine „Wüste“-Aus- und Schieferöl produzieren: das hat sich eine Gruppe von Interessier- stellung mit meinen Schülern in der Portland-Zement-Werk Rohrbach in ten zusammengefunden, um auf dem Zehntscheuer aufgebaut hatte. Hans‘ Dotternhausen, das im Krieg gebaut Stadtgebiet des heutigen Balingen die langem Atem, seiner Genauigkeit – werden durfte, weil der Freund Reste von „Wüste“ aufzusuchen und er recherchierte sogar, wie man die Rohrbachs, Dr. Fritz Todt, eine Befrei- sich dafür einzusetzen, dass Balingen Zahlen für die Häftlingsnummer in den ung vom Bauverbot erwirkt hatte, sich dieses Teils der NS-Geschichte 40er Jahren geschrieben hat -, seinem weil Innovationen in Form von annimmt und an den Standorten unermüdlichem Einsatz ist es zu ver- Schieferölgewinnung als Bedingung ehemaliger „Wüste“-Fabriken und danken, dass heute diese Zeremonie für das Bauen des Zementwerks der beiden Konzentrationslager aus diesem Anlass stattfi nden kann ... verpfl ichtend waren.

16 1943 war Baubeginn in Frommern, sischer Leitung feierlich eröffnet, die schmückt, die sich an die Stelle der nachdem die Lias-Ölschiefer-For- Luftaufnahme auf der 4. Seite der ursprünglichen Erinnerung setzt und schungsgesellschaft G.m.b.H. am 25. Einladungskarte zeigt jedoch, dass die auf ihre Kosten gedeiht“. Dies sollte September 1942 gegründet worden 1947 so bezeichnete „nouvelle usine uns nicht bei dem KZ Frommern war. NS-Deutschland versuchte zu de carbonisation de Schistes bitumi- passieren, aus dem im Vergleich mit diesem Zeitpunkt des Krieges auf jede neux de Frommern“ bereits bei anderen Lagern bessere Verhältnisse nur mögliche Weise Treibstoff zu Kriegsende so weit aufgebaut war, überliefert sind, aber Frommern war, gewinnen für den Totalen Krieg: das dass das Gelände ein lohnendes Ziel wie wir das vielleicht gerne hätten, PZW als unbeabsichtigter Vorreiter, für Angriffe aus der Luft war, wie die kein „humanes KZ“, weil dies ein die Lias Frommern, die DÖLF in Bombentrichter auf dem Photo der Widerspruch in sich ist, sondern, wie Schömberg als Versuchsanstalten zur englischen Luftaufklärer zeigen. Weil das Luftbild zeigt, ein durch einen Gewinnung von Öl aus Schieferge- das Bild am 15. März 1945 aufge- hohen Stacheldrahtzaun gesichertes stein. nommen wurde, lässt sich auch der Lager, in dem Unschuldige eingesperrt „Wüste“ kündigt sich an: Ein Baufortschritt und Zustand einen waren und für ein unmenschliches Treffen der Ölschiefer-Spezialisten Dr. Monat vor der Räumung des Lagers Regime arbeiten mussten. „Wer Schweitzer, Dr. Sennewald, dem Ende April 1945 ablesen. Das Bild gefoltert wurde, bleibt gefoltert... Wer Befürworter des Meilerverfahrens von zeigt ebenso in seltener Deutlichkeit – der Folter erlag, kann nicht mehr „Wüste“, mit Rudolf Rohrbach, dem bitte die vierte Seite der Einladungs- heimisch werden in der Welt... Das „Gauamtsleiter für Technik“, in karte aufsuchen! - das Konzentrati- zum Teil schon mit dem ersten Stuttgart am 22.9. 1943, brachte onslager Frommern in unmittelbarer Schlag... eingestürzte Weltvertrauen „Berlin“ in Stellung, d.h. die Reichs- Nähe der Lias und des Schieferbruchs. wird nicht wiedergewonnen“ zitiert führung SS, das Reichsministerium für Das KZ Frommern hatte auf der Primo Levi den auch nach Auschwitz Rüstung und Kriegsproduktion, die Nummernliste des Stammlagers deportierten österreichischen Philo- Luftwaffe waren hellhörig geworden, Natzweiler-Struthof ein einfaches F. sophen Jean Améry. „Jedes Lager war vertreten durch den estnischen Dámit sind wir bei der Figur, die an ein Vernichtungslager, es kam nur Freiherrn SS-Hauptsturmführer und die KZ-Häftlinge erinnert. Nach dem darauf an, wie lange es dauerte“, sagt Hauptmann der Luftwaffe von Entwurf von Hans Schimpf-Reinhardt Germaine Lutz, der langjährige Kruedener, der sich seit Mitte der stellt sie auf einfachste Weise einen Vorsitzende der Amicale luxemburg- 1930er Jahre mit Ölschieferschwelung Mann dar, in einem gestreiften Anzug scher Häftlinge. beschäftigt, aber keinen Erfolg gehabt und mit einer Nummer auf der linken Das „Weltvertrauen“ ist jedoch hatte, der jetzt zehn Jahre später Brust. Dies ist die Häftlingsnummer einem der letzten noch lebenden reüssieren konnte, denn er wurde 4434 von Johannes de Vaal, einem Häftlinge aus Frommern möglicher- Koordinator und Antreiber des damals jungen Holländer des Jahr- weise doch wieder geschenkt worden, Unternehmens „Wüste“, des sinn- gangs 1922, der sich „Skippy“ nannte denn Phillip Maisel, der mit zehn losen Versuchs und lebensverachten- und auch so Geburtstagskarten in anderen Juden im Februar 1945 von den Wahnsinns, im letzten Kriegsjahr Erzingen unterschrieb. Er lebt heute in Dautmergen nach Frommern angefor- 1944 für die prekäre Treibstoffsituati- der Nähe von Amsterdam. Das rote dert worden war, konnte im KZ on der deutschen nazistischen Kriegs- Dreieck zeigt, dass ein politischer Frommern überleben, weil die Ver- führung Maßnahmen zu ergreifen. Häftling dargestellt ist, eigentlich hältnisse hier durch die Vertreter der Der Geschäftsführer der Stahlwerke müsste die Figur am rechten Hosen- Nazi-Diktatur willkürlich zum Besseren Braunschweig, Edmund Geilenberg, bein ein ebensolches Dreieck tragen. verändert waren. Phillip Maisel, der wurde zum Chef von „Wüste“ Heute kann ich Ihnen eine wirkliche damals noch Falk hieß und die gemacht und hatte den Titel „Gene- Jacke zeigen, die eines politischen Häftlingsnummer 35 146 hatte, ralkommissar für die Sofortmaßnah- polnischen Häftlings – das „P“ im schreibt mir aus Melbourne über ein men“, ein zynisches Aufplustern des roten Dreieck – aus Groß-Rosen. besonderes Ereignis beim Todes- Regimes, denn von den „mit höchster Beim Erinnern an das KZ Frommern marsch: „An einem von den wenigen Dringlichkeit“ geplanten 10 „Wüste“- könnte es uns so gehen, wie Primo Tagen, an denen wir bei Tageslicht Fabriken entlang der Bahnlinie Levi in seinem Buch „Die Untergegan- marschieren mussten, hielten wir Tübingen-Rottweil konnten nur 4 den genen und die Geretteten“ be- plötzlich in einem Waldstück an, ein Betrieb noch während des Krieges schreibt; in dem Kapitel geht es um Motorradfahrer kam und sprach mit aufnehmen, ohne Rücksicht, ob durch „Erinnern als Wunde, an ein Trauma“: unseren Wachen. Uns wurde gesagt, die Maßnahmen Wüsten hinterlassen ich zitiere „aber es ist ebenso wahr, wir sollten uns in zwei Reihen aufstel- und Menschen in 7 angeschlossenen daß eine Erinnerung, die allzuoft len, die jüdischen Gefangenen zwei „Wüste“-KZ getötet wurden: über heraufbeschworen und in Form einer Schritt vor den anderen. Glücklicher- 3500 Tote sind registriert. Erzählung dargeboten wird, dahin weise machten alle Häftlinge, auch die „Die ‚Wüste‘ war in Frommern“, ja, tendiert, zu einem Stereotyp, das nicht-jüdischen, die Schritte vorwärts, aber Frommern wurde während des heißt zu einer durch Erfahrung und so wurden unsere Leben geret- Krieges nicht mehr fertig. Am 12. Juni getesteten Form zu erstarren, abgela- tet“. Auch Frommerner Häftlinge 1947 wurde das Werk unter franzö- gert, perfektioniert und ausge- waren, das macht diese Erinnerung

17 deutlich, „under the sentence of Identität, denn in Balingen stellte ihm death“ „unter dem Todesurteil“, das der Bürgermeister ein mit „Ausweis“ nur verhindert wurde durch die überschriebenes Dokument aus, Solidarität der Mitgefangenen auf Skepsis ist noch spürbar: „Der in dem dem zu Recht so genannten Todes- aufgeklebten Lichtbild dargestellte marsch. Phillip Maisel ist einer der Inhaber dieses Ausweises, der angeb- Wilnaer Juden, die 1943 nach der liche polnische Staatsangehörige Aufl ösung des Ghettos nach Estland Maisel Falk Automechaniker aus transportiert wurden, um in est- Wilna, geboren am 15. August 1922 nischen Schieferbrüchen zu schuften, in Wilna, bisher im KZ-Lager in Vernichtung durch Arbeit. Nachdem Frommern, ist ohne Personalpapiere. die sowjetische Armee sich anschickte, Deshalb wird ihm dieser Ausweis Estland zurückzuerobern, wurden die ausgestellt. Balingen, den 12. Mai Häftlinge ein Jahr später 1944 wieder 1945“. „selektiert“, die arbeitsunfähigen auf Wie wichtig diesem Frommerner des Unternehmens „Wüste“, die zu Scheiterhaufen geschichtet und KZ-Häftling es ist, die Geschehnisse einem Großteil auf dem Gebiet des ermordet – dafür steht der estnische aufzuarbeiten und das Erinnern als heutigen Zollernalbkreises errichtet Name Klooga - , die zur Arbeit Wunde lebendig zu erhalten, zeigt die waren... Heute erscheint uns das Fähigen wurden mit dem letzten Tatsache, dass Phillip Maisel in Unternehmen „Wüste“ nahezu Schiff über die Ostsee nach Gdingen Melbourne lange vor Steven Spielberg unbegreifl ich, auch wenn es histo- transportiert, wahrscheinlich sogar Zeitzeugen interviewt und sie über rische Erklärungsversuche gibt. Umso zusammen mit den Ölschiefer-Ingeni- ihre Schicksale reden lässt: „Testimo- wichtiger ist es, die Erinnerung an die euren, die besonders in „Wüste“ 8, nies“ heißt deshalb sein Projekt und begangenen Verbrechen und insbe- Dormettingen, eingesetzt waren. Im seine Adresse. sondere an die Opfer hier vor Ort KZ Stutthof bei Danzig wurden die Phillip Maisel schreibt, nachdem ich aufrecht zu erhalten. Wilnaer Juden noch einmal „selek- ihn zu dieser Feier eingeladen hatte, Es ist würdig und richtig, dass nun tiert“, bis sie in einem Bahntransport am vergangenen Montag (16.6.) auch auf dem Gebiet der heutigen im Oktober 1944 nach Dautmergen zurück: „Als Überlebender von Stadt Balingen an die KZ, die Außen- verbracht wurden: diese Häftlinge Dautmergen und Frommern war ich lager des KZ Natzweiler-Struthof wussten, warum ihnen Frommern als tief berührt von der Tatsache, dass waren, erinnert wird. Ein ehemaliger KZ „besser“ vorkam, was auch eine Commemoration Ceremony in Häftling, der Norweger Helge Nor- objektiv immer wieder festgestellt Frommern-Balingen stattfi ndet, in seth, der lange Monate in Dautmer- wurde, jedoch immer im Vergleich: Erinnerung an namenlose Gefangene, gen inhaftiert war, schildert das „Dautmergen war die Hölle, schlim- die vernichtet wurden...“ dortige Lager als „Schlachthof der mer als Auschwitz“, der man in Wenn wir diese Stelen aufstellen, nationalsozialistischen Ideologie“, als Frommern entkommen war. Daran schließen wir uns dieser Zeugenschaft Stätte, an der Tränen in Strömen erinnert die Figur, die unsere Empathie an, denn der Satz „mehr Mitleid fl ossen und der Tod eine reiche Ernte mit dem Schicksal aller Häftlinge verdient, wer unverdient leidet“, wie hielt. An den Gedenkorten im Land- „einklagt“. von Thukydides, dem „Vater der kreis und nun auch hier in Frommern Phillip Maisel und seine Frommerner Geschichtsschreibung“, überliefert ist, werden wir an einzigartige Menschen Gefährten überlegten sich nach ihrer gilt zu Zeiten Peloponnesischen erinnert, die im KZ litten oder ihr Befreiung in der Nähe von Ostrach, Krieges wie heute. Und in Natzweiler, Leben wegen eines verbrecherischen wohin sie denn, weil ihre Heimatlän- dem Ort, mit dem wir uns heute Regimes verloren... der so weit weg waren, gehen sollten: besonders verbunden fühlen, hat Für die Heimatkundliche Vereini- sie entschieden sich, nach Balingen einer der letzten Erzinger Häftlinge, gung, die sich von ihrem grundsätz- zurückzukehren und Arbeit in der glei- Robert Salomon, gerufen: niemals lichen Vereinszweck und -verständnis chen Garage als Autoelektriker in der mehr KZ, „plus jamais ca!“ her mit der Vergangenheit und dem Wiesenfl eckenstraße hier in der Nähe Erinnern – vor allem in unserer Region zu suchen, die gleiche Arbeit jetzt für Dr. Andreas Zekorn, Kreisarchivar und – befasst und gerade auch die Förde- die französische Armee zu machen Vorsitzender der Heimatkundlichen rung kulturgeschichtlicher Denkmäler wie als Frommerner KZ-ler. Er Vereinigung Zollernalb e.V., dankte zu ihren Aufgaben zählt, ist es deshalb schreibt: „Nach so vielen Jahren allen, die sich für das Aufstellen der eine besondere Ehre, mit der Stiftung Zwang, in einer geraden Linie mar- Erinnerungsstelen engagiert hatten. Er eines Gedenkstelen-Paares zum schieren zu müssen, lief ich die ersten sagte unter anderem: Gedenken an die begangenen Verbre- Tage im Zick-Zack (zig zag) von einer „Hier bei uns im Zollernalbkreis ist chen auf besondere Art zur Erinne- Seite der Straße zur anderen. Dies die allgemeine Erinnerung an natio- rungs- und Gedenkarbeit beizutra- symbolisierte für mich, dass ich einer nalsozialistisches Unrecht und Welt- gen.“ freier Mann war“. Diese Freiheit krieg speziell verbunden mit den Redaktionelle Zusammenstellung: wurde zur Wiedergewinnung der schrecklichen Konzentrationslagern Heinz Högerle

18 Das zweite Mal starb der Sonderling Adolf Rapp aus Mariazell sieben Jahre nach dem Krieg

Ute Wolf und Axel Huber, Singen am Hohentwiel

Adolf Rapp aus Mariazell lebte ein Individualist wie Adolf Rapp passte Ärzten, wie der Amtsrichter knapp bescheidenes Leben als Sonderling, nicht in das vorgegebene Muster zwei Jahre später zusammenfasste: bis ihn eine persönliche Krise im Spät- und galt als „arbeitsscheu“. SS-Chef „Im Lazarett bot der Angeklagte, wie sommer 1940 aus seinem gewohnten defi nierte „Arbeits- sich aus den Krankenakten ergibt, Alltag schleuderte. Knapp dreieinhalb scheue“ als „Männer im arbeitsfä- zunächst ausgeprägte pseudodemente Jahre später starb er im Konzentra- higen Lebensalter, deren Einsatzfähig- Züge, machte einen grüblerischen, in tionslager Buchenwald – verlassen von keit in der letzten Zeit durch amtsärzt- sich gekehrten Eindruck, liess alle der Ehefrau, verstoßen vom Vater und liches Gutachten festgestellt worden Haltung und Fassung vermissen, verhöhnt von den Ärzten als „labiler, ist oder noch festzustellen ist und die machte sehr ungenaue Angaben über minderbegabter Psychopath“. Der nachweisbar in zwei Fällen die ihnen seine Vorgeschichte, klagte dauernd Weg in den Tod begann am 22. Mai angebotenen Arbeitsplätze ohne über Kopfschmerzen und Schwäche, 1942, als das Amtsgericht Oberndorf berechtigten Grund abgelehnt oder lief planlos im Haus herum, liess sich den ungelernten Goldschmied nach die Arbeit zwar aufgenommen, aber im Garten häufi g vor ‚Schwäche‘ zu zahlreichen Denunziationen zu einer nach kurzer Zeit ohne stichhaltigen Boden fallen […]. Der Gutachter ersten Gefängnisstrafe verurteilte. Der Grund wieder aufgegeben haben“3 kommt zu der Diagnose, Rapp sei ein Fall Adolf Rapp zeigt exemplarisch, und verschärfte im Januar 1938 die labiler, minderbegabter Psychopath wie sehr der Nationalsozialismus die Richtlinien. Diese „Arbeitsscheuen“ mit mangelnder Willensbildung und Gesellschaft destabilisierte – und töd- waren von den Arbeitsämtern an die Neigung zu hysterischen Reaktionen. liches Misstrauen bis in kleine Dörfer Staatspolizeileitstellen zu melden, um Diese psychische Schwäche, die weder und Familien streute. 1952 starb Adolf geeignete Maßnahmen zu ergreifen. im ursächlichen Zusammenhang mit Rapp ein zweites Mal, als das Landes- Für Adolf Rapp begann der Zweite dem Wehrdienst entstanden noch amt für Wiedergutmachung selbige Weltkrieg am 10. Mai 1940, als er verschlimmert worden sei, vielmehr verweigerte.1 seinen Dienst beim 2. / Bau-Ersatz- anlagebedingt sei, mache Rapp als Bataillon 5 antrat. Die ersten Monate Soldat unbrauchbar.“ Leben und Sterben von verliefen unauffällig, doch an einem Die Wehrmacht entließ Adolf Rapp nicht näher bekannten Tag geschah im Oktober, da war seine Frau schon Adolf Rapp ein Unglück, wie Adolf Rapp berichte- wieder zu ihren Eltern gezogen. Adolf Rapp, ein unauffälliger Mann te: „Im August 1940 ist mir ein Unfall Zurück in Mariazell lag er viel im Bett, mit dunkelblonden Haaren, einen Me- zugestoßen bei einem Pferdetransport unfähig irgendetwas zu machen. Auf ter und 61 Zentimeter klein. Seit 1928 im Westen. Der erste Hufschlag ging Vermittlung seines Vaters sollte er ab handelte er auf Messen und Märkten an die linke Seite, der zweite Schlag 9. Dezember 1940 in der Rüstung bei mit Rasierapparaten und Rasierklin- an den Kopf. Seit dieser Zeit habe ich den Mauserwerken in Oberndorf gen, verdiente bis zu 100 Reichsmark Schmerzen, und kann vor Schmerzen am Tag und leistete sich ein eigenes keiner Arbeit nachgehen.“ Angeschla- gen nahm Rapp Urlaub, ging nach 1 Teile des Lebens von Adolf Rapp sind außer- Auto. In Mariazell pachtete er kleine ordentlich gut belegt. Unter der Signatur Wü Äcker und hielt drei Kühe. Kurz vor Hause in den Schwarzwald, wo er 30/13 T 2 Nr. 3373 verwahrt das Staatsarchiv seinem 32. Geburtstag heiratete er seine Ehefrau mit dem Untermieter in Sigmaringen die Strafakte gegen Adolf Rapp am 26. Juni 1938 die ein Jahr jüngere eindeutiger Lage überraschte. Die aus dem Jahr 1942, unter der Signatur Wü Agnes K. aus Aichhalden. Für sich mühsam aufgebaute Normalität 33 T 1 Nr. 2712 die Wiedergutmachungsakte aus dem Jahre 1952. Ein großer Dank geht an selbst hatte Adolf Rapp ein beschei- zerbrach innerhalb von Tagen. Rapp Frank Rettig von der Deutschen Dienststelle denes Glück geschaffen, ein Leben in gab später an, er habe einen Nerven- (Berlin), der die militärischen Daten von Adolf vermeintlicher Normalität. zusammenbruch erlitten, dauernd Rapp in eine logische Reihenfolge sortiert hat. Zu diesem Zeitpunkt stand Adolf Kopfschmerzen und Schwindel gehabt Die Materialien über Adolf Rapp aus den Kon- zentrationslagern Dachau und Buchenwald Rapp längst unter Beobachtung im und sich kaum aufrecht halten hat der Internationale Suchdienst in Arolsen Dorf. Paul King, Mariazeller Zellenlei- können. Der Arzt hielt diese Be- freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Aus ter der NSDAP, gab später zu Proto- schwerden für „psychogener Natur, Gründen der Lesbarkeit wurde auf Einzelnach- koll: „Gearbeitet hat Rapp vor dem wahrscheinlich hervorgerufen durch weise verzichtet. Die Zitate stammen, sofern sie nicht anders gekennzeichnet sind, aus der Krieg schon nicht gerne, meist war er die eheliche Untreue der Frau“, und Strafakte von 1942 und aus der Wiedergut- mit seinem Handel in Rasierklingen überwies Rapp am 31. August 1940 machungsakte von 1952. unterwegs.“2 Doch gerade Arbeit in das Reservelazarett II Tübingen, 2 Bei allen Zitaten wurde die Schreibweise im Teillazarett „Rhenania“. Original beibehalten, auch wenn diese mit- nahm eine zentrale Funktion in der unter zahlreiche Fehler enthält. von den Nationalsozialisten kon- In Tübingen hinterließ Adolf Rapp 3 Zitiert nach: Ayaß, Wolfgang: „Asoziale“ im struierten Volksgemeinschaft ein. Ein einen verheerenden Eindruck bei den Nationalsozialismus, Stuttgart 1995, S. 141.

19 Zugangspapier im KZ Buchenwald mit der Unterschrift von Adolf Rapp. Der Häftling erhält die neue Nummer 28295. Er wird als politischer Häft- ling geführt. Als Vorstrafe ist festgehalten: 4 Monate Gefängnis für Arbeitsvertragsbruch. Dokument: Archiv Arolsen. arbeiten. Nach einer Nacht meldete er Ein letztes Mal sollte Adolf Rapp Rapp nichts fehle, er sei ein Simulant. sich krank. Der Betriebsarzt erkannte noch Glück haben, denn es lag ein Daraufhin wurde Rapp entlassen und eine psychische Erkrankung, doch die Einberufungsbescheid zum 4. / das Arbeitsamt dementsprechend klinische Behandlung sei beim Arbeits- Infanterie-Ersatz-Bataillon 358 vor, so verständigt.“ Adolf Rapp wiederholte tempo in den Mauserwerken wegen dass der Mariazeller vier Tage später stupide seine Geschichte vom Huf- Zeitmangels nicht möglich. Zum das Gefängnis wieder verließ. Die schlag, von den ausgeschlagenen Jahresende 1940 war Adolf Rapp Warnung der Staatsgewalt war Zähnen, von den Schmerzen. Nie- wieder entlassen. Das Arbeitsamt deutlich gewesen, einzig Adolf Rapp mand wollte mehr zuhören. In Rottweil, Außenstelle Schramberg, verstand sie nicht. Längst bereitete die Aichhalden schlug ihm die Schwieger- nahm sich der Sache an und dienst- Staatsanwaltschaft Rottweil eine mutter die Tür vor der Nase zu. Und verpfl ichtete Adolf Rapp zum Arbeits- Anklage wegen Dienstpfl ichtverlet- in Mariazell setzte sich am 10. Mai der antritt bei Junghans zum 10. April zung vor. Adolf Rapp jedoch befand Vater hin und schrieb einen verzwei- 1941. Dies scheiterte mehrfach, Adolf sich permanent im Krankenstand und felten Brief ans Arbeitsamt: „Ist es den Rapp fehlte immer krankheitsbedingt. weilte in den nächsten Monaten in nicht möglich mein Sohn Adolf in ein Albert Kurfess, Leiter der Außenstelle sieben Lazaretten. Die Heeresentlas- Geschäft zu bringen, oder in ein Schramberg, wandte sich an die sungsstelle 3/V entließ Adolf Rapp mit Arbeitshaus. Mit Hoffnung zeichnet, Geheime Staatspolizei: „Da er bis Hinweis auf „Psychopathie mit Adolf Rapp alt, Heil Hitler.“ Die heute nicht erschien, bitte ich, das mangelnder Willensbildung und Verhandlung des Amtsgerichts Obern- weitere zu veranlassen. Wie mir von Neigung zu hysterischen Reaktionen“ dorf beim Gerichtstag im Schramber- mehreren Seiten mitgeteilt wird, ist im Januar 1942 aus dem Heeres- ger Rathaus am 22. Mai 1942 dauerte Rapp ein grosser Simulant.“ Selbst als dienst. Wieder scheiterte das Bemü- nicht lange. Bürgermeister Hermann die Gestapo Adolf Rapp am 24. Mai hen des Arbeitsamtes, den 36-jäh- Graf, Arbeitsamtschef Albert Kurfess 1941 verhaftet hatte, beharrte er rigen bei der Firma Junghans unterzu- und Junghans-Ingenieur Otto K. während des Verhörs darauf, aus bringen, wie aus einem Bericht zeichneten das Bild eines Menschen, Krankheitsgründen nicht arbeiten zu hervorgeht: „Ohne jeden ersichtlichen der nicht arbeiten wollte. Der Sach- können. Der vernehmende Beamte Grund fi el er plötzlich an der Maschi- verständige Jakob Zimmer fasste erkannte eine Dienstpfl ichtverletzung: ne um. Er gab an, es sei ihm schlecht zusammen: „Ich halte den Angeklag- „Ein solches Vergehen gehört in der geworden. Am anderen Tage, mor- ten für einen schweren Psychopathen. gegenwärtigen Kriegszeit im Hinblick gens, holte sich Rapp Holzwolle und Ich glaube nicht, daß der Angeklagte auf die Knappheit von Arbeitskräften bereitete sich in der Mechanik unter ohne Arbeitshaus zu einer Besserung strengstens bestraft. Man gewinnt einer Treppe ein Lager, wo er sich kommt.“ Das letzte Wort in der von dem Beschuldigten den Eindruck daraufl egte. Auch jetzt gab er wieder Verhandlung gehörte dem Angeklag- eines arbeitsscheuen Menschen u. an, es sei ihm schlecht, er könne nicht ten: „Ich bin krank.“ Das Amtsgericht Simulanten […].“ Adolf Rapp kam in arbeiten. Der wieder verständigte verurteilte Adolf Rapp zu vier Mona- Untersuchungshaft. Betriebsarzt erklärte auf Befragen, daß ten Gefängnis. Aus der Urteilsbegrün-

20 Häftlings-Personal-Karte aus dem KZ Buchenwald. Bei Haftgrund ist „arbeitsscheu“ ist durchgestrichen und durch „politisch“ ersetzt. Der Todestag von Adolf Rapp ist vermerkt. Dokument: Archiv Arolsen. dung: „Dem Angeklagten muss arbeit bei der Luftschiffbau Zeppelin Schramberg, Kreis Rottweil nachdrücklich zum Bewusstsein GmbH in Friedrichshafen erreichte er ------ist am 21. Februar 1944 gebracht werden, dass, zumal in der am 12. November das Konzentra- um 20 Uhr 15 Minuten in Weimar- heutigen Kriegszeit, seine krankhafte tionslager Buchenwald und wurde als Buchenwald verstorben.“ Veranlagung kein Freibrief für Faulen- politischer Häftling in Block 62 zerei ist. Sollte der Angeklagte sich eingewiesen. Im „Lager des schlep- Die Witwe und die Suche diese Strafe nicht zur Warnung dienen penden Todes“4 lebte Adolf Rapp lassen, so hat er damit zu rechnen, noch 13 Wochen. Die primitiven nach Wiedergutmachung dass er noch in einem Arbeitserzie- Holzbaracken boten keinen Schutz Die Trauer der Witwe Agnes Rapp hungslager landet und dort seine gegen die Winterkälte. Die SS hatte hielt nicht lange. Wenige Wochen Abneigung gegen die Arbeit gebro- zur Versorgung der Häftlinge eine nach dem Tod ihres Mannes machte chen wird.“ Seine Strafe saß Adolf selten erreichte Normalration von 350 sie gegenüber dem Landratsamt Rott- Rapp vom 4. Juni bis zum 3. Oktober Gramm Brot, einem Liter dünne weil Versorgungsansprüche geltend. im Strafgefängnis Rottenburg ab. Die Suppe und Marginalien von Wurst Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht folgenden Ereignisse lassen sich nur oder Käse vorgesehen – bei härtester bruchstückhaft rekonstruieren. Adolf körperlicher Arbeit. Eine SS-interne Rapp soll am 14. Dezember 1942 Untersuchung im März 1944 ergab, 4 Benz, Wolfgang; Distel, Barbara (Hrsg.): Der verhaftet und ins Arbeitserziehungsla- dass 81 Prozent der Häftlinge an Ort des Terrors. Geschichte der nationalso- ger Oberndorf-Aistaig gebracht Untergewicht litten. Der Tod hatte viel zialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, worden sein und wurde auf Veranlas- Arbeit, alleine 1944 starben 8644 S. 346 sung der Staatspolizei Stuttgart am Häftlinge aus aller Welt.5 Das Stan- 5 Vgl. zum Thema Buchenwald Stein, Harry: 14. Januar 1943 ins Konzentrationsla- desamt Weimar II meldete unter der Buchenwald – Stammlager, in: Benz, Wolf- ger Dachau eingeliefert. Dort verhielt Vorgangsnummer V/56/1944: „Der gang; Distel, Barbara (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen er sich laut einer Notiz „friedlich“. Goldschmied Adolf Rapp ------Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Nach mehreren Monaten Zwangs- katholisch ------wohnhaft in Buchenwald, München 2006, S. 301–356.

21 einmal die Urne mit der Asche an- für Wiedergutmachung nicht schwer, ruiniert. 4 Jahre im Krieg, Tag u. Nacht gekommen. Der Landrat antwortete Adolf Rapp als „arbeitsscheuen Schicht, sitze ich in der Fabrik Dienst- am 4. April 1944: „Nach Mitteilung Menschen“ mit einem „asozialen verpfl ichtet u. Nacht ohne Heizung, der Kommandantur des Konz. Lag. Verhalten“ zu diffamieren – die das habe Ich u. mein Mann alles Buchenwald war Ihr Ehemann als poli- identischen Worte, die zehn Jahre Verdient warum?? [...] Ich selbst habe tischer Häftling durch die Staatspolizei zuvor der nationalsozialistische kein Fernsehen, keine Waschmaschine Stuttgart dort eingewiesen. Ansprü- Amtsrichter verwendet hatte. Der u.s.w. Ein ganzes Haus ist Verloren che auf Hinterbliebenenversorgung Sachbearbeiter zeigte Verständnis für seit 1942.“ dürften nicht bestehen.“ die Zwangsmaßnahmen: „Die Arbeits- Das Landesamt nahm sich der Sache 1951 beantragte Agnes Rapp beim verweigerung wurde in der Nach- an. Der Sachbearbeiter wies darauf Amt für Wiedergutmachung in kriegszeit ebenfalls verfolgt und hin, dass immer noch keine rechtliche Rottweil neben 3000 Mark an di- bestraft, wenn auch nicht in so Grundlage vorhanden sein, machte rekten Verlusten eine monatliche tragischer Weise, wie während der aber auf die schwierige Lage aufmerk- Rente von 150 Mark. In den nächsten nat. soz. Gewaltherrschaft.“ Ähnlich sam: „Es ist nachgewiesen, daß der Monaten schrieb der Sachbearbeiter klare Worte fand das Amt im Ableh- Ehemann der Antragstellerin unter Zeugen an, fragte bei den Gemeinden nungsbescheid an die Witwe: Men- gröblicher Mißachtung der Men- nach. Wer konnte, machte vom schen wie Adolf Rapp würden gegen schenrechte mehr als 13 Monate im Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch jegliche staatliche Ordnung handeln KZ festgehalten worden war und daß oder gab an, nichts zu wissen. Die und staatliche Maßnahmen notwen- er dort sein Leben lassen mußte.“ Gemeinde Mariazell antwortete: dig machen. In menschenverachten- Und zudem: „Die 73jährige alleinste- „Durch Umfragen wurde aber überall den Worten schließt das Schreiben: hende Antragstellerin lebt in äußert bestätigt, dass er als Arbeitsscheuer „Wohl stellt die Unterbringung und ungünstigen wirtschaftlichen Verhält- ins KZ eingeliefert wurde.“ Der Tötung des Ehemanns der Antragstel- nissen. Es erschien daher geboten, der Sachbearbeiter konnte sich nicht für lerin in den Konzentrationslagern Antragstellerin zur Behebung ihrer das Opfer erwärmen und meldete in einen Verstoß gegen die Menschen- Notlage ab 1.1.1980 eine jederzeit einem internen Schreiben im Mai würde dar. Der Gesetzgeber will widerrufl iche lfd. Beihilfe aus überge- 1952 an die übergeordnete Stelle, das jedoch durch das Entschädigungsge- setzlichen Haushaltsmitteln zu gewäh- Landesamt für Wiedergutmachung in setz nicht jeden Schaden, der wäh- ren.“ 200 DM monatlich bot das Tübingen, weiter: „Er ist nicht wegen rend der Zeit der nationalsozialis- Landesamt Agnes Rapp an – rückwir- seiner politischen Haltung, sondern tischen Gewaltherrschaft erlitten kend zum 1. Januar 1980. Nun wegen Verweigerung von kriegswich- wurde, einer Wiedergutmachung geschah etwas Eigenartiges: Agnes tigen Arbeiten verfolgt und benach- zuführen.“ Das Amt für Wiedergut- Rapp meldete sich nicht mehr zurück. teiligt worden. Aus den herbeigezo- machung in Rottweil spiegelte mit Das Amt machte Agnes Rapp im genen Gerichtsakten ist eindeutig zu seiner Entscheidung im Falle Adolf Dezember 1980 in Glatten ausfi ndig entnehmen, daß politische Motive bei Rapp lediglich einen gesamtgesell- und bat den Bürgermeister Michael der Arbeitsverweigerung überhaupt schaftlichen Konsens wieder. Auch die Pfau, das Gespräch zu suchen. Seine keine Rolle gespielt haben.“ Dass junge Bundesrepublik Deutschland Rückmeldung: „Die Antragstellerin Adolf Rapp in der NS-Bürokratie als kannte Pfl ichtarbeit und Arbeitszwang hat auf Befragen erklärt, daß sie nicht politischer Häftling geführt wurde, und die letzten Arbeitshäuser wurden bereit sei, einen Vergleich zu schlie- war unerheblich: „Es kann nicht erst in den 1960er-Jahren geschlos- ßen, sie wünscht zunächst eine darauf entscheidend ankommen, daß sen.6 Menschen wie Adolf Rapp konn- Hauptentschädigung.“ Damit endeten der Geschädigte in den KZ.-Unterla- ten nicht auf eine Rehabilitation die Bemühungen des Landesamtes für gen als ‚politischer Häftling‘ geführt hoffen, seine Witwe bekam keinerlei Wiedergutmachung. Nach Aktenlage worden ist, sondern maßgebend ist Unterstützung. nahm Agnes Rapp das Angebot nie allein die erwiesene Tatsache, die der Agnes Rapp fühlte in ihrem Herzen an. Sie starb am 2. Dezember 1986 in Bezeichnung zu Grunde liegt. Nach ein schweres Unrecht. Immer wieder Aichhalden.7 Ihre letzte Wohnadresse dem Ermittlungsergebnis sind jedoch begehrte sie in den folgenden Jahr- war ihre kleine Notwohnung in ihrem für eine gegen den Nationalsozialis- zehnten auf. Zuletzt schrieb sie am Elternhaus, das sie Zeit ihres Lebens mus gerichtete achtbare politische 21. Februar 1980 in einfachsten nur für die zwei mehr oder weniger Haltung des Geschädigten keine Worten an das Landesamt für Wieder- glücklichen, gemeinsamen Ehejahre triftigen Anhaltspunkte vorhanden.“ gutmachung: „Mein Mann hat mit Adolf Rapp verlassen hatte. Mit anderen Worten: Die National- unschuldig sein Leben lassen müssen sozialisten führten Adolf Rapp in ihren 21.2.44 im K.Z. Buchenwald. Die Akten als politischen Häftling, das Verbrecher leben noch u. haben Amt für Wiedergutmachung erkannte Rente: Was mir vor dem Krieg zusam- 6 Vgl. die Darstellung der Wiedergutmachungs- das nicht an und verweigerte so der men gearbeitet haben ist alles Verlo- problematik bei Ayaß, Wolfgang: „Asoziale“ Witwe eine Entschädigung. Nach ren. Mein Mann hatte guten Beruf im Nationalsozialismus, Stuttgart 1995, S. 211–215. dieser Umdeutung der Realität fi el es und wollte eine Existenz u. Heimat 7 Auskunft des Standesamtes Aichhalden vom dem Sachbearbeiter des Landesamtes gründen! Mein halbes Leben ist 21. Dezember 2012.

22 Zwei Kripo-Männer aus Schwaben Vorkriegsleben und Werdegang von und Gottlieb Hering. Teil II Michael Tregenza, . Übersetzung durch Irene Vogel, Horb

Am 30. Januar 1933 kam für Wirth gegen den „Nazifresser“ Gottlieb eine Intervention von Wirth verlassen und viele seiner Kollegen das lange er- Hering enthielt. SA-Obersturmführer könnte, der Präsident des württember- wartete und erhoffte totalitäre Regime Österreicher gab zu Protokoll, dass gischen Kameradschaftsbundes für an die Macht. Kurz danach erfolgte der Hering ihm einmal in den 20er Jahren deutsche Polizeibeamte war, dem Befehl aus Berlin, dass alle Polizeibe- gesagt habe, er lasse sich lieber eine Hering ebenfalls angehörte. Und amten der NSDAP beitreten müssten. Kugel ins Hirn schießen als dass er Nazi tatsächlich, noch im Oktober 1933 Wirth selbst las ihn der gesamten werde. Hering wies alle Anschuldi- sagten Wirth und zahlreiche andere Mannschaft in der Dienststelle in der gungen vehement von sich. Er forderte Polizeikommissare und einfl ussreiche Büchsenstraße vor. Die Mehrheit fügte eine vollständige Überprüfung durch Nazis zu Herings Gunsten aus. In sich, und die Zögerlichen wurden von das Ermittlungsbüro. Und am 1. Mai einem Schreiben an das Ermittlungsbü- Wirth bearbeitetet und sogar erpresst, 1933 wurde Oberkommissar Gottlieb ro versicherten sie, dass Hering ein bis sie Mitglied wurden. Die wenigen, Hering Mitglied der NSDAP, sehr zum fähiger und pfl ichtbewusster Polizist die sich kategorisch weigerten, ließ Erstaunen und Missfallen vieler Nazis sei, und dass die ihm zur Last gelegten er schließlich in Ruhe. Das waren die in Göppingen. Er war einer von ernsten Verfehlungen jeder Grundlage „weichen und sentimentalen“ Poli- Tausenden von „Maikäfern“, die in entbehrten. Sie erinnerten an seine zisten, die er verachtete. Sie weigerten dieser Zeit scharenweise in die Partei hervorragenden Leistungen im Krieg sich auch, verschärfte Vernehmungen eintraten. an der Front und seine beispielhaften durchzuführen, bei denen alles erlaubt Nach ausführlichen Ermittlungen Erfolge bei der Polizei. war. teilte man Hering am 6. September Die endgültige Entscheidung über In Stuttgart wurde Gauleiter Wilhelm 1933 mit, seine Einstellung sei im Herings Schicksal lag beim Reichsstatt- Murr württembergischer Innenminister Wesentlichen marxistisch geprägt und halter von Württemberg, Wilhelm und im Mai 1933 Reichsstatthalter. stehe damit im Gegensatz zur NSDAP. Murr. Schließlich kam vom Büro des Wirth trat in die SA ein und erhielt den Man halte ihn nicht für vertrauenswür- Ministerpräsidenten Christian Mer- Rang eines Untersturmführers. Er war dig, und er werde niemals auf die genthaler die Empfehlung an den damals schon 48 Jahre alt und damit Unterstützung des NS-Staates setzen Reichsstatthalter, er solle Kriminalober- einer der wenigen SA-Leute über 40. können. Die Nazis in Göppingen waren kommissar Gottlieb Hering nicht Er wurde Leiter des Landesverbands überzeugt, dass Hering jetzt aus dem entlassen, sondern nach Stuttgart der Polizeibeamten Württembergs und Amt verschwinden und durch einen versetzen, da er in seinem Heimatort stand dadurch in engem Kontakt zu überzeugten Nazis ersetzt werden offensichtlich sehr unbeliebt sei. Hering der Hauptstelle in Berlin. würde. Doch obwohl drei andere solle eine strenge Abmahnung bekom- Dass Wirth der SA angehörte, Polizeikommissare auf Antrag der men, aber die Kosten des Verfahrens hinderte ihn nicht daran, SA- und örtlichen SS und SA entlassen wurden, solle das Land Württemberg tragen. SS-Leute in Stuttgart und Umgebung behielt Hering seinen Posten als Leiter Anscheinend war man in der Umge- festzunehmen, wenn sie Bürger der Göppinger Kripo. Österreicher bung des Ministerpräsidenten auch der angegriffen oder deren Privateigentum schrieb einen wütenden Brief an das Meinung, dass es keinen „Rauch ohne zerstört hatten. In Marbach, wo SA- württembergische Innenministerium, Feuer“ gebe, aber man war wohl und SS-Führer Bürger, die nicht in der dass man Herings Verleiben als Polizei- ebenso wie Wirth der Meinung, dass Partei waren, beleidigt, geschlagen und kommissar in Göppingen und seine „gute“ Polizeibeamten nicht so leicht ausgeraubt hatten, nahm Wirth alle Mitgliedschaft bei der NSDAP nicht zu ersetzen seien. Am 24. Januar 1934 Verantwortlichen fest und schickte der länger dulden würde. Hering stritt alle wurde Hering von Göppingen in das Staatsanwaltschaft in Stuttgart seinen Anschuldigungen erneut ab und ließ Polizeipräsidium in der Stuttgarter Bericht. Nach Aussagen seiner Sekretä- sich lang und breit über seine Erfolge Dorotheenstraße versetzt. Am 19. rin Hedwig Roller ließ er sich bei seinen und Leistungen als Polizist aus. Er Februar kam er zu Wirths Sonderkom- Ermittlungen und Verhaftungen ohne erklärte, dass er nur deshalb nicht so mission für Schwerkriminalität. Am 27. Ansehen der Person nur von seinem stark gegen die Kommunisten ge- August 1934 leistete er den Treueeid Pfl ichtgefühl leiten. kämpft habe, weil sie in Göppingen auf den „Führer“ und Reichskanzler Das württembergische Innenministe- nicht sehr aktiv gewesen seien. Er habe . Er war inzwischen ein rium richtete in Stuttgart eine Dienst- seine Pfl icht getan und dem Staat treu überzeugter Nazi und stand tief in stelle ein, die sich mit der Überwa- gedient. Er forderte, man solle be- Wirths Schuld. chung und Ermittlung der Regime- stimmte Polizeibeamte befragen, Bis Mitte der 30er Jahre hatte sich Gegner befasste. Dort wurde auch eine besonders seinen alten Kameraden, Wirth den Ruf eines kriminologischen Akte geführt, die die Klagen der Kriminalinspektor Christian Wirth. Experten erworben, der außerordent- SS- und SA-Führer in Göppingen Hering war überzeugt, dass er sich auf liche organisatorische Fähigkeiten hatte

23 Ziel, die Monarchie wiederherzustellen. Hochverrat war ein Verbrechen, auf dem die Todesstrafe stand. Nachdem Gerstein 1933 NSDAP-Mitglied geworden war, war die Gestapo auf ihn aufmerksam geworden. Sie hielt ihn für einen religiösen Fanatiker. Gerstein hatte als Mitglied im Bund Deutscher Bibelkreise Bibelcamps als Alternative zur Hitlerjugend veranstal- tet. 1935 war er von Nazi-Sturmtrup- pen zusammengeschlagen worden, als er während einer Theateraufführung Anti-Nazi-Parolen gebrüllt hatte, und im folgenden Jahr nahm die Gestapo ihn fest, weil er Anti-Nazi-Literatur verteilt hatte. Er kam in Saarbrücken ins Gefängnis. Hauptsturmführer Gottlieb Hering, links, und Oberscharführer Heinrich Gley in Belzec. Gley In den Zellen der „Büchsenschmiere“ und Hering kannten sich schon aus der „“. Beide waren in der Vernichtungsanstalt Son- in Stuttgart wurde der Häftling Ger- nenschein tätig. Unter Hering war Gley in Belzec für die Aufsicht der ankommenden Transporte an der Rampe zuständig. Foto: Gedenkstätte Yad Vashem. stein vom Gestapooffi zier Ernst Zerrer verhört. Der war wie Wirth ein erfah- und völlig in seinem Beruf aufging. der seine eigenen Kameraden und rener Polizeibeamter. Zerrer erkannte Man schickte ihn zu einer Interpol- Mitarbeiter ausspionierte. schnell, dass sein Häftling hochintelli- Tagung in die Schweiz, wo er einen Als Experte in Kriminologie und gent war. Zu dieser Zeit leitete Wirth guten Eindruck hinterließ. Aber anders Ermittlungsarbeit wurde Wirth 1938 noch die Dienststelle II. Nach Aussage als andere Kriminalbeamte, die ihre zum Leiter des Kommissariats 5 von Hedwig Roller, inzwischen Sekre- Karriere voranbringen wollten, trat ernannt, einer neuen Spezialabteilung tärin des Leiters der Stuttgarter Kripo, Wirth wider Erwarten nicht der SS bei, der Kripo für Schwerkriminalität, d.h. in Weizenäcker, musste Wirth ihren Chef als Himmler 1936 zum Reichsführer SS erster Linie für Mordfälle. Es war die über alle interessanten und unge- und zum obersten Chef der deutschen erste Spezialabteilung dieser Art in wöhnlichen Fälle informieren. Ein Fall, Polizei ernannt wurde. Alle Zweige der Deutschland. in dem es um Hochverrat ging, Polizei wurden jetzt der SS unterstellt. Das Kommissariat 5 wurde von einer gehörte natürlich in diese Kategorie. Das garantierte, dass die beiden Spezialabteilung unterstützt, die Wirth hatte diesen Fall während oder Organisationen nun Hand in Hand offi ziell zur Stadtverwaltung gehörte. nach der Arbeit sicher auch mit dem arbeiteten. Kripo und Gestapo zusam- Diese Zusammenarbeit brachte den Gestapooffi zier Ernst Zerrer diskutiert. men wurden zur Sicherheitspolizei Stuttgarter Ermittlern einen großen Zerrer war Wirths Nachbar in Stutt- (SIPO) unter dem SS-Gruppenführer Vorteil gegenüber allen anderen gart-Degerloch. Es ist nicht auszu- . Obwohl Wirth Kommissariaten in Deutschland. Wirth schließen, dass Wirth auch an einigen nicht zur SS gehörte, war er als und seine Kollegen konnten sich der der Verhöre teilgenommen hat. Als die politisch verlässlicher Polizeibeamter Expertise des anerkannten Labors des Untersuchung beendet war, wurde befugt, SS-Uniform zu tragen, wenn es chemischen Untersuchungsamtes der Gerstein in das berüchtigte Polizeige- die Situation erforderte. Stadt bedienen. Dessen Direktor Dr. fängnis in Welzheim verlegt, das brutal Trotz seiner Entscheidung, sich nicht Otto Metzger und sein Assistent Dr. geführt wurde und in dem Schläge- der SS anzuschließen, hatte sein Walter Heess waren spezialisiert auf reien oder sogar Morde unter den Einfl uss bei der Polizei und der Partei Toxikologie, Kriminologie, Waffen, Gefangenen gefördert wurden. die Aufmerksamkeit von Heydrichs Ballistik und Entlarvung von Fäl- Obwohl Gerstein nicht physisch (SD) geweckt, und schungen. Alles Bereich der Forensik, misshandelt wurde, wollte er sich 1937 wurde er zum V-Mann des die von unschätzbarem Wert für die wegen der schrecklichen Zustände im Sicherheitsdienstes. Leute wie Wirth, Kripo waren. Gefängnis das Leben nehmen. angesehene und einfl ussreiche Partei- Im Juli 1938 wurde in der Büchsen- Sechs Wochen später wurde er aus mitglieder, wurden vom SD angewor- straße ein außergewöhnlicher Fall Mangel an Beweisen freigesprochen ben. Durch seine Position und seine untersucht. , ein 35jäh- und zitterte von da an jedes Mal, wenn Verbindung zu so vielen Polizei- und riger Mineningenieur, wurde auf er jemanden mit einer Hakenkreuzbin- Parteiorganisationen war Wirth dafür Anordnung der Berliner Gestapo in de sah. prädestiniert, die politische Einstellung Stutt gart festgenommen. Man ver- Die Wege von Kurt Gerstein und und Verlässlichkeit seiner Polizei- und dächtigte ihn des Hochverrats, weil er Christian Wirth kreuzten sich später Parteikollegen auszukundschaften. Er an der Planung eines Umsturzes wieder. Im Sommer 1942 würde sich wurde zum Spitzel und Informanten, beteiligt gewesen sein sollte mit dem Gerstein, der Anti-Nazi Dissident, in

24 geheimer Mission auf dem Weg ins Todeslager Belzec in Polen befi nden, das Wirth leitete. Gerstein trug dabei die Uniform eines SS-Untersturmfüh- rers. Er hatte den offi ziellen Auftrag, die Effektivität der dortigen Gaskam- mern zu überprüfen und Verbesse- rungsvorschläge auszuarbeiten. Was er er lebte, berichtete er u.a. dem schwe- dischen Gesandtschaftsrat Göran von Otter.1 Anfang Februar 1939 wurde Wirths Ruf als hervorragender Ermittler nochmals durch die Aufklärung eines besonders schwierigen Mordfalles bestätigt. Er wurde mit der Klärung Christian Wirth, links, 1940 in der Mordanstalt Hartheim. Im Hintergrund, neben Wirth wahr- eines Falles in Kempten beauftragt, wo scheinlich Josef Oberhauser, der ihm später in Polen und in Italien assistierte. Fotoquelle: http:// ein gewisser Johannes Strossenreuther deuxiemeguerremondia.forumactif.com/t10925-christian-wirth-une-tentative-de-curriculum wegen Mordes an einer Prostituierten zum Tode verurteilt worden war, Vortrag über seine Erfahrungen in Führungsoffi zier und geschätzter obwohl er seine Unschuld beteuerte. der Tschechoslowakei entgegen der Kollege“. Wirth sei ideal für zukünftige Wirth verhörte Strossenreuther und offi ziellen Parteilinie äußerte. Er lobte „Spezialaufgaben“ geeignet, ein völlig erhielt von ihm nicht nur ein Geständ- die tschechische Nation und nannte rationaler Mann, in seinem Handeln nis für den Mord, für den er verurteilt deren Menschen sauber, aufrecht und gänzlich ohne Gewissensbisse oder worden war, sondern auch für fünf hart arbeitend. Von ihnen könnten die menschliche Gefühle. weitere sexuell motivierte Morde. Das Deutschen eine Menge lernen. Eine Es sei angemerkt, dass es eventuell war Wirths letzte große Ermittlung. Reihe von Zuhörern erwartete, dass die noch andere persönliche Vorausset- Weniger als ein Jahr später sollte Wirth Gestapo sich nun mit Wirth befassen zungen gab, die Wirth für die Tötung an der Durchführung eines staatlichen würde. Aber es geschah nichts. Nie- von behinderten Menschen besonders Massenmordes selbst persönlich mand aus der Gestapo wagte es, sich prädestinierten. In den zehn Jahren beteiligt sein . mit einem Polizeioffi zier anzulegen, der zwischen den Geburten seiner zwei Am 28. Februar 1939 wurde Wirth „zur Verfügung des Führers“ stand. Söhne 1911 und 1921 hatten seine zum Vorsitzenden des Disziplinarge- Im April 1939 bat SS-Standarten- Frau Maria und er zwei Kinder verlo- richts der Polizei in Stuttgart ernannt. führer Viktor Brasch, der Leiter des ren. Sie lebten gerade lang genug, um Diese Stellung sollte er bis zum 3. Juni Hauptamts II (Angelegenheiten betr. in der Pfarrkirche in Unterbalzheim 1940 bekleiden. Wenig später wurde Staat und Partei) in der Reichskanzlei, registriert zu werden. Möglicherweise er mit einem Spezialauftrag „politischer das Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) in wären sie behindert gewesen, wenn sie Natur“ nach Wien geschickt, den man der Werderstraße in Berlin, einen überlebt hätten. Es war damals nicht als Gestapoauftrag deuten kann. Zu geeigneten und erfahrenen Beamten unüblich, dass Hebammen und Ärzte der Zeit enthielt seine Akte den aus der württembergischen Polizei für stark behinderten Neugeborenen Vermerk „z.V. Führer“ ( zur Verfügung eine Spezialaufgabe des „Führers“ zu „einen gnädigen Tod“ direkt nach der des Führers). Kriminalinspektor Chri- empfehlen. Es ging um die Ermordung Geburt bescherten. stian Wirth war für künftige wichtige von körperlich und geistig Behinderten. In Berlin hatte man entschieden, dass Spezialaufgaben vorgesehen. Die ersten Opfer sollten Patienten der das „Euthanasieprogramm“ für Nach Wien wurde Wirth der Abtei- staatlichen, privaten und kirchlichen Erwachsene gestartet werden sollte, lung der Sipo und SD in Prag zuge- Einrichtungen in Oberschwaben sobald Hitler grünes Licht gegeben teilt. Man sandte ihn nach Olmütz sein. Dieser Polizeibeamte sollte die hatte, und zwar in Württemberg, in Organisation und die Sicherheitsvor- (Olomouc) im Protektorat Böhmen- 1 Kurt Gerstein war bekennender Christ und Mähren (Tschechoslowakei), um eine kehrungen der ersten „Euthanasie“- SS-Offi zier. Am 22. April 1945 stellte sich Ger- -Dienststelle des Reichs Einrichtung überwachen. Dazu suchte stein in Reutlingen der französischen Armee einzurichten und gegnerische Aktivi- man „einen Offi zier mit Führungsqua- und wurde interniert. Er wurde am 25. Juli litäten, organisatorischen und verwal- 1945 in seiner Zelle im Pariser Militärgefäng- täten und Sabotage in dem Gebiet zu nis Cherche-Midi erhängt aufgefunden. Zuvor untersuchen. Es gibt keinen Zweifel, tungstechnischen Fähigkeiten und mit hatte er ausführlich über die Vernichtungsla- dass Wirth auch Aufgaben für den Eigeninitiative“. ger in Polen berichtet. Der Bericht von Kurt SD ausführte, der ein besonderes Das Berliner Polizeipräsidium fragte Gerstein über das Lager in Belzec ist eine der bei der Abteilung II (Polizeiwesen) im wichtigsten Schilderungen über das Morden Augenmerk auf Grenzgebiete legte. in den Vernichtungslagern. Eine deutsche Bei seiner Rückkehr nach Stuttgart württembergischen Innenministerium Fassung des Gerstein-Berichts fi ndet sich im schockierte Wirth Polizeikollegen und in Stuttgart an. Dort wurde Christian Internet unter: http://www.deathcamps.org/ Parteifunktionäre, als er sich in seinem Wirth vorgeschlagen, „ein glänzender belzec/gerstein_de.html

25 Oberschwaben. Einige in Frage bekleidete. Mitte Dezember war er der kommende Institutionen hatte man einzige Beamte der württembergischen schon als mögliche Tötungszentren Polizei, den man für ein Spezialteam vorgesehen und Kriminalinspektor auswählte, das allein Kriminalrat Paul Wirth sollte sie leiten. Werner, dem stellvertretenden Vor- Wegen der erwartenden „Spezial- sitzenden des Reichskriminalamtes in aufgaben“ wurde Wirth schließlich Berlin unterstand. Das Team wurde für verpfl ichtet, doch der SS beizutreten. einen Spezialauftrag nach Gotenhafen Am 10.August 1939 wurde er Unter- () an der baltischen Küste des sturmführer und durfte auf dem Ärmel „polnischen Korridors“ geschickt, der den Winkel tragen, das Zeichen eines Ostpreußen vom Rest des Reiches „alten Nazikämpfers“. trennte. Die Gruppe sollte die Wieder- Kurz nachdem Hitler am 27. Septem- besiedlung des Gebiets durch Volks- ber 1939 den Befehl für die Bildung deutsche aus den baltischen Staaten des Reichssicherheitshauptamtes organisieren. Diese Aufgabe musste in (RSHA) unterschrieben hatte, wurde SS-Uniformen durchgeführt werden. Wirths Personalakte auf Antrag des SD In Gotenhafen und Umgebung machte von Stuttgart nach Berlin zum Amt 1 man Platz für die erste Welle der Sied- (Gesetz und Verwaltung) geschickt. ler, indem man die Hälfte der einheimi- Am 1. Oktober wurde Wirth zum schen Bevölkerung auf brutale Weise SS-Obersturmbannführer befördert, auswies und Häuser, Land und Besitz und obwohl er nun Mitglied von der Ausgewiesenen konfi szierte. He- Christian Wirth, links, und Gottlieb Hering Himmlers Elitetruppe war, trug er ring blieb ein Jahr lang in Gotenhafen. gemeinsam in der Sonderabteilung Einsatz R weiterhin seine grüne Schutzpolizeiuni- Ende 1940 beorderte man ihn aus Go- in Italien zur Vernichtung von Juden und zur form. Seine SS-Uniform trug er nur, tenhafen zurück, wahrscheinlich weil Bekämpfung von Partisanen. wenn es die Umstände erforder- Christian Wirth ihn angefordert hatte, trooper, Princeton University Press, New ten. Kurz darauf verließ er Stuttgart. um in seinem Team an der „geheimen Jersey 1980. Er sollte in der Reichskanzlei in der Reichssache“ mitzuarbeiten. Orgeldinger L.: Das Württembergische Re- Berliner Voßstraße an der Planung und serve Infanterie Regiment 246, Christian Organisation des geheimen „Eutha- Quellen: Belsesche AG. nasie“-Mordprojektes mitarbeiten. Bundesarchiv Koblenz, Aussenstelle Berlin- Von da an hatten seine Vorgesetzten Lichterfelde: Personenunterlagen Wirth Redaktionelle Anmerkung zu den gemein- Evangelisches Pfarramt Balzheim: Familien- in der Dienststelle II in Stuttgart nur samen Stationen der Mörder: und Konfi rmationsregister. Christian Wirth, Kriminalbeamter, organi- noch wenig mit ihm zu tun, außer dass Hauptstaatsarchive Stuttgart: satorischer Leiter der Aktion T4, Kom- sie monatlich sein Gehalt überwiesen E 151/03: Württ. Innenministerium, mandant von Belzec, dann übergeord- und seine Beförderungen und seinen Abteilung III (Polizeiwesen) 1812-1945. neter Leiter der Aktion Reinhardt, dann Aufstieg registrierten. Wirth kehrte nie E 151/21, E 151a/21 (Bü 1684): Person- „Sonderabteilung Einsatz R“ in Italien. mehr zur normalen Kripo-Arbeit nach lakten Wirth und Hering. Im Mai 1944 bei einem Partisanenangriff Stuttgart zurück. Bei seinen seltenen Inventory Nos. M 111, M 411: Docu- erschossen. Privatbesuchen in der Stadt bat er ments, RIR 246. – Inventory No. M. 480, Gottlieb Hering, Kriminalbeamter, Leiter vol. 57: War Service Register, RIR 246. – des Sonderstandesamtes in Sonnenschein seine Polizeikollegen, ihn nicht nach Inventory No. M 598: Military Reserve (Aktion T4); nach Wirth Kommandant seiner Beschäftigung zu fragen, denn Hospital, Patients’ Admission Card Index: von Belzec; dann „Sonderabteilung er sei in eine„geheimen Reichssache“ Christian Wirth. Einsatz R“ in Italien. Nach Kriegsende eingebunden. Staatsarchiv Ludwigsburg: wieder Kriminalbeamter in . EL 48/2 I: Landeskriminalamt Württem- , Kriminalbeamter, Büroleiter Seit seinem radikalen Gesinnungs- berg. EL 902/20/37/40167: Zentral-Be- in Hartheim (Aktion T4), Lagerkomman- wechsel hatte inzwischen auch Gott- rufungskammer VII, Nord-Württemberg, dant von Sobibor und Treblinka, dann Ludwigsburg: gegen Christian Wirth lieb Hering unter den Nazis Karriere „Sonderabteilung Einsatz R“ in Italien. 1946-1949. Franz Reichleitner, Kriminalbeamter, gemacht. Nachdem er 1934 von Beer, M.: „Wissenschaft ohne Menschlich- Kollege von Stangl, bei der Aktion T4 in Göppingen nach Stuttgart versetzt keit – Vom Chemischen Untersuchungs- Hartheim, nach Stangl Kommandant in worden war, arbeitete er an der amt der Stadt Stuttgart zum Kriminal- Sobibor, dann „Sonderabteilung Einsatz Aufklärung verschiedener Mordfälle technischen Institut der Sicherheitspoli- R“ in Italien. und man erkannte seine Fähigkeiten ze’, in: Hiller, M. P: Stuttgart im Zweiten , während der Aktion T4 auf diesem Gebiet. 1937 stieg er zum Weltkrieg, Gerlingen 1989. in Hartheim, stellvertretender Lager- Best, W.: Die deutschen Polizei, L. C. Wit- Kriminalbezirkssekretär im Stuttgarter kommandant in Sobibor, dann in Italien tich Verlag, Darmstadt 1941. „Sonderabteilung Einsatz R“ Polizeipräsidium auf. Im November Hiller, M. P: „Beklommen und unsicher”, Josef Oberhauser, während der Aktion T4 1939 beförderte man ihn zum Leiter in: Stuttgart im Zweiten Weltkrieg, Ger- in Grafeneck, Brandenburg und Bern- der Kriminalpolizei in Schwenningen, lingen 1989. burg, in Polen und in Italien Christian ein Posten, den er nur sechs Wochen Merkel. P. H.: The Making of a Storm- Wirth zugeteilt.

26 England has become our Jerusalem – England ist zu unserem Jerusalem geworden Drei Jahre nach Hans Gidion starb seine Frau Eva Gordon in Manchester

Paula Kienzle, Rottenburg

Links: Eintrag des Ehepaars Eva und John R. Gordon in das Goldene Buch der Stadt Reutlingen anlässlich ihres Besuchs im Mai 2005 – in der Bildmitte Oberbürgermeisterin Barbara Bosch. Rechts: Eva Gordon, 2005 in Reutlingen. Bilder: Stadtarchiv Reutlingen.

„Es war ein unbeschreiblich schönes noch die Musik für die Trauerzere- Leben auf. Ihr Glas war immer halb Gefühl, dem Alptraum des Nazi-Staats monie. Ihre englischen Freunde Jean voll.“ entkommen zu sein.“ Mit diesen und Patrick Harrel wählten für sie als Eva Mainzer und Hans Gidion samt Worten beschrieb Eva Gordon, geb. letzten musikalischen Gruß Teile aus Familien waren von den Gräueltaten Mainzer, ihre Ankunft im Jahr 1939 als Mozarts ›Eine Kleine Nachtmusik‹, das der Nazis bei den reichsweiten Pogro- deutsch-jüdisches Flüchtlingsmädchen ›Ave verum corpus‹ und Teile aus dem men gegenüber der jüdischen Bevöl- in England. Ihr Glück war, dass sie ›Violinkonzert Nr. 3 in G-Dur‹ aus. kerung im November 1938 betroffen. einen guten Job im Haushalt der Arzt- Die Gordons hatten sich in England Sie jähren sich in diesen Tagen zum familie Hertz in Südmanchester fand. gut integriert, auf dem Arbeitsmarkt 76. Mal. „Sie waren gut zu mir und ich blieb mit Erfolg agiert, eine tragbare Exi- Während eines Vortrags für das dort sieben Jahre.“ Hertz waren Ver- stenzgrundlage aus dem Nichts englische Pendant des deutschen wandte ihres späteren Mannes Hans geschaffen und sich auch gesellschaft- Zonta-Clubs ließ Eva Gordon hinter Gidion mit Wurzeln in Nordstetten lich vielseitig engagiert. Jedoch ihre die Kulissen ihres Lebens schauen: bei Horb. Im Hause Hertz haben sich Musikpräferenzen blieben deutsch, der 1920 kam sie im sächsischen Plauen Hans Gidion und Eva Mainzer kennen Kindheit verhaftet. In den Abschieds- auf die Welt und wuchs dort mit zwei gelernt. Auch Eva Gordon fühlte sich worten vor der Trauergemeinde älteren Brüdern auf. Der Vater betrieb dem ehemaligen jüdischen Leben drückte eine Verwandte ihre Bewun- eine Fabrik für Stickereien. Eva hatte im Raum Horb verbunden. Bei ihrer derung über Evas Lebenseinstellung so eine harmonische Kindheit, bis Hitler Großmutter in Horb verbrachte sie aus: „Sie kam aus einem sehr kulti- 1933 an die Macht kam. Bald realisier- als Kind die Ferien und erinnerte sich vierten Milieu, aber nie habe ich sie te die Familie, dass sie alle früher oder noch gut ans Baden im Neckar. darüber klagen hören, wie viel sie in später Deutschland verlassen mussten. Ende August 2013 Jahres folgte Eva ihrem Leben aufgeben musste. Im Als Vorbereitung auf diese Situation Gordon im Alter von 93 Jahren ihrem Gegenteil schätzte sie sich immer besuchte Eva eine Hauswirtschafts- Mann, der schon im Herbst 2010 zufrieden, überlebt zu haben, und schule in Frankfurt. gestorben war. Damals bestimmte Eva zählte vor allem die Glücksfälle ihres Die wahre Hölle brach in der Nacht

27 Reutlinger Geschichtsverein folgte über viele Jahre. Am meisten hatte Eva und Hans Gordon die Ermordung behinderter Personen in Nazi-Deutschland be- drückt und dazu die oft emotionslose Haltung der meisten Deutschen noch in der Nachkriegszeit entsetzt. Ihr einziger Sohn Anthony erhielt wegen seiner Behinderung von Seiten seiner Eltern jegliche Unterstützung. Sie kämpften auf vielen Ebenen mit, um die Betreuung behinderter Menschen in England zu verbessern. In den letzten Jahren, in denen Eva Gordon sich nicht mehr selbst um Anthony kümmern konnte, lebte sie beruhigt, ihn in einer guten Betreuung und in einer angenehmen Atmosphäre zu wissen. Er konnte seine Mutter noch am Tag vor ihrem Tod besuchen. Ob Die Freunde von Eva und John R. Gordon, Jean und Patrick Harrel besuchten im Jahr 2013 er verstanden hat, dass es das letzte Reutlingen.Von links: Dr. Borth, Paula Kienzle, Jean Harrel, Patrick Harrel und Dr. Ströbele. Treffen war? Das Kondolenzschreiben hat die des 9. November 1938 los, als die Dies war nicht leicht. Die meisten Län- Reutlinger Oberbürgermeisterin Synagogen brannten, die Geschäfte der schlossen ihre Türen vor den Barbara Bosch persönlich verfasst. Als geplündert wurden und in den frühen Flüchtlingen. Unglücklicherweise war sich Evas Freunde und Betreuer Jean Morgenstunden ein SA-Sturm sich den es den Schwiegereltern Sigmund und und Patrick Harrel zu einem Besuch Weg in das Haus der Mainzers er- Fanny Gidion nicht möglich auszu- ankündigten, wurden sie mit vorbild- zwang. Sie zwangen Evas Vater, in wandern. Sie wurden nach Riga licher Gastfreundlichkeit vom Vor- einem Stuhl sitzend zusehen zu deportiert und dort ermordet. Ihren stand des Reutlinger Geschichtsver- müssen, wie ihre Möbel zerschlagen eigenen Eltern und Brüdern jedoch eins, Herrn Dr. Wilhelm Borth, auf wurden. Die Verbrecher zerrissen die gelang die Ausreise nach ihr und noch dem Kulturamt in Reutlingen am 17. Bücher einzeln, warfen Eier an alle rechtzeitig. September 2013 empfangen. Herr Dr. Wände, zerschmetterten Glas und Wie glücklich aber war Eva, als sie Ströbele, Frau Föll und Herr Dr. Borth Porzellan, leerten den Inhalt der das Visum mit der Arbeitserlaubnis als setzten sich mit dem Ehepaar Harrel Blumentöpfe über die Bettwäsche und Dienstmädchen in Händen hielt. Das im Kulturamt zusammen, tauschten zerschmetterten die Fensterscheiben. Gepäck musste sie unter Aufsicht der Erinnerungen und Fotos aus, be- Nach vollendeter Zerstörung nahmen Gestapo packen und von ihrem Vater suchten die ehemaligen Geschäfts- sie den Vater mit ins lokale Gefängnis. wurde Schmiergeld verlangt, damit sie standorte der Gidions in der Reutlin- Nach einer Woche ließen sie ihn den Koffer mitnehmen konnte. Ende ger Katharinenstraße 10 sowie in der wieder nach Hause. Das war ein Glück, März 1939 trat sie die Reise nach Wilhelmstraße 28/30 und nahmen weil die meisten jüdischen Männer in England an. In Manchester wurde sie gemeinsam ein Mittagessen im ganz Deutschland in die verschiedenen von der neuen Chefi n abgeholt. Restaurant Jolie ein. Nach Tübingen KZs gebracht worden waren. Als Nie wieder wollten Hans und Eva wurde noch Rottenburg mit dem Beispiel sagte sie, dass 18 000 Mann Gordon, – als Soldaten in der britischen ehemaligen Kaufhaus Karl Gidion am nach Dachau gebracht worden waren, Armee mussten er und seine zwei Marktplatz besichtigt. Ein Abendessen einschließlich ihres späteren Mannes Brüder einen englischen Namen bei Paula Kienzle rundete den Tag ab. und seiner beiden Brüder. Der britische annehmen, – ihren Fuß nach Deutsch- „Sie war wie eine aus unserer Konsul in Frankfurt stellte damals den land setzen. Doch die Reutlinger Familie und beide fehlten bei keinem Insassen der Lager, die den Wunsch Schulfreunde von Hans spürten ihn Familienfest. Ich kann mir ein Leben hatten, nach England zu kommen, Visa und Eva im Schweizurlaub auf und ohne Eva um mich herum nicht aus. Ihr Mann Hans Gidion und auch bedrängten die beiden so hartnäckig, vorstellen. Wir hielten ständig seine Brüder Walter und Ernst ergriffen bis sie ihnen nach Reutlingen folgten. Kontakt und kümmerten uns umei- dieses Angebot. Ein intensiver Austausch an Briefen, nander. Ich werde sie sehr vermis- Eva Gordon berichtete weiter: Nach Gedanken, Zeitzeugenberichten und sen.“ Mit solchen Worten verabschie- diesen entsetzlichen Ereignissen Besuchen, nicht nur in privater Initiati- deten sich Verwandte und Freunde bemühten sich Juden verzweifelt, ve sondern auch von offi zieller Seite während der Trauerfeier von Eva Deutschland verlassen zu können. durch die Stadt Reutlingen und den Gordon.

28 Eindrucksvoller Bildband über die jüdischen Friedhöfe im Buchempfehlung südlichen Württemberg ist im Theiss Verlag erschienen

In diesem Sommer ist im Stuttgarter Theiss Verlag ein ausgesucht schöner, großformatiger Bildband erschienen: „Häuser der Ewigkeit. Jüdische Fried- höfe im südlichen Württemberg“. Der Band ist in erster Linie eine hervorragende fotografi sche Doku- mentation der beeindruckenden Fried- höfe. Alle Gemeinden im Bereich des Gedenkstättenverbundes Gäu-Neckar- Alb werden dokumentiert. Der Autor, Fotograf und Herausge- ber, der Stuttgarter Historiker und Journalist Dr. Karlheinz Fuchs, schreibt in seinem Vorwort über Fotos und Texte: „Es ist die Ewigkeitsdauer, die diesen Friedhöfen eine eigene Aura schafft, eine der Natur überantwor- tete Gemeinsamkeit im Tod. Die Erhabenheit gegenüber dem Endgül- tigen hat die Fotografi e gesucht; nicht so sehr biographische und kunsthisto- risch bemerkenswerte Dokumentar- stücke. Wie auch! Selbst den edel- sten, kunstreichsten Grabstein hat die Zeit patiniert und vieles von dem, was im Text beschrieben ist, geschah im Blick auf frühere Beschreibungen und alte Ansichten. (...) Längst sind Moos und Flechten auch über die schönsten Steine gewachsen. Was 208 Seiten mit 210 meist farbigen Abbildungen. 23 x 31 cm. Fester Einband, mit Schutzumschlag. kümmert die Natur das menschen- Fadenheftung. ISBN 978-3-8062-2951-6. 1. Aufl . 2014. Ladenpreis 39,95 Euro. geschaffene Exempel! Man nimmt es oft nur noch im Kontext ihres unent- rinnbaren Wirkens wahr. So ent- laufriedhof, Pragfriedhof, Steigfried- sowie zu Totenbrauch und Grabstein- spricht die fotografi sche Wahrneh- hof und Steinhaldenfriedhof. symbolen“. Wie kein anderer kennt mung in diesem Band auch dem Mehr als 200 meist farbige und der Autor „seine“ Friedhöfe und ihre jüdischen Gräberbrauch.“ großformatige Fotos zeigen die Grabsteine im Horber Raum. Sein Der Band ist in verschiedene geogra- würdevolle Ruhe der jahrhunderteal- Kapitel ist ein erhellender Beitrag zum fi sche Abschnitte gegliedert. Zuerst ten Grabstätten inmitten von Bäumen Verständnis der jüdischen Ortsge- werden die zahlreichen Friedhöfe des und stillen Wiesenstücken, ihre jeweils schichte am Oberen Neckar und der früheren Rabbinats Mühringen-Horb spezielle Atmosphäre und ihren Riten und Gebräuche der schwä- vorgestellt, neun an der Zahl: Wandel im Laufe der Zeit. In den bischen Juden. Baisingen, Dettensee, Horb, Mühlen, Texten geht es dagegen um die oft Eine Zeittafel und ein Literaturteil im Mühringen, Nordstetten, Rexingen, genug unruhige und lange Geschichte Anhang ergänzen das Werk, das ein Rottweil und Wankheim. Danach der einzelnen Gemeinden, bis hin zu Geschichtsbuch für württembergische folgen die beiden ehemals hohenzolle- ihrer Vernichtung und Auslöschung in Regionalgeschichte im allerbesten rischen Gemeinden Haigerloch und der Nazizeit. Sinne darstellt. In seiner repräsenta- Hechingen. Dem Text- und Bildteil über die tiven Ausstattung eignet es sich auch Auf der Schwäbische Alb und in einzelnen Friedhöfe vorangestellt ist vorzüglich als Geschenk. Der Band ist Oberschwaben liegen die Friedhöfe ein ebenfalls bebilderter Beitrag des über den Buchhandel oder über die von Buchau, Buttenhausen, Laupheim Horber Heimatforschers Manfred Gedenkstätten des Gedenkstättenver- und Ulm. Im Epilog fi ndet man die Steck: „Zur Geschichte jüdischer bundes zu beziehen. Stuttgarter „Guten Orte“ Hoppen- Friedhöfe im Rabbinat Mühringen Barbara Staudacher

29 Veranstaltungen im Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb

Montag, 3. Nov. 2014, 19.30 Uhr Vortrag von Gisela Roming, Vorsitzende des Vereins ehemalige Synagoge Altes Gymnasium Rottweil, Festsaal Rottweil: Landjuden im deutschen Südwesten - verfolgt und doch hei- misch geworden. Spurensuche in Archiven und in Wald und Flur. Eine Veranstaltung der vhs Rottweil. Don., 6. Nov. 2014, 20.00 Uhr Vortrag von Prof. Jürgen Kampmann: Theophil Wurms Wirken als württ- Tübingen, Martinskirche (Saal) embergischer Landesbischof in der nationalsozialistischen Zeit. Frischlinstraße 33 Eine Veranstaltung des Vereins Lern- und Dokumentationszentrum zum Nationalsozialismus und der Martinskirchen-Gemeinde Don., 6. Nov. 2014, 20.00 Uhr „Bei mir bist du schön“. Konzert der Tübinger Saloniker Alte Synagoge Hechingen Jüdische Künstler arrangierten in den 1920er-Jahren große Orchesterwerke für Salonorchester und komponierten im Bereich des Schlagers berühmte, bis heute vertraute Stücke. Die fünf Musiker Peter Pasch, Wolfram Erchin- ger, Rudolf Basch, Hermann Bart, Dieter Ölkrug und die Konzertsängerin Katharina Zerres entführen in die Salonmusik dieser Zeit. Sonntag, 9. Nov. 2014, 17.00 Uhr Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Zerstörung der Synagogen im Ehemalige Synagoge Baisingen November 1938 in Deutschland gestaltet von Schülerinnen und Schülern der Kreuzfeld-Realschule in Rottenburg Sonntag, 9. Nov. 2014, 19.30 Uhr Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Zerstörung der Synagogen im Ehemalige Synagoge Haigerloch November 1938 in Deutschland. Sonntag, 9. Nov. 2014, 10.00 Uhr „Die Pogromnacht am 9. November 1938 – wir erinnern“ Ehemalige Synagoge Rexingen Ökumenischer Gottesdienst mit Diakon Klaus Konrad (katholische Kir- chengemeinde), Pfarrer Joachim Döttling (evangelische Kirchengemeinde) und Mitgliedern des Synagogenvereins Rexingen Sonntag, 9. Nov. 2014, 17.30 Uhr Gedenkveranstaltung zum 9. November – 76. Jahrestag der Reichspo- Tübingen, Synagogenplatz, Gartenstr. 33 gromnacht. Gestaltet von Geschichtswerkstatt Tübingen e.V., Gemeinderat und Jugendgemeinderat, Jüdischer Verein „Bustan Shalom“, Jugendguides und Universitätsstadt Tübingen Fachbereich Kultur. Montag, 10. Nov. 2014, 18.00 Uhr Die Klassse 10d des Leibnizgymnasiums gestaltet einen Gedenkabend zur Festsaal des Konvikts in Rottweil Pogromnacht am 9. November 1938. Montag, 10. Nov. 2014, 20.00 Uhr Lesung: „Wie sich mein Leben veränderte“. Als 1936 die jüdische Familie Osiandersche Buchhandlung Tübingen Löwenstein von Nationalsozialisten aus Mössingen vertrieben wurde. Wilhelmstraße 12 Die Lesung würdigt die Leistungen und das Leben der Familie Löwenstein, die in Mössingen mit der Pausa eines der innovativsten Textilunternehmen vor 1933 geschaffen hatten. Es lesen Irene Scherer und Welf Schröter. Dienstag, 11. Nov. 2014, 19.30 Uhr Vortragsabend mit Andreas Kroll, KZ-Gedenkstätte Hailfi ngen-Tailfi ngen Heimatmuseum Bisingen, Kirchgasse 15 zum Thema: „Vor 70 Jahren - Ankunft der Häftlinge im KZ Hailfi ngen- Tailfi ngen“ Don., 13. Nov. 2014, 20.00 Uhr Zertrümmertes Glas. Ein Mosaik. Gedenkabend, gestaltet von Schüle- Alte Synagoge Hechingen rinnen und Schülern der Alice-Salomon-Schule Hechingen. Schülerinnen und Schüler der Alice-Salomon-Schule haben sich mit der Ge- schichte und den Geschichten Hechinger Juden beschäftigt. Die Ergebnisse ihrer Projektarbeit stellen sie an diesem Abend vor. Don., 13. Nov. 2014, 20.00 Uhr Guter Gott – schlechte Welt? Die Frage nach Gott angesichts des Leides. Ev. Gemeindehaus Rottweil Vortrag von Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religi- onsgemeinschaft Württembergs und Psychotherapeutin. Eine Veranstaltung der vhs Rottweil. Samstag, 15. Nov. 2014, 14.00 Uhr Jugendguides führen durch die Stauffenberg-Gedenkstätte. Öffentliche Stauffenberg-Schloss in Lautlingen Führung – Eintritt frei. Sonntag, 16. Nov. 2014, 16.00 Uhr Portraits jüdischer Geiger und Komponisten. Jochen Brusch stellt als Solist Schlossscheuer in Rottenburg-Baisingen und Moderator den jüdischen Geigenvirtuosen Fritz Kreisler vor. Yehudi Menuhin schrieb über Fritz Kreisler: „Der Klang seiner Violine, der köstlichste aller Zeiten, wird in der ganzen Welt von Millionen geschätzt und bewundert. Keine anderen Geigentöne ... haben die Menschen in glei- cher Weise bewegt.“ Jochen Brusch wird am Klavier von Norbert Kirch- mann begleitet.

30 70 Jahre KZ Hailfi ngen/Tailfi ngen Sonntag, 16. Nov. 2014, 17.00 Uhr Vortrag von Hans-Joachim Lang: Die Namen der Nummern – Wie es ge- Seminarraum Rathaus Tailfi ngen (Gäu- lang, die 86 jüdischen Mordopfer eines NS-Verbrechens im KZ Natzweiler felden) zu identifi zieren Dienstag, 18. Nov. 2014, 18.00 Uhr Der Dachdecker von Birkenau. Dokumentarfi lm mit Mordechai Ciechano- Kino im Waldhorn Rottenburg wer. Mordechai Ciechanower und Regisseur Johannes Kuhn sind anwe- send. Mittwoch, 19. Nov. 2014, 16.00 Uhr Ausstellungseröffnung der Schülerarbeiten zum KZ-Außenlager Hailfi n- Zehntscheuer in Gäufelden-Tailfi ngen gen/Tailfi ngen, erstellt im Kreativworkshop im Juli

18.00 Uhr Eröffnung der „Galerie“ im Rathaus Gäufelden-Tailfi ngen mit Porträts von Rathaus Tailfi ngen (Gäufelden) Häftlingen, deren Leidensweg mit der Aufl ösung des KZ Hailfi ngen im Februar 1945 nicht zu Ende war. Vernissage mit Berichten der Angehörigen und Informationen über die porträtierten Häftlinge.

19.30 Uhr Ausklang: 70 Jahre KZ Hailfi ngen/Tailfi ngen Ev. Gemeindehaus Gäufelden-Tailfi ngen Samstag, 22. Nov. 2014, 14.00 Uhr Stadtrundgang: Einkaufsbummel im jüdischen Rottweil mit Gisela Ro- Ehemalige Synagoge Rottweil, Kameral- ming, Vorsitzende des Verein ehemalige Synagoge. Zahlreiche Kleiderhand- amtsgasse lungen, Manufaktur- und Modewaregschäfte warben 1900 in Rottweil um Kunden. Viele Geschäfte wurden von jüdischen Inhabern geführt. Sonntag, 23. Nov. 2014, 15.00 Uhr Symposium mit zahlreichen Nachfahren Baisinger Juden aus Israel und Schlossscheuer Baisingen England. Die Leiter der jüdischen Museen in München, Herr Bernhard Purin, und Augsburg, Frau Dr. Benigna Schönhagen, werden in Referaten die Arbeit kleinerer Gedenkstätten aus ihrer Sicht beleuchten. Montag, 8. Dez. 2014, 19.30 Uhr Was ist Judentum? Vortrag des badischen Landesrabbiners Moshe Flo- Altes Gymnasium Rottweil, Festsaal menmann. Was ist die Torah? Seit wann haben Juden sie? Was ist eine Synagoge? Diese und viele weitere Fragen rund um das Judentum werden an diesem Abend beantwortet. Eine Veranstaltung der vhs Rottweil. Dienstag, 9. Dez. 2014, 19.00 Uhr Chant de Sion – Musik aus Frankreich. Die ungarische Mezzosopranistin Alte Synagoge Hechingen Györgyi Dombrady und der aus Jungingen stammende Pianist Lambert Bu- miller sind als Duo überaus erfolgreich. Sie tragen u.a. Lieder des jüdischen Komponisten Darius Milhaud, von Giacomo Meyerbeer, Jacques Offen- bach, Reynaldo Hahn und von Maurice Ravel das „Kaddisch“ vor. Sonntag, 14. Dez. 2014, 17.00 Uhr Die Stadt ohne Juden Seminarraum Rathaus Tailfi ngen (Gäu- Stummfi lm mit Klavierbegleitung von Hans-Jörg Lund felden) Sonntag, 28. Dez. 2014, 17.00 Uhr Portraits jüdischer Geiger und Komponisten. Jochen Brusch stellt als Solist Alte Synagoge Hechingen und Moderator den jüdischen Geigenvirtuosen Fritz Kreisler vor. Yehudi Menuhin schrieb über Fritz Kreisler: „Der Klang seiner Violine, der köstlichste aller Zeiten, wird in der ganzen Welt von Millionen geschätzt und bewundert. Keine anderen Geigentöne ... haben die Menschen in glei- cher Weise bewegt.“ Jochen Brusch wird am Klavier von Norbert Kirch- mann begleitet. Dienstag, 27. Jan. 2015, 19.30 Uhr Kommentierte Vorführung des NS-Films: „Ich klage an“, mit dem 1941 im Heimatmuseum Bisingen, Kirchgasse 15 NS-Staat für die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ – für das Morden an Kranken geworben wurde. Dienstag, 27. Jan. 2015, 19.00 Uhr Gedenkfeier und Ausstellungseröffnung sowie Enthüllung einer Gedenk- Christi-Himmelfahrtskirche Deilingen tafel für Pfarrer Franz Weinmann, von 1942 bis 1945 inhaftiert im KZ Dachau. Ein Projekt der „Gedenkstätte Eckerwald e.V. mit der bürgerlichen und kirchlichen Gemeinde Deilingen/Kreis Tuttlingen. Dienstag, 27. Jan. 2015, 19.30 Uhr Ausstellungseröffnung „Ist das ein Mensch“ Ehemalige Synagoge Rexingen Der Horber Künstler Karl-Heinz Schmeißer beschäftigt sich in seinen Gemälden mit den Häftlingen in den Konzentrationslagern des National- Austellungsdauer bis 22. März 2015. sozialismus. Zur Ausstellung spricht der Künstler. Die Eröffnung wird um- Öffnungszeiten jeweils samstags und rahmt vom Tübinger Geiger Jochen Brusch. sonntags von 14.00 bis 18.00 Uhr. Ein Projekt des Rexinger Synagogenverein, der vhs Kreis Freudenstadt, des Kath. Bildungswerks FDS und der Ev. Kirchengemeinde Dettingen zum 70. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Lagers Auschwitz.

31 Die Gedenkstätten-Rundschau wird herausgegeben von

Begegnungs- und Ausstellungszentrum Stauffenberg Gedenkstätte Lautlingen Ehemalige Synagoge Haigerloch Stauffenberg-Schloss, 72459 Albstadt Gustav-Spier-Platz 1, 72401 Haigerloch Lautlingen. Öffnungszeiten: Mi., Sa., So. Öffnungszeiten: Sa., So. 11.00−17.00 und an Feiertagen 14.00–17.00 und nach Do. 14.00−19.00 (nur 1. April bis 31. Okt.) Vereinbarung. Gruppen nach Vereinbarung. Information: 0 74 31/76 31 03 Gesprächskreis Ehemalige Synagoge Hai- (Museum während der Öffnungszeiten), gerloch e.V., Weildorfer Kreuz 22, 72401 0 74 31/60 41 und 0 74 31/160-14 91 Haigerloch, Tel. 0 74 74/27 37, Fax: 80 07 Kulturamt Stadt Haigerloch, Tel.: 0 74 74/ 697-26 -27, www.haigerloch.de. Weitere Infos: www.synagoge-haigerloch.de Ehemalige Synagoge Rexingen Gedenkstätten KZ Bisingen Freudenstädter Str. 16, 72160 Horb-Re- Öffnungszeiten des Museums in 72406 xingen. Führungen nach Vereinbarung. Bisingen, Kirchgasse 15: So. 14.00–17.00 Träger- und Förderverein Ehemalige Informationen zur Ausstellung und zum Synagoge Rexingen e.V., Bergstr. 45, Geschichtslehrpfad: Bürgermeisteramt 72160 Horb a.N. – Tel. 0 74 51/62 06 89 Bisingen, Tel. 0 74 76/89 61 31 www.ehemalige-synagoge-rexingen.de Fax 0 74 76/89 61 50 http://kzgedenkstaettenbisingen.word- press.com

KZ-Gedenkstätten Eckerwald/Schörzingen Ehemalige Synagoge Rottweil und Dautmergen-Schömberg Kameralamtsgasse 6, 78628 Rottweil Initiative Eckerwald. Führungen nach Verein Ehemalige Synagoge Rottweil e.V Vereinbarung. www.eckerwald.de Gisela Roming, Krummer Weg 1, Gertrud Graf, Fabrikstr. 35/2, 78628 Rottweil 88284 Mochenwangen. Tel. 07 41/94 29 755, Email: [email protected] email: [email protected] oder Brigitta Marquart-Schad, Bergstraße 18, 78586 Deilingen. Email: [email protected]

KZ Gedenkstätte Hailfi ngen · Tailfi ngen Gedenkstätte Synagoge Ausstellungs- und Dokumentationszent- Rottenburg-Baisingen rum im Rathaus Gäu felden-Tailfi ngen. Kaiserstr. 59a (»Judengässle«), 72108 Geöffnet: So. 14.00–17.00 Rottenburg-Baisingen. Führungen auf Anfrage unter Öffnungszeiten: So. 14.00–16.00 0 70 32/2 64 55 Gruppen nach Vereinbarung. Info und Kontaktadresse: Walter Kinkelin Postanschrift: Ortschaftsverwaltung Baisin- Schlehenweg 33, 71126 Gäufelden, T gen. Tel.: 0 74 57/69 65-02, el. 0 70 32/7 62 31 Fax 69 65-56, [email protected] Stadtarchiv und Museen Rottenburg, PF 29, 72101 Rottenburg. Tel. 0 74 72/165- Alte Synagoge Hechingen 351, Fax 165-392, museen@rottenburg. Goldschmiedstraße 22, 72379 Hechingen de, www.rottenburg.de Öffnungszeiten und Führungen nach Vereinbarung über Bürger- und Tourismus- Geschichtswerkstatt Tübingen – büro, Tel. 0 74 71/94 02 11 und Verein Denkmal Synagogenplatz Alte Synagoge e.V., Heiligkreuzstr. 55, Gartenstrasse 33, 72074 Tübingen 72379 Hechingen. Tel. 0 74 71/93 71-10 rund um die Uhr geöffnet. Führung nach Vereinbarung. Geschichtswerkstatt Tübin- gen e.V., Lammstr. 10, 72072 Tübingen, Tel. 0 70 71/2 37 70, e-mail: info@ geschichtswerkstatt-tuebingen.de www.geschichtswerkstatt-tuebingen.de Jüdischer Betsaal Horb – Museum Fürstabt-Gerbert-Str. 2, 72160 Horb a.N. Öffnungszeiten: Sa. und So. 14.00–18.00 oder nach Vereinbarung: Weitere Informationen auch zu Veranstaltungen fi nden Sie auf der Tel. 0 74 51/62 06 89. Postanschrift: Stiftung Jüdischer Betsaal Horb, Homepage des Gedenkstättenverbundes: Bergstraße 45, 72160 Horb a.N. http://www.gedenkstaettenverbund-gna.org/ www.ehemalige-synagoge-rexingen.de

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