Émilie Du Châtelets Institutions Physiques Über Die Grundlagen Der Physik
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Émilie du Châtelets Institutions physiques Über die Grundlagen der Physik Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) im Fach Philosophie an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn vorgelegt von: Andrea Reichenberger Erstgutachter: Prof. Dr. Volker Peckhaus Zweitgutachter: Prof. Dr. Ruth Hagengruber Disputation: 14. Juli 2014 Note: summa cum laude 2 Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 1 Einleitung 5 1.1 Thema und Forschungsstand . .5 1.2 Problemstellung und Ziel . 12 1.2.1 Zwischen Newton und Leibniz . 12 1.2.2 Zur Newton-Rezeption im 18. Jahrhundert . 16 1.2.3 Zur Leibniz-Rezeption im 18. Jahrhundert . 17 1.2.4 Leibniz contra Newton? . 21 1.2.5 Du Châtelets Rezeption . 25 2 Du Châtelet: Vita und Œuvre 31 2.1 Biographischer Abriss . 31 2.2 Werke und Editionsgeschichte . 33 2.2.1 Principes mathématiques . 33 2.2.2 Éléments de la philosophie de Newton . 37 2.2.3 Dissertation sur la nature et la propagation du feu . 38 2.2.4 Institutions physiques . 39 2.2.5 Essai sur l’optique . 40 2.2.6 Grammaire raisonnée . 40 2.2.7 De la liberté . 41 2.2.8 Discours sur les miracles & Examens de la Bible . 41 2.2.9 Discours sur le bonheur . 42 2.2.10 La Fable des abeilles de Mandeville . 44 2.2.11 Lettres . 45 3 Du Châtelets Institutions physiques im historischen Kontext 47 3.1 Die Editionsgeschichte . 47 3.2 Der Disput mit Jean-Jaques Dortous de Mairan . 48 3.3 Newton in Frankreich . 50 3.4 Der Vorwurf Johann Samuel Königs . 53 3.5 Das Urteil Christian Wolffs . 61 3.6 Der Briefwechsel mit Friedrich II. 67 3.7 Deutsch-Französische Übersetzungspolitik . 81 3.7.1 Die Sozietät der Alethophilen . 81 3 3.7.2 Jean Deschamps’ Cours abrégé .............. 84 3.7.3 Jean Henri Samuel Formeys La belle Wolfienne ..... 86 3.7.4 Jean-Pierre de Crousaz’ Examen du Pyrrhonisme ancien et moderne ......................... 88 3.7.5 Denis Diderots und Jean-Baptiste le Rond d’Alemberts Encyclopédie ......................... 92 3.7.6 Der Gottsched-Kreis . 96 4 Du Châtelets architektonisches Programm 106 4.1 Aufbau und Inhalt der Institutions physiques ........... 106 4.2 Die Institutions physiques als „Naturlehre“ . 109 4.3 Zwischen Ratio und Empirie .................... 114 4.4 Zur Architektonik wissenschaftlicher Erkenntnis . 118 4.5 Prinzipien und Hypothesen: Fundament und Gerüst . 125 4.5.1 Die Herausforderung: Hypotheses non fingo ........ 125 4.5.2 Die Crux mit den unendlich kleinen Größen . 139 4.5.3 Du Châtelets Antwort . 153 5 Von der Metaphysik als Wissenschaft zur Bewegungslehre 164 5.1 Von den Grundgesetzen der Mechanik . 164 5.2 Von den Grundbegriffen der Mechanik . 175 5.2.1 Raum und Zeit . 175 5.2.2 Materie und Kraft . 184 5.2.3 Trägheit und Schwere . 190 6 Du Châtelets Beitrag zur vis viva-Kontroverse 199 6.1 Leibniz contra Descartes . 199 6.2 Ein Streit um Worte? . 207 6.3 Die Zuspitzung der Kontroverse im 18. Jahrhundert . 212 6.4 Du Châtelets Verteidigung des Leibnizschen Kraftmaßes . 215 6.5 Was bleibt von du Châtelets Metaphysik als Wissenschaft? . 225 6.6 Von der vis viva zum Prinzip der kleinsten Wirkung . 231 7 Schluss 239 Literaturverzeichnis 243 4 Vorwort Die vorliegende Arbeit geht auf die Tagung „Émilie du Châtelet und die Deut- sche Aufklärung“ am Forschungszentrum Europäische Aufklärung in Potsdam im September 2006 zurück, welche von Frau Prof. Dr. Ruth Hagengruber und Herrn Prof. Dr. Hartmut Hecht mit Unterstützung von Frau Prof. Dr. Brun- hilde Wehinger organisiert und geleitet wurde. Ohne Prof. Dr. Ruth Hagen- gruber, der ich die Mitwirkung an dieser Tagung zu verdanken habe, und ohne die mir dazu ermöglichten Studien am Lehr- und Forschungsbereich History of Women Philosophers and Scientists an der Fakultät für Kulturwissenschaften im Fachbereich Philosophie der Universität Paderborn wäre diese Arbeit nicht entstanden. Die Tagung war gleichsam die „Initialzündung“ für mein Interesse nicht nur am Œuvre der französischen Mathematikerin, Physikerin, Philosophin und Universalgelehrtin, sondern auch an der Philosophie des frühen 18. Jahrhun- derts. Schnell wurde mir klar, dass das Thema eine eingehendere Beschäftigung mit der philosophie- und physikgeschichtlichen Tradition erforderte und die großen Namen eines Descartes’, Newtons und Leibniz’ nicht umgehen kann. Je tiefer ich in die „Materie“ eindrang, umso mehr wunderte ich mich über die Vielschichtigkeit und den Facettenreichtum der Physik- und Philosophie- geschichte, was mich bestärkte, am Beispiel Émilie du Châtelets Institutions physiques die Newton-Mechanik heutiger Lehrbücher einer wissenschaftshisto- rischen Kritik zu unterziehen. Von unschätzbaren Wert waren für mich die Arbeiten Prof. Dr. Helmut Pultes und die Gespräche mit ihm, die mir wertvolle Anregungen gaben. Er wird mir stets ein großes Vorbild sein. Viel gelernt habe ich auch durch die Arbeiten und Diskussionen mit Herrn Prof. Dr. Hartmut Hecht und Dr. Dr. Dieter Suisky. Der größte Dank gilt aber Herrn Prof. Dr. Volker Peckhaus in seiner bei- spiellosen Rolle als Betreuer der Arbeit. Ohne seine fachliche wie menschliche Unterstützung und schier endlose Geduld für meine Suche nach dem „passen- den“ Aufhänger für das Thema wäre die Arbeit nie zu einem (guten) Ende gekommen. Ihm und nicht zuletzt den vielen anderen hier nicht Genannten möchte ich aufrichtig Dank sagen. 5 1 Einleitung Die vorliegende Arbeit will anhand einer Fallstudie zu Émilie du Châtelets In- stitutions physiques einen Beitrag zu einer Wissenschaftsgeschichte leisten, die dem viel zitierten Leitspruch Imre Lakatos’ folgt: „Wissenschaftsphilosophie ohne Wissenschaftsgeschichte ist leer; Wissenschaftsgeschichte ohne Wissen- schaftsphilosophie ist blind“ (Lakatos 1982, 108).1 Die Wissenschaft liefert mit ihrer Geschichte das Material und den Inhalt für wissenschaftsphilosophische Fragestellungen. Umgekehrt bestimmen wis- senschaftsphilosophische Fragestellungen die Auswahl des historischen Quel- lenmaterials und stellen Orientierungsmuster und heuristische Leitlinien für deren Interpretation bereit. In dieser Studie wird das „Material“ – du Châte- lets Institutions physiques – unter dem Gesichtspunkt der Newton-Rezeption des 18. Jahrhunderts und der damit verbundenen Auseinandersetzung um die methodologische Grundlegung der Mechanik untersucht. In der folgenden Einleitung werden nach einem Überblick über das Thema und den Forschungsstand die Problemstellung und das Ziel spezifiziert und begründet. Es wird dafür argumentiert, dass du Châtelet mit ihren Institutions physiques einen Entwurf zu einer Architektonik wissenschaftlicher Erkenntnis vorgelegt hat, der in seiner Verbindung von Prinzipien- und Hypothesenlehre eine Alternative zum Empirismus/Rationalismus-Schema bietet, dem Wolf- fschen Ideal des „connubium rationis et experientiae“ verpflichtet ist und ein bis heute tragfähiges Modell wissenschaftlicher Theoriebildung und -begründung liefert. 1.1 Thema und Forschungsstand Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen die Institutions physiques de Madame la marquise du Chastellet adressés à Mr. son fils im Kontext der vis viva-Kontroverse. Ohne Übertreibung kann man behaupten, dass das Werk Émilie du Châtelets seitens der Wissenschaftsgeschichtsschreibung wiederent- 1 Dieser Satz spielt auf das berühmte Kantsche Diktum in der Kritik der reinen Vernunft an, dass Gedanken ohne Inhalt (bzw. Begriffe ohne Anschauungen leer und Anschauungen ohne Begriffe blind sind (Kant KrV , A51/B75). In der Literatur wird die Phrase „Gedanken ohne Inhalt“ oft synonym zu „Begriffe ohne Anschauungen“ gebraucht. Doch diese Gleich- setzung ist nicht selbsterklärend, wie Mario Caimi in seinem Aufsatz „Gedanken ohne Inhalt sind leer“ (Caimi 2005) darlegt. 6 deckt wurde. Zu du Châtelets Neubewertung trug eine Fülle neuer Forschungs- arbeiten bei, die in englischer, französischer, deutscher, spanischer, sogar japa- nischer Sprache erschienen sind. In den genderorientierten Arbeiten von Elisabeth Badinther, Patricia Fara, Linda Gardiner [Janik], Ruth Hagengruber, Julie Candler Hayes, Erica Harth, Sarah Hutton, Carolyn Iltis [Merchant], Keiko Kawashima, Judith P. Zinsser – um vorab nur einige Beispiele zu nennen – wurde Kritik an der einseitigen Ver- einnahmung du Châtelets als Geliebte Voltaires geübt und ihre Bedeutung für die Philosophie und Wissenschaft des 18. Jahrhunderts herausgestellt.2 Diesen Verdienst der Gender- und Frauenforschung heben beispielsweise Sarah Hut- ton in ihrem Artikel “Women, Science and Newtonianism: Emilie Du Châtelet Versus Francesco Algarotti” (Hutton 2004b) und Erica Harth in ihrer Studie Cartesian Women: Versions and Subversions of Rational Discourse in the Old Regime (Harth 1992) hervor. Nicht zu vergessen ist Robyn Arianrhods verglei- chende Studie Seduced by Logic: Émilie Du Châtelet, Mary Somerville and the Newtonian Revolution (Arianrhod 2012). Von der Vielzahl der Beiträge im deutschsprachigen Raum, die sich um die Aufarbeitung der Geschichte der Frauen in Philosophie und Wissenschaft bemühen, befassen sich speziell mit du Châtelet: Pia Jauch Damenphiloso- phie & Männermoral. Von Abbé de Gerard bis Marquis de Sade. Ein Versuch über die lächelnde Vernunft (Jauch 1990), Ulrike Klens Mathematikerinnen im 18. Jahrhundert: Maria Gaetana Agnesi, Gabrielle-Emilie Du Châtelet, Sophie Germain. Fallstudien zur Wechselwirkung von Wissenschaft und Philosophie im Zeitalter der Aufklärung (Klens 1994), Ursula I. Meyer Die andere Philo- sophiegeschichte (Meyer 2007) und Aufklärerinnen (Meyer 2009). Besonders hervorzuheben sind Ruth Hagengrubers Studien „Eine Metaphysik in Briefen. Emilie