Papst Franziskus: Christus lebt! Heute ist das Fest unserer Hoffnung 99

Prof. Dr. Lothar Roos: Stephanus heute: die verfolgten Christen 105

Prof. Dr. Konrad Löw: „Ein Glas auf Karl Marx!“ – Wirklich? 117

Katholisches Wort in die Zeit 49. Jahr April 2018

DER FELS 4/2018 97 sich für neue Ideologien, z.B. für „Geschlechtergerechtigkeit“ und „Genderideologie“ oder für den Umweltschutz. Den Neuheiden unserer Tage, die wie ziellos auf dem Meer um- her treiben, aber noch nach Hoff- nung Ausschau halten, hat Bene- dikt XVI. mit seinem Schreiben INHALT „Über die christliche Hoffnung“ einen Rettungsanker zugeworfen. Keine neue Botschaft! Der Papst bringt nur in Erinnerung, was Papst Franziskus: Christen über 2000 Jahre Hoff- Christus lebt! nung, Stütze und eine Perspekti- Heute ist das Fest unserer Hoffnung .....99 Liebe Leser, ve selbst in die Ewigkeit gegeben hat: Hoffnung von Gott her! Eduard Haller: Benedikt bezieht sich zunächst „… führe uns nicht in Versuchung“ ...... 101 Hoffnung, die unser Leben auf Paulus, der den Römern P. Dr. Dr. Andreas Hirsch FSSP: trägt, ist uns von Gott in die schrieb (Röm 8,24): „Auf Hoff- Ratzinger – Professor – Seele gelegt. Sie lässt selbst Ex- nung sind wir gerettet“. Der Bischof – Präfekt der tremsituationen überwinden. Papst fährt fort: … „Erlösung ist Glaubenskongregation – Papst ...... 102 Diese Hoffnung kann aber auch uns in der Weise gegeben, dass zugeschüttet werden, wie das uns Hoffnung geschenkt wurde, Diakon Raymund Fobes: bei Menschen, die sich von Gott eine verlässliche Hoffnung, von Durch Maria zu Christus ...... 104 emanzipiert haben, der Fall sein der her wir unsere Gegenwart kann. Sie leben, nach einem Wort bewältigen können: Gegenwart, Prof. Dr. Lothar Roos: von Johannes Paul II. „Als ob auch mühsame Gegenwart, kann Stephanus heute: es Gott nicht gäbe“. Und dieses gelebt und angenommen werden, die verfolgten Christen ...... 105 Neuheidentum breitet sich rasant wenn sie auf ein Ziel zuführt und Schwester Ingrid Mohr P.I.J.: aus. wenn wir dieses Ziels gewiss sein Clara Fey: eine christliche Antwort Das Profil solcher Menschen können. Wenn dies Ziel so groß auf die Nöte der Zeit...... 108 könnte so beschrieben werden: ist, dass es die Anstrengung des Häufig vereinsamt und wie Weges rechtfertigt.“ Diese Hoff- Prof. Dr. Hubert Gindert: durch eine Mauer, selbst von den nung ist, so Benedikt weiter, mit Reformer und Wegbereiter in der Kirche: Menschen isoliert, mit denen sie dem biblischen Glauben aus- Toribio Alfonso de Mogrovejo ...... 111 in enger Tuchfühlung leben. Sie tauschbar (Ziff 2). „Die wahre, wechseln zwar ständig Botschaf- die große und durch alle Brüche Jürgen Liminski ten untereinander aus, die aber hindurchtragende Hoffnung des Der Schatten der DDR-light ...... 112 nicht unter die Haut gehen, weil Menschen kann nur Gott sein, es im Grunde Selbstgespräche der uns bis ans Ende bis zur Voll- Prof. Dr. Konrad Löw: „Ein Glas auf Karl Marx!“ – Wirklich?...117 sind. Worüber sollten sie auch endung geliebt hat und liebt“ sprechen? Sie sind mit ihrem (Ziff 27). Das ist jener Gott, der Dr. Eduard Werner: Weltbild wie in einem dickwandi- für uns am Karfreitag gestorben Ein verfälschtes Geschichtsbild gen Bunker eingeschlossen. Die und am Ostersonntag auferstan- in den Medien ...... 120 Zeit läuft für sie ohne Höhepunk- den ist. te ab. Events berühren sie nicht Freuen wir uns auf das Os- Ursula Zöller: wirklich. Zeiten wie Advent, terfest, wenn in der Osternacht Die Bestattungskultur stirbt in Urnen ... 122 Weihnachten, Fastenzeit, Ostern der Ruf „Christus ist erstanden“ sind für sie nur unterschiedli- in der noch dunklen Kirche auf- Auf dem Prüfstand ...... 124 che Überschriften, die ihnen klingt und das Licht der Oster- Leserbriefe...... 126 nichts mehr sagen. Wenn sie die kerze aufstrahlt! Ein frohes Os- Veranstaltungen ...... 127 Glücks­angebote, die diese Welt terfest! zu bieten hat, ausprobiert haben – Sex, diverse Partnerschaften, Impressum „Der Fels“ April 2018 Seite 127 Redaktionsschluss ist jew. der 5. des Vormonats berufliche Kariere, Machtstre- ben – , sind sie desillusioniert. Titelbild: Auferstehung Jesu Sie klammern sich an das Leben, aus dem Missale und Brevier Ferdinands des Katho- das sie noch ganz auskosten wol- lischen, Bibliotheca Apostolica Vaticana in: Das Le- ben Jesu Christi; Erläuterung s. Seite 126 len. Denn danach ist für sie alles aus. Soweit sie sich noch einen Mit den besten Wünschen Foto- und Quellennachweise: Restglauben an eine bessere Welt aus Kaufering siehe Seite 127 bewahrt haben, engagieren sie Ihr Hubert Gindert

98 DER FELS 4/2018 Papst Franziskus:

Christus lebt! Heute ist das Fest unserer Hoffnung

Petrus […] lief zum Grab« ren. Er ließ sich nicht von der dump- ten die selbe Erfahrung gemacht. Sie » (Lk/24,12). Welche Gedan- fen Atmosphäre jener Tage gefangen »erschraken und blickten zu Boden«, ken schwirrten während die- nehmen, noch von seinen Zweifeln waren aber bestürzt, als sie die Worte ses Laufes durch den Kopf und das überwältigen; er ließ sich nicht von der Engel hörten: »Was sucht ihr den Herz des Petrus? Das Evangelium seinen Gewissensbissen, der Angst Lebenden bei den Toten?« (V. 5) sagt uns, dass die Elf – darunter auch und dem ständigen Gerede, das zu Petrus – dem Zeugnis der Frauen, nichts führt, in Beschlag nehmen. Wie Petrus und die Frauen kön- ihrer österlichen Botschaft nicht ge- Er suchte , nicht sich selbst. Er nen auch wir das Leben nicht finden, glaubt hatten. Ja, »die Apostel hiel- bevorzugte den Weg der Begegnung wenn wir traurig, ohne Hoffnung und ten das alles für Geschwätz« (V. 11). und des Vertrauens und stand, wie er in uns selbst gefangen bleiben. Öffnen Im Herzen des Petrus gab es deshalb war, auf und lief zum Grab, von dem wir stattdessen dem Herrn unsere ver- Zweifel, der von vielen negativen er dann »voll Verwunderung« (V. schlossenen Gräber – jeder von uns Gedanken begleitet wurde: die Trau- 12) zurückkehrte. Dies war der Be- kennt sie –, damit Jesus eintrete und rigkeit über den Tod des geliebten ginn der „Auferstehung“ des Petrus, Leben schenke; bringen wir zu ihm Meisters und die Enttäuschung dar- die Auferstehung seines Herzens. Er die Steine des Haders und das Ge- über, dass er ihn während seines Lei- wich nicht der Traurigkeit und der röll der Vergangenheit, die schweren dens dreimal verleugnet hatte. Finsternis, sondern gab der Stimme Felsblöcke der Schwächen und des der Hoffnung Raum: Er ließ zu, dass Versagens. Er möchte kommen und Es gibt jedoch ein Detail, das sei- Gottes Licht in sein Herz eintrat, und uns an der Hand nehmen, um uns aus ne Wende anzeigt: »Petrus aber«, unterdrückte es nicht. der Angst herauszuziehen. Das aber nachdem er die Frauen gehört und ist der erste Stein, der in dieser Nacht ihnen nicht geglaubt hatte, »stand Auch die Frauen, die frühmorgens weggerollt werden muss: der Mangel auf« (V. 12). Er blieb nicht sitzen, hinausgegangen waren, um ein Werk an Hoffnung, der uns in uns selbst ein- um zu überlegen, er blieb nicht im der Barmherzigkeit zu verrichten und schließt. Der Herr befreie uns aus die- Haus eingeschlossen wie die ande- die Salben zum Grab zu bringen, hat- ser schrecklichen Falle, davon, Chris-

Der Maler des Freskos in der Klosterkirche in Benediktbeuern zeigt den Auferstanden in hellem Licht mit Siegesfahne. Die Wachen wenden sich voll Schrecken und Entsetzen ab.

DER FELS 4/2018 99 Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Doch als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß. Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier ... aber geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat (Mk, 16,1-7). ten ohne Hoffnung zu sein, die leben, »ist nicht hier, sondern er ist aufer- alles schön erscheinen, er beseitigt als ob der Herr nicht auferstanden standen!« (V. 6). Er ist unsere größte nicht das Böse mit dem Zauberstab, wäre und der Mittelpunkt des Lebens Freude, er ist immer an unserer Seite sondern flößt die wahre Kraft des Le- unsere Probleme wären. und wird uns nie enttäuschen. bens ein. Diese besteht nicht in der Abwesenheit der Probleme, sondern Wir sehen Probleme um uns und Das ist die Grundlage der Hoff- in der Gewissheit, von Christus im- in uns und das wird auch weiter so nung, die nicht bloßer Optimismus mer geliebt zu werden und Verge- sein. Es wird sie immer geben, aber ist und auch keine psychologische bung zu empfangen, von ihm, der für in dieser Nacht müssen wir diese Pro- Haltung oder eine gute Einladung, uns die Sünde besiegt hat, den Tod bleme mit dem Licht des Auferstan- sich Mut zu machen. Die christliche besiegt hat und die Angst besiegt hat. denen erleuchten, sie in gewissem Hoffnung ist ein Geschenk, das Gott Heute ist das Fest unserer Hoffnung, Sinn „evangelisieren“. Die Probleme uns macht, wenn wir aus uns selbst die Feier dieser Gewissheit: Nichts evangelisieren. Die Dunkelheiten herausgehen und uns ihm öffnen. und niemand kann uns je von seiner und Ängste dürfen nicht den Blick Diese Hoffnung lässt nicht zugrun- Liebe scheiden (vgl.Röm 8,39). der Seele auf sich lenken und vom de gehen, denn der Heilige Geist ist Herz Besitz ergreifen, sondern hören ausgegossen in unsere Herzen (vgl. Der Herr lebt und will unter den wir auf das Wort der Engel: Der Herr Röm 5,5). Der Tröster lässt nicht Lebenden gesucht werden. Nach der

Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Diese sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwor- tete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Je- sus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen. Jesus sag- te zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister (Joh 20,12-16).

100 DER FELS 4/2018 Begegnung mit ihm wird jeder von Eduard Haller: ihm ausgesandt, die Osterbotschaft zu überbringen, in die von der Trau- rigkeit bedrückten Herzen, zu denen, „… führe uns nicht die Mühe haben, das Licht des Le- bens zu finden, die Hoffnung zu we- in Versuchung“ cken und wieder auferstehen zu las- sen. Das ist heute so sehr notwendig. Wir sind berufen, selbstvergessen Gedanken zur 6. Vater-unser-bitte als frohe Diener der Hoffnung mit unserem Leben und durch die Liebe noch in der Wolle ge- Welt leben, in der die Gegenkräfte den Auferstandenen zu verkünden; Jeder färbte Humanist unter eines Mächtigen am Werk sind. Jesus andernfalls wären wir eine interna- den predigenden Theologen hat die spricht vom „Fürsten dieser Welt“, tionale Einrichtung mit einer großen vier Abwandlungen und Bedeutungen vom „Herrscher der Welt“ (z.B. Jo- Zahl von Anhängern und guten Re- des unregelmäßigen griechischen Ver- hannes 14,30). – Alle Lehrer des geln, aber unfähig, die Hoffnung zu bums „erchomai“ (Matthäus 6,13) im Glaubens wiesen darauf hin, dass die geben, nach der die Welt dürstet. Ohr. In der 1. Form (intransitiv) heißt Kirche um Bewahrung vor endzeitli- es einfach „kommen“, „ich komme“, chen Verführungen betet, denen kein Wie können wir unsere Hoffnung „ich bin am Kommen“. In der 3. Form Mensch von sich aus gewachsen sein nähren? Die Liturgie der heutigen (transitiv) heißt es hingegen „jemand wird (Markus 13,20). – „Die Leicht- Nacht gibt uns einen guten Rat. Sie oder etwas kommen lassen“, „hinein- verführbarkeit des Menschen ist ein lehrt uns, der Taten Gottes zu geden- geraten lassen“, etwas über jemanden uraltes Thema und täglich zu beob- ken. Die Lesungen haben uns näm- kommen lassen“. – Der Urtext sagt achten“ (Werner Bergengruen). lich von seiner Treue, von der Ge- also etwas anderes als das Wort „füh- So gehört diese Vaterunserbitte schichte seiner Liebe zu uns erzählt. ren“. Dieses kommt im Vaterunser ganz eng zur letzten: „Erlöse uns vom Das lebendige Wort Gottes ist im- aus der lateinischen Übersetzung des Bösen.“ „Und führe uns nicht in Ver- stande, uns an dieser Liebesgeschich- griechischen Neuen Testaments durch suchung!“ te teilnehmen zu lassen, indem es die Hieronymus (Vulgata), deren lateini- Lass uns nicht hineingera- Hoffnung nährt und die Freude wie- scher Wohlklang oft wirklich Musik ten in Zustände und Verhältnisse, der aufleben lässt. Daran erinnert uns in den Ohren ist, aber sachlich oft aus denen wir nicht mehr heraus- auch das Evangelium, das wir gehört nicht genügend genau ist. finden, wo der Glaube stirbt, die haben. Um den Frauen Hoffnung zu Gehen wir vom Urtext aus, so lau- Hoffnung erlischt, die Liebe erkaltet. machen, sagen die Engel: »Erinnert tet die Bitte: „Lass uns nicht hineinge- euch an das, was [Jesus] euch gesagt raten in ...“, ja sogar „lass nicht kom- Beten wir getrost weiter, wie wir hat« (V. 6). Der Worte Jesu geden- men über uns ...“. es gelernt und überliefert bekommen ken, all dessen gedenken, was er in Mit „Versuchung“ („peirasmos“) haben. Es muss nur in der Predigt im- unserem Leben getan hat. Vergessen ist im Urtext genau alles gemeint, was mer, wie so vieles, erklärt und vertieft wir sein Wort und seine Taten nicht, wir unter „Prüfung“ verstehen. Von werden. So sollen wir zum Beten er- sonst verlieren wir die Hoffnung und einer Prüfung des Glaubens ist in der muntert werden. q werden zu Christen ohne Hoffnung. ganzen Bibel in den Zeugnissen der Gedenken wir hingegen des Herrn, Heilsgeschichte die Rede. Gott, der seiner Güte und seiner Worte des zum Glauben ruft, prüft diesen Glau- Lebens, die uns berührt haben. Erin- ben in seinem Volk. Er tut das auf nern wir uns an sie und machen wir seine Weise bei jedem von uns. Jeder sie zu den unseren, um Wächter zur Christ weiß, was das heißt. „Gott hat Morgenstunde zu sein, welche die mit jedem von uns eine ganz persönli- Zeichen des Auferstandenen zu er- che, verborgene Geschichte der Gna- kennen wissen. de“ (Karl Hartenstein). Der große Alttestamentler Franz Liebe Brüder und Schwestern, Delitzsch hat die Vater-unser-bitte ins Christus ist auferstanden! Und wir Hebräische rückübersetzt. Hier findet haben die Möglichkeit, uns zu öffnen das liturgische Wort im Vaterunser und sein Geschenk der Hoffnung zu genau wie im Griechischen diesen empfangen. Öffnen wir uns der Hoff- Bedeutungswandel (bo` = „kommen“, nung und machen wir uns auf den „hebi`“ = hineinbringen, hineinkom- Weg. Das Gedächtnis seiner Taten men lassen“). Im jüdischen deutsch- und Worte sei ein strahlendes Licht, sprachigen Gebetbuch findet sich das uns mit Vertrauen erfüllt und un- gleichen Sinnes die Bitte: „Lass mich sere Schritte zu dem Ostern lenkt, nicht kommen in die Gewalt der Sün- das kein Ende hat. de noch in die Gewalt der Schuld.“ Predigt am Ostersamstag, Die christliche Kirche betet in der Foto der Majolikaplatte mit dem 26. März 2016 Erfahrung, dass wir wie seit je als deutschen Text des Vaterunsers in der copyright L.E.V. Gemeinde der Glaubenden in einer Paternosterkirche in Jerusalem

DER FELS 4/2018 101 P. Andreas Hirsch FSSP: Joseph Ratzinger –

Professor – Bischof – Präfekt der Glaubenskongregation – Papst

kurze Artikel wirft in der Nachfolge der Apostel steht, in Rom – der Glaubenskongregation. Dieser einige Schlaglich- bezogen hat. Gestärkt durch die göttli- Schon Ende der siebziger Jahre wollte ter auf das reiche Leben von Joseph che Gnade, die ihm im Sakrament der der Papst ihn in Rom haben. Kardinal Ratzinger, den späteren Heiligen Va- heiligen Bischofsweihe zuteil gewor- Ratzinger verwies jedoch darauf, dass ter. Wir beschränken uns dabei auf die den ist, trat er sein schweres Amt an. er erst vor zwei Jahren in München Zeit seit seiner Ernennung zum Erzbi- Sein Schwerpunkt war die Hinfüh- sein Amt als Erzbischof angetreten schof von München. Behalten wir ihn rung der Menschen zu unserem Herrn habe. 1981 akzeptierte Johannes Paul in guter Erinnerung und beten wir fest und Gott Jesus Christus, der für uns für ihn sowie seinen Nachfolger Papst Sünder Mensch wurde, gelitten hat, Franziskus. 1977 wurde Joseph Rat- am Kreuz gestorben ist und am dritten zinger von Papst Paul VI. nach dem Tag in Herrlichkeit auferstanden ist. überraschenden Tod von Kardinal Ju- Um in diese Heilswirklichkeit, die wir lius Döpfner zum Erzbischof von in der Taufe geschenkt bekommen ha- München ernannt, was ihm vom Nun- ben, eingehen zu können, bedarf es tius bei einem Besuch in Regensburg der konkreten Gottes- und Nächsten- vertraulich mitgeteilt wurde. Er durfte liebe, was Joseph Ratzinger, den Paul sich nur mit seinem Beichtvater darü- VI. schon 1977 zum Kardinal ernann- ber austauschen. Wegen seiner schwa- te, immer wieder betonte. Tod, Aufer- chen Gesundheit war er der Meinung, stehung und Himmelfahrt Jesu Christi dass dieser ihm von diesem schweren werden sakramental in jeder heiligen Amt abraten würde. Joseph Ratzinger Messe gegenwärtig. Jesus ist am war glücklich und ausgelastet mit sei- Sonntag auferstanden, dem ersten Tag ner Aufgabe als Theologieprofessor in der Woche. Deshalb hob der Kardinal dem von ihm so sehr geschätzten Re- immer wieder die Wichtigkeit der gensburg, wo sein Bruder Georg als Sonntagsmesse hervor, die nicht durch Domkapellmeister wirkte und seine andere Gottesdienste ersetzt werden Schwester ihm den Haushalt führte. kann und unsere Gottesliebe neben Joseph Ratzinger sehnte sich nicht dem täglichen Gebet ausdrückt. Diese nach Verwaltungs- und Führungsauf- Liebe muss sich im Alltag in der gaben oder Konferenzen, die das Bi- Nächstenliebe bewähren. Um schon schofsamt unweigerlich mit sich die Kinder zu einem würdigen Emp- bringt. Doch sein Beichtvater und fang Jesu Christi in der heiligen Kom- II. dieses Argument nicht mehr. Mün- Professorenkollege Johann Auer war munion hinzuführen, legte Joseph chen sei wichtig, aber Rom mit seinen überraschenderweise der Überzeu- Ratzinger größten Wert auf die zuvor weltkirchlichen Aufgaben sei noch gung, dass er das Bischofsamt anneh- empfangene heilige Beichte. Dort ver- wichtiger und so ging Joseph Ratzin- men müsse, wenn der Herr durch Sei- gibt uns Jesus die Sünden, die auch ger 1982 als Präfekt der Glaubens- nen Stellvertreter auf Erden ihn dazu schon Schulkinder haben, und stärkt kongregation nach Rom, um wieder- berufen hat. Und so fügte sich Joseph uns durch weitere Gnaden wie etwa um eine Aufgabe anzutreten, die er Ratzinger trotz seiner nicht so stabilen die Beharrlichkeit. Dies alles muss sich nicht gewünscht hatte. Dieses Konstitution sowie seiner fehlenden nach Joseph Ratzinger durch einen wichtige Amt hatte er 23 Jahre bis zu Erfahrung in der Seelsorge und der umfassenden Religionsunterricht so- seiner Papstwahl inne. Joseph Ratzin- Verwaltung. Er vertraute auf Gott den wie vor allem durch eine vorbildliche ger war es ein Anliegen, den Glauben Heiligen Geist, der durch uns schwa- Erziehung in der Familie grundgelegt der einfachen Leute zu verteidigen, che Menschen in den Sakramenten und begleitet werden. Die Vorbild- diese dadurch zu ermutigen und die und der Verkündigung wirkt, wenn funktion von Eltern, Großeltern, Menschen zu Jesus Christus zu füh- wir uns Ihm nur ganz anvertrauen. Der Priestern und Lehrern ist neben der ren. In verschiedenen, von ihm we- Empfang in München war begeis- Gnade Gottes von herausragender Be- sentlich mit geprägten Schreiben wur- ternd, was Joseph Ratzinger zu Recht deutung. 1981 berief Papst Johannes de die Gottheit Jesu Christi verteidigt, nicht in erster Linie auf seine Person, Paul II. Kardinal Ratzinger an die der uns durch sein Leiden, sein Kreuz sondern auf das Amt des Bischofs, der Spitze der wichtigsten Kongregation und seine Auferstehung – und nicht

102 DER FELS 4/2018 mit Gewalt – erlöst hat. Jesus Christus „Deus Caritas est“ (Gott ist die Liebe) keit. Umgekehrt gilt natürlich auch, hat eine Kirche gegründet – die katho- aus dem ersten Johannesbrief. Papst dass wir weder die Wahrheit noch die lische Kirche – und den Männern, die Benedikt XVI. betonte, dass wir mit Gerechtigkeit aufgeben dürfen. Alle dazu berufen sind, das Priestertum unserer Ganzhingabe an Christus sind Eigenschaften des vollkomme- vorbehalten. Dabei vergaß Joseph nichts verlieren; denn Jesus Christus, nen Gottes, der unter dem Schirm der Ratzinger aber nicht die Einzigartig- unser Herr und Gott, schenkt uns alles Liebe unser Heil unter der Respektie- keit der Stellung der Jungfrau und – sich selbst, die unendliche Liebe. rung unserer menschlichen Freiheit Gottesmutter Maria, die als Königin Deshalb sollen wir keine Angst vor wirken will: Gott will keine Marionet- der Apostel am Throne Gottes für uns Christus haben und dürfen uns Ihm ten, sondern freie Menschen, die Ihm Sünder eintritt. Weiterhin war ihm ohne Vorbehalte vertrauensvoll schen- als Seine geliebten Kinder, für die Er sehr wohl die Wichtigkeit der stillen ken wie Kinder, die Ihren Eltern Ge- sich in Jesus Christus am Kreuz geop- Beter und Helfer in der Kirche be- schenke machen von dem, was sie von fert hat, freiwillig und gehorsam fol- wusst, deren Glauben er hoch schätzte ihnen empfangen haben, worüber sich gen, um ihr Ewiges Glück bei Ihm zu und schützen wollte, was schon er- die Eltern wiederum sehr freuen. erlangen. 2013 trat Papst Benedikt wähnt wurde. Joseph Ratzinger setzte Wenn wir durch die Gottes- und die XVI. für viele überraschend zurück, sich für den umfassenden Schutz des Nächstenliebe unseren Egoismus be- weil ein so wichtiges und schwieriges von Gott gewollten Lebens von der kämpfen, so erlangen wir die wahre Amt nach einem gesunden Inhaber Empfängnis bis zum Tod ein. Er legte Freiheit der Kinder Gottes. Benedikt verlange und er sich dazu nicht mehr sehr großen Wert auf eine würdige XVI. förderte schon als Kardinal die in der Lage sah. Er zog sich im Vati- Feier der Gottesdienste1, wo wir den Feier der heiligen Messe wie sie bis kan zurück und hilft der Kirche in sei-

allmächtigen, gütigen, barmherzigen zur Reform unter Paul VI. üblich war. nem letzten Lebensabschnitt durch und vollkommenen Gott besonders Er betonte, dass der lateinische Ritus, sein Gebet – sein Gespräch mit dem im Opfer der heiligen Messe anbeten. der auch noch auf dem II. Vatikani- allmächtigen und barmherzigen Gott braucht uns nicht, aber wir brau- schen Konzil zelebriert wurde, nicht Gott, auf den Papst Franziskus im- chen Ihn und Er schenkt sich uns ohne erst nach dem Konzil von Trient ent- mer hinweist. Dies ist die zentrale Vorbehalt. Nach dem Tod Johannes standen ist, sondern im Wesentlichen Aufgabe eines Bischofs und dies war Pauls II., der die Rücktrittsgesuche seine Wurzel in der Antike unter ande- auch der Grund, warum die Apostel von Joseph Ratzinger ignorierte, wur- rem bei den heiligen Päpsten Leo dem sieben Diakone für den Dienst an de er 2005 von den Kardinälen im Großen und Gregor dem Großen hat. den Armen (Nächstenliebe) geweiht Konklave sehr schnell zum Papst ge- Benedikt XVI. betont, dass die Kirche haben, um mehr Zeit zum Gebet zu wählt. Joseph Ratzinger wollte sich dieses Erbe bewahren muss; denn was haben. Damit ist nicht gesagt, dass eigentlich in die Stille zurückziehen, unseren Vorfahren heilig gewesen ist, die Apostel die Nächstenliebe nicht um auch noch etwas wissenschaftlich kann jetzt nicht auf einmal schlecht mehr gelebt haben, die jeder von uns zu arbeiten, wozu ihm seit 1977 we- sein. Alles geschah von seiner Seite an seinem Platz immer wieder neu nig Zeit blieb. Auch als Papst führte er aus in Liebe und ohne Polemik. Neh- leben und einüben soll: Deshalb wie- die Menschen zu Christus, vor allem men wir uns bei unseren Handlungen derhole ich es jedes Mal mit lieben- durch seine Predigten und Rund- daran ein Beispiel: Wahrheit ohne dem Herzen: Sind wir gut zueinan- schreiben. Bezeichnenderweise trug Liebe tötet und Gerechtigkeit ohne der! Wir haben in Papst Benedikt seine Antrittsenzyklika die Worte Barmherzigkeit wird zur Grausam- XVI. darin ein Vorbild. q

DER FELS 4/2018 103 Raymund Fobes:

Durch Maria zu Christus

P. Jakob Rem und die Erneuerung des Glaubens

es durch die Reformati- war – insofern eine der wichtigsten schwebte P. Rem beim gemeinsamen War on zu einer tiefen Glau- Bildungsstätten Deutschlands. Rem Gebet der Lauretanischen Litanei ei- bensspaltung vor allem im westli- war hier zunächst auch noch der Lei- nen Moment über dem Boden, als die chen Europa gekommen, so setzte ter des Ordenskonviktes, doch nach- Gottesmutter als „mater admirabilis“ der Katholizismus in dieser Zeit die- dem die Zahl der Jesuitenzöglinge angerufen wurde. So ließ er den Ruf ser Entwicklung eine innere Reform stark angestiegen war, gab er die Lei- zweimal wiederholen. Fortan trug des Glaubens entgegen. Diese katho- tung des Konvikts ab und widmete das Ingolstädter Marienbild den Ti- lische Reform, die maßgeblich durch sich fortan nur noch den Schülern. tel „Mater ter admirabilis – dreimal das Trienter Konzil (1545-1562) in Es war keine leichte Aufgabe. Die Wunderbare Gottesmutter“. die Wege geleitet wurde, hatte das Zöglinge kamen aus unterschiedlichen P. Rem starb am 12. Oktober 1618 Ziel, den Menschen zu helfen, den Nationen und auch aus den verschie- nach einem genauso arbeitsreichen Katholizismus wieder neu zu entde- denen Volksschichten. Rem muss- wie von persönlicher Bescheidenheit cken. Für diese tridentinische Erneu- te die so verschiedenen Charaktere getragenen Leben. Sein Geist lebt erung steht vor allem in Deutschland und Mentalitäten zusammenbringen. bis heute weiter – zum einen in den der Orden der Jesuiten. Aber es gelang Marianischen Beispielhaft für das jesuitische ihm mit viel Kongregatio- Wirken in dieser Zeit ist P. Jakob Rem, Gebet und Ge- nen, etwa auch der vor allem durch sein Wirken im duld. Gleich- in der Bürger- Dienst der Jugend sowie durch seine wohl musste er kongregation Marienverehrung bekannt wurde. auch zuweilen „Maria vom Jakob Rem wurde im Jahr 1546 in streng sein und Sieg“ in In- Bregenz geboren. Ab 1564 studierte unbelehrbare golstadt, die er im Jesuitenkolleg Dillingen/Do- Quertreiber aus noch zu Leb- nau, zwei Jahre später trat er bei den dem Konvikt zeiten Rems Jesuiten ein und wurde nun zu weite- entlassen. gegründet wur- ren Studien nach Rom beordert. Andererseits de und deren Dort lernte Jakob Rem die „Mari- gründete er ge- Gründern er anische Kongregation“ kennen und meinsam mit wahrscheinlich schätzen. Es beeindruckte ihn, dass in den Studenten auch beratend dieser Gemeinschaft die Mitglieder im Jahr 1595 zur Seite stand. nach dem Vorbild der Gottesmutter einen engeren Hier treffen zu einem tieferen Gebetsleben, gewis- Kreis der Mari- sich auch heute senhafter Erfüllung der Alltagspflicht anischen Kon- noch Christen und auch zum liebevollen und ge- gregation, das aus Ingolstadt duldigen Umgang mit dem Nächsten „Colloquium marianum“. Geistliches und Umgebung regelmäßig zum Ge- geführt wurden. Ein Jahr nach seiner Zentrum dieses Kreises war die Ma- bet und zum gemeinsamen Austausch. Priesterweihe gründete er 1574 in rienikone „Salus Populi Romani“, de- Zudem steht man in herzlichem Kon- Deutschland die erste „Marianische ren Original sich in der Kirche „Santa takt zueinander, teilt Freude, aber Kongregation“ in Dillingen, wo er als Maria Maggiore“ in Rom befindet. auch Sorgen miteinander. Subregens im Jesuitenkolleg wirk- Das Bild wurde zum zentralen Ort sei- Zum anderen ist der Geist P. Rems te. Bald waren diese „Marianischen ner Marienverehrung, und die Zöglin- auch in der von P. Josef Kentenich Kongregationen“ untrennbar mit den ge, von seinem Beispiel beeindruckt, gegründeten Schönstattbewegung Jesuitenkollegien in Deutschland ver- versammelten sich im Lauf der Zeit lebendig, in deren Zentrum ebenfalls bunden. Gleichwohl nahmen sie aller- auch um das Bild zum Gebet. die „Mater ter admirabilis“ steht. dings nicht nur Studierende auf, son- Am 5. April 1604 machte P. Rem Auch hier steht ganz im Sinn von dern waren offen für alle Stände. eine tiefe Erfahrung: Er spürte bei P. Rem, das Erlernen von Tugenden Nach seiner Zeit in Dillingen wirk- der Betrachtung der Lauretanischen auf der Grundlage der marianischen te Rem in München und schließlich Litanei, dass der Gottesmutter der Frömmigkeit im Vordergrund. Und in Ingolstadt, wo damals die baye- Titel „Admirabilis – die Wunderba- auch hier trägt familiärer Geist die rische Landesuniversität angesiedelt re“ besonders gefällt. Tags darauf Gemeinschaft. q

104 DER FELS 4/2018 Lothar Roos:

Stephanus heute: die verfolgten Christen

ch sehe den Himmel offen des Herrn erfüllt: Es sind noch nie so Fünf Lebensbereiche „Iund den Menschensohn zur viele Menschen um des christlichen der Verfolgung Rechten Gottes stehen!“– So kann Glaubens willen verfolgt worden wie man als frommer Israelit nie über heute. Die ökumenische Vereinigung „Open Doors“ untersucht nach einen Menschen sprechen, denn im „Open Doors“, „offene Türen“, ist fünf Lebensbereichen, wer wegen jüdischen Verständnis heißt „zur seit über 25 Jahren dabei, in der gan- seines christlichen Glaubens bedroht Rechten Gottes stehen“ Gott gleich zen Welt die Christenverfolgungen und verfolgt wird. Die fünf Fragen zu sein. Genau das bekennt Stepha- zu registrieren, ihren Ursachen nach- dazu lauten: nus vor jenem Gremium, das auch zugehen und zu helfen, so weit dies 1. Können Christen zuhause unge- Jesus aus dem gleichen Grund we- möglich ist. Jedes Jahr veröffentlicht stört beten und die Bibel lesen? gen „Gotteslästerung“ zum Tode ver- „Open Doors“ einen Bericht über 50 2. Versucht der Staat die Christen urteilt hatte. Deshalb muss auch Ste- Länder in der Reihenfolge der stärks- daran zu hindern, in der Familie den phanus sterben, wie wir eben in der ten Verfolgung. Der Bericht hat einen Glauben weiterzugeben? Lesung gehört haben. Im Evangelium Umfang von 316 Seiten. Einige da- 3. Können Christen ungehindert sagt uns Jesus, dass diejenigen, die von habe ich mitgebracht, um Ihnen am gesellschaftlichen Leben teilzu- dies glauben und verkünden, immer heute, am Gedenktag des Heiligen nehmen, oder sind sie „Bürger zwei- und überall mit Verfolgungen rech- Stephanus, des ersten Märtyrers für ter Klasse?“ nen müssen.Wenn wir einen Blick Christus, einige Fakten darüber mit- 4. Haben die Christen die Freiheit, in unsere Zeit tun, dann kann man teilen zu können. ihren Glauben nicht nur privat, son- feststellen, wie sehr sich dieses Wort

Stephanus rief: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ Das war sein Todes- urteil. Dann steinigten sie Stephanus; er aber betete: „Herr Jesus nimm meinen Geist auf, rechne Ihnen diese Sünde nicht an“. (Apg 7,56.59) DER FELS 4/2018 105 dern auch öffentlich, als kirchliche Die Ursachen zur Christenverfolgung führt. Eine Gemeinschaft zu leben? der Verfolgung zweite Ursache ist ein neuer religiös 5. Wird die Verfolgung mit gewalt- begründeter Nationalismus in Asien, samen Methoden bis hin zur Bedro- Was sind die Gründe für die Ver- vor allem in Indien. Dort führt der hung des Lebens betrieben? folgung? In insgesamt 35 dieser 50 hinduistische Nationalismus immer Länder ist die islamische Unterdrü- wieder zu Übergriffen gegen Chris- Das Ergebnis dieser Untersuchun- ckung die Ursache der Verfolgung. ten. Die Missionierung Indiens geht gen besagt, ganz grob gesprochen, Besonders relevant sind für uns die schon zurück auf den Apostel Tho- es sind rund 20 Millionen Christen, Länder des Nahen Ostens, vor al- mas, deswegen spricht man auch von die auf der Welt verfolgt werden. Bei lem Syrien, Irak und Iran. Denn dort „Thomas-Christen“. Es sind rund 64 insgesamt ca. 1,2 Milliarden Christen haben von Anfang an bedeutende Millionen, davon sind 39 Millionen werden rund 16 % der Christen aller christliche Minderheiten gelebt, die bedroht und gefährdet. Aber auch Konfessionen auf der Welt verfolgt, nun zum Teil vertrieben sind und hof- in einigen buddhistischen Ländern vor allem Katholiken. Insofern ist fen, wieder zurückkehren zu können. wie in Sri Lanka gibt es einen neuen das Christentum die weltweit größ- Sie können sich erinnern, dass vor buddhistischen Nationalismus, der te, verfolgte Religionsgemeinschaft. einigen Wochen Mossul, eine gro- alle anderen Religionen verdrängen Die nach der Stärke der Verfolgung ße Stadt im Nordirak, aus der Hand möchte. Wir kennen alle das Beispiel zusammengestellte Liste der 50 Län- des „Islamischen Staates“ zurück- Myanmar aus jüngsten Berichten der beginnt mit Nordkorea. Dann fol- erobert wurde und dass die Chris- über den Besuch des Papstes dort. gen Somalia, Afghanistan, Pakistan, ten jetzt dorthin zurückkehren und Sudan, Syrien, Irak, Iran, Jemen, Eri- versuchen, ihre Häuser und Kirchen Schließlich gibt es noch eine drit- trea, das sind die zehn Länder mit der wieder aufzubauen. Aber es ist nicht te Gruppe, die Bedrohung durch stärksten Christenverfolgung. nur der aggressive Islamismus, der die kommunistische Ideologie. Das

1. Nordkorea 10. Iran 19. Turkmenistan 28. Kasachstan 36. Palästinenser- 2. Afghanistan 11. Indien 20. Laos 29. Äthiopien gebiete 3. Somalia 12. Saudi-Arabien 21. Jordanien 30. Tunesien 37. Mali 4. Sudan 13. Malediven 22. Tadschikistan 31. Türkei 38. Indonesien 5. Pakistan 14. Nigeria 23. Malaysia 32. Kenia 39. Mexiko 6. Eritrea 15. Syrien 24. Myanmar 33. Bhutan 40. Vereinigte 7. Libyen 16. Usbekistan 25. Nepal 34. Kuwait Arabische 8. Irak 17. Ägypten 26. Brunei 35. Zentralafrika- Emirate (VAE) 9. Jemen 18. Vietnam 27. Katar nische Republik

106 DER FELS 4/2018 Land, wo dies zur Zeit am meis- ten geschieht, ist Nordkorea. Dort herrscht eine in keinem Lexikon auf- geführte Regierungsform, eine kom- munistische Familien-Erbmonarchie. Sodann gibt es auch noch einige wei- tere Länder mit kommunistischer Unterdrückung, wie etwa Kuba, wo die Christen längst nicht alle bürger- lichen Rechte haben. Vor allem aber ist noch das große Chinesische Reich zu erwähnen. Dort gibt es sozusagen zwei katholische Kirchen: Eine, die von der Regierung anerkannt ist, und eine andere Kirche, die weitgehend im Untergrund wirkt und deren Bi- schöfe von der Regierung allenfalls geduldet sind. Es gibt nicht wenige Bischöfe, Priester und Laien, die schon im Gefängnis waren oder es noch sind.

Aktuelle Entwicklungen

So viel zu den wichtigsten Zahlen, folgung? Natürlich nicht im Sinne Hoffen und beten wir, vor allem die uns deutlich zu machen, wie es der genannten 50 Länder; unter ih- für die ca. 20 Millionen verfolgten heute in der Welt aussieht. Ein beson- nen kommt Deutschland nicht vor. Christen in der Welt, dass die Frei- ders kritischer Punkt ist die Tatsache, Aber auch bei uns wird es in Zukunft heit der Religionsausübung zusam- dass sich südlich der Sahara die Isla- wohl schwieriger werden, den ka- men mit dem Schutz des Lebens von misierung weiter verbreitet, dass dort tholischen Glauben so zu leben, wie seinem Anfang bis zu seinem natür- militante Islamisten immer mehr an wir ihn leben möchten. Dazu zwei lichen Ende, die wichtigsten Men- Boden gewinnen, z.B. im Sudan oder Bemerkungen: Es gibt heute in man- schenrechte, nicht ausgehöhlt, son- in Mali. Dorthin sind ja auch deutsche chen Bundesländern eine staatlich dern respektiert werden. Beten wir Soldaten in einer internationalen Frie- verordnete, angeblich wertneutrale gerade heute am Fest des Heiligen densmission von der UNO entsandt Sexualerziehung, zu der alle Kin- Stephanus, des ersten Märtyrers der worden, und gerade jetzt wurde ihr der verpflichtet werden. Der Begriff Kirche, für alle verfolgten Christen, Mandat wieder verlängert. Dort gibt „Ehe für alle“ ist ein Zeichen dafür. dass sie die Kraft finden, ihrem Glau- es den Versuch einer islamistischen Alle Formen der Sexualität werden ben treu zu bleiben. q Gruppe zusammen mit dem Tuareg- als gleichwertig angesehen und somit Predigt am 26. Dezember 2017 Stamm das ganze Land unter ihre als gleich­gültig. Es gibt zunehmend Herrschaft zu bringen. Das ist durch Klagen von Eltern, die eigentlich ih- diese internationale Intervention bis- ren Kindern das nicht zumuten möch- Open Doors her verhindert worden, aber die Lage ten, aber das Schulgesetz zwingt sie selber ist nach wie vor instabil. Es dazu. – Ein zweiter Fall: Der Schutz VER ANSTALTUNGEN: gibt auch, und damit möchte ich die- des ungeborenen Lebens. Es wird zu- Open Doors Tag sen Überblick abschließen, ein hoff- nehmend schwieriger für Ärzte oder 12. Mai 2018 nungsvolles Phänomen, dass nämlich Pflegepersonal, die Mitwirkung an Veranstaltungscenter redblue, die Zahl derer, die vom Islam zum Abtreibungen zu verweigern. Es gibt Heilbronn Christentum übertreten, wächst. So auch jedes Jahr eine Demonstration Open Doors Jugendtag ist z.B. heute im Iran die Zahl derer, in Berlin, deren Teilnehmer sich be- 10. Mai 2018 die inzwischen neu zum Christentum sonders für den Schutz des ungebo- Veranstaltungscenter redblue, Heilbronn konvertiert sind, größer als die Zahl renen Lebens einsetzen. Diese Kund- der ursprünglichen Christen dort. gebung wird stets von aggressiven AKTIONEN Dies geschieht natürlich immer nur Gegendemonstranten behelligt. Einer FÜR GEMEINDEN: in „Hauskirchen“ ohne öffentliche ihrer Sprechchöre lautet: „Hätt‘ Ma- Shockwave (Jugend-Gebetsbewegung) Anerkennung. ria abgetrieben, wärt ihr uns erspart 2. – 4. März 2018 geblieben.“ Es wird also auch in un- Weltweiter Gebetstag für serer Gesellschaft eher schwieriger verfolgte Christen Christenverfolgung 11. November 2018 in Deutschland? werden, den christlichen Glauben öf- fentlich zu bekennen und ihm gemäß Kontakt Zum Schluss noch eine vielleicht zu leben. Zunehmend gibt es auch Postfach 11 42, 65761 Kelkheim überraschende Frage: Gibt es auch Forderungen, das Kreuz aus der Öf- Telefon: +49 6195 6767-0 bei uns in Deutschland Christenver- fentlichkeit verschwinden zu lassen. www.opendoors.de

DER FELS 4/2018 107 Schwester Ingrid Mohr P.I.J.:

Clara Fey: eine christliche Antwort auf die Nöte der Zeit

ist er da, der 5. Mai vierte der fünf Kinder einer wohlha- ten viele Menschen in den entste- Bald 2018, an dem Clara Fey, benden, sozial eingestellten Familie, henden Fabriken Arbeit. Bei äußerst die Gründerin der Schwestern vom ar- die gläubig und tief verwurzelt war schlechten gesundheitlichen Bedin- men Kinde Jesus, im Hohen Dom zu in der Liebe zur Kirche. Ihre Brüder gungen und endlosen Arbeitszeiten seliggesprochen wird. Joseph und Andreas wurden Pries- mussten die Betroffenen für einen Im Vorwort zu einem Büchlein mit ter, Constantia starb früh, Netta, die kärglichen Lohn arbeiten, der sel- Gedanken von ihr über das Leben Jüngste, heiratete. ten für den Broterwerb ihrer Familie mit und in Gott heißt es: „Was sie zu ausreichte. Daher waren zahlreiche sagen hat, ist heute aktuell, modern Kinder sich selbst überlassen, gingen und von besonderer Bedeutung für Das soziale Elend der in keine Schule und trieben sich bet- uns.“ Schauen wir also ein wenig auf Frühindustriealisierung telnd auf den Straßen herum. Andere ihr Leben und Wirken. mussten schon im Alter von sieben, Es war die Zeit der Industrialisie- manche sogar schon ab vier Jahren rung, die zu Beginn des 19. Jahrhun- 12 bis 14 Stunden am Tag in Textil- … aus gläubiger Familie derts gravierende soziale Probleme und Nadelfabriken Aachens arbei- mit sich brachte. Die Maschinen ver- ten. Weder der Staat noch die Stadt Geboren wurde Clara Fey am 11. drängten zunehmend die bis dahin schienen ein Auge für diese Kleinen April 1815 in Aachen. Sie war das weitverbreitete Heimarbeit. So such- zu haben.

Bildung als Chance

Aber es gab auch Menschen, die mutig gegen das Elend angingen. Zu ihnen gehörten die Geschwister Fey. Sie trafen sich regelmäßig im Eltern- haus mit befreundeten Priestern und engagierten Laien zu „Sonntagsge- sprächen“, um zu überlegen, wie man helfen könne. So begann Clara mit einigen gleichgesinnten Freun- dinnen, sich benachteiligter Kinder anzunehmen und ihnen Pflege, -Er ziehung und Unterricht zu geben. Sie setzten ihre ganze Kraft und ihr Vermögen ein, um die unhaltbare Situation zumindest ein wenig zu entschärfen. 1837 entstand unter Führung der damals erst 21-jährigen Clara eine kleine Schule. Ihre Brü- der Joseph und Andreas sowie einige andere Priester halfen nach Kräften mit, denn die Verwahrlosung vieler Kinder ließ auch ihnen keine Ruhe.

Schwieriger Anfang

Als die jungen Frauen mit der Ar- beit begannen, stießen sie auch auf

108 DER FELS 4/2018 manches Unverständnis. Sogar der Tag. Im Namen der neuen Gemein- schloss 1872 die Ausweisung aller Pfarrer meinte: „So junge Mädchen schaft fand Clara den Auftrag der- Ordensleute von öffentlichen Schulen müssen ein Spiel haben; lasst sie nur, selben ausgedrückt: die christliche in Preußen. So sahen sich auch Clara wenn sie es müd‘ werden, dann hö- Erziehung von Kindern und Jugend- Fey und ihre Schwestern gezwun- ren sie von selbst auf.“ Aber es kam lichen, vor allem der benachteilig- gen, 24 der 27 bis dahin gegründeten anders; die Zahl der betreuten Kinder ten. In ihrer Bescheidenheit nannte Häuser zu schließen und die Heimat und der Helferinnen wuchs rasch an. sie es einfach: „Die Kinder zu Jesus zu verlassen. Unter schwierigsten Zu dem Kreis um Clara Fey gehörten führen“. Bedingungen suchte sie in anderen auch Franziska Schervier und Pauli- Sie liebte das Wort Jesu „Mane- europäischen Ländern für die da- ne von Mallinckrodt, die später ihrer te in me – Bleibt in mir“, das ihr mals 690 Schwestern ein Dach über je eigenen Berufung folgten und – eigenes Leben prägte und bis zum dem Kopf und apostolische Tätigkei- wie Clara selbst – zu Ordensgründe- heutigen Tag das geistliche Streben ten. Tausende armer Kinder blieben rinnen wurden. und den apostolischen Einsatz ihrer schutzlos zurück. Mit großem Gott- Schwestern bestimmt. vertrauen und ernsthaftem Bemühen um ein Leben in inniger Verbunden- Liebe als Erziehungsprinzip Im Bemühen um eine enge Ver- heit mit Gott meisterten die tapfere bundenheit mit Jesus pflegen wir Ordensgründerin und ihre Schwes- Clara drückte ihren Einsatz in Schwestern eine tägliche Zeit der tern die harte Prüfung. Und wie- dem Satz aus, den sie auch ihren Anbetung vor dem Allerheiligsten. der einmal galt, dass Gott auch auf Helferinnen immer wieder ans Herz In unserem Aachener Mutterhaus krummen Zeilen gerade zu schreiben legte: „Lieben wir die Kinder, weil schauen wir dabei auf den eucharis- versteht, denn der Kulturkampf trug Jesus sie liebt, und lieben wir Jesus tischen Herrn in einer Custodia (5), dazu bei, dass es in jener schweren in ihnen!“ Schon bald erkannten sie, die aus 200 Professringen verstor- Zeit zu zwölf Neugründungen in sie- dass es nicht ausreichte, den Kleinen bener Mitschwestern besteht. Jeder ben europäischen Ländern kam. Ab Unterricht zu erteilen. So zogen die- dieser Ringe trägt die innen eingra- 1887 konnten die Schwestern in die se jungen Frauen zusammen, nah- vierten Worte: „Mein Geliebter ist Heimat zurückkehren. Die im Aus- men die meist gefährdeten Kinder mein, und ich bin sein“ (Hld 2,16), land neu gegründeten Häuser blieben zu sich und teilten das Leben mit ih- Worte, die zum Nachdenken einla- bestehen und ehemalige in Deutsch- nen. Das gemeinsame Wohnen för- den. land wurden wiederbelebt.

Zeichnung v. Sr. Amabilis P.I.J. Geschwister Fey um 1835 – v. lks.: Joseph, Clara, Andreas, Netta derte sowohl die apostolische Arbeit Kulturkampf gegen Clara Fey hat als auch ihr gemeinsames Gebet. So die Katholiken ein großes Werk gegründet kam es, dass Clara Fey mit drei ihrer Freundinnen am 2. Februar 1844 die Natürlich konnte das Kreuz in der Als Clara Fey am 8. Mai 1894 Kongregation der Schwestern vom jungen Gemeinschaft nicht fehlen. starb, vollendete sich das Leben armen Kinde Jesus gründete. Eine Besonders spürbar wurde es wäh- dieser großen Frau. Ihre Sensibilität Tafel am Gründungshaus erinnert rend des Kulturkampfes (1871-1887) für die Nöte ihrer Zeit und ihre Ant- noch heute an jenen bedeutsamen unter Bismarck. Die Regierung be- wort darauf – aus tiefer Gottes- und

DER FELS 4/2018 109 „Die Kinder zu Jesus führen“ – Gemälde v. Sr. Amabilis P.I.J.

Nächstenliebe heraus – hatten sie ein Peru und Spanien. Zu ihrer apostoli- die ihren Wohn- und Bleiberaum er- Werk gründen lassen, das unzähligen schen Arbeit gehören Kindergärten, öffnen für die ort-losen, ausgesetzten Kindern und Jugendlichen zum Se- Grund- und Realschulen, Gymnasi- Kinder. Bei Jesus bleiben, in ihm blei- gen wurde. Bei ihrem Tod zählte die en, Aufgaben in der Katechese, der ben, in den tausend Funktionen und Kongregation bereits weit über 1000 Gemeinde- und Familienpastoral, Abläufen, die uns jeder Tag zumutet, Mitglieder. bei Immigranten, Arbeits- und Ob- ist auch für uns der Ansatz, um einen dachlosen, in Gesundheitszentren, Ort zu finden und anderen anzubieten, Und Claras Werk besteht weiter. Armenküchen sowie anderen Akti- an dem Leben möglich ist.“ Ihre Schwestern leben und arbei- vitäten, in denen sie vorwiegend die Durch ihre Seligsprechung am 8. ten heute in Belgien, Deutschland, Ärmsten der Gesellschaft betreuen. Mai 2018 wird Clara Fey mehr Men- England, Frankreich, Indonesien, Sie dienen den Menschen mit ihrer schen als bisher bekannt und ihnen Kolumbien, Lettland, Luxemburg, Arbeit, ihrem Sein und ihrem Ge- Vorbild und Fürsprecherin sein bei in den Niederlanden, in Österreich, bet. Gott. q

Der verstorbene Aachener Bischof Klaus Hemmerle schätzte Clara Fey sehr und schrieb: „Das innere Blei- ben tut not, damit wir leben, atmen, Zur Feier wir selbst sein, uns frei über uns hi- der Seligsprechung nauswagen und verschenken können. am 5. Mai 2018 Manete in me – Bleibt in mir! Das um 10 Uhr: Wort kann mit uns gehen. Es gibt Live-Stream auf ein Sich-Festhalten, Augenblick für www.clara-fey.de und Augenblick, am Wort und an der Lie- www.bistum-aachen.de be, das sich erweisen wird als innere sowie auf dem Facebook- Ruhe und Kraft zur Freiheit und Ge- Account des Bistums lassenheit. Bleib in ihm, kehr zu ihm Aachen. zurück! Mutter Clara Fey, Gründerin Weitere Informationen zu der Schwestern vom armen Kinde Je- Clara Fey und zur Kon- sus, war ganz und gar orientiert auf gregation der Schwestern den Dienst an Jesus in den Kleinen vom armen Kinde Jesus: und Geringen; aber sie hat darin eine www.manete-in-me.org nicht nur aktive, sondern zugleich und www.svakj.de kontemplative Berufung entdeckt. Custodia im Mutterhaus Aachen Nur dieser ‚innere Raum‘ ließ sie und

110 DER FELS 4/2018 Hubert Gindert:

Reformer und Wegbereiter Toribio Alfonso de Mogrovejo in der Kirche

Am 21. Januar 2018 hat Papst der Kinder und Jugendlichen ausdrü- Korruption und einem Netzwerk von Franziskus in Lima vor den Bi- cken muss, wenn man sie erreichen Interessen gegenüber, das bis zum schöfen von Peru über den Hl. will. Toribio lernte die Sprachen der Vizekönig reichte. Aber Toribio hatte Toribio Alfonso de Mogrovejo ge- Indios und verlangte das auch von den Mut, gegen die Staatsmacht auf- sprochen. Was bewog den Papst, den Priestern und Ordensgeistlichen. zutreten, wenn es um Gerechtigkeit an einen Bischof des 16. Jahr- An der 1551 in Lima gegründeten ging. Auch darin ist er ein Vorbild für hunderts zu erinnern und warum Universität wurden Lehrstühle für unsere Zeit. greifen wir das im „Fels“ auf? die Indiosprachen eingerichtet. Der Toribio war ein leidenschaftlicher auf dem dritten Konzil von Lima Toribio verdiente sich den Ruf ei- und wahrer Hirte. Er ist ein Vor- 1583 erarbeitete Katechismus kam nes Reformers auch durch die Neu- bild nicht nur für die Bischöfe von in Spanisch, Quechua und Aimara ordnung der Priesterausbildung. Er Peru, sondern weltweit – und auch heraus. gründete das erste nachkonziliare heute! (nach Trient) Priesterseminar in der Neuen Welt. Er setzte ge- Als Toribio 1580 von Spanien gen Widerstand durch, dass auch in die Neue Welt aufbrach und Priester aus der südamerikani- seine Diözese übernahm, war er schen Ortskirche hervorgehen 42 Jahre alt. Lima war damals konnten. Um die Kirche zu refor- der politische und kirchliche Mit- mieren berief Toribio zwölf Diö- telpunkt von Südamerika. Seine zesansynoden ein. Diese fanden Diözese erstreckte sich über 5000 nicht nur in der Hauptstadt Lima km von Panama zum Rio de la statt, sondern auch in Pfarreien, Plata. In seinen 22 Bischofsjah- in denen sich Erzbischof Tori- ren besuchte er viermal auf seinen bio gerade aufhielt. Das Gesicht Pastoralreisen das riesige Gebiet. der lateinamerikanischen Kirche Unterwegs mit einem Maulesel prägten aber die großen Bischofs- auf Pfaden, die, um mit seinem versammlungen, zu denen alle Sekretär zu sprechen, mehr für Bischöfe zwischen Panama und Ziegen als für Menschen geeignet dem Rio de la Plata erschienen. waren, nahm Toribio alle Strapa- Das dritte Konzil von Lima gilt zen auf sich, um bei den Gläubi- als das „amerikanische Trient“. gen das Wort Gottes zu predigen, Es war die Krönung des Lebens- die Priester zu bestärken und die werkes Toribios. Verhältnisse vor Ort kennenzulernen. Toribio wurde auf seinen Pasto- In seiner Bischofszeit war Toribio ralreisen auch klar, dass man nicht Mit 72 Jahren brach Erzbischof insgesamt 18 Jahre auf Missionsrei- Nächstenliebe predigen kann, wo Toribio 1605 zu seiner letzten Pasto- sen unterwegs. die Gerechtigkeit mit Füßen getreten ralreise auf. Von dieser kam er nicht wird. Er stellte fest, dass die Eingebo- mehr lebend zurück. Er starb in einer Toribio erkannte auf seinen Pas- renen dem Amtsmissbrauch und Ex- kleinen ärmlichen Kirche inmitten toralreisen rasch, dass man nur dann zessen verschiedener Art ausgeliefert der Indios, denen seine große Liebe von den Indios verstanden wird, waren. Er sah nicht darüber hinweg. gegolten hatte. wenn man ihre Sprachen Quechua 1585 exkommunizierte er z.B. den Toribio Alfonso de Mogrovejo ist und Aimara spricht, so wie man sich höchsten Beamten von Cajatambo. der Schutzpatron der lateinamerika- im digitalen Zeitalter in der Sprache Toribio sah sich einem System von nischen Bischöfe. q

DER FELS 4/2018 111 Jürgen Liminski

Der Schatten der DDR-light

Das Familienbild der Groko / Sprengsatz Kinderrechte / Eine Analyse der familienpolitischen Aspekte des Koalitionsvertrags

demokratische Europa Ehe und Familie. In dieser Situation des Kindergeldes, das auch von den Das kennt heute vor allem befindet sich Deutschland in der Ära Bedürftigen begrüßt wird, etwa dem dieses Koordinatensystem: Konsens Merkel. Und unter diesem Gesichts- Verband der Kinderreichen. Neu ist mit der Mehrheit. Das ist ein Irrweg. punkt ist der Koalitionsvertrag der auch der Rechtsanspruch auf Ganz- Denn es kommt auf den Konsens mit Union mit der SPD zu sehen. tagsbetreuung im Grundschulalter, der Schöpfung an. Der Mehrheitskon- die Reform des Adoptionsrechts und sens kann, wie die Geschichte leid- Als erstes fällt auf: Die Analysen die Kinderrechte, die im Grundgesetz voll gelehrt hat, zur Diktatur führen. und Übersichten des Koalitionsvertra- verankert werden sollen. Guter Wille Und er kann schon vorher elementare ges in den Leitmedien lassen das The- ist erkennbar, ebenso wie in den Me- Rechte der Schöpfungswirklichkeit ma Familie aus. Allerdings wiederholt dien das laue Interesse am Schicksal zerstören, zum Beispiel das Recht auf dieser Vertrag auch viele Vorhaben der Familien. Aber generell lässt sich Leben. Und er kann den Schutz für die der vorigen Regierungen, zum Bei- sagen: Wichtiger als den Familien ei- Institutionen­ aushöhlen, die den Fort- spiel den Ausbau des Kita-Systems genen Freiraum für die Entfaltung zu bestand der Gesellschaft, um nicht zu oder den Kampf gegen die Kinder- ermöglichen ist den Koalitionären of- sagen der Menschheit, sichern, also armut. Neu sind u.a. die Erhöhung fensichtlich die Funktion des Staates als Wächter auch über die Familien. Auch so kann man den Schutz für In- stitutionen aushöhlen.

Das entspricht der bisherigen Linie der Großen Koalition und ihrer Vor- gängerregierungen seit den neunziger Jahren. Wollte man den Familien wirk- lich Gerechtigkeit zukommen lassen, müsste man, erstens, die Urteile des Bundesverfassungsgerichts umsetzen, zum Beispiel das Betreuungsurteil, das vorsieht, dass im Sinne der Wahlfrei- heit jede Maßnahme des Staates (etwa Ausbau des Kita-Systems) begleitet wird von alternativen Maßnahmen, die den „generativen Beitrag“ der Eltern, also die Erziehung zuhause, fördern. Das Wort Wahlfreiheit kommt im Ka- pitel III über „Familien und Kinder im Mittelpunkt“ noch nicht einmal vor. Zweitens müsste man, um die Kin- derarmut wirklich zu bekämpfen, die Kinderzahl bei den Umlagesystemen wie Rente, Krankenkasse, Pflege- und

Die Unterschriften unter dem Koa- litionsvertrag, veröffentlicht in der WELT mit dem Titel: Endlich!. Dabei ist ein halbes Jahr für eine schwie- rige Regierungsbildung im euro- päischen Maßstab im Bereich des Durchschnitts.

112 DER FELS 4/2018 Die Generalsekretäre der drei Regierungsparteien und ihre Vorsitzenden (v.l.n.r.): Lars Klingbeil, Annegret Kramp-Karrenbauer, Andreas Scheuer und Olaf Scholz, Angela Merkel und Horst Seehofer

Arbeitslosenversicherung berücksich- hat mit der Verwirrung der Begriffe schon für die Groko I (2005-2009) tigen. Und außerdem wäre es gebo- zu tun. Schon der griechische Ge- und II (2013-2017) unter Merkel, es ten, drittens, das primäre Recht der schichtsschreiber Thukydides wusste: gilt auch für die Groko III. Für die Eltern bei der Erziehung (Artikel 6 Der Krieg verwirrt die Begriffe. Und Familie in Deutschland aber gilt: Sie GG) nicht durch eigene Kinderrechte um die Familie in Deutschland wogt ist wie seit Jahrzehnten vor allem auf in der Verfassung völlig auszuhebeln. nun seit Jahrzehnten eine Art Kultur- sich selbst und ihre natürlichen Kräfte Gerade um dieses Vorhaben dürfte es krieg, angefangen bei der Definition gestellt. – hoffentlich – noch Streit geben. von Familie. Selbst das Statistische Bundesamt kennt inzwischen mehr Dennoch enthält das Programm der Wie sehr auch diese Groko durch als ein Dutzend Definitionen für Fa- Groko auch für die Familien Hoff- Interessen von Randgruppen und milie. Für Katholiken sollte klar sein: nungszeichen. Das betrifft die Erhö- nicht der großen Mehrheit beherrscht Es gilt der Begriff, den der Katechis- hung des Kindergeldes, die nicht mehr wird, zeigt sich am Thema Schwan- mus formuliert (siehe Kasten). Das ist einstellig (zwei bis vier Euro) ausfällt gerschaft. Statt diese erste prägende nun nicht der Begriff, der dem Koa- und dabei auch „harte Abbruchkanten“ Phase des Kindes zu fördern, wozu litionsvertrag zugrunde lag, weshalb vermeidet. Es betrifft auch die Müt- die Wissenschaft in den letzten Jahren es übrigens auch über den Familien- terrente, die ein Stück Gerechtigkeit viele nützliche und weiterführende nachzug unterschiedliche, um nicht schafft, und es betrifft vor allem das Erkenntnisse beigetragen hat, redu- zu sagen verwirrende Ansichten gab Baukindergeld. Diese Förderung hat- ziert man dieses Thema auf die Re- und noch gibt. Mutter, Vater Kind(er) te die erste Groko unter Merkel 2005 produktionsmedizin. Dabei herrscht ist aber der Begriff, der von der Mehr- abgeschafft. Nun ist diese Förderung gerade bei der Geburtshilfe ein ve- heit der Menschen in diesem Land ge- vor allem durch Druck der CDU aus ritabler Notstand, auf den namhafte lebt wird, der der Natur des Menschen Nordrhein-Westfalen wieder da, wenn Ärzte und Wissenschaftler aufmerk- entspricht und der für das Kindeswohl auch in deutlich abgespeckter Form sam machen. Ihre Appelle verhallen am besten ist. (1200 Euro für zehn Jahre, sofern ungehört und man darf gespannt sein, das Einkommen unter 75.000 Euro ob der neue (kinderlose) Gesundheits- Apropos Familienpolitik: Auch hier plus Freibeträge von 15.000 Euro pro minister Jens Spahn, der gern mit ist es mit der Begrifflichkeit eigentlich Kind liegt). Für den CDU-Vize Armin dem Etikett familienfreundlich und recht einfach. Sie ruht prinzipiell auf Laschet war es ein Herzensanliegen. konservativ versehen wird, für dieses drei Säulen: Leistungsgerechtigkeit, Man müsse sich wieder um die Leis- wichtige Thema ein Ohr hat oder ob Kindeswohl und Wahlfreiheit. Ihr zu- tungsträger in der Mitte der Gesell- er nicht doch an der Randgruppenpo- grunde lag früher die Familie als Ins- schaft kümmern, also um die traditi- litik festhält. An diesem Thema ist je- titution. Heute aber hat die Politik ein onelle Familie, war sein Argument. denfalls zu sehen, wie sehr die Politik anderes Familienbild, es wird deutlich Merkel und die anderen in der Koa- insgesamt das konkrete Leben aus den im Koalitionsvertrag. Heute zerlegt litionsrunde dürften ihn mit großen Augen verloren hat und Familie nur die Politik die Familie, sie betreibt Augen angeschaut haben. Und wenn in der Funktion des Arbeitsprozesses keine Familienpolitik mehr, sondern die wirtschaftliche Lage nicht so gut denkt und wahrnimmt. Familienmitgliederpolitik, weil für sie wäre, wären das Baukindergeld und die Arbeit außer Haus, die „Erwerbs- auch andere Maßnahmen vermutlich Was im Mittelpunkt des Lebens der arbeit der gesellschaftliche Attraktor unter dem finanziellen Vorbehalt ge- meisten Menschen in diesem Land ist, der alles andere strukturiert“ (Nor- landet. Das kann übrigens bei der Rea- steht, die Familie – die Herkunfts- bert Bolz). Sie ist das Hauptmotiv al- lisierung des Programms immer noch familie, die eigene Familie oder die len politischen Handelns. Die Parteien passieren. Denn Familie als Institution künftige Familie –, steht nicht im der Groko betreiben nicht Familien-, gehört, wie gesagt, nicht zu den Priori- Zentrum der Großkoalitionäre. Das sondern Arbeitsmarktpolitik. Das galt täten dieser Groko-Mannschaft.

DER FELS 4/2018 113 Das wird besonders deutlich beim für alle Kinder oder die Eltern indivi- Ehe für alle beschäftigt sind. Um die Thema Kinderrechte. Der Streit ist duell für das ihnen anvertraute Kind. Kinder der traditionellen Familie aber alt. Und er wird seit Jahrzehnten Das Grundgesetz weist dem Staat ein geht es vor allem. Denn nach Anga- geführt. Die Konfliktlinie geht quer Wächteramt zu, macht ihn nicht zu ben des Mikrozensus machen die durch die Parteien und die Verbände. erstverantwortlichen Eltern. Das Ge- traditionellen Familien und Ehen im- Die Deutsche Liga für das Kind zum bot der Stunde ist, in dem so gepräg- merhin deutlich mehr als zwei Drittel Beispiel ist für die Einführung von ten Dreiecksverhältnis von Eltern, aller Paare und Familien in Deutsch- eigenen Kinderrechten in die Verfas- Kind und Staat den Kindeswohlauf- land aus. Deshalb ist das Thema der sung und hat dafür schon 2007 einen trag des Grundgesetzes tatkräftig zu Kinderrechte in seinen Wirkungen Vorschlag gemacht. Allen, die sich erfüllen – eine Verfassungsänderung kaum zu unterschätzen. Das gilt für dafür oder dagegen aussprechen, geht ist hierfür nicht erforderlich.“ die juristisch-abstrakte Ebene, aber es um das Kindeswohl. Manche be- Es gibt keine Schutzlücke, aber auch für die praktisch-empirische. rufen sich dabei auf die UN-Kinder- es gibt Gefahren. Die Familie würde Auf juristischer Ebene weist beson- rechtekonvention, andere indirekt auf als Institution weiter auseinanderdi- ders deutlich der Verfassungsrechtler die Europäische Menschenrechtskon- vidiert. Der Staat bekäme mehr Be- Arnd Uhle, Richter am Verfassungs- vention. Verfassungsrechtler weisen fugnisse und rechtliche Hebel, sich in gerichtshof des Freistaats Sachsen darauf hin, dass dies unnötig sei, es die Familie einzumischen. Er könnte und Professor für Öffentliches Recht gebe keine Schutzlücke. Schon im leichter einen Kitazwang einführen und Verfassungstheorie der Universi- Juni 2013 formulierte es der Staats- für Kinder ab einem Jahr (nach dem tät Leipzig, im Gespräch mit dem Au- rechtler Professor Gregor Kirchhof Ende des Elterngeldes) oder schon tor darauf hin, dass das Grundgesetz (Universität Augsburg, Sohn des bei leichtem Verdacht oder einer De- „Kinder bereits heute in vorbildlicher ehemaligen Richters am Bundesver- nunziation den Eltern das Kind weg- Weise schützt“. Das gelte auch für Fäl- fassungsgericht, Paul Kirchhof) in nehmen. Seltsamerweise ist von sei- le von Kindesmissbrauch und Gewalt einer Stellungnahme für den Rechts- ten der Familienverbände der große in Familien. Das Bundesverfassungs- ausschuss des Bundestages im Rah- Protest bisher ausgeblieben. Das mag gericht habe wiederholt und noch men einer Anhörung zum Thema auch daran liegen, dass die Anwälte 2008 Kinder als „Rechtssubjekt und Kinderrechte im Grundgesetz so: der traditionellen Ehe und Familie Grundrechtsträger“ definiert. „Daher „Entscheidend ist, wer das Wohl des derzeit mit den Auswüchsen der Gen- genießen Kinder bereits nach gelten- Kindes definiert – der Staat generell dertheorien und dem Streit um die dem Verfassungsrecht den Schutz,

Sonderthema Lebensschutz – Die Groko und das Werbeverbot für Abtreibungen

Start der neuen Großen Koaliti- Es kam etwas anders. Zunächst gab es nährung und Annäherung an den Diktator in Der on, Merkels Groko III, ist keines- ein paar empörte Wortmeldungen aus der der Türkei, über imaginäre Masterpläne für wegs so glänzend wie er gern von den Pro- Partei, ein Stirnrunzeln der Bischofskonfe- die gescheiterte Asylpolitik oder auch über tagonisten dargestellt wird. Rasch wollte renz. Dann einen glasharten Brief der neuen die Problemwölfe aus dem Osten diskutiert. man eine sperrige Kulisse von der Bühne CDU-Generalsekretärin, Annegret Kramp- Das große Thema des Lebens und der demo- schieben, aber ihr Schatten ragt noch hi- Karrenbauer, in dem mit klaren aber folgen- graphischen Entwicklung in Deutschland nein: Es geht um das Thema Werbeverbot losen Worten auf die Rechtslage und das und Europa, der Schutz der schwächsten für Abtreibungen. Die SPD will es ersatzlos christliche Menschenbild hingewiesen wur- Minderheit, die ungeborenen Kinder, mithin streichen, die Union hält daran fest. Nun de. Da sind doch noch ein paar Stückchen ein gutes Stück Zukunft dieses Landes, wird kam es Anfang März zu einem im wahrsten Glut unter der programmatischen Asche schon seit Jahren übergangen. Nun wollte Sinn des Wortes hinterhältigen Deal. Die der C-Parteien. Und dann die Überraschung: der linksliberale Mainstream auch den letz- Fraktionsspitze der Union gestand den Gro- Die SPD selbst zog ihren Entwurf vorläufig ten Rest an Schutz, das Werbeverbot für ko-Kollegen von der SPD zu, noch vor der zurück. Die Opposition legte einen Entwurf Abtreibung, schleifen. Unterschrift unter den Koalitionsvertrag vor, vielleicht sogar nach Absprache mit der Der Vorfall zeigt, welchen Stellenwert einen Gesetzentwurf einzubringen, der das SPD. Wie in solchen Fällen üblich, entfällt die Groko III dem Lebensschutz beimisst. Werbeverbot für Abtreibung abschaffen bei ethischen Themen der Fraktionszwang, Von einigen Politikern in der Union abge- soll. Mit diesem klammheimlichen Deal – so war es schon bei der „Ehe für alle“. Das sehen, für die das christliche Menschen- nach der Unterschrift wäre es ein Bruch Ergebnis: Das Werbeverbot für Abtreibung bild wegweisend und grundlegend für das des Vertrags gewesen – wäre das Thema wird ausgehöhlt. Programm und politische Wirken ist, liegt Werbeverbot abgehakt gewesen, so wie Die Diskussion über das Werbeverbot der Wert bei null, das Thema ist eins unter man das Thema „Ehe für alle“ vom Sofa für Abtreibungen, die in den Leitmedien ferner liefen. Aus den Kirchen ist kaum nen- aus beseitigt hatte. Damit hätte die Uni- von links bis rechts allenfalls unter dem nenswerter Widerstand zu erwarten. Die onsspitze beim Lebensschutz den kleinen Gesichtspunkt der taktischen Parteipolitik EKD geht in Richtung Abtreibung als Recht Rest an Glaubwürdigkeit ohne Not aufge- geführt wird – Stichwort: Präzedenzfall für der Frauen, die DBK will den protestanti- geben. Es ging nicht mehr um die Sache, wechselnde Mehrheiten – ist symptomatisch schen Kollegen da nicht in die Parade fah- um den Lebensschutz, man wollte einfach für den Zustand des allgemeinen Diskurses. ren und hält still. Die Zeiten, da ein Bischof keinen Ärger zu Beginn des parlamentari- Aufgeregt bis hysterisch wird über Die- wie seinerzeit Johannes Dyba die Glocken schen Betriebs. seltote und künftige Zölle, über richtige Er- für die ungeborenen Kinder läuten ließ, sind

114 DER FELS 4/2018 den die Grundrechte des Grundge- für Kleinstkinder und Kindergarten- setzes verbürgen – vom Grundrecht kinder führen. Oder zu mehr staatli- Im Koalitionsvertrag heißt es im Ka- auf Leben bis zum Schutz der Reli- chen Eingriffen in die Familien und pitel III (Familie und Kinder im Mit- gionsfreiheit. Einer ausdrücklichen Inobhutnahmen. Und selbst das Bun- telpunkt) auf Seite 21 unter Punkt 2: Aufnahme neuer Kinderrechte bedarf desverfassungsgericht würde daran „Kinder stärken – Kinderrechte ins es dafür nicht“. Uhle warnt sogar vor wohl kaum etwas ändern. Denn, so Grundgesetz: „Wir werden Kinder- einer Aufnahme eigener Kinderrech- Uhle, „ein entsprechend geänderter rechte im Grundgesetz ausdrücklich te. Die bisher bekannten Vorschläge Verfassungstext würde in der Recht- verankern. Kinder sind Grundrechts- zeichneten sich in der „Tendenz aus, sprechung des Bundesverfassungsge- träger, ihre Rechte haben für uns Ver- das Verhältnis zwischen Elternverant- richts den nachvollziehbaren Reflex fassungsrang. Wir werden ein Kinder- wortung und staatlichem Wächteramt hervorrufen, dass sich die Rechtslage grundrecht schaffen. Über die genaue zu verändern – und zwar zulasten verändert hat: Wer Verfassungsände- Ausgestaltung sollen Bund und Länder in einer neuen gemeinsamen Arbeits- des Elternrechts und zugunsten der rungen sät, wird eine geänderte Ver- gruppe beraten und bis spätestens staatlichen Einflußnahme. Denn neu fassungsrechtsprechung ernten“. Ende 2019 einen Vorschlag vorlegen“. positivierte Kinderrechte haben das Solche Warnrufe dürften trotz der Potenzial, unter Berufung auf den klaren Rechtslage die Politiker kaum Schutz der Kinder zukünftig bereits davon abhalten, ihr Vorhaben weiter kumentation auf Arte (https://www. im Vorfeld einer Beeinträchtigung zu betreiben und die Warnungen als arte.tv/de/videos/070086-000-A/ des Kindeswohls – und damit sehr abstrakt-juristische Panikmache zu norwegen-so-schuetzen-sie-kinder). viel früher und häufiger als bislang – verurteilen. Aber für solche Warnun- Selbst die ansonsten so zurückhal- staatliche Interventionen zu rechtfer- gen sprechen empirische Erfahrun- tende, liberale Neue Zürcher Zeitung tigen. Eine solche Entwicklung wür- gen. Paradebeispiel ist dafür Norwe- schrieb, in Norwegen „stiehlt der nor- de für das Verhältnis von Elternrecht gen, wo es sogar jüngst wegen zweier wegische Staat Kinder“. Der Hinter- und staatlichem Wächteramt einen in Fälle zu diplomatischen Irritationen grund: 1992 wurden in Norwegen die seiner Bedeutung kaum überschätz- zwischen Norwegen und Tschechi- Kinderschutzbehörden (Barnevernet) baren Paradigmenwechsel bedeuten“. en kam. In deutschen Medien wurde professionalisiert, nachdem die Kin- Das könnte etwa konkret mit dem bisher kaum über diese Fälle und ihre derrechte in der Verfassung verankert Hinweis auf frühe Bildung begrün- Problematik berichtet, eine Ausnah- worden waren. Vorher kümmerten det zu einer staatlichen Kita-Pflicht me bildete eine erschreckende Do- sich auch Freunde und Nachbarn aus den Gemeinden um schwierige Fami- lien, jetzt fast nur noch Psychologen und Sozialarbeiterinnen – mit recht- lich mehr Befugnissen. Seither ist die Zahl der Interventionen der Behörden in Familien drastisch gestiegen, eben- so die der Sorgerechtsentzüge. Ka- vorbei. Das muss auch nicht sein und würde der Ideologen durch die Institutionen ist men im Jahr 2003 noch 6747 Kinder heute eher zu schädlichen Vergleichen mit auch in Karlsruhe angekommen. zu Pflegeeltern oder ins Heim, waren den Muezzin-Rufen führen. Aber man kann Es gäbe für die Union durchaus eine es 2011 schon 8485 – eine Zunahme seine Solidarität mit den Schwächsten der Möglichkeit zu beweisen, dass sie es von über 25 Prozent. Der norwegische Gesellschaft, den ungeborenen Kindern, ernst meint mit dem Lebensschutz. In den Anwalt und Menschenrechts-Aktivist auch anders zeigen, zum Beispiel durch Teil- Urteilen des Bundesverfassungsgerichts Marius Reikerås berichtet, dass mitt- nahme am Marsch für das Leben. So wie der zur Abtreibung wird die Verpflichtung des lerweile etwa 70.000 Kinder unter Bischof von Regensburg, Rudolf Voderhol- Staates angemahnt, einen Prozess zur Be- der Obhut des Barnevernet-Systems zer, der auf der zentralen Kundgebung vor wusstseinsbildung in diesem Bereich zu seien, das wären 7 Prozent aller Kin- dem Reichstag in Berlin auch eine vielbeach- fördern. Das Bewusstsein für das Unrecht der unter 18 Jahren in Norwegen. tete Rede hielt. der Abtreibung und überhaupt für die Pro- Das Verhalten der Groko in diesem Be- blematik solle geschärft werden. Dazu Die Vertreter der Kinderschutz- reich lässt die Vermutung zu, dass auch gibt es noch kein Gesetz, weder im Bund behörde sind wie in allen Ländern bei den anderen Themen wie Leihmut- noch in den Ländern. Dieses Bewusstsein überzeugt, nur zum Besten des Kin- terschaft, aktiver Sterbehilfe, etc. es zu in Schulen und Beratungsstellen, in Klini- des zu handeln. Es herrscht die Mehrheiten mit Linken, Grünen, SPD und ken und Praxen zu schärfen, indem man Überzeugung, das Kind gehöre dem Teilen der Union kommt. Auch auf die die Würde des Menschen, sein Lebens- Staat. Viele Kinder hätten in ihrer CSU ist kaum noch Verlass. Sie hat beim recht und die Einzigartigkeit jeder Person Herkunftsfamilie keine faire Chance, Thema „Ehe für alle“ vor den Bundestags- herausstellt, das wäre schon ein Gesetz sich zu entwickeln. Wer die Arbeit wahlen noch vollmundig eine Beschwerde wert. Die AfD-Fraktion in Rheinland-Pfalz der Behörde kritisiere, sei ungebil- in Karlsruhe angekündigt und nach einem hat so einen Gesetzentwurf in das Landes- det und aggressiv, gibt zum Beispiel bestreitbaren (und bestellten?) Gutachten parlament eingebracht. Die Union bräche die Schweizer „Weltwoche“ die Ein- dann darauf verzichtet. Für die Glaubwür- sich keinen Zacken aus der Krone, wenn digkeit der CSU wäre es besser gewesen, sie einen Entwurf für so ein Gesetz auch stellung der norwegischen Behörden sie hätte den Gang nach Karlsruhe gewagt, im Bundestag oder in Bayern vorlegte. Es wieder, was man analog dann auch auch wenn die Richter dort heute die „Ehe wäre, so ganz nebenbei bemerkt, ein Bei- von den deutschen Behörden wird für alle“ wahrscheinlich mehrheitlich als trag zur Glaubwürdigkeit der Politik. sagen können. Andere Kulturen wer- verfassungskonform ansehen. Der Marsch Jürgen Liminski den rigoros verurteilt. Selbst leichte Körperstrafen, die in vielen Kulturen

DER FELS 4/2018 115 der in den angeblich „professionellen Händen“ von Vater Staat besser aufge- hoben seien als bei ihren Eltern. Die- ser oft von Eigeninteressen und Ideo- logie geleiteten Hybris würde durch „Kinderrechte in der Verfassung“ noch ein zusätzlicher, mächtiger He- bel verschafft. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, da in der Wissenschaft das Kindeswohl auch unter dem Ge- sichtspunkt der Emotionen und der Bindungsqualität gesehen wird. Denn die Bindungsforschung und Entwick- lungspsychologie haben gerade in den Die aus dem Osten kommt: Franziska Die (katholische) Generalsekretärin letzten zehn, zwanzig Jahren enorme Giffey, SPD, die neue Familienminis- der CDU, Annegret Kramp-Karren- Fortschritte gemacht und den Begriff terin. bauer, 2013 bei Papst Benedikt XVI. Liebe mit neuem Leben erfüllt. Das wusste die Kirche freilich schon lange. Thomas von Aquin zum Beispiel verglich die Gottesliebe mit an der Tagesordnung sind, werden mit von Sozialarbeitern, Therapeuten und der Mutterliebe, weil „Mütter mehr sexuellem Missbrauch in Verbindung Psychologinnen vom ganzen System. daran denken zu lieben, als geliebt zu gebracht. Dasselbe gilt für intensive, Immer mehr Fälle landen vor Ge- werden“. Aber solche Qualitätsfragen herzliche Zuneigung. Mal morgens richt. Jørgen Stueland – Anwalt im beim Kindeswohl, die schon bei der oder abends bei den Eltern unter die norwegischen Raufoss, der Familien Krippenoffensive vor elf Jahren nicht Decke schlüpfen ist anrüchig. Das vertritt, denen die Kinder weggenom- gestellt wurden, spielen auch jetzt Kind schlafe nur im eigenen Bett. Süs- men wurden – zweifelt die Kompe- keine Rolle. Allein das zeigt, wie sigkeiten gebe es nur am Wochenende tenz der Behörden an. Er mache in leichtfertig und ignorant nicht nur das und nicht täglich. Und auch wer sein den zahlreichen Prozessen immer Thema Kinderrechte, sondern auch Kind nach traditionellen Rollenmus- wieder folgende Beobachtung: Die Familie insgesamt in der Politik dis- tern erziehe, mache sich verdächtig. Behörde stützt sich auf die Aussage kutiert wird. Es stünde der Kirche gut Rollenmuster will man in Nor- von meist jungen Frauen und Er- an, die Verbindung zwischen Natur wegen überwinden, «Gender-Main- zieherinnen, die in der Oberstufe und Wissenschaft, zwischen den na- streaming» heiße das Zauberwort. nur mittelmässige Noten hatten und türlichen Institutionen der Mensch- Auch das erinnert an deutsche Debat- die dann auf einer Fachhochschu- heit und neuen wissenschaftlichen ten und Behörden. Ein Kind gelte als le Kinderschutz-Sozialarbeit oder Erkenntnissen, zwischen Natur und «es» bis es weiß, ob «es» ein Er oder Kinderschutz-Pädagogik studierten, dem christlichem Menschenbild, dem eine Sie sein will. Vielleicht deshalb weil es fürs Medizin- oder Psycholo- „C“, stärker aufzuzeigen und der Po- platzierte die Kinderschutzbehörde giestudium nicht gereicht habe. Diese litik den Weg zu weisen, statt ihr hier ein Kind von Muslimen bei einem jungen Frauen hätten als Angestellte und da nachzulaufen. homo-sexuellen Paar. Zwar ändert der Kinderschutzbehörde die Macht, Fazit: Der Koalitionsvertrag hat sich in Skandinavien und vor allem Entscheide fällen zu können, die das trotz einiger Lichtblicke eine deut- in Norwegen die Meinung in puncto Leben von vielen Familien für immer liche Schieflage zulasten der Eltern- Gender, seit der Komiker Harald Eia veränderten. Solche Aussagen müs- rechte und damit zulasten des Kin- mit seinem Film „Das Gender Parado- sen dann im Einzelfall mit Fakten deswohls. Vor allem der Passus über xon“, die ideologischen Auswüchse belegt oder anders überprüft werden. die Kinderrechte ist höchst gefähr- entzaubert hat, aber in den Behörden Aber das dauert und inzwischen lei- lich. Er ist ein Sprengsatz. In Hän- malen die Mühlen langsam. Immer den die Kinder. den von Ideologen – davon gibt es in noch gilt: Biologische Elternschaft Solche Probleme haben Allgemein- Deutschland leider mehr als genug sei keine notwendige oder genügende charakter, sie sind keine nordische Ei- – wären diese Rechte ein Instrument, Bedingung für die Entwicklung eines genart. Die Selbstüberschätzung von das viele Familien zerstören und jun- Kindes. All das kann man sich gut in Sozialpädagogen erlebt man derzeit ge Menschen abschrecken würde, Deutschland vorstellen. Ob ein Kind auch in Deutschland, etwa am Bei- überhaupt eine Familie zu gründen. bei Pflegeeltern oder den leiblichen spiel der unbegleiteten minderjähri- Der Freiheitsraum Familie würde Eltern aufwachse, spiele keine große gen Flüchtlinge. Sozialpädagogen eingeengt, Meinungsdiktaturen und Rolle, heißt es für Norwegen wei- verhindern vielfach, dass das wahre in der Folge politischen Diktaturen ter. Für die Pflegefamilien allerdings Alter ihrer „Schützlinge“ mit medi- würde der Weg geebnet. Da viele schon. Die nämlich erhalten 430 000 zinisch sauberen, das heißt die per- Bürger diese Gefahr (noch) nicht Kronen (knapp 50 000 Euro) im Jahr sonale Würde achtenden Methoden erkennen und der massenhafte Pro- pro Pflegekind, dazu kommen Spe- festgestellt werde. Und die famili- test ausbleibt, kann man sagen: Die sen und Extras wie Ferien am Mittel- enindifferente bis familienfeindliche neue Groko höhlt den freiheitlichen meer. Und außerdem, so eine weitere Einstellung vieler Medien begünstigt Rechtsstaat weiter aus. Der Schatten Kritik, profitiere ein riesiger Apparat ein Meinungsklima, für das die Kin- der DDR-light wird länger. q

116 DER FELS 4/2018 Konrad Löw:

„Ein Glas auf Karl Marx!“ – Wirklich?

2. Februar dieses Jahres Tat: Diese Worte sind geeignet, die „modernen Mythologie“ degradiert. Am präsentierte der Bayeri- Marxkritiker nachdenklich zu ma- Es ist aufschlussreich, dass Marx sche Rundfunk die beliebte Sendung chen. Da lohnt sich genaueres Hin- die Worte „alle Verhältnisse umzuwer- „Fastnacht in Franken“. Durch die sehen: fen“ unterstrichen hat, während die Sendung führte zeitweilig ein unver- Der landauf, landab zitierte Satz Klage über die Erniedrigung des Men- kennbar als Karl Marx verkleideter steht nicht alleine. Er ist entnommen schen ohne diese Betonung geblieben und geschminkter Büttenredner, ein dem Essay „Zur Kritik der Hegel- ist, ein Indiz dafür, dass es dem „Ver- gewinnender Künstler, dem niemand schen Rechtsphilosophie“ und Teil nichter“, so einer seiner Spitznamen, böse sein kann, dem man bedenken- eines längeren Satzes. Sein Anfang vor allem darum ging, ohne Ausnah- los seine Kinder anvertraut. Ein sanf- lautet: „Die Kritik der Religion endet me „alle Verhältnisse umzuwerfen“, ter, liebenswürdiger Revolutionär, mit der Lehre, dass der Mensch das Revolution zu machen, und dass die umrankt von einem Monument. Es höchste Wesen für den Menschen sei, Berufung auf die Notlage weiter Krei- verkörperte Das Kapital, rund zwei also mit dem kategorischen Impera- se der Bevölkerung nur der Beschö- Meter hoch. tiv, alle Verhältnisse umzuwerfen nigung dienen sollte. Dafür sprechen …“ Daraus folgt, dass mit den Wor- auch zahlreiche andere Passagen des Vor genau zwanzig Jahren erschien ten „der Mensch das höchste Wesen Marxschen Artikels, beispielsweise: eine Anzeige, betitelt: „Ein Glas auf für den Menschen“ der Tod Gottes „Krieg den deutschen Zuständen! Al- Karl Marx!“. Sie enthält auch eine und nicht das Gebot der Brüderlich- lerdings! Sie stehn unter dem Niveau scheinbar sachliche Begründung für keit verkündet werden sollte. Gegen der Geschichte, sie sind unter aller den Ehrenerweis, einige Sätze aus „Brüderlichkeit“, „fraternité“, haben Kritik, aber sie bleiben ein Gegen- der immensen literarischen Hinter- sich die Freunde mehrmals ausdrück- stand der Kritik, wie der Verbrecher, lassenschaft Marxens. Da wird zitiert lich ausgesprochen, so wenn Marx der unter dem Niveau der Humanität und gewertet: „‘Alle Verhältnisse um- in einem Brief an Friedrich Adolph steht, ein Gegenstand des Scharfrich- zuwerfen, in denen der Mensch ein Sorge die fraternité zur „Phrase“ der ters bleibt … Ihr Gegenstand ist ihr erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist‘ – dieser Anspruch hätte gereicht, um seinen Geburtstag zu feiern.“ Und dann ein weiteres Argument für die Verehrung: „Sympathisch ist uns sein Lebensmotto: ‚De omnibus du- bitandum‘, an allem ist zu zweifeln.“

Es folgen die Sätze: „Mehr als 180 Marxistinnen und Marxisten gratu- lieren Karl Marx zu seinem 180. Ge- burtstag“ (5. Mai 1998). Die Litanei der Gratulanten beginnt mit Hans- Henning Adler und endet mit Ger- hard Zwerenz, dem linken Politiker und Schriftsteller.

Die Parole: „Alle Verhältnisse um- zuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes … Wesen ist“ wird von allen zitiert, die die lauteren Motive des in Trier geborenen Revolutionärs glaubhaft machen wollen. Und in der DER FELS 4/2018 117 Karl Marx: Ein Schreibtischtäter, Friedrich Engels: Ein großbürger- Ferdinand Lasalle: Er setzte sich für auf den sich alle kommunistischen licher Fabrikant, der eng mit Karl die Rechte der Arbeiter ein und war Massenmörder des 20. Jahrhun- Marx zusammenarbeitete und ihn auch bereit mit Vertretern der Staats- derts berufen haben finanziell über Wasser hielt. macht zu reden. Deshalb wurde er von Marx beschimpft.

Feind, den sie nicht widerlegen, son- Wer diese Zitate nüchtern zur gerlich gesinnter, zum Christentum dern vernichten will.“ Kenntnis nimmt, weiß so gut wie si- übergetretener Bankier, fungierte als cher, dass der Relativsatz des „kate- Nachlassverwalter von Karls Vater. Den Aufsatz „Zur Kritik der He- gorischen Imperativs“, die Absicht, Um ihn, den Onkel, zu Zahlungen gelschen Rechtsphilosophie …“ ver- „alle Verhältnisse umzuwerfen …“, zu bewegen, musste Karl den Revo- fasste Marx 1843 unmittelbar im An- nicht relativiert. Alles ohne Ausnah- lutionär in sich verleugnen und dem schluss an „Zur Judenfrage“. Obwohl me ist – nach ihrer Auffassung – faul. Onkel gegenüber als seinesgleichen selbst Jude unter Juden mit sicherlich Daher, so wörtlich, die Devise im auftreten, der an der Börse spekuliert gutem Einblick in das jüdische Le- Manifest der Kommunistischen Par- und sich zugleich zum Judentum be- ben seiner Vaterstadt, überschüttet tei: „Umsturz aller bisherigen Ge- kennt. Das ist übrigens Marx‘ ein- er sie mit haltlosen, in ihrer Heftig- sellschaftsordnung“. ziges derartiges Bekenntnis in allen keit unüberbietbaren Pauschalurtei- seinen schriftlichen Aufzeichnungen. len: „Betrachten wir den wirklichen „Man muss an allem zweifeln!“ – Zugleich nennt Marx mit Nachdruck weltlichen Juden, nicht den Sabbats- passt zu einem Skeptiker, der nichts den weithin bekannten Ferdinand juden, … sondern den Alltagsjuden. von Dogmen, nichts von „erkannten Lassalle „meinen Freund“. Dieser Suchen wir das Geheimnis des Juden historischen Gesetzmäßigkeiten“ „Freund“ wird nun von Karl instru- nicht in seiner Religion, sondern su- wissen will. Doch der Revolutionär mentalisiert, um dem Onkel mit fin- chen wir das Geheimnis der Religion Marx nahm für sich in Anspruch: gierten Texten zu imponieren. Marx im wirklichen Juden. Welches ist der „Die Kommunisten sind also prak- bittet Lassalle: „Du weißt, dass ich weltliche Grund des Judentums? Das tisch der entschiedenste, immer wei- hier mit meinem Onkel (der das Ver- praktische Bedürfnis, der Eigennutz. ter treibende Teil der Arbeiterpartei- mögen meiner Mutter verwaltet und Welches ist der weltliche Kultus der en aller Länder; sie haben theoretisch in früheren Zeiten mir öfter bedeu- Juden? Der Schacher. Welches ist vor der übrigen Masse des Proletari- tende Vorschüsse auf mein Erbteil sein wirklicher Gott? Das Geld …“ ats die Einsicht in die Bedingungen, gemacht) schwierige Geldverhält- Und so geht es weiter. den Gang und die allgemeinen Re- nisse in Ordnung bringen will. Der sultate der proletarischen Bewegung Mann ist zäh, hat aber viel Eitelkeit Marx und Engels haben sich, voraus.“ So belehrt das „Manifest auf mein Schriftstellertum. Du musst wie sie selbstbewusst bekennen, die der Kommunistischen Partei“, also daher in Deinem Brief an mich von „rücksichtslose Kritik alles Beste- Karl Marx. dem Erfolg (obwohl das Gegenteil henden“, die „unbarmherzige Kritik der Fall ist) meiner letzten Schrift für alle“ zum Vorsatz gemacht und Warum nennt er dann „Man muss gegen Vogt, von gemeinschaftli- mit den unterschiedlichsten Rede- an allem zweifeln“ sein Lebensmot- chen Zeitungsplänen usf. sprechen, wendungen mehrmals schriftlich be- to. Die Antwort gibt einen tiefen Ein- überhaupt Deinen Brief so einrich- kräftigt. Ihren Kommunismus nennen blick in das Naturell unseres „Freun- ten, dass ich dem Herrn Onkel ‚das sie den „totalen Gegensatz … gegen des“. Er schrieb das Motto seiner Vertrauen‘ schenken kann, ihm den die bestehende Weltordnung“. „Die Cousine in den Fragebogen, der da- Brief mitzuteilen.“ – „Herr Vogt“, so erste Pflicht der Presse ist nun, alle mals in der Gesellschaft als Heraus- der Buchtitel, war ein totaler Miss- Grundlagen des bestehenden politi- forderung an Geist und Witz beliebt erfolg. Gemeinsame Zeitungspläne schen Zustandes zu unterwühlen.“ war. Ihr Vater, Lion Philips, ein bür- gab es nicht.

118 DER FELS 4/2018 Damit sind wir mitten in der Frage nach seinen Charaktereigenschaften angelangt, die nicht umgangen wer- den kann, wenn es um seine Glaub- würdigkeit geht. Wer weiß, wie Marx den „Freund“ in Briefen an Engels mit Häme und Spott übergossen hat, findet kaum passende Worte für diese unüberbietbare Niedertracht. Hier – auszugsweise – nur einer von zahlrei- chen Belegen: „Es ist mir jetzt völlig klar, dass er [Lassalle], wie auch sei- ne Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, von den Negern abstammt, die sich dem Zug des aus Ägypten angeschlossen (wenn nicht seine Mutter oder Großmutter von väterlicher Seite sich mit einem Nig- ger kreuzten). Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsub­stanz müs- sen ein sonderbares Produkt hervor- Verantwortlich für mehr als 100 Mio Tote. bringen.“ (Diese Zahl ist noch nicht edgültig lt. „FAZ“ 16.09.2014)

Nie hat er sich gegenüber Engels seiner und aus der Feder des Vaters. halte mich immer so lieb, wie Du oder einem der anderen zahlreichen In der DDR wurde Marx amtlich als sagst, doch mache mich mit Deinen Kampfgefährten so geäußert wie „Größter Sohn des deutschen Volkes“ Schmeicheleien nicht rot.“ Am Jah- gegenüber der Cousine: „Man muss gefeiert. Doch von den zahlreichen resende: „Ich will und muss Dir sa- an allem zweifeln.“ Nur in diesem Jugendgedichten hat man nicht eines gen, dass Du Deinen Eltern vielen Fragebogen begegnen wir auch der als Lesestoff für die Schüler ausge- Verdruss gemacht und wenig oder einschmeichelnden Maxime: „Nichts wählt, auch nicht: keine Freude.“ Die letzten Zeilen des Menschliches ist mir fremd.“ Des Verzweifelten Gebet todkranken Mannes an seinen ältes- „Einen Thron will ich mir aufer- ten Sohn: „Ich bin erschöpft, lieber Die Marxzitate in ihrer Gesamtheit bauen, kalt und riesig soll sein Gipfel Karl, und muss schließen.“ zeigen uns, dass Engels mit seiner sein …“ Feststellung am offenen Grabe von Das Porträt, das uns die Briefe Marx ins Schwarze traf, als er sagte, Kostproben väterlicherseits aus skizzieren, zeigt mit den Worten des „Marx war vor allem Revolutionär“, demselben Jahr, aus 1837: „Ich las- Vaters einen „zerrissenen“, von „Dä- der namhafteste Kommunist. Wie ist se Dir viel Gerechtigkeit widerfah- monen“ beherrschten Menschen, der er zum Revolutionär, zum Kommu- ren, aber ich kann mich nicht ganz in seine eigenen finsteren Gedanken nisten geworden? War es das gesell- des Gedankens entschlagen, dass Du eingesponnen lebt, der Welt, auch schaftliche Sein, das sein Bewusst- nicht frei von Egoismus bist, etwas der eigenen Familie „entfremdet“. sein bestimmt hat? Oder war es nicht mehr als zur Selbsterhaltung nötig … umgekehrt? Die erste aller menschlichen Tugen- Statt das Glas zu erheben, hat den ist die Kraft und der Wille, sich sich vor 59 Jahren die SPD mit dem Er war der geborene Revolutionär. zu opfern, sein Ich hintanzusetzen, Godesberger Programm diskret von Dafür spricht alles, was vom jungen wenn Pflicht, wenn Liebe es gebeut ihrem „großen Führer“ verabschie- Marx auf uns gekommen ist – aus … Lebe wohl, mein lieber Karl, und det. q DER FELS 4/2018 119 Eduard Werner:

Ein verfälschtes Geschichtsbild in den Medien

Brief an den Bayerischen Rundfunk/ Zu Bayern 2 – Tagesgespräch am 30.1.2018

dieser Sendung des BR hat der erste Ministerpräsident Dr. Fritz selbst noch 1953 ein Loch in der Au- In ein früher Übersiedler aus Schäffer und der CSU-Vorsitzende ßenwand meines Untermieterzim- der ehemaligen DDR die Gründung Dr. Josef Müller sollen wohl keine mers mit Zeitungspapier verstopft. der Bundesrepublik Deutschland als KZ-Häftlinge gewesen sein. Und Trotz dieser heute unvorstellbaren Werk von Faschisten bezeichnet. noch schlimmer: Sie sollen in der Not wurde der Nationalsozialismus „Das waren Faschisten!“ Da hätte öffentlichen Diskussion keine Rolle so gut es ging aufgearbeitet. In den ich von Ihrem Moderator und von der gespielt haben? Denn eine öffentli- anderen Bundesländern und im Bund Direktorin der KZ-Gedenkstätte Da- che Diskussion über den NS soll es ja war die Situation ähnlich. Auch die chau – Frau Dr. Gabriele Hammer- damals nicht gegeben haben. Dabei Repräsentanten der Bundespolitik mann - erwartet, dass sie diesen Ori- waren die Zeitungen jeden Tag voll Konrad Adenauer (CDU), Dr. Kurt ginalton des längst untergegangenen von ihren Äußerungen. Auch Dr. Schuhmacher (SPD) und Dr. Tho- KGB zurückweisen. Das haben sie Wilhelm Hoegner (SPD), der zwei- mas Dehler (FDP) sollen plötzlich aber nicht getan. Das war ein Versa- te Ministerpräsident und Vater der keine politisch Verfolgten mehr ge- gen. Frau Dr. Hammermann sprach neuen Verfassung, hat als Verfolgter wesen sein. Die Repräsentanten des auch von einem „langen Beschwei- nichts „beschwiegen“. Wählen und Staates waren doch nachweislich gen der NS-Geschichte in den 50 er gewählt werden durfte bei den ersten politisch Verfolgte. Sie haben sofort und 60er Jahren“. Landtagswahlen 1946 nur, wer nicht nach Kriegsende „Angesichts des Sie selbst schreiben „zumindest „NS-belastet“ war. Auch die zahl- Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- was die 1950er Jahre angeht, teilen reichen Wiedergutmachungsprozesse und Gesellschaftsordnung ohne Gott zahlreiche Historiker diese Ansicht“. füllten jeden Tag die Presse- Spalten. und ohne Gewissen … geführt hat“ Tatsächlich äußern viele Journalis- Von „Beschweigen“ kann doch gar (Präambel) eine neue Verfassung er- ten und Zeithistoriker diese falsche keine Rede sein. Der Entwurf zur arbeitet und im Volk für Zustimmung Meinung. – Diese Realitätsver- bayerischen Verfassung wurde in der geworben. Wie kommen Sie dazu, weigerung ist unglaublich! Trauen Öffentlichkeit lange und ausführlich dies alles nicht wahrhaben zu wol- sie sich aus Angst vor der political diskutiert. Ebenso vier Jahre später len? Ein Blick in ein Zeitungsarchiv correctness nicht, die Wahrheit zu- das Grundgesetz. Das waren grund- würde Ihnen zeigen, wie engagiert zugeben? Auch Sie Herr Wagner sätzliche und bewusste Gegenent- und ausführlich die neuen Verfassun- bestreiten also, dass die ersten drei würfe zum Nationalsozialismus. Zum gen der Länder und des Bundes in Landtagspräsidenten nach dem Krieg Schweigen war keine Zeit, obschon der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Studiendirektor Georg Stang (CSU), wir nebenbei sehr mühsam für Unter- Sie schreiben, dass Eugen Kogons Dr. Horlacher (CSU) und kunft und Verpflegung sorgen muss- Buch „Der SS-Staat“ eine Ausnahme Dr. Alois Hundhammer (CSU) KZ- ten. Die Mehrheit musste damals in gewesen sei. Ich meine dagegen, dass Häftlinge in Dachau waren? Auch Ruinen hungern und frieren. Ich habe die Veröffentlichungen zum Natio-

„Die Lagerstraße im KZ Dachau“

120 DER FELS 4/2018 nalsozialismus damals so zahlreich waren, dass sie kaum überschaubar sind. Ich habe das auch in meinem Buch „Helden und Heilige in Dik- taturen“ dargelegt. Die Bücher der ehemaligen KZ-Häftlinge wie von Weihbischof Dr. Johannes Neuhäus- ler (u.a. „Kreuz und Hakenkreuz“ ) und seiner zahlreichen Leidensge- nossen im KZ füllten damals Tages- zeitungen und Kirchenzeitungen und Sonntagspredigten. Siehe auch die Berichte und Dokumentationen von Pfarrer und KZ-Häftling Eugen Wei- ler, von Pater Johann Lenz und von Dr. Alois Hundhammer war im Der spätere CSU-Vorsitzende Lagerdekan Georg Schelling. Auch März 1933 der letzte Abgeord- Dr. Josef Müller war in den die Errichtung des Sühneklosters am nete, der von der SA aus dem ersten Kriegsjahren der ge- Rande des KZ in Dachau war eine Bayerischen Landtag vertrie- heime Verbindungsmann der öffentliche Angelegenheit. Und erst ben wurde. Er wurde dann bald deutschen Militäroppositi- die Neuerscheinungen in der Lite- im KZ Dachau eingesperrt. Als on zur britischen Regierung. ratur! Noch in den fünfziger Jahren er 1946 Kultusminister gewor- Nach seiner Enttarnung wurde erreichte „Das Tagebuch der Anne den war, begannen die Grün- er verhaftet und in den KZs Frank“ eine Auflage von 750000. Die dungsgespräche zur Errichtung Flossenbürg und Dachau ein- Schriften von Franz Kafka wurden des Instituts für Zeitgeschichte. gesperrt. 1945 wurde er noch damals als verblüffende Vorausdeu- Später war er Präsident des kurz vor der Hinrichtung be- tung des Nationalsozialismus ver- Bayerischen Landtags. freit. standen. Ernst Wiechert war damals der meistgelesene Autor. In seinem Roman „Der Totenwald“ erzählt er vom KZ Buchenwald. Anna Seghers „Das siebte Kreuz“ erzählt vom KZ Westhofen. „Die Todesfuge“ von und bürgerliche Anwärter auf Ämter Ihre Anmerkung zur Gründung des Paul Celan las man in fast allen Schu- nur zögerlich wahrnahmen. Instituts für Zeitgeschichte muss ich len. Das Drama „Biedermann und die Erst vor wenigen Tagen – am 5. ebenfalls korrigieren. Es gibt näm- Brandstifter“ von Max Frisch wurde oder 6. März 2018 sagte eine Journa- lich kein genaues Gründungsdatum. auf vielen Bühnen gespielt. Auch listin um 18;15 Uhr im BR II: „Wir Die Gründung war ein langsamer Pro- Werner Bergengruen ist hier zu nen- haben in den 80er Jahren die Aufar- zess und begann bereits 1946, als ein nen. Nein, Eugen Kogons Buch war beitung des Nationalsozialismus er- ehemaliger KZ-Insasse Kultusminis- keine Ausnahme! Das Jahr 1979 war kämpfen müssen.“ Diese Frau glaubt ter geworden war. Das war Dr. Alois wirklich nicht der Wendepunkt in der ihre Unwahrheiten, die sie in die Welt Hundhammer. Das ist es, was heute Erinnerungskultur, wie Sie schreiben. hinausposaunt, selbst. Richtig ist da- „beschwiegen“ wird. Ebenso die Tat- Das war schon das Jahr 1945! Rich- gegen, dass die Archive in Osteuro- sache, dass 2756 Priester in Dachau tig ist, dass die Alliierten gezielt nach pa bis 1989 unter kommunistischer waren. Die Schwierigkeiten bei der unbelasteten Leuten suchten. Richtig Herrschaft standen. Und damit nicht Gründung des IfZ waren konzepti- ist aber auch, dass sie vorzugsweise zugänglich waren, was die Forschung oneller, personeller und finanzieller Leute linker Provenienz auswählten natürlich sehr behinderte. Art, wie sie nach einer Katastrophe wie 1945 nicht anders zu erwarten „US-Soldaten entdecken bei der Befreiung des KZ-Dachau einen Zug waren. An eine Mitwirkung des Bun- mit verhungerten KZ-Häftlingen aus Buchenwald.“ des – wie Sie schreiben – war damals zunächst nicht zu denken, weil es noch keinen Bund gab. Dr. Theodor Heuss hat sich noch als Privatmann in die Gründungsgespräche eingebracht. Es bleibt für mich ein Rätsel, wie heute intelligente Menschen die Fak- ten von 1945 bis Ende der fünfziger Jahre so leugnen können. Unkennt- nis kann nicht die Ursache sein. Oder wollen Sie mit Ihrem Vorwurf des „Beschweigens“ Ihr eigenes Bestrei- ten der Realität zudecken? Mit freundlichen Grüßen Eduard Werner DER FELS 4/2018 121 Ursula Zöller:

Die Bestattungskultur stirbt in Urnen

hieß Gabi. An ihrem 18. sammen, plauderte, freute sich über Diebin unterwegs, vielleicht wurde Sie Geburtstag kamen ihre El- den schönen ganz besonderen Tag. er verkauft, vielleicht liegt er in ir- tern, um sie zu besuchen und mit ihr Gabi sollte ihn nie vergessen. Als sie gendeinem Schmuckkästchen oder zu feiern. Und sie hatten ein wunder- dann in den Waschraum ging, leg- einem Safe. schönes Geschenk dabei, das Gabi te sie den Ring kurz am Beckenrand ihren Freudinnen stolz präsentierte. ab, vergaß ihn für ein paar Momente Als ich vor etwa einem Jahr mit Es war ein Diamantring, der an der und als ihr siedend heiß einfiel, dass einem Bestatter sprechen musste, Hand seiner glücklichen Besitzerin sie ihn vorsichtshalber abgenommen hing an der Wand in seinem Büro glänzte. hatte, war er für immer verschwun- zwischen Urnen und Grableuchten den. Er hatte in ganz kurzer Zeit neue auch ein Plakat, das Werbung für Di- Natürlich ging die Familie auch Liebhaber gefunden. Vielleicht ist er amanten aus der Asche Verstorbener noch zum Essen. Man saß lange zu- nun seit langem an der Hand einer macht. Damit könne man – über den Tod hinaus – den lieben Verstorbenen immer bei sich haben; dieser Diamant sei ein wunderbares Andenken, wert- voll und einmalig. So in etwa wurde dafür geworben aus der Asche der Toten noch etwas Nachhaltiges und Schönes zu machen. Übrigens durch- aus nicht preiswert, auch wenn der Kunde die Zutaten via Urne selbst beisteuert.

Bis dahin war mir der Bestatter als solider, angenehmer und religiöser Zeitgenosse erschienen. Die Frage, warum er so etwas anbiete, bekam die Antwort, die heute gängig ist: Die Kunden möchten das.

Abgesehen von der etwas gruseli- gen Frage, ob Kunde in diesem Fall der Tote ist – um dessen Asche, Wür- de und Totenruhe es geht – oder sei- ne Erben, hat die Erinnerung an Gabi unfreiwillig in meinem Kopf Szenen entstehen lassen, die auch ziemlich unerfreulich sind: Was zum Beispiel wenn ein zu Lebzeiten gar nicht so geliebter Mensch nun – quasi zur Strafe – an der Hand einer Erbin durch deren Alltag mitgehen muss? Was, wenn die irdischen Reste einer frommen Frau, deren Seele längst im Himmel ist, nun an der Hand einer Bordsteinschwalbe auf das gebüh- rende Angebot eines Freiers warten müssen? Hätte sich die arme Seele, die ja auch mit ihrem zum Diaman- ten verwandelten Leib auferstehen

122 DER FELS 4/2018 will, nicht gewünscht, sie wäre am so ein ehrendes Andenken bewahrt ren konnte – „exquisit und delikat, ersten Tag ihres zu Schmuck gewor- wird. Traurige Zeugnisse großer Ein- jeder frisst mein Schokolad“. An den denen Körpers gleich und für immer samkeit oder fehlgeleiteter Liebe. Professor in der Klinik und den Re- verloren gegangen? Ganz anders die schönen alten genschirmlieferanten, den Lederwa- Friedhöfe mit ihrer Vielfalt an be- renfabrikanten, der sich erschossen Es geht in unserer Zeit allerdings eindruckenden Kreuzen, Statuen und hat – Friede auch seiner Seele – , den viel zu viel verloren. Es geht eine Grabsteinen, die von unzerstörbarer liebenswerten Diakon. jahrhundertelange Bestattungskultur Hoffnung sprechen. Im Aschaffen- verloren, die die Toten nicht mehr burger Altstadtfriedhof findet man Friedhöfe – der Name sagt es berühren wird, aber das Leben der gleich neben dem Haupteingang schon – sind Orte des inneren Frie- Lebenden völlig verändert. Zu viele das Grab des Dichters Clemens von dens, des liebevollen Gedenkens an Menschen sterben in Heimen und Brentano. Dicht dabei, auf der lin- jene, die uns vorausgegangen sind Krankenhäusern ohne den Trost einer ken Seite, sind viele Maria-Ward- und die wir bei Gott hoffentlich liebevollen Hand. Zu viele sterben Schwestern beerdigt, die Generatio- wiedersehen werden. Sie sind die ir- ohne die zärtliche Berührung Gottes nen von Mädchen unterrichtet haben. dischen Warteräume auf die Vollen- in der Krankensalbung. Auf den Grabkreuzen der Priester dung des Lebens. kann man ein wenig Geschichte un- Die Idee, dass man nach dem Tod serer Pfarreien nachlesen und natür- Jesus wurde nach den Qualen des niemandem zur Last fallen wolle, lich wird man beim Gang über den Karfreitags in ein Grab gelegt, das führt zu Bestattungen unter Bäumen stillen Friedhof mit seinen Bäumen, ein Bewunderer seiner Lehre für sich in Friedewäldern, und die Überzeu- dem Vogelgezwitscher und dem vor- selbst angelegt hatte. Dann schenkte gung, dass der Hund besser als der beihuschenden Eichhörnchen auch er es dem Toten. Mensch sei, hat inzwischen dazu an viele Bekannte erinnert: An den geführt, dass man sich in manchen Zahnarzt, der in nicht allzu guter Er- Tag für Tag kommen nun seit Gemeinden in einem Grab mit Waldi innerung blieb – Friede seiner Seele. Jahrhunderten ungezählte Menschen und Co beerdigen lassen kann. Und An die Schulrektorin, der nicht der in Jerusalem zu dieser Stelle – weil während die Zahl der anonymen Be- zerbrochene Schlüssel, sondern der Jesus aus dem Grab auferstanden ist stattungen zunimmt, kann man auf Genitiv in der Beschreibung der Un- und weil der Tod nie das Ende ist. Tierfriedhöfen die Grabsteine ge- tat wichtig war. An den Lehrer, der so Die Gräber der Friedhöfe dieser liebter Vierbeiner bewundern, denen gut Werbesprüche ad absurdum füh- Welt erinnern daran. q

Forum Deutscher Katholiken

18. Kongress: „Freude am Glauben 20. - 22. Juli 2018 Kongresszentrum Esperanto, Fulda

www.forum-deutscher-katholiken.de

DER FELS 4/2018 123 auf der Mehrkonferenz war und die Wie weit kann Auf Grundausrichtung der zehn Thesen Gemeinsamkeit gehen? befürwortet, nämlich Pfarrer Erich dem Maria Fink, einige nachdenkenswer- In einer globalisierten Welt müs- te Anmerkungen beibringt. Er sagt sen alle Menschen „guten Willens“ zunächst, dass die charismatische In- zusammenarbeiten, wenn der Friede, Prüfstand itiative von Augsburg von Anfang an die menschliche Würde, die Bewah- ökumenisch ausgerichtet war. Fink rung der Schöpfung, kurz Anliegen, stellt aber auch fest: „Es wundert die alle betreffen, auf dem Spiel ste- mich doch ein wenig, dass beispiels- hen. weise die Gottesmutter nicht nur Wer den Menschen nicht nur als nichts in den zehn Thesen …, son- biologisches Wesen sieht, das ge- dern auch im ganzen Buch kein ein- boren wird, lebt und einmal stirbt, ziges Mal erwähnt wird. Ähnliches sondern ihm Transzendenz und eine gilt von der sakramentalen Prägung unsterbliche Seele zuspricht, ist der Kirche, wie wir sie verstehen Gesprächspartner, weil er an einen und leben … ich kann das Kerygma, Schöpfergott und eine unsterbliche ne selbstverständliche Frage. Petrus also die Grundbotschaft der Freikir- Seele glaubt. Canisius wäre in seinem Reformeifer chen, ohne Abstriche anerkennen, Christen, die dem gemeinsamen aber nie auf den Gedanken gekom- doch sind es wesentliche Teile der Missionsauftrag „geht hin und macht men, an der Lehre der Kirche z.B. Offenbarung, die ihnen fehlen … wir alle zu meinen Jüngern“ verpflichtet an der Sakramentenlehre der Kirche müssen wirklich ernst nehmen, dass sind, sind Brüder, auch wenn sie in Abstriche vorzunehmen, um Protes- es einem Jünger Christi darum gehen getrennten Konfessionen leben. Die tanten auf seine Seite herüber zu zie- muss, Jesus Christus immer vollkom- Bitte Jesu an den Vater „auf dass alle hen. Wie alle Reformer in der Kirche mener kennenzulernen, sein Geheim- eins seien“, sollte ihnen aber stets war Petrus Canisius auch ein großer nis immer tiefer zu ergründen, seinen Stachel im Fleisch sein. Marienverehrer. Willen ganz zu entdecken. Und da In der Realität bestehen wesentli- Für die religiöse Situation der Kir- kommen wir weder am sakramenta- che Unterschiede zwischen Christen che in Deutschland ist u.a. der Man- len Verständnis der Kirche noch an verschiedener Konfessionen, z.B. im gel an Begeisterung für die befreien- der mütterlichen Aufgabe der Got- sakramentalen Verständnis und in der de Botschaft Jesu typisch. Besonders tesmutter für die Mission vorbei. … Stellung der Gottesmutter Maria im erschreckend und beispiellos ist, dass Maria ist von Gott erwählt worden, Heilsplan Gottes. Es sind Unterschie- sich viele von der Kirche abwenden der Welt den Erlöser zu bringen … de, die man nicht überspringen kann, und leben, „als ob es Gott nicht gäbe“ deshalb ist Maria der Stern der Neu- z.B. in einem gemeinsamen Reli-Un- (Joh. Paul II.) en Evangelisierung, wie es die letz- terricht, wie wir ihn jetzt in den Di- Die Augsburger „Mehrkonferenz“ ten Päpste, Paul VI., Johannes Paul özesen Nordrheinwestfalens, außer hat einen fulminanten Gegenakzent II., Benedikt XVI. und Franziskus in der Erzdiözese Köln – haben. Ein gesetzt. Das Augsburger Treffen von immer wieder ausdrücklich betont solcher Unterricht stiftet Verwirrung, rund 11.000 Menschen zeigt, dass haben. Eine Mission, die zur Erneue- die schließlich in Gleichgültigkeit auch in unserer Zeit religiöse Be- rung des Glaubens an Jesus Christus, gegenüber der Religion enden kann. geisterung geweckt werden kann. zum neuen Aufblühen des sakramen- Die Spaltung der Christen in West- Die Grundausrichtung der verab- talen Lebens, der Begegnung mit dem europa ist das Ergebnis der protes- schiedeten zehn Thesen steht mit der Erlöser in Beichte und Eucharistie, tantischen Revolution zum Beginn Forderung nach Neuevangelisierung führen will, braucht Maria. Ohne die des 16. Jahrhunderts. Missstände in diametral gegen die Verwaltung des Gottesmutter wird es nicht gelingen, der Kirche, die Anlass zur Trennung Niedergangs, der sich in den etablier- unsere Pfarreien mit neuem Leben waren, dürfen nicht unter den Tep- ten Kirchen breit gemacht hat. Die zu erfüllen … Maria und Kirche sind pich gekehrt werden. Die damaligen „Mehrkonferenz“ gab das richtige letztlich nicht voneinander zu tren- Reformer in der Kirche zeigen ein Fanal, das auch vom „Forum Deut- nen. … den Christen, die sich auf die Verhalten, das auch für unsere Zeit scher Katholiken“ begrüßt wurde. Heilige Schrift berufen, aber Maria gültige Maßstäbe setzt. Ein über- Die Frage ist aber, wie geht es nach und die Kirche ablehnen, haftet meist zeugendes Beispiel liefert Peter Ca- dem Augsburger Treffen konkret mit ein fundamentalistischer Zug an. … nisius, der zweite Apostel der Deut- der Neuevangelisierung weiter? Was wir brauchen einen missionarischen schen. Er geißelte scharf die Haltung kann gemeinsam gemacht werden – Aufruf. Aber wir brauchen eine ka- eines großen Teils des verweltlich- rund 40% waren Evangelikale und tholische Mission.“ (Qu.: Kirche ten Klerus und auch der Bischöfe 60% Katholiken – und wo endet die- heute, Feb-März 2018, S. 10-12). in Deutschland. Er unterschied aber se Gemeinsamkeit. „Katholisch“ heißt das Ganze stets zwischen einem „bewussten Das Missionsmanifest, in dem die umfassend. Die „Mehrkonferenz“ und schuldhaften Abfall von der Kir- zehn Thesen für das „come back der schafft Aufbruchsstimmung. Für die che und einem bloß tatsächlichen und Kirche“ beschrieben wird, gibt es Neuevangelisierung in katholischem deshalb schuldlosen Getrenntsein auch als Buch. Es ist keine Beck- Sinne muss noch Wesentliches dazu- von ihr“. Das war in der damaligen messerei, hat nichts mit „klerika- kommen! Zeit der scharfen Kontroversen kei- lem Neid“ zu tun, wenn einer, der Hubert Gindert

124 DER FELS 4/2018 ihr Leben auch Zuspruch suchen“. lichkeit, sondern auch für die heidni- Die hartnäckige, aber Der Durchbruch im Sinne des Re- sche Antike mit Athen und Rom als durchsichtige Strategie lativismus gelingt nicht, wenn wir Zentren. der Kirchenveränderer uns vor Augen führen, was Kardinal Wollenschläger weiter: Ratzinger am 18. April 2005 dazu „Die zunehmende rechtliche und Was haben die Leitung einer geäußert hat: „Einen klaren Glauben auch gesellschaftlicher Anerkennung Pfarrgemeinde durch Laien oder die nach dem Credo der Kirche zu ha- gleichgeschlechtliche Partnerschaf- Zulassung geschiedener Wiederver- ben, wird oft als Fundamentalismus ten haben die Bedeutung des histori- heirateter zur Kommunion mit der abgestempelt, wohingegen der Re- schen und tradierten Eheverständnis- Verwaltung diözesaner Gelder zu lativismus, das sich ‚vom Windstoß ses für die Verfassungsinterpretation tun? Nichts! irgendeiner Lehrmeinung Hin- und relativiert.“ Das heißt offensichtlich, Es ist nur der durchsichtige und Hertreiben-Lassen‘, als die heutzu- dass es keine sicheren Wahrheiten hartnäckig verfolgte Versuch, jedes tage einzige zeitgemäße Haltung er- mehr gibt, weil sich Meinungen än- kirchliche Problem mit den Zielen scheint. Es entsteht eine Diktatur des dern können. Das kann dann aber der Kirchenveränderer zu verbin- Relativismus, die nichts als endgültig auch für sog. Grundrechts- und Ver- den, um die Kirche endlich dort hin anerkennt und als letztes Maß nur das fassungsprinzipien gelten, die nach zu bringen, wo man sie schon lange eigene Ich und seine Gelüste gelten bisheriger Auffassung durch keine haben möchte, nämlich auf den Pfad lässt.“ Auch die Ziele der Kirchen- Mehrheit verändert werden können. des Relativismus. Zu diesem Zweck veränderer lassen sich m.E. alle auf Der Bayerische Justizminister werden die finanziellen Probleme in „die Idee zurückführen, dass es keine Bausback meint mit Blick auf das den Diözesen Eichstätt, Freiburg und unbestreitbaren Wahrheiten gibt, die Ausland, „in vielen westeuropäischen Hamburg instrumentalisiert. Alois unser Leben lenken, und deshalb der Staaten sowie in Nord- und Südame- Knoller von der Augsburger Allge- menschlichen Freiheit keine Grenzen rika sei die „Ehe für alle“ eingeführt meinen Zeitung überschreibt seinen gesetzt sind“ (Benedikt XVI. Enzyk- worden, ohne dass dies auch nur in Beitrag (22.2.18) mit „Auch für die lika „Laudato Si“, Ziff 6). einem dieser Länder als verfassungs- katholischen Bischöfe endet die Zeit Hubert Gindert widrig bewertet worden sei. Darunter der Alleinherrschaft“. Der Untertitel seien auch stark katholisch geprägte lautet: „Der Eichstätter Finanzskan- Länder wie Portugal oder Spanien“. dal hat der Bischofskonferenz in In- „Mögen täten wir schon wollen, Dies ist keine Begründung. Wenn bei golstadt ein Thema aufgedrängt, das aber dürfen haben wir uns einer Fehlentwicklung noch nicht einen tiefgreifenden Wandel im Füh- nicht getraut“ Karl Valentin geklagt wurde, sagt das nichts aus, rungsstil verlangt.“ ob ein solcher Schritt richtig oder Hier werden die o.a. Ziele wie Die Bayerische Staatsregierung falsch war. Und wenn das auch für „Leitung von Pfarrgemeinden durch will doch nicht vor dem BVG gegen katholische Länder zutrifft, so heißt Laien“, „Kommunion für geschie- die vom Bundestag beschlossene das nicht, dass die Kirche die „Ehe dene Wiederverheiratete“ wieder „Ehe für alle klagen“, wie die Augs- für alle“ als natur- und schöpfungs- aufgekocht und die Basis, „die sich burger Allgemeine Zeitung (AZ) un- konform und im Einklang mit ihrer nach Reformen sehnt“, bemüht. Tat- ter „Ehe für alle – es bleibt dabei“ Lehre sieht. sächlich sehnen sich allenfalls be- (7.3.2018) schreibt. Die Feststellung der Gutachter, zahlte Kirchenfunktionäre nach mehr „Die wesentliche Frage war die wonach die Einführung der „Ehe für Demokratie in der Kirche. Nicht be- nach der Auslegung der Ehe“ erklärte alle“ zu keiner „weiteren Aufwei- zahlte Mitarbeiter, wie z.B. die Pfarr- der Augsburger Juraprofessor Ferdi- chung des Ehebegriffes“ führe, ist ein gemeinderäte, werden mit der Lupe nand Wollenschläger, der neben der semantischer Trick zur Beruhigung gesucht und gedrängt, sich doch für Göttinger Juristin Professor Dagmar der Gemüter. „Durch die gleichge- die Mitarbeit zur Verfügung zu stel- Coester-Waltjen ein Gutachten für die schlechtliche Ehe wird der Begriff len. Staatsregierung verfasste. Die Ehe sei der Ehe nicht beliebig“, so Bausback, Im Übrigen ist der Redakteur Alo- im GG nicht genau definiert.Richtig. weil sie auch auf Dauer angelegt und is Knoller nicht gut informiert, was Art. 6,Abs. 1 GG lautet: „Ehe und eine Zweierbeziehung sei. seine Behauptung im gleichen Arti- Familie stehen unter dem besonderen Der angegebene Grund für den kel betrifft, wo es heißt: „Vereinzelt Schutz der staatlichen Ordnung.“ nicht beschrittenen Weg einer Kla- wagen Bischöfe einen mutigen Vor- Nun gibt es Juristen, wie der ehe- ge am BVG, der vielleicht manchen stoß wie etwa der Münchner Kardi- malige Präsident des Bundesverfas- überzeugt, ist der, welcher in der Vor- nal Reinhard Marx in der Frage der sungsgerichts Hans-Jürgen Papier lage zur Kabinettssitzung der Bayeri- Segnung von homosexuellen Paa- oder der Rostocker Rechtsprofessor schen Staatsregierung erwähnt wird, ren.“ Denn Kardinal Marx war schon Jörg Benedict, die das anders sehen. nämlich, „dass das Gericht eine Klage vor Erscheinen dieses Artikels hef- Ehe wurde auch deswegen nicht als zum Anlass nehmen könnte, eine Ver- tig zurückgerudert. Er dementierte Gemeinschaft von Mann und Frau in pflichtung des Gesetzgebers zur Ein- (Tagespost 22. Februar 18, S. 12): der Verfassung definiert, weil es für führung der Ehe für alle festzuschrei- „Von Segnung homosexueller Paare die Verfassungsväter so selbstver- ben. Dann sei dem Gesetzgeber eine öffentlich habe ich überhaupt nicht ständlich war, dass sich eine Definiti- Korrektur der Öffnung der Ehe defini- gesprochen“. Es gehe vielmehr „um on erübrigte. Denn das war bis dahin tiv nicht mehr möglich. Ein passendes die Begleitung von Homosexuellen, nicht nur für den jüdisch-christlichen Feigenblatt sich vor einer Klage zu die Christen sein wollen und die für Kulturkreis eine pure Selbstverständ- drücken“. Hubert Gindert

DER FELS 4/2018 125 Leserbriefe

Die Berichterstattung über den Fi- im Sinne der Kirche zuarbeiten, wäre Leserbrief zu „Hat die deutsche Orts- nanzskandal im Bistum Eichstätt ver- das ja noch nicht schlecht. Aber nicht kirche mit ‚weiter so‘ eine Zukunft?“ wirrt viele Gläubige. umsonst hat der Eichstätter Bischof Einen Kernsatz, der die Ursache der Wallfahrtsdirektor, Geistl. Rat Er- öffentlich erklärt, dass seine Bemühun- heutigen Glaubenskrise auf einen Punkt win Reichart schrieb Leserbriefe an die gen, das Finanzsystem zu reformieren, bringt, findet sich m.E. in dem Zitat des Tageszeitung, die aber leider nicht ver- in diesem Betrieb auf erheblichen Wi- BDKJ-Bundespräses Pfarrer Dirk Bin- öffentlicht wurden. Hier nun der letzte derstand gestoßen sind. Außerdem muss gener: „Bei uns geht es sehr stark darum, Leserbrief in erweiterter Form zum Arti- man bedenken, dass es seit Jahrzehnten dass es zunächst einmal Räume gibt, wo kel „Auch für die katholischen Bischöfe in der Kirche total verpönt war und ist, junge Menschen den Glauben lernen kön- endet die Zeit der Alleinherrschaft“ Seite Autorität auszuüben, zu kontrollieren nen.“ Denn genau diese Räume gibt es 2 in der AZ vom 22. Februar. oder gar zu strafen. Ein guter Bischof heute kaum noch. Weltfremd tut so was nicht, ruft der Zeitgeist bis Noch in den 1950er Jahren wurde be- Schon die Überschrift „Auch für die heute. reits im Vorschulalter im Elternhaus durch katholischen Bischöfe endet die Zeit Was sind die Lehren aus dem Finanz- das Lernen der täglichen Gebete die erste der Alleinherrschaft“ ist völlig welt- skandal? Grundlage für den Glauben gebildet. In fremd. Unter dem Druck des Zeitgeis- 1. Ein Bischof braucht natürlich ech- der dann folgenden katholischen Volks- tes haben leider nicht wenige Bischöfe te Fachleute um sich, aber diese müssen schule gab es die „religiöse Grundaus- seit Jahrzehnten ihre Autorität längst tief gläubig und damit absolut ehrlich bildung“. Die Jungen wurden dann über- abgegeben oder abgeben müssen. Wenn sein. wiegend Ministranten. Die Beziehung heute ein Bischof sein Amt übernimmt, 2. Ein Bischof braucht gute Ratge- zwischen der Bekenntnisschule und der muss er damit rechnen, dass inzwischen ber, aber diese müssen drastisch redu- Kirche führte die Jugend durch das Kir- alle möglichen Leute regieren nur nicht ziert werden und müssen wiederum von chenjahr. So wurde letztlich dadurch eine er selbst. Nicht selten müssen Bischö- tiefem Glauben an Jesus Christus und ‚religiöse Vollausbildung‘ erreicht. fe heute jahrelang darum kämpfen, ei- seine Kirche beseelt sein. Aber dieser Dreierbund aus Elternhaus, nigermaßen Boden unter den Füßen zu 3. Die vom Kirchenrecht vorge- Bekenntnisschule und Kirche, ist heute bekommen. Hinzu kommt, dass diese schriebene Autorität des Bischofs muss weitgehend auseinandergebrochen – mit Kreise nicht selten in den Medien mäch- wieder hergestellt werden. den jetzt sichtbaren Folgen. Mit der Auf- tige Verbündete haben. Es ist schier un- 4. Es fehlen auf allen Ebenen echt gabe der katholischen Bekenntnisschulen glaublich, wie vielen Räten ein Bischof christlich eingestellte Laien für Füh- wurde das wohl wichtigste Kettenglied heute folgen soll: z. B. der Ordinari- rungspositionen! zerstört. Und dieses Unheil geht auch in atskonferenz, der Hauptabteilungslei- Woher soll ein Bischof solch gute jüngster Zeit ungebremst weiter, denn terkonferenz, der Personalkommission, Mitarbeiter nehmen? aktuell will das Bistum Hamburg einen der Dekanekonferenz, dem Domkapitel, Wir brauchen katholische Privat- großen Teil der dort noch existierenden dem Priesterrat, dem Diözesanrat und so schulen, in denen für die Zukunft eine Schulen gegen den Widerstand der Eltern weiter. Solange diese alle dem Bischof christliche Elite herangebildet wird. schließen. Helmut J. Herde, 26316 Varel

Titelbildbeschreibung Akanthus, sind typisch für Bestattungen denen mit Maria Magdalena, (Joh 20, 11 in römischer Zeit. Der Sarkophag erinnert – 18), Petrus und Johannes am leeren daran, dass Christus unter römischer Herr- Grab (Joh 20, 3 – 10) und Jesus und die schaft Judäas starb und mit Zustimmung Emausjünger (Lk 24, 13 – 35) erkennbar. des Römers Pontius Pilatus bestattet wur- Nicht biblisch ist die Darstellung in der de (Mt 27, 58). Um den Sarg lagern sechs Mitte rechts. Dort begegnet der Aufer- schlafende Soldaten (Mt 27, 65). Im Hinter- standene seiner Mutter. Diese Legende grund rechts sitzt ein ebenfalls noch schla- wurde besonders von den Franziska- fender Jüngling in sinnierender Haltung. nern gepflegt und Papst Johannes Paul Es könnte Johannes Ev. sein. Dieser war II. hielt es für undenkbar, dass Christus schon beim Verhör von Jesus bei Kaiphas nach seiner Auferstehung nicht seine dabei (Joh 18, 18) und stand auch unter dem Mutter traf (Audienz vom 21. 5. 1997). Kreuze (Joh 19,26). Die Auferstehung hat er Diese Begegnung gehört auch zu den Das Titelbild ist aus dem Missale und jedoch verschlafen und wird erst von Maria „Sieben Freuden Mariens“. Brevier von Ferdinand dem Katholischen Magdalena darüber informiert (Joh 20, 2). Die Personen sind hier schon recht na- (1452-1516) entnommen. Er und seine Der Ostermorgen findet in einer Gebirgs- türlich wiedergegeben. Ihre Positionie- Frau Isabella (1451-1504) sorgten für die landschaft vor den Toren Jerusalems, die rung ist jedoch noch schematisch. Die Rückeroberung und Einigung Spaniens. links zu sehen sind, statt. Das neue Leben, Soldaten reihen sich nebeneinander auf. Hier ist die Zierseite von Ostersonntag welches mit Ostern anbricht, zeigt sich in Es gibt keine Hintereinanderstaffelung zu sehen. Der Text ist der Beginn der der Vegetation. Es gibt zwar noch kahle und keine Überschneidungen der Sol- Matutin dieses Tages. Das Hauptbild Bäume, die meisten Büsche und Sträucher daten. Auch die Landschaft steht noch zeigt Jesus mit der Siegesfahne vor ei- stehen jedoch schon in sattem Grün. zwischen Stilisierung und Naturalismus. nem Sarkophag, aus dem er auferstan- Bei den Nebenszenen sind der Judaskuss Das Bild lässt sich an den Beginn des 16. den ist. Verzierte Marmorsärge, hier mit (Mt 26, 48), die Begegnung des Auferstan- Jahrhunderts datieren. Alois Epple

126 DER FELS 4/2018 Veranstaltungen

OSTERAKADEMIE KEVELAER 04.-07. April 2018 Veranstaltungen der Initiativkreise­ – Aktionsgemeinschaften: „… allzeit bereit gegen jeden, der Rechenschaft fordert über eure Hoffnung“ (1Petr 3,15) Glaube ohne Rechtfertigung ist tot Aktionsgemeinschaft von Katholiken in Tagungsort: Priesterhaus Kevelaer (Vorträge im Petrus-Canisius-Haus) der Erzdiözese München-Freising e.V. 24. April 2018 · 19:00 Uhr · Hansa Haus, Veranstalter und Anmeldung: Kardinal-von-Galen-Kreis e.V., (im Forum Deut- Briennerstr. 39, 80333 München · Prof. scher Katholiken), Postfach 1103, 48692 Stadtlohn, Fax: 02563/905269, www. Dr. Hubert Gindert: Hat die deutsche [email protected] Ortskirche mit „weiter so“ eine Zukunft? · Eintritt frei! Spende erbeten Hinweise: Tel.: 089-60 57 32 [email protected] Fachtagung zur „Woche für das Leben“ Samstag, 14.04.2018 Kinder – nur noch qualitätsgeprüft? Rokoko-Saal im Kurfürstlichen Palais Trier Willy-Brandt-Platz 3 · 54290 Trier Wir bitten Sie herzlich um § Überleben trotz Pränataldiagnostik? Vom vorgeburtlichen Hürdenlauf des mo- dernen Kindes; Prof. Dr. med. Axel W. Bauer, Medizinethiker (Heidelberg) Spenden für § Abschied vom Embryonenschutz? Die schöne neue Welt der Fortpflanzungsme- dizin; Rainer Beckmann, Richter (Würzburg) § Tragfähige Entscheidungen für zwei Leben – Praxis der Fachberatung im Kontext pränataler Diagnostik; Prof. Dr. med. Ursula Rieke (Katharina-Kasper-Stiftung) Bundesverband Lebensrecht e. V. (BVL) Fehrbelliner Straße 99 · 10119 Berlin; Tel. (030) 644 940 39 · Fax (030) 440 588 67; Anmeldung: per Mail an berlin@ Katholisches Wort in die Zeit bv-lebensrecht.de oder www.bv-lebensrecht.de/fachtagung www.der-fels.de Fotos und Quellennachweise: Fotos: 99, 103 (li) R. Gindert 100 Evangeliar f.d. Hochfeste d. Kirchenjahres, Faksimile, Verlag St. Ottilien, S. 42; 101, 111, 118 (li/re), 121 (li) wikimedia free; 102 Kopp/Mari/Ring-Eifel: Der Papst Gebetsmeinung des Hl. Vaters in Bayern, Herder, S. 64; 103 wikimedia: Agência Brasil; 104 R. Fobes; 105 Die Kunstschätze des Vatikans, Dt. Bücherbund Stuttgart, Abb 228; 108-110 Sr. I. Mohr; 113 Dt. Bundestag, Achim Mel- im April 2018 de; 116 Wikicommons, SPD Berlin/Joachim Gern: 118 (mi) Wikimedia: Engels: George Lester; 119 Wikimedia: Engels: George Lester, Manchester photographer Lenin: Dt. Bundesarchiv Bild Verantwortliche in der Wirtschaft 183-71043-0003, Stalin: U.S. Signal Corps photo, Mao: zhangh zhensih, Ho Chí Minh: Báo Cà Mau, Fidel: Antonio Milena; 120 E. Weiler: Die Geistlichen in Dachau; Rückseite Cover, S. 391; Die Weltwirtschaft möge sich dahin- 121 (re) Hans Seidel Stiftung; 122 U. Zöller Quelle 128: Baldur Hermans in Martyrologium „Zeugen für Christus“ I hrsg. von Helmut Moll S. gehend wandeln, dass es strukturell 231 - 235; Qu.: 111: Papst Franziskus: „Hacia la otra orilla“, L`Osservatore Romano, 26. Januar keine Benachteiligten mehr gibt. 2018, S. 15/16, E. Dussel: „Reformer der Kirche“, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1970

Anschriften der Autoren dieses Heftes DER FELS - Katholische Monatsschrift. Gegründet 1970 von Pater Gerhard Hermes SAC  Diakon Raymund Fobes Zillenweg 8, 85051 Ingolstadt Verlag: Der Fels-Verein e.V. Herausgeber: Der Fels-Verein e.V.  Eduard Haller Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. Hubert Gindert Altersheim, Sömmerlistr. 45 Redaktion: Eichendorffstr. 17, D-86916 Kaufering, Tel.: 08191/966744, Fax: 08191/966743, CH 9000 St. Gallen E-Mail: Redaktion: [email protected] Bestellung: [email protected]  P. Dr. Dr. Andreas Hirsch Verlagsleitung: ebendort, Grafik und Layout: Renate Gindert, Bernau; Hohbergstr. 12, 69518 Absteinach Druck: Mayer & Söhne, Druck und Mediengruppe GmbH, 86551 Aichach  Jürgen Liminski DER FELS erscheint monatlich im Umfang von 32 Seiten. Neckarstr. 13, 53757 St. Augustin Bestellung: An den Fels-Verein e.V., Postfach 1116, D-86912 Kaufering  Prof. Dr. Konrad Löw Einzahlung Deutschland: Konto Fels e.V.:, Kirchenstr. 17, 82065 Baierbrunn VR-Bank Landsberg-Ammersee eG: Der Fels e.V. KontoNr.: 5147522, BLZ: 700 916 00  Schw. Ingrid Mohr P.I.J. IBAN: DE46 7009 1600 0005 1475 22 BIC: GENODEF1DSS Michaelsbergstr. 38, 52066 Aachen Postbank München: Der Fels e.V. KontoNr.: 903 166 809, BLZ: 700 100 80 IBAN: DE59 7001 0080 0903 1668 09 BIC: PBNKDEFF  Prälat Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar Roos Kollegium Albertinum Österreich: Bestellungen wie oben, Landeshypothekenbank Salzburg, Fels e.V., Adenauer Allee 19, 53111 Bonn KontoNr.: 2 493 378, BLZ: 55 000 IBAN: AT72 5500 0000 0249 3378 BIC: SLHYAT2S  Dr. Eduard Werner Schweiz: Bestellungen wie oben, Post Finance: Der Fels e.V. Nr.: 60-377 132-6 Römerweg 3 A, 82346 Andechs IBAN: CH80 0900 0000 6037 7132 6 BIC: POFICHBEXXX  Ursula Zöller Für übrige EU-Länder: Bestellungen wie oben, Der Fels e.V. Karlstr. 3, 63793 Aschaffenburg IBAN: DE46 7009 1600 0005 1475 22 BIC: GENODEF1DSS

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Das Ehepaar Bernhard und Maria Kreulich im Widerstand

meisten Katholiken blie- im Knappschaftskrankenhaus. Dort schen der katholischen Kirche und Die ben in der Zeit des Na- wurden er und seine ihn besuchen- den regierenden Nationalsozialis- tionalsozialismus der Kirche treu. de Frau in ein Gespräch verwickelt. ten. Die Bischöfe hatten ja vor der Besonders die in der katholischen Dabei äußerte sich Kreulich kritisch Machtübernahme wiederholt davor Arbeiterbewegung organisierten zur Lage an der Front und zur Po- gewarnt, die Nazis zu wählen. „Die Hütten- und Bergarbeiter des Ruhr- litik Hitlers insgesamt. Auch als die NSDAP ist für Katholiken nicht gebiets lehnten das heidnische NS- Gesprächspartner wählbar“ lautete Regime so selbstverständlich ab, widersprachen und vor 1933 die Devise. dass sie sogar die gebotene Vorsicht Hitler verteidigten, Auch die Tatsache, vor Verfolgung nicht beachteten. beharrte Kreulich dass das ideologi- Beispiele hierfür sind u.a. Gottfried – unterstützt von sche Hauptbuch der Könzgen, Heinrich Imbusch, Niko- seiner Frau – auf Nationalsozialisten, laus Groß und Karl August Brink- seinem Standpunkt. Alfred Rosenbergs mann. Auch die Eheleute Bernhard Er sagte, er sei nicht Buch „Der Mythus und Maria Kreulich äußerten sich bange. Er habe des 20. Jahrhun- so frei, dass sie verhaftet und hin- schließlich im Ers- derts“ auf den Index gerichtet wurden. Sie stammten aus ten Weltkrieg an der der für Katholiken Bergarbeiterfamilien in Essen. Ma- Front gekämpft und verbotenen Bücher ria Kreulich wurde 1889, Bernhard durfte dort auch kei- gesetzt wurde, zeig- Kreulich 1890 geboren. In der Fa- ne Angst haben. „Selbst wenn man te den unüberbrückbaren Gegensatz. milie, in der Volksschule und in ih- mich sofort an die Wand stellt, sage Und diese Widerstandshaltung wur- rer Pfarrei erhielten sie die damals ich es noch einmal.“ Da nahm das de natürlich durch das päpstliche übliche religiöse Erziehung. Maria Schicksal seinen Lauf, wie es nicht Weltrundschreiben „Mit brennender wurde Verkäuferin, Bernhard wurde anders zu erwarten war. Im Juli 1943 Sorge“ gestärkt. Sie waren überzeugt Bergmann. Beim Ausbruch des Ers- wurde das Ehepaar verhaftet. Am 28. davon, dass Hitler und seine Weltan- ten Weltkriegs 1914 wurde Bernhard Januar 1944 erging gegen beide das schauung das Übel schlechthin sind Kreulich zum Militär eingezogen Todesurteil. Dem Gericht zufolge und dass dies beim Jüngsten Gericht und an der Westfront eingesetzt, wo wurden sie „wegen Wehrkraftzerset- offenbar werden wird. 1989 enthüll- er bald in französische Kriegsgefan- zung und Feindbegünstigung“ zum te Bischof Franz Hengsbach an der genschaft geriet. Bald nach der Frei- Tode verurteilt. Die übliche Schluss- Heimatkirche St. Christophorus in lassung 1920 heiratete er Maria Bud- formel des Urteils lautete zynisch: Essen-Kray eine Gedenktafel für ziak. Die Ehe blieb kinderlos. Beide „Die bürgerlichen Ehrenrechte werden das Ehepaar Kreulich mit folgender waren neben ihren Berufen in reli- ihnen auf Lebenszeit aberkannt. Sie Inschrift: giösen Vereinen ihrer Pfarrei aktiv. tragen die Kosten des Verfahrens.“ „Zeugen der Wahrheit – Bernhard Besonders in der katholischen Ar- Wie konnten diese Eheleute sich und Maria Kreulich. Am 17. und 19. beiterbewegung taten sie sich hervor. so unvorsichtig äußern? Sie waren März 1944 in Berlin- Plötzensee von Im Mai 1943 befand sich Bernhard fest in der Kirche verankert und NS-Schergen hingerichtet.“ Kreulich zur stationären Behandlung kannten daher den Gegensatz zwi- Eduard Werner

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