Wissenschaftliche Mitteilungen Aus Bosnien Und Herzegovina
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© Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at Beiträge zur Landeskunde Bosniens und der Herzegowina. Von Dr. Eduard Richter, weil. k. k. Hofrat und o. ö. Professor der Geographie an der Universität zu Graz. Inhalt: Vorbemerkung von Dr. G. A. Lukas. — I. Beiträge zur Erforschungsgeschichte. — II. Histo- risch-politische Geographie. -— III. Das Karstgebiet. (Mit 10 Tafeln nach photographischen Aufnahmen des Verfassers.) Vorbemerkung. Am 6. Februar 1905 wurde der Professor der Geographie an der Grazer Uni- versität, Hofrat Dr. Eduard Richter, vorzeitig aus einem ebenso arbeits- wie erfolg- reichen Leben abberufen. Nicht nur trauernde Freunde und Schüler blieben in großer Zahl zurück, auch mehrere wissenschaftliche Unternehmungen verloren in dem zu früh Geschiedenen ihren geistigen Vater, dessen Obsorge sie noch benötigt hätten. Es waren vor allem drei Werke, deren Gelingen E. Richters Schaffen krönen sollte, drei Aufgaben, die nur ein Gelehrter von seltener Vielseitigkeit zu lösen hoffen durfte: der Naturforscher Richter wollte durch eine neue „Gletscherkunde“ das Wissen von jenem Phänomen zusammenfassen, dem er zeitlebens seine Aufmerksamkeit und Mühe besonders zuwandte; der Historiker Richter plante den „Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer“, ein groß angelegtes Unternehmen, dessen Methode und Ziel er durch eigene Jugendarbeit auf völlig neue Grundlagen gestellt hatte; der Geograph Richter endlich gedachte durch eine wissenschaftliche „Landeskunde von Bosnien“ seine höchste Meisterschaft auf jenem Gebiete zu bewähren, welches als der wertvollste Teil der Erdkunde angesehen wird, als jener Teil dieser Wissenschaft, der ihr eigentlichstes Wesen am reinsten zum Ausdruck bringt. In diesem Sinne sollte das bosnische Buch den Höhepunkt der geographischen Laufbahn E. Richters bedeuten. Nun sind die drei Werke einander darin ähnlich, daß keines von ihnen abge- schlossen werden konnte; im übrigen jedoch erfuhren sie ein sehr verschiedenes Ge- schick. Die „Gletscherkunde“ mußte der Verfasser wegen zunehmender körperlicher Leiden bald völlig aufgeben; vom „Historischen Atlas“ erlebte er zwar auch nicht ein- mal die erste Lieferung, aber die zahlreichen erprobten Mitarbeiter werden dafür sorgen, daß die Arbeit in dem Geiste des Schöpfers fortgeführt und beendet wird; die „Landes- kunde von Bosnien“ endlich blieb ein Torso. Durch letztwillige Verfügung Ed. Richters wurde sein gesamter auf Bosnien be- züglicher Nachlaß dem Unterzeichneten anvertraut, der seit mehreren Jahren an diesen landeskundlichen Studien und Vorarbeiten einen bescheidenen Anteil hatte. Zwei Wege standen nun offen, hinsichtlich welcher eine Entscheidung zu treffen war: Vollendung © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at 384 II. Geographie. des Buches oder Herausgabe der von Richter seihst herrührenden Abschnitte desselben, soweit sie für eine Publikation in Betracht kommen konnten. So verlockend der erstere Weg zweifellos war und so wünschenswert er auch scheinen mochte, so mußte von ihm doch abgesehen werden, da sich seinem Betreten zu große Hindernisse entgegen- stellten. Dieselben bedürfen an dieser Stelle keiner Erörterung; es sei als maßgebend allein der Umstand angeführt, daß die Beendigung der Landeskunde zu viel Zeit be- ansprucht hätte und für den Richterschen Nachlaß die Gefahr des Veraltens bestand. Deshalb entschloß sich der Schreiber dieser Zeilen, Richters Werk als „Beiträge zur Landeskunde Bosniens“ zu veröffentlichen; er beschränkte sich darauf, aus dem Nachlasse alles für den Druck einigermaßen Brauchbare zusammenzustellen, durchzu- sehen und zu ordnen. Der für das Buch ursprünglich aufgestellte Arbeitsplan konnte natürlich nicht mehr berücksichtigt werden; es sind ja leider nur Bruchstücke, die hier geboten werden. Aber auch sie lassen alle Vorzüge Richterscher Darstellung und Schreib- weise erkennen, sie sind die Früchte langjähriger, fast beispiellos gründlicher Studien, deren Umfang aus den folgenden Blättern nur teilweise zu entnehmen ist; wenigstens als Grundlage für spätere Forschungen werden sie jedem Freunde Bosniens willkommen sein und Richters Namen lebendig erhalten. Graz, im Januar 1906. Dr. Georg A. Lukas. I. Beiträge zur Erforschungsgeschichte. 1. Geschichte der Kartographie. Die Geschichte der kartographischen Darstellung unserer Länder ist eine ganz andere als die der übrigen Gebiete Österreich-Ungams und der anderen west- und mitteleuropäischen Staaten. Hier beginnen die ersten Versuche kartographischer Dar- stellung im 16. Jahrhundert. Die ersten Karten werden nach Erkundigungen, nach be- kannten Reisedistanzen, bald auch nach Kompaßpeilungen gemacht. Es sind Einhei- mische, genaue Kenner ihrer Heimat, die auf diese Weise verhältnismäßig sehr gute Bilder der Gebiete entwerfen, wie z. B. Philipp Apian für Bayern. Im 17. Jahrhundert beginnen Aufnahmen höheren Wertes, wie die Vischers in Österreich, Müllers in Un- garn, und noch im 18. Jahrhundert setzen die eigentlichen Landesaufnahmen ein, die nur mehr vereinzelt durch Privatpersonen, wie Peter Anich in Tirol, meistens durch militärische Kräfte vorgenommen werden. Die Kartographie wird ein wichtiger Zweig der militärischen Ausbildung und Friedensarbeit. Die weitere Geschichte des Karten- wesens besteht in immer wiederholten Neuaufnahmen der Länder mit immer gesteigerten Anforderungen an die Genauigkeit sowie in der Herausgabe entsprechender Karten- werke von immer größerem Maßstabe und besserer technischer Ausführung; ein Weg, an dessen Ende noch kein Land angekommen ist. In den ehemals oder jetzt noch türkischen Gebieten verlief die Sache ganz anders. Niemals hat sich dort ein Einheimischer damit beschäftigt, eine Karte seiner Heimat darzustellen, und niemals hat die Regierung an eine Landesaufnahme gedacht. Die Karten von Bosnien beruhen daher bis zur Besetzung des Landes durch Österreich- Ungarn ausschließlich auf den Erkundungen von Reisenden und sind Kompilationen, die außerhalb des Landes hergestellt wurden. Mißtrauen und Feindseligkeit der Be- völkerung und der Staatsgewalt gegen die Fremden haben aber solche Routenaufnah- © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at Richter. Beiträge zur Landeskuude Bosniens und der Herzegowina. 385 men bis zum Beginn der Okkupation (1878) sehr erschwert und häufig unmöglich ge- macht. Wenn man die keineswegs geringe Anzahl immer von neuem wiederholter Ver- suche überblickt, die vom 17. Jahrhundert angefangen bis zum Beginne der Landes- vermessung im Jahre 1879 gemacht worden sind, durch Erraten und Kombinieren immer richtigere Bilder dieser verwickelt gebauten Länder zu schaffen, so muß man sagen: auch die Geschichte der bosnischen Kartographie ist eine Leidensgeschichte. Sicherlich gibt es wenige Erdstellen, an die mehr vergebliche Mühe in dieser Richtung verwendet worden ist. Besonders in die Gegend, avo die Quellen der Narenta und die Zuflüsse der Drina liegen, in das herzegowinisch-montenegrinische Grenzgebiet, ist erst überaus spät Licht gekommen. Ohne Zweifel würde die Aufhellung auch nur der geographischen Hauptlinien noch viel länger auf sich haben Avarten lassen, wenn nicht das militärische Interesse der Nach- 1 barn, also hauptsächlich Österreich-Ungarns, ) dringend geboten hätte, das geheimnisvolle Grenzland genauer kennen zu lernen, in welchem man immer wieder Krieg zu führen gefaßt sein mußte, und das schon fast 200 Jahre vor der wirklichen Okkupation als ein wiederzugewinnender alter Besitz betrachtet worden ist. Österreichische Offiziere haben daher schon am Anfang des 18. Jahrhunderts im Aufträge des Prinzen Eugen von Savoyen Erkundungen in Bosnien eingezogen und Karten hergestellt und so dicht war das Netz dieser Rekognoszierungen kurz vor der Okkupation geworden, daß man eine Karte in dem ziemlich großen Maßstabe 1:300000 herausgeben konnte, nachdem schon seit fast 100 Jahren gewiß bei den Wiener Militärbehörden weitaus das meiste und beste Material dieser Art angehäuft lag, das es überhaupt gab. Es wäre eine Arbeit, die im Bereiche der Möglichkeit läge, den Zusammenhang der einzelnen Kartenwerke mit einander festzustellen, die Art der Benützung des vor- handenen Materiales durch die nachfolgenden Autoren zu verfolgen und zu kritisieren. Weniger aussichtsvoll schiene das Unterfangen, die Quellen für den jeweiligen neuen Zuwachs an Daten und Verbesserungen zu ermitteln. Beides würde über den Rahmen dieser Untersuchungen hinausgreifen. Es sollen daher hier nur die wichtigeren und selbständigeren Karten aus der Zeit vor Beginn wirklicher geodätischer Arbeiten an- 2 geführt und besprochen werden. ) Das älteste kartographische Denkmal, das von den römischen Provinzen Dalmatien und Liburnien erhalten ist, eine Ptolemäuskarte aus dem 2. nachchristlichen Jahr- hundert, hat unlängst durch Jelic eine sehr sachkundige und eingehende Behandlung 3 erfahren. ) Ein anderes kartographisches Bild von Bosnien bietet uns die Peutingersche Tafel, bekanntlich eine Straßenkarte des römischen Reiches aus der Kaiserzeit, die uns in einer mittelalterlichen Kopie erhalten ist. Da das Gebiet von Britannien bis zur Euphratmündung auf einem Streifen dargestellt ist, der ungefähr 22 mal so lang als breit ist, so sind die Bilder aller Länder in der Ost-Westrichtung sehr stark verzogen und unsere Provinzen Liburnien und Dalmatien erscheinen als ein schmaler Streifen zwischen Donau und Adriatischem Meere. Die Zahl der angegebenen Stationen beträgt 0 Von venezianischen Aufnahmen der Grenzgebiete Dalmatiens haben wir