Einzelhandelskonzept

für die Stadt

Auftraggeber: Stadt Bingen am Rhein

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Dipl.-Kaufm. Jörg Lehnerdt (Niederlassungsleitung)

BBE Handelsberatung GmbH Goltsteinstraße 87a 50968 Köln Deutschland

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Wissen schafft Zukunft.

Köln, im Februar/ März 2014 Einzelhandelskonzept für die Stadt Bingen

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Aufgabenstellung und Auftragsdurchführung ...... 5

1.1 Ausgangssituation und Zielsetzung ...... 5

1.2 Methodische Vorgehensweise und Primärerhebungen ...... 6

2 Rahmenbedingungen der Einzelhandelsentwicklung ...... 8

2.1 Siedlungsstruktur und Verkehrsanbindung ...... 8

2.2 Demografische Entwicklung ...... 9

2.3 Einzelhandelsrelevantes Nachfragevolumen in der Stadt Bingen ...... 10

2.4 Regionale Wettbewerbssituation ...... 13

3 Einzelhandelssituation in der Stadt Bingen ...... 15

3.1 Einzelhandelsausstattung nach Stadtteilen ...... 15

3.2 Einzelhandelsausstattung nach Sortimenten ...... 17

3.3 Einzelhandelszentralität ...... 21

4 Nachfrageanalyse ...... 25

4.1 Einkaufsorientierung der Binger Bürger ...... 25

4.2 Weitere innerstädtische Besuchsmotive ...... 26

4.3 Vermisste Angebote ...... 27

4.4 Einkaufshäufigkeit ...... 28

5 Standortanalyse Innenstadt ...... 30

5.1 Städtebauliche Situation der Innenstadt ...... 30

5.2 Einzelhandelsausstattung der Innenstadt ...... 33

6 Standortanalyse der Stadtteilstrukturen ...... 35

6.1 Büdesheim ...... 35

6.2 Bingerbrück ...... 38

7 Wohnungsnahe Versorgung in der Stadt Bingen ...... 40

8 Fazit der Angebots- und Nachfrageanalyse sowie Empfehlungen zur Verkaufsflächenentwicklung ...... 43

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9 Zentrenkonzept Bingen ...... 45

9.1 Bedeutung kommunaler Einzelhandelskonzepte aus Sicht der Landesplanung ...... 45

9.2 Begriff des zentralen Versorgungsbereiches ...... 46

9.3 Leitziele des Zentrenkonzeptes ...... 49

9.4 Zentrenhierarchie ...... 51

9.5 Hauptzentrum Innenstadt ...... 53

9.6 Versorgungsstrukturen in Büdesheim ...... 58

9.7 Nahversorgungsstandort Bingerbrück ...... 60

9.8 Ergänzungsstandort Gewerbepark Bingen/ Grolsheim ...... 61

9.9 Empfehlungen zur Weiterentwicklung der wohnungsnahen Versorgung ...... 64

9.10 Empfehlungen zum Umgang mit dem Agglomerationen ...... 64

10 Binger Sortimentsliste ...... 66

11 Exkurs: Planungsrechtliche Steuerung der Einzelhandelsentwicklung ...... 72

11.1 Steuerung des Einzelhandels mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten ...... 72

11.2 Städtebauliche Prüfung von Ansiedlungsvorhaben des großflächigen Einzelhandels ...... 73

11.3 Festsetzungen zu Art und Umfang von Einzelhandelsnutzungen in Sondergebieten des großflächigen Einzelhandels ...... 76

11.4 Beschränkung von Einzelhandelsnutzungen in Gewerbegebieten ...... 77

11.5 Beschränkung von Einzelhandelsnutzungen in sonstigen Baugebieten ...... 78

11.6 Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen im unbeplanten Innenbereich ...... 79

11.7 Möglichkeiten zur Umsetzung des Einzelhandelskonzeptes durch die Bauleitplanung ..... 79

12 Fazit und abschließende Empfehlungen ...... 82

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Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Einwohner der Stadt Bingen nach Stadtteilen ...... 9 Abbildung 2: Einzelhandelsrelevantes Kaufkraftniveau in der Stadt Bingen und in Nachbarkommunen ...... 10 Abbildung 3: Einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Ausgaben in der Stadt Bingen ...... 11 Abbildung 4: Einzelhandelsrelevantes Kaufkraftpotenzial nach Sortimenten ...... 12 Abbildung 5: Verkaufsflächen und Umsätze in der Stadt Bingen nach Stadtteilen ...... 15 Abbildung 6: Verteilung der Einzelhandelsbetriebe in der Stadt Bingen ...... 16 Abbildung 7: Verkaufsflächen und Umsätze in der Stadt Bingen nach Sortimenten ...... 17 Abbildung 8: Lebensmittelangebot der Stadt Bingen nach Betriebsformen ...... 18 Abbildung 9: Verkaufsflächen und Umsätze in der Stadt Bingen nach Sortimenten ...... 20 Abbildung 10: Umsatz-Kaufkraft-Relation im Überblick ...... 22 Abbildung 11: Umsatz-Kaufkraft-Relation und Kaufkraftsaldo ...... 23 Abbildung 12: Bevorzugte Einkaufsorte ...... 25 Abbildung 13: Bevorzugte Einkaufsorte in der Stadt Bingen ...... 26 Abbildung 14: Sonstige Anlässe zum Besuch der Binger Innenstadt ...... 27 Abbildung 15: Vermisste Einzelhandels- und Dienstleistungsangebote in der Stadt Bingen .. 28 Abbildung 16: Einkaufshäufigkeit an ausgewählten Standorten ...... 29 Abbildung 17: Nutzungsstruktur in der Innenstadt ...... 32 Abbildung 18: Verkaufsflächen und Umsätze in der Innenstadt ...... 33 Abbildung 19 Nutzungsstruktur im Stadtteil Büdesheim ...... 36 Abbildung 20: Verkaufsflächen nach Standortbereichen ...... 37 Abbildung 21: Nutzungsstruktur im Stadtteil Bingerbrück ...... 38 Abbildung 22: Umsatz-Kaufkraft-Relationen bei Nahrungs- und Genussmitteln in Bingen nach Stadtteilen ...... 40 Abbildung 23: Nahversorgung in der Stadt Bingen ...... 41 Abbildung 24: Zentrenkonzept ...... 52 Abbildung 25: Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt ...... 54 Abbildung 26: Zentraler Versorgungsbereich Büdesheim und Ergänzungsstandort Scharlachberg ...... 59 Abbildung 27: Ergänzungsstandort Gewerbepark Bingen/ Grolsheim ...... 63 Abbildung 28: Sortimentsliste der innenstadtrelevanten und nicht-innenstadtrelevanten Sortimente der Stadt Bingen ...... 70

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1 Aufgabenstellung und Auftragsdurchführung

1.1 Ausgangssituation und Zielsetzung

Das Mittelzentrum Bingen am Rhein ist mit rund 26.350 Einwohnern eine der größten kreisangehö- rigen Städte im Landkreis -Bingen und damit Teil der Planungsgemeinschaft Rheinhessen- . Das durch Rechtsverordnung vom 25.11.2008 für verbindlich erklärte Landesentwicklungs- programm Rheinland-Pfalz (LEP IV) gibt der Stadt Bingen nun Anlass, ein Einzelhandelskonzept aufzustellen. Danach ist u. a. die Ansiedlung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbe- trieben mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten nur in zentralen Versorgungsbereichen zulässig. Als Grundlage für mögliche Standortentscheidungen sollen die zentralen Versorgungsbereiche von den Kommunen im Rahmen eines Einzelhandelskonzepts ebenso räumlich festgelegt werden, wie die Ergänzungsstandorte für nicht-innenstadtrelevante Großbetriebe außerhalb der Zentren.

Vor dem Hintergrund dieser landesplanerischen Ziele und Grundsätze des LEP IV sowie der Vor- gaben des Regionalen Raumordnungsplans (2004) sollen im Rahmen des zu erstellenden Einzel- handelskonzeptes insbesondere folgende Fragestellungen thematisiert werden:

Wie ist die derzeitige Positionierung des Einzelhandels in der Stadt Bingen im Hinblick auf wesentliche Leistungsparameter wie z. B. Verkaufsflächenbestand, Betriebsgrößen und Umsatzleistung insgesamt sowie differenziert nach Sortimenten und Standortlagen zu be- urteilen?

Wie stellt sich die Nachfragesituation in der Stadt Bingen derzeit und perspektivisch in Be- zug auf das Kaufkraftniveau, die Kaufkraftbindung sowie das Kundeneinzugsgebiet dar?

Bestehen in der Stadt Bingen Entwicklungspotenziale für den Ausbau der vorhandenen Angebotsstrukturen?

Wie sind die zentralen Versorgungsbereiche abzugrenzen und welche Sortimente sind als innenstadt- bzw. nicht-innenstadtrelevant einzustufen?

Welche Standorte kommen als potenzielle Entwicklungsflächen für den Ausbau und die Stärkung der zentralen Versorgungsbereiche in Betracht?

Welche Standortbereiche in der Stadt Bingen sind als Ergänzungsstandorte für die Ansied- lung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit nicht-innenstadtrelevanten Sortimenten als geeignet anzusehen?

Welche Handlungsempfehlungen zur planungsrechtlichen Steuerung des Einzelhandels können ausgesprochen werden?

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Ein besonderer Schwerpunkt des Gutachtens soll somit in der Erarbeitung von konkreten Empfeh- lungen zum nachhaltigen Ausbau der Einzelhandelsstrukturen liegen. Die in diesem Zusammen- hang diskutierten Planungen, im Gewerbepark Bingen/ Grolsheim ein Möbel- und Einrichtungshaus mit voraussichtlich ca. 45.000 m² Verkaufsfläche anzusiedeln, sind vor dem Hintergrund der erar- beiteten Ergebnisse auf ihre Konzeptverträglichkeit hin zu prüfen.

1.2 Methodische Vorgehensweise und Primärerhebungen

Die Untersuchung basiert auf folgenden Erhebungen und Datenquellen:

Betriebsstättenerhebung in der Stadt Bingen

Im November 2013 wurde von der BBE eine Vollerhebung aller Einzelhandelsbetriebe1 durchge- führt. Dabei wurden die Verkaufsflächen der Betriebe nach 32 Warengruppen differenziert erho- ben. Darüber hinaus wurden in der Innenstadt sowie in den Stadtteilen Büdesheim und Binger- brück die sonstigen publikumsintensiven Nutzungen (private Dienstleistungen, Gastronomie, öf- fentliche Einrichtungen) und die leerstehenden Ladenlokale kartografisch dokumentiert. Unter Be- achtung der standortbezogenen Rahmenbedingungen sowie der branchen- und betriebsformen- spezifischen Leistungskennziffern wurden Sortimente, Verkaufsflächen und Umsatzleistung der Einzelhandelsbetriebe erhoben bzw. eingeschätzt.

Bürgerbefragung

Die BürgerInnen der Stadt Bingen wurden im Januar/ Februar 2014 zu ihrem Einkaufsverhalten sowie zu ihren Anregungen und Wünschen zur Weiterentwicklung der Einkaufsstadt Bingen be- fragt. Die Zufallsstichprobe der Telefonbefragung umfasst ca. 500 BürgerInnen.

Weitere Grundlagen

Die Daten zum einzelhandelsrelevanten Kaufkraftpotenzial in der Stadt Bingen wurden von der BBE-Marktforschung ermittelt. Zugrunde gelegt werden die sortimentsbezogenen Kaufkraftkennzif- fern aus der aktuellen Veröffentlichung der MB-Research-Kaufkraft für Sortimente.

1 Als Einzelhandelsbetriebe werden die Betriebe bezeichnet, die Waren ausschließlich oder überwie- gend an Endverbraucher in Verkaufsräumen verkaufen. Dabei werden auch Ladenhandwerksbetrie- be (Bäckereien, Konditoren, Metzgereien) und Apotheken berücksichtigt. Aus der Betrachtung aus- geklammert werden die Betriebe des Kfz-Handels/ -Handwerks, des Handels mit Mineralölerzeugnis- sen (außer größere Verkaufsräume in Tankstellen) und ähnlichen Waren.

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Für die Konzeptentwicklung wurde auf relevante Daten aus sekundärstatistischen Quellen sowie einzelhandelsbezogene Kenndaten der BBE Marktforschung zurückgegriffen. Vorliegende Pla- nungsunterlagen der Stadt Bingen wurden ausgewertet.

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2 Rahmenbedingungen der Einzelhandelsentwicklung

2.1 Siedlungsstruktur und Verkehrsanbindung

Das Mittelzentrum Bingen ist eine große kreisangehörige Stadt im Landkreis Mainz-Bingen und nach Einwohnern eine der größten Städte des Kreises (mit Ingelheim). Die Stadt grenzt im Norden an die Stadt Rüdesheim, im Osten an die Städte und Gemeinden Ingelheim, Gau-Algesheim, und , im Süden an die Gemeinden , , und Grolsheim sowie im Westen an die Gemeinden , Münster-Sarmsheim, Weiler, Trech- tingshausen.

Der landesplanerische Mittelbereich der Stadt Bingen umfasst neben der eigenen Stadt die Ver- bandsgemeinden Rhein-Nahe und -Gensingen.

Die Bundesstraße 9 und die Landesstraßen 419, 417, 414 und 214 stellen die wichtigsten Verkehr- sachsen dar, welche die Stadt mit den benachbarten Städten und Gemeinden sowie den Autobah- nen 60 und 61 verbinden. Die Stadtwerke Bingen am Rhein bieten 7 Stadtbuslinien an. Die Bahn- höfe Bingen (Rhein) Hauptbahnhof, Bingen-Stadt und Bingen-Gaulsheim stellen den Anschluss an den schienengebundenen Nah- und Fernverkehr her (Nahetalbahn, Regionalverkehr entlang der linken Rheinstrecke und einzelne IC- und EC-Züge). Es besteht eine Personen- und Autofährver- bindung nach Rüdesheim.

Die Stadt gliedert sich in die Kernstadt und 7 Stadtteile und entstand in ihrer heutigen Form durch die Eingemeindungen von Büdesheim im Jahre 1929, von Dietersheim, Gaulsheim und Kempten im Jahre 1939, von Bingerbrück im Jahre 1969 sowie von Dromersheim und Sponsheim im Jahre 1972.

Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage am Zusammenfluss von Nahe und Rhein und dem Eintritt des Rheins in das Engtal bestand bereits zur Zeit der Kelten eine Siedlung mit dem Namen „Bin- ge“. Heute ist die Region wirtschaftlich durch den Weinbau der benachbarten Weinanbaugebiete Rheinhessen, Mittelrhein, Nahe und Rheingau sowie durch den Tourismus geprägt.

Die Unternehmen des Dienstleistungs- und Produzierenden Gewerbes sind vor allem in den Ge- werbe- und Industriegebieten Bingen-Ost, Kempten und Scharlachberg ansässig. Der Hafen in Bingen hat in den letzten Jahrzehnten als Standortfaktor deutlich an Bedeutung verloren. Der Gü- terhafen wurde zwischenzeitlich aufgegeben. Der ehemalige Winterhafen wird heute als Yachtha- fen genutzt.

Die Fachhochschule ist aus dem 1897 gegründeten Rheinischen Technikum hervorgegangen und ist seit 1996 eine selbstständige Fachhochschule mit ingenieur- und naturwissenschaftlicher Aus- richtung.

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2.2 Demografische Entwicklung

Die Stadt weist aktuell 26.353 Einwohner auf,2 die sich auf die Kernstadt und 7 weitere Stadtteile verteilen. Die Siedlungsschwerpunkte stellen die Kernstadt und der Stadtteil Büdesheim mit ca. 29 % bzw. 27 % der Einwohner. Als drittgrößter Stadtteil vereinigt Bingerbrück, westlich der Kernstadt gelegen, ca. 12 % der Einwohner auf sich. Die übrigen 30 % der Bevölkerung verteilen sich nahezu gleichmäßig auf die anderen fünf Stadtteile, welche räumlich von der Kernstadt getrennt sind. Da- mit ist die Einwohnerverteilung in starkem Maße auf die Kernstadt und die direkt angrenzenden Stadtteile Büdesheim und Bingerbrück konzentriert.

Abbildung 1: Einwohner der Stadt Bingen nach Stadtteilen

Einwohner

Stadtteil abs. in %

Bingen-Stadt 7.814 29,7 Bingen-Büdesheim 7.171 27,2 Bingen-Dietersheim 1.960 7,4 Bingen-Kempten 1.905 7,2 Bingen-Gaulsheim 1.100 4,2 Bingen-Bingerbrück 3.211 12,2 Bingen-Dromersheim 1.552 5,9 Bingen-Sponsheim 1.640 6,2 Stadt Bingen gesamt 26.353 100,0

Quelle: Stadt Bingen, Stand: 01.11.2013

Im Zeitraum 2002 - 2012 verzeichnete die Stadt eine leicht negative Bevölkerungsentwicklung (ca. - 0,8 %), der eine positive Entwicklung im Landkreis Mainz-Bingen (ca. 3,0 %) entgegensteht. Lan- desweit ist die Bevölkerungszahl um ca. 1,5 % geschrumpft.

Die Bevölkerungsvorausberechnung des Statitischen Landesamtes Rheinland-Pfalz aus dem Jah- re 2010 lässt für die Stadt Bingen bis zum Jahre 2030 eine weiterhin negative Bevölkerungsent- wicklung (ca. – 8,9 %) erwarten. Für den Kreis Mainz-Bingen wird für diesen Zeitraum eine positive Bevölkerungsentwicklung (ca. + 0,8 %) prognostiziert, während landesweit ein Bevölkerungsrück- gang (ca. – 5,8 %) erwartet wird.

2 Quelle: Stadt Bingen, Stand: 01.11.2013

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2.3 Einzelhandelsrelevantes Nachfragevolumen in der Stadt Bingen

Zur Berechnung des einzelhandelsrelevanten Nachfragevolumens werden die privaten Ver- brauchsausgaben zugrunde gelegt, die wiederum aus dem verfügbaren Einkommen abzüglich der Sparquote resultieren. Von den privaten Verbrauchsausgaben im gesamten Bundesgebiet sind demnach aktuell pro Jahr und Kopf insgesamt 6.205 € einzelhandelsrelevant.3

Die MB-Research-Kaukraftkennziffern weisen für die Stadt aktuell ein einzelhandelsrelevantes Kaufkraftniveau von 103,2 % aus. Im Landkreis Mainz-Bingen liegen die Kaufkraftkennziffern weit- gehend über dem deutschen Durchschnitt (vgl. Abbildung 2). Die Kaufkraftkennziffern der benach- barten Mittelzentren und Rüdesheim sind leicht unterdurchschnittlich.

Abbildung 2: Einzelhandelsrelevantes Kaufkraftniveau in der Stadt Bingen und in Nachbarkommunen

129,1

109,7 108,0 103,2 100,0 100,0 98,6 96,6

Quelle: MBR-Kaufkraftkennziffern 2011

Für die Stadt Bingen ergeben sich unter Beachtung des überdurchschnittlichen Kaufkraftniveaus jährliche Pro-Kopf-Ausgaben in Höhe von 6.402 €. Multipliziert mit der Einwohnerzahl lässt sich ein einzelhandelsrelevantes Kaufkraftpotenzial in der Stadt in Höhe von aktuell 168,7 Mio. € errechnen (vgl. Abbildung 3).

3 Quelle: BBE-Marktforschung; unberücksichtigt bleiben die Ausgaben für Kraftfahrzeuge, Brennstoffe und Reparaturen.

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Abbildung 3: Einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Ausgaben in der Stadt Bingen

Deutschland Stadt Bingen

Pro-Kopf- Pro-Kopf- Kaufkraftpotenzial Ausgaben Ausgaben in Mio. € Sortiment in € in €

Nahrungs- und Genussmittel 2.278 2.314 61,0 Drogerie-, Parfümerie, Kosmetikwaren 297 304 8,0 Apothekenwaren 614 648 17,1 Sanitätsbedarf, mediz., orthop. Artikel, Hörgeräte 48 51 1,3 Blumen 71 73 1,9 Tierfutter, Heimtierzubehör, leb. Tiere 47 48 1,3 Bekleidung, Wäsche 504 529 13,9 Schuhe 102 106 2,8 Lederwaren 24 26 0,7 Sport-, Campingartikel 89 90 2,4 Bücher, Zeitschriften 96 100 2,6 Papier-, Büro-, Schreibwaren (PBS) 126 131 3,4 Spielwaren, Hobby, Musikinstrumente 49 50 1,3 Möbel, Küchen 304 316 8,3 GPK*, Haushaltswaren, Geschenkartikel 96 100 2,6 Haus-, Tisch-, Bettwäsche 33 34 0,9 Heimtextilien, Gardinen 27 28 0,7 Bettwaren 23 24 0,6 Lampen und Leuchten 25 26 0,7 Elektrogroßgeräte 87 89 2,4 Elektrokleingeräte 39 40 1,1 Unterhaltungselektronik, Ton-/ Bildträger 134 138 3,6 Computer, Telekommunikation 153 156 4,1 Foto 58 60 1,6 Optik 62 66 1,8 Uhren, Schmuck 56 60 1,6 Bau- und Heimwerkerbedarf 297 307 8,1 Farben, Bodenbeläge, Teppiche 38 39 1,0 Pflanzen, Gartenbedarf 131 135 3,6 Fahrräder, Fahrradzubehör 38 38 1,0 Autozubehör 150 164 4,3 Sonstiger Einzelhandel** 109 112 3,0 Gesamt 6.205 6.402 168,7

* Glas, Porzellan, Keramik ** u. a. Kinderwagen, Antiquitäten, Kunstgegenstände, Bilderrahmen Quelle: BBE-Marktforschung unter Verwendung der sortimentsbezogenen MBR-Kaufkraftkennziffern (Rundungsdiff. mögl.) Seite 11 von 83 Einzelhandelskonzept für die Stadt Bingen

Mit rund 36 % entfällt ein großer Teil des Kaufkraftpotenzials auf die Warengruppe Nahrungs- und Genussmittel. Addiert man die Sortimente Drogerie-, Parfümeriewaren sowie Apotheken und Sani- tätsartikel hinzu, entfallen rd. 52 % des einzelhandelsrelevanten Kaufkraftpotenzials auf die nah- versorgungsrelevanten Sortimente.

Für die Leitbranchen Bekleidung/ Schuhe und Sport sowie Unterhaltungselektronik/ Elektrowaren stehen im Stadtgebiet insgesamt ca. 32,5 Mio. € (ca. 20 %) zur Verfügung. Die jährlichen Ausga- ben für Bau- und Gartenbedarf sowie Möbel und Einrichtungszubehör summieren sich auf ca. 29,8 Mio. € (ca. 17 %), die sonstigen Warengruppen umfassen ca. 19,0 Mio. € bzw. ca. 11 % des Ge- samtvolumens (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Einzelhandelsrelevantes Kaufkraftpotenzial nach Sortimenten

Gesamt 168,7 Mio. € sonstige Sortimente** 19,0 Mio. € 11% Nahrungs- und Genussmittel 61,0 Mio. € Möbel, Einrichtungsbedarf* 13,8 Mio. € 8% 36%

9% Bau-/ Gartenbedarf, Blumen, Zoo 15,9 Mio. € 8%

5% Unterhaltungselektronik, 12% Computer, Elektrowaren, Foto 11% 12,8 Mio. € Drogerie, Parfümerie, Kosmetik 8,0 Mio. € Bekleidung, Schuhe, Sport Apotheken, Sanitätsartikel 19,8 Mio. € 18,4 Mio. €

* Glas, Porzellan, Keramik, Haushaltsgegenstände, Haus- und Heimtextilien/ Gardinen, Bettwaren, Leuchten, Lampen ** Bücher, Zeitschriften, Schreib- und Spielwaren, Optik, Uhren, Schmuck, Fahrräder, Autozubehör, Kinderwagen, Kunst Quelle: BBE-Marktforschung unter Verwendung der MBR-Kaufkraftkennziffern

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2.4 Regionale Wettbewerbssituation

Die Stadt Bingen ist einem relativ starken regionalen Wettbewerb ausgesetzt. Wichtige Wettbe- werbsstandorte stellen die umliegenden Mittelzentren Bad Kreuznach und Ingelheim sowie das Oberzentrum Mainz dar. Großflächiger Einzelhandel konzentriert sich darüber hinaus auch in der Ortsgemeinde Gensingen.

Das Standortgefüge des Mittelzentrums Bad Kreuznach gliedert sich in die Innenstadt von Bad Kreuznach und die Gewerbegebietslagen Bosenheimer Straße/ Schwabenheimer Weg und Main- zer Straße. Nach dem Einzelhandelsgutachten4 weist die Stadt Bad Kreuznach eine Einzelhan- delszentralität von rd. 197 % auf, so dass der Gesamtumsatz fast doppelt so hoch ist wie das vor Ort vorhandene Kaufkraftpotenzial. Somit sind per Saldo deutliche Kaufkraftzuflüsse festzustellen. Die Einzelhandelszentralität ist für ein Mittelzentrum als überdurchschnittlich einzustufen.

Als Magnetbetriebe fungieren in der Bad Kreuznacher Innenstadt die größeren Betriebe Galeria Kaufhof, Stenger Mode & Textilcentrum, Boecker, C & A, H & M, Olymp & Hades, Drogerie Müller und Adler Modemarkt. Die strukturprägenden Lebensmittelanbieter konzentrieren sich in der Stadt Bad Kreuznach auf die Gewerbegebietslage Schwabenheimer Weg/ Bosenheimer Straße, in der sich neben den beiden SB-Warenhäusern Real (zukünftig Kaufland) und E-Center mehrere Le- bensmittel-Discounter befinden. Auch bei den sonstigen Sortimenten liegen umfangreiche Ver- kaufsflächen in den dezentralen Standortlagen der Stadt vor (u. a. Decathlon, Takko, Deichmann, Shoe 4 You, Siemes Schuhcenter, Rofu Kinderland, Expert Klein, Möbel Mayer, Bauhaus, Hela, OBI, Hammer, Dänisches Bettenlager, Tedox), so dass in der Stadt Bad Kreuznach insgesamt ein umfassendes Einzelhandelsangebot vorzufinden ist.

Die Ortsgemeinde Gensingen liegt südlich von Bingen. Regional ausstrahlende Einzelhandels- angebote befinden sich im Gewerbegebiet „Am Kieselberg“ (u. a. Globus-SB-Warenhaus sowie Baumarkt, Aldi, Lidl, Schuh-Sport-Palast, Takko, Deichmann und S´Oliver). Eine weitere Ausdeh- nung der Einzelhandelsangebote im Gewerbegebiet wird von der Kommune derzeit angestrebt.

Die Stadt Ingelheim grenzt östlich an die Stadt Bingen. Das Stadtzentrum erstreckt sich entlang der Binger Straße und der Bahnhofstraße. Als wichtigste innerstädtische Betriebe sind u. a. C & A, Jeans Fritz, Drogerie Müller und Woolworth zu nennen. Das EKZ „Nahering“ stellt die größte zu- sammenhängende Einzelhandelsagglomeration in Ingelheim dar. Es sind überwiegend größere

4 Quelle: GMA, Einzelhandelskonzeption der Stadt Bad Kreuznach – Leitlinien zur Einzelhandelsent- wicklung, 2010

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bzw. großflächige Betriebe in dem Sondergebiet ansässig (u. a. Real, dm, Boecker, Kik, Baby One, Möbel Schwaab, Dänisches Bettenlager).

Das Oberzentrum Mainz wies im Jahre 20125 eine Einzelhandelsausstattung mit ca. 1.320 Betrie- ben und ca. 334.000 m² Verkaufsfläche auf. Die einwohnerbezogene Verkaufsflächenausstattung betrug damit ca. 1,7 m² und ist für ein Oberzentrum als unterdurchschnittlich zu bewerten. Zwi- schenzeitlich wurde u. a. das Möbelhaus Martin in Mainz-Hechtsheim eröffnet (ca. 45.000 m² Ver- kaufsfläche), so dass sich die Flächenbilanz positiv entwickelt hat.

Die Stadt Mainz verfügt über differenzierte Stadtteil- und Nahversorgungsstrukturen. Die regionale Ausstrahlung resultiert vor allem aus der Innenstadt (ca. 630 Betriebe und ca. 126.000 m² Ver- kaufsfläche). Wichtige Magnetbetriebe sind Galeria Kaufhof, Karstadt, P & C, C & A, H & M, Zara, Sport Fink, Baby Walz, Saturn und Buchhandlung Hugendubel. An der Ludwigstraße ist die An- siedlung eines innerstädtischen ECE-Einkaufszentrums mit ca. 26.500 m² Verkaufsfläche vorgese- hen.

Darüber hinaus bestehen Sondergebiete für überwiegend nicht-innenstadtrelevanten großflächigen Einzelhandel (u. a. in Mombach, Bretzenheim, Weisenau und Hechtsheim).

5 Quelle: Junker und Kruse, Einkaufsstandort Ludwigstraße, 2012

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3 Einzelhandelssituation in der Stadt Bingen

3.1 Einzelhandelsausstattung nach Stadtteilen

In der Stadt Bingen sind 214 Einzelhandels- und Ladenhandwerksbetriebe ansässig, die insgesamt über eine Verkaufsfläche von ca. 40.000 m² verfügen und einen Umsatz in Höhe von ca. 145,0 Mio. € erwirtschaften.

Abbildung 5: Verkaufsflächen und Umsätze in der Stadt Bingen nach Stadtteilen

Betriebe Verkaufsfläche Umsatz Einwohner

Stadtteil abs. in % in m² in % in Mio. € in % abs. in %

Bingen-Stadt 132 61,7 15.840 39,6 61,1 42,1 7.814 29,6 Büdesheim 49 22,9 20.560 51,4 64,9 44,8 7.171 27,2 Dietersheim/ Spons- 6 2,8 560 1,4 1,4 1,0 3.600 13,6 heim Kempten/ Gaulsheim 9 4,2 300 0,7 4,4 3,0 3.005 11,4 Bingerbrück 14 6,5 2.580 6,5 12,1 8,3 3.211 12,2 Dromersheim 4 1,9 160 0,4 1,1 0,8 1.552 5,9 Stadt Bingen gesamt 214 100,0 40.000 100,0 145,0 100,0 26.353 100,0

Quelle: BBE-Erhebungen (Rundungsdifferenzen möglich)

Zur Bewertung der Versorgungsstruktur der Stadt Bingen ist u. a. die Relation zwischen der Ein- zelhandelsverkaufsfläche und der Einwohnerzahl heranzuziehen. Es ergibt sich ein Dichtewert (Arealitätsziffer) von 1,5 m² je Einwohner. Damit entspricht die Flächenausstattung dem deutschen Durchschnittswert, ist jedoch für ein Mittelzentrum relativ gering, so dass nur eine eingeschränkte übergemeindliche Versorgungsbedeutung ablesbar ist.

Der räumliche Schwerpunkt des Einzelhandelsangebotes liegt in der Innenstadt (Stadtteil Bingen- Stadt) und auf dem Scharlachberg-Gelände (Stadtteil Büdesheim). Die sonstigen Stadtteile verfü- gen über eine ausschnittweise Einzelhandelsausstattung (u. a. Bäckerei, Metzgerei, Getränke in Kempten, Gaulsheim, Dromersheim und Sponsheim). Einzig im Stadtteil Bingerbrück ist eine um- fassendere Nahversorgung (u. a. auch mit Lebensmittelmärkten) vorhanden.

Der Einzelhandelsbesatz umfasst 10 großflächige Betriebe (> 800 m² Verkaufsfläche) mit insge- samt ca. 19.550 m² Verkaufsfläche. Dabei handelt es sich um sechs Lebensmittelmärkte und je- weils ein Warenhaus, einen Bekleidungsanbieter, einen Bau- und Heimwerkermarkt sowie einen Sonderpostenmarkt. Zwei großflächige Betriebe sind der Innenstadt und sechs großflächige Be- triebe sind dem Geschäftsbereich Scharlachberg zugeordnet, so dass sich die großflächigen Be- triebe überwiegend auf Standorte innerhalb des Stadtgebietes konzentrieren, an denen sie eine

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angemessene Magnetfunktion übernehmen können. Darüber hinaus sind zwei Großflächen an nahversorgungsbezogenen Standorten außerhalb von Verbundstandorten ansässig (Kernstadt und Bingerbrück).

Abbildung 6: Verteilung der Einzelhandelsbetriebe in der Stadt Bingen

Quelle: BBE-Erhebungen

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Mit einem Flächenanteil des großflächigen Einzelhandels von 49 % an der Gesamtverkaufsfläche der Stadt ist - unter Berücksichtigung der Versorgungsfunktionen als Mittelzentrum - eine ver- gleichsweise geringe Ausstattung mit großflächigen Betrieben abzulesen.6 Dies resultiert vor allem aus dem geringen Flächenangebot im Lebensmittelangebot, bei innerstädtischen Magnetbetrieben sowie im Möbel- und Einrichtungsbedarf.

3.2 Einzelhandelsausstattung nach Sortimenten

Die Einzelhandelsausstattung der Stadt Bingen weist verkaufsflächenbezogene Angebotsschwer- punkte bei den Warengruppen Nahrungs- und Genussmittel, Bau- und Heimwerkerbedarf (inkl. Pflanzen, Blumen, Zooartikel) sowie Bekleidung/ Schuhe/ Sport auf (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7: Verkaufsflächen und Umsätze in der Stadt Bingen nach Sortimenten

26% Nahrungs- und Genussmittel 39%

5% Drogerie, Kosmetik, Parfümerie 6%

1% Apotheken, Sanitätsartikel 14%

19% Bekleidung, Schuhe, Sport 14%

4% Unterhaltungselektronik, Computer, Elektro, Foto 4%

23% Bau-/ Gartenbedarf, Blumen, Zoobedarf 10%

14% Möbel, Einrichtungsbedarf* 5%

9% sonstige Sortimente** 9%

Verkaufsfläche Umsatz

* Glas, Porzellan, Keramik, Haushaltsgegenstände, Haus- und Heimtextilien/ Gardinen, Bettwaren, Leuchten, Lampen ** Bücher, Zeitschriften, Schreib- und Spielwaren, Optik, Uhren, Schmuck, Fahrräder, Autozubehör, Kinderwagen, Kunst Quelle: BBE-Erhebungen (Rundungsdifferenzen möglich)

6 Zum Vergleich: In Städten vergleichbarer Größe und Zentralität liegt der Verkaufsflächenanteil großflächiger Einzelhandelsbetriebe bei ca. 55 – 65 %.

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Der höchste sortimentsbezogene Umsatzanteil wird bei den Nahrungs- und Genussmitteln er- zielt. Prägend sind die Supermärkte Rewe am Scharlachberg sowie Edeka in der Vorstadt und in Bingerbrück. Daneben besteht eine räumliche Konzentration von Lebensmitteldiscountern am Scharlachberg (Aldi, Lidl und Netto) sowie ein isoliert gelegener Netto-Markt in Bingerbrück. Eine kleinteilige Grundversorgung, vor allem durch das Lebensmittelhandwerk (insb. Bäckereien, Metz- gereien) und den kleinteiligen Lebensmitteleinzelhandel (u. a. Getränkehandel/ Kiosk), ergänzt darüber hinaus die Nahversorgung in allen Stadtteilen.

Das Ausstattungsniveau bei Lebensmittel-SB-Märkten/ -Geschäften liegt in der Stadt Bingen aktu- ell mit rd. 0,33 m² Verkaufsfläche je Einwohner deutlich unter dem bundesdurchschnittlichen Ni- veau (ca. 0,41 m² Verkaufsfläche je Einwohner; vgl. Abbildung 8).7 Betriebstypenbezogen ist vor allem ein Angebotsdefizit bei den Lebensmittelvollsortimentern (Supermärkten/ SB-Warenhäuser) festzustellen. Die Discountmarktausstattung ist als durchschnittlich zu bewerten. Damit sind u. a. starke Wettbewerbswirkungen aufgrund des großmaßstäblichen Angebotes in der Nachbarge- meinde Gensingen abzulesen.

Abbildung 8: Lebensmittelangebot der Stadt Bingen nach Betriebsformen

Stadt Bingen Bundesdurchschnitt (26.353 EW) (81.751.600 EW) Verkaufsfläche Arealität Verkaufsfläche Arealität Vertriebstypen in m² in VKF m²/EW in Mio. m² in VKF m²/EW

SB-Warenhäuser (> 5.000 m² VKF) - - 6,30 0,08

Große Supermärkte (2.500 – 5.000 m² VKF) - - 3,40 0,04

Supermärkte (400 – 2.500 m² VKF) 4.700 0,18 9,55 0,12

Discounter 4.090 0,15 11,70 0,14

sonstige LE-Geschäfte (SB-Läden, SB-Märkte) - - 2,90 0,03

Summe 8.790 0,33 33,85 0,41

Quelle: EHI Handelsdaten (Stand: 2010), Eigene Berechnungen (Rundungsdifferenzen möglich)

Darüber hinaus ist eine differenzierte Ausstattung mit kleinteiligen Nahrungs- und Genussmittelan- geboten (u. a. Bäckereien, Metzgereien, Obst- und Gemüsegeschäften/ Hofläden, Getränkehandel/ Kiosk) gegeben, die sich auf 62 Betriebe mit ca. 2.600 m² Lebensmittelverkaufsfläche beziehen.

Der Nahversorgung dienen darüber hinaus die Angebotsbereiche Drogerie/ Parfümerie/ Kosme- tik sowie Pharmazie. Der Drogeriebereich ist durch zwei Drogeriemärkte sowie die Drogerieabtei-

7 Ohne Ladenhandwerk, Fachgeschäfte, Getränkemärkte

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lungen der Lebensmittelmärkte und damit nur eingeschränkt bedarfsgerecht ausgestattet. Die In- nenstadt weist zwei Kosmetik- bzw. Parfümerieanbieter auf. Die Apothekenausstattung ist mit 9 Betrieben im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt überdurchschnittlich8 und verdeutlicht eine über- gemeindliche Versorgungsbedeutung im medizinischen Bereich.

Im Angebotssegment Bekleidung, Schuhe und Sport weist die Stadt ein begrenztes, jedoch leis- tungsfähiges Angebot auf. Der einzige größere Bekleidungsanbieter Charles Vögele kann Magnet- funktionen übernehmen. Darüber hinaus sind in der Innenstadt 32 weitere kleinere Fachgeschäfte/ Fachmärkte ansässig, so dass ein differenziertes Angebot unterschiedlicher Angebotsniveaus und Zielgruppenbezüge vorhanden ist. Am Standort Scharlachberg sind 2 Fachmärkte (Bekleidung und Schuhe) ansässig, so dass dem Standort eine ergänzende Versorgungsfunktion beizumessen ist. Im sonstigen Stadtgebiet (Büdesheim und Bingerbrück) ist nur ein geringes Angebot im Bereich Bekleidung und Schuhe festzustellen.

Ein hoher Verkaufsflächenanteil entfällt auf den Bau- und Heimwerkerbedarf (ca. 23 % der Ver- kaufsfläche, inkl. Blumen, Pflanzen und Tierbedarf). Die Umsatzleistung beläuft sich auf ca. 10 % des Binger Einzelhandelsumsatzes, so dass eine im Vergleich der Sortimente relativ geringe Flä- chenleistung zu erkennen ist, da eine flächenintensive Warenpräsentation prägend ist. Wesentli- cher Anbieter ist der Toom Bau- und Heimwerkermarkt. Darüber hinaus sind nur wenige kleinere Fachhändler sowie Blumengeschäfte und ein Zoofachmarkt vorhanden. Im Angebotssegment Gar- tenbedarf/ Pflanzen ist kein größerer Anbieter ansässig.

Im Bereich Möbel und Einrichtungsbedarf wird das Angebot vorwiegend durch kleinere Einrich- tungsfachgeschäfte geprägt, die ein begrenztes, auf bestimmte Zielgruppen spezialisiertes Ange- bot aufweisen. Der größte Anbieter ist der Heimtextilien-Fachmarkt Dänisches Bettenlager am Scharlachberg, während kein größeres Einrichtungshaus in Bingen ansässig ist. Ein umfangrei- ches Angebot ist dagegen im Bereich Glas/ Porzellan/ Keramik/ Haushaltswaren gegeben. Neben preisorientierten Fachmarktangeboten ist eine Vielzahl von innerstädtischen Fachgeschäften mit einem Spezialangebot vorhanden. Lampen/ Leuchten werden von einem innerstädtischen Fachge- schäft und als Randsortiment des Baumarktes angeboten.

Das Angebot mit Elektrowaren, Unterhaltungselektronik, Computern, Kommunikation und Foto wird durch drei Elektrofachgeschäfte, drei Mobilfunkshops und zwei Fotofachgeschäfte in der Innenstadt und weiteren zwei Elektrofachgeschäften im sonstigen Stadtgebiet geprägt.

8 In der Stadt Bingen liegt die Apothekendichte bei einer Apotheke für 2.900 Einwohner. Im Bundes- durchschnitt wird ein Wert von ca. 3.800 Einwohnern je Apotheke erreicht (Quelle: APDA-Statistik 2011). Die Apothekendichte hängt jedoch auch wesentlich von der Zahl ortsansässiger Ärzte ab.

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Die sonstigen Sortimente beziehen sich vor allem auf kleinteilige Betriebe in den Sortimentsbe- reichen Bücher/ Zeitschriften, Schreib- und Spielwaren, Optik, Uhren/ Schmuck, Fahrräder und Au- tozubehör, die eine ausschnittweise Versorgung der Bevölkerung der Stadt Bingen sicherstellen können.

Abbildung 9: Verkaufsflächen und Umsätze in der Stadt Bingen nach Sortimenten

Verkaufsfläche Umsatz

Sortiment in m² in % in Mio. € in %

Nahrungs- und Genussmittel 10.270 25,7 56,9 39,2 Drogerie-, Parfümerie, Kosmetikwaren 1.940 4,9 8,4 5,8 Apothekenwaren, Sanitätsbedarf, mediz., orthop. 540 1,3 20,5 14,1 Artikel, Hörgeräte Bekleidung, Wäsche 5.480 13,7 14,5 10,0 Schuhe, Lederwaren 1.330 3,3 3,4 2,4 Sport-, Campingartikel 620 1,6 1,7 1,2 Bücher, Zeitschriften 290 0,7 1,3 0,9 Papier-, Büro-, Schreibwaren (PBS) 610 1,5 1,8 1,2 Spielwaren, Hobby, Musikinstrumente 670 1,7 1,2 0,8 Möbel, Küchen 850 2,1 1,3 0,9 GPK*, Haushaltswaren, Geschenkartikel 3.020 7,5 2,6 1,8 Haus-, Tisch-, Bettwäsche 400 1,0 0,6 0,4 Heimtextilien, Gardinen 780 2,0 0,7 0,5 Bettwaren 370 0,9 0,4 0,3 Lampen und Leuchten 290 0,7 1,0 0,7 Elektrohaushaltsgeräte 810 2,0 2,6 1,8 Unterhaltungselektronik, Computer, Telekom., Foto 760 1,9 3,4 2,3 Optik, Uhren, Schmuck 820 2,0 4,1 2,8 Bau- und Heimwerkerbedarf, Bodenbeläge, Teppi- 7.580 19,0 9,7 6,7 che Blumen, Pflanzen, Gartenbedarf 970 2,5 3,1 2,2 Tierfutter, Heimtierzubehör, leb. Tiere 520 1,3 1,2 0,8 Fahrräder, Fahrradzubehör 340 0,9 0,7 0,5 Autozubehör 540 1,3 3,3 2,3 Sonstiger Einzelhandel** 200 0,5 0,6 0,4 Gesamt 40.000 100,0 145,0 100,0

* Glas, Porzellan, Keramik ** u. a. Kinderwagen, Antiquitäten, Kunstgegenstände, Bilderrahmen Quelle: BBE-Erhebungen (Rundungsdifferenzen möglich)

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Im Zeitraum 2010 – 2013 ist ein Rückgang des Einzelhandelsangebotes um 33 Betriebe und der Verkaufsfläche um ca. 3.000 m² Verkaufsfläche festzustellen.9 Damit sind vor allem kleinere Ge- schäfte geschlossen worden. Sortimentsbezogen ist vor allem die Schließung der Schlecker-/ Ihr Platz-Märkte ablesbar.

Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass sich das Einzelhandelsangebot der Stadt Bingen durch ein sehr kleinteiliges Angebot in der Innenstadt auszeichnet, während z. Z. nur ein größerer Bekleidungsanbieter Magnetfunktionen übernehmen kann.10 Neben der Innenstadt kommt insbe- sondere dem Fachmarktzentrum Scharlachberg eine gesamtstädtische und teilweise übergemeind- liche Versorgungsbedeutung zu. Die Versorgungsstrukturen in den Stadtteilen beziehen sich vor allem auf die Grundversorgung.

3.3 Einzelhandelszentralität

Aufbauend auf den Ergebnissen der Angebots- und Nachfrageanalyse lässt sich die funktionale Bedeutung des Einzelhandels mit Hilfe der Einzelhandelszentralität bewerten, die auch Aussagen zur Versorgungsbedeutung des Einzelhandels zulässt. Die Umsatz-Kaufkraft-Relation stellt das Verhältnis zwischen den erwirtschafteten Umsätzen des Binger Einzelhandels und dem Kaufkraft- potenzial der Binger Bevölkerung dar. Für die Stadt Bingen liegt die Umsatz-Kaufkraft-Relation bei ca. 86 %, so dass der erwirtschaftete Gesamtumsatz das vorhandene Kaufkraftpotenzial um ca. 14 %-Punkte unterschreitet und somit per Saldo ca. 23,7 Mio. € Binger Kaufkraft ins Umland ab- fließen.

Die Umsatz-Kaufkraft-Relationen nach Sortimenten lassen Rückschlüsse auf die Stärken und Schwächen des Einzelhandelsangebotes in der Stadt Bingen in Verbindung mit der regionalen Wettbewerbssituation zu (vgl. Abbildung 10 und Abbildung 11).

9 Vgl. CIMA, Marktanalyse und Nachnutzungskonzept Hertie-Gebäude Bingen am Rhein, 2010

10 Das Binger Kaufhaus kann aktuell keine positive Sogwirkung für die Innenstadt entfalten. Es steht kurz vor der Schließung.

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Abbildung 10: Umsatz-Kaufkraft-Relation im Überblick

Nahrungs- und Genussmittel 93%

Drogerie, Kosmetik, Parfümerie 105%

Apotheken, Sanitätsartikel 111%

Bekleidung, Schuhe, Sport 99%

Unterhaltungselektronik, Computer, Elektro, Foto 47%

Bau-/ Gartenbedarf, Blumen, Zoobedarf 88%

Möbel, Einrichtungsbedarf* 48%

sonstige Sortimente** 68%

gesamt 86%

0% 100%

* Glas, Porzellan, Keramik, Haushaltsgegenstände, Haus- und Heimtextilien/ Gardinen, Bettwaren, Leuchten, Lampen ** Bücher, Zeitschriften, Schreib- und Spielwaren, Optik, Uhren, Schmuck, Fahrräder, Autozubehör, Kinderwagen, Kunst Quelle: Eigene Berechnungen

Im Bereich der Nahrungs- und Genussmittel kann der Einzelhandel in der Stadt Bingen die örtliche Kaufkraft nur teilweise binden. Damit kommt zum einen die regionale Wettbewerbssituation, zum anderen jedoch auch die relativ geringe Ausstattung mit Lebensmittelvollsortimentern zum Aus- druck. Im Bereich der Drogerie- und Parfümeriewaren liegt die Umsatz-Kaufkraft-Relation leicht über 100 %, so dass das Angebot der mittelzentralen Versorgungsbedeutung weitgehend gerecht wird. Gleiches gilt auch für das gesundheitsbezogene Einzelhandelsangebot, das einen Bedeu- tungsüberschuss der Stadt in diesem Segment aufzeigt.

Bei den innerstädtischen Leitsortimenten (vor allem Bekleidung, Schuhe, Sport) steht die Stadt Bingen in starkem regionalen Wettbewerb. Aufgrund des eingeschränkten Angebotes der Innen- stadt können zur Zeit per Saldo keine erheblichen Kaufkraftzuflüsse generiert werden. Eine be- grenzte Versorgungsqualität besteht auch bei den Sortimenten Bücher, Schreib- und Spielwaren, Unterhaltungselektronik/ Elektrowaren sowie Fahrrädern. Dagegen wird das Angebot von einzel- nen leistungsfähigen Anbietern in den Bereichen Lampen, Leuchten sowie Bau- und Heimwerker- bedarf geprägt. Bei Optik, Uhren/ Schuck übernimmt die Stadt auch einen Bedeutungsüberschuss, bei GPK/ Haushaltswaren ist eine angemessene Versorgungsbedeutung ablesbar. Dagegen sind Angebotsdefizite im Gartenbedarf und bei Möbeln und dem sonstigen Einrichtungsbedarf ablesbar.

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Abbildung 11: Umsatz-Kaufkraft-Relation und Kaufkraftsaldo

Umsatz- Kaufkraft- Kaufkraft Umsatz Kaufkraft- saldo in Mio. € in Mio. € Sortiment Relation in % in Mio. €

Nahrungs- und Genussmittel 61,0 56,9 93 -4,1 Drogerie-, Parfümerie, Kosmetikwaren 8,0 8,4 105 0,4 Apothekenwaren, Sanitätsbedarf, mediz., orthop. 18,4 20,5 111 2,1 Artikel, Hörgeräte Bekleidung, Wäsche 13,9 14,5 104 0,6 Schuhe, Lederwaren 3,5 3,4 97 -0,1 Sport-, Campingartikel 2,4 1,7 71 -0,7 Bücher, Zeitschriften 2,6 1,3 50 -1,3 Papier-, Büro-, Schreibwaren (PBS) 3,4 1,8 53 -1,6 Spielwaren, Hobby, Musikinstrumente 1,3 1,2 92 -0,1 Möbel, Küchen 8,3 1,3 16 -7,0 GPK*, Haushaltswaren, Geschenkartikel 2,6 2,6 100 0,0 Haus-, Tisch-, Bettwäsche 0,9 0,6 67 -0,3 Heimtextilien, Gardinen 0,7 0,7 100 0,0 Bettwaren 0,6 0,4 67 -0,2 Lampen und Leuchten 0,7 1,0 143 0,3 Elektrohausgeräte 3,5 2,6 74 -0,9 Unterhaltungselektronik, Computer, Telekom., Foto 9,3 3,4 37 -5,9 Optik, Uhren, Schmuck 3,4 4,1 121 0,7 Bau-/ Heimwerkerbedarf, Bodenbeläge, Teppiche 9,1 9,7 107 0,6 Blumen, Pflanzen, Gartenbedarf 5,5 3,1 56 -2,4 Tierfutter, Heimtierzubehör, leb. Tiere 1,3 1,2 92 -0,1 Fahrräder, Fahrradzubehör 1,0 0,7 70 -0,3 Autozubehör 4,3 3,3 77 -1,0 Sonstiger Einzelhandel** 3,0 0,6 20 -2,4 Gesamt 168,7 145,0 86 -23,7

* Glas, Porzellan, Keramik ** u. a. Kinderwagen, Antiquitäten, Kunstgegenstände, Bilderrahmen Quelle: Eigene Berechnungen (Rundungsdifferenzen möglich)

Im Fazit ist somit festzuhalten, dass die Stadt Bingen als Mittelzentrum zur Zeit keine angemesse- ne Einzelhandelsversorgung bereitstellt. Angebotsergänzungen sind vor allem in der Nahversor- gung notwendig (vgl. auch Kap. 7). Zur Weiterentwicklung der Innenstadt ist insbesondere eine Stärkung der Angebotssegmente Bekleidung, Schuhe und Sport durch ergänzende Angebotsfor- mate wünschenswert (vgl. auch Kap 5.2). Im Marktsegment Möbel- und Einrichtungsbedarf sind vor dem Hintergrund der regionalen Wettbewerbssituation Entwicklungspotenziale ablesbar. Das Angebot bei Elektrowaren/ Unterhaltungselektronik, Büchern, Schreib- und Spielwaren ist nicht op-

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timal aufgestellt, steht jedoch in starken Wettbewerb mit dem Online-Handel, so dass nur Entwick- lungspotenziale vor allem in einem innerstädtischen Gesamtkonzept bestehen. Im Bau- und vor al- lem Gartenangebot ist eine Weiterentwicklung des Versorgungsangebotes sinnvoll.

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4 Nachfrageanalyse

4.1 Einkaufsorientierung der Binger Bürger

Im Rahmen einer telefonischen Haushaltsbefragung wurden im Januar/ Februar 2014 insgesamt 505 BürgerInnen per Zufallsstichprobe ausgewählt und nach ihren bevorzugten Einkaufsorten für einzelne Sortimente und der Einkaufshäufigkeit an ausgewählten Standorten befragt.

Die Einkaufsstadt Bingen weist bei den abgefragten Sortimenten Lebensmittel, Drogeriewaren so- wie Bau- und Heimwerkerbedarf eine hohe Akzeptanz bei der Binger Bevölkerung auf (Einkaufs- orientierung nach Bingen ca. 71 – 85 %). Eine regionale Einkaufsorientierung ist bei Bekleidung/ Schuhen, Unterhaltungselektronik sowie vor allem bei Wohnmöbeln abzulesen, die sich vorrangig auf das Mittelzentrum Bad Kreuznach und das Oberzentrum Mainz bezieht. Eine relativ hohe Be- deutung kommt dem Internet-/ Versandhandel zu. Dies gilt vor allem für die Angebotssegmente Unterhaltungselektronik (ca. 17 %) sowie Bekleidung/ Schuhe (ca. 9 %). Für den Einkauf von Wohnmöbeln wurde eine Vielzahl von Einkaufsorten in der Region genannt (neben Mainz, Ingel- heim und Bad Kreuznach vor allem Wiesbaden, Hofheim-Wallau, Frankfurt, Kastelaun, Simmern u. a.).

Abbildung 12: Bevorzugte Einkaufsorte

Lebensmittel 83% 12% 2% 12%

Drogeriewaren 85% 10% 3% 6%

Bekleidung/ Schuhe 32% 23% 22% 2%6% 9% 7%

Bau-/ Heimwerkerbedarf 71% 3% 21% 2%5%

Unterhaltungselektronik 33% 31% 13% 2% 17% 2%

Wohnmöbel 2% 12% 31% 23% 6% 26%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Bingen Bad Kreuznach Mainz Gensingen Ingelheim Internet/ Versand sonstige Einkaufsorte

Quelle: BBE-Telefonbefragung (n = 505), in % der Befragten mit Angabe

Innerhalb der Stadt Bingen ist der Fachmarktstandort Scharlachberg der wichtigste Einkaufsort, mit deutlichem Abstand gefolgt von der Innenstadt, die auch bei den innenstadttypischen Sortimenten Seite 25 von 83 Einzelhandelskonzept für die Stadt Bingen

max. nur ein Viertel der Binger als Kunden auf sich ziehen kann. Die sonstigen Stadtteile (vor allem Bingerbrück) übernehmen eine ergänzende Versorgungsbedeutung im Rahmen der Nahversor- gung.

Abbildung 13: Bevorzugte Einkaufsorte in der Stadt Bingen

Lebensmittel 22% 54% 8%

Drogeriewaren 26% 56% 3%

Bekleidung/ Schuhe 25% 6%

Bau-/ Heimwerkerbedarf 7% 63%

Unterhaltungselektronik 19% 13%

Wohnmöbel 1%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Kernstadt Büdesheim/ Scharlachberg sonstige Stadttteile

Quelle: BBE-Telefonbefragung (n = 505), in % der Befragten mit Angabe

Auch die Wohnortdifferenzierung lässt eine starke Dominanz des Geschäftsstandortes Scharlach- berg erkennen, da keine signifikanten Unterschiede in der Einkaufsorientierung ablesbar sind. Selbst die Einwohner der peripheren Stadtteile Sponsheim/ Dromersheim und Kempten/ Gauls- heim sind überwiegend auf den Einkaufsbereich Scharlachberg ausgerichtet, so dass dieser als gesamtstädtisch bedeutsamer Versorgungsstandort zu bewerten ist.

4.2 Weitere innerstädtische Besuchsmotive

Eine positive Besuchswirkung für die Innenstadt haben neben dem Einzelhandel die Gastronomie- angebote. Wichtig sind auch innerstädtische Feste und Veranstaltungen. Von den Befragten wur- den vor allem das Winzerfest, die Veranstaltung „Bingen swingt“ und der Weihnachtsmarkt be- nannt. Zum positiven Image tragen die Rheinpromenade und der Park am Mäuseturm bei. Kulturel- le, freizeit- und gesundheitsbezogene Angebote sind weitere wichtige Besuchsmotive für die Bin-

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ger Innenstadt, so dass insbesondere die Angebotsvielfalt der Innenstadt sich in den Antworten der Befragten wiederspiegeln.

Abbildung 14: Sonstige Anlässe zum Besuch der Binger Innenstadt

Gastronomie 25%

Feste/ Veranstaltungen 22% Rheinpromenade, Park am Mäuseturm, 18% Spazieren gehen

Bummeln, Shoppen 11%

Kultur, Kino, Unterhaltung, Freizeit 8%

Ärzte/ Apotheke 5%

Schule, Stadtbibliothek 3%

Wohnort/ kurze Wege 2%

Sonstiges 7%

Quelle: BBE-Telefonbefragung (n = 503), in % der Nennungen (Mehrfachnennungen möglich)

4.3 Vermisste Angebote

Im Ergebnis lassen die Einkaufsorientierungen und Bewertungen der Binger Bürger nur eine ein- geschränkte Zufriedenheit mit dem Einzelhandelsangebot erkennen. Diese ist auch in den Bürger- wünschen zu Angebotsergänzungen ablesbar. So vermissen fast drei Viertel der Befragten Einzel- handelsangebote in der Stadt Bingen. Aktuell stehen neben dem Wunsch nach einem innerstädti- schen Einkaufszentrum/ Warenhaus die Sortimente Bekleidung, Lebensmittel, Haushaltswaren, Schuhe, Spielwaren und Unterhaltungselektronik im Vordergrund. Dabei geht es im Wesentlichen um eine Diversifizierung des vorhandenen Angebotes durch neue Betriebstypen und spezialisierte Angebote. So wurden im Bereich der Bekleidung u. a. mehr Kinder- und Jugendangebote, geho- bene Mode und Bekleidung für Ältere gewünscht. Auch im Lebensmittelsegment wurden neben der Ansiedlung eines weiteren Lebensmittelmarktes auch eine Ergänzung des Angebotes durch Bä- ckereien/ Metzgereien, ein Fischgeschäft, Gemüse- und Bioanbieter angesprochen.

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Abbildung 15: Vermisste Einzelhandels- und Dienstleistungsangebote in der Stadt Bingen

Bekleidung 26% Lebensmittel 15% Einkaufszentrum/ Warenhaus 13% Haushaltswaren 11% Schuhe 10% Spielwaren 8% Elektrowaren/ Unterhaltungselektronik 5% Gastronomie 2% Drogeriemarkt 1% Vielfalt der Geschäfte 1% Buchhandlung 1% Möbel 1% Schreibwaren 1% Sonstiges 5%

Quelle: BBE-Telefonbefragung (n = 562), in % der Nennungen (Mehrfachnennungen möglich)

4.4 Einkaufshäufigkeit

Die Ergebnisse zur Einkaufshäufigkeit in der Stadt Bingen und anderen Einkaufsstädten der Regi- on verdeutlichen auch, dass die örtliche Bevölkerung nicht nur auf den eigenen Wohnstandort ori- entiert ist. Unter den abgefragten Einkaufsorten der Region werden Gensingen, Bad Kreuznach und Mainz am stärksten aufgesucht, während Ingelheim für zwei Fünftel und Wiesbaden für rund drei Fünftel der Befragten keine Bedeutung als Einkaufsstadt haben (vgl. Abbildung 16).

Die Stadt Bingen weist mit einer wöchentlichen Einkaufsorientierung von ca. 65 % nur einen be- grenzten „Stammkundenanteil“ auf. Die Nachbarstädte übernehmen wichtige Ergänzungsfunktio- nen, die sich auf die Grundversorgung (u. a. Gensingen) und das spezialisierte Nonfood-Angebot beziehen. Die Einkaufsmöglichkeiten in Bad Kreuznach, Ingelheim und Mainz werden von ca. 23 – 36 % der Befragten regelmäßig genutzt (Einkauf wöchentlich/ monatlich). Dagegen strahlt Wiesba- den als Einkaufsstadt nur in geringem Maße auf die Binger Befragten aus.

Tendenziell ist für alle auswärtigen Einkaufsorte eine höhere Einkaufshäufigkeit bei den jüngeren Befragten festzustellen. Entsprechend bundesweiter Erfahrungswerte nimmt die Einkaufsmobilität

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mit zunehmendem Alter auch bei den Befragten in der Stadt Bingen ab. Das gilt insbesondere für die Bevorzugung des Einkaufs in Mainz durch die jüngeren Kunden, während Bad Kreuznach auch stärker von den älteren Befragten aufgesucht wird.

Abbildung 16: Einkaufshäufigkeit an ausgewählten Standorten

Bingen 65% 21% 12% 2%

Gensingen 27% 32% 16% 26%

Ingelheim 6% 22% 33% 39%

Bad Kreuznach 3% 33% 37% 27%

Mainz 3% 20% 48% 28%

Wiesbaden 1% 7% 34% 58%

min. 1 x/ Woche min. 1 x/ Monat seltener nie

Quelle: BBE-Telefonbefragung (n= 505), in % der Befragten mit Angabe

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5 Standortanalyse Innenstadt

5.1 Städtebauliche Situation der Innenstadt

Die Innenstadt bildet innerhalb der Stadt Bingen den größten Einzelhandels- und Dienstleistungs- schwerpunkt mit einem differenzierten Besatz von Versorgungseinrichtungen der öffentlichen und privaten Infrastruktur. Das Hauptzentrum Innenstadt ist wie folgt zu beschreiben (vgl. Abbildung 17):

Als wesentliches Charakteristikum der Innenstadt ist eine starke Durchmischung von öf- fentlichen und privaten Versorgungseinrichtungen mit dem positiven Folgeeffekt deutlicher Agglomerationswirkungen anzuführen.

Der Hauptgeschäftsbereich wird durch die Achse Basilikastraße, Speisemarkt, Kapuziner- straße und die Querachsen Salzstraße, Rathausstraße und Schmittstraße beschrieben.

In den Randbereichen der Innenstadt, insbesondere im nördlichen Bereich Richtung Rhein und im östlichen Abschnitt der Kapuzinerstraße ist eine Durchmischung mit Dienstleis- tungs- und Gastronomienutzungen vorhanden. Gleichzeitig sind hier verstärkt leerstehen- de Ladenlokale vorzufinden. Gleiches gilt auch für die Rathausstraße und die Hasengasse, die aufgrund der Vielzahl der Leerstände nur noch eingeschränkt den Charakter von Ge- schäftsnebenlagen haben.

In westlicher und südlicher Innenstadtrandlage konzentrieren sich öffentliche Einrichtungen (u. a. Stadt- und Kreisverwaltung, Schulen, Krankenhaus) sowie Dienstleistungen (u. a. Banken, Ärzte).

Der Einzelhandelsbesatz umfasst eine Mischung unterschiedlicher Betriebsgrößen und Be- triebstypen (Fachgeschäfte, Fachmärkte). Als Magnetbetrieb fungiert zur Zeit der einzige größere Bekleidungsanbieter Charles Vögele in Verbindung mit den benachbarten mittel- großen Einzelhandelsgeschäften entlang der Achse Basilikastraße/ Speisemarkt (u. a. Drogerie Müller, Depot und verschiedenen kleineren Bekleidungsanbietern). Der Entwick- lung der ehemaligen Hertie-Immobilie zu einem Einkaufszentrum ist eine hohe Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Binger Innenstadt beizumessen. Die derzeitige Zwischennut- zung als Binger Kaufhaus trägt hingegen nicht zu positiven Verbundeffekten bei.

Die Salzstraße und die Rathausstraße zeichnen sich durch einen kleinteiligen Geschäfts- besatz aus. Im Bereich der Schmittstraße ist ein spezialisierter Fachgeschäftsbesatz mit mittleren Einheiten ansässig.

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Die bauliche Struktur ist durch eine verdichtete, kleinteilige Altstadtbebauung geprägt, so dass sich relativ kleine Laden- und Gewerbeflächen im Erdgeschoss ergeben. Einzig die ehemalige Hertie-Immobilie weist das Potenzial auf, größere Geschäftseinheiten in die In- nenstadt zu integrieren und damit zu einer Erhöhung der Kundenfrequenz beizutragen.

Der Hauptgeschäftsbereich weist in Nord-Süd-Richtung zwischen Fruchtmarkt und Schloßbergstraße eine Ausdehnung von ca. 650 m und in West-Ost-Richtung zwischen Kaufhausgasse und Hospitalstraße eine Ausdehnung von 300 m auf. Damit zeichnet sich der innerstädtische Hauptgeschäftsbereich durch einen Kundenrundlauf aus, der im Zu- sammenhang mit der hohen Nutzungsdichte fußläufig erlebbar ist.

Zum Zeitpunkt der Vorort-Erhebung (Stand: November 2013) wurden im innerstädtischen Hauptgeschäftsbereich insgesamt 21 Ladenleerstände mit einer Verkaufsfläche von ca. 1.200 m² erfasst.11 Dabei handelt es sich überwiegend um kleine Geschäftseinheiten (< 50 m²), die nur noch bedingt den Anforderungen moderner Einzelhandelsbetriebe entspre- chen. Strukturelle Probleme sind aufgrund der hohen Zahl von Leerständen in der Rat- hausstraße und der Hasengasse abzulesen.

Die Verkehrserschließung des Geschäfts- und Dienstleistungszentrums erfolgt über die Landesstraße 419 (Stefan-Georg-Straße/ Fruchtmarkt/ Vorstadt/ Mainzer Straße), die gleichermaßen eine Verbindung entlang des Rheins und in das „Hinterland“ sicherstellt. Die Innenstadt ist in weiten Teilen als Fußgängerzone bzw. verkehrsberuhigter Bereich gestaltet, so dass der Geschäftsbereich eine hohe Aufenthaltsqualität bietet.

Für die Kfz-Besucher der Innenstadt bestehen am Nahe-Ufer, am Fruchtmarkt, im ehem. Hertie-Parkhaus, an der Zehnthofstraße (Carl-Puricelli-Platz), der Schmittstraße (Burg- gässchen) und am Burggraben (Friedrich-Ebert-Platz) größere zentrumsnahe Stellplatzan- lagen, die durch straßenbegleitende Stellplatzangebote ergänzt werden. Insgesamt er- scheint das Angebot für den ruhenden Verkehr bedarfsgerecht; positiv hervorzuheben ist vor allem, dass in direkter räumlicher Zuordnung zur Hauptgeschäftszone ein umfangrei- ches Stellplatzangebot vorhanden ist.

11 Als Leerstände wurden freigesetzte Objekte aufgenommen, die augenscheinlich auch weiterhin als Ladenflächen genutzt werden sollen.

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Abbildung 17: Nutzungsstruktur in der Innenstadt

Quelle: BBE-Erhebungen

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5.2 Einzelhandelsausstattung der Innenstadt

Die Innenstadt weist insgesamt 113 Einzelhandelsbetriebe (ca. 53 % der Stadt) mit einer Verkaufs- fläche von ca. 13.430 m² (ca. 34 %) und einem Umsatzvolumen von ca. 48,9 Mio. € (ca. 34 %) auf (vgl. Abbildung 18).

Abbildung 18: Verkaufsflächen und Umsätze in der Innenstadt

Verkaufsfläche Umsatz

in % der in % der in m² in Mio. € Sortiment Stadt Stadt

Nahrungs- und Genussmittel 1.090 10,6 7,5 13,2 Drogerie-, Parfümerie, Kosmetikwaren 590 30,4 2,8 33,3 Apothekenwaren, Sanitätsbedarf, mediz., orthop. 280 51,9 9,9 48,3 Artikel, Hörgeräte Bekleidung, Wäsche 4.070 74,3 11,1 76,6 Schuhe, Lederwaren 730 54,9 1,6 47,1 Sport-, Campingartikel 420 67,7 1,2 70,6 Bücher, Zeitschriften 140 48,3 0,9 69,2 Papier-, Büro-, Schreibwaren (PBS) 410 67,2 1,2 66,7 Spielwaren, Hobby, Musikinstrumente 400 59,7 0,7 58,3 Möbel 140 16,5 0,2 15,4 GPK*, Haushaltswaren, Geschenkartikel 2.170 71,9 1,8 69,2 Haus-, Tisch-, Bettwäsche 180 45,0 0,1 16,7 Heimtextilien, Gardinen 200 25,6 0,2 28,6 Bettwaren 70 18,9 - - Lampen und Leuchten 180 62,1 0,6 60,0 Elektrohaushaltsgeräte 510 63,0 2,0 76,9 Unterhaltungselektronik, Computer, Telekom., Foto 500 65,8 2,4 70,6 Optik, Uhren, Schmuck 670 81,7 3,3 80,5 Bau- und Heimwerkerbedarf, Bodenbeläge, 430 5,7 0,4 4,1 Teppiche Blumen, Pflanzen, Gartenbedarf 100 10,3 0,4 12,9 Tierfutter, Heimtierzubehör, leb. Tiere - - - - Fahrräder, Fahrradzubehör - - - - Autozubehör - - - - Sonstiger Einzelhandel** 150 75,0 0,6 90,0 Gesamt 13.430 33,6 48,9 33,7

* Glas, Porzellan, Keramik ** u.a. Kinderwagen, Antiquitäten, Kunstgegenstände, Bilderrahmen Quelle: BBE-Erhebungen (Rundungsdifferenzen möglich)

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Die durchschnittliche Betriebsgröße ist mit ca. 119 m² Verkaufsfläche je Betrieb relativ gering, dies resultiert aus einer überwiegend kleinteiligen Gebäude- und damit Geschäftsstruktur. Es sind nur 2 großflächige Betriebe (Binger Kaufhaus, Charles Vögele Bekleidungsfachmarkt) als wichtige Mag- netbetriebe für die benachbarten kleineren und mittleren Fachgeschäfte ansässig, die knapp ein Viertel der innerstädtischen Verkaufsflächen auf sich vereinigen.

Der Angebotsschwerpunkt liegt in den Bereichen Bekleidung, Schuhe/ Lederwaren und Glas/ Por- zellan/ Keramik/ Haushaltsgegenstände. Darüber hinaus umfasst das Innenstadtangebot vor allem die Segmente Elektrowaren/ Unterhaltungselektronik, Bücher, Schreib- und Spielwaren, Drogerie-/ Parfümerie-/ Apothekenwaren, Optik und Uhren/ Schmuck sowie Lampen/ Leuchten.

Dagegen beschränkt sich bei Haus- und Heimtextilien, Bettwaren, Möbeln, Teppichen/ Bodenbelä- gen sowie Blumen/ Pflanzen das Angebot auf wenige Betriebe bzw. auf kleinere Verkaufsflächen- kontingente. Die Sortimente Fahrräder, Autozubehör und Zooartikel werden in der Innenstadt gar nicht angeboten. Im Bereich der nahversorgungsrelevanten Sortimente (vor allem Nahrungs- und Genussmittel) weist die Innenstadt nur ein ergänzendes, spezialisiertes Angebot auf.

Die Flächenleistung über alle Betriebe von ca. 3.600 € Umsatz je m² Verkaufsfläche ist als hoch zu bewerten und resultiert aus der Kleinteiligkeit der Angebotsstrukturen in Verbindung mit einem z. T. spezialisierten Angebot.

Im Fazit ist somit festzuhalten, dass die Innenstadt als Hauptgeschäftsbereich einen attraktiven Angebotsmix kleinteiliger Betriebe aufweist, für den vor allem eine Diversifizierung und Ergänzung durch größere Magnetbetriebe angestrebt werden sollte. Zur Weiterentwicklung der innerstädti- schen Versorgungsfunktionen ist der Schwerpunkt auf eine moderate Ergänzung der Innenstadt- angebote zu legen, so dass durch Verbundeffekte mit neuen Betrieben die Sicherung der vorhan- denen Strukturen gewährleistet werden kann. Einzelhandelsergänzungen sind vor allem im Bereich der Ergänzung bzw. Neuaufstellung der Nahversorgungsangebote sowie bei den innenstadttypi- schen Nutzungen Bekleidung, Schuhe, Sport, Unterhaltungselektronik und Haustextilien möglich.

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6 Standortanalyse der Stadtteilstrukturen

6.1 Büdesheim

In Ergänzung zur Innenstadt befindet sich mit dem Fachmarktzentrum Scharlachberg ein weiterer wichtiger Versorgungsschwerpunkt im Stadtteil Büdesheim. Das Fachmarktzentrum ist durch groß- flächige bzw. größere Fachmärkte geprägt, während sich die Versorgungsstrukturen im Ortskern Büdesheim entlang der Saarlandstraße durch überwiegend kleinteilige Geschäfts-, Dienstleistungs- und Gastronomienutzungen auszeichnen. Zwischen dem gewachsenen Geschäftsbereich entlang der Saarlandstraße und dem Fachmarktzentrum Scharlachberg besteht keine direkte fußläufige Verbindung. Gleichwohl ergänzen sich die beiden Geschäftsbereiche funktional, so dass sich ein (wenn auch eingeschränkter) Leistungsaustausch zwischen den Fachmärkten und den überwie- gend kleinteiligen Angeboten in der Ortsmitte entfalten kann.

Für den gewachsenen Geschäftsbereich der Ortsmitte ist ein hoher Anteil von Dienstleistungs- und Gastronomienutzungen festzustellen. Der kleinteilige Facheinzelhandel (19 Betriebe mit insge- samt ca. 830 m² Verkaufsfläche) beschränkt sich auf die Grundversorgung (Bäckereien, Metzge- reien, Obst/ Gemüse), auf Apotheken, Blumenanbieter, je ein Bekleidungs- und Schuhgeschäft, Optik/ Uhren/ Schmuck, Raumausstatter und Geschenkartikel. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt bei ca. 44 m². Aufgrund der gewachsenen Grundstücks- und Gebäudestruktur sind aus- schließlich kleinteilige Einzelhandelsbetriebe in der Ortsmitte ansässig. Die mittelgroßen Ladenlo- kale eines Lebensmittel- und eines Drogeriemarktes konnten nach der Betriebsaufgabe nicht wie- derbelegt werden.

Der Angebotsschwerpunkt im Fachmarktzentrum Scharlachberg liegt bei den nahversorgungsre- levanten Sortimenten Nahrungs- und Genussmittel, Drogeriewaren (vor allem Rewe, Aldi, Lidl, Net- to, Getränkemarkt, dm Drogeriemarkt) sowie bei den innenstadtrelevanten Sortimenten Beklei- dung, Schuhe und Sport (vor allem Takko und K + K Schuhcenter). Das Angebot wird durch Fach- märkte für Bau- und Heimwerkerbedarf, Heimtextilien, Zoobedarf und Autozubehör sowie einen Sonderpostenmarkt ergänzt.

Insgesamt sind im Geschäftsbereich Scharlachberg 21 Betriebe mit etwa 18.500 m² Verkaufsfläche ansässig, die zusammen einen Jahresumsatz von etwa 53,6 Mio. € tätigen (ca. 46 % bzw. 37 % der Gesamtstadt). Es sind 6 großflächige Betriebe mit zusammen ca. 14.300 m² Verkaufsfläche sowie weitere 7 Fachmärkte mit einer Verkaufsfläche von 200 – 799 m² (zusammen ca. 3.860 m² Verkaufsfläche) ansässig. Der Einzelhandelsbesatz ist wesentlich durch größere Fachmärkte ge- prägt und übernimmt ergänzend zur Innenstadt wichtige Versorgungsfunktionen für die Gesamt- stadt.

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Abbildung 19 Nutzungsstruktur im Stadtteil Büdesheim

Quelle: BBE-Erhebungen

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Abbildung 20: Verkaufsflächen nach Standortbereichen

FM-Zentrum Ortsmitte Sonstiges Innenstadt Scharlach- Büdesheim Stadtgebiet berg

Sortiment Verkaufsfläche bzw. (in Klammern VK je EW) in m²

1.090 140 5.560 3.480 Nahrungs- und Genussmittel (0,04) (*) (0,21) (0,13) 590 20 1.060 270 Drogerie-, Parfümerie, Kosmetikwaren (0,02) (*) (0,04) (0,01) Apothekenwaren, Sanitätsbedarf, mediz., orthop. 280 150 10 100 Artikel, Hörgeräte (0,01) (*) (*) (*) 5.220 160 1.440 610 Bekleidung, Schuhe, Sport (0,20) (*) (0,05) (0,02) 950 20 310 290 Bücher, Schreib- und Spielwaren (0,04) (*) (0,01) (0,01) 140 - 470 240 Möbel (*) - (0,02) (0,01) 2.170 50 580 220 GPK*, Haushaltswaren, Geschenkartikel (0,08) (*) (0,02) (0,01) 630 40 1.130 40 Haus-, Heimtextilien, Bettwaren, Lampen (0,02) (*) (0,04) (*) 1.010 60 250 250 Elektrowaren, Computer, Foto (0,04) (*) (0,01) (0,01) 670 80 - 70 Optik, Uhren, Schmuck (0,03) (*) - (*) 530 110 7.330 1.100 Bau- und Gartenbedarf, Teppiche, Blumen, Heimtier (0,02) (*) (0,28) (0,04) - - 320 560 Fahrräder, Fahrrad- und Autozubehör - - (0,01) (0,02) 150 - 40 10 Sonstiger Einzelhandel** (*) - (*) (*) 13.430 830 18.500 7.240 Gesamt (0,51) (0,03) (0,70) (0,27)

* Glas, Porzellan, Keramik ** u.a. Kinderwagen, Antiquitäten, Kunstgegenstände, Bilderrahmen (*) < 0,01 m² Verkaufsfläche je EW Quelle: BBE-Erhebungen/ Berchnungen unter Verwendung der Einwohnerzahl der Stadt Bingen, Stand 01.11.2013 (Run- dungsdifferenzen möglich)

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6.2 Bingerbrück

Der Geschäftsbereich Bingerbrück liegt westlich der Nahe, rund 500 m von der Binger Innenstadt entfernt. Der Geschäftsbereich erstreckt sich entlang der Koblenzer Straße (B 9) und weist nur zwischen den Einmündungen Am Rupertsberg und Prinzenkopfstraße eine Nutzungsverdichtung von Einzelhandels- und Dienstleistungsnutzungen auf. Die im Bereich des Bahnhofs angesiedelten Einzelhandelsbetriebe (Netto/ Kik) stellen eine funktionale Ergänzung zum Geschäftsstandort Kob- lenzer Straße dar, ohne dass wegen der trennenden Wirkung der Bahntrasse eine leistungsfähige fußläufige Verbindung besteht.

Abbildung 21: Nutzungsstruktur im Stadtteil Bingerbrück

Kik

Netto

Edeka

Quelle: BBE-Erhebungen

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Insgesamt umfasst der Geschäftsbereich entlang der Koblenzer Straße 11 Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von ca. 1.100 m² und einem Umsatz von ca. 7,9 Mio. €. Das Ange- botsspektrum bezieht sich vor allem auf die Grundversorgung (Edeka, Bäckerei, Metzgerei, Blu- men) und Spezialanbieter (Tauchsport, Computer, Wintergarten). Der Versorgungsbereich bezieht sich vor allem auf die Nahversorgung des Siedlungsbereiches Bingerbrück.

Unter städtebaulichen Aspekten ist auf die achsenbezogene Ausrichtung zu verweisen. Trotz der Durchmischung mit Dienstleistungs- und Gastronomiebetrieben besteht jedoch nur eine einge- schränkte Nutzungsdichte, so dass die Voraussetzungen zur Abgrenzung eines zentralen Versor- gungsbereiches und die damit zusammenhängende Privilegierung für den großflächigen Einzel- handel nicht bestehen (vgl. auch Kapitel 9.2).

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7 Wohnungsnahe Versorgung in der Stadt Bingen

Als wohnungsnahe Grundversorgung wird die Versorgung der Bürger mit Gütern und Dienstleis- tungen des kurzfristigen Bedarfs verstanden, die möglichst in räumlicher Nähe zum Konsumenten (im fußläufigen Radius von ca. 700 – 1.000 m) erfolgen soll.12

Zur Beurteilung der Nahversorgungssituation in der Stadt Bingen wird als Indikator die Umsatz- Kaufkraft-Relation im Bereich der Nahrungs- und Genussmittel herangezogen. Die Stadt Bingen verzeichnet bei Nahrungs- und Genussmitteln per Saldo Kaufkraftabflüsse. So liegt in den nahver- sorgungsrelevanten Warengruppen eine Gesamtumsatzleistung von rd. 57 Mio. € vor, während im Stadtgebiet in diesen Warengruppen eine sortimentsspezifische Kaufkraft von rd. 61 Mio. € verfüg- bar ist. Der Kaufkraftabfluss beträgt per Saldo rd. 4 Mio. €, so dass auf gesamtstädtischer Ebene keine bedarfsgerechte Versorgungsausstattung besteht.

Abbildung 22: Umsatz-Kaufkraft-Relationen bei Nahrungs- und Genussmitteln in Bingen nach Stadtteilen

Umsatz Kaufkraft Umsatz-Kaufkraft-Relation Stadtteil in Mio. € in Mio. € in % in Mio. € Bingen-Stadt 15,1 18,1 83 - 3,0 Büdesheim 30,2 16,6 182 + 13,6 Bingerbrück 7,5 7,4 101 + 0,1 Sonstige Stadtteile 4,1 18,9 22 - 14,8 Stadt Bingen gesamt 56,9 61,0 93 - 4,1

Quelle: BBE-Berechnungen

Bei der Betrachtung der Stadtteile zeigt sich, dass sich die größten Angebote im Lebensmittelbe- reich auf den Stadtteil Büdesheim konzentrieren (vgl. Abbildung 22). Vor allem die Lebensmittelan- bieter am Standort Scharlachberg übernehmen wichtige gesamtstädtische Versorgungsfunktionen. Darüber hinaus zeigt sich in der östlichen Kernstadt und im Stadtteil Bingerbrück eine wohnungs- nahe Versorgungsausstattung durch Super- und Discountmärkte (vgl. Abbildung 23).

12 Diese Distanz wird von Fußgängern in durchschnittlich 10 - 12 Minuten zurückgelegt und ist damit als maximal akzeptierte fußläufige Entfernung zu betrachten.

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Abbildung 23: Nahversorgung in der Stadt Bingen

Quelle: BBE-Erhebungen

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In der Innenstadt ist aktuell nur ein kleinteiliges Grundversorgungsangebot durch Ladenhand- werksbetriebe (Bäckerei, Metzgereien, sonstige Spezialisten) vorhanden, während ein Lebensmit- telsupermarkt zur Stabilisierung der Lebensmittelversorgung der innerstädtischen Wohnquartiere und als innerstädtischer Magnetbetrieb fehlt.

In den sonstigen Stadtteilen sichern Ladenhandwerksbetriebe, Hofläden und Getränkehändler/ Ki- oske nur die Lebensmittelgrundversorgung.

Für eine Lebensmittelvollversorgung sind größere SB-Märkte erforderlich, die jedoch für die wirt- schaftliche Tragfähigkeit ein Kundeneinzugsgebiet von mindestens 5.000 Einwohnern benötigen. Aufgrund der vergleichsweise geringeren Einwohnerzahlen der peripheren Siedlungsbereiche ist damit keine flächendeckende Nahversorgung in allen Stadtteilen durch größere Lebensmittel-SB- Märkte möglich. Vielmehr ist auch zukünftig eine Konzentration auf zentrale Versorgungsstandorte in der Kernstadt Bingen in Verbindung mit den Stadtteilen Büdesheim und Bingerbrück sinnvoll, um durch Verbundeffekte eine angemessene Versorgungsqualität für die örtliche Bevölkerung sicher- zustellen. Eine Ergänzung des Angebotes ist vor allem für die Innenstadt notwendig.

Für die sonstigen Stadtteile ist ein Erhalt der kleinteiligen Versorgungsstrukturen wünschenswert. Ein Ausbau des stationären Handels ist jedoch angesichts der Siedlungsstrukturen als wirtschaft- lich nicht rentabel zu bewerten.

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8 Fazit der Angebots- und Nachfrageanalyse sowie Empfeh- lungen zur Verkaufsflächenentwicklung

Die Stadt Bingen weist eine Einzelhandelsausstattung auf, die z. Z. nur eine begrenzte regionale Ausstrahlungskraft entfalten kann. Wichtige Wettbewerbsstandorte sind Bad Kreuznach und Mainz mit einem umfassenden Einzelhandelsangebot sowie Gensingen im Bereich der Grundversorgung und bei Bau- und Gartenartikeln.

Die größte Einzelhandelskonzentration in der Stadt Bingen ist am Standort Scharlachberg vorzu- finden. Die Versorgungsfunktionen des Geschäftsbereiches beziehen sich vor allem auf die nah- versorgungsbezogenen Angebote Nahrungs- und Genussmittel sowie Drogeriewaren und auf den Bau- und Gartenbedarf sowie Einrichtungsbedarf. Der Geschäftsbereich übernimmt gesamtstädti- sche Versorgungsfunktionen.

Die Innenstadt ist durch relativ kleinteilige Angebotsstrukturen geprägt. Es fehlen vor allem publi- kumsintensive Magnetbetriebe. Mit der ehem. Hertie-Immobilien besteht eine wichtige innerstädti- sche Entwicklungsfläche, die eine Stabilisierung und marktgerechte Weiterentwicklung des inner- städtischen Geschäftszentrum ermöglicht.

Die Grundversorgung wird durch größere Lebensmittelmärkte an den Standorten Scharlachberg, Kernstadt/ Vorstadt sowie Bingerbrück geprägt. Die kleineren Stadtteile verfügen nur über eine ausschnittweise wohnungsnahe Versorgung, für die aufgrund des Einwohnerpotenzials auch nur begrenzte Entwicklungspotenziale bestehen. Zur Schaffung einer angemessenen Nahversorgung ist die Angebotsergänzung durch moderne Lebensmittelmärkte an zentralen Standorten (vor allem in der Innenstadt) zu empfehlen.

Die Ausstattungskennziffern und die Kaufkraftbewegungen lassen Angebotsdefizite auch in den sonstigen innenstadtprägenden Sortimenten erkennen. Damit die Innenstadt die mittelzentrale Versorgungsfunktion erfüllen kann, ist eine Diversifizierung des innerstädtischen Angebotes u. a. um kompetente Bekleidungs- und Schuhanbieter sinnvoll. Dies sollte mit einem Aus- schluss von Betrieben mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten an Standorten außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche einhergehen, um durch die Vorrangstellung des Hauptzentrums ei- ne innenstadtbezogene Entwicklung zu unterstützen.

In den Bereichen Drogerie- und Parfümeriewaren, Sportartikel und Elektrowaren/ Unterhal- tungselektronik sollte vor allem eine moderate betriebliche Weiterentwicklung der ansässigen Be- triebe erfolgen. In den sonstigen innenstadttypischen Sortimenten (u. a. Bücher, Schreib- und Spielwaren, Optik, Uhren/ Schmuck) lassen sich begrenzte Entwicklungspotenziale in einem inner- städtischen Gesamtkonzept (als ergänzende Nutzungen in/ zu dem geplanten Einkaufszentrum) erwarten.

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Die Entwicklungsperspektiven der dezentralen Einzelhandelsstandorte liegen vor allem in einer Bestandssicherung der Versorgungsstrukturen und einer Weiterentwicklung durch Betriebe mit nicht-innenstadtrelevanten Angeboten. Insbesondere in den Bereichen Bau- und Gartenbedarf sowie Möbel/ Einrichtungsbedarf sind mit Blick auf die regionale Wettbewerbssituation Ergän- zungen im spezialisierten Angebot möglich.

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9 Zentrenkonzept Bingen

9.1 Bedeutung kommunaler Einzelhandelskonzepte aus Sicht der Landesplanung

Aus Sicht der Landesplanung soll ein kommunales Einzelhandelskonzept in erster Linie Vorschlä- ge für die Ausgestaltung des landesplanerischen Steuerungsansatzes unter Berücksichtigung der ortsspezifischen Besonderheiten entwickeln. Mit dem Inkrafttreten des Landesentwicklungspro- gramm 2008 (LEP IV) bestehen folgende Ziele und Grundsätze der Raumordnung, die im Rahmen eines Einzelhandelskonzeptes auf die örtlichen Gegebenheiten angewendet und im Rahmen von Bauleitplanverfahren in der Abwägung beachtet (Ziele) bzw. berücksichtigt (Grundsätze) werden müssen:

System der zentralen Orte (Grundsatz 56): Zur Sicherung einer angemessenen und wohnungsnahen Versorgung mit öffentlichen und privaten Angeboten ist auf das System der zentralen Orte und Mittelbereiche abzustellen.

Zentralitätsgebot (Ziel 57): Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind nur in zentralen Orten, Betriebe ab 2.000 m² nur in Mittel- und Oberzentren zulässig. Eine Ausnahme gilt für Betriebe der Grundversorgung mit max. 1.600 m² Verkaufsfläche und Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion mit min. 3.000 Einwohnern.

Städtebauliches Integrationsgebot (Ziel 58): Großflächige Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten dürfen nur in zentralen Versorgungsbereichen (Innenstädten, Stadt- und Stadtteilzentren) errichtet werden.

Die zentralen Versorgungsbereiche sind im Rahmen eines Einzelhandelskonzeptes in Ab- stimmung mit der Landes- und Regionalplanung räumlich abzugrenzen und zu begründen. Welche Sortimente als innenstadtrelevant gelten, regeln die Gemeinden über ortstypische Sortimentslisten. Bei der Festlegung der Liste können begründete Abweichungen vom Ka- talog der „innenstadtrelevante Leitsortimente“ vorgenommen werden.

Ergänzungsstandorte (Ziel 59): Großflächige Betriebe mit nicht-innenstadtrelevanten Kernsortimenten dürfen an festgeleg- ten Ergänzungsstandorten der zentralen Orte angesiedelt werden. Die innenstadtrelevan- ten Randsortimente sind auf eine innenstadtverträgliche Größenordnung zu begrenzen (i. d. R. max. 10 % der Verkaufsfläche).

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Die Ergänzungsstandorte sind im Rahmen eines Einzelhandelskonzeptes in Abstimmung mit der Landes- und Regionalplanung räumlich abzugrenzen und zu begründen.

Nichtbeeinträchtigungsgebot (Ziel 60): Großflächige Einzelhandelsbetriebe dürfen zentrale Versorgungsbereiche der Standortge- meinde und benachbarter zentraler Orte nicht wesentlich beeinträchtigen.

Agglomerationsverbot (Ziel 61): Der Bildung von Einzelhandelsagglomerationen mit innenstadtrelevanten Sortimenten au- ßerhalb von zentralen Versorgungsbereichen ist auf der Ebene der Bauleitplanung entge- genzuwirken. Bestehende Einzelhandelsagglomerationen außerhalb von zentralen Versor- gungsbereichen sind über Bebauungspläne auf den Bestand zu begrenzen.

ÖPNV-Einbindung (Grundsatz 62): Auch Ergänzungsstandorte sollen in örtliche bzw. regionale ÖPNV-Netze eingebunden werden.

Versorgungsmodelle für versorgungsschwache ländliche Räume (Grundsatz 63): Es sollen alternative Versorgungsmodelle erprobt und weiterentwickelt werden, um we- sentliche Versorgungsschwächen im ländlichen Raum zu vermeiden (z. B. Einzelhandel mit Zusatzfunktionen, mobile Einrichtungen).

Der Regionale Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe13 konkretisiert die landesplanerischen Ziele und Grundsätze, um die Funktion der räumlichen Steuerung raumbedeutsamer Vorhaben und Maßnahmen zu übernehmen (u. a. Darstellung besonderer Funktionen der Gemeinden, der Grundzentren).

9.2 Begriff des zentralen Versorgungsbereiches

Bei einem stadtplanerischen Konzept zur Steuerung des Einzelhandels handelt es sich - nach ent- sprechender Beschlussfassung durch den Rat der Stadt - um ein städtebauliches Entwicklungs-

13 Vgl. Planungsgemeinschaft Rheinhessen-Nahe, Regionale Raumordnungsplan Rheinhessen-Nahe, 2004. Seit dem Jahre 2008 ist die Aufstellung eines neuen regionalen Raumordnungsplanes be- schlossen, der das LEP IV umsetzt.

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konzept, das nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB bei der Aufstellung der Bebauungspläne zu berück- sichtigen ist.

Bei der Erarbeitung derartiger informeller Planungen liegt der Schwerpunkt darin, städtebauliche Belange zu konkretisieren, die in die Abwägung einzustellen sind. Insbesondere die in § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB genannten Belange der Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche spielen dabei eine wichtige Rolle. Dieser Begriff findet im Übrigen Erwähnung in den Vorschriften der §§ 2 Abs. 2, 9 Abs. 2a, 34 Abs. 3, 34 Abs. 3a BauGB, 11 Abs. 3 BauNVO. Es handelt sich um einen Begriff des durch den Bundesgesetzgeber geregelten Bauplanungsrechts.

Ziel eines Einzelhandelskonzeptes ist, auf Gemeindeebene die konkreten Abgrenzungen und Funktionen der zentralen Versorgungsbereiche und Ergänzungsstandorte zu bestimmen.

Für den einfachen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB hat der Bundesgesetzgeber die Be- deutung von Einzelhandelskonzepten im Satz 2 ausdrücklich betont. Diese Regelung lautet wie folgt:

„Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhal- tenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält“.

Zentrale Versorgungsbereiche sind nach der hierzu mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung, insbesondere des OVG NRW sowie des Bundesverwaltungsgerichts, räumlich abgrenzbare Berei- che, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hin- aus zukommt.

Diese Kernaussage seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 17.12.2009 (4C 2.08) weitergehend konkretisiert: Entscheidend ist danach, dass der Versorgungsbereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölke- rung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale Funktion hat. Der Begriff „zentral“ ist nicht geo- graphisch im Sinne einer Innenstadtlage oder Ortsmitte, sondern funktional zu verstehen. Ein zent- raler Versorgungsbereich setzt auch keinen übergemeindlichen Einzugsbereich voraus.

Auch ein Bereich, der auf die Grund- und Nahversorgung eines bestimmten örtlichen Bereichs zu- geschnitten ist, kann eine zentrale Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus wahrnehmen. Der Zweck des Versorgungsbereichs besteht in diesem Fall in der Sicherstellung ei- ner wohnortnahen Grundversorgung der im Einzugsbereich lebenden Bevölkerung. In dem OVG NRW-Urteil vom 15.02.2012 (10 D 32/11.NE bzw. 10 A 1770/09) wurden die Kriterien konkretisiert. Demgemäß muss die ansässige Einzelhandelsausstattung geeignet sein, „den allgemeinen Anfor-

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derungen an ein Nahversorgungszentrum“ zu entsprechen. Als Grundvoraussetzung sollte im All- gemeinen mindestens ein moderner und zukunftsfähiger Anbieter aus dem Nahrungs- und Ge- nussmittelsektor ansässig sein. Bei einem zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereich muss die städtebauliche Begründung auch belegen, dass die Entwicklung in einem überschaubaren Zeit- raum wahrscheinlich ist bzw. durch den Einsatz des planungsrechtlichen Instrumentariums reali- sierbar erscheint.

Betont hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung auch, dass ein zentraler Versorgungsbereich eine „integrierte Lage“ voraussetzt. Dies hatte das OVG NRW in seinem Ur- teil vom 19.06.2008 (7 A 1392/07) dahingehend beschrieben, dass der Standort für die zu versor- gende Bevölkerung nicht nur mit dem PKW günstig zu erreichen sein muss. Das Bundesverwal- tungsgericht hat dies dahingehend ergänzt, dass isolierte Standorte mit einzelnen Einzelhandels- betrieben keinen zentralen Versorgungsbereich bilden können, auch wenn sie über einen weiten Einzugsbereich verfügen und eine beachtliche Versorgungsfunktion erfüllen mögen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass je nach Versorgungsfunktion und Einzugsbereich unterschiedliche Typen zentraler Versorgungsbereiche in Betracht kommen. Unterschieden wer- den können insofern:

Hauptzentren, die einen größeren Einzugsbereich, in der Regel das gesamte Stadtgebiet und gegebenenfalls sogar darüber hinaus ein weiteres Umland versorgen und in denen re- gelmäßig ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird,

Nebenzentren, deren Einzugsbereich sich regelmäßig auf bestimmte Bezirke größerer Städte beschränkt und die zumeist ein nicht so breites Spektrum an Waren und Dienstleis- tungen anbieten wie erstgenannte Kategorie, sowie

Nahversorgungszentren, die einen kleineren Einzugsbereich, in der Regel nur bestimmte Quartiere größerer Städte bzw. gesamte kleinere Orte versorgen und in denen regelmäßig vorwiegend Waren des kurzfristigen Bedarfs - namentlich Lebensmittel (einschließlich Ge- tränke) und Drogeriewaren – und gegebenenfalls auch Teilbereiche des mittelfristigen Be- darfs angeboten werden.

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9.3 Leitziele des Zentrenkonzeptes

Den Orientierungsrahmen für das kommunale Einzelhandelskonzept für die Stadt Bingen bilden die einzelhandelsrelevanten Ziele der Landesplanung. Darauf aufbauend werden für die Stadt Bingen die Leitziele für die Einzelhandelsentwicklung wie folgt konkretisiert:

Erhalt und Stärkung der mittelzentralen Versorgungsfunktion

Der Einzelhandel der Stadt Bingen soll auch zukünftig die mittelzentralen Versorgungs- funktionen erfüllen, so dass eine nach städtebaulichen Kriterien ausgerichtete Weiterent- wicklung der Versorgungsstrukturen erfolgen soll. Den zentralen Versorgungsbereichen wird dabei eine Vorrangstellung im Bereich der innenstadtrelevanten Angebote einge- räumt.

Priorität der Innenstadtentwicklung

Das Hauptzentrum Innenstadt stellt den wichtigsten Geschäftsbereich der Stadt Bingen dar, für das eine quantitative und qualitative Sicherung und Weiterentwicklung der Ange- botsstrukturen angestrebt wird. Neuansiedlungen von Einzelhandelsbetrieben mit innen- stadtrelevanten Kernsortimenten sind auf den zentralen Versorgungsbereich zu konzent- rieren. In besonderem Maße gilt dies für Betriebe mit Verkaufsflächen oberhalb der Grenze zur Großflächigkeit i. S. des § 11 Abs. 3 BauNVO.

Sicherung der Ergänzungsfunktionen im Stadtteil Büdesheim

Im Stadtteil Büdesheim sind ergänzende Versorgungseinrichtungen ansässig, die gesamt- städtische Versorgungsbedeutung einnehmen. Die Ortsmitte soll als Nahversorgungszent- rum auch zukünftig die Nahversorgungsfunktionen für die im Stadtteil ansässige Bevölke- rung übernehmen. Der Fachmarktstandort Scharlachberg soll zukünftig die die Funktion als Ergänzungsstandort für den nicht-innenstadtrelevanten Einzelhandel übernehmen. Demgemäß sollen hier keine Ansiedlungen zusätzlicher Einzelhandelsbetriebe mit innen- stadt- und nahversorgungsrelevanten Sortimenten über die baurechtlich zulässigen Rah- mensetzungen hinaus erfolgen. Den ansässigen Betrieben ist jedoch Bestandsschutz ein- zuräumen, der auch eine angemessene Verkaufsflächenerweiterung umfassen sollte

Sicherung und Stärkung der wohnungsnahen Versorgung (Nahversorgungsstandor- te)

Die differenzierte wohnungsnahe Versorgung soll erhalten und marktgerecht weiterentwi- ckelt werden. Dazu wird eine Konzentration auf die zentralen Versorgungsbereiche und die sonstigen Nahversorgungsstandorte verfolgt. Die Ansiedlung von Nahversorgungsbetrie-

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ben außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche wird an die Bedingungen geknüpft, dass

. der Standort einen deutlichen Bezug zu einem durch Wohnungsnutzung geprägten Gebiet aufweist (wohngebietsintegrierte Lage),

. der Betrieb hinsichtlich Größe und Sortiment der wohnungsnahen Versorgung dient und

. keine negativen raumordnerischen und städtebaulichen Auswirkungen zu erwarten sind.

Konzentration des großflächigen Einzelhandels mit nicht-innenstadtrelevanten Kernsortimenten auf geeignete Ergänzungsstandorte

Durch die Konzentration des großflächigen Einzelhandels mit nicht-innenstadtrelevanten Kernsortimenten auf ausgewählte Standorte soll eine weitere Streuung des Einzelhandels innerhalb des Stadtgebiets vermieden werden. Somit wird auch für den überwiegend nicht- innenstadtrelevanten Einzelhandel eine Konzentration möglicher neuer Betriebe auf im Stadtgebiet gut erreichbare Standorte verfolgt, um Verbundeffekte zwischen den Nutzun- gen zu ermöglichen und einen möglichst geringen Flächenverbrauch zu generieren. Zu- dem wird durch die Konzentration des großflächigen Einzelhandels mit nicht-innenstadt- relevanten Kernsortimenten auf ausgewählte Standorte der Ressourceneinsatz reduziert (Verbrauch von Flächen, Bau und Unterhaltung von Verkehrswegen). Dabei ist eine An- siedlung in zentralen Versorgungsbereichen - auch bei großflächigen Betrieben - nicht notwendig. Als Verbundstandorte weisen der bereits entwickelte Fachmarktstandort Schar- lachberg in Büdesheim und der verkehrsorientierte Standort im Gewerbepark Bingen/ Grolsheim günstige Rahmenbedingungen auf.

Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben mit nicht-innenstadtrelevanten Kernsorti- menten dürfen durch innenstadtrelevante Randsortimente keine negativen Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO zu erwarten sein, so dass diese in Anlehnung an das LEP IV i. d. R. auf max. 10 % der Verkaufsfläche zu beschränken sind und im Rahmen ei- ner Einzelfallprüfung für die Zulässigkeit eines Vorhabens die raumordnerischen und städ- tebaulichen Auswirkungen zu untersuchen sind.

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9.4 Zentrenhierarchie

Zur Umsetzung der Leitziele des Einzelhandelskonzeptes wird folgende Zentrenhierarchie vorge- schlagen:

Hauptzentrum Innenstadt

Nahversorgungszentrum Büdesheim

Ergänzungsstandort Fachmarktzentrum Scharlachberg für nicht-innenstadtrelevante Sor- timente

Ergänzungsstandort Gewerbepark Bingen/ Grolsheim für nicht-innenstadtrelevante Sorti- mente (vor allem Möbel/ Einrichtungsbedarf sowie Bau- und Gartenbedarf)

Nahversorgungsstandorte mit wohngebietsbezogenem kleinteiligen Einzelhandel.

Im Folgenden wird eine räumliche Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche und Ergän- zungsstandorte vorgenommen und Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Versorgungsstruktu- ren aufgezeigt.

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Abbildung 24: Zentrenkonzept

Quelle. BBE-Darstellung

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9.5 Hauptzentrum Innenstadt

Bei der räumlichen Festlegung des zentralen Versorgungsbereiches sind insbesondere die städte- bauliche Situation sowie die Nutzungsstrukturen zu beachten. Die Analyse der Einzelhandelsstruk- turen in der Innenstadt zeigt auf, dass sich der Einzelhandelsbesatz und die ergänzenden Nutzun- gen der privaten und öffentlichen Dienstleistungen auf die Achse Basilikastraße/ Speisemarkt/ Ka- puziner Straße und die Querachsen Amtsstraße/ Hasengasse, Rathausstraße/ Schmittstraße so- wie Salzstraße konzentriert (vgl. Abbildung 25).

Im Norden stellt die Bahntrasse eine stadträumliche Grenze des zentralen Versorgungsbereiches dar. Den westlichen Pol der Einkaufsinnenstadt stellt das Binger Kaufhaus dar. In dem westlich angrenzenden Quartier in Richtung Nahe-Ufer ist eine deutlich abnehmende Nutzungsdichte fest- zustellen. Prägend sind gastronomische Betriebe und die Basilika St. Martin. Einzelhandelsnutzun- gen sind in diesem Bereich nicht vorhanden. Im Osten stellt das Heilig-Geist-Hospital die nut- zungsstrukturelle Grenze des innerstädtischen Geschäftsbereiches dar. Östlich der Martinstraße ist eine Mischung von Dienstleistungs- und Gastronomiebetrieben sowie öffentlichen Einrichtungen vorhanden, Einzelhandel ist in der Mainzer Straße nur untergeordnet ansässig. Im Süden erstreckt sich der Einzelhandel entlang der Schmittstraße, die nur bis zum Kreuzungsbereich mit der Zehnt- hofstraße als Fußgängerzone gestaltet ist. Der Abschnitt bis zum Kreuzungsbereich Schmittstraße/ Schloßbergstraße ist durch einen durchgängigen Besatz mit publikumsintensiven Nutzungen (vor- rangig Einzelhandel) belegt. Es sind verschiedene mittelgroße Anbieter ansässig (u. a. Sport, Lampen und Elektro), die das innerstädtische Einzelhandelsangebot prägen. Südlich bricht der Einzelhandelsbesatz ab, es sind nur noch wenige publikumsintensive Nutzungen ansässig, so dass in der Nutzungsstruktur eine deutliche Grenze des zentralen Versorgungsbereiches ablesbar ist.

Damit sind alle strukturprägenden Betriebe der Innenstadt von Bingen dem abgegrenzten zentralen Versorgungsbereich zugeordnet. Die Längenausdehnung beläuft sich in Nord-Süd-Richtung auf ca. 650 m und in West-Ost-Richtung auf ca. 300 m, so dass das Versorgungszentrum im Zusammen- hang mit der hohen Nutzungsdichte fußläufig erlebbar ist.

Für die Binger Innenstadt ist eine Weiterentwicklung des Einzelhandelsangebotes in den innen- stadttypischen Kernsortimenten durch Ansiedlung größerer und namhafter Betriebe zu empfehlen, so dass auch der ansässige Einzelhandel von Verbundeffekten profitieren kann. Dabei steht eine Diversifizierung des Angebotes Bekleidung, Schuhe, Sport im Vordergrund. Darüber hinaus be- steht für die Innenstadt Bedarf, die Nahversorgung neu aufzustellen, da sowohl bei Nahrungs- und Genussmitteln als auch bei Drogeriewaren Ergänzungs- bzw. Erweiterungsflächen notwendig sind.

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Abbildung 25: Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt

1

Quelle: BBE-Erhebungen

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Die Entwicklung der Binger Innenstadt wird weiterhin durch strukturelle Veränderungen geprägt sein. Denn die Einzelhandelslandschaft in Deutschland steht vor tiefgreifenden Umwälzungen. So wird der deutsche Einzelhandelsimmobilienmarkt derzeit im Wesentlichen durch folgende Faktoren bestimmt:

demographischer Wandel und Reurbanisierung,

Verdrängungswettbewerb im stationären Einzelhandel,

14 neu erwachsender Wettbewerb durch E- und M-Commerce,

Sanierungsstau bei vielen Vertriebstypen des gegenwärtigen Bestandes.

Hierbei ist die höchste Dynamik im E-Commerce zu beobachten, dessen Erfolg auf die große Ver- breitung von Computer und Smartphone sowie dem barrierefreien Zugang zum Internet basiert. Durch die rasante Verbreitung von Smartphones ist der nächste Schritt im Online-Handel geebnet, die Integration von stationärem Einzelhandel und Online-Handel durch den Multichannel-Ansatz setzt sich zunehmend durch.

So wird durch dem Online-Handel nicht nur stationärer Einzelhandel verdrängt, sondern es werden auch neue Vertriebsmöglichkeiten eröffnet. Dabei verschwimmen die Grenzen von Online- und sta- tionärem Einzelhandel zunehmend. Nur Einzelhändler, die diesen Multichannel-Ansatz konsequent verfolgen, werden sich auch weiterhin auf dem Markt mit einem immer härter werdenden Preis- wettbewerb behaupten können.

Da der E-Commerce bislang in erster Linie ältere Formen des Versandhandels substituiert hat, wird derzeit deutschlandweit nur ein vergleichsweise geringer Flächenrückgang im Einzelhandel erwartet. So erwartet IVG Research bis zum Jahr 2025 einen Flächenrückgang im Einzelhandel um 4 % des derzeitigen Bestands. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dieser bundes- durchschnittliche Gesamtwert starke Schwankungen überdeckt. Während in Zuwanderungsgebie- ten teilweise noch Flächenzuwächse zu erwarten sind, droht in strukturschwachen Regionen ein Flächenschwund, der deutlich über 4 % des derzeitigen Bestands liegen dürfte.15

Investoren, und damit auch die Kommunen, müssen sich daher in manchen Segmenten tendenziell auf fallende Mieten und kürzere Laufzeiten der Mietverträge einstellen. Auch erhöht sich durch den

14 M-Commerce: Mobile Commerce ist eine spezielle Ausprägung des elektronischen Handels unter Verwendung mobiler Endgeräte (vor allem Smart Phones).

15 Retail-Logistik Deutschland, Einzelhandelsimmobilienmarkt 2025, IVG Immobilien AG, 2013

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potenziellen Verlust zahlreicher Ankermieter das Mietausfallrisiko. Zudem wird sich die Polarisie- rung zwischen guten und weniger guten Objekten und Standorten weiterhin fortsetzen. So ist da- von auszugehen, dass sich die Nachfrage nach Einzelhandelsflächen in Städten mit einem überre- gionalen Einzugsbereich sowohl in1-A-Lagen als auch in B- und Nebenlagen positiv entwickeln wird und somit hier ein hohes Investmentpotenzial gegeben ist. Aber schon bei Städten, die nur ein regionales Einzugsgebiet aufweisen, ist nur noch in den 1-A-Lagen ein positives Investmentpoten- zial zu erwarten. In den B- und Nebenlagen dieser Städte dürften sich die zukünftige Flächennach- frage und der zusätzliche Flächenbedarf dagegen rückläufig entwickeln. So gehen Handelsnutzer in diesen Städten und in diesen Lagen kaum Kompromisse bzgl. der Grundrissgestaltung, der Ob- jektausstattung und der Miethöhe ein.

Im Fazit wird somit damit zu rechnen sein, dass sich der innerstädtische Flächenbedarf auf attrak- tive Verbundstandorte konzentrieren wird. Damit wird ein Flächenbedarf für moderne Betriebskon- zepte einhergehen, während zu kleine oder in Randlagen befindliche Einzelhandelsflächen zu- nehmend abschmelzen werden. Für die Weiterentwicklung der Binger Innenstadt ist somit auch von Bedeutung, dass es gelingt, weitere frequenzstarke Einzelhandelsbetriebe in den abgrenzten zentralen Versorgungsbereich zu integrieren. Dazu sind Entwicklungsflächen notwendig, die es ermöglichen, auch größere Angebotsformate anzusiedeln.

Die möglichen Nutzungen sollten vor allem das Bekleidungs-, Schuh- und Sportangebot der Stadt ergänzen. Durch eine Angebotsdiversifizierung in der Innenstadt kann die Ausstrahlungskraft der Einkaufsstadt im regionalen Vergleich deutlich gesteigert werden. Darüber hinaus können mit der Etablierung weiterer kundenfrequenzstarker Filialisten auch die Standortbedingungen für den klein- teiligen Einzelhandel verbessert werden.

Entwicklungsoptionen für die Innenstadt bieten sich darüber hinaus durch Ansiedlung eines Le- bensmittelmarktes, der das gesamtstädtische Angebot sinnvoll ergänzen würde und eine wichtige Frequenzwirkung für die Innenstadt übernehmen kann.

Darüber hinaus bietet die Innenstadt für weitere Angebotsarrondierungen (z. B. Uhren/ Schmuck, Bücher) dann gute Voraussetzungen, wenn es gelingt, durch die Ansiedlung weiterer „Magnete“ eine Stärkung der Innenstadt zu schaffen.

Zur Weiterentwicklung der Innenstadt steht mit der Immobilie des ehemaligen Hertie-Kaufhauses ein größere Entwicklungsfläche zur Verfügung, die im Folgenden bewertet und in den städtebau- lichen Zusammenhang gesetzt wird.

Die ehemalige Hertie-Immobilie stellt den wichtigsten Entwicklungsstandort der Innenstadt dar, da aufgrund der direkten Zuordnung zum Hauptgeschäftsbereich ein unmittelbarer Entwicklungsim- puls auf die Innenstadt ausgelöst werden kann. Die Größe des Areals lässt die Ansiedlung von weiteren größeren Betriebseinheiten zu, die angesichts der Angebotsstrukturen in Bingen und der

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allgemeinen Einzelhandelsentwicklungstrends (siehe oben) zur Weiterentwicklung der Binger In- nenstadt erforderlich erscheinen.

Mit der Schaffung zusätzlicher Einzelhandelsflächen im direkten Umfeld des vorhandenen Haupt- geschäftsbereiches sind Verbundeffekte für den örtlichen Einzelhandel zu erwarten. Dabei ist vor allem von Bedeutung, dass es gelingt, den Einkaufsstandort Bingen-Innenstadt auch für die aus- wärtigen Verbraucher attraktiv zu erhalten, damit auch der ansässige Einzelhandel profitieren kann. Dazu ist es notwendig, ausreichende Flächenpotenziale zur Verfügung zu stellen, so dass sich Anbieter mit modernen Betriebskonzepten ansiedeln können.

Für die Entwicklungsfläche liegen erste Nutzungsüberlegungen der Projektentwicklungsgesell- schaft Harpen Immobilien GmbH vor. Für das Einkaufszentrum ist eine Mietfläche von ca. 8.000 m² projektiert.16 Als Ankermieter sind ein Textilfachmarkt, ein Schuhfachmarkt, ein Lebensmittelmarkt und ein Drogeriemarkt vorgesehen. Darüber hinaus sollen im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss rund 20 weitere Shops mit jeweils ca. 20 – 300 m² Mietfläche entstehen. Der Angebotsschwerpunkt soll auch hier bei Textilien liegen, ergänzt um Schreibwaren, Bücher, Uhren/ Schmuck, Wohnac- cessoires, Bäckerei/ Café und Dienstleister.

Im Untergeschoss sind Lagerflächen und Sozialräume vorgesehen.

Unabhängig von den konkreten Nutzungsüberlegungen stellt der Standort die wichtigste Entwick- lungsfläche für das innerstädtische Versorgungszentrum dar. Diese Einschätzung begründet sich aus folgenden strukturellen Gegebenheiten:

Es handelt sich um den Standort des ehemaligen Magnetbetriebes der Innenstadt. Die Schließung des Warenhauses hat zu einem erheblichem Angebotsdefizit geführt. Durch die Wiederbelegung der Fläche mit modernen Betriebstypen in Form eines kleineren Ein- kaufszentrums wird die Innenstadt insgesamt an Attraktivität gewinnen.

Im Umfeld ist ein annähernd durchgehender Einzelhandelsbesatz prägend. Aufgrund er- gänzender Dienstleistungs- und Gastronomienutzungen ist eine zentrenprägende Nut- zungsmischung vorhanden. Der Speisemarkt als Mittelpunkt und städtebaulicher Identifika- tionspunkt der Innenstadt ist nur rund 100 m entfernt. Die Basilikastraße ist Teil des inner- städtischen Hauptgeschäftsbereiches.

16 Quelle: Harpen Immobilien GmbH, Vermietungs-Konzept, Stand: 01/2014

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Das vorhandene Parkhaus stellt einen wichtigen innerstädtischen Kundenparkplatz dar, der ohne städtebauliche Zäsur eine direkte Anbindung an die Geschäftszone ermöglicht. Damit bestehen eingeführte Kundenwegebeziehungen.

Der Standort ist funktionsfähig über die Amtsstraße in das innerstädtische Verkehrser- schließungsnetz eingebunden.

Aufgrund des Lagevorteils des Entwicklungsareals mit der unmittelbaren Anbindung an den westli- chen Abschnitt der Fußgängerzone besitzt der Standort eine hohe Eignung für ein Einkaufszent- rum. Die projektierte Größe von ca. 8.000 m² Mietfläche ist angesichts der Versorgungsbedeutung des Mittelzentrums Bingen als angemessen zu bewerten. Unter Einzelhandels- und Versorgungs- aspekten ist eine Ergänzung des innerstädtischen Angebotes durch moderne und größere Be- triebseinheiten anzustreben. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die gewachsenen Strukturen der Innenstadt nur wenige größere ebenerdige Geschäftsflächen ermöglichen.

Im Falle einer hochwertigen Einzelhandelsnutzung mit zentrumstypischen Betrieben ist ein Ent- wicklungsimpuls für die Innenstadt zu erwarten, da durch moderne Betriebstypen ein Attraktivitäts- schub ausgelöst werden kann, der auch den angrenzenden Betrieben zusätzliche Umsatzchancen verschaffen würde.

9.6 Versorgungsstrukturen in Büdesheim

Das Fachmarktzentrum Scharlachberg stellt neben der Innenstadt einen weiteren Versorgungs- schwerpunkt dar, der vor allem durch größere Betriebseinheiten geprägt ist. Dabei handelt es sich vorwiegend um nahversorgungsrelevante Betriebe (Rewe, Aldi, Lidl, Netto, dm, Getränke). Dane- ben bietet der Standort mit dem Toom Baumarkt einen Angebotsschwerpunkt bei den nicht- innenstadtrelevanten Sortimenten. Innenstadtrelevante Fachmärkte (u. a. Takko, K & K Schuhcen- ter) belegen mit ca. 1.100 m² Verkaufsfläche eine untergeordnete Verkaufsfläche.

Die Ortsmitte von Büdesheim ist durch überwiegend kleinteiligen Einzelhandel, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe geprägt. Aufgrund der Entfernung von ca. 400 m zwischen dem Fach- marktzentrum und dem Geschäftsbereich an der Saarlandstraße besteht zwischen den Versor- gungsstrukturen der Ortsmitte und dem Fachmarktzentrum keine direkte fußläufige Verbindung und damit nur ein eingeschränkter Leistungsaustausch.

Aufgrund der Angebotsstruktur mit den strukturprägenden nahversorgungsrelevanten Betrieben fungiert das Fachmarktzentrum als Versorgungsbereich, der eine gesamtstädtische Ausstrah- lungskraft entfalten kann. Eine Einbindung der hier ansässigen Versorgungsangebote in die Innen-

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stadt bzw. die stadtteilbezogenen Ortskerne wäre angesichts der Siedlungs- und Grundstücks- strukturen der gewachsenen Ortskerne und der daraus resultierenden städtebaulich integrierten Entwicklungsflächen über die Umnutzung der ehemaligen Hertie-Immobilie hinaus nicht möglich, so dass der Erhalt und die bestandssichernde Weiterentwicklung des Geschäftsbereichs empfoh- len wird. Zukünftig soll das Fachmarktzentrum Scharlachberg die Funktion eines Ergänzungs- standortes für nicht-innenstadtrelevante Sortimente übernehmen.

Abbildung 26: Zentraler Versorgungsbereich Büdesheim und Ergänzungsstandort Schar- lachberg

Quelle: BBE-Erhebungen

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Für die Weiterentwicklung des Fachmarktzentrums Scharlachberg sind somit folgende grundsätzli- che Empfehlungen zu treffen:

Nicht-innenstadtrelevante Sortimente gemäß Binger Sortimentsliste sollen grundsätzlich zulässig sein,

die genehmigten innenstadt- und nahversorgungsrelevanten Sortimente sollen auf den Be- stand festgeschrieben werden,

maßvolle Sortimentserweiterungen bzw. –ergänzungen im Rahmen der Betriebsmoderni- sierung können im Einzelfall zugelassen werden, wenn der Nachweis der Innenstadtver- träglichkeit erbracht werden kann.

Die Ansiedlung zusätzlicher innenstadtrelevanter Einzelhandelsnutzungen sollte zukünftig der In- nenstadt als gesamtstädtisch bedeutsamem Hauptzentrum vorbehalten bleiben.

Neben dem Fachmarktstandort weist der Stadtteil Büdesheim einen gewachsenen Geschäfts- und Dienstleistungsbereich in der Ortsmitte auf, der sich achsenbezogen entlang der Saarlandstraße erstreckt. Die südöstliche Grenze des Nahversorgungszentrums bildet die als Teil des innerörtli- chen Erschließungsrings stark befahrene Hitchinstraße. Die nordwestliche Grenze des Geschäfts- zentrums bildet aufgrund der faktischen Prägung der Kreuzungsbereich Saarlandstraße/ Kepps- mühlenstraße. Der Versorgungsbereich bezieht sich vor allem auf den Stadtteil Büdesheim mit knapp 7.200 Einwohnern.

Für das Nahversorgungszentrum ist eine bestandsichernde Weiterentwicklung zu empfehlen. Grö- ßere Entwicklungsflächen weist der Standort nicht auf, so dass ausschließlich die Entwicklung im Bestand zu forcieren ist und dabei die Versorgungsbedeutung für die im Stadtteil ansässige Bevöl- kerung gesichert werden soll. Gleichzeitig können durch ergänzende größere Nahversorgungsbe- triebe auch Standorte direkt angrenzend an das Nahversorgungszentrum Büdesheim realisiert werden, wenn ein städtebaulich geeigneter Standort zur Verfügung steht und eine auf die Nahver- sorgung ausgerichtete Planung vorgenommen werden soll.

9.7 Nahversorgungsstandort Bingerbrück

Im Stadtteil Bingerbrück befindet sich entlang der Koblenzer Straße ein gewachsener Geschäftsbe- reich, der jedoch eine geringe Nutzungsdichte aufweist. Um den Edeka Lebensmittelmarkt konnte ein Verdichtungsbereich geschaffen werden. In diesem Abschnitt der Koblenzer Straße sind auch

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Verbundeffekte mit den benachbarten Fachgeschäften ablesbar. Ergänzungsfunktionen überneh- men die Betriebe im Bahnhofsumfeld, ohne dass eine fußläufige Anbindung gegeben ist.

Damit erreicht der Standort Bingerbrück jedoch nicht die für einen zentralen Versorgungsbereich notwendige Nutzungsvielfalt. Insbesondere im Bereich des Einzelhandels besteht kein zentrentypi- sches Angebot unterschiedlicher Betriebstypen und -größen sowie Sortimente. Vielmehr handelt es sich um einen isolierten Nahversorgungsstandort, der der wohnungsnahen Lebensmittelversor- gung der im Umfeld wohnhaften Bevölkerung dient. Darüber hinaus sind einzelne ergänzende Ein- zelhandels- und Dienstleistungsangebote vorhanden, die jedoch nicht die notwendige Nutzungs- dichte eines zentralen Versorgungsbereiches aufweisen.

Eine Entwicklung des Standortes Bingerbrück zu einem zentralen Versorgungsbereich mit einem umfassenden Nahversorgungsangebot für den Stadtteil ist aufgrund des Fehlens geeigneter Ent- wicklungsflächen nicht zu erwarten bzw. zu empfehlen.

Aufgrund der stadtstrukturellen und verkehrlichen Rahmenbedingungen ist der Standort Binger- brück als Nahversorgungsstandort für ca. 3.200 Einwohner in den direkt zugeordneten Wohngebie- ten zu bewerten, ohne dass die Voraussetzungen für einen zentralen Versorgungsbereich mit ei- nem über einen Lebensmittelmarkt hinausreichenden Angebot vorhanden sind oder entwickelt werden können. Im Rahmen des Einzelhandelskonzeptes für die Stadt Bingen wird dem Standort keine Funktion als zentraler Versorgungsbereich zugewiesen.

9.8 Ergänzungsstandort Gewerbepark Bingen/ Grolsheim

Für den großflächigen Einzelhandel mit nicht-innenstadtrelevanten Sortimenten wird die Konzent- ration auf Ergänzungsstandorte vom LEP IV gefordert, um Verbundeffekte zu nutzen, einen spar- samen Flächenverbrauch sicherzustellen und Gewerbeflächen in anderen Standortbereichen für emittierende Betriebe vorzuhalten. Als Ergänzungsstandort für den großflächigen Einzelhandel mit nicht-innenstadtrelevanten Sortimenten sind Standorte geeignet, die folgende Kriterien erfüllen:

Zentrale Lage innerhalb des städtischen Siedlungsraumes bzw. des Mittelbereiches,

funktionsfähige Verkehrsanbindung im Kontext des Mittelbereiches,

leistungsfähige Erschließung des Grundstücks,

ggf. Nachnutzungsmöglichkeiten leer stehender Gebäude oder mindergenutzter Grundstücke.

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Der Gewerbepark Bingen/ Grolsheim erfüllt die Kriterien. Es handelt sich um einen interkommuna- len Gewerbe- und Industriepark mit einer Gesamtgröße von ca. 120 ha, der durch die Lage am Au- tobahndreieck Nahetal und über die Gustav-Stresemann-Straße sowie die Willi-Brandt-Allee eine optimale Verkehrserschließung und eine zentrale Lage im Mittelbereich (Bingen, VG Rhein-Nahe, VG Sprendlingen-Gensingen) aufweist. Zur Entwicklung, Erschließung und Vermaktung des Ge- werbeparks wurde ein Zweckverband von der Stadt Bingen, der Verbandsgemeinde Sprendlingen- Gensingen und der Ortsgemeinde Grolsheim gegründet.

Der mittelzentrale Ergänzungsstandort für großflächigen Einzelhandel mit nicht-innenstadtrelevan- ten Sortimenten soll räumlich auf den Bereich Gustav-Stresemann-Straße direkt angrenzend an das Autobahndreieck Nahetal (vgl. Abbildung 27) auf max. 50 ha beschränkt werden, damit steht der Großteil des Gewerbe- und Industriepark der Ansiedlung von Gewerbebetrieben zur Verfü- gung, ohne dass ein Flächenwettbewerb mit dem Einzelhandel zu befürchten ist.

Das zulässige Angebotsspektrum sollte auf die Kernsortimente Möbel/ Einrichtungsbedarf sowie Bau- und Gartenbedarf beschränkt werden. Es handelt sich hierbei um Sortimente/ Betriebstypen, die einen hohen Flächenbedarf aufweisen, der an den bestehenden Standorten (insbesondere Er- gänzungsstandort Fachmarktzentrum Scharlachberg) perspektivisch nicht gedeckt werden kann. Damit kann dem Mittelzentrum Bingen mit der Ausweisung des zusätzlichen Ergänzungsstandortes der notwendige Entwicklungsspielraum für die Versorgungsstrukturen im nicht- innenstadtrelevanten Angebotssegment eingeräumt werden.

Die Konzentration der Entwicklung des großflächigen Einzelhandels mit nicht-innenstadtrelevanten Sortimenten auf zwei Ergänzungsstandorte (Gewerbepark Bingen/ Grolsheim und Scharlachberg) ist angesichts der Versorgungsbedeutung der Stadt Bingen und der standort- und siedlungsbezo- genen Rahmenbedingungen als angemessen zu bewerten.

Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben mit nicht-innenstadtrelevanten Kernsortimenten dürfen durch innenstadtrelevante Randsortimente keine negativen Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO zu erwarten sein, so dass im Rahmen einer Einzelfallprüfung die raumordneri- schen und städtebaulichen Auswirkungen eines Vorhabens zu prüfen sind. Grundsätzlich sollte die im LEP IV definierte Obergrenze von max. 10 % der Verkaufsfläche eines Betriebes berücksichtigt werden. Eine Begrenzung der absoluten Größenordnung für ein Vorhaben ist im Rahmen des Raumordnungsverfahren vorzunehmen und ggf. ein Zielabweichungsverfahren durchzuführen.

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Abbildung 27: Ergänzungsstandort Gewerbepark Bingen/ Grolsheim

Quelle: BBE-Erhebungen

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9.9 Empfehlungen zur Weiterentwicklung der wohnungsnahen Versorgung

Die Stadt Bingen weist eine umfassende Lebensmittelversorgung in den zentralen Versorgungsbe- reichen, im Fachmarktzentrum Scharlachberg sowie an wohnungsnahen Standorten auf. Die vor- handene Nahversorgung soll gesichert und weiterentwickelt werden. Dabei sind ggf. eine Anpas- sung der bestehenden Nahversorgungsstandorte an aktuelle Marktanforderungen sowie die An- siedlung von neuen nahversorgungsrelevanten Betrieben notwendig.

Das vorgeschlagene Standortkonzept für die Nahversorgung basiert auf einem funktional und räumlich differenzierten Versorgungsmodell. Die Ansiedlung großflächiger Betriebe mit nahversor- gungsrelevanten Kernsortimenten sollte grundsätzlich auf die zentralen Versorgungsbereiche be- schränkt werden. Darüber hinaus ist eine aktive Bestandssicherung für den Standortbereich Schar- lachberg notwendig, um eine bedarfsgerechte Versorgungsfunktion mit nahversorgungsrelevanten Sortimenten in der Stadt Bingen auch zukünftig sicher zustellen. In diesem Zusammenhang ist da- rauf hinzuweisen, dass abgesehen von der Umnutzung der ehem. Hertie-Immobilie in den zentra- len Versorgungsbereichen keine größeren Entwicklungsflächen zur Verfügung stehen, die eine stärkere Ausrichtung insbesondere des großflächigen Lebensmittelangebotes auf die zentralen Versorgungsbereiche ermöglichen.

In den Ortsteilen sind vor allem kleinteilige Angebotsstrukturen der wohnungsnahen Grundversor- gung (u. a. Bäckerein, Metzgereien, Obst- und Gemüsegeschäfte/ Hofläden, Kioske/ Getränkehan- del) vorhanden. Diese in allen Ortsteilen vorhandenen Angebotsstrukturen sollen erhalten und ggf. entsprechend der zu versorgenden Bevölkerung weiterentwickelt werden.

9.10 Empfehlungen zum Umgang mit dem Agglomerationen

Der Bildung von Agglomerationen nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevan- ten Sortimenten an städtebaulich nicht-integrierten Bereichen ist im Rahmen der Bauleitplanung entgegenzuwirken. Auch für bestehenden Agglomerationsbereiche wird von Seiten des LEP IV ei- ne Überplanung als Sondergebiet des großflächigen Einzelhandels und eine Festschreibung des Bestandes gefordert.

Das Fachmarktzentrum Scharlachberg stellt eine Agglomeration gemäß Ziel 61 des LEP IV dar. Zur Steuerung der weiteren Entwickung wird die Änderung des Bebauungsplanes mit Festsetzung eines Sondergebietes empfohlen. Dabei sind bestandsorientierte Festsetzungen der Sortimente und Verkaufsflächen vorzunehmen. Ein aktiver Bestandsschutz sollte vor dem Hintergrund der strukturellen Rahmenbedingungen der Standort- und Versorgungssituation in der Stadt Bingen (u. a. mangelnde Entwickungsflächen in den zentralen Versorgungsbereichen) eine maßvolle Sor-

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timentserweiterungen bzw. –ergänzungen im Rahmen der Betriebsmodernisierung für die lebens- mittelbezogenen Anbieter ermöglichen.

Gleichzeitig sollte die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben mit nicht-innenstadtrelevanten Kern- sortimenten grundsätzlich zulässig sein, während zusätzliche Betriebe mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten ausgeschlossen werden sollen.

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10 Binger Sortimentsliste

Die Binger Sortimentsliste ist vor dem Hintergrund der Strukturen im örtlichen Einzelhandel und der Marktentwicklung im deutschen Einzelhandel aufzustellen. Dabei werden folgende Charakterisie- rungen zu Grunde gelegt:

Innenstadtrelevante Sortimente zeichnen sich dadurch aus, dass sie für das Einzelhan- delsangebot einer Innenstadt prägend und daher für ein starkes und intaktes Versorgungs- zentrum bedeutsam sind. Als innenstadtrelevant sind somit grundsätzlich diejenigen Sorti- mente anzusehen, deren Ansiedlung in peripheren Lagen zu Funktionsverlusten durch nennenswerte Umsatzumlenkungen und daraus resultierende Verdrängungseffekte in zentralen Versorgungsbereichen führen können.

Dagegen sind als nicht-innenstadtrelevant Sortimente einzustufen, die nicht oder nur in ge- ringem Umfang in der Innenstadt vertreten sind und für das innerstädtische Angebots- spektrum keine bzw. nur geringe Synergieeffekte hervorrufen. Vielfach können diese Sor- timente aufgrund ihrer Beschaffenheit und der besonderen Standortanforderungen der auf sie spezialisierten Betriebe (z. B. großer ebenerdiger Flächenbedarf, starke Pkw-Orientie- rung, Sperrigkeit der Waren) kaum in innerstädtische Bereiche integriert werden.

Die Nahversorgungsrelevanz von Sortimenten ergibt sich aus den in sehr kurzen Abstän- den wiederkehrenden Versorgungsvorgängen, die insbesondere auch für weniger mobile Verbraucher ohne eigenen Pkw durch ein am Wohnstandort und damit verbrauchernah ge- legenes Angebot gewährleistet werden sollen. Nahversorgungsrelevante Sortimente sind grundsätzlich auch innenstadtrelevant.

Im Rahmen des LEP IV werden folgende innenstadtrelevante Leitsortimente definiert, von denen „im begründeten Einzelfall“ abgewichen werden kann:

Nahrungs- und Genussmittel

Drogeriewaren/ Kosmetikartikel

Haushaltswaren/ Glas/ Porzellan

Bücher/ Zeitschriften, Papier/ Schreibwaren, Büroartikel

Kunst/ Antiquitäten

Baby-/ Kinderartikel

Bekleidung, Lederwaren, Schuhe

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Unterhaltungselektronik/ Computer, HiFi/ Elektroartikel

Foto/ Optik

Einrichtungszubehör (ohne Möbel), Teppiche, Textilien/ Heimtextilien, Bastelartikel, Kunst- gewerbe

Musikalienhandel

Uhren/ Schmuck

Spielwaren, Sportartikel

Blumen

Campingartikel, Fahrräder und Zubehör, Mofas

Zooartikel, Tiernahrung und Tiere.

Für die Bewertung der Innenstadtrelevanz der ausgewählten Sortimente wird folgende Vorge- hensweise gewählt:

Bewertung der Angebotsstruktur nach Standorten

Bewertung der sortimentsbezogenen Ausstattung in den zentralen Versorgungsbereichen

Bewertung der Bedeutung der Sortimente für die Funktionsfähigkeit und Entwicklungsfä- higkeit der zentralen Versorgungsbereiche der Stadt Bingen.

Unter Berücksichtigung der strukturellen Gegebenheiten und der Marktentwicklung ist die Innen- stadt- und Nahversorgungsrelevanz der Sortimente in der Stadt Bingen wie folgt zu bewerten:

Die Nahversorgung wird aufgrund der Einkaufshäufigkeit durch die Sortimente Nahrungs- und Genussmittel, Drogerie-, Parfümerie-, Kosmetikartikel sowie Apothekenwaren sicher- gestellt. Die strukturprägenden Betriebe mit diesen Sortimenten befinden sich in der Stadt Bingen in den abgegrenzten zentralen Versorgungsbereichen, im Fachmarktzentrum Scharlachberg bzw. an sonstigen wohnungsnahen Standorten. Sie sind als nahversor- gungsrelevant zu bewerten.

In den zentralen Versorgungsbereichen Innenstadt und Büdesheim (Haupt- bzw. Nahver- sorgungszentrum) sind die wesentlichen Angebote in den Sortimenten Blumen, Sanitätsar- tikel, Bekleidung, Schuhe/ Lederwaren, Sportartikel, Bücher/ Zeitschriften, Schreibwaren, Spiel-/ Hobbywaren, Glas/ Porzellan/ Keramik, Haushaltswaren Haushaltstextilien, Lam-

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pen/ Leuchten, Elektrowaren/ Unterhaltungselektronik, Computer, Telekommunikation, Fo- to, Optik, Uhren/ Schmuck, Kunst, Bilder und -Rahmen konzentriert. Aufgrund der struktu- rellen Gegebenheiten sind diese Sortimente in der Stadt Bingen faktisch als innenstadtre- levant zu bewerten.

Diese Sortimentsbereiche zeichnen sich durch ein relativ kleinteiliges Sortiment („Handta- schensortiment“) aus, das hinsichtlich des Flächenbedarfs und der Leistungsfähigkeit (Flä- chenproduktivität) in zentrale Geschäftslagen integrierbar ist. Sie sind für einen attraktiven Branchenmix in den zentralen Versorgungsbereichen wünschenswert. Aufgrund der Klein- teiligkeit der Sortimente besteht auch die Entwicklungsfähigkeit in zentralen Versorgungs- bereichen der Stadt Bingen, so dass die Kriterien der Innenstadtrelevanz erfüllt sind.

Aufgrund der flächenintensiven Warenpräsentation und dem großen Flächenbedarf der Ar- tikel sind die Sortimente Bau- und Gartenbedarf (inkl. Farben, Tapeten, Bodenbeläge, Pflanzen) sowie Möbel/ Küchen in der Stadt Bingen als nicht-innenstadtrelevant zu be- werten. Die strukturprägenden Betriebe befinden sich außerhalb der abgegrenzten zentra- len Versorgungsbereiche. Für die Angebotssegmente ist eine Entwicklungsfähigkeit inner- halb der zentralen Versorgungsbereiche nicht zu erwarten.

Heimtierzubehör und lebende Tiere sollten in der Stadt Bingen als nicht-innenstadtrelevant eingestuft werden. Die Angebotsstruktur wird in der Stadt Bingen vor allem durch einen Fachmarkt am Scharlachberg geprägt. Aufgrund des Flächenanspruchs ist eine Integration in die zentralen Versorgungsbereiche der Stadt Bingen zukünftig nicht mehr zu erwarten.

Die Sortimente Bettwaren und Teppiche werden in den zentralen Versorgungsbereichen der Stadt Bingen in nur sehr begrenztem Umfang angeboten. Aufgrund der Sperrigkeit der angebotenen Waren ist auch bei einer möglichen Ansiedlung keine Integration in die zent- ralen Versorgungsbereiche zu erwarten, so dass diese als nicht-innenstadtrelevant zu be- werten sind.

Die Angebotsstrukturen für Fahrräder und Zubehör sind in der Stadt Bingen durch Betriebe überwiegend außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche geprägt. Der zunehmende Flächenbedarf und die geringe Flächenproduktivität in diesem Angebotssegment lassen eine Zentrumsintegration nicht erwarten. Das Sortiment ist als nicht-innenstadtrelevant zu bewerten. Letzteres gilt auch für Campingartikel, Reitsport, Angel- und Bootsbedarf.

Das Sortiment Baby- und Kinderartikel (ohne Spielwaren, Bekleidung) wird in der Stadt Bingen nicht angeboten. Aufgrund der betriebswirtschaftlichen Aspekte wird es sich auch zukünftig nicht als prägendes Sortiment für die Binger Zentren entwickeln, so dass emp- fohlen wird, diese Warengruppe als nicht-innenstadtrelevant einzustufen.

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Von den Vorschlägen der Landesplanung ausgehend, wird für die Stadt Bingen eine ortsspezifi- sche Sortimentsliste vorgeschlagen. Zusammenfassend sind folgende Sortimente als innenstadtre- levant zu bewerten:

Nahrungs- und Genussmittel (auch nahversorgungsrelevant)

Drogeriewaren/ Kosmetikartikel (auch nahversorgungsrelevant)

Haushaltswaren/ Glas/ Porzellan

Bücher/ Zeitschriften, Papier/ Schreibwaren, Büroartikel

Kunst

Baby-/ Kinderartikel (nur Bekleidung, Hygiene, Spielwaren)

Bekleidung, Lederwaren, Schuhe

Unterhaltungselektronik/ Computer, HiFi/ Elektroartikel

Foto/ Optik

Einrichtungszubehör (ohne Möbel), Haushaltstextilien (ohne Bettwaren, Vorhänge, Teppi- che), Bastelartikel, Kunstgewerbe

Musikalienhandel

Uhren/ Schmuck

Spielwaren, Sportartikel (ohne Sportgroßgeräte, Campingartikel, Fahrräder/ -Zubehör)

Blumen.

Zur Konkretisierung der Binger Sortimentsliste werden für die Bauleitplanung die nahversorgungs- relevante und innenstadtrelevante Warengruppen in einer Positivliste sowie die nicht-innenstadt- relevanten Sortimente in einer Negativliste darstellt. Die Bezeichnung der Warengruppen stützt sich auf die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Systematik der Wirtschaftszweige (WZ 2008).

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Abbildung 28: Sortimentsliste der innenstadtrelevanten und nicht-innenstadtrelevanten Sor- timente der Stadt Bingen

Definition innenstadt- und Definition nicht-innenstadtrelevanter Sortimente nahversorgungsrelevanter Sortimente

WZ Bezeichnung WZ Bezeichnung

nahversorgungsrelevante Sortimente 47.2 Nahrungs- und Genussmittel, Getränke, Ta- bakwaren 47.73 Apotheken 47.75 Drogeriewaren, kosmetische Erzeugnisse und Körperpflegemittel aus 47.78.9 Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel

innenstadtrelevante Sortimente nicht-innenstadtrelevante Sortimente

47.41 Datenverarbeitungsgeräte, periphere Geräte und Software 47.42 Telekommunikationsgeräte 47.43 Geräte der Unterhaltungselektronik aus 47.51 Haushaltstextilien (Haus-, Tisch- und Bett- wäsche), Kurzwaren, Schneidereibedarf, Handarbeiten sowie Meterware für Beklei- dung und Wäsche aus 47.51 Bettwaren (u. a. Matratzen, Lattenroste, Oberdecken) 47.52.1 Metall- und Kunststoffwaren (u. a. Eisen- waren, Bauartikel, Installationsbedarf für Gas, Wasser, Heizung und Klimatechnik, Werkzeuge, Spielgeräte für Garten und Spielplatz, Rasenmäher) 47.52.3 Anstrichmittel, Bau- und Heimwerkerbedarf 47.53 Vorhänge, Teppiche, Bodenbeläge und Ta- peten 47.54 elektrische Haushaltsgeräte 47.59.1 Wohnmöbel, Kücheneinrichtungen, Büromö- bel 47.59.2 keramische Erzeugnisse und Glaswaren 47.59.3 Musikinstrumente und Musikalien aus 47.59.9 Haushaltsgegenstände (u. a. Koch-, Brat- aus 47.59.9 Holz-, Flecht- und Korbwaren (u. a. Drechs- und Tafelgeschirre, Schneidwaren, Be- lerwaren, Korbmöbel, Bast- und Strohwaren, stecke, nicht elektrische Haushaltsgeräte) Kinderwagen) aus 47.59.9 Lampen, Leuchten und Beleuchtungsartikel aus 47.59.9 sonstige Haushaltsgegenstände (u. a. Be- darfsartikel für dem Garten, Garten- und Campingmöbel, Grillgeräte) 47.61.0 Bücher 47.62.1 Fachzeitschriften, Unterhaltungszeitschriften und Zeitungen 47.62.2 Schreib- und Papierwaren, Schul- und Büro- artikel 47.63 Ton- und Bildträger Fortsetzung folgt

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Definition innenstadt- und Definition nicht-innenstadtrelevanter Sortimente nahversorgungsrelevanter Sortimente

WZ Bezeichnung WZ Bezeichnung 47.64.1 Fahrräder, Fahrradteile und -zubehör aus 47.64.2 Sportartikel (inkl. Sportbekleidung, -schuhe, aus 47.64.2 Sportgroßgeräte, Campingartikel -geräte) 47.65 Spielwaren und Bastelartikel 47.71 Bekleidung 47.72 Schuhe, Lederwaren und Reisegepäck 47.74 medizinische und orthopädische Artikel aus 47.76.1 Blumen aus 47.76.1 Pflanzen, Sämereien und Düngemittel 47.76.2 zoologischer Bedarf und lebende Tiere (inkl. Futtermittel für Haustiere) 47.77 Uhren und Schmuck 47.78.1 Augenoptiker 47.78.2 Foto- und optische Erzeugnisse 47.78.3 Kunstgegenstände, Bilder, kunstgewerbliche Erzeugnisse, Briefmarken, Münzen und Ge- schenkartikel 47.79 Antiquitäten und Gebrauchtwaren 45.32 Kraftwagenteile und -zubehör

Quelle: BBE-Zusammenstellung im Rückgriff auf die Systematik der Wirtschaftszweige (WZ 2008)

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11 Exkurs: Planungsrechtliche Steuerung der Einzelhandels- entwicklung

Das vorliegende Einzelhandelskonzept soll als wichtige Grundlage für die künftige Einzelhandels- steuerung und als Abwägungsgrundlage für die Bauleitplanung dienen. Dazu ist es notwendig, dass die Stadt das Konzept als „sonstige städtebauliche Planung“ gemäß § 1 Abs. 6 Satz 11 BauGB beschließt. Das Konzept kann seine Gestaltungswirkung nur dann entfalten, wenn das pla- nungsrechtliche Instrumentarium sowohl für die Innenentwicklung als auch zur Steuerung der Ein- zelhandelsstruktur außerhalb des zentralen Versorgungsbereiches angewandt wird.

11.1 Steuerung des Einzelhandels mit innenstadtrelevanten Kernsortimen- ten

Um das Ziel einer weitgehenden Konzentration des innenstadtrelevanten Einzelhandels auf die zentralen Versorgungsbereiche der Stadt Bingen zu erreichen, wird der Stadt mit dem vorliegen- den Konzept unter anderem empfohlen, Ausschlussregelungen für die Standortbereiche außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche zu treffen. Dazu sind der Stadt Bingen weitgehende Möglich- keiten gegeben:

Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 4. Oktober 2001 klarstellt, lässt § 1 Abs. 9 BauNVO auch Sortimentsbeschränkungen des Einzelhandels zu, wenn diese Dif- ferenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht (BVerwG, 4 BN 45.01 – BRS 64 Nr.28). Die- se Anforderung ist dann erfüllt, wenn die gewählten Sortimentsbezeichnungen zweifelsfrei die in der Realität vorhandenen Einzelhandelsbetriebe bezeichnen (siehe OVG NRW, Urteil vom 22. April 2004, Az. 7a D 142/02, Seite 18).

Als rechtlicher Hintergrund für die vorgeschlagenen Ausschlussregelungen in bestimmten Stand- ortbereichen ist weiterhin zu beachten, dass die Zulässigkeit von Sortimentsbeschränkungen nicht nur auf großflächige Einzelhandelsbetriebe17 begrenzt ist, die mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200 m² der so genannten Regelvermutung des § 11 Abs. 3 BauNVO unterliegen. Nach dem zitierten Urteil des OVG NRW vom 22. April 2004 lässt § 1 Abs. 9 BauNVO den Ausschluss aller Arten baulicher Anlagen im Sinne der BauNVO zu, mithin auch den Ausschluss bestimmter Einzel- handelsbetriebe in Gewerbegebieten nach § 8, Industriegebieten nach § 9 und sogar in Mischge- bieten nach § 6 BauNVO.

17 Zur Definition der Großflächigkeit vgl. Ausführungen im folgenden Kapitel 11.2.

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Allerdings ist zu beachten, dass eine Feindifferenzierung der zulässigen Art der baulichen Nutzung nach § 1 Abs. 9 BauNVO eine städtebauliche Begründung erfordert, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und geeignet ist, die Abweichung vom normativen Re- gelfall der Baugebietsausweisung zu rechtfertigen.

Bei einer Überplanung bestehender Gebiete ermächtigt § 1 Abs. 10 BauNVO die Gemeinde dazu, in den Bebauungsplan Festsetzungen aufzunehmen, mit denen Erweiterungen, Änderungen, Nut- zungsänderungen und Erneuerungen im Plangebiet vorhandener baulicher Anlagen ermöglicht werden und damit einen erweiterten Bestandsschutz für Betriebe zu gewähren, die bei typisieren- der Betrachtungsweise „an sich“ unzulässig sind. In einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts- hof Baden-Württemberg vom 08.10.2013 wurde klar gestellt, dass es jedoch im planerischen Er- messen der Gemeinde liege, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen. Voraussetzung für den Ausschluss eines erweiterten Bestandsschutzes sind jedoch eine ausreichende städtebauliche Begründung und eine ordnungsgemäße Abwägung (VGH BW, 3 S 2356/12).

11.2 Städtebauliche Prüfung von Ansiedlungsvorhaben des großflächigen Einzelhandels

Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) enthält mit § 11 Abs. 3 eine Sondervorschrift für die pla- nungsrechtliche Behandlung des großflächigen Einzelhandels. Die grundlegende Vorgabe besteht darin, großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich auf die Ziele der Raumordnung oder die städte- bauliche Entwicklung auswirken können, lediglich in Kerngebieten und in Sondergebieten zuzulas- sen.

Großflächige Einzelhandelsbetriebe insbesondere mit innenstadtrelevanten Sortimenten sollten aufgrund ihrer zumeist nicht unerheblichen Auswirkungen auf die lokalen und regionalen Versor- gungsstrukturen, die Umwelt und die Stadtentwicklung nur dann zugelassen werden, wenn sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur lokalen und regionalen Versorgungs- struktur stehen. Darüber hinaus ist eine weitere Grundvoraussetzung entsprechend der Vorgabe des LEP IV, dass sich der Planstandort innerhalb eines ausgewiesenen zentralen Versorgungsbe- reiches befindet.

Aus städtebaulicher Sicht ist im Zuge von Ansiedlungsverfahren zu prüfen, ob der großflächige Einzelhandelsbetrieb mit dem städtebaulichen Gefüge vereinbar ist. Dabei ist ein wesentlicher öf- fentlicher Belang das Interesse der Gemeinden an der Erhaltung und Weiterentwicklung ihrer Zen- tren.

Mit seinem Urteil vom 24. November 2005 (BVerwG 4 C 10.04) hat das Bundesverwaltungsgericht die Grenze der Großflächigkeit von Einzelhandelsbetrieben verbindlich festgelegt. Demnach sind Einzelhandelsbetriebe großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr.2 BauNVO, wenn sie eine Seite 73 von 83 Einzelhandelskonzept für die Stadt Bingen

Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten (Tatbestandsmerkmal, unabhängig von lokalen Gege- benheiten).

Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit den Bestimmungsgrößen großflächiger Einzelhandels- betriebe hat das Bundesverwaltungsgericht weiterhin die Frage beantwortet, wann die Funktions- einheit mehrerer Einzelhandelsbetriebe als großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO zu betrachten ist. Die Eckpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen (BVerwG 4 C 14.04, Urteil vom 24. November 2005):

Ob es sich bei einer Verkaufsstätte um einen einzigen oder um mehrere Betriebe handelt, bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten.

Für die räumliche Abgrenzung eines Einzelhandelsbetriebs ist auf die nach außen erkenn- baren baulichen Gegebenheiten abzustellen.

Eine Verkaufsstätte kann nur dann ein selbstständiger Einzelhandelsbetrieb sein, wenn sie selbstständig, d. h. unabhängig von anderen Einzelhandelsbetrieben genutzt werden kann und deshalb baurechtlich auch als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre.

Hierzu muss die Verkaufsstätte jedenfalls

- einen eigenen Eingang,

- eine eigene Anlieferung und

- eigene Personalräume haben sowie

- unabhängig von anderen Betrieben geöffnet und geschlossen werden können.

Ist innerhalb eines Gebäudes die Betriebsfläche baulich in mehrere selbstständig nutzbare betrieb- liche Einheiten unterteilt, bilden diese Einheiten gleichwohl einen großflächigen Einzelhandelsbe- trieb im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO, wenn die Gesamtfläche durch einen Einzelhandelsbetrieb als Hauptbetrieb geprägt wird und auf den baulich abgetrennten Flächen zu dessen Warenangebot als Nebenleistung ein Warenangebot hinzutritt, das in einem inneren Zusammenhang mit der Hauptleistung steht, diese jedoch nur abrundet und von untergeordneter Bedeutung bleibt (z. B. Backshop, Lotto/Toto/Zeitschriften, vgl. OVG Münster, Az. 10 A 1144/11 vom 29. Mai 2013).

Nach § 11 Abs. 3 BauNVO 1990 sind städtebauliche Auswirkungen bei Ansiedlung von großflächi- gen Einzelhandelsbetrieben in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche des Betriebes 1.200 m² überschreitet.

Weist das Vorhaben mehr als 800 m² Verkaufsfläche, aber weniger als 1.200 m² Geschossfläche auf, ist die Genehmigungsbehörde darlegungspflichtig, ob mit Auswirkungen zu rechnen ist. Bei

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mehr als 1.200 m² Geschossfläche obliegt es dem Antragsteller, die Regelvermutung zu widerle- gen.

Hierzu bedarf es zunächst des Nachweises einer "atypischen Fallgestaltung". Dazu müssen An- haltspunkte dafür bestehen, dass von einem Vorhaben jenseits der Vermutungsgrenze keine Aus- wirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche oder die wohnungsnahe Versorgung der Bevölkerung ausgehen.

Dabei sind nach dem Verordnungstext "... in Bezug auf die in Satz 2 [des § 11 Abs. 3 BauNVO] be- zeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Orts- teile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen."

Insofern kann diese Atypik aus betrieblichen oder städtebaulichen Besonderheiten des konkreten Sachverhaltes resultieren. Dabei können betriebliche Besonderheiten z. B. vorliegen

bei einer Abweichung des Verhältnisses von Geschossfläche zur Verkaufsfläche, d. h. wenn der Anteil der Verkaufsfläche trotz Überschreitung des Schwellenwertes von 1.200 m² Geschossfläche unter 800 m² liegt,

wenn der Betrieb beschränkt ist auf ein schmales Warensortiment (z. B. Baustoffe),

bei Artikeln, die üblicherweise in Verbindung mit handwerklichen Dienstleistungen angebo- ten werden (z. B. Kfz-Handel mit Werkstatt).

Städtebauliche Besonderheiten können beispielsweise vorliegen,

wenn der Einzugsbereich des Betriebs im Warenangebot bisher unterversorgt war und in- nerhalb des Einzugsbereichs des Betriebs keine zentralen Versorgungsbereiche vorhan- den sind,

wenn der Betrieb in zentraler und für die Wohnbevölkerung gut erreichbarer Lage (städte- baulich integriert) errichtet werden soll und das Vorhaben aufgrund eines außergewöhnlich hohen Nachfragepotenzials im Nahbereich überwiegend von der lokalen Nachfrage getra- gen wird.

Auch im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB - also innerhalb der im Zusammenhang be- bauten Ortsteile, jedoch außerhalb des Geltungsbereichs eines qualifizierten Bebauungsplanes - kann die Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO in bestimmten Fällen Anwendung finden. Sie gilt bei- spielsweise dann, wenn nach § 34 Abs. 2 BauGB die Eigenart der näheren Umgebung faktisch ei- nem der Baugebiete der BauNVO, z. B. einem Gewerbe- oder Industriegebiet, entspricht. Auch in diesem Fall ist die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in der Regel unzulässig,

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es sei denn, die Eigenart der näheren Umgebung wird bereits durch großflächige Einzelhandelsbe- triebe geprägt und entspricht somit faktisch einem Sondergebiet nach § 11 Abs. 3 BauNVO.

11.3 Festsetzungen zu Art und Umfang von Einzelhandelsnutzungen in Sondergebieten des großflächigen Einzelhandels

Um potenzielle raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen grundsätzlich in einem 'verträg- lichen Rahmen' zu halten und die zukünftige Flächenentwicklung in den Sonderlagen gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO planungsrechtlich abzusichern, sind in der Regel Begrenzungen der zulässi- gen Verkaufsfläche und genaue Sortimentsfestsetzungen zu empfehlen. Insbesondere sollten ver- bindliche und definitorisch eindeutige Festsetzungen der innenstadtrelevanten Sortimente erfolgen, die auf der vorab definierten Liste innenstadtrelevanter Sortimente basieren. Dabei ist darauf zu achten, dass vorhabenbezogene und nicht baugebietsbezogene Verkaufsflächenobergrenzen und Sortimentsfestlegungen getroffen werden.

Zur Festsetzung „Sondergebiet“ muss die Zweckbestimmung speziell festgesetzt werden. Während die BauNVO bei den übrigen Baugebieten (§§ 2 bis 9) die Zweckbestimmung des Gebietes und die zulässige Art der Nutzung selbst festlegt, müssen diese Regelungen bei Sondergebieten im Be- bauungsplan getroffen werden. Dadurch ergibt sich ein größerer Spielraum, die zulässige Nutzung zu konkretisieren. Neben der Angabe der Zweckbestimmung (SO-Gebiet für großflächige Einzel- handelsbetriebe) ist die Festsetzung der Art der Nutzung (d. h. der einzeln aufzuführenden zulässi- gen Anlagen) unerlässlich.

Bei Festsetzungen von Verkaufsflächenobergrenzen ist zwischen baugebietsbezogenen und vor- habenbezogenen Obergrenzen zu unterscheiden. Die Festsetzung baugebietsbezogener Ver- kaufsflächenbeschränkungen ist vom Bundesverwaltungsgericht für ein Sondergebiet für unwirk- sam erklärt worden, weil sie weder als Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung noch als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung zulässig ist.

Festsetzungen zu vorhabenbezogenen Verkaufsflächenobergrenzen sind jedoch zulässig, da die Gemeinde auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 BauNVO die Art der baulichen Nutzung näher kon- kretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen kann, die ihr am besten geeignet er- scheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel zu erreichen. Insbesondere darf sie in einem von

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ihr festgesetzten Sondergebiet den vorhabenbezogenen Anlagentyp durch die von ihr bestimmte Begrenzung der Verkaufsflächen selbst festsetzen.18

Bei großflächigen Betrieben mit nicht-innenstadtrelevanten Kernsortimenten hängt die städtebau- lich verträgliche Obergrenze für innenstadtrelevante Randsortimente jeweils von der Art und Größe des konkreten Vorhabens sowie von der örtlichen Situation ab.

Laut LEP IV ist die Höchstgrenze für Vorhaben mit nicht-innenstadtrelevanten Kernsortimenten an nicht-integrierten Standorten i. d. R. auf max. 10 % der Gesamtverkaufsfläche zu beschränken.

11.4 Beschränkung von Einzelhandelsnutzungen in Gewerbegebieten

Eine Beschränkung von bestimmten, in einem Baugebiet an sich zulässigen Nutzungen ist nach § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO grundsätzlich dann möglich, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen.

Nach allgemeiner Rechtsauffassung bleibt beispielsweise der Gebietscharakter bei Einschränkung von Einzelhandelsnutzungen in einem Gewerbegebiet gewahrt, wie das Bayerische Verwaltungs- gericht bereits 1985 im Rahmen eines Normenkontroll-Verfahrens bestätigte.19

In dem vorgenannten Urteil wird u. a. ausgeführt, dass der Einzelhandel nur einen schmalen Aus- schnitt aus der Fülle der nach § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässigen Nutzungen eines Gewer- begebietes darstellt, so dass die Wahrung des Gebietscharakters auch dann gegeben ist, wenn ein Bebauungsplan diese Nutzungsart ausschließt.

Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, Einzelhandelsbetriebe und sonstige Gewerbebetriebe mit Verkaufsflächen für den Verkauf an Endverbraucher in den Gewerbegebieten durch geeignete Be- bauungspläne auszuschließen, sofern sich das Kernsortiment aus innenstadt- bzw. nahversor- gungsrelevanten Sortimenten zusammensetzt. Innenstadtrelevante Sortimente sollten nur als Randsortimente zulässig sein, die dem nicht-innenstadtrelevanten Kernsortiment sachlich zuge- ordnet und diesem im Angebotsumfang deutlich untergeordnet sind.

18 BVerwG, 27.04.1990, 4 C 36.87 und 03.04.2008, 4 CN 4.07

19 Bay VGH, Normenkontroll-Urteil vom 23.05.1985, Nr. 2 N 83 A 1490.

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Ausnahmen sind für Einzelhandelsbetriebe denkbar, die aufgrund ihres Warensortiments und ihrer begrenzten Verkaufsfläche überwiegend der Versorgung der im Gewerbegebiet Tätigen dienen (z. B. Kiosk).

Auch sollten Verkaufsstätten von produzierenden und weiterverarbeitenden Betrieben sowie Hand- werksbetrieben zugelassen werden, wenn die Verkaufsfläche

dem Hauptbetrieb räumlich zugeordnet,

in betrieblichem Zusammenhang errichtet,

dem Hauptbetrieb flächenmäßig deutlich untergeordnet ist und

die Grenze der Großflächigkeit nach § 11 Abs. 3 BauNVO nicht überschritten wird.

Zu beachten ist, dass bereits bestehenden Einzelhandelsbetrieben individuell auf sie zugeschnitte- ner Bestandsschutz eingeräumt werden muss.

Mit den vorgeschlagenen Empfehlungen zu den textlichen Festsetzungen werden:

die unkontrollierbare Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben verhindert,

Handwerks- und Gewerbebetrieben die Möglichkeit gegeben, funktional untergeordneten Einzelhandel mit dem Produktionsbetrieb angemessen zu verknüpfen und

zum Zeitpunkt der Planänderung bereits bestehenden Einzelhandelsbetrieben angemes- sene Erweiterungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen zugestanden.

11.5 Beschränkung von Einzelhandelsnutzungen in sonstigen Baugebieten

Zur Umsetzung des vorgeschlagenen Einzelhandelskonzeptes kann es unter Umständen erforder- lich werden, auch in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 oder Mischgebieten nach § 6 BauNVO Regelungen zum Ausschluss bestimmter Einzelhandelsnutzungen zu treffen.

Diese setzen jedoch in der Regel besondere städtebauliche Begründungen voraus, die zum Bei- spiel auf Zielaussagen eines Einzelhandelskonzeptes beruhen können.

Generell ist darauf zu achten, dass durch die Regelungen zum Ausschluss von (bestimmten) Ein- zelhandelsnutzungen der Gebietscharakter gewahrt bleibt.

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11.6 Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen im unbeplanten Innenbereich

Am 1. Januar 2007 ist das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwick- lung der Städte in Kraft getreten. Mit ihm sind das Baugesetzbuch (BauGB) sowie das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geändert worden.

Die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche ist in § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB als bei Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigender Belang ausdrücklich aufgenommen worden. Als zusätzliches planungsrechtliches Steuerungsmoment ist es nach § 9 Abs. 2a BauGB möglich, in einem Bebauungsplan für im Zusammenhang bebaute Ortsteile ohne Ausweisung von Baugebie- ten im Sinne der Baunutzungsverordnung die Zulässigkeit beschränkende Festsetzungen insbe- sondere zum Einzelhandel zu treffen, um zentrale Versorgungsbereiche zu erhalten und zu entwi- ckeln.

Die Anwendung dieses Steuerungsinstruments macht eine genaue Begründung erforderlich. Denn wie bereits in früheren Urteilen von hohen Gerichten klargestellt wurde, „… ist der bauplanerische Ausschluss einzelner Nutzungsarten nur dann städtebaulich gerechtfertigt, wenn er anhand eines schlüssigen Plankonzepts auf Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit überprüft werden kann“ (VGH Mannheim, Urteil vom 28.01.2005)20.

Wie § 9 Abs. 2a BauGB in Satz 3 ausdrücklich darlegt, ist bei Anwendung der Rechtsvorschrift ins- besondere darzulegen, dass in den bestehenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbe- reichen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 bereits vorhanden sind oder zumindest durch einen in Aufstellung be- findlichen Bebauungsplan geschaffen werden sollen.

11.7 Möglichkeiten zur Umsetzung des Einzelhandelskonzeptes durch die Bauleitplanung

Zur Umsetzung des vorgeschlagenen Einzelhandelskonzepts werden für die künftige Bauleitpla- nung zusammengefasst folgende Handlungsempfehlungen ausgesprochen:

20 zitiert nach Schmitz, H: Die Novellierung des BauGB 2007 unter Berücksichtigung der spezifischen Berliner Planungsbedingungen, Berlin 2007.

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Neuansiedlungen von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten Sor- timenten sind grundsätzlich nur innerhalb des abgegrenzten zentralen Versorgungsbe- reichs Bingen-Innenstadt (Hauptzentren) möglich. Großflächige Betriebe mit nahversor- gungsrelevanten Kernsortimenten sind darüber hinaus auch im Nahversorgungszentrum Büdesheim zulässig. Im Fachmarktzentrum Scharlachberg soll durch einen aktiven Be- standsschutz die gesamtstädtische Bedeutung bei der Grundversorgung erhalten werden.

Sofern die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen bisher fehlen, ist die Genehmigung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevanten bzw. nahversorgungs- relevanten Sortimenten innerhalb der zentralen Versorgungsbereiche durch geeignete Be- bauungspläne als Kern- bzw. Sondergebiet ggf. auch mit Festlegungen von Verkaufsflä- chen und Sortimenten nach § 11 Abs. 3 BauNVO zu regeln.

Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungsrelevanten Kernsortimenten sollten außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche nur an städtebaulich integrierten Standorten zugelas- sen werden, die der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung dienen, sofern die Ziel- setzung der Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche nicht entgegensteht und sonstige, der Nahversorgung dienende Standorte nicht geschwächt oder in ihren städte- baulich wünschenswerten Entwicklungsmöglichkeiten gehemmt werden.

Um die Innenstadt zu stärken und ihre Entwicklung zu fördern, sollten Einzelhandelsbetrie- be mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten an Konkurrenzstandorten konsequent über Bebauungsplanfestsetzungen ausgeschlossen werden. Dies gilt vor allem auch für das Fachmarktzentrum Scharlachberg, das ein Ergänzungsstandort für großflächigen Einzel- handel mit nicht-innenstadtrelevantem Einzelhandel darstellt. Innenstadtrelevante Sorti- mente sollten in diesem Bereich – abgesehen von den vorhandenen Betrieben - jedoch nur als Randsortimente zulässig sein, die dem nicht-innenstadtrelevanten Kernsortiment sach- lich zugeordnet und diesem im Angebotsumfang deutlich untergeordnet sind (Einzelfallprü- fung).

Auch für den Ergänzungsstandort Gewerbepark Bingen/ Grolsheim als Standort für den großflächigen Einzelhandel mit Möbeln/ Einrichtungsbedarf sowie Bau- und Gartenbedarf ist im Rahmen von Einzelfalluntersuchungen die raumordnerisch und städtebaulich ver- trägliche Dimensionierung von Sortimenten und Verkaufsflächen zur Vorbereitung des konkreten Bauleitplanverfahrens zu ermitteln.

Vorhandene Bebauungspläne sollten daraufhin überprüft werden, ob die angestrebte För- derung der zentralen Versorgungsbereiche den generellen Ausschluss von Einzelhandels- nutzungen oder den Teilausschluss bestimmter Einzelhandelsnutzungen erfordert. Ggf. sind unter Beachtung der Anforderungen des Bestandsschutzes Einzelhandelsbetriebe mit

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innenstadtrelevantem Sortiment gemäß § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO durch geeignete Be- bauungspläne auszuschließen.

Für den unbeplanten Innenbereich sollten Bebauungspläne aufgestellt werden, die die Einhaltung der vorab definierten städtebaulichen Ziele gewährleisten. Dabei ist auch zu prüfen, ob als zusätzliches planungsrechtliches Steuerungsmoment Bebauungspläne nach § 9 Abs. 2 a BauGB Anwendung finden können. Danach ist es möglich, in einem Bebau- ungsplan für im Zusammenhang bebaute Stadtteile ohne Ausweisung von Baugebieten die Zulässigkeit beschränkende Festsetzungen zu treffen, um die zentralen Versorgungsberei- che zu fördern und zu entwickeln.

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12 Fazit und abschließende Empfehlungen

Zusammenfassend lässt sich der Handlungsbedarf zur Weiterentwicklung des Mittelzentrums Bin- gen wie folgt darstellen:

Die Einkaufsstadt Bingen kann die zugewiesenen mittelzentralen Versorgungsfunktionen im Bereich des Einzelhandels aktuell nur ausschnittweise erfüllen. Für die Innenstadt be- steht unter quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten die Notwendigkeit zur Weiter- entwicklung. Hierbei ist vor allem die Schaffung von Entwicklungsflächen zur Ansiedlung weiterer Magnetbetriebe von Bedeutung, um die Gesamtattraktivität des Hauptgeschäfts- bereiches zu steigern. Demgemäß kommt der Entwicklung des ehem. Hertie-Hauses zu einem innerstädtischen Einzelhandelsobjektes für moderne Betriebsformen die höchste Priorität zu.

Dem zentralen Versorgungsbereich Innenstadt wird die Vorrangstellung zur Ansiedlung in- nenstadtrelevanter Sortimente zugewiesen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass grund- sätzlich die Ansiedlung von großflächigen Betrieben mit innenstadtrelevanten Kernsor- timenten an außerhalb des abgegrenzten zentralen Versorgungsbereiches gelegenen Standorten und ggf. auch von nicht-großflächigen Betrieben (je nach Sortiment/ Standort) durch entsprechende Bauleitplanung ausgeschlossen werden soll.

Der nicht-innenstadtrelevante Einzelhandel soll auf die Ergänzungsstandorte Schar- lachberg und Gewerbepark Bingen/ Grolsheim konzentriert werden, um Verbundeffekte zwischen den Nutzungen zu ermöglichen und den Flächenverbrauch zu minimieren. Der Entwicklung weiterer dezentraler Agglomerationsstandorte soll entgegengewirkt werden. Die Bebauungspläne sind an dieses Ziel anzupassen. Insbesondere am Standort Schar- lachberg ist jedoch auch der Bestandsschutz der genehmigten Betriebe zu beachten, der aufgrund der Versorgungsbedeutung in der Grundversorgung auch einen angemessene Weiterentwickung am Standort ermöglichen soll.

Die Weiterentwicklung der Nahversorgung soll sich vor allem in den zentralen Versor- gungsbereichen Innenstadt sowie Büdesheim vollziehen. Darüber hinaus können im Ein- zelfall Standorte mit Wohngebietsbezug entwickelt werden, die der wohnungsnahen Ver- sorgung dienen und keine städtebaulich negativen Auswirkungen auslösen.

Zur Verbesserung der stadtgestalterischen und angebotsbezogenen Rahmenbedingungen in der Innenstadt kommt dem Entwicklungsstandort der ehem. Hertie-Immobilie eine wich- tige Bedeutung zu, der bei einer Belegung durch einen attraktiven und hochwertigen Ein- zelhandelsbesatz positive Impulswirkungen für die gesamte Innenstadt entfalten kann.

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Die vorliegende Untersuchung soll einer geordneten, städtebaulich verträglichen Einzelhandels- und Standortentwicklung der Stadt Bingen im Rahmen der Bauleitplanung dienen. Um die notwen- dige Rechtssicherheit für die kommunale Planung herzustellen und zugleich den Investoren und Betreibern des Einzelhandels in der Stadt Planungssicherheit zu vermitteln, ist ein Selbstbindungs- beschluss des Stadtrates über die Grundzüge des Einzelhandelskonzeptes Bingen erforderlich.

Dieser Beschluss sollte durch eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit vorbereitet werden. Hinter- grund ist die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit seinem Urteil vom 27.03.2013 (Az. 4 CN 7.11) hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass es ausreicht, wenn in einem Zentrenkonzept die für die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Zentren entscheiden- den und mithin zentrenbildenden Sortimente festgelegt werden und diese Sortimente darauf auf- bauend in einem Bebauungsplan für ein Gebiet außerhalb der Zentren ausgeschlossen werden.

Das Gericht sieht es somit als ausreichend an, wenn der konkrete Nachweis der Zentrenschädlich- keit eines Sortimente bereits mit der Erstellung des gesamtstädtischen Einzelhandelskonzepts und nicht erst getrennt für jeden einzelnen, einen Einzelhandelsausschluss regelnden Bebauungsplan geführt wird. Die grundsätzliche Rechtfertigung eines Bebauungsplans zur Steuerung des Einzel- handels kann somit bereits mit dem gesamtstädtischen Einzelhandelskonzept geführt werden.

Das Instrument des kommunalen Einzelhandelskonzepts wurde somit in seinem Gewicht zur Arti- kulierung gemeindlicher Planungsinteressen deutlich gestärkt. Bezogen auf die Nutzungsmöglich- keiten einzelner privater Grundstücke können bereits mit dem Konzept weitgehende Vorentschei- dungen getroffen werden. Deshalb ist anzuraten, die Öffentlichkeit intensiv an der Erstellung des gesamtstädtischen Einzelhandelskonzepts zu beteiligen und im Rahmen des Beteiligungsverfah- rens insbesondere deutlich zu machen, welche Bedeutung diese vorbereitende Planung für private Individualinteressen entfalten kann.

In Anlehnung an das Verfahren nach § 3 Baugesetzbuch sollte der Öffentlichkeit die Gelegenheit gegeben werden, Bedenken und Anregungen in die Planung einzubringen. Alle abwägungsrele- vanten Eigentümer- und Betreiberbelange sollten intensiv geprüft und abgewogen werden. Beson- ders zu beachten sind dabei konkret angezeigte Planungsabsichten zur Erweiterung oder Neuer- richtung von Einzelhandelsbetrieben.

Köln, im Februar/ März 2014

BBE Handelsberatung GmbH

i. V. Corinna Küpper i. V. Jörg Lehnerdt

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