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Spielzeit 2003/2004

3. Außerordentliches Konzert www.bmwdresden.de T Dresden N Group BMW a 0 51 (03 Fax 012 99 Str. Dohnaer l 0 51) (03 el. Progr/3.AK_6.12.2003 24.11.200317:39UhrSeite2(Schwarz iederlassung Au in aller Welt geschätztes Ensemble zur Verfügung, das auch das bei Virtuosen Verfügung, Welt geschätztes Ensemblezur in aller 19 19 V große Resonanz findet. Und optimaler Service gehört beiunsmit gehört Service Und optimaler große Resonanz findet. ridnSeafiel es i ib u ui i e Freude Musik mitder erbinden Sieauf ideale Weise dieLiebezur Dresden mFhe.MtdnMdle e M Group stehtIhnenein BMW Mit denModellen der am Fahren. zum guten Ton. ch ch )285 28525-0 592 25 Sie können dieerste Geigespielen. Fr eude amFahren

www.heimrich-hannot.de / Progr/3.AK_6.12.2003 24.11.2003 17:39 Uhr Seite 3 (Schwarz/

Sonnabend

6. Dezember 2003

19.30 Uhr

Festsaal des Kulturpalastes

3. Außerordentliches Konzert

www.heimrich-hannot.de Dirigent Alan Buribayev

Solist Peter Rösel Klavier

Moderator Holk Freytag

WIR DANKEN DEM FÖRDERVEREIN DER DRESDNER PHILHARMONIE, DER DIE BLUMENSTRÄUSSE FÜR DIE KÜNSTLER ZUR VERFÜGUNG STELLT.

3 Progr/3.AK_6.12.2003 24.11.2003 17:39 Uhr Seite 4 (Schwarz/

Zeichnung von ihm stehend und F. G. Waldmüller (1827), singend Johann Michael am Vogel, Schuberts Klavier sitzend, hinter erster Liedinterpret.

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Programm

Hector Berlioz (1803 —1869) Ouvertüre zur Oper „Benvenuto Cellini“ op. 23 (einsätzig) Allegro deciso con impeto – Larghetto – Tempo I

Franz Schubert (1797—1828) „Wandererfantasie“ – Sinfonisch bearbeitet für Klavier und Orchester von Franz Liszt Allegro con fuoco, ma non troppo – Adagio – Presto – Allegro

PAUSE

Johannes Brahms (1833 —1897) Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 Allegro non troppo Andante moderato Allegro giocoso Allegro energico e passionato

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Erfreuliche Wiederbegegnung

nach furiosem Debüt

im April 2003 am Pult Dirigent

der Dresdner Philharmonie

lan Buribayev, geboren 1979, entstammt A einer kasachischen Musikerfamilie. Er stu- dierte am Staatlichen Kasachischen Konservatori- um und setzte sein Dirigierstudium an der Musik- hochschule in Wien bei Urosˇ Lajovic fort. In der Saison 1998/99 begann er seine Dirigentenlauf- bahn als Kapellmeister beim Sinfonieorchester in Karaganda (Kasachstan), erregte jedoch nach dem Gewinn des Lovro von Matacˇic´-Dirigierwettbe- werbs in Zagreb internationale Aufmerksamkeit. Dieser Erfolg führte ihn zu verschiedenen europä- ischen Orchestern. 2001 erreichte er das Finale des Malko-Dirigierwettbewerbs in Kopenhagen und nachdem kein 1. Preis zu vergeben war, wurde ihm wegen seines außergewöhnlichen Talents ein Spezialpreis zugesprochen. Einer der Juroren, Juri Temirkanow, Chefdirigent der St. Petersburger Philharmonie und mehrere Jahre Erster Gastdiri- gent der Dresdner Philharmonie, lud ihn zu einem Gastdirigat in sein Orchester ein, das er im Dezem- ber 2002 mit großem Erfolg bestand. Alan Buri- bayev gewann 2001 auch den prestigeträchtigen Antonio Pedrotti-Dirigierwettbewerb in Italien. Nach seinem höchst Inzwischen wird der junge Dirigent zu verschie- erfolgreich verlaufenen denen namhaften Orchestern in Europa eingela- Debüt bei der Dresdner den und wurde im März 2003 zum Ersten Gast- Philharmonie in der vergangenen Spielzeit dirigenten des Astana Symphony Orchestra, dem (8. Zykluskonzert Orchester der Hauptstadt Kasachstans, berufen. 12./13.4.2003) dürfen Im Juni 2003 dirigierte er Tschaikowskis Oper wir uns auf eine „Pique Dame“ in der Opéra National de Lyon und Wiederbegegnung mit Alan Buribayev freuen. übernahm im Oktober zwei Konzerte des er- krankten J. Temirkanow auf einer Tournee der St. Petersburger Philharmoniker in Tokyo und Nagoya. In der laufenden Saison ist A. Buribayev Teilneh- mer der Internationalen Dirigentenakademie der „Allianz Cultural Foundation“ bei und Christoph von Dohnanyi in London, getragen von zwei großen Klangkörpern, dem London Philhar- monic Orchestra und Philharmonia Orchestra.

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Höreindrücke

anreichern und vertiefen

mit dem Experiment Solist

„Gesprächskonzert”

eter Rösel, Sohn eines P Dirigenten und einer Sängerin, in Dresden gebo- ren, erhielt mit sechs Jahren ersten Klavierunterricht. Am Moskauer Tschaikowski- Konservatorium absolvierte er ein fünfjähriges Studium bei Dmitri Baschkirow und Lew Oborin und wurde in dieser Zeit (1966) erster Deutscher Preisträger des Tschaikowski-Wettbewerbes Moskau und des Klavier- wettbewerbes Montreal (1968). Damit begann eine internationale Karriere, die ihn seither in die Musik- zentren aller Kontinente führte, mittlerweile in mehr Von Peter Rösel liegen als vierzig verschiedene Länder. Seine Auftritte zahlreiche CD-Einspie- bei internationalen Festivals (u. a. Dresden, lungen vor, u. a. bei EMI, Salzburg, Edinburgh, London Proms, Perth, Capriccio, Ars Vivendi und Berlin Classics, z.B. Hollywood Bowl, Hongkong) wurden von Publi- die Klavierkonzerte We- kum und Presse begeistert aufgenommen. So ist bers (Staatskapelle Dres- er ein gerngesehener Gast in aller Welt bei be- den/H. Blomstedt), deutenden Orchestern und namhaften Dirigen- Schumanns (Gewand- ten. Allein mit Kurt Masur und dem Gewandhaus- hausorchester Leipzig/K. Masur), Beethovens und orchester Leipzig konzertierte er auf internatio- Rachmaninows (Berliner nalen Podien über zweihundert Mal. Kurt Masur Sinfonieorchester/ lud ihn auch in der Jubiläumssaison zum K. Sanderling bzw. C. P. 150jährigen Bestehen der New Yorker Philharmo- Flor). Aufnahmen vom niker ein, das 3. Klavierkonzert von Rachmaninow Soloklavierwerk von Brahms bis hin zu Kam- zu spielen. mermusik in verschieden- Mit dem Orchestre de Bretagne führte er vor ei- sten Kombinationen ver- niger Zeit innerhalb nur weniger Tage alle Kla- vollständigen das weite vierkonzerte Rachmaninows auf, ein spektakulä- künstlerische Spektrum res Ereignis. Zum wiederholten Male konzertierte des Pianisten, der zu den renommiertesten seiner er bei renommierten internationalen Klavierfesti- Generation zählt. vals wie dem Klavierfestival Ruhr und dem Festi-

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Moderator

val La Roque d’Anthéron. Er ist Professor an der Musikhochschule Dresden und Leiter mehrerer internationaler Klavierkurse. Seit 1963 musiziert er immer wieder mit den Dresdner Philharmo- nikern, inzwischen an beinahe 100 Abenden.

olk Freytag, geboren H 1943, studierte Theater- und Musikwissenschaften von 1963 bis 1965 und war zwischen 1969 und 1973 Lehrbeauftragter für Medien- pädagogik in der Gesamt- hochschule Düsseldorf, da- nach übernahm er 1975 — 1988 das Schlosstheater Moers als Intendant, war von 1988 bis 1996 Generalinten- dant der Wuppertaler Büh- nen, zwischen 1996 und 2001 Schauspielintendant des Schillertheaters Nord- rhein-Westfalen und ist seit 2001 Intendant des Staats- schauspiels Dresden. Er ist Vorsitzender der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein, Mitglied im Beirat des kulturwissenschaftlichen Instituts Essen und Mitglied in der Sächsischen Akademie der Künste.

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Zum Programm

ir wagen ein Experiment und haben Sie W zu einem „Gesprächskonzert“ geladen. Holk Freytag wird auf der Bühne über Musik und Musiker sprechen und versuchen, Ihre Hörein- drücke anzureichern und zu vertiefen. Thema ist die musikalische Romantik. Vier Komponisten stehen dafür: Schubert als Bindeglied zwischen Klassik und Romantik, Liszt als der Grand- seigneur der romantischen Musik, Berlioz als Prototyp einer völlig eigenständigen französi- schen Romantik und Brahms als ein an klassische Schönheitsideale glaubender Künstler, der den- noch Romantiker aus tiefster Seele war. Die Ouvertüre zu „Benvenuto Cellini“ gehört zu der heute kaum mehr aufgeführten Oper über den im 16. Jahrhundert lebenden Florentiner Gold- schmied und Bildhauer, ein Vorspiel, das die Zeiten überdauert hat und Berlioz in seiner ganzen Meisterschaft zeigt. Schuberts große, vir- tuos ausgestattete und stilistisch zukunfts- weisende Fantasie C-Dur D 760, bekannt als „Wandererfantasie“, wurde von Franz Liszt bear- beitet und so förmlich zu einem Klavierkonzert gestaltet. In einer solchen Fassung selten zu er- leben, dürfen wir uns mit besonderer Spannung auf die Interpretation von Peter Rösel freuen, der das Werk zusätzlich am Folgetag in einem Schubert gewidmeten Klavier-Recital in der Originalform bringen wird. , ab- soluter Gegner von inhaltslosem Geschwätz, ent- wickelte für „seine“ Musik einen Anspruch, wie ihn kaum jemand vor ihm hatte. Er hatte längst den „Riesen“ Beethoven in seinem Rücken über- wunden, als er an seiner vierten Sinfonie arbei- tete. Wie schwer es ihm auch fallen mochte, seine sinfonischen Großwerke zu vollenden, jedes von ihnen kann als ein Meilenstein der Musik ange- sehen werden, als Krönung, wenn nicht gar als Abschluß einer Gattung, so auch die vierte Sin- Ludwig Richter, fonie, ein bewundernswertes Werk, für manche Die Kirche bei Graupen Kenner die sinfonische Vollendung schlechthin. in Böhmen (1836)

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Ein Romantiker mit dem

Mut zur „Andersartigkeit”,

fern jeder Hector Berlioz

„populistischen” Anbiederei

Hector Berlioz; ector Berlioz, heute – im deutschen Kon- Zeichnung von H zertleben zumindest – am meisten bekannt Alphonse Legros als Komponist der „Symphonie fantastique“, hat- (um 1860) te zu seinen Lebzeiten sowohl als Tonschöpfer als auch als Mensch enorme Schwierigkeiten, sich in- nerhalb der Gesellschaft zu behaupten oder gar durchzusetzen. Er wird meist als charakterlich problematisch dargestellt, als exzentrisch und ab- weisend, ein Außenseiter. Doch solche Abwer- tungen haben viele Künstler erfahren müssen, die, unbeirrt so manche Enttäuschungen – wie er – hinnehmend, ihr Lebensziel eisern verfolgt ha- ben. Solche Attribute können zwar auch heute, ohne den Wahrheitsgehalt näher zu untersuchen,

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hingenommen werden, aber wichtiger erscheint, in Berlioz eher den kühnen Experimentator und Neuerer zu sehen, einen musikalisch wie litera- geb. 11.12.1803 risch gleichermaßen begnadeten Künstler, der La Côte-Saint-Abdré letztendlich gar zu einer epochalen Erscheinung (Isère); gest. 8.3.1869 Paris der europäischen Musik wurde. Der junge Berlioz hatte sich sehr zum Leidwesen 1826 Abbruch des seines Vaters, ein Arzt, mit ganzer Leidenschaft Medizinstudiums der Musik zugewandt, belegte 1826 am Pariser und Beginn des Conservatoire einige Fächer und studierte bei Musikstudiums am Jean-François Le Sueur Komposition und bei Pariser Conservatoire Anton Reicha Kontrapunkt und Fuge. 1830 Doch die späterhin sein künstlerisches Leben prä- „Symphonie genden Eindrücke erhielt er jenseits der akade- fantastique“ (Sensationserfolg) mischen Bildung, z. B. durch die Opern Glucks, Spontinis und Méhuls und die literarischen Strö- 1839 Konservator der mungen in Paris in den 1820er Jahren (Lord Byron, Konservatoriumsbiblio- Goethe, E. T. A. Hoffmann und Victor Hugo, um thek, nachdem er keine nur einige zu nennen). In der Romantik sah Berufung als Berlioz einen Ansatz für das eigene Schaffen, Kompositionslehrer doch wollte er nicht, wie gerade in der deutschen erhalten hatte Romantik, allein das innere Licht der Seele leuch- seit 1842 ten lassen, sondern seine „Helden“ sollten von mehrere Besuche Deutschlands, ihm zum intensiven Erleben hin gewendet wer- Freundschaft mit den, äußeres Verhalten, Aktion und Reaktion zei- Franz Liszt gen. Das Aktivieren der menschlichen Psyche stand für ihn gegen das passive Dulden. So kam er zwangsläufig zu anderen Denkansätzen, erwei- terten sich für ihn die traditionellen Formen und Ausdrucksregeln für beispielsweise schmerzhafte Gefühle oder überschäumendes Glück. Das Fremdartige, die Halluzination, das Phantastische, auch das Grandiose und gar das Groteske ent- sprechen weitaus eher dem heftigen Übermaß derartiger Gemütszustände. In dem übermensch- lichen Gegensatz zwischen idealem und realem Menschen muß man die eindrucksvolle Größe der Berliozschen Romantik sehen. Musik sollte eben nicht nur Genuß sein, sondern müsse an den Nerven zerren und in seelische Abgründe schau- en lassen, von denen die bisherige Musik noch keine Ahnung hatte. Das ist natürlich ein ästhe-

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tischer Ansatz, wie er wirklich vorher nicht ver- treten, ja nicht einmal zu denken gewagt wurde. Musik, ja die gesamte Kunstauffassung wurde im althergebrachten, griechisch-klassischen Sinne als Ausdruck des Schönen, Harmonischen cha- rakterisiert, immer verbunden mit einem erziehe- rischen Ideal, z. B. dem der Läuterung des Men- schen. Nicht aber sollte, nicht durfte Häßlichkeit verkörpert werden. Berlioz bereicherte die Mittel des musikalischen Ausdrucks, suchte in der Verstärkung seines Or- chesters („vielfache Besetzung“) einen größeren Farbenreichtum durch Klangmischungen unter- schiedlichster Instrumente zu erzielen und eine weitaus größere Klangstärke als alle seine Vor- gänger zu erzeugen. Sein Klangsinn war gerade- zu einmalig, so daß er es vermochte, phanta- stisch-ungewöhnliche, neuartige Klangwirkungen mit seinem vergrößerten Orchesterapparat zu er- zielen. Das Orchester selbst wurde ihm zum Instrument, das er virtuos beherrschte und wirk- liche, für seine Zeit unglaubliche Klang-„Sensa- tionen“ hervorbrachte. Für die großen Musiker war er als glänzender Klangzauberer zum vor- trefflichen Anreger geworden. Er wurde zu einem wahren Magier in der Instrumentationskunst. Berlioz kann heute durchaus als der Schöpfer des modernen Orchesters angesehen werden. Berlioz 1843 veröffentlichte versuchte mehrmals vergebens, an der Pariser Berlioz eine Instrumen- Opéra Fuß zu fassen. Erst mit dem Libretto (ge- tationslehre, die, in schrieben von Armand François Léon de Wailly viele Sprachen über- setzt, für nachfolgende und Henri Auguste Barbier) zu der Künstleroper Generationen zum „Benvenuto Cellini“ wurde ihm 1835 ein Auftrag unschätzbaren Vade- erteilt. Er arbeitete lange Zeit an dem Werk, mecum wurde („Grand höchst intensiv und mit großem Aufwand. Das traité d’instrumentati- Sujet hatte es ihm angetan. In der Stilisierung des on et d’orchestration modernes“). Cellini zum Übermenschen – dem imaginären In- begriff des „Renaissancekünstlers“ – spiegelt sich das Bild des romantischen Künstlers, des Genies, eines Außenseiters in jeder Hinsicht. Wie schon in seiner „Symphonie fantastique“, der sinfonischen „Episode aus dem Leben eines Künstlers“, berührte

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Berlioz in diesem opernhaften „Künstlerdrama“ erneut das zentrale Thema der romantischen, ins- besondere der französischen Literatur. Die Pariser Uraufführung am 10. September 1838 Benvenuto Cellini gestaltete sich zu einer Katastrophe, zum größ- (1500–1571), italieni- ten und schmerzlichsten Fiasko, das Berlioz in scher Goldschmied und Bildhauer der seinem Leben erdulden mußte. Die einzelnen Spätrenaissance; tätig Nummern wurden ausgepfiffen, denn das Publi- in Florenz, Rom und in kum war nicht bereit, den als bizarr empfunde- Frankreich am Hofe nen Klängen zu folgen, den neuartigen Harmo- Franz I. („Goldenes Salzfaß“). Immer wie- nien, neuen Formen, ungewöhnlichen Rhythmen der in Gewalttätig- und unerwarteten Effekten. „Selbst für die keiten und Morde ver- schrecklichsten Situationen [wollte das Publi- wickelt, war er zu zahl- kum] eine einwiegende Musik, eine zwar drama- reichen Ortswechseln tisch angehauchte, aber nicht zu deutliche gezwungen. Sein aben- teuerliches Leben hat Musik“, urteilte Berlioz in seinen Memoiren. er selbst beschrieben Kurzum: Berlioz hatte den Geschmack des Publi- (1803 von Goethe ins kums nicht getroffen, etwas, das vielen schöpfe- Deutsche übersetzt). rischen Künstlern, die Mut zur „Andersartigkeit“ haben, immer wieder begegnet, ja begegnen muß, wenn sie sich nicht „populistischer“ Anbiederei unterwerfen wollen. Franz Liszt, seit 1848 als Kapellmeister in Weimar ansässig und vom Gleichklang ihrer beider künst- lerischen Seelen stark berührt, hat sich danach für Berlioz immer wieder selbstlos und freund- schaftlich eingesetzt und wurde für dessen ge- samte Reputation ein wertvoller Partner. Nach ei- ner von Liszt geleiteten Weimarer Aufführung von „Benvenuto Cellini“ am 20. März 1852 gelangte die Oper, wenn auch in stark überarbeiteter Form („Weimarer Fassung“), in die Spielpläne zahlrei- cher Theater und war bis zur Wende zum 20. Jahr- hundert durchaus bekannt. Auch wenn dieses Werk heute kaum mehr aufgeführt wird, hat sich doch die Ouvertüre in den Konzertprogrammen Aufführungsdauer: gehalten. Bereits zur Pariser Uraufführung war sie ca. 12 Minuten das einzige Stück aus dem gesamten Werk, das mit gewissem Wohlwollen vom Publikum aufge- nommen worden war, kaum ein Wunder, war doch Berlioz ein geborener Sinfoniker.

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Ouvertüre „Benvenuto Cellini“

Zur Musik

Allegro deciso con impeto Die Ouvertüre ist dreiteilig angelegt und beginnt Alla-breve-Takt, G-Dur – mit einem schnellen Teil, thematisch bestimmt Larghetto durch ein Thema aus der Oper, das den hitzköp- 3/4-Takt, G-Dur – Tempo I figen Helden in interessanten rhythmischen Ver- Alla-breve-Takt, G-Dur schiebungen charakterisiert. Für den langsamen Mittelteil sind beide Hauptthemen ebenfalls der Oper entnommen: ein bedächtig-feierliches (An- „Perseus mit dem sprache des Kardinals) und ein leicht-beschwingtes Haupt der Medusa“, Bronzestatue von Thema (Lied des Harlekin). In interessanter Instru- Benvenuto Cellini mentation werden beide Themen beleuchtet und (vollendet 1554) münden schließlich über drängende Synkopen hinweg in das eingangs vorgestellte „Cellini“-The- ma. Ein rauschendes Fest hebt an, das in leuchten- den Orchesterfarben und in romantischem Über- schwang ein farben- prächtiges Bild des römi- schen Karnevals bietet.

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Als Komponist

das Bindeglied

zwischen Klassik Franz Schubert

und Romantik

ei aller Bewunderung, die ich dem Teuren B seit Jahren schenke, bin ich doch der Mei- geb. 31. 1. 1797 nung, daß wir in Instrumental- und Kirchenkom- in Lichtenthal bei Wien; positionen nie einen Mozart oder Haydn aus ihm gest. 19. 11. 1828 machen werden, wogegen er im Liede unüber- in Wien troffen dasteht. In dieser Art von Kompositionen 1808 hat er seinen Ruhm erreicht, den er mit nie- Schüler des Stadtkonvikts und mandem teilt. Ich glaube daher, daß Schubert Chorsänger in der von seinem Biographen als Liederkompositeur Hofburg behandelt werden müsse.“ So urteilte Joseph von 1813 Spaun, ein alter Freund des Komponisten, kurz Erste Sinfonie nach dessen Tod. Lange Jahre sollte sich ein sol- 1814 ches Vorurteil halten, das Franz Schubert allein Hilfslehrer als Liederkomponisten gelten ließ. Doch inzwi- schen wissen wir längst, welch ein reichhaltiges 1816 Vierte und Fünfte Œuvre er uns auch an all seinen anderen Kom- Sinfonie positionen, wie den Kammermusik- und Or- 1818 chesterwerken, der Kirchen- und natürlich auch Sechste Sinfonie; der Klaviermusik hinterlassen hat. So gesehen, ist Aufenthalt in Ungarn Schuberts Œuvre beinahe allumfassend, von 1822 größter Bedeutung und für uns nach wie vor „Die Unvollendete“ höchst lebendig. Niemand würde es heute wa- 1823 gen, den einmaligen Rang z. B. der „Unvoll- schwere Krankheit endeten“ oder der „Großen C-Dur“-Sinfonie und 1827 damit den Namen des Komponisten in Zweifel zu „Die Winterreise“ ziehen oder seine Streichquartette oder Kla- vierwerke gering zu achten. Nur im Operngenre 1828 Große „C-Dur-Sinfonie“ war er nicht erfolgreich, obwohl er sich gerade auf diesem Gebiet immer wieder versucht hat. Aber das hat seinem späteren hohen Ansehen nicht geschadet. Schuberts künstlerische Entwicklung stand unter dem unmittelbaren Eindruck von Beethovens Größe, und dessen übermächtiges Erscheinungs- bild bedrückte den 27 Jahre Jüngeren. Gerade deshalb war Schubert in aller Stille und Beschei- denheit bemüht, eine eigene künstlerische Iden- tität zu finden. Sein ganzes kurzes Leben über war er auf der Suche nach einem eigenen Stil. Er fand ihn schon bald, verfeinerte ihn aber immer mehr und erreichte eine künstlerische Stufe, die ihn so einmalig machen sollte. Gerade auch in

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seiner Klaviermusik wurde deutlich, wie sehr er Franz Schubert; an klassischen Vorbildern anzuknüpfen verstand Lithographie von und zugleich in die Romantik weisen konnte. Joseph Kniehuber Das Klavier war sein Freund, sein ständiger Part- ner, das er zum Leben benötigte, wie das tägliche Wasser, um den Durst zu stillen. Er teilte sich ihm mit und lebte mit ihm in der Welt seiner Töne. Es glich einem Kommunikationsmittel zu allem, was ihn umgab. Es war durchaus auch sein Sprachrohr, nicht als Solist – der mochte er nicht sein, denn das Konzertpodium war ihm unange- nehm, viel zu öffentlich –, aber als Komponist. Hier konnte er sein unzweifelhaftes Charisma er- blühen und seine Werke für sich sprechen lassen,

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vor allem in seinen Liedern – über 600 sind es schließlich geworden – und der ungewöhnlich rei- chen Klaviermusik. Franz Schubert war Fast alle Klaviersonaten Beethovens lagen bereits Komponist mit Leib vor, als sich der junge Schubert – noch keine und Seele und „völlig zwanzig Jahre alt – mit dieser Gattung ernsthaft unbrauchbar für alles, was nicht Musik zu beschäftigen begann (einige frühere Klavier- bedeutete, aber unfaß- kompositionen nicht eingerechnet). Mozartsches bar genial in allem, scheint anfangs durchzuklingen, bald aber auch was Musik hieß“ Beethoven als Vorbild. Doch von all dem war (Kurt Pahlen). schon bald nichts mehr zu spüren. Wie schon vorher im Lied, entwickelte Schubert auch hier ei- ne Art Szenenmalerei und Seelendeutung, eine durch und durch romantische Attitüde. Dies machte ihn zum Bindeglied zwischen Klassik und Romantik. Von den insgesamt 22 begonnenen Sonaten hat Schubert zwölf vollendet, dazu zahlreiche Klavier- stücke – Einzelwerke und Zyklen – komponiert, nicht zu vergessen die beispielhaften vierhändi- gen Werke, alles verteilt über die Zeit seines Le- bens. Das Klavier war eben immer präsent. Im November 1822 entstand kurz nach der „Un- vollendeten“ die Fantasie C-Dur D 760, sogenann- te „Wandererfantasie“, ein großes Klavierwerk, geschrieben für einen wohlhabenden Amateur, der jüngst vom Kaiser geadelt worden war – Emanuel Edler von Liebenberg. Er – immerhin Schüler des seinerzeit berühmten Pianisten Johann Nepomuk Hummel – muß ein sehr guter Klavierspieler gewesen sein, denn sonst hätte ihm Schubert kaum die virtuos-brillanten Passagen hineingeschrieben. Im eigentlichen Sinne handelt es sich um eine Sonate, bestehend aus vier Sätzen, die jedoch attacca ineinander übergehen. Schubert aber gestaltete frei, thematisierte, har- monisierte, variierte und fugierte nach Belieben (wie es scheint), gründete dennoch alles in einem festen Plan, der das Werk deutlich aus einem ein- zigen Kerngedanken erwachsen ließ. Ihm war es wichtiger, Gefühlsregungen auszudrücken, als sich an längst schematisierte klassische Formvor-

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gaben zu halten. Das ist es schließlich wohl auch, was Franz Liszt so reizen sollte, dieses Werk aufzugreifen und 1850/51 eine eigene Be- arbeitung mit begleitendem Orchester daraus zu machen, die Wandererfantasie als Konzertstück. Aufführungsdauer: Liszt selbst hatte aber während der Uraufführung ca. 20 Minuten am 14. Dezember 1851 in Wien den Klavierpart nicht selbst übernommen. Es spielte Jules Egg- hard, ein zu seiner Zeit bekannter und erfolgrei- cher Pianist, der sich als Adliger hinter einem Pseudonym verbarg und eigentlich Julius Graf Hardegg hieß. Franz Liszt (1811–1886) gilt als einer der Uni- versalkünstler, die das 19. Jahrhundert hervorge- bracht hat und als der größte Pianist seiner Zeit, der zahllose Triumphe als reisender Virtuose fei- erte. 1848 begann eine Periode künstlerischer Pro- duktion, nachdem sich Liszt in Weimar als Kapell- meister niedergelassen hatte. Er glaubte, die traditionelle mehrsätzige Sinfonie habe sich mit Beethoven vollendet und sei abgeschlossen. So suchte er nach neuen Möglichkeiten, sich musi- kalisch auszudrücken und schuf – von Berlioz be- einflußt, der mit seiner „Symphonie fantastique“ (1830) die poetische Idee zum Ausgangspunkt seiner Sinfonie gemacht hatte – den neuen Typus der „Sinfonischen Dichtung“. In Schubert sah er eine ähnlich gelagerte Seele, einen Komponisten- Kollegen, der Seelenzustände in Musik zu setzen verstand. Immer wieder hat er dessen Lieder be- arbeitet und mit diesen Transkriptionen Schubert erst einer breiten Öffentlichkeit wirklich bekannt gemacht. Denn bislang waren selbst die wunder- baren Lieder nur einem begrenzten Kreis be- kannt; auch gab es keine namhaften Sänger, die sich im Konzertsaal dafür einsetzten. Die Schubertsche „Wandererfantasie“ nimmt Liszts spätere sinfonische Dichtung mit der psychologi- schen Umdeutung eines leitmotivisch behandelten Zentralthemas gewissermaßen vorweg. Grund- lage der Komposition ist das Lied „Der Wande- rer“, komponiert 1816 auf einen Text von Georg

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Philipp Schmidt von Lübeck (1766 –1849). Schubert verwendete als klingendes Motto seines Klavierwerkes die Textpassage: „Die Sonne dünkt mich hier so kalt, / die Blüte welk, das Leben alt, / und was sie reden, leerer Schall: / Ich bin ein Fremdling überall.“ Der entsprechende musikali- sche Abschnitt wird als Thema des Adagio (mit Variationen) vollgriffig ausgesetzt und komplett „ausgesungen“, bestimmt aber ebenso die wich- tigsten Gedanken der anderen Satzteile. Im 1. Satz erkennen wir schon an den Eingangs- „Landpartie der Schubertianer“, Leopold takten, wohin die Reise geht. Bereits hier wird das Kupelwieser (1820) Lied angedeutet, vorerst aber in Dur anstatt in

22 Progr/3.AK_6.12.2003 24.11.2003 17:39 Uhr Seite 23 (Schwarz

Moll. Der leidenschaftliche Satz, stürmisch dahin- brausend, läßt an eine Weltschmerz-Stimmung eines Lord Byron („Manfred“) denken. Der Adagio-Satz bringt die Originalmelodie der oben erwähnten Textpassage und variiert sie in vier Abschnitten, von Mal zu Mal mehr umspielt in virtuoser Manier, beinahe im Sinne einer impres- sionistischen Klangentwicklung. Der dritte Satz ist seinem Charakter nach ein Scher- zo. Immer wieder wird das Motto des 1. Satzes als rhythmischer Kontrast – jetzt in einen Drei- viertel-Takt umgeschmolzen – eingeschoben. Mit einer Fuge – thematisch an das Lied erin- nernd – eröffnet Schubert das Finale, führt die alte Form aber nicht weiter aus und läßt virtuo- se Klangfantasien mit üppigem Laufwerk sich frei entfalten.

23 Progr/3.AK_6.12.2003 24.11.2003 17:39 Uhr Seite 24 (Schwarz

Romantik von großem

Ernst, von gebändigter Emotion,

von strenger Johannes Brahms

musikalischer Form

m Mai 1884 war Johannes Brahms zu einer I dreiwöchigen Italienreise aufgebrochen und geb. 7. 5. 1833 hat zusammen mit einem guten Freund, Rudolf in Hamburg; von der Leyen, einem Bankier aus dem Krefelder gest. 3. 4. 1897 Freundeskreis um die Familie Beckerath, wunder- in Wien volle Tage zwischen Trient, Turin und Mailand Kompositionsunterricht verlebt. Dies war nun schon seine vierte Reise bei E. Marxen nach Italien, und immer kam er voller neuer 1853 Pläne zurück. Erst noch mußte er im Juni auf lernte er J. Joachim dem 61. Niederrheinischen Musikfest in Düssel- und beide Schumanns kennen dorf seine 3. Sinfonie dirigieren. Danach kehrte er rasch nach Wien zurück, startete aber schon am 1855 Konzerttournee mit 21. Juni in Richtung Steiermark nach Mürzzu- C. Schumann und schlag an den Fuß des Semmering. Er wußte be- J. Joachim nach Danzig reits von dem Ort durch Freunde, war früher 1857 selbst einmal dort gewesen und fand auch ein Leiter des Hofchores „reizendes Fleckchen“, so richtig zum Leben und in Detmold Arbeiten geeignet. Wieder einmal hatte er die Ge- 1859 legenheit, sich eine Landschaft zu erschließen, Gründung eines die ihn inspirieren sollte und in der er sich wieder- Frauenchores in zuerkennen glaubte. Dieses Ländchen mußte ihm Hamburg ganz einfach zusagen. Es war vielgliedrig, herb 1863 und freundlich zugleich. Zwei lange Sommer be- Chormeister der nötigte er schließlich für einen neuen Kraftakt, Wiener Singakademie über den er anfangs nichts verlauten ließ, aber 1872 nach Notenpapier mit „mehr Systemen“ bei sei- artistischer Direktor der Gesellschaft der nem Verleger Simrock verlangte. Und da die drit- Musikfreunde in Wien te Sinfonie längst erschienen und auch aufge- führt war (1883), geisterte nun in seinem Kopf 1878 verlegte er seinen eine 4. Sinfonie herum. Wohnsitz ganz nach Nur zwei Sätze brachte er im Sommer 1884 zu Wien Papier, zwei weitere dann ein Jahr später, wieder 1879 an diesem besonderen Ort, der ihn bereits im Ehrendoktorwürde der Vorjahr so begeistert hatte. Diese Sinfonie nun Universität Breslau sollte eine herbe Frucht werden, ganz so wie 1886 Brahms Mürzzuschlag erlebt hatte. Denn dieser Ehrenpräsident Ort war nicht wie Pörtschach am lieblichen Wör- des Wiener ther See, wo die Luft schon südlich schmeckt, ei- Tonkünstlervereins ne mächtige Bergwand sich im kristallklaren Was- ser spiegelt und die Seele weit und frei ist wie die ganze Landschaft. „Ich fürchte nämlich“ – schrieb Brahms an Hans von Bülow –, „sie [die Vierte]

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schmeckt nach dem hiesigen Klima – die Kirschen Johannes Brahms; hier werden nicht süß.“ Aufnahme etwa 1883 Es scheint, als habe sich Brahms bei der Suche nach den Orten für seine arbeitsreichen Sommerurlaube Aufführungsdauer: immer nach seiner jeweiligen Stimmungslage ge- ca. 45 Minuten richtet. Denn gerade hier am Fuß des Semmering, in der herben Bergwelt, wo Freud und Leid eng beieinander zu sein scheinen, wo kein Reichtum anzuhäufen ist, wo Leben und Vergehen, Licht und Schatten sich ergänzen und eine göttliche Natur alles umfaßt, grübelte er auch über Lieder, die alle eins beinhalten: Verzicht, Resignation, Abschied.

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Eine ganz große

Sinfonie — entwickelt

aus einem „Nichts”,

einer Terz

Auch im folgenden Jahr unterbrach er immer wie- der die Arbeit an seiner Sinfonie, um sich derar- „Mit vierzig Jahren ist tigen Liedern zu widmen, z. B. auf den berühm- der Berg erstiegen, / ten Heine-Text „Der Tod, das ist die kühle Nacht“ wir stehen still und („Vier Lieder“ op. 96). Schwer lastend schleppt schaun zurück; / dort sehen wir der sich der Gesang, und klagend wird des verlore- Kindheit stilles liegen / nen Glücks gedacht. Und so bedingt eines das und dort der Jugend andere: der Komponist, in tiefernste Gedanken lautes Glück“ – Verse gehüllt, schrieb Lied um Lied, durchweht von von Friedrich Rückert, Wehmut und Melancholie, und komponierte eine die Brahms im Innersten getroffen haben dürf- Sinfonie, die in manchem solchen Liedern ähnelt. ten. Vor allem die letzte Sein neues sinfonisches Werk wollte er mit Hans Strophe: „Nicht atmend von Bülow bei dessen verständnisvollem Meinin- aufwärts brauchst du ger Herzog in aller Stille ausprobieren, gab es mehr zu steigen, / die Ebne zieht von doch dort ein Orchester, das den allerhöchsten selbst dich fort; / Ansprüchen genügen konnte. Und so geschah es dann wird sie sich mit auch. Bülow studierte das Werk akribisch ein und dir unmerklich neigen, / überließ es Brahms, sein Werk selbst im Hof- und eh du’s denkst, bist theater aufzuführen (25. Oktober 1885). In Wien du im Port.“ aber war man beleidigt, daß Brahms die erste Aufführung der Sinfonie einer Kleinstadt anver- traut hatte. Das aber war nicht der Grund, wes- halb Hans Richters spätere Interpretation mit den Wiener Philharmonikern am 17. Januar 1886 kein rechter Erfolg werden sollte. Die Gegenpartei – so etwas hatte sich in Wien längst gebildet – zischte sogar. Hans Richter hatte schon am 2. De- zember 1883 die Uraufführung der „Dritten“ in Wien geleitet und erlebt, wie das Werk durch ei- ne Truppe der Wagner-Bruckner-Partei arg ausge- pfiffen wurde. Den rhythmischen Verlauf des Hauptthemas aus dem ersten Satz skandierte man ironisch: „Es-fiel-ihm-wie-der-mal-nichts -ein“. Hugo Wolf, immer noch bösartig-bissig, ließ sich mit der Feststellung vernehmen, daß die Kunst, ohne Einfälle zu komponieren, in Brahms ihren würdigsten Vertreter gefunden habe: „Ganz wie der liebe Gott versteht auch Brahms sich auf das Kunststück, aus nichts etwas zu machen.“ Dieses „Nichts“ ist eine Terz, ein kleines, aber doch so wichtiges Intervall, zeigt es uns doch an, ob wir uns in Dur oder Moll bewegen. Sicherlich

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ein Nichts, solange diese Terz für sich allein steht, und doch wurde es die Zelle, aus der sich eine ganze große Sinfonie entwickeln konnte. Das ist Brahmsisches Gestalten, kraftvoll, maßvoll, herb und schön, wenn auch keineswegs eine „süße Kirsche“. Es bedarf des wirklichen Hineinhor- Das Musikzimmer des chens, um den großen Verwandler Brahms rich- Komponisten in der Wiener Wohnung, in tig zu verstehen, um zu erleben, wie sich hier Be- der er viele Jahre bis zu wahrtes und Neues verbinden, wie sich Klang und seinem Tod im Jahr Zauber mischen. Ein Bote der Zukunft! 1897 lebte.

Sinfonie Nr. 4 e-Moll Zur Musik

Die Sinfonie hebt – völlig unspektakulär, fast bei- 1. SATZ läufig – in den Violinen mit einer Melodie an, die Allegro non troppo in ihrer Struktur aus einer Kette von sieben fallen- Alla-breve-Takt, e-Moll den Terzen besteht. Und die Terz ist denn auch der thematische Kern der ganzen Sinfonie, aus der sich nahezu alle wichtigen musikalischen Ge-

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stalten entwickeln. So ist der Sonatensatz keine Auseinandersetzung zweier gegensätzlicher The- men, wie es nach klassischer Regel hätte sein sol- len, sondern eine sich beständig „entwickelnde Variation“ eines thematischen Kerns in verschie- denen Gestalten. „Durchführung“ ist gewisser- maßen der ganze Satz. An einigen wenigen Stel- len jedoch hält die beständige Bewegung, in der sich der Satz befindet, unvermittelt an, bleibt für einen Moment in Entrückung die Zeit stehen. Diese plötzlichen Einbrüche gehören zu den be- fremdlichsten und zugleich anrührendsten Mo- menten.

2. SATZ An diese „romantische“ Aura knüpft das Andante Andante moderato moderato an. In ruhiger Bewegung und fein dif- 6/8-Takt, E-Dur ferenziert in der Disposition der Klangfarben – das erste Thema (ebenfalls von der Terz abgelei- tet) gehört meist den Bläsern an, das zweite, ge- tragen-fließende, den Streichern – entsteht eine sanfte, melancholische Stimmung. Freilich bre- chen in diese bald mit massiver Wucht fortis- simo die Streicher ein, der Satz steigert sich zu größter Erregtheit, die auch dann noch nachklingt, wenn–wie- der beruhigt–das zweite Thema in sat- tem dunklem Strei- chersatz erklingt, ganz Wohlgefühl ausstrah- lend. Und auch in der leise verklingenden Co- da ist die emotionale Aufwallung des Mittel- teils noch nicht ganz vergessen.

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Jedoch vor der romantischen Emphase, vor der 3. SATZ Emotion rettet sich Brahms in die sardonische Allegro giocoso Heiterkeit eines grimmigen Scherzos, das nur ganz 2/4-Takt, C-Dur selten in lyrische Bahnen gelenkt wird. Schroff platzen die gegen das Metrum verschobenen har- ten Rhythmen des Themas heraus, starr stehen die Akkordblöcke gegeneinander–eine Maske des Grimms, hinter der sich Brahms verbirgt.

Hier erklingt keine Jubelmusik. Brahms kompo- 4. SATZ nierte für den Schlußsatz nichts Befreiendes wie Allegro energico weiland Beethoven, nichts Himmelstürmendes. Er e passionato 3/4-Takt, e-Moll ruft nicht nach Sieg und sucht nicht die Freude mit oder ohne Götterfunken. In der dritten Sin- fonie konnte Brahms noch Trost in Töne bannen, in der Vierten schien ihm auch dies nicht mehr möglich. Unerbittlich ist der Ausklang, für ihn die einzige Möglichkeit. Gebändigt ist die Aufwallung des dritten Satzes „Er versammelt seine in der großartigen und strengen Architektur des Hörer zu großem Ernst. vierten. Aus einem achttaktigen Thema, das er Er zwingt sie, mit ihm eine beschwerliche (leicht chromatisiert) Bachs Kantate „Nach dir, Wanderung anzutreten Herr, verlanget mich“ entlieh, entwickelt Brahms in eine Gedankenwelt, eine Chaconne – eine alte Tanzform mit einem in der Kirschen nicht ständig wiederkehrenden Motiv im Baßregister –, süß werden. Er zwingt sie unter das Gesetz deren konstruktive Rigorosität die des Kopfsatzes einer strengen musika- noch übertrifft. Brahms beabsichtigte eben keine lischen Form. Eine bloße Reihung von Variationen verschiedenen Chaconne als Sinfonie- Charakters über einen gleichbleibenden Baß. Und finale!“ (Johannes so wölbt sich über die einunddreißig Variationen Forner). der barocken Chaconne ein Sonatensatz des 19. Jahrhunderts; bildet das durchweg präsente Thema (das lediglich im ruhigen Mittelteil im Gewebe sich verbirgt) das harmonisch-melodi- sche Fundament für einen sinfonischen Satz höchster Ausdrucksdichte und -variabilität. Am Ende schließlich, vor der Schlußstretta, die den angestauten Energien freien Lauf läßt, schlägt der Satz den Bogen zurück zum Anfang. In der Kombination von Chaconne-Thema und der Terzenkette des Kopfsatzes schließt sich die Sinfonie zu einem integralen Ganzen zusammen.

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Kunst

und Kultur

brauchen Förderverein

Förderer

Verehrte Konzertbesucherin, verehrter Konzertbesucher!

Brücken bauen, Versöhnung leben Unübersehbar waren diese Worte Mitte 2001 am Gerüst um die Frauenkirche angeschlagen. We- nige, aber einprägsame Worte brachten es auf den Punkt. Dies insbesondere in einer Zeit, in der die Diskussion um Schuld und Sühne, auch hin- sichtlich der Zerstörung Dres- dens, wieder voll entbrannt ist. Viele Konzertbesuche haben mir verdeutlicht, daß die Dresdner Philharmonie, deren wunder- baren Klang ich liebe, ein her- ausragender Brückenbauer ist und damit zur Versöhnung der Menschen weit über die Gren- zen Dresdens hinaus beiträgt.

Ströme Dresden liegt an einem berühm- ten Strom, der in wohl einmali- ger Art und Weise Landschaften mit reicher Kultur durchfließt. Ich staune immer wieder über die Menschenströme, die zu den Veranstaltungen der Dresdner Kulturstätten eilen, um sich Rolf Hartmann dem Genuß der Musik, der Worte oder der Selbstständiger Gemälde hinzugeben. Besonders gerne lasse ich Treuhänder und die vielen Konzertbesucher auf mich einwirken, Wirtschaftsprüfer die erwartungsvoll zum Festsaal des Kulturpala- Weinbergstrasse 48 stes strömen, um den Klangwelten der Dresdner CH - 8006 Zürich Schweiz Philharmonie zu lauschen. Tel.: 0041 1 700 24 24 Im anderen Wortsinn hat sich Gerhart Haupt- Fax: 0041 1 700 27 27 mann, der Dichter, über Ströme geäußert: Mobil: 0041 79 447 67 71 „Von Dresden aus, von seiner köstlich gleichmä- e-mail: ßigen Kunstpflege in Musik und Wort, sind herr- [email protected] liche Ströme in die Welt geflossen.“

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Die Dresdner Philharmonie ist mit ihrer in die Her- zen strömenden Musik ein wichtiger Teil dieser Kunstpflege, denn Musik ist die einzige Sprache, die alle Menschen der Welt verstehen.

Weltspitze Die Dresdner Philharmonie nimmt auch mit ihrer breiten Programmgestaltung weltweit einen Spit- zenplatz ein. Dem Orchester mit seinen Chören, dem Intendanten, der künstlerischen Leitung und allen Mitarbeitenden gebühren hierfür hohe An- erkennung. Weltspitze sind für mich aber auch die hochstehenden Publikationen der Dresdner Philharmonie, die stets einen reichen Fundus an Musikkultur beinhalten. Mit meinem Beitritt zum Förderverein verbindet sich mein Wunsch, daß diese Qualitätsstandards erhalten bleiben.

Konzertsaal Für seine musikalischen Leistungen auf höchstem Niveau benötigt das Orchester der Stadt Dresden einen würdigen Rahmen. Um die Planung des Konzertsaales voranzutreiben, sollten m. E. auch neue Finanzierungsmodelle geprüft werden. So könnte ich mir beispielsweise eine vom Freistaat Sachsen und der Stadt Dresden gemeinsam ga- rantierte Kulturanleihe „Neuer Konzertsaal der Dresdner Philharmonie“ vorstellen. Ein wichtiges Ziel muß hierbei bleiben, daß die Eintrittspreise auch zukünftig für jedermann bezahlbar bleiben. Förderverein Geschäftsstelle Ich wünsche Ihnen einen genußvollen Konzert- Kulturpalast am Altmarkt Postfach 120 424 besuch, eine besinnliche, schöne Weihnachtszeit 01005 Dresden und schon jetzt ein gutes, gesundes und (phil-)- Telefon harmonisches Jahr 2004. 0351/486 63 69 und 0171 / 549 37 87 Rolf Hartmann, Zürich /Schweiz Fax 0351/486 63 50

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4. Zyklus-Konzert

4. Außerordentliches und Sonderkonzert

5. Philharmonisches Konzert Vorankündigungen

Sonderkonzerte zum Jahreswechsel

4. Zyklus-Konzert Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) Sonnabend, 13.12.2003 Sinfonie Nr.1 c-Moll op.11 19.30 Uhr B, Freiverkauf Hector Berlioz (1803 – 1869) „Harold en Italie“ – Sinfonie in vier Sätzen Sonntag, 14.12.2003 mit Solobratsche op.16 19.30 Uhr C2, Freiverkauf Festsaal des Dirigent Kulturpalastes Yan Pascal Tortelier Solistin Christina Biwank Viola

4. Außerordentliches Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) Konzert (Weihnachten) Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 Donnerstag, 25.12.2003 19.30 Uhr Peter Tschaikowski (1840 – 1893) AK/J, Restkarten Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 (Pathétique) Freitag, 26.12.2003 11.00 Uhr Dirigent AK/V, Freiverkauf Marek Janowski Sonderkonzert Solist Freitag, 26.12.2003 Vadim Gluzman Violine 19.30 Uhr Freiverkauf Festsaal des Kulturpalast

5. Philharmonisches (1824 – 1896) Konzert Sinfonie Nr. 8 c-Moll WAB108 Sonnabend, 17.1. 2004 19.30 Uhr Dirigent A1, Freiverkauf Marek Janowski Sonntag, 18. 1. 2004 19.30 Uhr A2, Freiverkauf Festsaal des Kulturpalastes

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N EUJAHR MIT DEN P HILHARMONIKERN

Konzerte zum Neujahr MitMit Donnerstag,1.1. 2004 15.00 und 19.00 Uhr CsardaskCsardasklänlängengen Freiverkauf Festsaal des insins Kulturpalastes neueneue Jahr Eintritt: Jahr 1 37 / 34 / 31 /27/23 Ungarisches aus Konzert und Operette, Sonderpreise u. a. mit virtuosen Violinstücken von für Abonnenten: Sarasate und Monti, mit hinreißenden 28 / 25 / 23 / 20 / 17 1 Cymbalonklängen und Gesangsnummernaus immergrünen Operetten Hinweis: DRESDNER PHILHARMONIE Vor den Konzerten hält Dirigent das Restaurant SZEGED, László Kovács Wilsdruffer Str./Ecke Pirnaischer Platz – Nähe Solisten Kulturpalast – ungarische Birgid Steinberger Sopran Sezialitäten in einem Johannes Chum Tenor Sonder-Arrangement für Sándor Jávorkai Violine Konzertbesucher bereit. Oszkár Ökrös Cymbalon Tischbestellung: Tänzer Tel.: 0351/48 458 Tanzsolisten des Honvéd Ensembles Fax: 0351/48 458 11 Moderator info@restaurant- Kálmán Strausz szeged.de

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Kartenservice · Impressum

Kartenverkauf und Ton- und Bildaufnahmen während des Konzertes Information: sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Besucherservice der Dresdner Philharmonie Programmblätter der Dresdner Philharmonie Kulturpalast am Altmarkt Spielzeit 2003/2004 Öffnungszeiten: Chefdirigent und Künstlerischer Leiter: Montag bis Freitag Marek Janowski Intendant: Dr. Olivier von Winterstein 10 – 19 Uhr; an Konzert- Erster Gastdirigent: Rafael Frühbeck de Burgos wochenenden auch Ehrendirigent: Prof. Kurt Masur Sonnabend 10 – 14 Uhr Text und Redaktion: Klaus Burmeister Telefon 0351/486 63 06 und Foto-Nachweis: Alan Buribayev und Peter Rösel: Frank Höhler, Dresden; Holk Freytag: privat 0351/486 62 86 Fax 0351/486 63 53 Grafische Gestaltung, Satz, Repro: Grafikstudio Hoffmann, Dresden; Tel. 0351/843 55 22 Kartenbestellungen [email protected] per Post: Anzeigen: Sächsische Presseagentur Seibt, Dresden Dresdner Philharmonie Tel./Fax 0351/31 99 26 70 u. 317 99 36 Kulturpalast am Altmarkt [email protected] PSF 120 424 Druck: Stoba-Druck GmbH, Lampertswalde 01005 Dresden Tel. 035248/814 68 · Fax 035248/814 69 Blumenschmuck und Pflanzendekoration zum Konzert: Gartenbau Rülcker GmbH

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