Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart

Befund – Rekonstruktion – Touristische Nutzung

Keltische Denkmale als Standortfaktoren

Herausgegeben von Jörg Bofinger und Stephan M. Heidenreich

Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg Heft  In Erinnerung an Jörg Biel (–), Ausgräber am Heidengraben Inhalt

Vorwort 

Jörg Bonger Sehnsucht nach Rekonstruktion und archäologische Realität – einige Gedanken zur „wiederaufgebauten Vergangenheit“ 

Ines Balzer „Macht hoch die Tür…“. Zugänge und Torbauten in der keltischen Eisenzeit „

Gerd Stegmaier/ Der Heidengraben – Ein Großdenkmal Frieder Klein auf der Schwäbischen Alb ‘

Ines Balzer In die Zange genommen. Das Tor G des Heidengraben auf der Schwäbischen Alb •

Andrea Zeeb-Lanz Tore, Mauern, Wallprofile. Möglichkeiten der Rekonstruktion keltischer -Architektur am Beispiel des Donnersberges (Nordpfalz) „

Thomas Fritsch Forschung – Natur – Tourismus. Zur Nutzungsstrategie von Denkmal und Keltenpark am Ringwall von Otzenhausen, Krs. St. Wendel, Saarland ¡

Michael M. Rind Archäologiepark Altmühltal: Konzept – Befund – Rekonstruktion – Touristische Inwertsetzung ¡¡„

Vera Rupp Die Keltenwelt am Glauberg – Vom rekonstruierten Grabhügel zum Archäologischen Park und Museum ¡„

Wolfgang F. A. Lobisser Vergangenheit zum „Begreifen“: Die experimental- archäologische Errichtung von latènezeitlichen Hausmodellen und archäologische Großveran- staltungen in der spätkeltischen Siedlung am Burgberg in Schwarzenbach in Niederösterreich ¡¦•

Manfred Waßner Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb und das historisch-kulturelle Erbe – ein Überblick ¡•¨

Stephan M. Heidenreich Heidengraben ¦D: Möglichkeiten der virtuellen Darstellung ¡•‘

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ¡‘ 

Der Heidengraben – Ein Großdenkmal auf der Schwäbischen Alb

Gerd Stegmaier / Frieder Klein

Das spätkeltische Oppidum Hei- pa. Seine Erforschung, die bis heute dengraben liegt ca. ”† km südöstlich andauert und immer wieder überra- von Stuttgart auf einer der Schwäbi- schende und faszinierende Ergebnisse schen Alb vorgelagerten Berghalbin- hervorbringt, ist eine Geschichte mit sel (Abb. „). Heute be–nden sich auf langer Tradition. dieser Hoch’äche die zum Kreis Reut- lingen gehörenden Gemeinden Hül- Der Heidengraben – ein Blick auf ben und sowie die im die Forschungsgeschichte Kreis gelegene Gemeinde „Die gallische Stadt südlich vom Luftbild des spätkel- . Neu‚en“ titelt „ †‡ Friedrich Hert- tischen Oppidums Hei- Mit einer Gesamt’äche von knapp lein (Abb. Œ). In der seinerzeit au’a- dengraben, mit den „š†† ha ist der Heidengraben die größ- genstärksten Heimatzeitschrift Süd- Gemeinden Graben- stetten, Hülben und te befestigte Siedlungsanlage der vor- westdeutschlands, den Blättern des Erkenbrechtsweiler. römischen Eisenzeit in Mitteleuro- Schwäbischen Albvereins, wendet er Der Heidengraben – Ein Großdenkmal auf der Schwäbischen Alb

sich an das archäologische Publikum zen, dann der Lage- und Größenver- sowie an Wanderer und „Touristen“: gleich mit Anlagen wie Alesia, Bibrac- „Wir alle kennen den Heidengraben te, oder Gergovia. Unter „gallischer hinter dem Neu‚en und seine ver- Stadt“ versteht Hertlein allerdings nur schiedenen Teile, ein geheimnisvolles den gegen Süden gewandten Kernbe- Befestigungswerk aus uralter Zeit …“ reich über Elsach- und Kaltental, die Die Beschäftigung mit dem Burgstall von ihm so genannte, rund „¯† Hek- bei Finsterlohr, Main-Tauber-Kreis tar große „Elsachstadt“. Die weiteren und dem Ipf bei Bop–ngen, Ostalb- Befestigungsanlagen seien zugehöri- kreis muss Hertlein auch auf die Vor- ge Vorwerke zum Schutz und zur Kon- dere Alb führen, nach Erkenbrechts- trolle der Zugänge aus den Tälern. weiler, Hülben und Grabenstetten. Indem Hertlein den Heidengraben Die Erms mit ihren Neben’üsschen als gallisch und latènezeitlich be- und die Lenninger Lauter schneiden zeichnet, ist für ihn – ohne näher da- hier am nördlichen Trauf der Schwä- rauf einzugehen – die Diskussion des bischen Alb eine rings von Steilhän- „°. und „ . Jahrhunderts um die Da- gen umschlossene Berghalbinsel, und tierung und die Deutung dieser Anla- weitläu–ge Befestigungswerke grei- gen vom Tisch. Keine Rede ist mehr fen etwa die Hälfte des Plateaus her- davon, dass der Heidengraben dem aus. Dort wo die natürliche Sicherung ”†-jährigen Krieg entstamme oder gar durch Steilhänge Lücken lässt, setzen noch jünger sei, dass es sich um eine die künstlichen Befestigungswerke römische Grenzbefestigung handle an, die mit höchster E¥zienz die na- oder um ein Befestigungswerk einer türliche Geländegestalt nutzen. Süd- einheimischen Bevölkerung in römi- lich Grabenstetten sperren Wall und scher Zeit. Hertlein greift die bereits Graben die rund ”†† m breite Erdbrü- cke zur Albhoch’äche hin. Ebenso werden an den Engstellen beim Bur- renhof der westliche Teil der Vorde- ren Alb um Hülben sowie im Norden die „Bassgeige“ bei Erkenbrechtswei- ler ausgegrenzt. Toranlagen – sämt- lich Zangentore verschiedener Aus- prägung – kontrol lieren den Zugang (Abb. ”). Den Wällen vorgelagert ist eine Berme, und davor liegen ’ache Sohlgräben. Es muss sich, so folgert Fried- rich Hertlein, um eine spätkeltische Anlage handeln, um ein Oppidum,  Friedrich Hertlein wie von Caesar aus dem gallischen (§¨©–§ª«ª), Pionier der römischen und der Raum beschrieben. Argumente sind Latène-Forschung in ihm zuerst die Funde keltischer Mün- Württemberg. ¨

 Der Heidengraben nach dem Plan v. Stei- ners. Konsequenterweise beginnt Hertlein die Reihenfolge der Tore bei der „Elsachstadt“. Die Befestigungsanlage durch Grabenstetten mit Tor H wird erst §ª·© erkannt.

„°³„ von Heinrich Schreiber in dessen men ist. Hinzugetreten sind topogra- „Taschenbuch für Geschichte und Al- –sche Vermessungen durch Paul terthum“ geäußerte Überlegung auf, Braun/Sebastian Wetzel sowie ins- dass der Heidengraben vorrömisch besondere durch Julius v. Steiner im und den gallischen Oppida vergleich- Rahmen einer ersten Landeserfassung bar sei. archäo logischer Kulturdenkmale im „ †‡ – nach der ersten „vor- damaligen Königreich Württemberg. archäo logischen“ Phase der Hei den- Nur die Grabung fehlt noch. „ †¯ grabenforschung – kann sich Hertlein stellt der Schwäbische Albverein die über eine exzellente Geländekenntnis Finanzmittel bereit und beauftragt hinaus auch auf Funde stützen, auf Hertlein mit der Grabung. „Seit Jahr- Münzen und auf ein repräsentatives zehnten“ – so der Vorsitzende Eugen spätlatènezeitliches Fundspek trum, Nägele – „wird über diesen Heiden- das seit etwa „° † zusammengekom- graben gesprochen und geschrieben, Der Heidengraben – Ein Großdenkmal auf der Schwäbischen Alb

und noch niemals hat man die Befes-  Grabungsschnitt §ª¼ tigung genau untersucht. Die heuer entlang der östlichen Torwange von Zangentor nach Stuttgart einberufene Versamm- F. Zu erkennen ist das lung der deutschen Naturforscher und Pfostenschlitzmauerwerk Ärzte … gab Anlass zu einer erstmali- mit etwa meterbreiten gen, künftige Forschungen gut vorbe- Mauersegmenten. reitenden Untersuchung … Beigefügt mag werden, dass am ŒŒ. Sep tember (= dem Tag der Schluss exkursionen) bei der Besichtigung durch die etwa °† Gäste des Naturforscher- und Ärz- te-Tags das denkbar schlechteste Wet- ter herrschte, dass aber seither viele Hunderte Albvereinsmitglieder, Alb- freunde und Albbewohner die vorerst noch o‚en gelassenen Stellen … be- sichtigt haben: der schöne Oktober hat zahllose Scharen von Aus’üglern  Grabung §ª¼ an der Ostseite von Tor F. an den Heidengraben geführt; somit Neben den senkrechten dürfte sich die bescheidene Ausgabe Pfostenschlitzen deutet auch nach dieser Seite glänzend ge- sich in der Mauerfront lohnt haben …“ Der Heidengraben ist eine waagerecht verlau- fende steinfreie Lücke an. als archäologische wie touristische At- Hertlein vermutet darin traktion erkannt. liegend verbaute Hölzer. Mit seinen Grabungen im Septem- ber „ †¯ wendet sich Hertlein zuerst den Befestigungsanlagen der „Els ach- stadt“ zu, dann dem Wall westlich des Burrenhofs und Tor F (Abb. ³). Ein Grund, diesen Abschnitt des Heiden- graben zur Untersuchung zu wählen, ist das nahe Grabhügelfeld, das sich durch die Grabungen „° ” von Kon- rad Witscher im Auftrag der Königli- chen Altertümersammlung Stuttgart als hallstattzeitlich erwiesen hatte. Ge- tri‚t an allen Partien des Heidengra- sucht wird eine Antwort auf die Fra- ben jedoch ausschließlich die für die ge, ob ein Zusammenhang zwischen spätkeltische Zeit typische Pfosten- diesem Befestigungswerk und den schlitzmauer an mit ihrer Front aus Grabhügeln bestehe, die Befestigun- senkrechten Pfosten und dazwischen gen in die Hallstattzeit zurückreich- trocken, ohne Verwendung von Mör- ten oder eine ältere Wehranlage später tel aufgesetzten Steinmauersegmen- wieder aufgegri‚en wurde. Hertlein ten (Abb. ‡). Zudem sind sämtliche ©¼

Toranlagen als Zangentore ausge- Burrenhof sowie „ š¯ und „ °„ nörd- führt. Er folgert daraus: Der Heiden- lich Erkenbrechtsweiler am Wall und graben ist insgesamt latènezeitlich bei Tor G. Auslöser sind Straßenbau und eine Anlage aus einem Guss. An- und Flurbereinigung. Weitere Befund- gesichts der hallstattzeitlichen Grab- beobachtungen am Wall südlich Gra- hügelfunde beim Burrenhof räumt er benstetten sowie am Wall durch Gra- anfänglich Unsicherheit bei der Frage benstetten folgen. Stets bestätigen nach dem Beginn der Latènezeit ein. und verdichten sich die Beobachtun- „ †¯ schließt er aber, dass die Nach- gen zu Pfostenschlitzmauern. barschaft von Wall mit Tor F und der „ °” führt die Luftbildarchäologie Burrenhof-Nekropole auf Zufall be- vor Augen, in welchem Ausmaß der ruhe. Die weiter anhaltende Diskus- Ackerbau die für den Burrenhof na- sionen legt erst Kurt Bittel „ ”³ bei, mengebenden Hügel (Burren = Hü- und mit der wegweisenden Arbeit von gel) bereits in Mitleidenschaft gezo- Paul Reinecke ist der Heidengraben gen hatte (Abb. ¯). „ °”–„ † werden im Verein der spätkeltischen Oppida die noch erkennbaren Grabhügel un- etabliert. tersucht, im Zusammenwirken von Ar- Bezeichnenderweise zählt der „ š„ chäologischer Denkmalp’ege, dem erschienene „Der Heidengra ben bei Institut für Vor- und Frühgeschich- Grabenstetten“ zu den ers ten Bänden te der Universität Tübingen und den der Reihe der „Führer zu archäologi- Volkshochschulen Nürtingen und schen Denkmälern in Baden-Württem- . Angep’ügte Begräbnisse, berg“. Franz Fischer kann dabei einen luftbildarchäologische Beobachtungen neuen, „ ³„/³Œ von Georg Kottmaier und schließlich geophysikalische Un- erstellten Plan der „Els achstadt“ prä- tersuchungen zeigen aber auch wei- sentieren. Heute stellt sich dieser Füh- terhin, dass das Gräberfeld beim Bur- rer geradezu als Initial für die jünge- renhof als archäologische Quelle noch ren Aktivitäten und Forschungen am nicht erschöpft ist. Immer wieder Heidengraben dar. stellt sich die Notwendigkeit von Ret- „ š‡ wird publik, dass sich mit- tungsgrabungen ein, um vom P’ug ten durch Grabenstetten, in östlicher erfasste archäologischer Zeugnisse Richtung und über gut „,‡ km Länge, zu sichern, zum Teil im Rahmen von ein bisher unerkannter Wall mit vor- Lehrgrabungen des In stituts für Ur- gelegtem Graben zieht, der teilwei- und Frühgeschichte und Archäologie se im Gelände noch nachvollziehbar des Mittelalters der Universität Tübin- ist. Bereits „ ³š ist am Talaufgang aus gen. Diese Kooperation sollte vor al- dem Kaltental bei Hausbauten Pfos- lem „ ³ ihre Fortsetzung –nden mit tenschlitzmauerwerk beobachtet wor- den Grabungen und Forschungen in den und, schon „ Œš, hatten sich die der „Elsachstadt“, die durch die Deut- Hinweise auf ein weiteres Zangentor, sche Forschungsgemeinschaft unter- Tor H, ergeben. Rettungsgrabungen stützt werden. Auslöser ist die Flurbe- der Archäologischen Denkmalp’ege reinigung Grabenstetten, die mit ihren erfolgen „ š³ am westlichen Wall beim umfangreichen Wegebaumaßnahmen. Der Heidengraben – Ein Großdenkmal auf der Schwäbischen Alb

 Das Gräberfeld beim Burrenhof §ª¨¿. Das Luftbild zeigt die schleichende Zerstörung durch den P’ug. Hügelbereiche heben sich mit dunkler Ver- färbung ab, angep’ügt sind bereits steinerne Hügeleinfassungen.

Bis heute sind Lehrgrabungen der Das Wirken Friedrich Hertleins Universität Tübingen eine feste Grö- „ †‡/†¯ stellt einen markanten Kno- ße bei der Erforschung des Heiden- tenpunkt der Forschungen am Hei- grabens. Auf Kooperation bauen auch dengraben dar. Nach einer ersten „vor- die modernen Vermessungen und Ge- archäologischen“ Phase fasst er den ländeaufnahmen, die in den „ †er um Funde und Befunde bereicher- Jahren im Rahmen des „Atlas der vor- ten Kenntnisstand zusammen und und frühgeschichtlichen Gelände- legt gewissermaßen einen ersten „ar- denkmale“ des Landesdenkmalamts chäologischen Führer“ vor. Als „Tou- mit den Technischen Hochschulen rist „ †¯“ skizziert Eugen Nägele fol- Karlsruhe und Stuttgart unter Dieter gendes Bild vom Heidengraben bei Müller erfolgen. Tor F: „… Wer also vor Œ††† und mehr Besonders hervorzuheben ist Jahren aus dem Uracher Tal über die schließlich die Geländearbeit ehren- Albhoch’äche nach dem Lenninger amtlicher Mitarbeiter der Archäolo- Tal wandern wollte, fand ganz eigenar- gischen Denkmalp’ege, voran von tige Hindernisse. Hatte er die steilen Christoph Bizer und Achim Lehm- Schluchten hinter sich und die Fläche kuhl, die mit einer Fülle an Funden mit der weiten Umschau vor sich, so und Beobachtungen das heutige Bild sperrte ihm von Bergrand zu Bergrand des Heidengraben entscheidend mit- eine weißschimmernde Mauer, die jen- gestalten: mit einer „Elsachstadt“, seits eines Grabens bedrohlich auf- in der schon Friedrich Hertlein das stieg, den Weg: Auf der breiten Krone Besiedlungszentrum vermutet, so- mochten bewa‚nete Wächter patroul- wie mehreren Siedlungsarealen im lieren, und rechts und links hinter dem Außenbereich. einzigen Eingang lief eine lange Befes- ©«

 Schematisierter Gesamtplan des Grä- berfelds beim Burrenhof mit Grabhügeln und Brandgrubengräbern der späten Bronze- und frühen Eisenzeit.

tigung hin. Jenseits der Mauer zeig- getieft waren (Abb. š). Als Urne dien- ten sich weite wohlgep’egte Felder, te ein großes Keramik behältnis, das durchlaufende Wege, vereinzelte Hüt- neben dem Leichenbrand weitere klei- ten, Grabhügel. Erhielt der Wanderer ne Tongefäße und Beigaben aus Bron- die Erlaubnis einzutreten, so wurde er ze enthielt (Abb. °). Zu Letzteren ge- wohl nach der benachbarten Bergstadt hören Trachtbestandteile, Messer und geleitet …“

Das Gräberfeld beim Burrenhof – ein Bestattungsplatz der späten Bronze- und frühen Eisenzeit Die Nekropole beim Burrenhof datiert in eine Zeit, weit vor der Entstehung des spätkeltischen Oppidums Heiden- graben. So wurden die ältesten Be- stattungen hier bereits um „††† v. Chr.  Miniaturform eines Zylinderhalsgefäßes und während der ausgehenden Bronzezeit Bruchstück eines kleinen angelegt. Bei ihnen handelt es sich Bronzearmrings aus um Gräber der sogenannten Urnen- einer urnenfelderzeitli- chen Kinderbestattung felderkultur (ca. „Œ††–°†† v. Chr.), die vom Burrenhof. als einfache Gruben in den Boden ein- Der Heidengraben – Ein Großdenkmal auf der Schwäbischen Alb

Geräte, die den Verstorbenen mit ins sprechende Wagen wurden nur den Grab gegeben wurden. Angehörigen einer gesellschaftlichen Ab dem Beginn der frühen Eisen- Oberschicht mit ins Grab gegeben. zeit kommt es dann zur Aufschüttung Mit dem Wagengrab vom Burrenhof großer Grabhügel aus Erde. Insge- ist auch hier die Anwesenheit einer samt konnten bis heute mindestens solchen, ranghohen Persönlichkeit der ”š dieser Tumuli nachgewiesen wer- frühkeltischen Zeit fassbar. den. Sie datieren in einen Zeitraum Hinsichtlich der Grabarchitektur zwischen °†† und ³‡† v. Chr. und ge- konnten am Burrenhof neben reinen hören der Hallstattkultur an. Erdhügeln auch Tumuli beobachtet Während der älteren Hallstatt- werden, die einen Umfassungsgra- zeit (°††–¯‡† v. Chr.) wurden im Zen- ben, einen Pfostenkranz oder eine Be- trum der Grabhügel Brandbestattun- deckung aus Steinen besaßen. Dabei gen angelegt, aus denen in aller Regel kann die Form des Grabhügels sowohl umfangreiche Sätze von Keramikge- rund als auch rechteckig sein. Ähn- fäßen stammen (Abb. ). Ab der jün- lich wie in der vorhergehenden Ur- geren Hallstattkultur (¯‡†–³‡† v. Chr.) nenfelderkultur wurden während der überwiegen Metallobjekte, wie Ring- Hallstattzeit aber auch noch einfa- schmuck, bronzene Gewandschließen che Brandgrubengräber zwischen den und Wa‚en aus Eisen (Abb. „†), die Grabhügeln eingetieft (Abb. š). zum Repertoire der nun als Körper- Als wichtiger Bestandteil des Groß- bestattungen angelegten Gräber denkmals Heidengraben kommt dem gehören. Gräberfeld beim Burrenhof eine be- Neben einer Vielzahl an reichen sondere Bedeutung zu. Nicht nur die Beigaben bildet der Nachweis ei- reichen Funde, sondern auch seine nes vierrädrigen Wagens eine Beson- Lage unweit von Tor F bilden für je- derheit unter den Funden aus dem den Besucher auch heute noch einen Gräberfeld beim Burrenhof. Ent- beeindruckenden Anblick. Hierzu tra-

 Keramikservice aus einer früheisenzeitlichen Zentralbestattung vom Burrenhof, bestehend aus Alb-Hegau-Gefäßen mit paarweise beigegebe- nen Tellern. ©

gen unter anderem die sieben rekon- einer leicht zu befestigenden Hoch- struierten Grabhügel bei, die nach ’äche und einer damit verbundenen Abschluss ihrer Ausgrabung Ende Kontrolle mehrerer überregionaler Ver- der „ °†er Jahre wieder aufgeschüt- kehrswege. Dennoch lässt sich das tet wurden. Als mächtige Erhebun- Oppidum nicht allein auf den Status gen sind sie weithin in der Landschaft einer isolierten Höhensiedlung redu- sichtbar (Abb. „„). zieren. Vielmehr zeigen zahlreiche Un- tersuchungen, dass es sich hier um ei- Das spätkeltische Oppidum – nen seit der späten Bronzezeit, mehr Zentralort und Großsiedlung am oder weniger kontinuierlich, besiedel- Rand der Schwäbischen Alb ten Naturraum handelt, der in vielerlei Seine territoriale Dominanz verdankt Hinsicht erkennbare Vorzüge aufweist. der Heidengraben der Verortung auf So hebt sich der Heidengraben nicht

 Grabbeigaben der jüngeren Hallstattzeit aus der Nekropole beim Burrenhof mit eisernen Lanzenspitzen, Fibeln, Stäbchenanhänger und einem Fußring aus Bronze. Der Heidengraben – Ein Großdenkmal auf der Schwäbischen Alb

Winterlandschaft mit rekonstruierten Grab- hügeln der Hallstattzeit beim Burrenhof.

 Aus importiertem Rohglas hergestellte Perlen der jüngeren Latènezeit vom Heidengraben.

nur durch sein vergleichsweise günsti- hat. Mit der Errichtung der Befesti- ges Klima, sondern auch durch seine gungsanlagen und der Herausbildung äußerst fruchtbaren Böden vom Groß- eines überregionalen Zentralortes um teil der umgebenden Alblandschaft ab. „”† v. Chr. geht eine weitere Bevölke- Dies spiegelt sich bis heute in ei- rungskonzentration einher. ner intensiven agrarwirtschaftlichen Inmitten ausgedehnter fruchtba- Nutzung der Region, die wohl auch im rer Ackerböden gelegen, die sich groß- Verlauf der jüngeren Latènezeit, wäh- teils auch innerhalb der befestigten rend der zweiten Hälfte des Œ. Jahr- Siedlungs’äche –nden, bildete die hunderts v. Chr., zu einer erheblichen Landwirtschaft die ökonomische Basis Siedlungsverdichtung mit beigetragen des Oppidums Heidengraben. ©

Landwirtschaft und Handwerk mit dem im Westen gelegenen Albvor- Über das weitere Warenspektrum, das land und dem Neckartal. am Heidengraben und in seinem Um- Seine eigentliche Bedeutung o‚en- land hergestellt wurde, kann bislang bart der Heidengraben aber erst im zu großen Teilen nur spekuliert wer- Zusammenhang mit dem Fernhan- den. Zahlreiche antike Autoren ge- del. Über den Flusslauf des Neckars ben uns jedoch Hinweise darauf, was und den Rhein erschloss sich ein Ge- einstmals in den keltischen Oppida biet, das weit über Südwestdeutsch- und Siedlungen nördlich der Alpen land hinausreichte. Zeugnis enger Ver- hergestellt und verhandelt wurde. Für bindungen bis in den Mittelmeerraum den südwestdeutschen Raum und den legen dabei zahlreiche Fragmente itali- Heidengraben im Speziellen kann im scher Amphoren ab. landwirtschaftlichen Sektor neben ei- Obwohl bislang nur ein verschwin- ner umfangreichen Produktion von dend geringer Teil des Oppidums sys- Getreide unter anderem die Herstel- tematisch ausgegraben und unter- lung von Pökel’eisch, Milchproduk- sucht wurde, weist der Heidengraben ten, Wolle und Textilien angenommen bereits heute das mit Abstand größte werden. Darüber hinaus zeichnet sich Aufkommen an Amphoren unter allen im handwerklichen Bereich eine lo- Fundplätzen Süddeutschlands auf. kale Produktion von Glas armringen Hinzu kommen weitere medi- und Glasperlen ab. So weist der Hei- terrane Importe wie Metallgefä- dengraben mit knapp „†† Fundstü- ße, die anhand von Fragmenten klei- cken das mit Abstand umfangreichs- ner Bronzekannen am Heidengraben te Inventar an keltischen Glasobjekten nachgewiesen sind. Sie unterstreichen in ganz Württemberg auf (Abb. „Œ). die weitreichenden Kontakte des Hei- Ebenso ist die Herstellung von Bron- dengrabens, der im Zentrum Südwest- zegegenständen und eine Wieder- deutschlands gelegen wohl als Dreh- bzw. Weiterverarbeitung von Eisen und Angelpunkt zwischen den beiden nachweisbar. großen Flusssystemen Mitteleuropas, dem Rhein und der Donau, fungierte. Handel und Verkehr – Mit der Kontrolle dieser Handels- Mediterrane Luxusgüter und und Verkehrsverbindungen ging wohl lokale Produkte auch die Einnahme von Zöllen einher. An die lokale und regionale Produk- Diese lag, wie antike Autoren berich- tion von Gütern knüpft sich unmit- ten, während der spätkelti schen Zeit telbar deren Vertrieb und Transport. in den Händen einer sozialen Ober- Diesbezüglich muss der Heidengra- bzw. Adelsschicht. ben als zentraler Handels-, Markt- und Warenumschlagplatz gewertet Siedlungs- und werden. Gleich einem Brückenkopf Gesellschaftsstruktur verbindet das Oppidum am Rand der Diese Oberschicht, die sich unter an- Schwäbischen Alb die nach Osten und derem anhand von Reitzubehör und Südosten anschließende Hoch’äche kunstvoll gefertigten Wagenbestand- Der Heidengraben – Ein Großdenkmal auf der Schwäbischen Alb

teilen zu erkennen gibt, war sehr Dabei deutet vor allem die Datierung wahrscheinlich auch für die Errichtung der aus Italien importierten Ampho- der weitläu–gen Befestigungsanlagen ren auf ein Ende des Oppidums um des Heidengrabens verantwortlich. † v. Chr., noch vor der Eroberung Gal- Vor allem die mit Kalkstein verkleide- liens durch Cäsar, hin. ten Pfostenschlitzmauern sowie die Heute ist der Heidengraben Be- großen Zangentore, die noch heute standteil des Biosphärengebiets als grasbewachsene Wälle im Gelände Schwäbische Alb und bildet ein wichti- erkennbar sind, dürften dabei auf die ges Element der lokalen und regiona- Menschen vor Œ††† Jahren mehr als len Kulturlandschaft. Er ist Spiegelbild beeindruckend gewirkt haben. einer Jahrtausende alten Besiedlungs- Obwohl über die Bebauung des geschichte, die bis heute andauert Oppidums aufgrund von archäologi- und deren Erbe es auch für zukünfti- schen Ausgrabungen bislang außer- ge Generationen zu bewahren und zu ordentlich wenig bekannt ist, zeichnet schützen gilt. sich dennoch eine Zweiteilung der Be- siedlung des Innenraums ab. So kris- Literatur tallisiert sich mit der sogenannten D. Ade/M. Fernandez-Götz/L. Radema- „Els achstadt“ sehr wahrscheinlich ein cher/G. Stegmaier/A. Willmy, Der Hei- dichter besiedeltes Zentrum heraus, dengraben – Ein keltisches Oppidum während der weitere Innenraum der auf der Schwäbischen Alb. Führer arch. Siedlungsanlage in einem ländlichen, Denkmälern Baden-Württemberg Œš von Agrarwirtschaft geprägten Milieu (Stuttgart Œ†„Œ). verbleibt, dessen Bild wohl von einzel- I. Balzer, Das Tor G des Oppidums Hei- nen Gehöften und Herrenhöfen domi- dengraben bei Grabenstetten. Die niert wurde. Möglicherweise residierte Grabungen „ š¯ und „ °„. Fundber. dort der ortsansässige, landbesit- Baden-Württemberg ŒŒ/„, „ °, Œ ‡– zende Adel, der von seinen Refugien ”š¯. aus die Geschicke der spätkeltischen K. Bittel, Die Kelten in Württemberg. Röm.- Großsiedlung lenkte und leitete. Germ. Forsch. ° (Berlin/Leipzig „ ”³). F. Fischer, Der Heidengraben bei Graben- Der Heidengraben – Landschafts- stetten. Ein keltisches Oppidum auf und Kulturdenkmal der Schwäbischen Alb. Führer arch. Nach derzeitigem Stand der Erkennt- Denkmälern Baden-Württemberg Œ nis ist die Befestigung des Heidengra- (Stuttgart „ š„). bens einphasig. Dies bedeutet, dass F. Fischer/D. Müller/H. Schäfer, Neue Be- die als Pfostenschlitzmauern errich- obachtungen am Heidengraben bei teten Wehranlagen nach ihrem Zerfall Grabenstetten, Kr. Reutlingen. Fundber. nicht wieder aufgebaut und erneuert Baden-Württemberg ¯, „ °”, ”””–”³ . wurden. Auch die am Heidengraben F. Hertlein, Die gallische Stadt südlich geborgenen Funde zeigen ein nur kur- vom Neu‚en. Bl. Schwäb. Albver. „š, zes Bestehen der Großsiedlung an. „ †‡, ”š„–” †. ©¨

F. Hertlein, Die Ergebnisse der Albver- siedlungsgefüge des spätkeltischen einsgrabung. Bl. Schwäb. Albver. „°, Oppidums Heidengraben und seines „ †¯, ”‡”–”¯Œ. weiteren Umlands. In: R. Karl/J. Lesko- F. Hertlein, Von der gallischen Stadt auf var (Hrsg.), Interpretierte Eisenzeiten. Markung Grabenstetten. Bl. Schwäb. Fallstudien, Methoden, Theorie. Ta- Albver. Œ„, „ † , ŒŒ”–Œ”†. gungsbericht der ”. Linzer Gespräche Th. Knopf, Der „Heidengraben“ bei Gra- zur interpretativen Eisenzeitarchäolo- benstetten. Archäologische Untersu- gie. Stud. Kulturgesch. Oberösterreich chungen zur Besiedlungsgeschichte. ŒŒ (Linz Œ†† ) Œ‡”–Œ¯³. Universitätsforsch. Prähist. Arch. „³„ G. Stegmaier, „Die Stadt im Kornfeld“. Un- (Bonn Œ††¯). tersuchungen zur Wirtschafts- und Be- E. Nägele, Albvereinsforschungen am Hei- siedlungsstruktur des Oppidums Hei- dengraben südöstlich vom Hohenneuf- dengraben. In: S. Hornung (Hrsg.), fen. Bl. Schwäb. Albver. „°, „ †¯, ”‡Œ– Produktion – Distribution – Ökonomie. ”‡”. Siedlungs- und Wirtschaftsmuster der H. Reim, Ein Wallschnitt durch den Hei- Latènezeit. Akten des internationalen dengraben bei Hülben, Kr. Reutlingen. Kolloquiums in Otzenhausen, Œ°.–”†. Fundber. Baden-Württemberg ”, „ šš, Oktober Œ†„„. Universitätsforsch. Prä- ŒŒ”–Œ”†. hist. Arch. Œ‡° (Bonn Œ†„³) Œš„–Œ Œ. P. Reinecke, Spätkeltische Oppida im J. v. Steiner, Der Heidengraben. Fundber. rechtsrheinischen Bayern. Bayer. Vorge- Schwaben „, „° ”, Œš–”³. schichtsfreund , „ ”†, Œ –‡Œ. S. Rieckho‚/St. Fichtl, Keltenstädte aus Abbildungsnachweis der Luft (Stuttgart Œ†„„). Abb. „: O. Braasch, Landshut. – Abb. Œ: nach H. Schäfer, Die neu entdeckte Heidengra- F. Fischer, Der Heidengraben bei Graben- benlinie am Südrand des Dorfes Gra- stetten. Führer zu vor- u. frühgeschichtlichen benstetten. Bl. Schwäb. Albver. °„, Denkmälern in Württemberg und Hohen- „ š‡, „”š–„” . zollern, Heft Œ (Stuttgart „ š„) Œš Abb. Œ. H. Schreiber, Taschenbuch für Geschich- – Abb. ”: nach Bl. Schwäb. Albver. „š, „ †‡, te und Alterthum in Süddeutschland ” ”š” f. – Abb. ³–‡: nach F. Fischer, Der Hei- (Freiburg „°³„) Œ„°–ŒŒš. dengraben bei Grabenstetten. Führer vor- u. G. Stegmaier, Bemerkungen zu Lage und frühgesch. Denkmälern Württemberg u. Ho- Bedeutung des spätkeltischen Oppi- henzollern Œ (Stuttgart „ š„) ¯³ Abb. Œ† li. + dums Heidengraben. Naturraum, To- re. – Abb. ¯: Luftbild Lš‡ŒŒ-†„ -†‡; Aufnah- pographie und Ökonomie. In: Kelten me: R. Gensheimer, Œ„.†”.„ °”. – Abb. š; „„: am Rhein. Akten des „”. Internationa- G. Stegmaier, Tübingen. – Abb. °– ; „Œ: Chr. len Keltologiekongresses, Œ”. bis Œš. Schwarzer, Landesamt für Denkmalp’ege Juli Œ††š in Bonn. Beih. Bonner Jahrb. Baden-Württemberg – Abb. „†: Landesamt ‡°/„ (Bonn Œ†† ) „¯„–„š†. für Denkmalp’ege Baden-Württemberg. G. Stegmaier, Stadt – Land – Fluss: Über- legungen zum Wirtschafts- und Be-