Sonderbericht Regierungsbildung in Indonesien
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Indonesien Regierungsbildung in Indonesien - wie Gewinner der Wahl zu Verlierern werden POLITISCHER SONDERBERICHT Ergebnisse der Parlamentswahlen Das indonesische Abgeordnetenhaus ( Dewan Perwakilan Rakyat, DPR ) wurde am 9. April 2009 neu gewählt mit folgenden Ergebnissen: • Die Demokratische Partei ( PD ) um den Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono (SBY) konnte im Vergleich zur Wahl 2004 ihre Stimmenanzahl verdreifachen und ist damit stärkste Kraft im Parlament (20,85%). • Die ehemals staatstragende Partei Golkar (Partei der funktionellen Gruppen) musste erhebliche Verluste hinnehmen und ist nur noch zweitstärkste Partei in Indonesien (14,45%). • Einen Rückgang der Wählerstimmen erlitt auch die PDI-P (Partei des demokratischen Kampfes), die nur 14,03% der Stimmen auf sich vereinigen konnte. • Die islamischen Parteien PKS (Partei der Sozialen Wohlfahrt), PAN (Partei des Nationalen Mandats), PPP (Nationalen Entwicklungspartei) sowie PKB (Partei des Nationalen Aufbruchs), erhielten nur rund 25% der Stimmen, wobei die PKS mit 7,88% stärkste Partei des islamischen Flügels ist. Das Wahlergebnis zeigt eindeutig eine Zunahme bei Parteien mit nationaler Ausrichtung, während die Entwicklung der Parteien mit islamischem Hintergrund eher negativ ist. Sie konnten im Vergleich zur letzten Parlamentswahl, bei der sie ca. 38% der Stimmen erhielten, nur noch ein Viertel der Wähler ansprechen. Koalitionsverhandlungen vor der Präsidentschaftswahl Trotz dieses eindeutigen Mandats für den nationalen Block, wurde im Vorfeld der Präsidentschaftswahl deutlich, dass die großen Parteien miteinander nicht koalitionsfähig sind. Aufgrund persönlicher Differenzen kam es zwischen dem Präsidenten SBY und seinem Stellvertreter Jusuf Kalla zu einem Bruch. Auf einem Parteitag von Golkar am 23. April 2009 wurde beschlossen, dass eine Koalition mit der Demokratischen Partei nicht weitergeführt werden solle und Jusuf Kalla selbst als Präsidentschaftskandidat antritt. Ebenso scheiterten Koalitionsgespräche mit der PDI-P , die mit Megawati Sukarnoputri, der Tochter des indonesischen Staatsgründers Soekarno, einen erneuten Anlauf zur Präsidentschaftswahl nahm. Aus diesem Grund war der Amtsinhaber Susilo Bambang Yudhoyono (SBY) gezwungen, neue Koalitionspartner zu finden. Er begann Koalitionsverhandlungen mit Parteien des islamischen Lagers, wie PKS, PAN, PPP und PKB , die zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Entgegen 1 ihrer Hoffnungen den Vizepräsidenten zu stellen, entschied sich SBY für den parteilosen Boediono, dem damaligen Präsidenten der Zentralbank Indonesiens. Bei den Präsidentschaftswahlen am 8. Juli 2009 setzte sich SBY klar gegen seine Konkurrenten, Jusuf Kalla von Golkar und Megawati Sukarno Putri von der PDI-P durch. Er und sein Vizekandidat wurden am 23. Juli 2009 von der Wahlkommission ( KPU ) amtlich zum Sieger der Wahl ernannt. Er erhielt zusammen mit Boediono 60.80% der Stimmen, während auf das Kandidatenpaar Megawati Sukarnoputri und Prabowo Subianto nur 26.79%, und das Team Jusuf Kalla und Wiranto nur 12.41% entfielen. Sein Erfolg wird auch auf regionaler Ebene deutlich: Das Kandidatenpaar SBY und Boediono erhielten Mehrheiten in 31 der 35 Distrikte und Städte der Provinz Zentral Java. Sie sicherten sich 74% der Stimmen in Papua und über 90% der Stimmen in der ehemaligen Unruheregion Aceh. Weitere Koalitionsverhandlungen Der Wahlsieg des Präsidenten führte zu innerparteilichen Diskussionen bei den Verlierern der Wahlen, der Partei Golkar und der PDI-P -Partei. Bei beiden Parteien stand die Frage im Vordergrund, ob es besser wäre in die Opposition zu gehen oder sich an der Regierung zu beteiligen. Diese Problematik wurde deutlich für die Partei Golkar nach dem Rücktritt des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten und Parteivorsitzenden Jusuf Kalla. Es kam zu einer internen Zersplitterung in verschiedene Fraktionen mit folgenden Vertretern: Yuddy Chrisnandi, ein Mitglied des jungen Parteiflügels, der die Partei in der Opposition reformieren will, der Geschäftsmagnat Aburizal Bakrie, der die Partei in die Koalition führen will, und Surya Paloh, der als Besitzer eines führenden Nachrichtensenders eine vermittelnde Haltung einnahm. Ein weiterer Kandidat war auch Tommy Suharto, der Sohn des ehemaligen Präsidenten Soeharto. Aburizal Bakrie gewann auf einem Sonderparteitag von Golkar am 8. Oktober 2009 die Stichwahl knapp vor seinem Rivalen Surya Paloh. Eine Rolle spielte dabei auch die versprochene, großzügige finanzielle Unterstützung für die Partei, die angeblich 500 Milliarden Rupiah (=50 Millionen USD) umfassen soll. Mit dem neu gewählten Parteivorsitzenden entschied sich Golkar der neuen Regierung von Susilo Bambang Yudhoyono als Koalitionspartner beizutreten. Interne Rivalitäten gab es auch in der Partei PDI-P . So ist Taufik Kiemas, der Ehrenvorsitzende der PDI-P und Ehemann der Parteivorsitzenden Megawati Sukarnoputri, eher dazu geneigt, seine Partei in eine Koalition mit der Präsidentschaftspartei zu führen. Dies wird jedoch von seiner Ehefrau strikt abgelehnt. Aufgrund geschickter Lobbyarbeit verstand es die Führungsspitze der Demokratischen Partei den Parteiflügel um Taufik Kiemas an sich zu binden. Mit Hilfe der Abgeordneten der Demokratischen Partei wurde er schließlich am 3. Oktober 2009 als Sprecher des indonesischen Volkskongresses ( MPR ) gewählt. Dieser taktische Schachzug die PDI-P in die große Koalition zu integrieren, führte jedoch nicht zum gewünschten Erfolg. Die Parteivorsitzende bestand weiterhin auf einer Oppositionsrolle der PDI-P und Susilo Bambang Yudhoyono wartete vergeblich auf eine Vorschlagsliste für mögliche Ministerkandidaten dieser Partei. Trotz dieses Rückschlags kann die Wahl von Taufik Kiemas als ein weiterer Schritt gewertet werden, einen größtmöglichen Konsens zwischen allen Parteien bei der Regierungsbildung herbeizuführen. Kiemas selbst bezeichnet die PDI-P als einen „strategischen Partner der Regierung“ und nicht als Opposition, da dies in einem Präsidialsystem nicht möglich sei. Die schon vor der Präsidentschaftswahl vereinbarte Koalition mit den islamisch orientierten Gruppierungen hielt trotz kritischer Bemerkungen der jeweiligen Parteivorsitzenden stand und der Präsident versprach, mögliche Irritationen bei den Partnern durch zusätzliche Ministerposten zu kompensieren. 2 Mehrheitsverhältnisse im neuen Parlament Die langwierigen Koalitionsverhandlungen mit führenden Parteien im Parlament zeigen jetzt ihre Auswirkungen. Die Regierungspartei erreicht mit der nun erweiterten Koalition von islamischen Parteien und Golkar eine Mehrheit von über 70% der Sitze. Bei einer Gesamtanzahl von 560 zu vergebenden Sitzen sind 255 Abgeordnete von der Demokratischen Partei und Golkar . Dazu kommen noch 168 Abgeordnete der islamisch orientierten Parteien. Die Anzahl der Sitze für die Opposition ist dagegen nur sehr gering. Die Parteien PDI-P , Gerindra (Partei der Nationalen Bewegung) und Hanura (Partei des Nationalen Bewusstseins) verfügen zusammen nur über 137 Parlamentarier. Sitzverteilung im ind. Parlament 148 DP Golkar 107 PDI-P 94 PKS 57 PAN 46 37 PPP 28 26 17 PKB Gerindra Hanura Trotz dieser ungleichen Mehrheitsverhältnisse von Regierung und Opposition scheint das neue Parlament qualitativ besser für die zukünftigen Aufgaben gerüstet zu sein. Nach einer statistischen Auswertung sind immerhin 64% der Abgeordneten jünger als 50 Jahre, und 91% haben einen Universitätsabschluss, wobei ein großer Anteil der Parlamentarier im privaten Sektor arbeitet. Eine weitere, erfreuliche Tatsache ist, dass der Anteil der Parlamentarierinnen deutlich gestiegen ist. Im neuen Parlament sind immerhin 18% Frauen vertreten, eine Steigerung um 7% im Vergleich zum Frauenanteil der vergangenen Legislaturperiode. Aufgrund des bei den Parlamentswahlen eingeführten Mehrheitswahlrechtes, bei dem ein Abgeordneter direkt von der Bevölkerung eines Wahldistriktes gewählt wird, setzt sich das Parlament überwiegend aus Neuankömmlingen zusammen. Nur ca. 30% der Abgeordneten aus der vorangegangenen Legislaturperiode wurden wieder gewählt. Diese Entwicklung wird von vielen politischen Beobachtern nicht zuletzt aufgrund der unzureichenden Leistungen in der vergangenen Legislaturperiode als positiv bewertet. Die Befürchtung, dass nur Filmstars und Prominente in das Abgeordnetenhaus einziehen, hat sich nicht bewahrheitet. Ihr Anteil beträgt nur unter 5%. Das neue Kabinett des Präsidenten Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen spiegeln sich auch in der Kabinettsbildung des Präsidenten wider. Die Minister wurden nur zwei Tage nach der Amtseinführung des Präsidenten und seines Stellvertreters am 22. Oktober 2009 öffentlich vereidigt. Die Vorschläge für die Kabinettsbildung wurden durch eine Kommission unter Hatta Rajasa, dem damaligen Leiter des Präsidentschaftsamtes, erstellt. Insgesamt waren 34 Ministerposten und drei Positionen, die einer ministerialen Tätigkeit entsprechen, zu vergeben. Die Zusammensetzung der Minister sollte aufgrund einer Mischung aus politischen Notwendigkeiten, dem Wunsch nach beruflicher Expertise und regionalen Überlegungen erfolgen, bei dem auch die verschiedenen ethnischen Gruppen Indonesien zu berücksichtigen waren. 3 Der tatsächliche parteipolitische Hintergrund der gewählten Minister ist aus der untenstehenden Graphik ersichtlich. Danach erhielt die Demokratische Partei sechs Ministerien, die PKS vier Ministerien, PAN drei Ministerien, PPP zwei Ministerien, und die PKB zwei Ministerien. Da die Partei Golkar als zweitstärkste Gruppierung im Parlament erst nach der Präsidentschaftswahl mit SBY koalierte, wurden ihr