Detroit Techno Und Die Frage Nach Der Hautfarbe
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien Abteilung für Kultur Freie Universität Berlin Detroit Techno und die Frage nach der Hautfarbe Magisterarbeit Erstgutachter: Prof. Dr. Winfried Fluck Zweitgutachter: Prof. Dr. Rolf Lindner (Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt Universität Berlin) Verfasser: Daniel Schneider 05. Februar 2009 1 Inhalt 1. Einleitung S. 3 2. Einführung in Techno S. 5 2.1 Was ist Techno? S. 5 2.2 Wie funktioniert Techno? S. 8 2.3 Struktur der Technoszene und eigene Position S. 9 3. Einführung in die Geschichte Detroits S. 15 3.1 Die Geschichte der Stadt S. 16 3.2 Die Stadt als Inspiration und Kulisse S. 18 4. Die Vorgeschichte von Detroit Techno S. 21 5. Die Technoszene von Detroit S. 24 5.1 Die erste Generation S. 24 5.2 Die zweite Generation S. 27 5.3 Detroit House s. 34 6. Detroit Techno und „schwarze“ Musik S. 36 6.1 „Schwarze“ und „weiße“ Musik S. 36 6.2 Rockmusik vs. Tanzmusik S. 40 6.3 Ein Beispiel: Simon Reynolds vs. Jeff Mills S. 43 6.4 Stuart Cosgrove – der radikale Bruch mit der Vergangenheit S. 48 6.5 Wie „weiß“ sind eigentlich Kraftwerk? S. 52 6.6 Post-Soul S. 57 6.7 Kodwo Eshun – Düsseldorf als Mississippidelta S. 59 6.8 Afrofuturismus und Posthumanismus S. 61 6.9 Underground Resistance und die ethnischen Identitäten S. 69 7. Die Bedeutung von Detroit Techno in der europäischen Technoszene S. 76 7.1 Die Relevanz des afroamerikanischen Hintergrundes S. 77 7.2 Distinktionsmerkmal Detroit Techno S. 80 7.3 Detroit Techno und die „linken Kreise“ S. 85 8. Techno in den USA – Detroit Techno und der afroamerikanische Mainstream S. 90 8.1 Techno ist „weiß“ S. 91 8.2 Detroit Techno ist nicht schwarz genug S. 95 8.3 Innovation vs. Tradition S. 96 8.4 Das Problem mit dem Essentialismus S. 99 9. Schluss S. 106 Glossar S. 108/Literatur S. 112 2 1. Einleitung In der vorliegenden Arbeit über Detroit Techno soll es vor allem um die Frage gehen, welche Rolle der afroamerikanische Hintergrund der aus Detroit stammenden Technoproduzenten in Bezug auf ihre Musik spielt. Die Hautfarbe oder die ethnischen Wurzeln von Musikern sind oft wichtige Aspekte in der Wahrnehmung der Künstler und ihrer Musik. In der westlichen Popmusik ist vor allem die Kategorie „schwarz“ relevant, z.B. in Form des Begriffes „black music“. „Weiß“ z.B. im Sinne von „weißer Musik“ ist dagegen weniger gebräuchlich, zumindest nicht aus einer „weißen“, europäischen Perspektive. Aber es gibt Stile, die im Allgemeinen als „schwarz“ oder eben auch „weiß“ kodiert sind. Hip Hop aus den USA ist bis heute bis auf wenige Ausnahmen „schwarz“ geblieben und wird als „schwarze“ Musik wahrgenommen. Rock ist auf ähnliche Weise „weiß“, obwohl diese Musik afroamerikanische Wurzeln hat. Diese Kategorien sind dabei immer mit einer Reihe an Zuschreibungen verbunden und „schwarze“ und „weiße“ Musik werden teilweise als Gegensätze begriffen. Techno stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar, auch wenn die Hautfarbe hier aufgrund der geringeren Sichtbarkeit der Künstler eher in den Hintergrund treten kann (oder könnte). Techno (im allgemeinsten Sinne) ist vor allem „weiß“ kodiert, hat aber auch „schwarze“ Wurzeln. Eine dieser Wurzeln ist Detroit Techno, eine in den 1980er Jahren von afroamerikanischen Jugendlichen in Detroit entwickelte Art von elektronischer Musik. Ich möchte nun anhand dieser Magisterarbeit zeigen, inwiefern diese afroamerikanische Herkunft, aber auch der für Detroit Techno wichtige Einfluss „weißer“ Musik, die Art und Weise beeinflusst, wie diese Musik wahrgenommen wird. Dabei spielen unter anderem immer wieder stereotype Zuschreibungen an „schwarze“ und „weiße“ Musik von Seiten des Publikums eine wichtige Rolle. Aber es geht auch um die Strategien der Produzenten aus Detroit selbst, vor allem in Bezug auf die eigene (afroamerikanische) Identität und deren Repräsentation in der Musik. Am Beispiel Detroit Techno kann beispielsweise gezeigt werden, dass viele Zuschreibungen bezüglich „schwarzer“ und „weißer“ Musik nicht funktionieren und von den Musikern hinterfragt und dekonstruiert werden aber oftmals dennoch die Wahrnehmung beeinflussen. Hier bietet sich vor allem die Perspektive der „weißen“ europäischen Technoszene an, in der Detroit Techno eine Sonderstellung einnimmt – nicht ausschließlich, aber auch aufgrund der afroamerikanischen Herkunft dieser Musik. Im Gegensatz zu Europa spielt Techno in der popmusikalischen Landschaft der USA eine deutlich geringere Rolle. Hier möchte ich vor allem der Frage nachgehen, aus welchen 3 Gründen diese Musik meist auf Ignoranz und Ablehnung stößt und warum dies gerade auch im afroamerikanischen Mainstream der Fall ist. Die „schwarze“ Musik, auf die ich mich hier beziehe, ist meist die Musik der in Europa und Amerika (in der „Diaspora“1) lebenden Schwarzen, weniger die „ursprüngliche“ oder traditionelle Musik aus Afrika. Von zentraler Bedeutung sind hier die afroamerikanischen Stile (von Blues bis Hip Hop), aber auch aus der Karibik oder Großbritannien stammende Musikarten wie z.B. Reggae. Diese Stile bilden eine wichtige Grundlage für die heutige Popmusik und haben so gut wie alle modernen Spielarten der populären Musik beeinflusst bzw. sind wie Hip Hop selbst populäre Musikarten. Der Begriff „black music“ (oder eben „schwarze Musik“) ist dabei sehr problematisch, da hier nicht grundsätzlich Musik von Menschen mit afrikanischen Wurzel gemeint ist, sondern eben die in der Diaspora entstandenen Stile, die eher hybride sind und außerdem nicht nur von Afroamerikanern, etc. gemacht werden – auch Madonna macht in diesem Sinne „schwarze“ Musik. „Schwarz“ meint hier entsprechend eher ein Bündel an Zuschreibungen und Klischees und ist ein ungenauer und problematischer Begriff. Deshalb schreibe ich in Bezug auf die Musik „schwarz“ und entsprechend auch „weiß“ in Anführungszeichen, um auf diesen Charakter der Begriffe hinzuweisen - sie stehen hier auch für nicht eindeutig definierbare aber trotzdem weit verbreitete Konzepte davon, was typisch für z.B. Afroamerikaner auf der einen Seite und Europäer auf der anderen Seite angesehen wird. Die Arbeit besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil (Kapitel 2 bis 5) dient der Einführung, dort geht es u.a. um Techno im Allgemeinen, um die Geschichte Detroits und die Geschichte von Detroit Techno. Außerdem stelle ich dort die wichtigsten Künstler der Technoszene Detroits vor. Im zweiten Teil (Kapitel 6 bis 8), dem Hauptteil dieser Arbeit, geht es um die oben angesprochenen Themen. Zuerst behandele ich die Frage nach der Rolle von Zuschreibungen wie „schwarz“ und „weiß“ in Bezug auf Detroit Techno sowie die Strategien, wie mit solchen Zuschreibungen im Detroit Techno selbst umgegangen wird. Danach gehe ich der Frage nach, welche Rolle die afroamerikanische Herkunft der meisten Technoproduzenten aus Detroit in der Rezeption dieser Musik in Europa spielt. Zuletzt suche ich nach Erklärungen für die geringe Akzeptanz von Detroit Techno in den USA und speziell im afroamerikanischen Mainstream. Im Anhang findet sich außerdem neben der Literaturliste ein Glossar. Dort finden sich eine Reihe kurzer Begriffserklärungen, u.a. von Musikstilen, die im Rahmen dieser Arbeit eine Rolle spielen. 1 s. dazu Gilroy, Paul: The Black Atlantic (UK: Verso, 1993). 4 2. Einführung in Techno Bevor ich zu meinem Hauptteil komme, halte ich es für nötig, zuerst ein paar einführende Erläuterungen in relevante Aspekte der Arbeit anzubieten. In diesem ersten Teil geht es um Techno und die Technoszene im Allgemeinen. Dies ist notwendig, um zum einen grob zu erklären, was Techno ist und wie sich diese Musik von anderen Popmusiken unterscheidet. Zum anderen die Struktur der Technoszene relevant, da ich aufzeigen möchte, für welche Teile der Technoszene Detroit Techno überhaupt von Bedeutung ist. Zuletzt gehe ich kurz auf meinen Standpunkt und Blickwinkel ein, den ich bin selbst in die Technoszene involviert und kein grundsätzlich neutraler Außenstehender. 2.1 Was ist Techno? Der Begriff „Techno“ als Name eines Genres elektronischer Musik geht nach allgemeiner Geschichtsschreibung auf Juan Atkins, einem der Pioniere des Detroit Techno, zurück2. Sein Track „Techno Music“ wurde 1988 zusammen mit anderen Tracks früher Detroit Techno-Produzenten auf einer Compilation der britischen Plattenfirma Virgin veröffentlicht. Da zur damaligen Zeit auch House aus Chicago erste Erfolge in Europa feierte, sollte diese Compilation ursprünglich The House Sound of Detroit heißen, durch den Titel von Atkins’ Track entschied man sich dann aber für den Titel Techno! The New Dance Sound of Detroit (Virgin, UK, 1988). Atkins hatte schon 1984 unter dem Namen Cybotron (mit Rick Davis) eine Maxi mit dem Track „Techno City“ (Fantasy, USA, 1984) veröffentlicht, zu einem Begriff für ein musikalisches Genre wurde Techno aber erst durch diese Compilation. Die Genrebezeichnung wurde also erst über den Umweg über Europa geprägt, in Detroit selbst hatte die Musik noch keinen eigenen Namen und wurde als Variante von Chicago House verstanden3. Chicago House entstand wie Detroit Techno in den 1980er Jahren. Während allerdings Detroit Techno von einer großen Bandbreite an Stilen beeinflusst war – z.B. von Jazz, Funk, Soul, europäischem Pop und moderner elektronischer Musik – war die Grundlage von Chicago House vor allem Disco. Chicago House war außerdem stärker als Detroit Techno euphorische und funktionale Tanzmusik. Detroit Techno zeichnet sich dagegen bis heute oftmals durch eine melancholische Stimmung und eine gewisse Ernsthaftigkeit aus. Auch hatten viele Produzenten einen hohen künstlerischen und konzeptionellen Anspruch an 2