Ökologischer Ausgleich Und Brutvögel – Das Beispiel Grosses Moos 1997–2009
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Der Ornithologische Beobachter / Band 110 / Heft 4 / Dezember 2013 475 Ökologischer Ausgleich und Brutvögel – das Beispiel Grosses Moos 1997–2009 Simon Birrer, Paul Mosimann-Kampe, Maria Nuber, Stephan Strebel und Niklaus Zbinden BIRRER, S., P. MOSIMANN-KAMPE, M. NUBER, S. STREBEL & N. ZBINDEN (2013): Ecological compensation and breeding birds – example of Grosses Moos (Grand Marais) 1997–2009. Ornithol. Beob. 110: 475–494. From 1997 to 2009 we mapped the rare breeding birds of farmland in the study area «Grosses Moos» (93.77 km2) each year. A total of 24 species was recorded. The populations of six species declined significantly and nine species increased. Ground-nesting birds were most strikingly represented among the declining species while among those nesting in bushes and trees many showed an increase. Regarding migratory behaviour, degree of endangerment and se- lection of focal and surrogate species for environmental objectives, there was no difference between species with increasing or decreasing populations. Apart from the development in the entire area we were also interested in population trends in seven discrete landscape untis (study sites). While the decreasing spe- cies predominated at some study sites, positive trends prevailed in others. These differences correspond with the quantity and quality of the ecological compen- sation areas at the study sites. This example of Grosses Moos thus shows that with sufficient high-quality ecological compensation areas it is possible to pro- mote rare breeding birds. Simon Birrer, Maria Nuber und Niklaus Zbinden, Schweizerische Vogelwarte, CH–6204 Sempach, E-Mail [email protected], [email protected], niklaus. [email protected]; Paul Mosimann-Kampe und Stephan Strebel, Mosimann & Strebel, Büro für Landschaftspflege und Faunistik, Postfach 132, CH–3232 Ins, E-Mail [email protected] In den letzten Jahrzehnten ist in Europa und in und zur Förderung der Artenvielfalt im Kul- der Schweiz ein fortlaufender Verlust an Bio- turland eingeleitet. Seit der Revision des Bun- diversität zu beobachten (Keller & Zbinden desgesetzes über den Natur- und Heimatschutz 2001, Newton 2004, Hole et al. 2005, Lachat im Jahr 1987 sind die Kantone verpflichtet, «in et al. 2010). Besonders gross ist der Rückgang intensiv genutzten Gebieten inner- und aus- im Kulturland. So sind 45 % der Kulturland- serhalb von Siedlungen für ökologischen Aus- Brutvogelarten gefährdet und der Verlust hält gleich zu sorgen». 1999 wurde im Landwirt- weiterhin an (Keller et al. 2010, 2011, Birrer et schaftsgesetz mit dem ökologischen Leistungs- al. 2011). Die Ursachen für diesen Rückgang in nachweis (ÖLN) ein international beachtetes der Schweiz und im übrigen Mitteleuropa sind Instrument zur Förderung einer nachhaltigen in der Intensivierung der Landwirtschaft zu su- Landwirtschaft eingeführt. Dieses verpflichtet chen (Newton 2004, Burfield & van Bommel die Landwirte unter anderem, 7 % der land- 2004, Hole et al. 2005). wirtschaftlichen Nutzfläche als ökologische Behörden und Organisationen haben bereits Ausgleichsfläche (öAF) auszuweisen und so seit Längerem Gegenmassnahmen zum Schutz einen Beitrag zur Erhaltung und Förderung GrMoos13_fi.indd 475 15.11.13 13:10 476 S. BIRRER et al., Ökologischer Ausgleich und Brutvögel Ornithol. Beob. der biologischen Vielfalt zu leisten. 2001 wur- 1. Untersuchungsgebiet und Methode de der ÖLN mit der Öko-Qualitätsverordnung 1.1. Untersuchungsgebiet Grosses Moos (ÖQV) ergänzt. Dieses Instrument verfolgt das Ziel, durch freiwillige Massnahmen die Das Grosse Moos (46°49’ N, 7°07’ E, 430 m Qualität und Vernetzung von öAF zu verbes- ü.M., Kantone Bern und Freiburg) war bis zur sern. Obwohl sich viele Landwirte engagiert 1. Juragewässerkorrektion (1868 bis 1891) ein an diesen Projekten beteiligten, ergab eine unwegsames Sumpfgebiet. 1962 begannen die Evaluation der agrarpolitischen Massnahmen Arbeiten für die 2. Juragewässerkorrektion. in den Jahren 1999–2003, dass sich diese bis Sie dauerten bis 1973. Durch die Gewässerre- dahin nur «moderat positiv» auf die Biodiver- gulierungen zwischen dem Neuenburger-, Bie- sität ausgewirkt hatten (Herzog et al. 2005). ler- und Murtensee entstand eine etwa 100 km2 Auch im Kanton Zürich nahmen die in den grosse, fruchtbare, intensiv landwirtschaftlich Umweltzielen Landwirtschaft aufgeführten nutzbare Ebene. Grosse Teile davon wurden Arten zwischen 1988 und 2008 ab (Weggler & durch die beiden Strafanstalten Witzwil (Kan- Schwarzenbach 2011). Projekte und Program- ton Bern) und Bellechasse (Kanton Freiburg) me, die regional eine Zunahme der Biodiver- bewirtschaftet. Für die Natur blieben nur klei- sität erreichen konnten, sind selten, sowohl in ne Restflächen (rund 2 %) übrig, entsprechend der Schweiz (Birrer et al. 2007b, Rudin et al. gross war der Verlust an Biodiversität (Bryner 2010, Meichtry-Stier et al. in Vorb.) als auch 1987). Siedlungen am Rande des Gebiets, In- im übrigen Europa (Kleijn & Sutherland 2003, dustrie und Verkehrsanlagen nahmen lange Kleijn et al. 2006, Whitfield 2006). Zeit für die Verhältnisse in der Schweiz eine Fallbeispiele aus der Schweiz und dem üb- nur bescheidene Fläche ein. In den letzten Jah- rigen Europa belegen jedoch, dass es durchaus ren sind aber eine Ausdehnung der Siedlungs- möglich ist, regional eine Erhöhung der Bio- fläche und der Bau von Strassen (Ausbau der diversität zu erreichen, z.B. in Form einer Zu- Hauptstrasse H10) festzustellen. Ab den Neun- nahme der Brutvögel (Lugrin 1999, Jenny et al. zigerjahren haben im Grossen Moos die Be- 2002, Flade et al. 2003, Graf et al. 2010, Rudin mühungen um das Anlegen neuer ökologischer et al. 2010, Birrer & Oppermann 2012). Auch Ausgleichsflächen zugenommen. Seit 1996 im Grossen Moos (Seeland) sind in den letzten koordiniert die Stiftung «Biotopverbund Gros- Jahren grosse Anstrengungen zur ökologischen ses Moos» die Aktivitäten zum ökologischen Aufwertung unternommen worden. Seit Lan- Ausgleich im Gebiet (www.biotopverbund.ch). gem ist dieses Gebiet dafür bekannt, dass hier Mit der 7 ha grossen «Krümmi» im Jahr 2001, besonders viele Brutvögel, Zugvögel und Win- den 6,6 ha aufgewerteten Flächen am Hauptka- tergäste angetroffen werden können (Schmid nal (2000) oder dem 17 ha grossen «Hinterem et al. 1992, Heer et al. 2008). In den Neunzi- Horn» 2010/11 gelang es mehrfach, grossflä- gerjahren baute die Schweizerische Vogelwarte chige ökologische Ausgleichsflächen im Sin- Sempach ihr Programm zur Überwachung der ne von «Naturvorranggebieten» zu schaffen. selteneren Brutvogelarten im Kulturland aus. Zahlreiche Aufwertungen entstanden als Kom- Im Rahmen dieses Programmes begann man pensation für Infrastrukturbauten, z.B. für den 1995 mit grossflächigen Bestandsaufnahmen Bau der Umfahrungsstrasse H10. Neben diesen ausgewählter Arten im Grossen Moos und in ökologischen Ausgleichsflächen im Sinne des einigen angrenzenden Flächen. Natur- und Heimatschutzgesetzes legten Land- In der vorliegenden Publikation stellen wir wirte auf ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche die Bestandsveränderungen der untersuchten in den letzten Jahren auch diverse ökologische Arten im Grossen Moos zwischen 1995 und Ausgleichsflächen im Sinne des Landwirt- 2010 dar und gehen der Frage nach, ob sich schaftsgesetzes an. der unterschiedliche Anteil ökologischer Aus- Das ornithologisch untersuchte Gebiet um- gleichsflächen in den Teilgebieten auf die dor- fasst die Ebene, welche durch den Neuen- tige Bestandsentwicklung der Brutvögel aus- burger- und Murtensee sowie den Broye- und wirkt. Hagneck-Kanal begrenzt wird. Eingeschlossen GrMoos13_fi.indd 476 15.11.13 13:10 110, 2013 S. BIRRER et al., Ökologischer Ausgleich und Brutvögel 477 Abb. 1. Teilgebiet Bellechasse, mit Blickrichtung Nordost vom Mont Vully aus aufgenommen. Links von der Bildmitte Müntschemier, dahinter Treiten. Auf der ersten Jurakette über dem linken Dorfrand die Hasenmatt, über der Dorfmitte der Weissenstein. Am rechten Bildrand die Anstalt Bellechasse. Alle Aufnahmen 18. Mai 2013, P. Mosimann-Kampe. – Study site Bellechasse. View from Mont Vully northeastwards over the plain of Grosses Moos to the first chain of the Jura mountains. On the left side the village of Müntschemier. sind Teile der hügeligen Kulturlandschaften Ebene in Richtung Fanel hat (Lüscher 2004, nördlich der Ebene und der Molassehügel Mont Schwarzwälder & Imhof 2004). Als bedeu- Vully südlich des Broyekanals. Insgesamt sind tende Naturwerte sind die drei Naturschutzge- es 93,77 km2, davon entfallen 6,94 km2 auf biete Ziegelmoos-Islerendüne, Inser Torfstich Wald und 5,36 km2 auf Siedlungen. Die Feld- (Vinelzmoos) und Inser Weiher (Glungge), fläche des Untersuchungsgebietes umfasst mehrere grössere, teilweise röhrichtbestandene demnach 81,47 km2. Für diese Auswertung Entwässerungskanäle (Islerekanal, Erlachrundi haben wir die Fläche in sieben Teilgebiete ein- und Seebodenkanal, Hauptkanal, Münzgraben) geteilt (Abb. 2, Tab. 1; die verwendeten Lokal- sowie die Staatswälder zu erwähnen. Um das namen sind unter http://map.geo.admin.ch zu Jahr 2000 sind in den Schwerpunkträumen Gi- finden): ritzimoos (nördlich Mauriweg), Heumoos und Teilgebiet H10: Das Teilgebiet umfasst Grosseteile extensive Wiesen, Kleingewässer den westlichen Bereich der ehemaligen und Kleingehölze als Ersatzmassnahmen für Schwemmebene. Die Nutzungsformen werden den Bau der H10 angelegt worden. Im Rahmen durch intensiven Gemüse- und Ackerbau be- der Sanierung des Hauptkanals wurden im Jahr stimmt. Am Rand der Ebene liegen die Sied- 2000 grössere Flächen renaturiert. Andererseits