Militärgeschichte Als Landeskundliches Thema

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Militärgeschichte Als Landeskundliches Thema 1 Militär als landesgeschichtliches Themenfeld der brandenburgischen Museumslandschaft Diskussionspapier erstellt im Auftrag des Museumsverbandes des Landes Brandenburg e. V. durch Dr. Christian Hirte, 2010/11 1. Vorwort 2. Ausgangspunkte 2.1. Die Hypothese des preußisch-deutschen Militarismus 2.2. Charakteristika des Militärischen 2.3. Neuere Forschungsansätze 2.4. Museologischer Diskurs 3. Militärgeschichte in Brandenburg 3.1. Bezugsfeld preußisches Militär und brandenburgische Landesgeschichte 3.2.Schauplätze 3.3. Epochen – Themen – Orte 4. Strukturvorschläge 4.1. Stadt- und Regionalmuseen 4.2. Synopsen 4.2.1. Empfehlungen für Museen/Gedenkstätten mit synoptischen Funktionen 4.3. Geschichtslandschaft Zweiter Weltkrieg 4.4. Netzwerke 5. Zusammenfassung 6. Literatur 2 1. Vorwort Die im Jahre 2009 durch den Museumsverband des Landes Brandenburg vorgelegte Museumsentwicklungskonzeption benennt die Repräsentation der regionalen Militärgeschichte als ein Desiderat. Allerings dürfe die Bearbeitung dieses Desiderats nicht allein „den Militäranhängern überlassen werden.“1 Die Frage, ob dazu „eine fundierte Gesamtschau“ notwendig sei oder eine dezentrale Struktur lokaler Museen dazu hinreiche, musste im Rahmen dieses kulturpolitisch ausgerichteten Konzepts unentschieden bleiben. Wie ernst es dem Museumsverband mit diesem Thema ist, belegen das Themenheft der Museumsblätter 16/2010 und das hier vorgelegte Positionspapier. Eine museale Beschäftigung mit Militärgeschichte in Brandenburg bedarf noch immer besonderer Begründung. Leicht steht sie im Verdacht einer Preußen-Apologetik oder auch nur der naiven Traditionalisierung des Militärischen. In Kern geht es um ein in mancher Hinsicht prekäres Segment der brandenburgischen Landes- bzw. der preußisch-deutschen Geschichte. Prekär insofern, als spätestens seit den traumatischen Erfahrungen von totalem Krieg und NS-Militarismus das Militärische in unserer Gesellschaft grundsuspekt erscheint. Aber gerade weil das so ist, darf dieser Teil unserer Geschichte nicht dem Vergessen anheim fallen und nicht in die falschen Hände geraten. Als gesellschaftliche Institution und soziales Segment, als politisches Instrument wie als Erfahrungsfeld sind Militär und Krieg Teil unserer Sozial- und Kulturgeschichte. Wie kaum eine andere Region Preußens war die Provinz Brandenburg durch das Militär geprägt.2 Bis in die Gegenwart hinein hatte das Militär seinen gewöhnlichen Anteil an den Biographien der Mehrzahl der männlichen und mittelbar auch der weiblichen Bevölkerung. Kriege haben sich mit ihrem Leid, mit Zerstörungen und ihren Ruhmestaten tief in das kollektive Gedächtnis gegraben. Der Krieg findet seinen Niederschlag in nahezu jedem Bestand familiärer Erinnerungen. Kaum ein Ort im Land Brandenburg, in dem nicht an zentralem Ort an Gefallene vergangener Kriege erinnert würde. Kaum eine Stadt, die nicht noch heute Spuren des Krieges selbst zeigte. Militärwesen und Krieg sind von symbolischer Gegenwart. Ihre Relikte bedürfen aber der Deutung und Einordnung, der Verhandlung und empathischen Aneignung. Dies rechtfertigt eine konzeptionell gefasste Studie zur Repräsentation der Militärgeschichte in brandenburgischen Museen, etwaigen Defiziten oder Entwicklungsperspektiven. Es ist das erste Mal, dass sich ein bundesdeutscher Museumsverband der regionalen Militärgeschichte in Form eines derartigen Gesamtüberblicks widmet.3 Dabei handelt es sich um eine Diskussionsgrundlage für die Museen und ihre Träger, die auch als Orientierungsansatz für die Landesregierung dienen kann. Sie stellt sich insofern der vorliegenden Bestandsauf- nahme zu den Memorialorten der Zeitgeschichte sekundierend an die Seite.4 1 Köstering 2009, 13 f. 2 Kortsch 2001; Wernicke 2001; Bröckermann 2010. 3 Vgl. aber das Themenheft Militärgeschichte im Museum. Tagung bayrischer, böhmischer und sächsischer Museumsfachleute, Leipzig 2006, Museum Bulletin Muzeum 15, 2006. 4 Geschichte vor Ort: Erinnerungskultur im Land Brandenburg für die Zeit von 1933 bis 1990, Potsdam 2009. 3 2. Ausgangspunkte 2.1. Die Hypothese des preußisch-deutschen Militarismus Ein „tief im Preußentum verwurzelter“ und von hier aus auch ins Deutsche generell übergeschlagener Militarismus diente den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, zumindest rhetorisch, als maßgebliches Argument zur Auflösung Preußens.5 Tatsächlich handelt es sich um eine viel diskutierte Hypothese, über die hinweg jeder Weg zur Militärgeschichte in einer ehemaligen preußischen Provinz führen muss. Handelte es sich in Preußen tatsächlich um „eine staatliche und gesellschaftliche Ordnung…, die in dominanter Weise von militärischen Interessen und kriegerischen Denkmustern geprägt“ war,6 oder eher um eine Art zur Schau getragenem „Folkloremilitarismus“,7 der sich im Prinzip wenig von vergleichbaren englischen oder französischen Mustern abhob? Nicht zuletzt scheint die Frage relevant, inwieweit sich der totalitär durchmilitarisierte NS-Staat durch die Formaneignung preußischer Militärtraditionen nicht nur legitimierte, sondern diese zugleich ex post braun einfärbte. In den letzten Jahrzehnten wurden die Schnittstellen und gegenseitigen Durchdringungsfelder zwischen Militär- und Zivilgesellschaft verstärkt in den Blick der historischen Forschung genommen. Dies trug dazu bei, ein differenzierteres Bild zu entwerfen, bei dem etwa das Kantonssystem oder die Wehrpflicht daraufhin untersucht wurden, ob sie ausschließlich geeignet waren, die Gesellschaft zu militarisieren, oder nicht auch zivilgesellschaftliche Momente an das bis dahin hermetische Militär vermittelten.8 Das Phänomen des Militarismus, seiner Strukturen und Akteure ist komplexer Natur. Im Zuge einer dezentral und mit unterschiedlichen Zugriffen ansetzenden musealen Beschäftigung mit der regionalen Militärgeschichte könnte es eine Art Leitmotiv abgeben, das am jeweils lokalen Befund zu konkretisieren wäre. 2.2. Charakteristika des Militärischen Um Fragestellungen und Ansätze für die Darstellungen von Militärgeschichte in Museen zu entwickeln, ist neben der Auseinandersetzung mit der Militarismus-Hypothese eine intensive Beschäftigung mit der Spezifik des Militärs im gesellschaftlichen Kontext unerlässlich. Welche Strukturmerkmale können als besondere Charakteristika des Militärischen bezeichnet werden? Dazu einige Thesen: Das Militär • ist eine weitgehend geschlossene gesellschaftliche Institution, die ohne ihre zivilgesellschaftliche Rahmung jedoch nicht zu denken ist 5 Albrecht 1999. 6 Wette 1999a,13. 7 Vogel 1999. 8 Winter 2005. 4 • unterliegt einer uniformen und hierarchischen inneren Ordnung, die unter Beschränkung von Individualität und Freiheit auf ein instrumentelles Ganzes zielt • gibt sich in besonderen Formen kollektiven Ausdruck • verfügt über ein delegiertes Gewaltpotenzial, das u. a. in Ausbildung, technischer Ausstattung und Einsatzgrundsätzen seine operativen Werkzeuge hat • wird politisch bestimmt, dieses Gewaltpotenzial im Falle kriegerisch ausgetragener Konflikte zu mobilisieren und einzusetzen • unterwirft sich in diesem Fall Maßregeln, die das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit ebenso einschränken wie das zivilisatorisch sanktionierte Tötungsverbot • setzt seine Akteure im Kriege ethischen Entgrenzungen aus, die mit ritualisierten Formen von Trauer- und Gedenken, aber auch durch Gesten pathetischer Entschuldung oder Verklärung gesellschaftlich legitimiert werden. 2.3. Neue Forschungsansätze Militärgeschichte, wie sie heute verstanden wird, hat sich von der Kriegsgeschichts- schreibung oder Regimentschronistik früherer Tage zu einer Kultur- und Sozialgeschichte mit breitem Themenprofil gewandelt.9 Lange richtete sich der Fokus dabei insbesondere auf Schnittstellen zwischen Militär- und Zivilgesellschaft. Die Aufmerksamkeit galt sozialen Führungsgruppen, dem Adel wie dem Reserveoffizier, ebenso dem „Kleinen Mann“, Schützengilden und Kriegervereine rückten neu in den Blick.10 Auch die Rollen von Frauen im militärischen Kontext wurden zum Thema, sei es in symbolischer Funktion, als Opfer oder Akteurinnen.11 Dieser „social turn“ macht jedoch die Betrachtung von Schlachtenereignissen nicht obsolet, jedenfalls dann nicht, wenn sich deren Analyse auch auf außermilitärische Umstände und das Feld historischer Phänomenologie erstreckt.12 Dazu zählen auch das Schlachtfeld und seine Wahrnehmung. Die Schlacht, ihr Verlauf und Ausgang erscheinen in dieser Sicht als eruptive Klimax einer netzartig verwobenen Struktur von Umständen, in denen sich zugleich Charakteristika einer gegebenen historischen Situation symbolisch verdichten. Dass auch einzelne Objekte des Militärischen Ausgangspunkt weitläufiger Untersuchungen zur Symbolpolitik oder zur Struktur von Rüstungsproduktion sein können, belegen Studien zum Eisernen Kreuz oder dem Maschinengewehr 08/15.13 9 Kühn u. Ziemann 2000; Nowosadtko 2002; Wette 2008. 10 Trox 1990; Pröve 1998. 11 Förster 2004; Hagemann 1997. 12 Marten u. a. 2003; Förster 2008. 13 Winkle 2007; Berz 2001. 5 In den vergangenen Jahren war es insbesondere der interdisziplinäre Sonderforschungs- bereich 437 „Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit“, der seit 1999 neue Perspektiven und Forschungsansätze für den Gegenstand des Krieges gewann. Dabei trat insbesondere ein erfahrungsgeschichtlicher Ansatz in den Mittelpunkt, der nach individuellen Motiven, Begründungen, Wahrnehmungen und der Konstruktion von Erinnerung fragt. Krieg wird hier auf die Ebene der kriegerischen Situation herunter gebrochen, mit der Individuen unmittelbar konfrontiert sind, und in der sie mit Haltungen und Handlungen konkret agieren. Wie
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