Die Externsteine – Ein Natur- und Kulturdenkmal im Spannungsfeld von Esoterik, Neuheidentum und Wissenschaft

Roland Linde

Zusammenfassung – Die Externsteine bei Horn-Bad Meinberg im südlichen Teutoburger Wald sind ein Natur- und Kulturdenkmal von hohem Rang und ein beliebtes Ausflugsziel. Die Anlagen an den Externsteinen werden von der Wissenschaft mehrheitlich als Relikte des christlichen Mittelalters gedeutet, in den 1920er- und 1930er-Jahren wurden sie allerdings von völkischer und nationalsozialistischer Seite als vorchristliche Kultstätte und Standort der altsächsischen propagiert. Die Felsengruppe ist daher bis heute ein Symbolort rech- ter Gruppierungen. Der Ort zieht aber auch esoterisch und neuheidnisch orientierte Menschen an, die nicht dem rechten Spektrum zuge- ordnet werden können. Der Landesverband als Träger setzt auf Förderung und Vermittlung wissenschaftlicher Forschung zu den Externsteinen, respektiert aber auch die Interessen der alternativen Externsteine-Szene. Der Verfasser plädiert aus seiner ehrenamtlichen Erfahrung heraus für eine solche Koexistenz widersprüchlicher Deutungen an den Externsteinen.

Schlagwörter – Völkische Ideologie; Irminsul; Sonnenwendfeier; Walpurgisnacht; Beltane; Kultstätte; Tourismus

Title – The Externsteine – A natural and cultural monument in the field of esotericism, neopaganism and science

Abstract – The Externsteine at Horn-Bad Meinberg in the southern are a natural and cultural monument of great impor- tance and a popular destination. The structural works at the Externsteine are interpreted by the majority of the scientists as relics of the Christian Middle Ages. In the 1920s and 1930s they were propagated by the folkish and National Socialist side as a pre-Christian place of worship and location of the Old Saxon Irminsul. The rock group is therefore still a symbol of right-wing groups. However, the place also attracts esoteric and neo-pagan oriented people who can not be assigned to the right spectrum. The Landesverband Lippe as a sponsor is committed to the promotion and communication of scientific research on the Externsteine, but also respects the interests of the alterna- tive Externsteine scene. The author pleads from his honorary experience for such a coexistence of contradictory interpretations of the Externsteine.

Key words – Folkish ideology; Irminsul; solstice celebration; Walpurgis night; Beltane; place of worship; tourism

Einleitung war, ist 1934 während einer groß angelegten ar- chäologischen Untersuchung an den Externstei- Am Vormittag des 1. Januars 2017 bot sich Spa- nen entdeckt worden (Halle, 2002, 223-225). Der ziergängern an den Externsteinen im südlichen Grabungsleiter Julius Andree erklärte sie zum Teutoburger Wald ein überraschender Anblick Standloch der Irminsul. (Abb. 1): In der Neujahrsnacht hatte ein unbe- Wenige Jahre zuvor hatte der Laienforscher kannter Kletterer eine Holzkonstruktion auf den Wilhelm Teudt seine Idee formuliert, die von Karl Gipfel des 36 m hoch aufragenden Felsen II ge- dem Großen zerstörte Irminsul habe sich hier an setzt (Kuhlmann, 2017). Das Gebilde in der Form den Externsteinen nahe befunden (Lin- eines großen T mit gewelltem Balken war für jene, de, 2013; Schafmeister, 2018). An der nördlichen die mit der Örtlichkeit vertraut sind, leicht les- Seite des Felsen I der Externsteine haben Künst- bar: Es stand für die Irminsul, die von den Sach- ler des späten 12. Jahrhunderts ein monumen- sen des Frühmittelalters verehrte Weltensäule tales Relief der Kreuzabnahme Christi geschaf- (Maier & Springer, 2000). Die in den fränkischen fen (Pieper, 2018). Es zeigt den Moment, in dem Reichsannalen zum Jahr 772 erwähnte Zerstö- Nikodemus den toten Leib Christi auf die Schul- rung dieses Heiligtums markierte den Beginn tern des Joseph von Arimathia lädt. Nikodemus der gewaltsamen Christiani­ ­sierung des heutigen steht dabei nicht auf einer Leiter, sondern auf Nordwestdeutschlands unter Karl dem Großen. einem Gebilde, das Kunsthistoriker als geknickte So klein das hölzerne Symbol auch im Verhält- Palme oder phantasievoll ausgestalteten Stuhl nis zu den Sandsteinfelsen war: Auf dem höch- beschreiben. Wilhelm Teudt war anderer Auffas- sten Punkt der Formation war es weithin sichtbar. sung: Er meinte darin die altsächsische Irminsul Sein Vorbild findet es in Darstellungen vor allem zu erkennen, die hier mit Füßen getreten und der 1930er-Jahre. Die anscheinend künstliche Ver- gebrochen werde. Das Relief sei ein Zeugnis der tiefung auf dem Gipfel von Felsen II, in der das bewussten Zerstörung der altsächsischen bzw. Symbol in der Neujahrsnacht angebracht worden germanischen Religion und Kultur.

Eingereicht: 6. Sept. 2018 Archäologische Informationen 42, 2019, 71-76 angenommen: 9. Okt. 2018 CC BY 4.0

online publiziert: 4. Dez. 2018 71 Fokus: Sharing Heritage Fokus: Sharing Heritage – Teilhabe als Bürger- und Menschenrecht Roland Linde

Abb. 1 Die Externsteine im südlichen Teutoburger Wald am 1. Januar 2017: Unbekannte haben eine hölzerne „Irminsul” in den Farben des Deutschen Reiches auf dem Gipfel von Felsen II angebracht (Foto: Lippische Landes-Zeitung, Torben Gocke).

Mit seinem Bild der Irminsul schuf Teudt eine 1920er- und 1930er-Jahren geprägten völkischen Ikone. Eine Google-Bildersuche nach dem Stich- Mythos unmittelbar an. Dass sie in den Reichsfarben wort „Irminsul“ zeigt, dass fast alle Darstellungen des Kaiser- und NS-Zeit schwarz-weiß-rot gefasst dem Vorbild der Externsteine-Irminsul folgen war, machte das Holzgebilde unmissverständlich (https://www.google.com/search?q=Irminsul, Bil- zu einem politischen Symbol der extremen Rech- der, 5.9.2018). Teudt, ihr Schöpfer, war politisch ak- ten. Der für die Felsen und das umgebende Natur- tiver Teil der völkischen Bewegung des frühen 20. schutzgebiet verantwortliche Landesverband Lippe Jahrhunderts (hartmann, 2010). So vielgestaltig die- verständigte daher nicht nur die Feuerwehr, die se Bewegung von Lebensreformern, Welterklärern das Gebilde noch am Abend des Neujahrstages ent- und rechtsradikalen Aktivisten auch war, einig war fernte, sondern auch den Staatsschutz in Bielefeld. man sich darin, dass Kultur und Religion untrenn- bar mit Blut und Rasse verknüpft seien (puSchner, 2018). Ein „römisch“ und „jüdisch“ geprägtes Chri- Die Externsteine: Wahrnehmung und stentum hatte ihrer Überzeugung nach die „arteigene Inszenierung im historischen Wandel Kultur“ und die „arteigene Religion“ der Deutschen zerstört, wobei sie die Deutschen mit den Germanen Sharing Heritage, das kulturelle Erbe zu teilen, ist gleichsetzten. Die Völkischen strebten ein „arisiertes“ an jenen Orten eine besondere Herausforderung, Christentum an, einige sogar eine Wiederbelebung an denen widersprüchliche, möglicherweise un- des paganen germanischen Glaubens. vereinbare Erzählungen aufeinandertreffen, denn Die in der Neujahrsnacht 2017 den Externsteinen Teilen setzt ja voraus, dass es etwas Gemeinsames aufgepfl anzte Irminsul knüpfte an diesen in den und Verbindendes gibt, wie es auch im Aufruf

Fokus: Sharing Heritage 72 Die Externsteine – Ein Natur- und Kulturdenkmal zwischen Esoterik, Neuheidentum und Wissenschaft zum Europäischen Kulturerbejahr betont wird nalsozialistischen Kultstätte an den Externsteinen (Deutsches Nationalkomittee für Denkmalschutz, bis 1942 als eines seiner Prestigeprojekte voran- 2018). Die Externsteine sind dagegen ein wider- trieb. Der Führungsdienst der SS-Forschungsstif- spenstiges kulturelles Erbe, das sich einer all- tung vermittelte Besuchergruppen gemein akzeptierten Erzählung entzieht (Eiker- das Bild eines „Heiligtums unserer Ahnen“. Auch mann, Haupt, Linde & Zelle, 2018). Propagandaveranstaltungen wie Sonnwendfeiern Die Erzählung, wonach dieser Ort eine hei- der Hitlerjugend und SS-Vereidigungen am 9. No- lige Stätte vorchristlicher Zeit sei, die von Karl vember prägten nunmehr das öffentliche Bild der dem Großen zerstört wurde, lässt sich bis ins 16. Externsteine und sollten weit über das Ende des Jahrhundert zurückverfolgen und fasziniert viele NS-Regimes hinaus nachwirken. Menschen bis heute. Die historische Wahrheit die- Erst 1957 klärte sich die rechtliche Zuständig- ser Erzählung ist für sie gleichsam mit Händen keit für das Gelände, die Externsteinestiftung ging zu greifen. In der Schulwissenschaft, vor allem an den Landesverband Lippe über, der das Ver- in der Kunstgeschichte und Archäologie, hat sich mögen des früheren, inzwischen im Bundesland dagegen seit dem 19. Jahrhundert eine andere Er- Nordrhein-Westfalen aufgegangenen Freistaates zählung durchgesetzt: Demnach entstammen die Lippe verwaltet. Bis 1966 setzte der Landesver- Grottenanlage mit der Weihinschrift von 1115, die band dann die letztlich auf Schultze-Naumburg Höhenkammer mit der Altarnische, das Nischen- zurückgehende Konzeption in modifizierter Form grab und das Relief der Kreuzabnahme dem Zeit- um. Das letzte noch vorhandene Hotelgebäude an alter der Romanik. Die Externsteineanlagen sind den Externsteine wurde abgebrochen und außer in dieser Erzählung ein nicht in allen Einzelheiten Sichtweite der Felsen die moderne Gastronomie geklärtes, aber doch eindeutiges Zeugnis mittelal- mit dem großen Waldparkplatz geschaffen; der terlicher christlicher Frömmigkeit. Teich war bereits 1952 wieder angelegt worden. Das Erscheinungsbild und die Wahrnehmung Man enthielt sich aber jedweder Inszenie- der Externsteine sind ganz maßgeblich von der rungen an den Felsen und vermied eine inhalt- Spannung­ zwischen diesen beiden Erzählungen liche Auseinandersetzung mit dem nun gleichsam geprägt.­ Im 19. und frühen 20. Jahrhundert hatten völkisch kontaminierten Ort. Die weiterhin zahl- sich die Felsen, damals im Besitz der regierenden reichen Besucher konnten an offiziellen Informa- Fürsten zur Lippe, zu einem beliebten Ausflugs- tionen kaum mehr erwarten als kleine Prospekte ziel mit Hotelgebäuden und Schwanenteich entwi- am denkbar schlichten Kassenhäuschen. Der Lan- ckelt. Unmittelbar an der alten Kölnischen Straße desverband folgte darin den Aussagen der Fach- bzw. der Reichsstraße 1 gelegen, verband sich an leute, dass an den Externsteine keine ur- und früh- diesem Ort inszenierte Naturromantik mit touris- geschichtlichen Aktivitäten nachweisbar seien. tischer Betriebsamkeit. Erst 2011 änderte sich diese Situation grund- In den 1920er-Jahren galt dieser Zustand lip- legend mit der Einweihung des Infomationszen- pischen Heimatschützern als nicht mehr ange- trums Externsteine, das der Landesverband Lippe messen. Der lippische Landeskonservator Karl gemeinsam mit dem Förderverein Schutzgemein- Vollpracht verfolgte bereits 1926 im völkischen schaft Externsteine und der NRW-Stiftung ge- Sinne die Idee, die Externsteine zu einer „heili- schaffen hat (NRW-Stiftung, 2011). Das Informa- gen Stätte“, zu einem Ort der „Sammlung und Er- tionszentrum setzt mit seinen Ausstellungstafeln hebung für das ganze Volk“ umzugestalten (Linde, und Medienstationen auf die Vermittlung des 2018). Der völkische Architekt und Hochschulleh­ wissenschaftlichen Forschungsstandes. Ein inter- rer Paul Schultze-Naumburg aus Weimar entwarf disziplinärer Beirat hatte zuvor jede einzelne For- dazu 1932 eine radikale Konzeption: Die Extern- mulierung in langen Arbeitssitzungen hin und her steine im vermeintlichen Urzustand, ohne Auto- gewendet, um ein verlässliches Ergebnis präsen- verkehr, ohne Straßen, ohne Gebäude, ohne Teich. tieren zu können. Diesen Weg der wissenschaft- Die 1934 von der nunmehr nationalsozialistischen lichen Auseinandersetzung mit dem Ort beschritt Landesregierung gegründete Externsteine­ stiftung­ man weiter mit einer interdisziplinären Tagung, sollte diese Planung umsetzen. Man begann mit die 2015 in Kooperation mit der Historischen Kom- der Verlandung des Teichs, der Verlegung der mission für Westfalen im Lippischen Landesmuse- Straßen, dem Abbruch der Gebäude und dem Bau um Detmold stattfand. Die Ergebnisse liegen seit einer Wallanlage rund um das Naturschutzgebiet. diesem Frühjahr unter dem Titel „Die Externsteine. Im Frühjahr 1935 geriet die Externsteinestif- Zwischen wissenschaftlicher Forschung und völkischer tung unter die Kontrolle des Reichsführers SS Deutung“ in Buchform vor (Eikermann u. a., 2018). Heinrich­ Himmler, der die Schaffung einer natio-

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Esoteriker und Neuheiden an den sellte, die vor allem die ungezwungene Hippie- Externsteinen: Alternative Aneignung und Atmosphäre schätzten (WDR Hier und Heute, politische Positionierung 2008). Es gab keine Organisatoren und keine Werbung für diese Feiern, langjährige Teilneh- Derweil hatte sich seit den 1950er-Jahren an den mer sprachen von einer geradezu „rätselhaften Externsteinen eine vielgestaltige Subkultur ent- Eigendynamik“ des Geschehens (xtern-extrem, wickelt. Die Felsen waren und sind, wie der Neu- 2007). Landesverband und Polizei ließen die Fei- jahrsvorfall erneut bewies, ein politischer Sym- ernden gewähren. Doch die Feuer, der Müll und bolort für alte und neue Rechte (Raabe & Wilke, andere Hinterlassenschaften der Besucher wur- 2018). Darauf muss ich an dieser Stelle nicht weiter den für das Naturschutzgebiet zunehmend zu eingehen, denn es kann kein Zweifel daran beste- einer schweren Belastung. hen, dass rechtsradikal motivierte Zugriffe auf das 2010 entschloss sich der Landesverband schließ- Objekt abzuwehren sind. Komplizierter wird es lich zu einem radikalen Schnitt und erließ eine schon, wenn wir die Szene der alternativen For- umfangreiche Verbotsliste für das Naturschutz- scher betrachten, die die Aussagen der sogenann- gebiet (Neue Westfälische, 2010). Der Zugang zu ten Schulwissenschaft strikt ablehnen und uner- den Felsen ist weiterhin das ganze Jahr über jeder- müdlich mit erstaunlicher schöpferischer Kraft mann möglich, doch das Entfachen von Feuern, die Erzählung vom vorchristlichen Heiligtum in Campieren, Drogen und Alkohol werden nicht unendlichen Varianten fortschreiben (Linde, 2017; mehr geduldet, auch der Zugang zur Grottenan- Haupt, Linde & Ruppert 2017). Viele dieser spekula- lage wurde aus denkmalpflegerischen Gründen tiven Darstellungen lassen eine innere Verbunden- stark eingeschränkt. heit mit völkischen Vorstellungen oder zumindest Allein schon die Ankündigung der neuen Re- eine mangelnde Distanz erkennen, andere bemü- geln sorgte dafür, dass die Teilnehmerzahlen zu hen sich, den völkischen Ursprung der Deutungen den bekannten Terminen umgehend drastisch zu verunklaren und den erwähnten rechtsradi- zurückgingen. Unter den Esoterikern und Neu- kalen Vordenker Teudt zu verharmlosen und zu heiden war zunächst der Unmut groß und viele verklären. Entsprechende Kritik führt aber regel- fühlten sich in der Ausübung ihrer Rituale einge- mäßig zu entrüsteten Entgegnungen, man würde schränkt, die Diskussionen dazu verliefen in den zu Unrecht „in die rechte Ecke gedrängt“. Selbstkri- Onlineforen der Szene aber durchaus differen- tische Reflexion sind in dieser Forscherszene nicht ziert. Fast zehn Jahre später kann man festhalten, sonderlich ausgeprägt. Es gibt Ausnahmen von dass sich die Einschränkungen im Sinne des Na- dieser Regel und vereinzelte Arbeiten, die über in- turschutzes bewährt haben, Esoteriker und Neu- haltliche Substanz verfügen, das muss fairerweise heiden aber weiterhin ihren Glauben praktizieren betont werden. Insgesamt erweist sich der Dialog können. Insgesamt sucht diese Interessengruppe mit den alternativen Forschern aber als äußerst an den Externsteinen nicht die Öffentlichkeit und schwierig, und darin wird sich absehbar wohl hält sich auch nach Möglichkeit abseits der bevor- auch nichts ändern. zugten Zeiten der normalen Besucher. Sie haben Zahlenmäßig bedeutender und vor allem für zu diesem Zweck auch kleine Kultplätze im um- das Bild der Externsteine prägender sind die prak- liegenden Wald angelegt. tizierenden Esoteriker und Neuheiden. Sie erleben Wenn man als Außenstehender über gele- diesen Platz als mystischen Ort, als Ort besonde- gentliche zufällige Begegnungen und Gespräche rer Naturkräfte, auch als Ort besonderer Leistun- hinaus etwas mehr über diese Interessengruppe gen von Menschen, als deren Nachkommen sie erfahren will, dann sind dafür die Online-Platt- sich fühlen. Oft erkennbar an alternativer Klei- formen nützlich. Das stellen wir beim Förderver- dung und manchmal phantasievoller Gewandung ein Schutzgemeinschaft Externsteine fest, seit wir sind sie das ganze Jahr über an den Felsen und im vor einigen Jahren einen Facebook-Auftritt ein- umliegenden Naturschutzgebiet präsent, manche gerichtet haben (https://www.facebook.com/ richten sich sogar heimliche Unterkünfte bis hin schutzgemeinschaft.externsteine, 5.9.2018). Wir zu möblierten Erdräumen ein. erhalten immer wieder deutliche Unterstützung Zu bestimmten Terminen, vor allem in der von Teilnehmern, die nach ihren Kommentaren, Nacht auf den 1. Mai und zur Sommersonnen- Pseudonymen und öffentlichen Profilen zu urtei- wende um den 21. Juni, kamen zeitweise Tau- len, esoterisch oder neuheidnisch orientiert sind, sende Menschen zu den Felsen und campierten auch wenn wir deutlich machen, dass wir bei der hier in Zelten, wobei sich zunehmend auch Interpretation der Anlagen auf der Seite der Wis- junges „Partyvolk“ zu den Esoterikern hinzuge- senschaft stehen und dass wir die ideologisch be-

Fokus: Sharing Heritage 74 Die Externsteine – Ein Natur- und Kulturdenkmal zwischen Esoterik, Neuheidentum und Wissenschaft lastete Vergangenheit der Felsen aufarbeiten und Wissenschaft und nicht an individuellen Glau- in Erinnerung halten wollen. Allerdings erken- bensüberzeugungen orientiert, und er tut gut da- nen wir auch an, dass die Felsen für nicht wenige ran, die lange Zeit vernachlässigte wissenschaft- Menschen ein spiritueller Kraftort sind. liche Forschung zu diesem besonderen Kulturerbe Als am Neujahrstag 2017 die Irminsul auf zu fördern. Es ist aber auch richtig, wenn der öf- dem Gipfel von Felsen II prangte, empfanden das fentliche Träger die besonderen Interessen der die meisten Kommentatoren auf unserer Face­ Esoteriker und Neuheiden respektiert. Auf einer book-Seite als unglücklich, auch wenn der eine solchen Grundlage des gegenseitigen Respektie- oder andere anklingen ließ, dass ihm der Anblick rens kann ein Teilen des Kulturerbes Externsteine schon zunächst das Herz hatte höherschlagen künftig gelingen, auch wenn die Erzählungen lassen. Die politische Aufladung des Symbols weiterhin unterschiedliche sein werden. durch die Reichsfarben wurde allerdings einhel- lig als Missbrauch betrachtet. Besonders gefreut hat uns eine öffentliche Stellungnahme mehrerer Literatur neuheidnischer Vereine zu dem Vorfall: „Wer immer für diese Aktion verantwortlich ist, Deutsches Nationalkomittee für Denkmalschutz hat eine Straftat begangen und dem Heidentum einen (2018). Europäisches Kulturerbejahr 2018. Aufruf zur Bärendienst erwiesen. (…) Ob die Externsteine in vor- Mitwirkung. https://sharingheritage.de/wp-content/ christlicher Zeit Schauplatz kultischer Handlungen uploads/2017/05/Aufruf-zur-Mitwirkung-ECHY.pdf waren, ist nicht belegt. Die Externsteine sind jedoch [5.9.2018]. ein ehrfurchtgebietendes Naturdenkmal und sollten als Eikermann, L., Haupt, St., Linde, R. & Zelle, solches gewürdigt und respektiert werden. Jedwede In- M. (Hrsg.). (2018). Die Externsteine. Zwischen strumentalisierung der Externsteine für extremistische wissenschaftlicher Forschung und völkischer Deutung Inszenierungen lehnen wir in aller Deutlichkeit ab.“ (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für (Eldaring e. V., 6.1.2017) Westfalen. Neue Folge 31). Münster: Aschendorff. Neben der klaren politischen Abgrenzung ist Eldaring e. V. (6.1.2017). Stellungnahme zur erfreulich, dass man auch bereit ist, den wissen- Irminsul an den Externsteinen. Stellungnahme schaftlichen Forschungsstand zu respektieren. Ein / Presseerklärung der Vereine Eldaring e.V., kritischer Einwand bleibt: Das Bild der Extern- Verein für Germanisches Heidentum (VfGH) e.V. und steine-Irminsul ist nicht erst durch die Reichsfar- Celtoi e.V. https://www.facebook.com/eldaring/ ben zu einem völkischen Symbol geworden, son- posts/10154448705789139 [5.9.2018]. dern war es seit seiner Prägung durch Wilhelm Teudt. Wie eine Erzählung vom vorchristlichen Halle, U. (2002). „Die Externsteine sind bis auf Kultort Externsteine aussehen könnte, die sich weiteres germanisch!“. Prähistorische Archäologie im Dritten Reich. (Sonderveröffentlichungen des überzeugend von allen völkischen Assoziationen Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins befreit, ist derzeit völlig unklar. Ein unauflösliches für das Land Lippe 68). Bielefeld: Verlag für Spannungsverhältnis zur kritischen Vernunft ist Regionalgeschichte. allerdings wohl jeglichem Glauben zu eigen. Auch enthält jede Glaubenslehre Elemente, die auf den Hartmann, J. (2010). Vom „völkischen Vorkämpfer“ zum Außenstehenden befremdlich und bedenklich Nationalsozialisten „bis auf die Knochen“. Der politische wirken. Wenn sich die Mehrheit der Anhänger Werdegang des „Germanenkundlers“ Wilhelm Teudt. eines Glaubens aber erkennbar vom Extremismus Rosenland. Zeitschrift für lippische Geschichte, 11, 23-36. fernhält und nur ihrer persönlichen Überzeugung http://www.rosenland-lippe.de/Rosenland-11.pdf [5.9.2018]. in Frieden nachgehen möchte, dann kann und wird eine pluralistische Gesellschaft diese Span- Haupt, St., Linde, R. & Ruppert, A. (2017). nung aushalten. Das gilt auch für den Mikrokos- Abenteuerliche Externsteine-Deutungen in mos Externsteine. völkischer Tradition – Das Buch „Der Teufel am Umgekehrt ist genauso das allgemeine öffent- Externstein in Sage, Mythe und Wissenschaft. Ein liche Interesse an den Externsteine zu respektie- Forschungsabenteuer“ von Ralf Koneckis-Bienas. ren. Wir dürfen davon ausgehen, dass die große https://afm-oerlinghausen.de/blog/start-de/ Mehrheit der Besucher den Wunsch und auch die abenteuerliche-externsteine-deutungen-in-voelkischer- tradition [5.9.2018]. Erwartung hat, über das Natur- und Kulturdenk- mal Externsteine in wissenschaftlich fundierter Weise informiert zu werden. Der öffentliche Trä- ger macht es daher richtig, wenn er sich an der

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Neue Westfälische (2010). Keine Saufgelage mehr an den Über den Autor Externsteinen. Zelten und offene Feuer künftig verboten Roland Linde ist freiberuflicher Historiker und Pu- (Online-Artikel vom 9.4.2010). https://www.nw.de/ blizist und arbeitet zu Themen der westfälischen nachrichten/thema/3482564_-Keine-Saufgelage-mehr- Landes- und Ortsgeschichte. Er ist Mitglied der Hi- an-den-Externsteinen.html [5.9.2018]. storischen Kommission für Westfalen und Mithe- NRW-Stiftung (2011). Informationszentrum Externsteine. rausgeber des interdisziplinären Tagungsbandes Fantasie und felsenfeste Fakten. https://www.nrw- „Die Externsteine – Zwischen wissenschaftlicher For- stiftung.de/projekte/projekt.php?pid=647 [5.9.2018]. schung und völkischer Deutung“ (2018). Seit 20 Jah- ren widmet er sich ehrenamtlich und wissenschaft- Pieper, R. (2018). Inszenierungen zwischen Karfreitag lich dem Natur- und Kulturdenkmal Externsteine. und Ostern. Mediale Aspekte zum Ensemble der Externsteine. In L. Eikermann, St. Haupt, R. Linde & M. Zelle (Hrsg.), Die Externsteine. Zwischen Roland Linde wissenschaftlicher Forschung und völkischer Deutung (Veröffentlichungen der Historischen Kommission Talstraße 7 für Westfalen. Neue Folge 31) (S. 97-138). Münster: 32760 Detmold Aschendorff. [email protected]

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