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finde Dressurreiten ähnlich absurd wie Exerzieren. Ich musste als Soldat der Nationalen Volksarmee in der DDR mal zwei Stunden lang bei Minusgraden trainieren, was „Stillgestanden“ heißt; Mitte der Achtzigerjahre, auf einem sächsischen Appellplatz. Vor mir stand ein sadistischer Oberst mit Beutelhosen. Jedenfalls erklärte mir Frau von der Leyen freundlich, worum es im Dressursport geht. Sie Stillgestanden nahm sich fast eine Stunde Zeit, obwohl ich vom  komme und nicht ihretwegen, sondern wegen des Pferdes Leitkultur Alexander Osang wundert sich da war. Wie gesagt, ich kenne weder sie noch die Pferde, aber über den deutschen Korpsgeist. das war in Ordnung. In jenem Sommer vor fünf Jahren habe ich in einer eulich traf ich in der Umkleide - Kaserne in Bad Salzungen auch einen aufrechten deut - kabine vom Kieser-Training. Eppelmann war der schen Offizier getroffen. Er hieß Mayer und musste seine Nletzte Verteidigungsminister der DDR. Ein Pfarrer Soldaten auf einen Krieg in Afghanistan vorbereiten, aus Berlin, der in seiner Kirche Blues-Messen organisierte, an dessen Sinn er nicht glaubte. Minister Scharping zu Zeiten, als dazu mehr gehörte als der Blues. Er hatte hatte seine Armee dorthin geschickt, Minister Guttenberg den Spind neben mir. Ich begrüßte ihn, so würdevoll das hatte sie zu einer Berufsarmee gemacht, Minister de ging. Es ist nicht einfach, einem ehemaligen Verteidigungs - Maizière verantwortete sie gerade. Oberstleutnant Mayer minister im Schlüpfer zu begegnen. Aber wenn ich mir brachte seinen Soldaten Yoga und Schießen bei und dafür einen Verteidigungsminister hätte aussuchen können, ließ die Wandgemälde von Wehrmachtsschlachten, die dann Eppelmann. er auf den Kasernenfluren vorfand, überstreichen. Er „Wie geht’s?“, fragte er. hatte keine Ahnung, in wessen Tradition er sich befand, „Gut“, sagte ich. „Und Ihnen?“ er wirkte überfordert, alleingelassen, ein deutscher Soldat „Man muss was für sich tun“, sagte er. zwischen historischen Fronten. Eppelmann ist 74 Jahre alt. Mit war da - Ende vierzig, im Frühjahr 1990, mals Ministerin für Arbeit und So - hatte er sich mal geweigert, zu ei - ziales und wurde für andere Sa - ner CDU-Sitzung nach Westberlin chen kritisiert. Vielleicht überlebt zu fahren, die eilig einberufen sie es dies mal nicht. wurde, weil sein Parteikollege Ich glaube, die Soldaten in den Wolfgang Schnur als -IM ent - Kasernen und Redaktionen be - tarnt worden war. Eppelmann sag - zweifeln, dass sie mit dieser Frau te seiner Sprecherin: Jeh’ du, An - den Krieg gewinnen können. gela, ick fahr nich in’ Scheiß-Wes - Zwei Kriege verloren, ein Na - ten. Angela Merkel fuhr. Es war tionaltrainer, der Werbung für Ge - ihr erster Auftritt von gesamtdeut - sichtsmilch macht, ein Innen-

scher Bedeutung, der Beginn einer L verteidiger, der die Hymne nicht E G E großen Karriere. Eppelmann fühlt I mitsingt, die Gewehre kaputt, die P S

keine Reue, wenn er sich erinnert. R Bomber fliegen nicht, keiner hat E D

/ Daran musste ich denken, als Angst vor uns, und jetzt steht G N A

die deutsche Soldaten- und Jour - S auch noch eine Frau auf der O

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nalistenschaft vergangene Woche E Brücke. D N

Ursula von der Leyen aufforderte, A wollte nie - X E L sich vor ihre Truppe zu stellen. A mand, weil die Kriegspresse dach - Die deutsche Verteidigungsminis - Kritzelei auf Radweg in Brandenburg te: Der schafft es nicht über die Es - terin hatte Zustände kritisiert, die kaladierwand. Scharping blamiert dazu führen, dass rechtsradikale Offiziere in der Bundes - uns vor dem Feind. Rühe hatte ein Superkinn, Stoltenberg wehr Karriere machen. Ich finde es nachvollziehbar, sich einen Superscheitel, Strucki roch wenigstens nach Pfeife von Idioten zu distanzieren. Auch öffentlich. Erst recht, und Motorrad. Dem Schaum schläger Guttenberg sind Jour - wenn man Politiker ist. Ich habe nie verstanden, wieso nalisten hinterhermarschiert, weil er mit seiner blonden man sich eigentlich vor die Truppe stellen sollte. Dieser Frau, der Schutz weste, dem Adelstitel und Johannes B. Korpsgeist ist nirgendwo so ausgeprägt wie bei uns. Auf Kerner an der Seite so geil aussah in Afghanistan. Die dem Feld, beim Fußball und im Krieg, heißt es: Take one längste Amtszeit als deutscher Verteidigungsminister hatte for the team. Wir lieben die Augenklappe Stauffenbergs übrigens Heinz Hoffmann, ein General der Nationalen und den Kopfverband von Dieter Hoeneß. Die getackerte Volksarmee, der in den letzten Jahren seiner Karriere Stirn von Matthias Sammer. Die Achillessehne von Uwe wirkte wie ausgestopft, knapp dahinter: Adolf Hitler. Seeler. Kahns verletzte Hand in Yokohama. Das bleibt. „Bleiben Sie gesund“, sagte Eppelmann. Dann stieg er Die Deutschen erinnern sich lieber an Schweinsteigers in seine Hose. Mom-Jeans, würde man heute sagen. Er Cut im Finale von Rio als an Götzes Tor. trug sie hoch oben, überm Bauch. Ich habe Ursula von der Leyen nur einmal persönlich „Sie auch“, sagte ich. erlebt, das war im Sommer vor fünf Jahren bei den deut - Eppelmann tippelte aus dem Umkleideraum. Ein älterer schen Meisterschaften im Dressurreiten. Ich war wegen Herr, der von hinten nicht aussah wie ein ehemaliger Sol - eines Wunderhengstes da, über den ich schreiben sollte. dat. Er wirkte ein wenig hüftsteif. Er hieß Totilas. Ich habe keine Ahnung von Pferden. Ich Aber die Haltung stimmte.

DER SPIEGEL  /  59