GREVENER GESCHICHTSBLÄTTER Nummer 5 – 2008/2009

Herausgegeben vom Stadtarchiv Greven

Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Titelbild: Schreibweise des Familiennamens „Biederlack“ 1532: by der Laicke (Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Domkapitel Münster, Domkellnerei, Akten Nr. 1850, Bl. 191v., Ausschnitt).

Abbildungsnachweise sind Abbildungen jeweils beigestellt. Wenn nicht anders bezeichnet, liegen die Rechte für die Abbildungen beim Stadtarchiv Greven.

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Impressum: Stadt Greven Stadtarchiv Rathausstr. 6 48268 Greven [email protected]

ISBN: 978-3-928372-17-6

2 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Inhaltsverzeichnis

Stefan Schröder, Angelika Haves Vorwort ...... 4

Anke Hackethal Wie aus Kaufleuten Fabrikanten wurden – Die Firma J.C. Biederlack & Cie. im Spiegel ihrer Inventarien 1812-1892 ...... 5

Stefan Schröder By der Lake – Biederlack Spuren einer Grevener Familie vom 16. bis 20. Jahrhundert (Teil 1) ...... 10

Andreas Froning und Stefan Schröder Ein Ehevertrag aus dem Jahr 1681 ...... 18

Stefan Schröder By der Lake – Biederlack Spuren einer Grevener Familie vom 16. bis 20. Jahrhundert (Teil 2) ...... 22

Katharina Hennig Pädagogisches Konzept für Grundschulkinder im Stadtarchiv Greven – Thema: Heraldik – „Ein Wappen für meine Familie“ ...... 31

3 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Vorwort chiv NRW Abteilung Westfalen) und Roland Linde (Münster), daneben auch von Dr. Manfred Mit dem Erscheinen der vierten Ausgabe der Komorowski, Universitätsbibliothek Duisburg- Grevener Geschichtsblätter 2007 hatten wir uns Essen und Herbert Kirschnick (). Dem vorgenommen, die Erscheinungsweise im Zwei- Thema zu Grunde lag die Übergabe des Familien- jahresrhythmus beizubehalten. Wir sind ange- und Firmenarchivs J.C. Biederlack als Depositum sichts vielfältiger Pflichten im Stadtarchiv froh, an das Stadtarchiv Greven im Jahr 2006, wofür dass uns dies mit dem vorliegenden fünften Heft auch an dieser Stelle Herrn Johann Christoph gelungen ist und nehmen das auch als Ansporn Biederlack, Köln, nochmals zu danken ist, ferner für zukünftige Ausgaben der Grevener Ge- Volker Innemann für die organisatorische Ab- schichtsblätter. Grundlage dieser Ausgabe war wicklung. An den notwendigen Verzeichnungs- die vom Stadtarchiv erstellte Ausstellung „by der arbeiten an den Archivalien, die der Ausstellung Lake – Biederlack. Spuren einer Grevener Familie vorausgingen, beteiligten sich von 2006 bis 2008 vom 16. bis 20. Jahrhundert“, die vom 23. Mai Verena Wies, Maria Beckersjürgen, Anke Hacke- bis zum 31. Juli 2008 im Foyer des Grevener thal und Andreas Froning. Ihnen ist ebenso zu Rathauses gezeigt wurde und auf gute Resonanz danken wie den Unterstützern in verschiedensten stieß. Nicht alle, aber doch die meisten der in der technischen Angelegenheiten: Repro-Service M. Ausstellung gezeigten Abbildungen konnten in Glanemann, Greven; Dieter Vogt, Albert Knüver dieses Heft übernommen werden. Die Ausstel- und Manfred Lanwer (Stadtverwaltung Greven). lungstexte wurden nur wenig verändert, werden Für Veröffentlichungsgenehmigungen von Ab- aber nun durch den Anmerkungsapparat nach- bildungen zu danken ist dem Landesarchiv NRW vollziehbar und zitierfähig. Abteilung Westfalen und dem LWL-Archivamt Ebenfalls dokumentiert wird der anlässlich für Westfalen, beide in Münster. der Ausstellungseröffnung am 3. Juni 2008 ge- Bei der Lektüre wünschen wir gute Unter- haltene und geringfügig überarbeitete Vortrag haltung und viele neue Erkenntnisse. der Emsdettener Historikerin Anke Hackethal. Wer bislang geglaubt hat, dass Zahlen langweilig Greven, im September 2009 seien, darf sich hier gern eines Besseren belehren lassen. Stefan Schröder, Angelika Haves Für ein archivpädagogisches Bonbon sorgt Katharina Hennig, die, inspiriert von der jährlich in den Sommerferien angebotenen „Fälscher- werkstatt“ als Beitrag des Stadtarchivs zur „Fe- rienkiste“ (einer vom Fachdienst Kinder und Jugend der Stadt Greven koordinierten Aktion), ein weiteres Angebot entwickelt hat, um über das Thema „Wappen“ Kinder mit dem Stadtarchiv bekannt zu machen und Interesse für Geschichte zu wecken. Das Konzept soll im nächsten Jahr einem Praxistext unterzogen werden. Aber auch in eigener Sache kann noch an- gemerkt werden, dass die mit der vierten Aus- gabe praktizierte parallele kostenpflichtige Print- veröffentlichung und die kostenfreie Onlineaus- gabe ein erfolgreicher Versuch waren. Während die Verbreitung der Printausgabe gegenüber der vorherigen dritten Ausgabe im ähnlichen zwei- stelligen Bereich liegt, waren darüber hinaus bis Mitte September 2009 über 750 Zugriffe auf die Onlineausgabe zu verzeichnen. Das Ziel, For- schungsergebnisse zur Grevener Geschichte möglichst weit zu verbreiten, ist somit wesentlich verbessert worden. Vielleicht haben Sie auch bemerkt, dass sich das Layout mit diesem Heft ein wenig verändert hat. Das Stadtarchiv be- rücksichtigt die Vorgaben, die für das Erschei- nungsbild städtischer Publikationen seit Anfang 2008 gelten. Unser Dank gilt nicht zuletzt den diesmal sehr zahlreichen direkt oder indirekt Beteiligten: zunächst den Autorinnen und Autoren: Anke Hackethal, Andreas Froning und Katharina Hen- nig. Fachlicher Rat und Hilfestellung kamen ins- besondere von Dr. Annette Hennigs (Landesar-

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Wie aus Kaufleuten Fabrikanten wurden – rung von Geschäftsinventarien der Firma „Bie- Die Firma J.C. Biederlack & Cie. im Spiegel ihrer derlack, Mülder & Comp.“, später J.C. Biederlack Inventarien 1812-18921 & Cie. aus Greven und , im Laufe des 19. Jahrhunderts lädt zu einem derartigen Ver- Von Anke Hackethal such ein. Die Inventarien enthalten nicht nur die Waren und Investitionsgüter, sondern auch aus- Das Stadtarchiv Greven freut sich – zu Recht – führliche Listen der Firmen und Einzelpersonen, über seine unternehmensgeschichtlichen Be- die dem Unternehmen Geld schuldeten. Als stände, heute für uns anschaulich gemacht in Grundlage für einen Vergleich nutzte ich die Form des sehr großzügigen Familien- und Fir- Umsatzzahlen der Jahre von 1812 bis 1892. Für menarchivs J.C. Biederlack. Steckt dahinter mehr ein Jahr in jedem Jahrzehnt untersuchte ich noch als nur heimatkundliche Sammelwut? Das läßt auf die genaue Zusammensetzung, indem ich aus sich nur mit einem entschiedenen JA beantwor- den Daten eine Bilanz nachahmte. ten. Unternehmensgeschichte bildet neben den Überlieferungen der Verwaltung einerseits und Die Anfänge der Fabrik ab 1812 von Vereinen und sozialen Organisationen an- dererseits die nötige dritte Säule, die ein realisti- Als Johann Christoph Biederlack (1773-1854) aus sches Bild Grevens zu verschiedenen Zeiten ver- Greven, Franz Mülder (1770-1835)3 aus Emsdet- mittelt. Die wirtschaftliche Überlieferung weist ten und Bernhard Kohaus aus Zwolle 1812 ein dazu über die Ortsgrenzen hinaus und bettet das Pack- und Bleichhaus für ihre gehandelten Tex- lokale Geschehen in einen größeren Rahmen ein. tilien errichteten, floss der Emsdettener Mühlen- Das Archiv Biederlack, in dem sich die weitläufi- bach, dessen Wasser sie nutzten, durch das Kai- gen Handelsverbindungen unter wechselnden serreich Frankreich. Trotz Steuerlast und wirtschaftlichen und politischen Strukturbedin- Zwangsabgaben an die französische Kriegskasse gungen widerspiegeln, bietet uns da ein beson- bot sich unter dem Deckmantel der Kontinental- ders anschauliches Beispiel. Eine Warnung ist sperre, das heißt, der Abwesenheit modernerer natürlich nötig: Die Archive von Unternehmen englischer Konkurrenz, die Aussicht auf lohnende bieten ein eingeschränktes Bild der Wirtschaft. Geschäfte. Die Erfolge der französischen Armeen Schnell gescheitert Projekte wird der Forscher im hatten außerdem zur Folge gehabt, dass Greven allgemeinen ebensowenig finden wie den Teil des und Emsdetten mit den Niederlanden ein Staats- Handels, der nur mündlich und per Handschlag gebiet teilten. Für die junge Firma Biederlack, abgewickelt zu werden pflegte. Langlebige Un- Mülder & Comp. ein beträchtlicher Vorteil, über- ternehmen bieten uns hingegen die Chance, traf ihr Geschäft mit den Niederlanden das in- langfristige Prozesse zu veranschaulichen, wie nerhalb Deutschlands doch um annähernd ein etwa den Prozess der Industrialisierung in einem Vierfaches.4 ländlichen Umfeld, weit weg von Banken und Doch die Lage sollte sich bald ändern. Die externen Investoren. In der Textilindustrie finden Befreiungskriege von der französischen Besat- wir hier den über ein Jahrhundert dominierenden zung (1813-14) und die Neuordnung, die das Wirtschaftszweig der Region dargestellt. Münsterland in das Königreich Preußen einglie- Die „verspätete Industrialisierung“ des derten, schienen dem jungen Unternehmen zu- Münsterlandes stützte sich auf Unternehmer, die nächst nichts anzuhaben, ebenso wenig wie die alteingesessenen Kaufmannsfamilien entstamm- Hungersnot von 1817/18, von der die Dörfer an ten und vor allem familiäre Netzwerke und die der wohl weniger betroffen waren als andere überregionalen, teils auch internationalen Kon- Landstriche. 1819 brachen die Geschäfte jedoch takte des Handels für den Einstieg in die Indust- dramatisch ein. Der Umsatz sackte um 37%. rie nutzten. Spezielle technische Fachkenntnisse Machte sich nun die englische Konkurrenz be- spielten eine geringe Rolle. So urteilte schon merkbar, die nach dem Fall der Kontinentalsperre 1980 Hans-Jürgen Teuteberg in einer statisti- den europäischen Markt mit Fabrikware über- schen Untersuchung westfälischer Textilunter- schwemmte? Diese Frage muss – zumindest vo- nehmer.2 rübergehend – offenbleiben. Es ist immerhin Lässt sich der Übergang von den herkömm- interessant zu vermerken, dass zum Jahresende lichen münsterländischen Händlerdynastien in 1818 der dritte Kompagnon, Bernhard Kohaus, die Industrialisierung anhand ihrer Buchführung die Firma verließ. Sicher ist, dass es sich nicht nachvollziehen? Eine kontinuierliche Überliefe- um eine vorübergehende konjunkturelle Delle handelte. Die Umsatzzahlen bewegten sich die ganzen 1820er Jahre hindurch auf diesem niedri- 1 Geringfügig überarbeiteter Text des Vortrages, gen Niveau, in den meisten Jahren zwischen gehalten unter dem Titel „Auf der Spur der Zahlen – 14.000 und 18.000 Reichstalern. Den Tiefpunkt Vom Kaufhandel zur Fabrik“ anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „by der Lake – Biederlack. Spuren einer Grevener Familie vom 16. bis 20. Jahrhundert“ am 3. Juni 2008 im Rathaus der Stadt Greven. 3 Vgl. Willi Colmer, Emsdetten, Ortsgeschichte 2 Vgl. Hans-Jürgen Teuteberg, Westfälische Tex- vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Emsdetten tilunternehmer in der Industrialisierung, Sozialer Sta- 2003, S. 326f. tus und betriebliches Verhalten im 19. Jahrhundert, 4 Stadtarchiv Greven (StaG), Depositum 86 (Bie- Dortmund 1980. derlack), G 5307, Inventarium 1812-1832. 5 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009) erreichte diese Phase im Typhusjahr 1832.5 Ge- Westdeutschlands eine Folge von Missernten eine lang es Biederlack und Mülder einfach nicht, eine Hungersnot auslöste. Das alte Pack- und Bleich- geeignete Antwort auf die veränderten Struktur- haus wurde zugunsten einer – noch mechani- bedingungen zu finden? Wahrscheinlicher war es schen – Web-Manufaktur, ebenfalls in Emsdet- so, dass sie in der Expansion der Franzosenzeit ten, aufgegeben.9 ein einmaliges Ereignis sahen, dem eine Stagna- Das Inventar zeigt deutlich, wie der perso- tion auf höherem Niveau folgen würde. Selbst nelle Wechsel in der Führung auch einen Struk- unter den aktivsten Unternehmern Westfalens turwechsel auslöste. Das „Anlage-Conto“, dessen gab es in der Restaurationsära zwischen 1815 Wert sich seit Firmengründung ständig vermin- und 1830 wenige, die eine Industrialisierung im dert hatte, verschwand 1842 aus der Bilanz, eine englischen Maßstab für Deutschland machbar parallele Entwicklung zu den Bleich- und Zwirn- oder wünschenswert gehalten hätten.6 Beide gerätschaften. Damit verbunden verschwanden Männer führten außerdem ihre getrennten profi- auch Konten für Asche und Pottasche, Leinen, tablen Handelsgeschäfte weiter.7 Daneben wird Bleichleinen und Garn. Letzteres war noch der im Inventar von 1812 unter den „Creditoren“ mit größte Einzelposten in den Inventaren von 1812 163 Reichstalern auch eine Firma Möller, Bie- und 1822 gewesen. Allein das Sackleinen-Conto derlack & Mülder genannt, ein Hinweis auf wei- verblieb. Neu hingegen erschienen ein Cattun- tere gemeinsame Aktivitäten. Johann Christoph Conto10 mit dem beachtlichen Wert von 8.392 Biederlack verfolgte zudem eine Karriere als Po- Reichstalern und Verbindlichkeiten bei verschie- litiker, bis hin zum Provinziallandtag, und als denen Geschäftspartnern in Manchester. Vor Lobbyist für eine bessere Verkehrsanbindung allem ist 1842 ein Ausnahmejahr, weil sich mehr Grevens. Auch Franz Mülder brachte es bis zum als die Hälfte der Passiva (13.167 Reichstaler) Kreisdeputierten. Immerhin statteten sie den nicht direkt auf die Teilhaber zurückführen lie- gemeinsamen Betrieb umfangreicher mit „Ge- ßen, sondern auf eine „Unternehmung in Schot- räthschafften“ zum Weben, Bleichen, Zwirnen tisch Packtuch“, die zehn Jahre später wieder und für den Handel aus, und sie erwarben ein verschwunden war. Grundstück an der Ems. Die Richtung des Han- dels änderte sich: War 1822 der Handel mit den Veränderungen nach 1848 Niederlanden noch fast fünfmal so üppig wie der innerhalb Deutschlands, reduzierte sich dies bis Das Revolutionsjahr 1848 brachte auch der Firma 1832 bis auf weniger als das Doppelte. Biederlack einschneidende Veränderungen. Der mittlerweile verwitwete und wiederverheiratete Neuorientierung nach 1835 Heinrich Heuveldop, dessen Geschick die Firma gut voran gebracht hatte, schied aus, um ein Der Tod Franz Mülders erzwang nach 1835 die eigenes Unternehmen zu gründen.11 Dafür wurde überfällige Neuorientierung. Eine neue Genera- die Textilhandlung in Emsdetten mit dem Groß- tion trat in die Geschäftsführung ein: Biederlacks handel für Kolonialwaren im alten Stammhaus Sohn Johann Friedrich (1800-1870) und Mülders der Biederlacks in Greven fusioniert. Johann Schwiegersohn Heinrich Heuveldop (1810-1883).8 Friedrich und sein jüngerer Bruder Franz Anton Schon 1838 überquerten die Umsätze wieder die Biederlack waren nun Teilhaber. Der Name än- 20.000er Grenze, um 1841 bereits bei 38.738 derte sich in J.C. Biederlack & Cie. Die Umsätze Talern anzulangen. Zu jener Zeit profitierten verdoppelten sich durch den Zusammenschlus emsnahe Unternehmen davon, dass 1840 der nahezu.12 Max-Clemens-Kanal als rivalisierende Wasser- Die Bilanz von 185213 hatte nicht nur den straße endgültig stillgelegt worden war. Wer dreifachen Umsatz gegenüber 1842, das Grevener seine Ware über die Ems verschiffte, konnte in Geschäft änderte auch das Gesicht des Unter- den Folgejahren auch Nutzen aus dem Bau neuer nehmens: Gebäude wurden gelistet, wie zum Schleusen ziehen. Im Laufe der 1840er Jahre ge- Beispiel ein Packhaus an der Ems und ein Lager- dieh das Geschäft, während in weiten Teilen haus in Emsdetten. Gleichzeitig bildete das Jahr den vorläufigen Höchststand der Bilanzsumme. 5 Vgl. Colmer, Emsdetten, S. 305. Trotz des weiteren Emsausbaus und der heiß er- 6 Vgl. Rudolf Boch, Das bergisch-märkische Wirtschaftsbürgertum von 1814 bis 1840: Von der begrenzten Gewerbeentwicklung zur entfesselten In- 9 Vgl. Festschrift 200 Jahre J.C. Biederlack & Co., dustrie, in: Wolfgang Köllmann/Wilfried Reininghaus/ Emsdetten 1997. Karl Teppe (Hrsg.), Bürgerlichkeit zwischen gewerbli- 10 Cattun war die zeitgenössische Bezeichnung cher und industrieller Wirtschaft, Beiträge des wissen- für Baumwolle. Konten wurden bis in die 1920er Jahre schaftlichen Kolloquiums anlässlich des 200. Ge- als „Conto“ geschrieben. burtstags von Friedrich Harkort, Dortmund 1994, S. 11 StaG, Dep. 86, G 5309, Inventarien-Buch von 30f. Biederlack Mülder & Comp 1843-1848. 7 J.C. Biederlack tat dies vom Stammhaus der Fa- 12 StaG, Dep. 86, G 5310, Inventarium des mir milie unterhalb der Grevener St. Martinus-Kirche aus. persönlich angehörenden Handlungs-Geschäfts (1843- 8 StaG, Dep. 86, G 5308, Inventarien-Buch der 1848), Inventarium der Handlung J.C. Biederlack & Co. Handlung Biederlack Mülder & Comp. 1833-1842. Le- 1849-1851. bensdaten von Heuveldop in: Colmer, Emsdetten, S. 13 StaG, Dep. 86, G 5311, Inventarium der Hand- 323f. lung J.C. Biederlack & Cie. 1852-1869. 6 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Biederlack Mülder & Comp. und Nachfolgefirmen - Umsatzentwicklung

160.000

140.000

120.000

100.000

80.000

60.000 JährlicheJährliche Umsätze Umsätze (in (in Reichstalern) Reichstalern) JährlicheJährliche Umsätze Umsätze (in (in Reichstalern) Reichstalern) 40.000

20.000

0

3 12 69 18 1815 1818 1821 1824 1827 1830 1833 1836 1839 1842 1845 1848 1851 1854 1857 1860 186 1866 18 1872 1875 1878 1881 1884 1887 1889 1892

Anke Hackethal, 2007 Quelle: StaG, Dep 86 (Biederlack), G 5307-5314

Nach der Reichsgründung 1871 wurde die Vielzahl deutscher Währungen 1873 gesetzlich vereinheitlicht. Ab 1875 galt die Mark als Währung, in Preußen entsprachen drei Mark einem Taler. Die ab 1875 in den Inventarien genannten Umsätze in Mark wurden in der Tabelle in Reichstaler umgerechnet. sehnten Eröffnung der Eisenbahnstrecke Müns- lende Baumwolle teilweise ersetzen: Das Leinen- ter-: Von 1856 schrumpfte der Umsatz bis konto, das 1832 zuletzt mit einem kleinen Rest- 1860 auf 63.970 Reichstaler. Machte es sich be- bestand erschienen war, hatte im Inventar von merkbar, dass sich die Biederlacks noch nicht an 1862 immerhin einen Umfang von 7.280 Talern. die Dampfkraft herangetraut hatten? Hatte der Laut Firmenchronik wurde jetzt auch die erste Tod des Gründers 1854 für Verunsicherungen in Dampfmaschine gekauft. Folgerichtig erschien ab der Firma und ihren Geschäftspartnern gesorgt? 1872 statt früherer Gebäude die „Fabrik Emsdet- War Franz Anton Biederlack (1814-1883) zu sehr ten“ mit einem Wert von 15.512 Talern in der durch die Gründung der Grevener Baumwoll- Bilanz. Der Boom der frühen 1870er Jahre spinnerei, an der er beteiligt war, abgelenkt? brachte die Fabrik stark voran und konnte ihren Louis Terfloth (1826-1888)14, ein Neffe von Jo- Rückstand gegenüber dem Handel in wenigen hann Friedrich und Franz Anton Biederlack, Jahren ausgleichen.15 Der Umsatz des Gesamtun- unterzeichnete von 1855 bis 1865 die Inventare ternehmens legte 1871 um 9,6% zu, 1872 stolze mit, blieb aber wohl noch länger im Geschäft 20,7% und 1873 gar 24,9%. Auf „Cattun“ ver- tätig. zichteten die Biederlacks nun ganz, die Bestände Als in den 1860er Jahren wegen des ameri- an Leinen und Garn stiegen jedoch stark: Leinen kanischen Bürgerkriegs die Baumwolle knapp um das 2,3-fache, Garn um das 2,7-fache. Der und teuer wurde, erwies sich der Engroshandel Absatzmarkt der Fabrik war Deutschland; Liefe- als wichtige Stütze. Bereits 1852 überstiegen die ranten saßen aber auch in Großbritannien, den Forderungen aus dem Handelsgeschäft die aus Niederlanden und Belgien. Die Summe der For- dem Fabrikgeschäft um fast 6.000 Taler. 1862 derungen bewegte sich in beiden Geschäftsteilen hatten sie fast das Vierfache erreicht. Die zweite in einer ähnlichen Höhe wie 1852. Konsequenz war ein weiterer starker Rückgang des Auslandsgeschäfts. Das Handelsgeschäft fand Nach 1870 seinen Hauptabsatz im Münsterland, die Manu- faktur war stark am Rheinland mit seiner schon Johann Friedrich Biederlack, der seit den 1830er relativ weit entwickelten Industrie orientiert. Das Jahren die Geschicke der Firma mitgeprägt hatte, dritte war die Absicherung in der Produktions- durfte diesen Erfolg nicht mehr miterleben. Er palette. Das traditionelle Leinen sollte die feh- war 1870 kinderlos gestorben.16 Franz Antons Sohn Fritz Biederlack (1853-1924) betreute von 14 Lebensdaten in: Ernst Hövel, Die Nachfahren der Eheleute Johann Christoph Biederlack und Gertrud Biedenharn, Münster 1926. Er war ein Sohn von Ka- tharina Anna Elisabeth Biederlack (1802-1875) und 15 StaG, Dep. 86, G 5312, Inventar Biederlack & dem Grevener Holzhändler Ludwig Terfloth (1796- Co. 1871-1880. 1887) und siedelte sich dauerhaft in Emsdetten an. 16 Vgl. Hövel, Die Nachfahren. 7 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009) nun an den Grevener Geschäftsteil.17 Der Grün- auf.21 1887 war wieder ein Erfolgsjahr mit derkrise, die weite Teile der jungen deutschen 375.573 Mark Umsatz, auf das ein Absturz auf Industrie ab 1873 stark zurückwarf, konnte auch nur noch 299.712 Mark 1889 folgte. Vielleicht J.C. Biederlack & Co. nicht entgehen. Das Unter- wurde auch Geld aus der Firma abgezogen, um nehmen konnte sie aber besser abfangen als die „Abfallspinnerei Biederlack & Temming“ am andere, erlebte statt eines Einbruchs nur einige Grevener Bahnhof zu gründen. Zu deren Gesell- Jahre der Stagnation im Bereich zwischen schaftern der ersten Jahre gehörten Fritz Bieder- 110.000 und 120.000 Talern. lacks älterer Bruder Christoph (1843-1918), der 1880 begann eine erkennbar neue Periode, 1893 nach Mönchengladbach ging, sein Vetter die sich durch starke Schwankungen zwischen Ignaz Hermann (1861-1930)22 und Johannes einzelnen Jahren auszeichnete. Einer kurzen Temming (1852-1925).23 Daraufhin müssen ein- Erfolgsphase mit Umsätzen im Bereich von schneidende Maßnahmen ergriffen worden sein, 380.000 Mark folgten fünf Jahre, in denen der denn in den frühen 1890er Jahren schnellte der Umsatz 333.000 Mark nicht überstieg.18 Wie- Umsatz der Firma J.C. Biederlack auf Rekordhö- derum übertrafen die Forderungen aus dem Han- hen und stand am Ende der 80-jährigen Über- delsgeschäft die aus dem Geschäft der Fabrik: der sicht bei beachtlichen 401.763 Mark (umgerech- Wert lag sogar um mehr als 50% höher. Der net 133.921 Taler), dem 1,6fachen des Umsatzes Handel blieb aber weiterhin im Absatz regional von 1849, dem Jahr des Zusammenschlusses von ausgerichtet. Die Fabrik musste sich dagegen Handelshaus und Fabrik.24 darauf einstellen, dass die Industrialisierung im- Woher speisten sich die guten Zahlen jenes mer weitere Gebiete des Reiches erfasst hatte. Ihr Jahres? Der Lagerbestand des Engros-Handels Spektrum reichte von Städten wie Schwerin und war im Wert um über 10.000 Mark geschrumpft, Stralsund im Nordosten bis in die eroberten Ge- die Forderungen aus dem Handelsgeschäft hatten biete Frankreichs und Belgiens mit Kunden in während des Jahrzehnts geringfügig abgenom- Straßburg, Metz oder Malmedy. Es waren vor men. Die Anstiege fielen – es war die Zeit der allem die preußisch dominierten Teile des Rei- Hochindustrialisierung – im Emsdettener Ge- ches, wohin die Firma J.C. Biederlack die Fühler schäftsbereich an. Der Wert der Fabrik war um ausstreckte. Bayern, Thüringen, Sachsen oder 12.000 Mark höher angesetzt worden. Der ad- Württemberg blieben außerhalb des Sichtfeldes. dierte Wert für Leinen- und Garnkonten stieg um Neu war die gestiegene Bedeutung des institutio- 34%. Vor allem aber hatte sich das Wechselkonto nellen Kreditwesens. Es bestanden Verbindungen mehr als verelffacht, auf 133.308 Mark. Neu tritt zur Kreissparkasse Münster und zur Reichsbank- auch ein Effecten-Conto im Wert von 24.715 filiale, auch mit Darlehen in Höhe von 59.000 Mark in Erscheinung. Dagegen sanken die Ver- Mark. Die Zeiten, in denen man sich für die Ent- bindlichkeiten bei Sparkasse und Reichsbank auf wicklung des Geschäftes allein auf die Rücklagen die Hälfte. Von den Verbindlichkeiten gegenüber des Familienverbandes verlassen mochte, waren anderen Unternehmen waren 1.445,72 Mark den vorbei. Zu den Familienmitgliedern, die 1882 nahestehenden Unternehmen GBS und Biederlack beteiligt waren, gehörten die Witwe Johann & Temming aus Greven geschuldet. Die Fabrik Friedrichs19, seine Erben, Fritz Biederlack, Ludwig blieb geographisch auf den preußischen Wirt- Terfloth und die Witwe H.A. Arkenoe.20 schaftsraum ausgerichtet; aus Elsass-Lothringen zog sie sich weitgehend zurück. Umso deutlicher Die dritte Generation ab 1883 macht sich der Aufstieg des Ruhrgebiets bemerk- bar. Für das Fabrikgeschäft bis dahin unüblich Mit dem Tod Franz Anton Biederlacks 1883 ver- war die große Zahl kleinster Forderungen, die im abschiedete sich die zweite Generation aus der Extremfall bei unter einer Mark lagen. Hier han- Geschäftsführung. Sein Sohn Fritz war in das delte es sich wohl um Abrechnungsüberhänge Industriezeitalter mit seinen veränderten Normen mit Beschäftigten. und Vorstellungen hineingeboren worden. Er vertraute 1888 einem Familienfremden, Hermann Beermann aus Riesenbeck, die Leitung der Fabrik 21 Vgl. Festschrift 200 Jahre J.C. Biederlack. in Emsdetten an und nahm ihn als Teilhaber Franz Mülder hatte zum erweiterten Familienkreis gehört, denn er und J.C. Biederlack hatten Schwestern 17 Vgl. Volker Innemann, Industrialisierung in geheiratet. Greven, Greven 1992, S. 353. 22 Ignaz Hermann Biederlack war ein Sohn von 18 StaG, Dep. 86, G 5313, Inventar der Handlung Hermann Josef Christoph Biederlack und Jeanette J.C. Biederlack & Cie 1881-1888. Böttrich. 19 Johann Friedrichs zweite Ehefrau, Mathilde, 23 Auch er war mit der Familie Biederlack ver- geb. Driever (1817-1893), vgl. Hövel, Die Nachfahren. wandt, genauer: verschwägert. Christoph und Fritz 20 Dabei handelte es sich um Maria Katharina Biederlacks Schwester Pauline (1862-1939) hatte Jo- Wilhelmine „Minna“ Biederlack (1809-1883), die den hannes Temmings jüngeren Bruder Josef (1858-1942) Grevener Holzhändler (Heinrich) Anton Arckenoe geheiratet, vgl. Volker Innemann, Johannes Temming (1798-1855) geheiratet hatte. Die neben Anton weite- (1852-1925), in: Hans Jürgen Teuteberg (Hg.), Die ren Vornamen finden sich in: Raphaela und Herbert westmünsterländische Textilindustrie und ihre Unter- Kirschnick, Familienbuch des Kirchspiels Greven, Die nehmer, Münster 1996, S. 118-134, hier: S. 124. Grevener Bevölkerung vor 1820, Bd. 1, Greven 2002, 24 StaG, Dep. 86, G 5314, Inventar der Handlung S. 31. J.C. Biederlack & Cie. 1888-1893. 8 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Fazit bleibt die Frage nach der Einbindung in den sozialen und politischen Kontext ihrer Heimat- Insgesamt deuten die Geschäftsbücher darauf hin, gemeinde. dass eine Lücke zwischen der industriellen Praxis Der Aussagewert der Quellengattung „In- und der Selbstwahrnehmung der Unternehmer ventarium“ liegt in der Möglichkeit, langfristige klaffte. Dass sich Johann Christoph Biederlack Trends aufzuzeigen. Damit lenkt sie den Blick zeitlebens als Kaufherr betrachtete, wies bereits vom Spektakulären und Innovativen auf die Peter Voss überzeugend nach25 und dies bestätigt Grundlagen, die ein Unternehmen zu bestimmten sich beim Blick in die Inventarien. Bei seinen Zeiten prägten. Die Schwäche liegt sicher darin, Söhnen sah das anders aus, war Franz Anton dass sie nur beobachten, nur das Vollzogene doch die treibende Kraft hinter der Gründung der registrieren und dadurch keine Begründungen Grevener Baumwollspinnerei. Beim Familienun- liefern. Zweifellos eröffnen sie den Raum für ternehmen behielt der Handel noch lange danach viele neue Fragestellungen. das Primat; das bewährte Geschäft lieferte Ist die Einrichtung eines Firmenarchivs an- gleichzeitig die Finanzierung für industrielle Ex- gesichts der dargestellten Befunde auch für heu- perimente und schützte vor den Schwankungen tige Unternehmen interessant? Die schnelllebige der Finanzmärkte. Externe Quellen, vielleicht Zeit erhöht mehr denn je das Risiko, dass unter auch Briefe, könnten Aufschluss über die Be- dem Druck der Verhältnisse das Wissen um deutung außerökonomischer Faktoren, wie das langfristige Trends verloren geht, dass die „Cor- Sozialprestige bestimmter Tätigkeiten oder der porate Identity“ von Beratungsfirmen eingekauft Stammsitz der Familie in Greven, geben.26 Selbst wird, statt sie in der eigenen Überlieferung auf- Fritz Biederlack als Repräsentant der dritten Ge- zuspüren. Das Problem wird besonders akut beim neration bevorzugte es, sich selbst des traditi- Wechsel der Generationen. Der Nachwuchs eines onsreichen Handlungsgeschäftes anzunehmen. Familienunternehmens aus dem 19. Jahrhunderts Grundsätzlich erwies sich die Zweigleisigkeit als konnte bequem alte Geschäftsbücher zu Rate eine geschickte Absicherungsstrategie gegen ziehen, um sich Besonderheiten zu erklären. Sein Krisen. Gleichzeitig konnten Mittel aus dem je- heutiges Pendant hätte bereits Probleme, eine weils anderen Bereich kurzfristig umgeleitet wer- Diskette aus den 1980er Jahren wiederzubeleben. den, um ohne Zeitverlust neue wirtschaftliche Chancen wahrzunehmen, oder auch um neue Firmen zu gründen. Für die Firma J.C. Biederlack & Co. im 19. Jahrhundert habe ich hier ein Grundgerüst skiz- ziert. Viele weiterführende Fragen lassen sich daraus ableiten. Die Unternehmer erlebten einen expandierenden Wirtschaftsraum, wechselnde Staats- und Rechtsformen und die Beschleuni- gung von Transport und Kommunikation. Die Baumwollkrise der 1860er Jahre war nur ein Zeichen davon, wie weit die Wirtschaft auch damals schon globalisiert war. Auch Krisen der Finanzmärkte – ein aktuelles Thema – kannte das 19. Jahrhundert reichlich. Hiervor waren die münsterländischen Familienunternehmen ge- schützt; gleichzeitig bremste der Abstand von den Finanzmärkten auch das denkbare Expansi- onstempo. Blickt man über die Wirtschaftszahlen hinaus, ergeben sich auch Fragen nach der inne- ren Organisation einer bürgerlichen Familie, ihren Erbschafts- und Heiratsstrategien. Wie frei in der Berufswahl waren die Söhne? Nicht zuletzt

25 Vgl. Peter Voss, Johann Christoph Biederlack (1773-1854), Ein Grevener Kaufhändler im Prozess der Industrialisierung, in: Anja Victorine Hartmann/ Malgorzata Morawiec/Peter Voss (Hrsg.), Eliten um 1800, Erfahrungshorizonte, Verhaltensweise, Hand- lungsmöglichkeiten, Mainz 2000, S. 35-54. 26 Interessant ist ein Blick auf die Geschwister der zweiten Generation: Die zwei älteren Schwestern heirateten Grevener Holzhändler, die jüngste Schwes- ter einen Juristen, der später Landgerichtspräsident wurde. Der jüngere Bruder wurde Arzt und erhielt später den Titel „Sanitätsrat“, vgl. Hövel, Die Nach- fahren. 9 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

By der Lake – Biederlack Name Biederlack, der noch Zeugnis von den Spuren einer Grevener Familie alten Emslaken ablegt. Der Straßenname Hinter vom 16. bis 20. Jahrhundert (Teil 1) der Lake ist seit 19375 ebenfalls ein Hinweis auf die alte Lake, die vor Jahrhunderten dort lag, wo Von Stefan Schröder heute das Rathaus steht – die Ausstellung, der diese Texte entstammen, fand also an der Stelle Einleitung der früheren Emslake statt, nach der die Familie Biederlack Anfang des 16. Jahrhunderts benannt Biederlack – dieser Name ist jedem Grevener ein wurde. Begriff. Es gibt in Greven die Biederlackstraße am Bahnhof, an der auch die Fabrik Hermann Biederlack & Co.1 liegt. Nicht unbedingt allgemein bekannt ist jedoch, dass die Vorfahren der Familie Biederlack schon seit Jahr- hunderten in Greven woh- nen und sich der Familien- name aus den besonderen geographischen Verhält- nissen der Ems herleitet. Familiennamen haben sich im Laufe des 15. Jahrhun- derts herausgebildet. Der Grevener Raum ist von der Ems geprägt, die sich im Laufe von Jahrhunderten immer wieder neue Fluss- bette gegraben hat. Zurück blieben ältere, zum Teil noch mit Wasser gefüllte Emsarme, oder nach Hochwassern mit Wasser gefüllte tote Emsarme (ohne Verbindung zum Fluss), die als Lake be- zeichnet wurden.2 Der Fa- milienname Biederlack, in den Ursprüngen by der Lake oder ahn der Lake,3 entspringt also nicht – wie häufiger üblich – einer Berufsbezeichnung, son- dern dem Wohnsitz. Nach den Forschungen von Josef Prinz war die Peters-Lake, die zwischen Kirchberg und Alter Ems gelegen hat, gemeint. 1673 ist sie noch namentlich erwähnt. In einem Bericht von 1746 fehlt sie und muss daher damals schon völlig Rekonstruktionszeichnung von Joseph Prinz (1950): versandet gewesen sein.4 Neben wenigen Archi- Mittelalterliche/Frühneuzeitliche Besitzverhältnisse valien, die davon berichten, ist es heute also der in Greven mit Ems, alter Ems und Laken (aus: J. Prinz, Greven an der Ems, Greven 1950, S. 74).

1 Stadtarchiv Greven (StaG) B 3092, Protokoll- buch Gemeinderat Greven-Dorf, S. 80f., Sitzung vom 15.11.1937. Die Umbenennung der Adlerstraße in Biederlackstraße am 19.11.1937 erfolgte wegen des 50jährigen Firmenjubiläums der Firma Hermann Bie- derlack & Co. 2 Vgl. Joseph Prinz, Greven an der Ems, 2. Aufl. Bd. 1, Greven 1976, S. 113. 3 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 1, S. 149. 5 StaG B 3092, Protokollbuch Gemeinderat Gre- 4 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 1, S. 112f. ven-Dorf, S. 35, Sitzung vom 20.1.1937. 10 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Älteste Nachweise der Familie Ob Hinrik Naber ein Haus auf dem Gelände und Wohngebäude der heutigen Villa Biederlack (Martinistraße 17) erbaute oder kaufte, ist unklar.8 Das Gebäude Bevor der erste am Kirchberg wohnende Ahne (oder ein Nachfolgebau) dürfte dem großen Brand der Familie Biederlack namens Hinrik dauerhaft vom 4. März 1674 zum Opfer gefallen sein, bei mit dem Beinamen by der Lake bezeichnet dem ein Feuer in einem Haus am Kirchplatz auf wurde, tauchte er wechselnd auch als Hinrik 40 Häuser rund um die Kirche übergriff.9 Je- Naber oder Naber(s)hinrik in verschiedenen Do- denfalls zählt es 1675 zu den abgebrannten kumenten auf.6 Das verweist darauf, dass er vom Häusern.10 Danach, im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts, ist das noch im Bild bekannte und 1896 abgerissene große Fachwerkhaus ge- baut worden.11 Es musste der Villa Biederlack wei- chen, die 1896 dort errichtet wurde und heute unter Denk- malschutz steht.

Ausschnitt aus dem Heberegister (Abga- benverzeichnis) des Überwasserstiftes in Münster von 1532 mit dem ältesten bekannten Namens- nachweis: Hinricus by der Laicke (dritte Zeile, Mitte) (Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Domkapi- tel Münster, Dom- kellnerei, Akten Nr. 1850, Bl. 191v.)

Hof Naber in Westerode stammte und offenbar nicht der erbberechtigte erste Sohn, der Hoferbe, sondern ein nachgeborener Sohn war. Der Hof Naber wird erstmals Ende des 15. Jahrhunderts als zweiter Hof Westerodt erwähnt 8 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 1, S. 148. und liegt in direkter Nachbarschaft zum Hof 9 Vgl. Joseph Prinz, Greven an der Ems, 2. Aufl., Schulze Westerode. Der Hofname Naber (Nach- Bd. 2, Greven 1977, S. 25. 10 Vgl. Raphaela und Herbert Kirschnick, Famili- bar) wird erst ab 1536 verwendet, verweist aber 7 enbuch des Kirchspiels Greven, Bd. 1, Greven 2002, S. auf die Nähe zum Schultenhof Westerode. 187. 11 Vgl. Ernst Hövel, Geschichte der Stammlinie 6 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 1, S. 149. Biederlack in Greven von ihren ersten Anfängen bis zu 7 Vgl. Joseph Prinz, Greven an der Ems, Greven Johann Christoph Biederlack (1796), Münster 1936, S. 1950, S. 449. 9f. 11 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Aufnahme des Bieder- lack’schen Stammhau- ses aus dem Anfang der 1890er-Jahre. Im Eck- fenster des Erdgeschos- ses zur Straßenseite Fritz Biederlack (1853- 1924), im Fenster der Giebelseite „Berta“ (Eli- sabeth Martina) Bieder- lack, geb. Schründer (1822-1903), im mittle- ren Fenster darüber ihre Tochter Sophie, seit 1883 verheiratete Beh- nes (1860-1925), im Eckfenster daneben ihre beiden Töchter Else (geb. 1885) und Grete (geb. 1888) mit einem Nachbarskind, im Dach- fenster ihr Sohn Otto (geb. 1884) und ein Nachbarsjunge. Das Gebäude im Hintergrund ist „die Schoppe“ (der Schuppen), Foto und Grundriss des Stammhauses Biederlack (aus: links vorn der Treppenaufgang zum Kirchplatz.12 Ernst Hövel, Geschichte der Stammlinie Biederlack in Greven, Münster 1936, S. 10).

Grundriss des Erdge- schosses des Bieder- lack’schen Stammhau- ses in Greven, gebaut Ende des 17. Jahrhun- derts, zur Zeit des Ab- bruches im Jahr 1896. Nach dem Gedächtnis gezeichnet von Otto Behnes, Münster. In den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts wurden folgende bauliche Ver- änderungen vor genom- men: Die Küche wurde durch Einbau der Wän- de a, b und c verklei- nert, die Treppe und der Kellereingang, die vor- her an der Wand d la- gen, wurden zwischen die Wände b und c verlegt, das „beste Zim- mer“ wurde um den Teil e vergrößert und die Ve- randa angebaut.

12 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 10, Lebensdaten er- gänzt mit: Ernst Hövel, Die Nachfahren des Johann Christoph Biederlack und der Gertrud Biedenharn, Münster 1926. 12 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Vor dem Dreißigjährigen Krieg: Waren die Biederlacks Gastwirte und Krämer?

Aus der Zeit zwischen der Sesshaftwerdung des Hinrik Naber bei der Peters-Lake etwa um 1530, woraus dann nicht viel später auch der „Nach- name“ by der Lake wurde, und dem Beginn des 17. Jahrhunderts sind nur sehr wenige Nachweise der Familie zu finden. Joseph Prinz, der für die Lokalgeschichte Vieles ans Licht gebracht hat, hat aus zwei Einträgen in Brüchtenregistern (Strafregistern) des Gogerichts zur Meest aus den Jahren 1602 und 1607, die von Gewalttätigkeiten im Haus Biederlack berichten, geschlossen, dies sei eine Gastwirtschaft gewesen.13 Dieser Schluss scheint nicht ausreichend belegt. Zum einen wird zwar in beiden Fällen Dietrich Biederlacks Haus bzw. Behausung erwähnt, nicht jedoch konkret eine Gastwirtschaft. 1602 bezieht sich der Straf- eintrag auf das tätliche Eindringen des Georg Komnis in das Haus, 1607 auf einen Akt der Körperverletzung durch Schulte Grotthoff an Ostermanns Frau, bei der eine Kanne Krut (Grut- Brüchtenregister des Gogerichts zur Meest, Eintrag bier) im Spiel war.14 Es ist sehr zweifelhaft, ob 1607: „Schulte Grotthoff ist bespracht das er Oeste- daraus auf eine Gastwirtschaft bei Biederlack mans Fraw aff Laetare in Dietherichen Biderlacken geschlossen werden darf, denn Bier (mit einem Hauß mit einer Kan Krutes ins Gesichte gegossen und geringeren Alkoholanteil als heute) war in jener selbige dhamit auff das Haupt, da es Ihme nit verhin- Zeit ein Grundnahrungsmittel. Statt Wasser, das dert schlagen willen. Reus se submisit“ häufig nicht sauber war, wurde Bier getrunken. Schulte Grotthoff wurde angeklagt, an Lae- Dies dürfte im Dorf Greven nicht viel anders als tare (dem 3. Sonntag vor Ostern) in Dietrich Bie- in den Städten zugegangen sein.15 Joseph Prinz derlacks Haus der Frau des Ostermann mit einer zieht dann aus der späteren, Ende des 17. Jahr- Kanne (einem Krug) Grutbier ins Gesicht ge- hunderts nachweisbaren Handelstätigkeit der schüttet zu haben und, weil diese sich nicht Biederlacks den Rückschluss, diese habe als wehrte, vorgehabt zu haben, ihr mit dem Krug Kramladen, wie er oft ebenfalls in Gastwirt- auf den Kopf zu schlagen. Der Schuldige unter- schaften geführt worden sei, ihren Anfang ge- warf sich, d.h. er bekannte sich schuldig. Die nommen.16 So könnte es gewesen sein – es ist Strafzahlung (links) betrug 2 Reichstaler. mit so dürftigen Nachweisen jedoch eher als vage (Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Domkapitel Möglichkeit denn als Beweis anzusehen. Münster, Akten, oben: Nr. 2796; unten: Nr. 2800.)

Brüchtenregister (Strafregister) des Gogerichts zur Meest, Eintrag 1602: „Georg Komnis ist per Fiscum bespraichtt das ehr ihn Dieterichs Biderlackes Behaussungs thaitlichs ingefallen unnd ihme unverschuldeter Ursaichen seinne Glaisefinster ausgeschlagen. Reus hatt ange- lobtt Abdrachtt zu machen.“ Georg Komnis wurde durch den Advocatus Fisci (Anwalt des Staates in Zivilsachen17) ange- klagt, tätlich in Dietrich Biederlacks Haus einge- fallen zu sein und grundlos seine Glasfernster zerschlagen zu haben. Der Angeklagte gelobte Wiedergutmachung. Die Strafzahlung (links) be- trug 5 Taler.

13 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 1, S. 148 und 206f. 14 Nachweise in: Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Domkapitel Münster, Akten, Nr. 2796 und 2800. 15 Vgl. Irmgard Pelster, Münster im Wandel der Zeit, Heft 5: Brauchtum und Alltagsleben, Münster 2000, S. 122. 16 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 1, S. 148. 17 Vgl. Leopold Schütte, Wörter und Sachen aus Westfalen 800 bis 1800, Münster 2007, S. 87f., 237. 13 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Kaufhandel als wichtiger Gewerbezweig von der Die ältesten erhaltenen Geschäftsunterlagen, Mitte des 17. bis zum 19. Jahrhundert ein von 1703 bis 1727 geführtes Kreditbuch,23 deuten auch schon das typische zweite Standbein Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) hiesiger Kaufleute an: den Geldverleih.24 Für kam das Wirtschaftsleben auch im Münsterland diesen Geschäftszweig musste Kapital vorhanden langsam wieder in Schwung. Es verlagerte sich sein. Dass ein gewisser Wohlstand auch schon jedoch aus den Städten auf das Land. Der Fern- Ende des 17. Jahrhunderts in der Familie vor- handel der früheren Handelsmetropolen wie z.B. handen war, zeigt eine Eheberedung (heute Dortmund hatte gelitten, dafür war der regionale würde man Ehevertrag sagen) aus dem Jahr Warenverkehr im Aufschwung, besonders auch 1681, nach der die Braut Marie Biederlack u.a. mit den benachbarten Niederlanden. Im Müns- mit 400 Reichstalern in die Ehe mit Philipp terland erblühte die Textilherstellung. Die Ems Becker ging.25 Nur wenige Jahre vorher hatten ei- wurde damals als einziger Fluß Deutschlands nige Bauern noch Schulden in doppelter Höhe, nicht von fremden Mächten kontrolliert, aber die eine Folge des 1648 beendeten Dreißigjäh- ihre Schiffbarmachung, die der brandenburgische rigen Krieges waren.26 Da 400 Reichstaler durch- Große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1620-1688) aus zum Hausbau reichten und das Stammhaus anstrebte, wurde im Fürstbistum Münster nicht am Kirchberg selbst nach dem Brand von 1674 unterstützt.18 Dennoch darf die günstige Lage neu errichtet (und bezahlt) werden musste, deutet Grevens an der Ems nicht unterschätzt werden. sich in Umrissen eine für die dörflichen Verhält- Denn der Verkehr auf der Ems mit den flachen nisse und die Zeit nach dem Dreißigjährigen Pünten war auch vorher schon möglich gewesen Krieg hohe Finanzkraft der Familie an. und dieses flache Lastenboot blieb damit das typische Transportmittel.19 In dieser wirtschaftlich schwierigen zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich auch der kaufmännische Geschäftszweig der Familie Biederlack. Zumindest berichtet die ältere Lite- ratur zur Familiengeschichte von einer Fenster- scheibe aus dem Jahr 1695 mit der Inschrift „Bernhardt Biderlake, Kauffhendeler in Greven [...]“.20 Und schon in älteren Personenschatzun- gen von 1664, 1675 und 1690 wird Bernd Bie- derlack, der zwischenzeitlich in einer Schatzung von 1665 als Tagelöhner auftaucht und somit in jenem Jahr nicht schatzbar (steuerpflichtig) war, als „Heuker“, „Hoiker“ oder „Hoicker“, also als Finderlohnankündigung auf der Innenseite des rück- Hoeker (Krämer, Wanderhändler, manchmal auch seitigen Buchdeckels im Kreditbuch von Johann Bie- niedergelassener Händler) bezeichnet.21 In diesen derlack, geführt von 1703 bis 1727: "Johan Biderlake Jahren scheint sich – langsam, wie der steuerli- copman the Greven horet dises bug su. wer [es] findet che Misserfolg des Jahres 1665 zeigt – kaufmän- der bringe es den regten herren wider. sein lohn dar nischer Erfolg eingestellt zu haben, der von der for wirtt ihm nigt fehlen". (Stadtarchiv Greven, Existenz als Tagelöhner zum Wanderhandel und Depositum 86, Nr. G5182) mit eintretendem Erfolg zur Handelsniederlas- sung geführt haben dürfte. Mangels Quellen kann diese Entwicklung nicht eingehender beleuchtet Über die rechtliche Seite der kaufmännischen werden. Den Schatzungsregistern zufolge ist Buchführung informierte ein fürstbischöfliches Bernd Biederlack aber offenbar der erste erfolg- Edikt von 1688, das in die Geschäftsbücher ein- reiche Grevener Händler nach dem Dreißigjähri- gebunden werden musste. Das Edikt enthielt auch gen Krieg gewesen, bevor andere Familien einen Eid, der mit persönlichen Angaben sowie (Goldschmidt, Cordes, Haverkamp, Terfloth u.a.) der Beifügung der „Pittschaft“ (Petschaft: Siegel- Anfang des 18. Jahrhunderts ebenfalls als Händ- stempel) zu unterschreiben war. Die erhaltenen ler erfolgreich waren.22 Geschäftsbücher weisen die für die Rechtsgültig- keit nötigen Angaben allerdings nicht auf. Von fünf Biederlack’schen Geschäftsbüchern mit dem 18 Vgl. Gudrun Gersmann, Neue Herren – West- eingebundenen Edikt sind vier nur unterschrie- fälische Geschichte 1648-1770, in: http://www.west- ben (von der Witwe Biederlack (Catharina Agnes faelische-geschichte.de (8.4.2008). Manfred Wolf, Das 17. Jahrhundert, in: Wilhelm Kohl (Hg.), Westfälische Geschichte, Bd. 1, Düsseldorf 1983, S. 537-601, hier S. 599ff. 19 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 117ff. 23 StaG Dep. 86, Nr. G5182. 20 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 9. 24 Vgl. Walther Hermann / Herbert Schründer, 21 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 120 (zu 1664). Greven an der Ems, Wirtschaftsgeschichte eines west- Kirschnick, Familienbuch, Bd. 1, S. 186f. (zu 1675/ fälischen Dorfes, Münster 1938, S. 35f. 1690). 25 StaG Dep. 86, Nr. 268. 22 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 120. 26 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 21. 14 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

B., geb. Jochmaring), 1711-1777 bzw. 178427, bzw. drei von Anton Biederlack, 1743-1789), weitere für die Rechtsgültigkeit nötige Angaben fehlen.28 Die Geschäftsbücher galten jedenfalls zwei Jahre nach abgeschlossenen Geschäften vor Gericht nur dann als rechtsgültiger Nachweis, wenn sie die nötigen persönlichen Angaben beim Eid enthielten. Wollte der Händler bei zweijähri- gem Zahlungsverzug fünf Prozent Zinsen (ab 1773: vier Prozent) berechnen, musste der Schuldner eine Schuldanerkennung unterschrei- ben, sonst blieb nur der Gang vor Gericht.29 Zeigt sich in der mangelhaften Eidleistung eine buch- halterische Nachlässigkeit oder eher ein man- gelndes Vertrauen in die fürstbischöfliche Rechtssprechung? Möglicherweise handelten die Geschäftspartner damals auf Treu und Glauben und unterzogen sich, wenn der Schuldner länger als zwei Jahre nicht zahlte, nicht der Mühe eines Gerichtsverfahrens. Jedenfalls zeigt sich, dass rechtliche Rahmenbedingungen in der Praxis durchaus anders gehandhabt werden konnten. Die Waren, die damals bei Biederlack zu kaufen waren, bestanden vornehmlich in Texti- lien aller Art, aber auch Kolonialwaren (wie Zu- cker, Salz, Reis, Tabak, Honig, Wachs, Stockfi- sche, Tran, Öl, Gewürze, Rosinen), landwirt- schaftliche Produkte (Getreide, Heu, Holz, Lein- samen und Teer) und Eisenwaren (wie Fasseisen oder Nägel).30 Die Geschäftskontakte reichten bis Amsterdam, wo insbesondere englische Stoffe gekauft wurden oder nach Emden, wo Getreide angekauft wurde. Oft waren Lieferanten und Ausschnitt aus einem von 1783 bis 1790 geführten Kunden identisch, da nicht selten statt mit Geld Kaufmannsbuch: links wurden die Geschäftsdaten mit Waren bezahlt wurde. Ein wichtiger Teil der notiert, rechts die geflossenen Geldsummen in drei Arbeit des Kaufmanns bestand im Reisen zu den Spalten für Reichstaler, Schillinge und Pfennige. In Handelsplätzen wie Häfen, Messen und Märkten. der Mitte wurden Schuldner und Waren notiert, sowie Der Versand der Waren scheint dann aber nicht die Kaufsummen und gezahlte Raten. War die Summe unbedingt selbst organisiert worden zu sein, vollständig bezahlt, wurde dies notiert und der Ein- zumindest findet sich kein Nachweis, dass in trag gestrichen. Ein alphabetisches Register (in die- größerem Maße eigene Wagen, Kähne, Pferde sem Kaufmannsbuch am Anfang eingebunden) sorgte oder Fuhrknechte zum Geschäft gehörten.31 Erst dafür, dass man alle Geschäftspartner schnell im Johann Christoph Biederlack hat offenbar über Buch finden konnte. (Stadtarchiv Greven, Depositum eigene Pünten verfügt, was aber dann erst das 86, Nr. G 5148, Seite 318.) 19. Jahrhundert betrifft.32

27 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 15 ff. und S. 36, Anm. 38. Kirschnick, Familienbuch, Bd. 1, S. 188. 28 Beispiele in StaG Dep. 86, Nrn. 5193 (ohne Unterschrift), 5185, 5148, 5125 (jeweils mit Unter- schrift von Anton Biederlack). 29 Vgl. J[ohann] J[osef] Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Königlich Preußischen Erbfürstenthume Münster und in den standesherrlichen Gebieten , Rheina-Wolbeck, Dülmen und Ahaus-Bocholt-Werth über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechts- pflege vom Jahre 1359 bis zur französischen Militair- Occupation und zur Vereinigung mit Frankreich und dem Großherzogtum Berg in den Jahren 1806 resp. 1811 ergangen sind, Bd. 1: Hochstift Münster, von 1359 bis 1762, Münster 1842, S. 305f., 428. 30 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 122. Hermann / Schründer, Greven, S. 28. 31 Vgl. Hermann / Schründer, Greven, S. 37f. 32 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 23. 15 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Schulbildung, Ausbildung und Heiratsverhalten als ter gewesen sein, denn die dort (bis 1773) lehren- Grundlage für dauerhaften Erfolg den Jesuiten nahmen kein Schulgeld und die Schülerzahlen deuten auf die hohe überregionale Es ist deutlich, dass der über den regionalen Attraktivität der früheren Domschule.35 Die Rahmen hinausgehende Handel ein entsprechen- zweite höhere Schule der Grevener Umgebung, des Wissen des Kaufmanns voraussetzte, das in die „Hohe Schule“ in , kam aus einem guter Ausbildung und Erfahrung bestand. Für damals schwer wiegenden Grund wohl nicht für Johann Christoph Biederlack (1773-1854), den eine Ausbildung der katholischen Biederlacks in bedeutendsten Vertreter der Familie, ist nachzu- Frage: die konfessionelle Ausrichtung, denn die weisen, dass er 1787 das Gymnasium Paulinum Hohe Schule war eine Gründung der protestanti- in Münster besuchte.33 Doch schon in den Gene- schen (calvinistischen) Grafen von Bentheim, rationen davor ist damit zu rechnen, dass die und Steinfurt.36 männlichen Nachkommen der Familie eine an- Über die Bildung bzw. Ausbildung der weib- gemessene Schulbildung bekamen. Indirekt ist lichen Nachkommen ist nichts bekannt, doch die das aus den Berufen zu erschließen. Schon Jo- Heiratsmuster sind eindeutig: Von sieben er- hann Ferdinand Biederlack (1693-ca. 1750) wachsenen Töchtern aus drei Generationen von wurde 1718 zum Priester geweiht und war später Ende des 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts Kaplan in Greven. Auch sein jüngerer Bruder haben drei einen Kaufmann geheiratet, eine ei- Gerhard Niko- laus (1707-1742) wurde 1731 Priester und später Vikar an St. Ludgeri in Münster. Auch in der folgenden Generation war Johann Heinrich Ferdinand Bie- derlack (1735- 1785) zeitweise Vikar am Alten Dom zu Müns- ter, wo ihm sein jüngerer Bruder Christoph Hein- rich Wilhelm (1737-1812) 1763 nachfolgte. Deren nächst- jüngerer Bruder Gerhard Will- brand Biederlack (1740-1795) brachte es zum Doktor der Medizin.34 All diese Im Status Animarum, einer Auflistung der Bewohner Karrieren abseits des den jeweiligen Stammhal- des Dorfes Greven aus dem Jahr 1749, fehlen beim tern vorbehaltenen Kaufmannsberufs benötigten Eintrag des Hauses Biederlack die drei Söhne Johann eine solide Schulbildung. Die übrigen männli- Heinrich Ferdinand (14 Jahre), Christoph Heinrich chen Nachkommen seit Ende des 17. Jahrhun- Wilhelm (12 Jahre) und Gerhard Willbrand (9 Jahre): derts starben früh, so dass der Schluss zulässig ein Hinweis auf auswärtigen Schulunterricht. ist, dass mindestens die überlebenden männli- (Bistumsarchiv Münster, GV Altes Archiv, chen Nachkommen eine höhere Schulbildung Handschriften Nr. 150, Bl. 308r, Ausschnitt) bekommen haben müssen. Vermutlich werden sie alle Schüler des Gymnasium Paulinum in Müns- nen Jura-Professor der Universität Münster, zwei gingen ins Kloster, eine blieb unverheiratet.37

33 StaG Dep. 86, Nr. 379, darin: "Algebrae et Geometriae Elementum Primum in Aula publica Gym- 35 Vgl. Bernd Schönemann, Die Bildungsinstitu- nasii Paulini Monasterii Westphaliae A.R.S. tionen in der frühen Neuzeit, in: Franz-Josef Jakobi MDCCLXXXVIII. Demonstrabunt Selecti Syntaxistae (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, Bd. 1, Münster Antonius Arkenoe, ex Greven [...] Christophorus Bie- 1993, S. 683-733, hier S. 699f. derlack, ex Greven [...] Josephus Moorman, ex Greven 36 Vgl. Kreisheimatbund Steinfurt (Hg.), 400 [...]" des Gymnasium Paulinum aus 1787 (Christopho- Jahre Arnoldinum, 1588-1988, Greven 1988. rus Biederlack). Syntaxista war die Bezeichnung für 37 Zusammenstellung nach Hövel, Geschichte, S. die Schüler der dritten Klasse des Gymnasiums. 11, 15, 18f. und Kirschnick, Familienbuch, Bd. 1, S. 34 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 9ff. 1079. 16 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Es darf vermutet werden, dass auch die nur, dass sie Dorfbewohner waren.39 Offenbar weiblichen Nachkommen eine gewisse Bildung war entweder ihr Vater oder Onkel Wirt und erhielten, um standesgemäß verheiratet werden Kaufhändler, zumindest bestand durch ihre Ehe zu können. Entsprechendes dürfte auch von den eine direkte oder indirekte Verbindung zwischen in die Familie einheiratenden Frauen erwartet den Familien Biederlack und Jochmaring. Es worden sein. So hat die verwitwete Catharina scheint, als ob kaufmännisches Wissen nicht nur Agnes Biederlack geb. Jochmaring nach dem Tod über die männlichen, sondern auch über die ihres Mannes Christoph Bernhard (vermutlich weiblichen Nachkommen und Ehefrauen weiter- gegeben wurde. Dies erklärt sicher zum Teil auch das Heiratsverhalten: Eheleute, die beide aus Kaufmannsfa- milien stammten, boten beste Gewähr für eine erfolgreiche Weiterführung der Geschäfte. Und wenn das nicht der Fall war, bot eine standesgemäße Ehe der Kaufhändler unter den männlichen Biederlacks und die damit einhergehende Bildungsvoraussetzung auf Seiten ihrer Ehefrauen eine ähnlich günstige Prognose.

Notariell beglaubigtes Testa- ment der Witwe Biederlack, Catharina Agnes geb. Jochma- ring vom 9. Juni 1773 (gesie- gelte letzte Seite), in dem sie ihr Erbteil gleichmäßig auf die vier Söhne aufteilt, im Streitfall aber ihrem Sohn Anton, (der das Geschäft fortführt), ein Drittel zuspricht und ihn somit bevorteilt. (Stadtarchiv Greven, De- positum 86, Nr. 300) 1747) die Geschäfte weitergeführt, offenbar bis 1772, also etwa ein Vierteljahrhundert.38 Selbst wenn noch Dienstpersonal dafür zur Seite stand, konnte dies nur mit einem Mindestmaß an kauf- männischen Kenntnissen gelingen. Zu ihren El- tern gibt es widersprüchliche Angaben. Sicher ist

38 Die Witwe von Christoph Bernhard Biederlack (gestorben ca. 1747), Catharina Agnes Biederlack, geb. 39 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 14f.; Kirschnick, Fa- Jochmaring, führte die Handlung weiter, bis ihr Sohn milienbuch, Bd. 1, S. 1013f. und Prinz, Greven, Bd. 2, Hermann Anton (1743-1789) sie übernahm. Dies ge- S. 134. Hövel und Kirschnick machen unterschiedliche schah offenbar 1772, da Anton damals die ersten Angaben zur Herkunft der Catharina Agnes. Laut Geschäftsbücher mit seiner Unterschrift versah. Somit Hövel war ihr Vater Hermann Schulze Jochmaring, muss seine verwitwete Mutter etwa 25 Jahre verant- laut Kirschnick dessen Bruder Nikolaus Wilbrand Joch- wortlich gewesen sein. maring, dieser laut Prinz Kaufhänder und Wirt. 17 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Ein Ehevertrag aus dem Jahr 1681 Nach der Zustimmung der Anwesenden und der Bezahlung des Gottespfennigs – einer Ge- Von Andreas Froning und Stefan Schröder1 bühr, die oft den Armen zukam3 – folgt auf Seite 3 die Nennung der im Haus Biederlack anwesen- Das älteste erhaltene Dokument im Archiv der den Zeugen: Pater Aurelius Galen, Pater Joseph Familie Biederlack ist eine Eheberedung (Ehever- Becker, Pastor Nikolaus Wilbrand Holstein, Sa- trag) aus dem Jahr 1681. Sie gibt interessante cellan Hermann Betting, Franz Becker, Heinrich Einblicke in die Lebenswelt schon damals wirt- Becker und Philipp Becker senior. Für die Seite schaftlich gut gestellter Dorfbewohner, worauf der Braut: Pater Benning, Magister Johann Ben- die 400 Reichstaler hindeuten, die die Braut Ma- ning und Berndt (oder Everdt) Gerling. Den ria Biederlack mit in die Ehe mit Philipp Becker Schluss bildet der Nachweis des Notars Heinrich brachte und die damals zum Hausbau ausreich- Blome, die Eheberedung bezeugen zu können, ten. Darin spiegelt sich auch die Finanzkraft ihres das vorliegende Dokument abgefasst und zwei Vaters, des Kaufhändlers Bernd Biederlack. Duplikate für die beteiligten Parteien ausgefertigt Auf Seite 1 wird zuerst das Datum und der zu haben. Das Notariatssignet auf Seite 3 links Zweck des Dokuments genannt: Es stammt aus sorgte für die nötige Rechtsgültigkeit. Es wurde der Regierungszeit des Kaisers Leopold I. (regierte üblicherweise anstelle eines Siegels verwendet.4 1658-1705), vom 8. Mai 1681, 1 Uhr nachmit- Die Buchstaben dürften folgendes bedeuten: tags. Der Anfang des Dokuments folgt dem typi- oberhalb der Herzform: S[ignet], in der Herzform: schen Aufbau einer Notariatsurkunde. Dann wird H[enrich] B[lome] G[reven] N[otarius] P[ublicus]. auf den Grund der Urkunde verwiesen: Die Be- Der untere Teil von Seite 3 fehlt, der Text ist aber sprechung der Eheschließung zwischen Philipp fast vollständig erhalten. Es fehlt wahrscheinlich Becker junior, ehelicher Sohn des Grevener Dorf- nur noch die übliche Siegelankündigung. bewohners Philipp Becker senior und seiner ver- Einige Hinweise zu den Beteiligten: Notar storbenen2 Ehefrau Elisabeth Hüsing, mit Maria Heinrich Blome (ca. 1620-1685) war im Haupt- Biederlack, Tochter des Grevener Dorfbewohners beruf Küster.5 Die Eheschließung zwischen Phi- Bernd Biederlack und seiner verstorbenen Ehe- lipp Becker und Maria Biederlack fand am 30. frau Margarete Gerling, in deren und der Anwe- Juni 1681 statt.6 Familie Becker wohnte schräg senheit weiterer Zeugen. Die geplante Eheschlie- gegenüber der Familie Biederlack: Philipp Becker ßung sollte auf der Grundlage der Katholischen senior führte die Gastwirtschaft, die noch heute Kirchenordnung erfolgen: baldmögliche kirchli- unter dem Namen „Zum Goldenen Stern“ exis- che Trauung und geschlechtlicher Vollzug der tiert.7 Das erklärt auch die Nennung der „brawge- Ehe mit dem Versprechen ehelicher Liebe, Treue reedtschafft“ (Braugerätschaft) unter dem Besitz und Freundschaft. seines Vaters. Die Anwesenheit von Personen des Auf Seite 2 folgt dann die finanzielle Aus- Nachnamens Benning auf Biederlack’scher Seite stattung, die beide Eheleute von ihren Vätern erklärt sich damit, dass Bernd Biederlack nach erhalten sollten. Dem Bräutigam Philipp Becker dem Tod seiner ersten Frau, der hier als Mutter junior war von seinem Vater als Heiratsgut (loco von Maria Biederlack genannten Margarete Ger- dotis) der Erbteil versprochen, wozu dessen Besitz ling, am 27. Mai 1668 ein zweites Mal geheiratet (Gebäude, Grundbesitz, Gerätschaften und Tiere) hatte, und zwar Anna Benning aus Greven.8 Der aufgelistet und unter den Geschwistern aufgeteilt Bräutigam Philipp Becker (getauft 1654), muss werden sollte. Der Braut Maria Biederlack waren vor 1685 gestorben sein, denn in jenem Jahr von ihrem Vater neben der in Greven üblichen heiratete seine Frau Maria geb. Biederlack ein Kistenfüllung, dem Brautschatz, 400 Reichstaler zweites Mal.9 Sie blieb im Besitz der Gastwirt- versprochen, die nach der Hochzeit und vollzo- schaft, die später von ihrem jüngsten Sohn aus gener Ehe ausbezahlt werden sollten. der zweiten Ehe, Johannes Everhardt Glander- Anschließend wurden finanzielle Regelun- beck (1698-1782), weitergeführt wurde. gen für den Todesfall eines der beiden Ehepartner getroffen. Sollte der Bräutigam vor der Braut 3 Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch online, ohne leibliche Kinder (Erben) sterben, müsste die http://www.rzuser.uni-hd.de/~cd2/drw/e/go/ttpf/enni/ Braut an seine Verwandten 100 Reichstaler aus- gottpfennig.htm (15.5.2008). bezahlen und dürfte den übrigen Besitz des 4 Zum Notariatssignet vgl. Friedrich Beck/Eckart Bräutigams behalten. Sollte die Braut vor dem Henning (Hrsg.), Die archivalischen Quellen, 2. Aufl., Bräutigam sterben, galt dies entsprechend umge- Weimar 1994, S. 44. kehrt. 5 Vgl. Joseph Prinz, Greven an der Ems, Bd. 1, Greven 1976, S. 293ff. 6 Vgl. Ernst Hövel, Geschichte der Stammlinie Biederlack in Greven von ihren ersten Anfängen bis zu 1 Für zahlreiche Hinweise sind wir Dr. Annette Johann Christoph Biederlack (1796), Münster 1936, S. Hennigs, Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, sehr 32, Anm. 11. zu Dank verpflichtet. 7 Vgl. Kirschnick, Familienbuch, Bd. 1, S. 82f. Zu 2 So muss „weilandt“ wohl interpretiert werden, den Gastwirtschaften vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, Greven vgl. ihr Sterbejahr zwischen 1654 und 1657 in Rapha- 1977, S. 126f. ela und Herbert Kirschnick, Familienbuch des Kirch- 8 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 9. spiels Greven, Die Grevener Bevölkerung vor 1820, Bd. 9 Vgl. Kirschnick, Familienbuch, Bd. 1, S. 83 und 1, Greven 2002, S. 82. Hövel, Geschichte, S. 32, Anm. 11. 18 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

machers Jesu Christi Ein Tausendt Sechs- hundert Ein Und / achtzigh vierter in- diction Römer Zinß- Zahl genandt Reg- nante / Gloriosissimo et invictissimo Impe- ratore Nostro Leo- poldo huius / nominis Primo donnersthages am achten thagh Monatz May / umb Ein Uhrn nachmitta- giger Zeitt, Zu vor- derst Gott dem / all- mechtigen zu Lob, wie auch dem heilli- gen Geist undt zu ehrn / mehrung und vortpflantzung menschlichen ge- schlechtes wie auch ehelicher / Christli- cher Liebe und Freundtschafft eine Heyrahdtes bere- dungh zwischen / dem Ehrnhafft philip- ßen Beckers, des auch Ehrnhafften philipßen / beckers und Wei- landt Elysabeth Hü- singk Eingeseßenen dorpff / Greven Ehe- lich gezeugeten Soh- ne Und dan auch der Ehr und / Thu[gen]t- samen Junffern Ma- rien Byderl[a]k des Ehrnhafft Bernd / byderlake und Mar- garethe gerlingh Gott Sehlig, gewesenen Eheleuten / und Ein- geseßene dorpffes greven vorg[enannt] Von den Zeugen sind zwei besonders zu Ehelicher Tochter vorgenoh- / men und in nach nennen: der langjährige Pfarrer in Greven, Niko- oder zu endtzbenentter Herrn und Thagesfreun- laus Wilbrand Holstein (seit 1663 in Greven, gest. den / ahnwesenheitt abgeredet und beschloßen 1702) und der Sacellan (1. Kaplan) Hermann Bet- alß hernach beschrieben folget. / Und Zwarn ting (seit 1665 an der Kirche tätig, ging im Okto- erstlich ist beschloßen daß ietzg[enannter] breu- ber 1681 als Pfarrer nach Riesenbeck, gest. tigamb philipß / Becker und Maria byderlake die 1690).10 Braudt sich zur heilligen Ehe / nehmen und ha- ben und dieses Ihr Christliches Werck und vorha- [Seite 1] ben / erster gelegenheitt in angesicht der Kirche In Gottes nahmen. Amen. / Kundt und zu wißen vor des priesters Handt / Christlicher Catholischer sey hiemitt allen und iedermanniglichen / denen Kirchenordnung nach und folgenden beyschlaff / gegenwertiges offenes Documentum der Ehebe- vollen ziehen und bestettigen, und einander, wie reddung / zu sehen, lesen oder hören lesen Vor- fromme Eheliebenden / Christlichen Eheleuhten kommen wirt, daß im Jahr / nach der heilsamen gebühret alle eheliche Liebe, Trewe, und freundt- geburth Unsers Eintzigen Erlösers und Sehlich- / / schafft leisten und beweisen sollen und wollen, in maßen Sie dan Solches / ein ander stehtt und vest zu halten mitt Handt und mundt zugesagt / 10 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 1, S. 285. 19 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Hausgerahtt brawge- reedtschafft Pferde, Viehe, Wagen / und pflueg und Sonsten alles waß im Hauße ietzo vorhanden und / mitt anderen bru- deren und und schwestern darumb vergliechen

Die braudt wolle anbringen alle daß iehnige waß ihr der / ahnwesender Vatter berndt byderlake obg[enannt] zum braudtschatze / ver- sprochen alß in specie Vier hundert Reichstaller nebens / einer gebührlichen Kistenfullung wie alhie zu Greven ge- wohnlich / welches alles der Vatter erster Zeitt realiter Und in baerschafft / immedi- ate nach gehaltener hochzeitt und eheli- chen beylager / be- zahlen wolle idque stipulatione mediante cum clausulis / solitis et hypotheca bono- rum.

[Zeile ist unleserlich, fehlt teilweise] (ohne Leibes) / Erben /:welches doch Gott der allmechtige in gnaden verhüten / Wolle:/ mitt thoedt abgehen, solle die braudt ahn seine naheste / verwandten außgeben hundert und versprochen haben zu welchen auch Gott der Reichstaller und dagegen in / allen besitz ruhigh allmechtig Seine / Gottliche gnaden und Segen pleiben aller des breutigambs obgenantter / spe- geben wolle. Amen. cificirten gutter.

[Seite 2] Solte aber hingegen die braudt vor den breuti- Vor daß ander So Viehle die zeittliche nahrung, gamb ohne hinter- / laßung leibes erben welche ietzg[enann]te iunge / Eheleuhte beyder- /:Welches gleichfalß Gott der allmechtige in / seits zusahmen bringen werden betrifft, hatt der gnaden verhüten wolle:/ sterben, Solle der breu- breuti- / gamb und resp[ectiv]e sein ahnwesender tigamb gleichermaßen / ahn ihre naheste Ver- Vatter philipß Becker senior / Loco dotis11 anzu- wandten außgeben hundert Reichstaller und / bringen versprochen Seines [genannten] philipß dagegen alles unwiedersprechlich behalten, waß des Vatters / Hauß gademe spyker schürn gartten die braudt ahn / braudtschatz angebracht. wyshe Landt und Sandt / korn auffm lande Wie dan solches nebens allen waß obstehet von 11 Offenbar: als Heiratsgut, vgl. Leopold Schütte, beiderseits ahnwesenden / herren freunden und Wörter und Sachen aus Westfalen 800 bis 1800, Verwandten placitirt und angenohmen und / zu Münster 2007, S. 195, 420. 20 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

wertiges Docu- mentum /:deren / zwey gleichlau- tende extrahirt und beide theillen:/ / Communicirt:/ da- rüber verfertigt, mit eigener / (Hand) ge- schrieben unter (schrieben) und [mit] (meinem) […]

mehrer Vesthaltung aller obgeschriebener punc- ten der Gottes / pfenningk von beiden Theillen Die Abbildungen zeigen das unvollständige Original außgegeben worden alles ohne der Eheberedung, bestehend aus einem gefalteten Bogen Papier, Seiten 1 bis 3 beschrieben. [Seite 3] (Stadtarchiv Greven, Depositum 86, Nr. 268) argelist und gefehrde so geschehen im dorppfe Greven in mehr- / dachten byderlaken behau- ßung in dato alß obstehet das bey ahn / und übergewesen die Woll Ehrwürdige und wollge- lehrte Herrn / H[err] Pater Aurelius Galen. H[err] Pater Josephus Becker Herr / Nicolaus Wilbran- dus Holstein Pastor H[err] Herman Bettingk sa- cellanus / in Greven Frantz becker Henrich becker und philipß Becker / senior ahn braudts- seithen aber H[err] Pater 12Benning, M[a- giste]r / Johan benningk und berndt [über- schrieben: Everdt13] Gerlingk hier zu sonderlich beruffen / und erbettene Thages Freunde und gezeugen

Und weiln dan Ich Henrich Blome Imp[erator]i auct[oritat]e / publicus et iuratus Notarius bey vorgeschriebener / handlung und resp[ectiv]e Ehebereddung selbst zu / gegen gewesen bin alles also wie obstehet ge- / schehen und abgeredet zu sein gesehen und gehöret / in notam genohmen und in dieße offene form / gebracht und gegen-

12 Die Leerstelle diente offenbar dazu, nachträg- lich den fehlenden Vornamen eintragen zu können. 13 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 32, Anm. 13: „Bernd (Everd?) Gerlingk“. Nach Kirschnick gab es einen 1663 getauften Berndt Gerling, ein Everhard G. lässt sich erst bei dessen Eheschließung 1728 nach- weisen, vgl. Kirschnick, Familienbuch, Bd. 1, S. 654, S. 657. 21 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

By der Lake – Biederlack schaftssprache Latein verfasst, im Familienarchiv Spuren einer Grevener Familie die Jahrhunderte überdauert.4 vom 16. bis 20. Jahrhundert (Teil 2)

Von Stefan Schröder

Ein Biederlack als Arzt: Gerhard Willbrand Biederlack (1740-1795)

Ein interessantes Familienmitglied ist Gerhard Willbrand Biederlack, vierter Sohn von Christoph Biederlack (1695-ca. 1747) und Agnes Katharina, geb. Jochmaring (1711-1777/1784). Nachdem deren ältester Sohn als Kind ertrunken war und die beiden nachfolgenden Söhne Geistliche ge- worden waren, muss sich Gerhard Willbrand schon recht früh im Vergleich mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Hermann Anton (1743- 1789) als ungeeignet für den Kaufmannsberuf herausgestellt haben. Denn nicht er, sondern Hermann Anton führte den Kaufhandel des Va- ters fort.1 Umso erstaunlicher ist seine eigene Karriere, die ihn als knapp Zwanzigjährigen An- fang 1760 als neu immatrikulierten Studenten er Universität Straßburg zeigt.2 Seine studentische Karriere ist nur noch mit einem weiteren Imma- trikulationsdatum zu umreißen: am 6. Oktober 1764 an der Universität Duisburg, wo er zwei Tage später zum Doktor der Medizin promoviert. Verpflichtung des Dr. med. G.W. Biederlack als Amts- arzt in Vechta, 1766. (LWL-Archivamt Münster, Vereinigte Westf. Adelsar- chive, Archiv Assen, Drostenamt Vechta, Nr. 81)

1766 wurde G.W. Biederlack Amtsarzt in Vechta und anschließend – der genaue Zeitpunkt ist noch nicht erforscht – Leibarzt des Fürstabtes in Corvey. Er verließ Corvey im Streit und war zu- letzt als praktischer Arzt in Münster tätig, wo er als Junggeselle 1795 starb. Den wenigen Hin- weisen ist zu entnehmen, dass er seinen Beruf nicht kontinuierlich ausübte, als Ratgeber für Promotionsurkunde der Universität Duisburg für G.W. Schwerkranke aber sehr gefragt war.5 Das ver- Biederlack, 1764 wundert nicht, wenn man seine gute medizini- (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 233) sche Ausbildung und Karriere bis zur Station in Corvey als Beleg für exzellente Kenntnisse Wohl vorher, aber im gleichen Jahr hat er die nimmt. Familiär war er 1779 als Taufpate für nötige Dissertation geschrieben, deren Titel „De seinen Neffen Gerhard Franz Anton Biederlack, vertigine“ (Über den Schwindel) von seinen me- einen jüngeren Bruder Johann Christoph Bieder- dizinischen Studien zeugt.3 Immerhin hat seine lacks, aktiv6, besonders aber auch als Ge- Promotionsurkunde, in der damaligen Wissen- sprächspartner für den jungen J.C. Biederlack selbst.7

1 Vgl. Ernst Hövel, Geschichte der Stammlinie Biederlack in Greven von ihren ersten Anfängen bis zu 4 Stadtarchiv Greven (StaG) Dep. 86, Nr. 233. Johann Christoph Biederlack (1796), Münster 1936, S. 5 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 14f. und S. 35f., 14f. und S. 35f., Anm. 30-34. Anm. 31-34. Das Ende der Tätigkeit in Corvey ist 2 Freundliche Mitteilung von Manfred Komorow- bislang nur durch mündliche und schriftliche Überlie- ski, Universitätsbibliothek Duisburg-Essen, per Email ferung innerhalb der Familie nachgewiesen. Archiva- vom 19.10.2007. lien der Fürstabtei Corvey im Landesarchiv NRW Ab- 3 Das rare Original der 8-seitigen Schrift lässt teilung Westfalen wurden bislang nicht ausgewertet. sich nur in der British Library in London, der 6 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 21. Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, dem 7 Ein Beispiel ist das Briefkonzept des J.C. Bie- Medizinhistorischen Institut und Museum der Uni- derlack über einen Brief an seinen Onkel, Doctor Bie- versität Zürich und in der Cornell University, Ithaca, derlack, undatiert (12.-19. August 1791), in StaG, Dep. N.Y. nachweisen. 86, Nr. 412. 22 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Generationenfolge im Krämer- und Anna Elisabeth Müller mit genehmhaltung Kaufmannsberuf der Vor Münder Pupillen17 Anton Biederlack die Handlung in Biederlacken Hauß auf 6, 7, – Dietherich bzw. sein jüngerer Bruder Johann oder 8 Jahren übernehmen wird, dieselbe zur Biederlack (geboren vor 1595, da ihr Vater 1594 Fortsetzung ihrer respectiven Handlung aus 8 dem Waaren Laager des Sel[i]g[en] Anton Biederlack starb ) Beruf unbekannt, möglicherweise Gast- für die Summa zu Drey Tausend Reichst[haler] wirte und Krämer gegen jahrliche Zinsen von Drey vom Hundert, – Berndt Biederlack (vermutlich Sohn von Jo- welche Zinsen 1790 Michaeli anfangend, über- hann B., Geburts- und Sterbedaten unbekannt, laßen werden mochte. Für solche überlaßung ca. 1630/40-mindestens 1700, da er noch in Cavieren18 alt selbst schuldners bis dahin. Das vorer- diesem Jahr Taufpate war9) Höker, später Kauf- nandtes Kapital, durch baares Geld, oder eine händler andere zum gnugen der Vor Münder gestellte 19 – Johannes Biederlack (1664-ca. 173010) Kauf- Caution, praestieret werde. händler Dabei wird beschloßen, das[s] – Christoph Bernard Biederlack (1695-ca. 1746- die Mademoiselle Anna Elisabeth Müller 11 nach Verlauf von vier Jahren jahrligs als dan 49 [vermutl. 1747] ) Kaufhändler auf obiege Drey Tausend Reich[s]thaler Drey – die Geschäfte wurden nach seinem Tod weiter- Hundert Reichst[haler] ad compitum20 bezahle. geführt von seiner Witwe: Catharina Agnes Bie- Greven 13 Oct[obris] 1789. derlack, geb. Jochmaring (1711-1777 bzw. J.M. Müller 178412). M.M. Müller geb. Frye – Hermann Anton Biederlack (1743-178913) Kaufhändler, starb nach seiner Frau Maria Elisabeth Frye (1753-178114) und hinterließ vier minderjährige Kinder (zwei weitere waren bereits im frühen Kindesalter verstorben).15 Vormund der Kinder wurde der Onkel in Meppen, Johann Henrich Frye. Das Geschäft wurde für die Erzie- hung der Kinder teilweise liquidiert und die Reste von einer Nichte Fryes weitergeführt. Diese, Anna Elisabeth Müller, eine Tochter seiner Schwester Maria Magdalena Müller geb. Frye, hatte dem verstorbenen Witwer Anton Biederlack schon den Haushalt geführt.16 Der älteste Sohn, Johann Christoph Ferdinand Biederlack (1773- 1854), sollte, nachdem er 1796 volljährig wurde und das Geschäft übernahm, der wichtigste Ahn- herr der Familie werden. Voraussetzung dafür war aber, dass die Vormünder der hinterbliebe- nen Kinder des verstorbenen Anton Biederlack dessen Handlung fortführen und Außenstände bei Schuldnern eintrieben ließen.

Transkription des Vertrages: Wir untengeschriebene Joan Martin Müller und Maria Magdalena Frye, Ehe Fraw Müller verbinden uns mit diesen, das[s], da unsere Tochter

8 Vgl. Joseph Prinz, Greven an der Ems, 2. Aufl., Bd. 2, Greven 1977, S. 149. 9 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 9. 10 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 8. 11 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 11, 15. Raphaela und Herbert Kirschnick, Familienbuch des Kirchspiels Der Vertrag vom 13. Oktober 1789, der die finanzielle Greven, Bd. 1, Greven 2002, S. 188. Regelung für die Weiterführung des Biederlackschen 12 Vgl. Hövel, Geschichte 6, S. 15ff., S. 36, Anm. Handelshauses in Greven durch Anna Elisabeth Müller 38. Kirschnick, Familienbuch, Bd. 1, S. 188. enthält und für 6, 7 oder 8 Jahre gelten sollte. Tat- 13 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 15. Kirschnick, Fa- sächlich übernahm mit Johann Christoph Biederlack milienbuch, Bd. 1, S. 188. nach seiner Volljährigkeit 1796 wieder ein Träger des 14 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 18. Kirschnick, Fa- Namens Biederlack den Familienbetrieb. milienbuch, Bd. 1, S. 188. (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 300) 15 Vgl. Hövel, Geschichte, S. 18, 21. 16 Vgl. Ernst Hövel, Johann Christoph Bieder- lack, in: Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiogra- 17 Waisen. phien, Bd. 4, Fotomechanischer Nachdruck der 1941 18 bürgen. erschienenen Auflage, Münster 1974, S. 23-48, hier S. 19 geleistet bzw. entrichtet. 25. Hövel, Geschichte, S. 24. 20 Als Ganzes, nicht in Raten. 23 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

ging jedoch 1807 in Konkurs. 1804 hatte er seine Cousine Justina Frye (1781-1812) aus Meppen geheiratet, offenbar eine Tochter seines Vor- munds, was wiederum die Bindungen zwischen verschiedenen Händlerfamilien zeigt, denn auch sein Vormund Johann Henrich Frye war Kauf- händler. An dem Geschäft in Amsterdam hatte sich auch Johann Christoph Biederlack mit 10.000 Gulden beteiligt. Er hatte aber größeren eigenen Verlusten vorgebeugt. Der Konkurs des Aufforderung an Spengler in Greven, die Schulden bei Bruders beeinträchtigte das Grevener Handels- dem verstorbenen Anton Biederlack bei dem Vormund haus daher nicht gravierend.23 von dessen Kindern, Bernhard Philipp Terfloth (1721- 1799)21, zu bezahlen, 25. Oktober 1790. Jugendzeit, Ausbildung und Privates (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 378) von Johann Christoph Biederlack 1773 Am 30. November wurde Johann Chris- toph Biederlack in Greven getauft. Johann Christoph Biederlack (1773-1854): 1781 Nach dem Tod seiner Mutter waren er Händler, Fabrikant und Politiker und drei Geschwister Halbwaisen. 1787 Johann Christoph ist als Schüler des Noch heute nimmt Johann Christoph Biederlack Gymnasium Paulinum in Münster nach- eine Ausnahmestellung in der Geschichte der Fa- weisbar.24 milie Biederlack ein. Seine Jugendzeit war ge- 1789 Nach dem Tod des Vaters waren Johann prägt von einer nicht absehbaren beruflichen Christoph Biederlack und seine Ge- Zukunft wegen des in der Vormundschaftszeit schwister Vollwaisen, ihr Vormund von 1790 bis 1796 stark verkleinerten Handels- wurde ein Onkel, Johann Henrich Frye in geschäfts, das sein Vater bei seinem Tod 1789 Meppen, wo Johann Christoph sich bis hinterlassen hatte. Nach seiner Volljährigkeit 1791 aufhielt. schaffte es Johann Christoph aber, eine schnelle 1791 Ab Pfingsten wurde Johann Christoph Gesundung und Expansion des Handelsgeschäfts Biederlack Lehrling bei der Handlung J.J. herbeizuführen. Dies war, wie sich in den folgen- Vüllers in Paderborn, wo er fünf Jahre den Jahren zeigte, nicht zufällig und glücklich, blieb. sondern das Ergebnis seiner Erziehung und Aus- 1796 Volljährigkeit. bildung zu einem hart arbeitenden, gut ausgebil- 1798 Eheschließung mit Gertrud Biedenharn deten jungen Kaufmann. Zu seinem außerge- (1776-1838) aus Neuenkirchen. Sechs der wöhnlichen Ruf beigetragen hat aber auch, dass zehn Kinder überlebten. er in hohem Maße schriftliche Zeugnisse seines 1854 Am 1. Mai starb Johann Christoph Bie- Lebens hinterlassen hat, die noch heute seine derlack im Alter von 80 Jahren. Leistungen anschaulich machen. Seine zahlrei- chen Lebensstationen in privater, beruflicher und öffentlicher Sphäre sind besonders über eine 22 knappe Auflistung am besten zu überblicken. Auch Johann Christophs jüngerer Bruder Gerhard Franz Anton Biederlack (1779-1848) war als Händler tätig. Nach Abschluss einer Kauf- mannslehre in Emden eröffnete er 1802 in Ams- terdam ein Geschäft (van Ötken & Biederlack). Es

21 Vgl. Kirschnick, Familienbuch, Bd. 2, S. 1810; Prinz, Greven, Bd. 2, S. 34, zur Person und Lebensda- ten. Bislang ist über Terfloths Vormundschaft nichts J.C. Biederlack bescheinigt seinem Vormund J.H. Frye bekannt. Vermutlich musste er als Vogt die Vor- den Erhalt von 45 Reichstalern, in denen 11 ½ mundfunktion in Greven ausüben, wo das Geschäft Reichstaler für den Erhalt der Volljährigkeit („Groß- von Anna Elisabeth Müller übergangsweise geführt jährigkeit“) enthalten sind, 3. Juli 1796. wurde, während der bislang bekannte Vormund, J.H. (aus: Ernst Hövel, Geschichte der Stammlinie Bieder- Frye, in Meppen die Kinder des Anton Biederlack aufgenommen hatte. Genaueres bliebe noch zu erfor- lack in Greven von ihren ersten Anfängen bis zu Jo- schen. hann Christoph Biederlack (1796), Münster 1936, S. 22 Grundlegend zu J.C. Biederlack ist immer 25. Verbleib des Originals ungeklärt) noch Hövel, Johann Christoph Biederlack. Ergänzend neuerdings auch Peter Voss, Johann Christoph Bieder- lack (1773-1854), Ein Grevener Kaufhändler im Pro- zess der Industrialisierung, in: Anja Victorine Hart- 23 Vgl. Voss, Johann Christoph Biederlack, S. 43; mann/Malgorzata Morawiec/Peter Voss (Hrsg.), Eliten Hövel, Geschichte, S. 21; Hövel, Johann Christoph Bie- um 1800, Erfahrungshorizonte, Verhaltensweise, derlack, S. 29ff. Handlungsmöglichkeiten, Mainz 2000, S. 35-54. 24 StaG, Dep. 86, Nr. 379. 24 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

er auch eigene Pünten (für die Ems ge- eignete flache Transportboote). 1804 Biederlack beschäftigte in seiner Greve- ner Handlung zwei „Comptoirbediente“ und drei Mägde. 1811 Im Oktober pachteten J.C. Biederlack und sein Schwager Franz Mülder eine Wiese in Emsdetten, um dort eine Bleiche ein- zurichten. Im November gründeten sie dort die Firma „Biederlack, Mülder & Co.“ zusammen mit Bernhard Kohaus aus Zwolle (ein schriftlicher Societäts-Vertrag dazu folgte erst 1823). 1812 Die textilverarbeitende Firma „Biederlack, Mülder & Co.“ ließ in Emsdetten ein Pack- und Bleichhaus bauen, wo Roh- garne veredelt wurden und später die Aufstellung eigener Webstühle die Haus- weberei ablöste. Es existierten Hauptlager in Greven und Emsdetten, daneben wei- tere Lager in Zwolle und kleinere in Nordhorn und Wesel. 1818 Teilhaber Bernhard Kohaus in Zwolle stieg aus der Firma „Biederlack, Mülder & J.C. Biederlack, um 1810 Co.“ aus. (aus: Ernst Hövel, Die Nachfahren des Johann Chris- 1829 Um 1829 hatte sich die Produktion von toph Biederlack und der Gertrud Biedenharn, Münster „Biederlack, Mülder & Co.“ von feinerem 1926, S. IV. Im Original Aquarell-Miniatur) Leinen verändert zu grobem Pack- und Sackleinen. Zunehmend wurden einfa- Berufliches chere Bauwollstoffe wie Köper und Nessel 1793 Noch während der Lehrzeit bei der produziert. Handlung J.J. Vüllers in Paderborn be- 1834 Nach dem Tod von Franz Mülder trat an gann Johann Christoph Biederlack etwa seine Stelle Biederlacks Sohn Johann 1793 mit seinem Vetter F.W. Müller aus Friedrich (1800-1870) als Teilhaber ins Meppen einen Handel mit Makulatur Geschäft „Biederlack, Mülder & Co.“ (Papier zum Einwickeln) und Schreibwa- ein,25 dazu auch Heinrich Heuveldop aus ren in das Fürstbistum (Hochstift) Müns- Emsdetten. ter, wo es damals keine Papierfabrik gab. 1835 Das Packhaus in Emsdetten war das ein- 1796 Nach der Volljährigkeit übernahm Jo- zige Fabrikgebäude im Kreis Steinfurt. hann Christoph Biederlack das Hand- 1836 Biederlacks Sohn Franz Anton (1814- lungsgeschäft seines verstorbenen Vaters 1883) leistete seinen Militärdienst ab und in Greven, das seit dessen Tod über- arbeitete anschließend im väterlichen Ge- gangsweise von einer Nichte des Onkels schäft mit.26 J.H. Frye geführt worden war. Zunächst 1842 Errichtung eines neuen Fabrikgebäudes beschränkte er sich auf wenige gängige an der Rheiner Landstraße in Emsdet- Massengüter wie Tran, Teer, Kaffee, Reis, ten.27 Papier, Genever, Zichorie, Seife, Pflau- 1848 Biederlacks Sohn Franz Anton wurde als men und Honig. Teilhaber in die Firma „Biederlack, Mül- 1797 Seit diesem Jahr wurde die Firma unter der und Co.“ aufgenommen und ersetzte dem Namen „J.C. Biederlack“ geführt. den ausscheidenden Heinrich Heuvel- Voraussetzung war ein Gesellschaftsver- trag (Contract, schriftlich erst 1801 fest- gehalten) mit seinem Vetter Johann Heínrich Striethorst aus Rheine, um Kapi- tal für das Geschäft zu bekommen. Schon 25 Vgl. Volker Innemann, Franz Anton Bieder- 1798 wurde ein Reingewinn von 3975 lack (1814-1883), in: Hans Jürgen Teuteberg (Hg.), Die Talern erzielt. Um 1800 hatte die Hand- westmünsterländische Textilindustrie und ihre Unter- lung in Greven wieder ihre alte Größe. nehmer, Münster 1996, S. 90-101, hier S. 91. 26 Zu klären bleibt allerdings, ob es sich dabei 1803 Die Handlung von Biederlack wird als um die Handlung „J.C. Biederlack“ in Greven oder um Großhandlung beschrieben, die Waren „Biederlack, Mülder & Co.“ in Emsdetten handelte. direkt aus England oder über Ostfries- 27 Vgl. J.C. Biederlack & Co., 200 Jahre 1797- land, Holland und Bremen bezog. Für den 1997, [Emsdetten] 1997. Transport seiner Waren beauftragte er 28 Jahresangabe 1848 nach Innemann, Franz Speditionen. In späteren Jahre unterhielt Anton Biederlack, S. 91, dazu faksimiliertes Dokument vom 31.3.1849 in: J.C. Biederlack & Co., 200 Jahre 25 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

dop.28 1804 Biederlack war an einer Eingabe an die 1849 Übernahme der ehemaligen Firma preußische Regierung in Münster für ein („Handlungs-Geschäft“) „Biederlack, Mül- neues Armeninstitut maßgeblich beteiligt. der & Co.“ in die Grevener Kolonialwa- Darin versuchte er, vom Prinzip des Al- renhandlung „J.C. Biederlack“, fortan un- mosengebens abzurücken und die Ar- ter dem Namen „J.C. Biederlack & Co.“; menversorgung an Arbeitsleistungen der Zusammenschluss beider Geschäftszweige und Arbeitsbeschaffung für die arbeitsfä- (Leinen- und Nesselverarbeitung in Ems- higen Armen zu knüpfen. Das Grevener detten, Kolonialwarenhandel im Stamm- Armenhaus hatte damals Pionier- und haus am Kirchberg in Greven). Vorbildcharakter. 1809 J.C. Biederlack wurde unter französischer Vorherrschaft einer von zwei Beigeord- neten (Adjoints), die dem Bürgermeister (Maire) zur Seite standen. 1816 Zur Zeit des ersten preußischen Gemein- derats nach der Franzosenzeit war J.C. Biederlack immer noch Beigeordneter.30 1822 J.C. Biederlack wurde als einer von 17 Vertrauensmännern der preußischen Provinz Westfalen bestimmt und nahm an vorbereitenden Besprechungen zur Einrichtung des Westfälischen Provinzi- allandtages teil. 1826 Er wurde für den Stand der Landgemein- den gewählt als Abgeordneter zum ersten Westfälischen Landtag. 1841 schied er wegen veränderter Wahlbedingungen aus dem Westfälischen Landtag aus, da er nicht – wie für einen dörflichen Vertreter vorgeschrieben – Bauer war. Auf dem Landtag 1826 sprach sich Biederlack für eine Verbesserung der Emsschiffahrt aus. 1826 Ab 1826 übernahm Biederlack beratende Aufgaben bei der Erstellung des Grund- steuerkatasters für eine gerechtere Steu- J.C. Biederlack, vermutlich 1830er-Jahre ergesetzgebung. (aus: Ernst Hövel, Geschichte der Stammlinie Bieder- 1831 Die Genehmigung für eine Provinzial- lack in Greven von ihren ersten Anfängen bis zu Jo- hilfskasse wurde erteilt, für die sich auch hann Christoph Biederlack (1796), Münster 1936, S. J.C. Biederlack stark gemacht hatte. Bis 18. Im Original Pastellgemälde) kurz vor seinem Tod war er einer von drei Mitgliedern ihrer Direktionskommis- Öffentliche Tätigkeiten sion. 1801 J.C. Biederlack hatte erstmals ein öffent- 1832 Im Adressbuch für die Provinz Westfalen liches Amt inne: Rottmeister (d.h. Ver- ist Biederlack sowohl als Beigeordneter treter eines von vier „Rott“ genannten der Landgemeinde Greven, als auch als Viertel des Dorfes Greven) und Rech- einer von zwei Beigeordneten der Bür- nungsführer des Dorfes Greven. Rott- germeisterei Greven genannt.31 meister blieb er bis 1809, als Rechnungs- 1832 Biederlack wurde für seine Verdienste um 29 führer war er noch 1815 im Amt. das Gemeinwohl Ritter des Roten Adler- 1802 Am 2. August empfing der preußische ordens 4. Klasse. General Blücher im Hause Biederlack (als 1837 Als einer der ersten in der Provinz West- Gast von Johann Christoph Biederlack) falen erhielt er den Titel Königlicher den vergeblichen Protest des münsteri- Kommerzienrat. schen Domkapitels gegen die preußische 1843 J.C. Biederlack wurde als Vertreter in die Inbesitznahme des Fürstbistums Münster. Gemeindeversammlung Greven-Dorf ge-

30 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 221. 31 Vgl. Alfred Bruns (Hg.), Westfalenlexikon 1797-1997. Nach Hövel, Johann Christoph Biederlack, 1932-1935, Münster 1978, S. 233f. Die Bürgermeisterei S. 33, soll der Eintritt 1852 erfolgt sein. Greven hatte Tümler als Bürgermeister und Gronover 29 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 42. als weiteren Beigeordneten, vgl. ebd., S. 234. 2 6 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

wählt. 1844 Als Vertreter des Dorfes Greven wurde er in die erste Amtsversammlung gewählt.32 1844 Ab 1844 engagierte sich J.C. Biederlack für den Eisenbahnbau und die Strecken- führung der Linie Münster-Rheine über Greven und Emsdetten. Gleichzeitig for- derte er auch den Ausbau der Straße (Chaussee) von Münster nach Greven. 1850 J.C. Biederlack wurde Ortsvorsteher im Dorf Greven.33

Nachricht der Firma J.C. Biederlack & Co. vom Tode ihres Gründers, 2.5.1854 (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 410)

Nach Johann Christoph Biederlack: Die Söhne Johann Friedrich Biederlack (1800-1870) und Franz Anton Biederlack (1814-1883)

Neben seinem älteren Bruder Johann Friedrich Biederlack (1800-1870) war Franz Anton Bieder- lack (1814-1883) Teilhaber der vom Vater ge- erbten Firma „J.C. Biederlack & Co.“. War ersterer schon 1834 als Teilhaber in die Firma aufge- nommen worden, musste der Jüngere bis 1848 warten. Typische Abschnitte seines Lebenslaufs J.C. Biederlack, vermutlich um 1850 waren die Schulbildung (Gymnasium Paulinum (aus: 150 Jahre J.C. Biederlack & Co, Emsdetten 1947. in Münster) und eine dreijährige kaufmännische Im Original Lithografie) Ausbildung in Münster (im Geschäft des Paul 34 Busson).

Zeugnis für Franz Anton Biederlack von seinem Lehr- herrn Paul Busson in Münster, 21. März 1836 (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 277)

32 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 222. 33 Vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 223. 34 Vgl. Innemann, Franz Anton Biederlack. 27 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Kennzeichnend für Franz Anton war der innova- Auch in politischen Ämtern tat es Franz Anton tive und erfolgreiche Schritt als Mitbegründer der Biederlack seinem Vater gleich und engagierte ersten Textilfabrik in Greven 1855, der Grevener sich: als Gemeinderat des Dorfes Greven (erst- Baumwoll-Spinnerei (GBS), wobei er beim An- mals gewählt im Dezember 1855)35, Stellvertreter kauf der Maschinen auf die neuesten Modelle des Amtsmanns Tümler (Beigeordneter) 185836, drängte. Die Fabriklage am rechten Ufer der Ems, als Wahlmann des Amtsbezirkes Greven für die abseits der schon im Bau befindlichen und 1856 Wahlen 1858 zum Preußischen Abgeordneten- eröffneten Eisenbahnstrecke Münster-Rheine, haus, 1872 als Kreistagsabgeordneter (der er bis verdeutlicht noch die geplante Zulieferung der zu seinem Tod blieb). Von 1859 an stand er bis Fabrik über die Ems. Das deutet in diesem Punkt zu seinem Tod auch noch als Direktor an der auf eine Fehleinschätzung der durch die Eisen- Spitze der Sparkasse des Kreises Münster.37 Auch bahn veränderten Verkehrsbedingungen hin, die war er 1868 an der Gründung der Höheren Mäd- den Erfolg der Fabrik aber nicht beeinträchtigte. chenschule in Greven beteiligt und wurde in den Die Führung der GBS lag in den Händen des Schulvorstand gewählt. 1877 erhielt er für seine Mitbegründers Johann Schründer. Franz Anton Verdienste den preußischen Königlichen Kronen- Biederlack war zwar stellvertretender Direktor der Orden vierter Klasse verliehen. Da sein Bruder GBS, hielt sich in dieser Position jedoch sehr Johann Friedrich in zwei Ehen kinderlos blieb, zurück. führte Franz Antons Sohn Fritz (1853-1924) das Nach den guten Erfahrungen mit der neuar- Unternehmen fort. tigen Dampfmaschine bei der GBS wurde unter Von elf Kindern des Franz Anton Biederlack Franz Anton Biederlack diese technische Neue- waren die vier männlichen Nachfahren in für die rung auch in der eigenen Firma „J.C. Biederlack Familie auch bislang schon typischen Berufen & Co.“ in Emsdetten eingeführt. Geplant hatte tätig. Drei wurden Textilfabrikanten: neben Fritz dies noch der Firmengründer Johann Christoph waren dies der älteste Sohn Christoph (1843- Biederlack. Vielleicht hat sein Sohn Franz Anton 1918), der eine Fabrik in Mönchengladbach er- über den „Umweg“ der GBS-Gründung eine absi- warb, und der jüngste Sohn Eugen (1866-1904), chernde Probe der neuen Maschinen abseits des der in Greven als Kaufmann (Fabrikant) tätig Stammwerkes durchgeführt. Seine Motive müss- war, aber schon früh starb.38 Josef Biederlack ten jedoch noch näher untersucht werden. (1845-1930) schlug die geistliche Laufbahn ein und wurde Professor für Moral- und Pastoral- theologie in Rom und Innsbruck.39

35 StaG A 286, Wahlbekanntmachung, 22.1. 1856. 36 StaG A 287, Schreiben des Landrats in Müns- ter, 24.2.1858. Als er 1883 starb, war er (immer noch) Beigeordneter, vgl. Prinz, Greven, Bd. 2, S. 239ff. 37 Vgl. Kreissparkasse Münster, 100 Jahre Kreis- sparkasse Münster 1859-1959, Münster 1959, S. 22. Demnach war 1859 auch sein Bruder Friedrich Bieder- lack als stellvertetender Beisitzer gewählt worden. 1883, nach dem Tod von Franz Anton, übernahm des- sen Sohn Fritz den Direktorenposten, vgl. ebd., S. 28. 38 Er blieb unverheiratet, vgl. Ernst Hövel, Die Nachfahren des Johann Christoph Biederlack und der Franz Anton Biederlack, vermutlich um 1870 Gertrud Biedenharn, Münster 1926, S. 47. In welcher (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 277) Firma er tätig war, ist der Literatur nicht zu entneh- men, Hövel bezeichnet ihn als „Fabrikant“, vgl. ebd. StaG, Dep. 86, Nr. 102 weist ihn als Kaufmann aus. 39 Vgl. Karl Heinz Neufeld, Ein Grevener in Rom und Innsbruck, P. Franz Joseph Bernhard Biederlack S.J. (1845-1930), in: Grevener Bote 5, Juni 1999, S. 2- 9. Hans-Dieter Bez/Volker Innemann, Franz Joseph Bernhard Biederlack, in: Grevener Bote 5, Juni 1999, S. 9-12. 28 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Briefkopf der Firma J.C. Biederlack und Co. Greven a.d. Ems, undatiert (ca. 1888) (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 102)

Zeugnis über die Verleihung des Königlichen Kro- nenordens vierter Klasse an Franz Anton Biederlack, 6. Briefkopf der Firma J.C. Biederlack und Co. Greven und September 1877 Emsdetten, 1893 (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 277) (Stadtarchiv Greven, Dep. 86, Nr. 102)

Briefkopf der Firma J.C. Biederlack und Co. Emsdetten & Greven, vermutlich nach 1910 (aus: J.C. Biederlack & Co., 200 Jahre 1797-1997, [Emsdetten] 1997)

In Greven verkörpert heute ein anderer Familien- Die von Franz Anton Biederlack mitbegründete GBS, zweig das Erbe des alten Kaufmannsgeschlechts: um 1890 Der letztgeborene Sohn von Johann Christoph (Stadtarchiv Greven, F1-151) Biederlack, Hermann Johann Christoph (1817- 1909) war zwar seit 1847 als Arzt in Greven

tätig41, doch dessen Sohn Ignatz Hermann Bie- Biederlack’sche Firmen derlack (1861-1930) sollte die Familientradition als Unternehmer in Greven aufrechterhalten. Ende des 19. Jahrhunderts war die Produktion Ignatz Hermann gründete 1887 zusammen mit und Vermarktung der Firma „J.C. Biederlack & Co.“ schon ganz auf Emsdetten konzentriert. 1910 wurde das Kolonialwarengeschäft in Greven 41 StaG A 1845, nachgewiesen in einer Auflis- aufgegeben.40 In den verschiedenen Briefköpfen tung von 1849, demnach approbiert als Arzt und spiegelt sich diese Entwicklung wider. Nur die Wundarzt 1842, als Geburtshelfer 1843. Ließ sich in Geschäftsleitung blieb noch bis 1931 in Greven. Greven 1847 nieder, lt. Schreiben des Amtmannes an den Landrat vom 17.5.1847. Berufliche Daten in einem Danach wurde die Firma im Grevener Handelsre- undatierten Fragebogen (ca. 1885/86) für die Grevener gister gelöscht und in Emsdetten eingetragen. Ärzte: Approbationen als Arzt und Wundarzt 1842 in Auch wenn dies in Greven das Ende von Kauf- Berlin, als Geburtshelfer 1843 in „Coblenz“, Promotion mannstätigkeit und Industrieproduktion dieser zum Dr. med. 1841 in Berlin. Der Fragebogen ist of- Linie der Familie Biederlack war, existierte die fenbar eigenhändig ausgefüllt und mit „Dr. Biederlack“ Firma bis 2007 in Emsdetten weiter. abgezeichnet. Der Titel „Sanitätsrat“ taucht in dieser Liste nur bei Dr. Pröbsting, dem zweiten Arzt in Gre- ven, als Namenszusatz auf. Wann H.J.C. Biederlack ihn erhalten hat, ist damit nicht geklärt. Es handelt sich dabei in jedem Fall nicht um eine Berufsbezeichnung, 40 StaG, Dep. 86 Nr. 278, masch. Vortragskon- sondern um einen Ehrentitel, siehe im Internet zept, undatiert [1947] http://de.wikipedia.org/wiki/Sanitätsrat (22.4.2008). 29 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009) seinem Cousin Christoph Biederlack (1843-1918) und dem Kaufmann Johannes Temming (1852- 1925) in Greven die Abfallspinnerei „Biederlack & Temming“ (gegenüber dem Bahnhof), die nach dem Ausscheiden von Christoph Biederlack 1893 als „Mechanische Spinnerei und Weberei Her- mann Biederlack & Co.“ weitergeführt wurde.42 Auf die zahlreichen Beteiligungen verschiedener Briefkopf der Mechanischen Spinnerei und Weberei Familienmitglieder an weiteren Textilunterneh- Hermann Biederlack & Co., Greven, 1903 men kann an dieser Stelle nicht näher eingegan- (aus: Volker Innemann, Industrialisierung in Greven, gen werden.43 Greven 1992, S. 211)

Briefkopfausschnitt der Baumwollspinnerei, Weberei und Wirkerei Biederlack & Temming, um 1890 (aus: Jubiläumsbroschüre der Firma Hermann Bieder- lack & Co, 1962)

Schon die in diesem Rahmen gestreiften Aspekte einzelner Familienmitglieder und ihrer berufli- chen, ehrenamtlichen und politischen Tätigkeit haben gezeigt, dass die Familie Biederlack seit dem 16. Jahrhundert einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, Greven zu dem werden zu lassen, wofür es überregional bekannt war: nach dem Dreißigjährigen Krieg als ein Dorf, dessen füh- rende Einwohner für ihre Handelstätigkeit be- kannt waren; und nach dem Beginn der Industri- alisierung und dem Bau der Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts als „das größte Dorf im Müns- terland“, das seine Bedeutung aus den Textilbe- trieben und ihren zahlreichen Arbeitern schöpfte – eine Phase, die seit den 1960er-Jahren beendet ist.

42 Vgl. Volker Innemann, Ignaz Hermann Bieder- lack (1861-1930), in: Hans Jürgen Teuteberg (Hg.), Die westmünsterländische Textilindustrie und ihre Unter- nehmer, Münster 1996, S. 102-109 und ders., Johannes Temming (1852-1925), in: Teuteberg, westmünster- ländische Textilindustrie, S. 118-134. 43 Siehe dazu Volker Innemann, Industrialisie- rung in Greven, Greven 1992 und seine Unterneh- merporträts in Teuteberg, westmünsterländische Textil- industrie. 30 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Pädagogisches Konzept für Grundschulkinder Notwendigkeit eines pädagogischen Konzeptes im Stadtarchiv Greven - Thema: Heraldik – „Ein Wappen für meine Familie“ Die Schulen sind in den letzten Jahren durch die Suche nach außerschulischen Lernorten und Von Katharina Hennig durch die vermehrte Öffentlichkeitsarbeit der Archive auf diese als Orte eines neuen und infor- Im Rahmen eines Praktikums im Stadtarchiv mativen Unterrichts aufmerksam geworden.2 Greven habe ich im Sommer 2009 die Arbeit und Umkehrt sehen auch die Archive schon in den den Alltag in einem Archiv kennengelernt. Da jungen Schülern und Kindern immer mehr die das Stadtarchiv Greven in der örtlichen „Ferien- potentiellen Benutzer von morgen.3 Auch auf- kiste“ engagiert ist und dafür eine „Fälscherwerk- grund dessen engagieren sich die Archive unter statt“ anbietet, hatte ich auch die Möglichkeit, anderem vermehrt in Freizeitaktionen, die von eine solche Veranstaltung mitzuerleben. Mein Städten oder Vereinen organisiert werden und pädagogisches Interesse und meine Freude mit bieten selbständig Projekte zur Freizeitgestaltung Grundschulkindern zu arbeiten, inspirierte mich an. Dies hat zur Folge, dass das Archiv vermehrt dazu, ein weiteres Modul für das archivpädagogi- in die Verantwortung eines außerschulischen sche Konzept des Stadtarchivs für die „Ferien- beziehungsweise gesellschaftlichen Lernortes kiste“-Veranstaltungen zu entwickeln. Im Archiv gestellt wird4 und somit auch mehr Energie in die wurde dies positiv aufgenommen, da das altbe- Vorbereitung von Führungen oder archivpädago- währte Konzept zwar begeistert angenommen gischen Projekten stecken muss. Die erhöhte wird, doch eine Neuerung im Programm wün- Wahrnehmung, die das Archiv dadurch erlangt, schenswert ist, um auch den Kindern eine Ab- zeigt sich auch im Alltag der Archive durch eine wechslung zu bieten. Leider war ein Neuentwurf erhöhte Benutzerzahl. Dies bedeutet zusätzliche bisher, während des laufenden Arbeitsalltags und Arbeit, die oft im Archivalltag nicht geleistet der hohen Auslastung des Archivs, nicht mög- werden kann, da dieser schon jetzt ziemlich aus- lich. Deshalb habe ich meine Praktikumszeit gelastet ist. Dennoch ist es enorm wichtig, dass unter anderem genutzt, um daran zu arbeiten. sich große und auch kleine Archive der Aufgabe Dabei setzte ich mir das Ziel, den Kindern in stellen, bildungspolitisch tätig zu werden.5 erster Linie durch die Veranstaltung eine positive Es ist daher entscheidend, dass für die unter- Erinnerung an das Archiv mitzugeben und hielt schiedlichsten Veranstaltungen feststehende Kon- weniger am Lernanspruch fest. Die Zielgruppe zepte existieren, die zwar individuell an das je- der Kinder, die an dem Programm der Ferienkiste weilige Projekt angepasst und auch thematisch teilnehmen, sind zu jung um die Komplexität verändert werden können, grundsätzlich aber eines Archivs zu begreifen. Trotzdem sollen sie planerische Sicherheit bieten und die Vorbe- die Möglichkeit bekommen, ein solches schon reitungen für die Mitarbeiter der Archive erleich- früh als außerschulischen Lernort zu endecken tern und verringern.6 Dies soll keinesfalls Lange- und die Grundzüge der Tätigkeiten im Archiv weile oder Monotonie fördern, sondern Entlas- kennenzulernen. tung für die Archivare bieten und verpflichtet An dieser Stelle muss betont werden, dass diese zu unterschiedlichsten Modellierungen, um das vorliegende Konzept auch für den Besuch die Neugierde am Archiv bei den Schülern bezie- von Grundschulklassen geeignet ist, da die Mög- hungsweise Kindern zu stärken. lichkeit besteht, verschiedene Elemente des Kon- zepts auszuweiten und den Anspruch des Lernens dadurch anzuheben. Es unterliegt keinem starren Ablauf Ablauf, sondern zeichnet sich dadurch aus, dass es flexibel an die Gegebenheiten angepasst wer- Der Ablauf des Projekts kann variieren und muss, den kann. Weiterhin ist anzumerken, dass sich wie bereits betont, an die Kinder und die Situa- das Konzept um eine Vielzahl von Ideen und tion angepasst werden. Für bestimmte Themenin- Möglichkeiten erweitern lässt. Das vorliegende halte, die eine hohe Komplexität mit sich brin- Konzept bietet lediglich eine Auswahl an mögli- gen, sind verschiedene Altersgrenzen zu beachten chen Projekten, die es in Zukunft in weiteren und als Bedingung, zum Beispiel bei Veranstal- Konzepten auszuarbeiten gilt.1 tungen der „Ferienkiste“, voraus zu setzen. Zu Beginn des Projekts ist es jedoch zu- nächst einmal wichtig, dass eine kurze Vorstel-

2 Vgl. Beate Sturm, Schüler ins Archiv! Archiv- führungen für Schulklassen, Berlin 2008, S. 9, S. 17. 1 Ich danke Dr. Stefan Schröder und Angelika 3 Vgl. Stefan Schröder, Grundschulkinder im Ar- Haves, dem Team des Stadtarchivs Greven, die mich in chiv am Beispiel des Stadtarchivs Greven, Überlegun- all meinen kreativen Ideen stets unterstützt haben und gen zu einem bislang vernachlässigten Bereich histo- mir bei der Ausarbeitung dieses Konzeptes alle Freihei- rischen Lernens, in: Grevener Geschichtsblätter 3 ten ließen. Weiterhin danke ich meiner Schwester (2005), S. 33-39, hier S. 34. Julia, die mir bei der graphischen Gestaltung trotz 4 Vgl. Sturm, Schüler, S. 18. enormer Terminschwierigkeiten half und die Nerven 5 Vgl. Sturm, Schüler, S. 9. behielt. 6 Vgl. Sturm, Schüler, S. 13. 31 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009) lungsrunde und die „Einführung in das Archiv- Archivaren. Darauf sollte im Vorfeld der Vorstel- wesen“ durchgeführt werden, da nicht davon lung hingewiesen werden. ausgegangen werden kann, dass die Kinder be- reits über die Institution „Archiv“ Bescheid wis- sen. Auch eine Einführung in das Thema des Kurzvorstellung Projekts, hier in die Heraldik, scheint sinnvoll, um alle Kinder auf eine gleiche Basis zu heben. Das Stadtarchiv Greven versteht sich als Doku- Dazu sei anzumerken, dass die BetreuerInnen der mentationszentrum der Ortsgeschichte.7 Dafür Kinder beziehungsweise die Eltern und LehrerIn- verwahrt es Akten unter anderem aus der Kom- nen bereits vor Besuch des Stadtarchivs darauf munalverwaltung, Urkunden, Geburten-, Heirats- hingewiesen werden sollten, dass vor dem Haupt- und Sterbebücher, alte Siegel und Fahnen, Unter- eingang des Rathauses bereits ein großes Wappen lagen der Schulen, wie Zeugnisse und Klassenbü- der Stadt Greven aus Metall befestigt ist. Bei cher usw. Das Stadtarchiv richtet sich an alle Bedarf kann sich dieses Wappen im Anschluss an interessierten Bürger, sowie an die Verwaltung die „Einführung in die Heraldik“ nochmal ange- selbst und stellt sein Material auch für For- schaut werden. schungszwecke, hauptsächlich bezüglich der Die Reihenfolge der praktischen Elemente Ortsgeschichte und zur Ahnenforschung, zur des Projektes sind in ihrer Länge und Häufigkeit Verfügung. zu variieren und können auch die Einführung ins Dazu hält das Archiv unter anderem etwa Thema auflockern bzw. unterbrechen, wie eben 5100 verzeichnete Akten von 1803 bis 1952 so- deutlich gemacht wurde. Durch diese geplante wie knapp 2400 Bücher und Festschriften zu Stückelung fällt es den Kindern leichter dem lokalhistorischen wie auch überregionalen The- Erzählten zu folgen, da die praktischen Phasen men bereit. Des weiteren verfügt das Archiv über den Kindern die Möglichkeit geben sich zu ent- mehr rund 7000 verzeichnete Fotos, in denen zu spannen und sich auszutauschen. Dadurch wird Forschungszwecken gestöbert werden kann. Auch verhindert, dass die Kinder während der vorge- Altausgaben von verschiedenen Zeitungen ab tragenen Einführung unruhig werden. 1901 (nicht lückenlos) finden sich im Stadtarchiv Greven, dabei liegt der Schwerpunkt vor allem auf der Münsterschen Zeitung/Grevener Zeitung Einführung ins Archivwesen und den Westfälischen Nachrichten/Grevener bzw. in das Stadtarchiv Greven Anzeiger. Weiterhin existiert die Möglichkeit Karten und Pläne ab 1828 sowie Plakate zu se- An dieser Stelle sollte nun eine Einführung in die hen und in über 100 Sammlungen und Schen- eigene Institution stehen, um die Kinder über kungen zu stöbern.8 Grundsätzliches zum Archiv und dessen Arbeit Für all diese Dienstleistungen stehen dem zu informieren. Je nach Anlass sollte dieser Teil Archiv fünf Räume zur Verfügung. In den beiden eher kurz gehalten werden, da die Kinder die Magazinräumen werden in großen Rollregalen Einrichtung im Nachhinein eher mit der Veran- die Archivalien aufbewahrt und bei gleichblei- staltung selbst als mit den Grundinformationen bender Temperatur und Luftfeuchtigkeit gelagert. verknüpfen. Diese sollten, wenn möglich, den Ein Raum beinhaltet die Kartensammlung und Kindern auf Informationsfaltblättchen mitgege- die Archivbibliothek. Die beiden übrigen Räume ben werden. Dadurch haben die Kinder die Mög- sind das Büro der Stadtarchivare Dr. Stefan lichkeit zuhause bei Bedarf Öffnungszeiten und Schröder und Angelika Haves und ein Benutzer- Recherchemöglichkeiten nach zu schlagen. Be- raum. In diesem werden den Benutzern die Ar- sonders im Zuge der angebotenen Freizeitaktion chivalien zur Ansicht vorgelegt und wenn mög- der Archive, wie zum Beispiel im Fall Grevens die lich Kopien erstellt. Das Stadtarchiv findet sich Veranstaltungen im Rahmen der „Ferienkiste“, sowohl auf der Internetplattform der Archive in sollte man bedenken, dass die Kinder freiwillig Nordrhein-Westfalen9 als auch auf der Internet- kommen und hauptsächlich Spaß an der Aktion seite der Stadt Greven10. haben wollen. Daher sollte eine umfassende In- formation in diesem Fall eher in den Hintergrund treten. Einführung in die Heraldik Eine Einstiegsmöglichkeit bei der Vorstel- lung des eigenen Archivs bietet die Frage, was Nachdem eine kurze allgemeine Einführung in sich die Kinder unter einem Archiv vorstellen das Archivwesen vorgenommen wurde, sollte und die These aufzustellen, dass jedes der Kinder eine Einführung in das eigentliche Thema, in selber ein Archivar ist, beziehungsweise mindes- tens die Eltern diese Position übernehmen. Die Sammlung von Geburtsurkunde, Zeugnissen und 7 Siehe die Startseite auf der Internetseite der nordrhein-westfälischen Archive: http://www.ar- Sporturkunden beziehungsweise Abzeichen stellt chive.nrw.de/Kommunalarchive/KommunalarchiveE-H/ ein eigenes kleines Familienarchiv dar. Und selbst G/Greven/index.html (24.9.2009). die aufbewahrten Briefe der besten Freundin oder 8 Angaben nach internen Beständestatistiken chronologisch gesammelte Urlaubs- sowie Ge- (Stand 24.9.2009). burtstagsfotos machen die Kinder zu kleinen 9 Siehe http://www.archive.nrw.de (24.9.2009). 10 Siehe http://www.greven.net (24.9.2009). 32 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009) diesem Falle die Heraldik, folgen. Als Eingangs- 3. Tinkturen (Silber, Gold, Schwarz, Rot, Grün, frage bietet sich an, die Kinder zu fragen, ob sie Blau, Purpur, Fleischfarben. Farben sollten in ihrem Alltag mit Wappen zu tun haben, das nicht neben Farben, Metalle (Silber und heißt, ob sie Wappen kennen oder wissen, welche Gold) nicht neben Metallen verwendet wer- Bedeutung sie haben. Es ist sinnvoll, die Antwor- den) ten der Kinder auf einem Flipchart zu verzeich- 4. Schraffierung (die verschiedenen Farben nen, sodass doppelte Antworten vermieden wer- werden im einfarbigen Buchdruck durch un- den, und die Kinder beim Fortlauf der Stunde terschiedliche Schraffierungen ersetzt) immer wieder ihre Antworten in Erinnerung 5. Pelzwerk (Hermelin, Feh, Kürsch) rufen können. Im Anschluss sollte eine kurze 6. Größenverhältnisse (Figuren nehmen die Definition folgen: größte Fläche ein, charakteristische Merk- male werden hervorgehoben) „Heraldik [...], Wappenwesen, umfaßt Wappenkunde, Wappenkunst und Wappenrecht. Wappen sind far- Den Kindern sollten diese Regeln, wie auch schon bige, bleibende oder vererbl[iche] Abzeichen einer bei der Definition betont, möglichst einfach nä- Person oder Personengemeinschaft, auch von politi- her gebracht werden. Bei den Grundregeln der schen und kirchlichen Gemeinwesen, die in ihren Wappenkunde geht es nur darum, die verschiede- Formen auf den mittelalterl[ichen] Schutzwaffen nen Wappen relativ eindeutig interpretieren be- beruhen.“11 ziehungsweise beschreiben zu können. Es handelt sich somit fast um eine Fachsprache (Blasonie- Wappen waren ursprünglich, ab dem 12. Jahr- rung). Entscheidend ist, dass die Kinder verste- hundert, auf den Schilden der Ritter angebracht, hen, dass ein Wappen verschiedene Muster und die sie als vollgerüsteten Krieger für Feind und Farben besitzen kann, übersichtlich gestaltet ist Freund erkenntlich machten. Heraldik ist die und Darstellungen oft stilisiert werden oder in Lehre der Wappen und Zeichen und kommt ur- unterschiedlichen Größen dargestellt werden. sprünglich von dem Wort „Herold“; dieser hatte Nun wird den Kindern erklärt, dass ein Wap- die Aufgabe, auf großen Turnieren die Namen der pen grundsätzlich immer aus vier Elementen Teilnehmer anhand von angebrachten Wappen besteht, wenn es irgendwo abgebildet wird. Hier aufzurufen, da ihre Gesichter, wie in der sind das Schild an sich, die Helmzier, der Helm Schlacht, vom Helm verdeckt waren. Nachdem und die Helmdecke zu nennen. Exemplarisch die Zeit der Ritter und Turniere vergangen war, sollte solch ein Wappen gezeigt werden. Weiter- wurde das „lebende Wappen“ seltener und Wap- hin muss betont werden, dass diese Vollständig- pen wurden auf Papier oder Kleidung weiter keit nicht maßgeblich dafür ist, ob das Wappen tradiert, um zum Beispiel Familien- sowie Be- echt beziehungsweise aussagekräftig ist, sondern sitzrechte zu verdeutlichen. auch das Schild alleine stehen kann. Da diese kurze Definition für Kinder jünge- Im Anschluss kann eventuell erläutert wer- ren Alters vielleicht noch zu schwierig ist, sollte den, wofür Wappen benutzt wurden beziehungs- sich darum bemüht werden, Heraldik so einfach weise werden und die Bedeutung des Wappens wie möglich zu erklären. Weiterhin sollte auf die für seinen Träger herausgestellt werden. verschiedenen Regeln hingewiesen werden, die in Dazu lässt sich kurz festhalten, dass durch der Heraldik gelten, und besonders für das Erstel- Wappen oft Besitzrechte geäußert werden, teil- len eines eigenen Wappens sehr wichtig sind. weise ersetzen Wappen die „Unterschrift“ der jeweiligen Rechtspersönlichkeit. Weiterhin stehen Wappen für ganze Gesellschaften, Familien, Fir- Grundregeln der Heraldik men oder Vereine und existieren so auch zu Re- präsentationszwecken. Eng verknüpft sind die 1. Klarheit und Übersichtlichkeit (zwischen Wappen auch mit der alten Pflicht Siegel zu füh- zeichnerischem Detail und wichtigen Be- ren und damit einhergehenden Rechten. Somit standteilen ist zu differenzieren) lässt sich der Besitz mehrerer Wappen auch mit 2. Stilisierung (die Darstellungen entsprechen dem Besitz verschiedener Rechte erklären. nicht der Wirklichkeit, es wird auf Buchsta- Im Anschluss an diese grundsätzlichen Er- ben/Perspektiven verzichtet, dargestellt wer- klärungen kann mit den Kindern der Versuch den bei „redenden Wappen“ die Namen der gestartet werden, zwei Wappen exemplarisch zu Wappeninhaber durch bestimmte Figuren, die bearbeiten. Hierzu werden das Wappen von den Namen verdeutlichen, weiterhin sind als Nordrhein-Westfalen und das Wappen der Stadt Figuren besonders beliebt: Lilie, Löwe, Greven herangezogen. An dieser Stelle kann Schlüssel etc., Figuren auf Wappen entsprin- darauf Bezug genommen werden, dass im Flur gen der Pflanzen- bzw. Tierwelt, aber auch vor dem Stadtarchiv bereits einige Wappen an andere Lebe- und Phantasiewesen, sowie Ge- der Wand hängen. Wenn möglich sollten die genstände können abgebildet sein) Wappen an dieser Stelle besichtigt werden. Bei Bedarf kann die Beschreibung des Grevener Wap- pens auch im Flur stattfinden, ansonsten läuft die Stunde wie gewohnt im Benutzerraum weiter. 11 dtv-Lexikon in 20 Bänden, Band 8, München Wenn laminierte Wappenbilder an der Wand 1999, S. 69: „Heraldik“. 33 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009) aufgehängt werden, haben alle Kinder gute Sicht auf die Abbildungen und können sich so beteili- gen.

Das Wappen von Nordrhein-Westfalen

Zusammen mit der Flagge bildet das Wappen eines der Hoheitszeichen des Landes Nordrhein- Westfalens. Es wurde im Jahr 1948 eingeführt und am 10. März 1953 gesetzlich verankert.12 Die amtliche Beschreibung des Wappens in diesem Gesetz lautet: „Das Landeswappen zeigt in gespaltenem Schild vorne in grünem Feld einen linksschrägen silbernen Wellenbalken, hinten im roten Feld ein springendes Roß und unten in einer eingebogenen silbernen Spitze eine rote Rose mit goldenen Butzen und golde- nen Kelchblättern.“ Der silberne Wellenbalken symbolisiert den Niederrhein und steht damit für den Landesteil „Nordrhein“.13 Das Pferd stellt das so genannte Westfalenpferd mit wehendem Schweif dar. Es steht für den Landesteil Westfa- Das Wappen von Nordrhein-Westfalen len und soll an die Sachsen erinnern, die zur (aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Wappen_Nord- karolingischen Zeit in Niedersachsen und dem rhein-Westfalens) heutigen Westfalen siedelten. Die Rose im unte- ren Teil des Wappens stellt die „Lippische Rose“ dar und steht für das Land Lippe. Dieses wurde Erklärung: Das Wappen der Stadt Greven 1947 in das Land Nordrhein-Westfalen eingeglie- dert und verlor damit seine Eigenständigkeit.14 Das erste Wappen des Amtes Greven wurde am 7. An dieser Stelle ist besonders zu betonen, dass Januar 1939 verliehen. Das Schild war in einer die „Lippische Rose“ im Landeswappen mit einer rote und eine silberne Hälfte waagerecht geteilt. anderen Ausrichtung abgebildet ist als im ur- Auf dem rotgründigen, oberen Teil war eine sprünglichen Wappen des Landes Lippe. Im Letz- Waage abgebildet, auf dem silbergründigen ein teren zeigt ein Kelchblatt nach unten, im NRW- blauer Wellenbalken. Letzterer verdeutlicht die Wappen hingegen zeigt dieses gelbe Kelchblatt Lage Grevens an der Ems. Dieses Motiv findet nach oben. Das Wappen des Landes Nordrhein- sich häufig auch in späteren Wappen wieder. Die Westfalen setzt sich nun also aus den Wappen Waage symbolisiert den schon im Mittelalter der Rheinprovinz (Fluss), Westfalens (Pferd) so- nachgewiesenen Markt in Greven. Die vier Ge- wie aus dem Wappen des Landes Lippe (Rose) meinden des Amtes Greven (Gimbte, Greven links zusammen, wobei der Rhein sowie die Rose und rechts der Ems, Greven Dorf), besaßen eigene leichten Veränderungen unterzogen wurden. Wappen. An dieser Stelle könnte auch auf diese Von dem Wappen des Landes Nordrhein- Wappen näher eingegangen werden. Westfalens existieren unterschiedliche Abände- Ein neues Wappen wurde 1950 bei der rungen.15 Dadurch ist das offizielle Wappen aller- Stadtwerdung der Gemeinde Greven-Dorf einge- dings nicht außer Kraft gesetzt. führt, heute das einzige gültige Grevener Wap- pen. Dieses Wappen ist blaugründig, abgebildet ist eine silberne (weiße) Emspünte. Diese Wappen ist auch auf der Stadtwerdungsurkunde vom 22. November 1949 abgebildet. Die Emspünte spie- gelt die Nähe der Stadt Greven zur Ems wieder und die besondere Verbindung zur Schifffahrt. Greven war in der Vergangenheit Endpunkt der 12 Entworfen wurde es im 1947 durch den Düs- Schifffahrt auf der Ems. Am 6. März 1950 seldorfer Maler und Heraldiker Wolfgang Pagenste- schließlich wurde das Wappen der Stadt Greven cher, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wappen_Nord- und damit auch das Tragen einer weiß-blauen rhein-Westfalens (25.9.2009). Fahne vom Innenminister des Landes Nordrhein- 13 Der Verlauf wurde aus ästhetischen Gründen Westfalen offiziell bestätigt.16 geändert, vgl. ebd. 14 Vgl. Hermann Niebuhr, Lippische Punktuatio- nen, in: Nordrhein-Westfalen, Landesgeschichte im Lexikon, Düsseldorf 1993, S. 282-284. 15 Abbildungen des Wappenzeichens und des vereinfachten Wappens (Nordrhein-Westfalen-Design) bei http://de.wikipedia.org/wiki/Wappen_Nordrhein- 16 Amtsblatt der Regierung in Münster 1950, S. Westfalens (25.9.2009). 79. 3 4 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Es ist wichtig, nicht beide Malblätter parallel auszuteilen, damit sich die Kinder zunächst auf Das Wappen der Stadt Greven (Stadtarchiv Greven, B ein Wappen konzentrieren und sich dieses ge- 3050) nauer einprägen können. Die Kinder, die mit dem ersten Blatt fertig sind, dürfen ihr Malblatt mit Praktischer Teil zur Wand nehmen, um es neben das Original zu halten und die Richtigkeit zu überprüfen. Dann Auf die Erläuterung des Wappens sollte ein prak- darf sich jedes Kind das zweite Wappen, diesmal tischer Teil folgen, um den Kindern zusätzlich das Wappen der Stadt Greven, abholen und auch Freude und Spaß am Besuch des Archivs zu bie- dieses ausmalen. Aufkommende Fragen sollten, ten. Dadurch wird eine positive Erinnerung der wenn sie besonders wichtig sind, gesammelt Kinder an das Archiv verstärkt und diese mit werden und zum Ende der Malaktion beantwortet neuen Erfahrungen in den Räumen der Einrich- werden, sodass alle Kinder die Informationen tung verknüpft. Zusätzlich sollte der kommende aufnehmen können. Kleinere Anfragen können Teil eine Belohnung für die gute Mitarbeit der direkt geklärt werden. Kinder und ihr „aufmerksames Zuhören“ im ers- ten Teil des Projekts darstellen.

Ausmalbilder

Für den praktischen Einstieg in das Konzept bietet es sich an, den Kindern zunächst Bekann- tes vorzulegen. Dazu sollte das Wappen des Lan- des Nordrhein-Westfalen sowie das Wappen der Stadt Greven vorgelegt werden, die im Einfüh- rungsteil zuvor erläutert wurden. Wie bereits betont ist es möglich, diese Malaktion bereits zur Auflockerung der Einführung zu benutzen, doch auch als Anschluss ist dies denkbar. Alle Kinder sollten in kleinen Gruppen an Tischen sitzen, damit der Überblick behalten wer- den kann und Fragen der Kinder sofort beant- worten werden können. In der Einführung sind bereits die beiden Wappen von Nordrhein-West- falen und von Greven (möglicherweise noch neben anderen) an der Wand aufgehängt. Da- durch ergibt sich die Einstiegsfrage, welches der Kinder diese beiden Wappen nochmals benennen kann. Sind sie bestimmt, bekommt jedes Kind zunächst ein Ausmalblatt des NRW-Wappens.

35 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009)

Ein eigenes Wappen gestalten ihren Familiennamen entwickeln können. Ist eine Ableitung vom Familiennamen nicht möglich Im Anschluss daran geht es darum, dass sich die oder nicht gewünscht, können die Kinder auch Kinder ein eigenes Wappen gestalten. Nachdem symbolisch die Arbeitstätigkeit ihrer Eltern auf durch die Einführung die Grundsätze der Heral- dem Wappen verewigen (Elektriker => Glühbirne, dik bekannt sind und die Kinder bereits einige Handwerker => Schraubenschlüssel, Automecha- Wappen kennen gelernt und bestimmt haben, ist niker/-verkäufer => Autoreifen etc.). es möglich, dass die Kinder selbst kreativ tätig werden. Dazu sollten die verschiedenen Elemente, die ein Wappen enthalten kann, aus der Einfüh- Bastelideen rung wiederholt werden. Einige Farbelemente, Formen, graphische Muster und Figuren sollten Falls die Räumlichkeiten und die Dauer des Auf- in laminierter Form vorliegen, sodass diese eben- enthalts im Archiv dies zulassen, könnten mit falls an der Wand aufgehängt werden können. den Kindern weiterhin einige Bastelideen rund Dadurch haben die Kinder die Möglichkeit, auf- um die Heraldik ausprobiert werden. Dazu könn- zustehen und sich die einzelnen Elemente erneut ten entweder die bereits gestalteten oder neu von anzuschauen, um dann mit ihrer eigenen Arbeit den Kindern angefertigten Wappen auf Pappkar- zu beginnen. Sinnvoll ist es, die Kinder dazu ton geklebt und ausgeschnitten werden. Durch wieder in kleinen Gruppen an Tische zu setzen. ein breiteres Baumwollband, welches man auf der Nachdem alle Kinder ihre Bunt- oder Filzstifte Rückseite des Wappens befestigt (evtl. mit Tacker auf den Tisch gelegt haben, wird nochmal kurz oder Klebstoff), verwandelt sich das Wappen in die Arbeitsaufgabe erklärt sowie Fragen beant- ein Ritterschild, der über den Arm gezogen wer- wortet. den kann. Eine weitere Möglichkeit bietet das Herstellen einer eigenen Bürgermeisterkette. Dazu benötigt man eine kleinere Version der Blanko- Wappen-Vorlage, die von den Kindern selbst gestaltet werden kann und ebenfalls zu Verstär- kung auf Pappe geklebt werden sollte. Ist das Wappen von den Kindern ausgeschnitten, kann entweder eine dünne Kordel (z.B. aus Wolle) als Kette an dem Wappen befestigt werden, oder die Kinder können eine Kette aus Papierschlaufen basteln. Diese Schlaufen sollten gold (gelb) oder silbern (Bleistift) angemalt werden, um das Edel- metall der echten Kette zu imitieren. Sie können ebenfalls mit einem Tacker an dem Wappen be- festigt werden. Möchte man den Kindern, vielleicht in Ko- operation mit dem Lehrer, der Lehrerin oder dem Betreuer, die Möglichkeit geben, nicht nur mit Papier zu arbeiten, bietet sich die Möglichkeit, die oben genannte Idee mit Moosgummi zu ver- wirklichen. So hält das Gebastelte länger und kann auch vielleicht in der Freizeit zum Spielen oder beim Karneval benutzt werden. Dies würde die Möglichkeit bieten, dass der Archivbesuch nicht nur länger in Erinnerung bleibt, sondern die Kinder auch kreativ gefördert werden. Mög- lich ist es, diese Bastelaktion auch gesondert als Jedes Kind bekommt eine Blanko-Vorlage, auf Ferienkistenaktion anzubieten, wenn sie in einer der ein Wappen abgebildet ist. Besonders viel Großgruppe zu viel Zeit einnimmt. Freude macht es, wenn auch schon diese Blanko- Zur Durchführung benötigt man mehrere Vorlagen variieren, sodass nicht jedes Kind die Bögen buntes Moosgummi, Klebstoff, Schere, gleiche Wappenform erhält. In diesem Zusam- eine Wappenvorlage und Schablonen für unter- menhang wichtig zu betonen ist, dass gerade die schiedliche Figuren oder Symbole, die aus Moos- Individualität jedes Wappens entscheidend ist gummi angefertigt werden können. Nachdem die und die Kinder nicht von Freunden oder Freun- Kinder sich jeweils eine Farbe Moosgummi aus- dinnen abmalen sollten. gesucht haben, bekommt jedes Kind einen Bogen Wenn gewünscht, kann an dieser Stelle den und fertigt sich mit Hilfe der Wappenvorlage ein Kindern erklärt werden, dass sich Wappen, wie Blankowappen. Damit dies besser funktioniert, bereits betont, auch vom Familiennamen ableiten sollten die Archivmitarbeiter diese Wappenvor- lassen. Dazu kann ein Handbuch der Familienna- lage vielleicht zuvor aus Pappe anfertigen, da men herangezogen werden, sodass die Kinder Papier dafür zu dünn sein könnte. Nachdem jedes nachher eine passende Wappenabbildung für Kind ein Moosgummi-Wappen angefertigt hat,

36 Grevener Geschichtsblätter 5 (2008/2009) kann mit der Verschönerung begonnen werden. Dafür können die Kinder aus anders farbigen Moosgummi-Bögen geometrische Figuren bezie- hungsweise sonstige wappentypische Verzierun- gen ausschneiden und auf ihr Wappen kleben. Gelingt dies nicht frei, sollten von den Mitarbei- tern auch dafür vorher Schablonen angefertigt werden. Ist das Wappen fertig, kann, wenn ge- wünscht, auch aus diesem Wappen ein Schild gefertigt werden (siehe oben).

Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass ein Funktionieren dieses Projektes erst im Rah- men der nächsten „Ferienkiste“ beziehungsweise dem nächsten Schulklassenbesuch erprobt wer- den kann. Weiterhin ist zu betonen, dass dieses Konzept immer an Kinder und Situation ange- passt werden sollte, dass also nicht von einer starren Konzeptstruktur gesprochen werden kann. Je nach Dauer und Rahmen des Aufenthaltes der Kinder, sollte das ein oder andere Element mehr in den Vordergrund beziehungsweise in den Hin- tergrund treten, um den Anforderungen zu genü- gen und eine in sich stimmige und runde Veran- staltung zu bieten. So sollte auch der „Spaß“ beziehungsweise der Lernanspruch individuell verändert werden. Weiterhin festzuhalten ist, dass dieses Kon- zept auch flexibel an die unterschiedlichsten Klassenstufen angepasst werden kann. Wird der Schwierigkeitsgrad des inhaltlichen Teils erhöht, könnte das Konzept auch auf die Unterstufen der weiterführenden Schulen ausgeweitet werden. Auch die zeitliche Dauer des Projekts kann stark variieren. Zu überlegen ist, ob den Schulen nicht das Angebot eines „Tages im Archiv“ angeboten wird, der mit Pausen von 8 Uhr bis 12.30 Uhr läuft. In diesem Rahmen wäre es möglich, meh- rere Themen in einem Zug abzuhandeln und so den Facettenreichtum des Archivs besser wider- spiegeln beziehungsweise Themen intensiver bearbeiten zu können. Zusätzlich würde der Be- such des Stadtarchivs für die Schulklassen einen Ausflugscharakter erhalten, der die Freude auf neue Eindrücke steigern könnte. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Evaluation des Archivbesuchs, wenn es sich da- bei um eine Schulveranstaltung handelt, vom Lehrpersonal durchgeführt werden sollte. Dies kann in Form von Aufsätzen oder einer Ge- sprächsrunde im Klassenzimmer stattfinden. Die Lehrperson sollte dem Stadtarchiv eine Rückmel- dung über Gefallen beziehungsweise Nichtgefal- len der Veranstaltung geben, sodass eine Weiter- entwicklung oder Verbesserung des Angebotes seitens des Stadtarchivs Greven möglich ist. Zu resümieren ist weiterhin, dass mit diesem Konzept den Archivaren die Möglichkeit einer Handlungsorientierung gegeben ist, die ihre Ar- beit im Zusammenhang mit Projekten für Grund- schulkinder erleichtert.

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