FCK-Familie empfängt ihre Nationalspieler Vorwort

(Phil) Liebe Freunde des runden Leders und des 1. FC , wie jedes Heimspiel haltet ihr die aktuelle Sepp Herbergers Weisheiten und natürlich Ausgabe unseres „Infoblättsche“ in den Hän- das „Fritz-Walter-Wetter“. den. Doch dieses Mal bekommt ihr keine Spiel- berichte oder fanpolitischen Texte zu lesen, Gerade wir als FCK-Fans dürfen besonders dieses Mal möchten wir mit euch gemeinsam Stolz auf diesen Titel sein, stellte unser FCK die Weltmeister aus der Fußballhauptstadt doch Fünf Weltmeister und dazu noch den Kaiserslautern feiern. Kapitän, welcher seit 1958 Ehrenspielführer der Nationalelf ist. Alle Fünf Spieler waren Fragt man in Deutschland nach einem der auch Teil der Mannschaften die 1951 und 1953 bedeutendsten und emotionalsten Sportmo- die ersten Deutschen Meister Titel in die Pfalz mente in der Geschichte, werden wohl nicht holten. nur Fußballfans dieselbe Antwort geben. , Werner Kohlmeyer, Horst Mit dem WM-Titel 1954 in der Schweiz sind so Eckel, und , Fünf viele Mythen und Geschichten verknüpft, wie Namen die mit dazu beigetragen haben, unse- mit kaum einem anderen Sportereignis. So ren Verein weit über die Grenzen Deutschlands wird der Sieg im Finale über die Ungarn auch bekannt werden zu lassen und natürlich den als eigentliches Gründungsdatum der Bun- FCK zu dem zu machen, was er für viele Men- desrepublik genannt. schen tagtäglich ist: etwas ganz Besonderes! Doch unvergessen sind auch der oft zitierte Damals, Heute und Für Immer: 1. Fussball „Geist von Spiez“, Adi Dasslers Stollenschuhe, Club Kaiserslautern.

Infoblättsche der Generation Luzifer · Auflage: 1.000 Stück · Herausgeber: Generation Luzifer Redaktion: Jonas, Julian, Kami, Phil, Nico,Toni · Layout: Daniel · online unter: www.gl98.de Das Infoblättsche ist kein Erzeugnis im presserechtlichen Sinne. Es dient vielmehr als Rundbrief von Fans für Fans des 1. FC Kai- serslautern. Alle hier dargestellten Fotos und Berichte stellen lediglich Tatsachen dar und sollen weder zu Gewalt noch zu Alkoholkon- sum aufrufen. Es sei auch darauf hingewiesen, dass das Abbrennen von Pyrotechnik in deutschen Stadien verboten ist! Berichte und Fotos spiegeln lediglich die Meinung der jeweiligen Autoren wieder, nicht zwangsläufig die Meinung der Generation Luzifer.

Mit freundlicher Unterstützung des Stadtarchivs Kaiserslautern! Seite 3

Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! - Kaiserslautern ist Weltmeister! (Phil) Der Sieger der Weltmeisterschaft 1954 hält durch mehrere Glanzparaden in der Schweiz, stand doch eigentlich schon seine Mannschaft im Spiel. längst vor dem Finale fest. Die Ungarn verlo- ren seit 1950 kein Spiel mehr und schlugen in „Turek, du bist ein Teufelskerl! Turek, du bist der Vorrunde ihren Endspiel-Gegner Deutsch- ein Fussballgott! Entschuldigen Sie die Be- land mit einem klaren Acht zu Drei Sieg. geisterung, die Fußballlaien werden uns für verrückt erklären.“ Der deutschen Nationalmannschaft wurden im Finale höchstens geringe Chancen einge- Und dann kam die 84. Minute: räumt, doch dann, bei der Abfahrt aus Spiez, fielen die ersten Regentropfen. „Em Fritz sei „Sechs Minuten noch im Wankdorf-Stadion in Wetter“. Bern. Keiner wankt. Der Regen prasselt unauf- hörlich hernieder. Es ist schwer, aber die Zu- Da ein Fernsehgerät für fast alle damals zu schauer, sie harren nicht aus - wie könnten sie teuer war, musste das Radio das Spiel von der auch! Eine Fußballweltmeisterschaft ist alle Schweiz ins örtliche Wohnzimmer, die Kneipe vier Jahre, und wann sieht man ein solches oder das Vereinsheim bringen. Endspiel, so ausgeglichen, so packend, jetzt Deutschland am linken Flügel durch Schä- Reporter Herbert Zimmermann gelang dies fer, Schäfers Zuspiel zu Morlock wird von den auf legendäre und mittlerweile schon ge- Ungarn abgewehrt, und Bozsik, immer wieder schichtsträchtige Art: Bozsik, der rechte Läufer der Ungarn am Ball. Er hat den Ball verloren diesmal, gegen Schä- „Deutschland im Endspiel der Fußballwelt- fer - Schäfer nach innen geflankt - Kopfball meisterschaft - das ist eine Riesen-Sensation - das ist ein echtes Fußball- Wunder.“

Nach frühen Toren durch Puskás und Czibor stand es bereits nach 8 Minuten 2:0 für die Ungarn. Viele dachten bereits an das Deba- kel in der Vorrunde und schrieben den ersten WM-Titel für eine Deutsche-Fußballnational- mannschaft bereits ab.

„Was wir befürchtet haben, ist eingetreten.“

Die deutsche Elf aber, gab nicht auf und kämpfte sich heran.

„Gott sei Dank! Es steht nur noch 2:1. Und das sollte uns Mut geben.“

Nachdem Deutschland nach Ecke Walter und Schuß Rahn den Ausgleich markieren konnte, rollt eine Angriffswelle nach der Anderen gen deutsches Tor. Doch der Düsseldorfer Torwart Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54 Seite 4

„Fritz Walter zu Schäfer. Schäfer in Rechts- außenposition. Könnte nach innen flanken. Schießt! Aber er schießt an das kurze Außen- netz. Es gibt Abschlag vom Tor der Ungarn. Vielleicht lässt der Schiedsrichter auch nach- spielen, wegen der einen oder zwei Verletzun- gen, die passiert sind. Die Ungarn sind völlig aus dem Häuschen. Deutschland ist wieder im Ballbesitz. Rahn hat den Ball bekommen. Rahn spielt zu Fritz Walter. Ball verfehlt. Pus- kas am Ball im Mittelkreis - aber Eckel springt dazwischen - hat abgewehrt. Die ganze deut- – abgewehrt - aus dem Hintergrund müsste sche Mannschaft setzt sich ein - mit letzter Rahn schießen – Rahn schießt! – Tooooor! Kraft, mit letzter Konzentration. Ottmar Wal- Tooooor! Tooooor! Tooooor! ... ter fällt hin. Boszik an zwei Deutschen vorbei - jetzt haben die Ungarn eine Chance - spie- Tor für Deutschland - Linksschuss von Rahn, len ab zum rechten Flügel - Czibor - jetzt ein Schäfer hat die Flanke nach innen geschlagen, Schuß…..Gehalten von Toni! Gehalten!“ Schäfer hat sich gegen Bozsik durchgesetzt. Drei zu Zwei für Deutschland fünf Minuten „Die Ungarn erhalten einen Einwurf zugespro- vor dem Spielende. Halten Sie mich für ver- chen. Der ist ausgeführt - kommt zu Boszik.“ rückt, halten Sie mich für übergeschnappt, ich glaube, auch Fußballlaien sollten ein Herz ha- „Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ben, sollten sich an der Begeisterung unserer ist Weltmeister. Schlägt Ungarn mit Drei zu Mannschaft und an unserer eigenen Begeis- Zwo Toren im Finale in Bern.“ 30 Sekunden, terung mit freuen und sollten jetzt Daumen die Sie dem Reporter verzeihen müssen, wol- halten. Viereinhalb Minuten Daumen halten len wir versuchen, in normaler Lautstärke in Wankdorf.“ und einigermaßen ruhig Ihnen das weitere Geschehen hier zu schildern. Hundert, zwei- „Drei zu zwei führt Deutschland fünf Minuten hundert Fotografen auf dem Spielfeld, Ange- vor dem Spielende. Halten Sie mich für ver- hörige der Schweizer Armee bilden mit einem rückt, halten Sie mich für übergeschnappt. Seil ein Karree.“ Ich glaube, auch Fußball- Laien sollten ein Herz haben und sollten sich an der Begeiste- „Die deutsche Mannschaft - Weltmeister 1954!“ rung unserer Mannschaft und an unserer eige- nen Begeisterung mitfreuen und sollten jetzt Wenige Minute später wurden unsere Hel- Daumen halten. Viereinhalb Minuten Dau- den über den Platz getragen und Fritz Walter men halten in Wankdorf. Drei zu Zwei führt durfte den Jules-Rimet-Pokal in den Händen Deutschland nach dem Linksschuß von Rahn, halten. Deutschland wurde 1954 mit Fünf der flach im linken Eck einschlug. Drei zu zwei Spielern des 1. FC Kaiserslautern zum ersten für Ungarn - für Deutschland - ich bin auch Mal Fußball-Weltmeister. schon verrückt, Entschuldigung!“ Die Ungarn verloren in der Zeit von 1950 bis „Und die Ungarn, wie von der Tarantel gesto- 1956 nur ein Spiel.1954 im Wankdorf Stadion chen, lauern die Puszta- Söhne, drehen jetzt in Bern. den siebten oder zwölften Gang auf, Und Koc- sis flankt - Puskas abseits - Schuß - aber nein, Ein wahres Wunder, Kaiserslautern wurde kein Tor! Kein Tor! Kein Tor! Puskas abseits.“ Fußballweltmeister! Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54 Seite 5

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Internationale Pressestimmen zum Finalsieg (Toni) Jeder der sich auch nur ansatzweise für anderen Mannschaft dieser Meisterschafts- Fußball interessiert, kennt die Geschichten serie sich weigerten, auf die erschreckenden um die Weltmeisterschaft 54, jeder kennt die Geschichten dieser magyarischen Magie zu legendären Worte von Radioreporter Herbert hören.“ Zimmermann: „Schäfer nach innen geflankt. Kopfball – abgewehrt. Aus dem Hintergrund In Belgien hingegen holte man zum Seiten- müsste Rahn schießen – Rahn schießt – hieb aus: „Und wenn wir die – bis wir noch Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“ und eingehender informiert sind – nicht als ‚Welt- „Aus,aus,aus,-- aus !! -- Das Spiel ist aus ! -- meister‘ anerkennen können, so müssen wir Deutschland ist Weltmeister …“. doch zugeben, dass sie den Pokal mit völligem Recht gewonnen hat.“ (Le Sports) Die Deutschen Emotionen nach dem Finalsieg über Ungarn und die politische sowie mensch- Weniger verwunderlich ist die Reaktion aus liche Bedeutung des Titels sollten uns allen Ost-Deutschland, wo der „Vorwärts“ (SED-ei- bewusst sein. Wir sind uns denke ich alle ei- genes Montagsblatt) neben der Aussage, es sei nig, dass Deutschland den Sieg verdient hatte, kein frohstimmender Sieg, zu dem man die doch wagt man den Blick über den Tellerrand Hände schütteln könne, auch die These äu- und befasst sich mit damaligen Pressestim- ßert, dass das Versagen der Ungarischen Elf men aus anderen Ländern, erfährt man, dass zum Teil auf Werner Liebrich und dessen Foul Bewertungen doch sehr unterschiedlich aus- am Star der Mannschaft, Puskas, in der vor- fallen. hergegangenen Begegnung zurückzuführen sei: „Es war pure Heuchelei, als die westdeut- Die englische Presse erkannte die Leistung der schen Masseure dem ungarischen Kapitän Deutschen an und lobte deren Spiel: „Das Un- ihre Unterwassermassage anboten.“ mögliche ist geschehen. Die Deutschen hatten die Lehren begriffen, die England gegen die Quelle: Pfälzische Volkszeitung, Dienstag, 6. Magyaren nie lernte. Sie deckten sie Mann für Juli 1954 Mann. Die Deutschen gerieten nach dem 0:2-Rückstand nicht in Panik. Sie schlu- gen zurück.“ (Daily Mirror), „Es war das Fußballwunder des Jahrhunderts.“ (News Chronicle), „Diese wenig beachteten Deutschen, jahrelang die Parias [„Außen- seiter“, d.Red.] im internationalen Fuß- ball, schlugen zurück und gewannen. Sie gewannen, weil sie im Gegensatz zu jeder Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54 Seite 10

Das Wankdorfstadion (Toni) Das Wankdorfstadion oder auch Sta- zurück zur Geschichte dieses Stadions: Spä- dion Wankdorf ist wohl das Stadion mit dem testens die Worte von Kommentator Herbert jeder Deutsche das Glorreiche Finale 1954 Zimmermann am legendären Finaltag mach- assoziiert. Die Geschichte dieses großartigen ten das Berner Stadion in der ganzen Repub- Stadions begann aber schon viel früher, näm- lik bekannt. lich im Jahre 1925, als der BSC Young Boys ein neues Stadion brauchte. Am 18. Oktober wur- Doch Fußball Gespielt wurde nach der WM de es zunächst mit einer Kapazität von 22.000 natürlich weiterhin. Schon 1961 trafen die Plätzen eröffnet und ihn mehreren Bauakten Mannschaften von Benfica Lissabon und des bis 1939 ausgebaut, um bis zu 42.000 Zuschau- FC Barcelona im Finale um den Europapokal ern Platz zu bieten. der Landesmeister aufeinander. Das bemer- kenswerte war, dass im Kader der Katalanen Für die Weltmeisterschaft wurde allerdings zwei ungarische Nationalspieler von 54‘ dabei das gesamte Stadion dem Erdboden gleich- waren (Sándor Kocsis und Zoltán Csibor) . gemacht und komplett neu hochgezogen. Doch wieder brachte ihnen der Spielort kein Erst kurz vor der WM wurde das Stadion fer- Glück und man verlor mit 2:3. tiggestellt und um sich auf das Großereignis einzustimmen spielte im Eröffnungsspiel der 1989 wurde dann auch das Finale des Eu- ansässige Club aus Bern, die Young Boys, ge- ropapokals der Pokalsieger in Bern aus- gen einen der Favoriten, nämlich Ungarn, die getragen bei dem sich der FC Barcelona souverän mit 0:9 gewinnen konnten. 64.000 Be- schließlich (ohne Ungarische Beteiligung) sucher konnten nun in das Stadion, um unter gegen die Italiener von Sampdoria Genua anderem auch das Finale unserer Lautrer Bu- mit 2:0 durchsetzen konnte. Mit 42.707 Zu- ben anzugucken. Das bemerkenswerte in mei- schauern war das Stadion ausverkauft und nen Augen ist, dass hier noch darauf gesetzt es war das letzte Mal, dass so viele Zuschauer wurde möglichst viele Zuschauer ins Stadion ein Spiel sahen, da danach einzelne Sekto- zu bringen, denn die Kapazität verteilte sich ren aus Sicherheitsgründen nach und nach auf 56.000 Steh- und lediglich 8.000 Sitzplätze. geschlossen wurden. Neben diesen Interna- In dieser Hinsicht haben die Verantwortlichen tionalen Spitzenspielen wurden die Finals im Vergleich zu heutigen Weltmeisterschaf- des Schweizer Cups 1930, 1934, 1937–1946 und ten einen gewaltigen Rückschritt getan. Doch 1948–2000 im Wankdorfstadion ausgetragen.

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Mit der Zeit wurde die Sportstätte allerdings im- Fritz Walters aber vor allem auch des Ungarn. mer baufälliger, so stimmte das Volk 1997 dem Am 3. August war es schließlich soweit und das Bau eines neuen Stadions zu, wozu das alte ehr- Stadion Wankdorf wurde gesprengt und ein Teil würdige Stadion 2001 weichen musste. Zum letz- der Lauterer Fußballgeschichte zerstört. ten Punktspiel erwiesen unser Fritz Walter und Ungarns Gyula Grosics, zwei der wichtigsten Die legendäre Stadionuhr von 1954 wurde 2007 Spieler des wohl legendärsten Spiels auf diesem restauriert und vor dem neuen Stadion als grünen Rasen, dem Stadion die letzte Ehre und Denkmal wieder aufgestellt um an die Große kamen zurück an den Ort des Sieges bzw. der Vergangenheit eines ehrwürdigen Stadions zu Niederlage. In meinen Augen eine große Geste erinnern.

Der Coupe Jules Rimet (Jonas) Nicht nur die WM 1954 hat eine spek- takuläre Geschichte, auch der Coupe Jules Rimet, die damalige Siegestrophäe, hat ihre ganz eigene.

Die 35 cm hohe Statue aus vergoldetem Ster- lingsilber brachte ohne den Sockel knapp vier Kilo auf die Waage und wurde erstmals bei der ersten Fußballweltmeisterschaft 1930 unter dem Namen „Coupe du Monde“ (Weltpokal) vergeben. Erst in den 50er Jahren wurde der Pokal zu Ehren des FIFA-Präsidenten in „Cou- pe Jules Rimet“ unbenannt.

Nachdem Uruguay und zweimal Italien sich den Pokal sichern konnten, verschwand er nach 1938 von der Bildfläche, da bis zum Jahr 1950 wegen des 2. Weltkriegs keine Fußball- weltmeisterschaft mehr ausgetragen wurde. Damit die Goldfrau weder von deutschen noch von italienischen Soldaten gefunden werden konnte, holte der italienische Fifa-Vize Otto- rino Barassi den Pokal heimlich aus einem Bankschließfach und versteckte ihn in einem Schuhkarton unter seinem Bett. Dank dieses Schachzugs konnte der Pokal gesichert und ab 1950 wieder bei Weltmeisterschaften dem siegreichen Land übergeben werden.

Die nächste ungewollte Reise unternahm der Pokal vor der WM 1966. England, Gastgeber der WM, stellte den Pokal im Zuge der Ausstellung „Sport und Briefmarken“ in der Londoner Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54 Seite 12

Westminster Central Hall aus. Als am Sonn- Pokal in das Eigentum des brasilianischen tagmittag des 20. März 1966 die Ausstellung für Fußballverbandes über, da Brasilien zum drit- eine Stunde geschlossen wurde, gingen auch ten Mal als Sieger einer WM-Endrunde hervor- die sechs für den Pokal abgestellten Wäch- gegangen war. ter zum Lunch. Als sie wiederkamen, war der Pokal aus seiner lediglich mit einem Vorhän- Doch die Geschichte des Pokals ging weiter geschloss gesicherten Vitrine entflogen. Für und fand ein trauriges Ende: Der Pokal wurde das Mutterland des Fußballs bahnte sich eine in Rio ausgestellt und hatte zeitweise tausen- Blamage an, doch glücklicherweise fand gut de Besucher täglich. Bis zur Nacht vom 19. auf eine Woche nach dem Diebstahl, nachdem der den 20. Dezember 1983. Denn in jener Nacht Dieb geschnappt worden war, sich aber gewei- entwendeten Diebe den Pokal aus dem Sitz gert hatte, das der Zentrale Versteck preis- des brasiliani- zugeben, ein schen Fußball- Fährmann beim verbands CBF. Spazieren mit Entrüstung seinem Hund allerorten, Zei- den Pokal. Der tungen druck- Hund buddel- ten seitenlange te ein fest mit Kommentare, einer Kordel Rundfunk und verschnürtes Fernsehen un- Päckchen aus terbrachen ihr einem Gebüsch Programm, hervor und ließ um über die England sowie neuesten Ent- alle Fußball- wicklungen fans wieder im „Diebstahl aufatmen. Der des Jahrhun- Besitzer des derts“ zu be- Hundes erhielt richten. Neben daraufhin ei- prominenten nen Finderlohn Ex-Spielern von über 3.000 meldete sich Pfund, gut das auch CBF-Prä- Vierfache sei- sident Giulite nes Jahresverdienstes und dreimal so viel, wie Couthinho zu Wort und appellierte verzwei- jeder Spieler der englischen Auswahl wenig felt an die patriotischen Gefühle der Diebe: später für den WM-Triumph erhalten sollte. „Gebt den Cup zurück. Er bedeutet Brasilien Der Hund selbst wurde zum Eröffnungsspiel unglaublich viel!“ eingeladen und durfte in einer VIP-Loge des Wembley-Stadions, gleich neben den Sitzen Die fünf Diebe wurden zwar kurz nach dem von Königshaus und Regierung Platz nehmen. Verschwinden des Pokals geschnappt, doch diese gaben an, den Pokal schon einen Tag In den folgenden Jahren übernahm dann die nach ihrem Coup eingeschmolzen zu haben. FIFA selbst alle Sicherheitsvorkehrungen, um Seitdem wurde der Pokal nie wieder gesehen ein erneutes Verschwinden im Vorfeld einer und seine Geschichte fand so ihr trauriges WM zu verhindern. 1970 schließlich ging der Ende. Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54 Seite 13

Die Auswirkungen des Erfolges (Kami) „Aus dem Hintergrund müsste Rahn Bevölkerung lag am Boden. Ein einheitliches schießen - Rahn schießt - Tor! Tor! Tor! Tor!“ „Wir-Gefühl“ war nach Jahren voller Krieg, und „Aus, aus, aus, aus! Das Spiel ist aus! Entbehrungen und schließlich der Besatzung Deutschland ist Weltmeister …“, zwei Aussa- durch die Allierten nicht mehr vorhanden, zu gen, die Herbert Zimmermann bis heute zum schwer wog auch die Erinnerung an im Namen bedeutendsten Nebendarsteller des Final- des Volkes begangenen Völkermorden und spiels der Walter-Elf gegen Ungarn werden lie- Gräueltaten. Auch neun Jahre nach Kriegsende ßen. Seine Art dieses Spiel zu kommentieren waren noch nicht alle Städte wieder aufgebaut, strotzte nur so von Emotionalität, ehrlichem die wirtschaftliche Lage entspannte sich nur Gefühl und purer Freude. Genau wie die per- langsam und immer noch warteten Familien sönliche Gefühlslage des Radiokommentators auf die Rückkehr ihrer Väter, Söhne und Enkel könnte man auch die der deutschen Bevölke- aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft. rung im Laufe dieses großen Turniers zusam- menfassen. Angesichts dieser gewaltigen Probleme der deutschen Bevölkerung und dem Umstand ge- Einige Historiker bezeichnen diesen Tag gerne schuldet, dass der Fußballsport zu jener Zeit als das wahre Geburtsdatum der Bundesre- noch weitläufig als Sport der unteren Schich- publik Deutschland, machen den Sieg gar als ten galt, ist es nicht weiter verwunderlich, Auslöser für das Wirtschaftswunder aus und dass sich die Euphorie im Vorfeld des Turniers behaupten, das deutsche Volk hätte eine neue in Grenzen hielt. Zumal auch das Fundament Identität bekommen. Doch ist dem tatsächlich der Herberger-Mannschaft, die „Buwe“ von so? War diese Weltmeisterschaft wirklich der unserem 1. FC Kaiserslautern, gerade das Fi- Grund für die wirtschaftliche, politische und nale um die deutsche Meisterschaft gegen den emotionale Genesung der Bundesrepublik? krassen Außenseiter Hannover 96 mit 1:5 ver- loren hatten. Doch in der Schweiz galten an- Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, dere Vorzeichen, dort war der DFB absoluter kommt man jedoch nicht um einen kleinen Außenseiter, dem keine Chancen auf ein gutes Einblick in die Geschichte und politische Lage Abschneiden oder gar den Titel eingeräumt Deutschlands in den Jahren vor dem Wunder wurden. Die Mannschaft aber zeigte die bis von Bern herum. Die nationalsozialistische heute als typisch deutsche Tugenden bekann- Herrschaft hatte ihre Spuren hinterlassen, ten Attribute wie Mannschaftsgeist, Einord- die Städte des einstigen Dritten Reiches la- nung in das Kollektiv, Fleiß, Siegeszuversicht gen in Trümmern, aber auch die Moral der und vor allem Disziplin, wurde von Spiel zu Spiel stärker und im Laufe der Weltmeister- schaft begeisterte diese Mannschaft auch in der Heimat immer breitere Schichten der Ge- sellschaft.

Fernseher waren selten, weshalb die Men- schen gezwungen waren, auf Radioüber- tragungen zurückzugreifen. Die wenigen Kneipen mit Fernseher platzten zum Finale aus allen Nähten, jeder wollte dieses wichtige Spiel sehen und gemeinsam litt, hoffte und freute man sich mit der eigenen Mannschaft. Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54 Seite 14

Aus diesem Grund lässt sich durchaus fest- sen. Die Walter-Elf hat es tatsächlich geschafft, halten, dass der Titelgewinn 1954 einen Ruck mit ihrem Auftreten, dem Kampf für das gro- durch die Nation gehen ließ, ein neues Ge- ße Ziel, eine ganze Nation wieder aufzubauen meinschaftsgefühl entstand und vielleicht und ihr das Gefühl gegeben, mit dem nötigen auch einfach nur eine der wenigen erfreuli- Willen alles schaffen zu können. chen Nachrichten im Nachkriegs-Deutschland darstellte. Zum ersten Mal nach 1945 hatte die Alles in allem muss man sich aber dennoch deutsche Bevölkerung ein gemeinsames Ziel eingestehen, dass der Gewinn der Weltmeis- vor Augen, wenn auch nur für die Dauer der terschaft zumindest aus damaliger Sicht kei- Weltmeisterschaft und die anschließenden nen direkten Einfluss auf die wirtschaftliche Siegesfeiern begrenzt, gesellschaftliche Unter- oder gar die politische Entwicklung der noch schiede wie Einkommen, Religion oder Partei- jungen Bundesrepublik hatte. Im Jahre 1954 zugehörigkeit waren nebensächlich. wäre kaum jemand soweit gegangen, diesen Titelgewinn als das eigentliche Gründungs- Ganz allgemein lässt sich wohl festhalten, datum der Bundesrepublik Deutschland zu dass der Gewinn dieses Titels der erste große bezeichnen. im Kollektiv errungene Triumph nach dem Krieg war und somit ein Land, welches noch Im Nachhinein kann man dennoch festhal- immer von vielen Ländern geächtet wur- ten, dass die bei der Bevölkerung eingesetzte de, wieder weltweite Aufmerksamkeit zuteil Signalwirkung und die ausgelöste Aufbruch- werden lies. Ein Volk, das noch immer unter stimmung sich durchaus positiv auf das den Folgen des Krieges litt, zusammen mit Wirtschaftswunder der 50er Jahre ausgewirkt einer Nationalmannschaft, der zu Beginn des haben könnte. Vielleicht war das Wunder von Turniers keinerlei Chancen eingeräumt wur- Bern nicht das eigentliche Gründungsdatum den, haben es mit den noch heute als typisch der Bundesrepublik, aber dieser Triumph un- deutsch betrachteten Tugenden geschafft, ter denkbar schlechten Rahmenbedingungen Fußballweltmeister zu werden und somit teil- war definitiv ein elementarer Baustein für den weise ihre Außenseiterrolle hinter sich gelas- späteren Erfolg dieses Landes. Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54 Seite 15

WM Damals - WM Heute (Nico) Genau wie 1954 hat die WM 2014 mit der Gesellschaft, sowie im Fußballsport getan, der deutschen Nationalmannschaft densel- weshalb wir einen kleinen Vergleich zwischen ben Sieger gefunden. Jedoch hat sich bis auf dem bedeutendsten Fußballturnier damals die Tatsache, dass der Ball immer noch rund und heute ziehen wollen. Hier die WM 1954 ist und ein Spiel 90 Minuten dauert einiges in und 2014 in Zahlen: WM 1954 WM 2014 Gesamteinnahmen 2,91 Mio. 3.3110 Mio. Kosten 1,48 Mio. 1.690 Mio. Rein-Gewinn 1,43 Mio. 1.620 Mio. Besucher insgesamt 768.607 (26 Spiele) 3.429.873 (64 Spiele) Besucher pro Spiel 29.652 53.592 Neu-/Umbau der Stadien 7,67 Mio. 2.660 Mio. Spielerprämie für WM-Titel 1.278 300.000 TV-/Werberechte 0,078 Mio. 1.020 Mio. Angaben alle in EURO Einfach gesagt haben sich die Summen, die Steuergelder geschätzte zehn Millionen Euro in den Volksport investiert und wiederum für den Bau der Stadien sowie Infrastruktur aus ihm herausgeschlagen werden drastisch zahlen durfte, wohingegen das Geld zum Bei- erhöht. Genauso kann man ein immer wei- spiel in Bildungsprojekten sicherlich besser ter ansteigendes Interesse an der schönsten angelegt worden wäre. Das größte Symbol Nebensache der Welt feststellen, was an sich der Verschwendung stellen die doch teilweise auch nichts Verkehrtes ist. Jedoch sollte man maßlos überdimensionierten Arenen dar. Ins- sich die Frage stellen, in wie weit man eine besonders da deren vollständige Nutzung in solches „Event“ unterstützen will, das Milliar- Zukunft höchst unwahrscheinlich ist. Ein Pa- den von Euro in die Taschen eines korrupten radebeispiel hierfür ist die Arena in Manaus. Verbandes spült und für welches Menschen Für vier Spiele wurde ein Stadion mit einem ihr Leben lassen müssen. Der große Gewin- Fassungsvermögen von 39.000 Zuschauern ge- ner der WM 2014 ist ganz klar die FIFA, wel- schaffen, obwohl dort sonst durchschnittlich che mit einem riesigen Plus aus dem Turnier nur 1.500 Fans das heimische Team unterstüt- geht. Der Verband ist offiziell ein eingetra- zen. gener Verein nach Schweizer Recht ohne Ge- winnstreben. In der Realität jedoch stellt der So schön der Fußballsport auch sein mag, Verband wohl eher einen finanziell aufgebla- sollte sich jeder zweimal überlegen, ob man senen Fußball-Konzern dar. Anderweitig sind durch sein Zutun eine Veranstaltung unter- deren immense Umsätze sowie deren Rück- stützen will, die über die Jahrzehnte zum Mas- stellungen in Höhe von circa 1,6 Milliarden senevent mutiert ist, welches hauptsächlich Euro wohl schwer zu erklären. Gleichzeitig dazu dient Geld in die Taschen von betuchten muss die FIFA so gut wie keine Steuern ab- Funktionären und Politikern zu spülen und führen, da sie als nicht gewinnorientierte mit den ursprünglichen Werten des Sports so Organisation gilt und wie ein Verein besteu- gar nicht mehr im Einklang steht. ert wird. Der große Verlierer der WM ist die brasilianische Bevölkerung, die durch ihre Love football – Hate FIFA Sonderausgabe zur Weltmeisterschaft ´54