Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk Und Multimedia U
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................................................................................................................................................................ x369 media perspektiven 8/2000 Strategie und Organisation am Beispiel des bührenaufkommen, also in direkter Ressourcen- Hessischen Rundfunks konkurrenz zu Hörfunk und Fernsehen, kommen. Ob bei künftigen Gebührenerhöhungen der Bedarf U Öffentlich-rechtlicher für Multimediaangebote angemessen berücksich- Rundfunk und Multimedia tigt werden wird, ist fraglich. Von Renate Ehlers* Der Programmauftrag verlangt von den öffentlich- Ö.-r. Programm- rechtlichen Sendern, mit Information, Bildung und auftrag trägt auch Unterhaltung grundlegende Orientierungs- und In- für Multimedia- Multimediastrategien Die neuen Multimediadienste, allen voran deren tegrationsangebote zu machen und so die gesell- engagement des ö.-r. Rundfunks Leitmedium, das World Wide Web, bieten für öf- schaftliche, kulturelle und politische Entwicklung auf vorhandene fentlich-rechtliche Rundfunkanbieter Herausforde- zu fördern. Dabei setzen die öffentlich-rechtlichen Stärken und Ressour- rungen und enorme Chancen, wie die Europäische Sender hohe Qualitätsstandards. Dieser Programm- cen aufbauen Rundfunkunion in einer Deklaration vom Juni 2000 auftrag erweist sich, obwohl er für Hörfunk und (1) zu Recht feststellt. Eine ängstliche Vogel-Strauß- Fernsehen formuliert wurde, als durchaus trag- Politik öffentlich-rechtlicher Hörfunk- und Fernseh- fähig auch für den Multimediasektor. Sowohl Infor- sender wäre angesichts der rasanten Entwicklung (2) mation wie auch Bildung und Unterhaltung kön- nicht nur unklug, es besteht angesichts vorhande- nen im Internet attraktiv und vielfältig angeboten ner Stärken und Ressourcen auch kein Anlass dazu. werden. Der Einsatz des Internets als öffentliche Zu den Multimediadiensten sollen hier neben Diskussionsplattform über gesellschaftliche, kultu- dem World Wide Web auch die anderen pro- relle und politische Fragen wird nicht erst seit der grammbegleitend einsetzbaren Dienste wie Teletext Ankündigung der Bündnisgrünen in Baden-Würt- (Videotext), Radiotext, elektronische Programmfüh- temberg, ihren nächsten Parteitag „virtuell“ im In- rer, der ARD-Online-Kanal, Digitext und Mobil- ternet abzuhalten, immer selbstverständlicher. Und funk-Datendienste (z. B. über WAP, künftig in der gerade in der chaotischen Angebotsfülle des World neuen Mobilfunknorm UMTS) verstanden werden, Wide Web, in der unvorstellbar große Mengen von die sich mit Abrufangeboten an die Allgemeinheit nützlichen wie von belanglosen, schlimmstenfalls richten und die Verbreitung von Text, Ton, Bild irreführenden, veralteten oder sonstwie problema- und/oder Bewegtbild erlauben. tischen Informationen verfügbar sind, sind Orien- Im Folgenden sollen strategische Überlegungen tierung, Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Aktua- sowie die organisatorischen Lösungen, die der Hes- lität gefragt. Die Nutzer des Internets sind ständig sische Rundfunk als eine mittelgroße Landesrund- gezwungen, die Quellen, die sie abrufen, auf solche funkanstalt für dieses Feld entwickelt hat, skizziert Maßstäbe hin zu bewerten. Die eingeführten Mar- werden. kennamen der öffentlich-rechtlichen Sender – zum Beispiel Tagesschau, ARD, die Namen der Hörfunk- Ziele eines öffentlich-rechtlichen Multimedia- wellen – können Signale dafür sein, dass hier sol- engagements che Qualitätsstandards eingehalten werden und Antworten auf die Frage, mit welchen Strategien Relevantes geboten wird. (und in der Folge: in welchen Organisationsformen) der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Herausfor- Auf Basis der staatsvertraglichen Vorgaben und des Ziele des Multi- derungen annehmen sollte, setzen eine klare Ziel- öffentlich-rechtlichen Auftrags lassen sich somit als mediaengagements: bestimmung auf Basis des gegebenen Programm- Ziele für ein Engagement im Multimediabereich Programme be- auftrags, der Nutzerwünsche und der rechtlichen benennen: gleiten, Orientierung und finanziellen Rahmenbedingungen voraus. – Unterstützung und Begleitung der Hörfunk- bieten, Qualitäts- und Fernsehprogramme; maßstäbe setzen Werbe- und Spon- Der vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag er- – Bereitstellung von Orientierungsangeboten in- soringverbot mächtigt ARD und ZDF, Onlineangebote zu ver- formierender, bildender und unterhaltender Art im schränkt Wett- breiten, die allerdings überwiegend programmbe- Sinne des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags bewerbsfähigkeit des gleitenden Charakter haben und werbe- und spon- unter Berücksichtigung vorhandener Stärken und ö.-r. Rundfunks im soringfrei sein müssen. Das Verbot von Werbung Ressourcen; Multimediasektor und Sponsoring schränkt die Möglichkeiten für ein – Setzen und Einhalten von hohen journalistisch- entscheidend ein Mithalten im Wettbewerb der Anbieter im Multi- professionellen Qualitätsstandards auch in den mediasektor entscheidend ein; die kommerziellen neuen Medien. Rundfunkanbieter setzen nach eigenen Angaben dreistellige Millionenbeträge in Erwartung von Die Gemeinwohlorientierung und die Gebühren- Multimediaangebote Werbe- und E-Commerce-Erträgen dafür ein. So finanzierung gebieten gleichzeitig, dass öffentlich- müssen sich an will RTL New Media eine gute halbe Milliarde DM rechtliche Multimediaangebote nur insoweit ge- erkennbaren Pub- in den kommenden Jahren allein für den Internet- macht werden sollten, wie ein erkennbares Inte- likumsinteressen und auftritt ausgeben (3), auch der Springer-Verlag resse des Publikums und wie die Finanzierbarkeit Finanzierbarkeit spricht von einem dreistelligen Millionenbetrag für gegeben sind. Deshalb sind Studien zur Onlinenut- orientieren seine Onlineaktivitäten. (4) Die Mittel für solche Aktivitäten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk können demnach nur aus dem Rundfunkge- ................................................................................. * Hessischer Rundfunk/Multimedia, Forschung und Strategie. Renate Ehlers media perspektiven 8/2000 x370 ................................................................................................................................................................ zung und -Nichtnutzung, wie sie in diesem Heft deutschen Sprachraums im Web. Deshalb sollten vorgestellt werden, unentbehrlich für die Strategie- Inhalte, die es schon im World Wide Web in guter entwicklung, die eben nicht nur angebotsorientiert Qualität gibt oder die andere besser herstellen sein darf, sondern die Nachfrage des Publikums können, nur dann angeboten werden, wenn es berücksichtigen muss. Eine Unterstützung neuer dafür sehr gute Gründe gibt. Angesichts knapper Dienste ausschließlich aus industriepolitischen Er- Ressourcen ist es vernünftiger, sich auf solche In- wägungen sollte nicht in Frage kommen. halte zu konzentrieren, die zu den eigenen Stärken zählen, die auf Publikumsnachfrage stoßen und in Inhaltliche Schwerpunkte denen man möglichst eine Alleinstellung erreichen Multimediaangebote Um aus solchen grundsätzlichen Zielen und Erwä- kann. dürfen nicht als neue gungen ein inhaltliches Programm entwickeln zu Varianten älterer können, muss man sich das Spezifische des jeweili- Dies sind vor allem Inhalte für und über das Sen- Inhalte für und über Medien missver- gen neuen Mediums bewusst machen – hier sollen degebiet; der Hessische Rundfunk hat sich daher das eigene Sende- standen werden die Überlegungen zunächst auf das Internet be- für den Schwerpunkt Hessen in allen Webange- gebiet stoßen auf schränkt werden. Wie bei der Entwicklung von boten entschieden. Dies kommt auch den Erfahrun- größtes Nutzerinte- Radio und Fernsehen ist nur dann Erfolg zu erwar- gen entgegen, denen zufolge die meisten Nutzer resse im Internet ten, wenn die spezifischen Möglichkeiten des Medi- zwar irgendwann einmal bei www.whitehouse.gov ums genutzt werden und dieses nicht als Variante gewesen sind, sich aber regelmäßig viel mehr für des jeweils älteren Mediums missverstanden wird. Ereignisse aus und Informationen über ihre Region Denn Radioformen, bei denen im Wesentlichen interessieren. Dass aktuelle Informationen aus der Zeitungsmanuskripte verlesen werden, mussten Region nach den allgemeinen Nachrichten oben ebenso nach kurzer Zeit aufgegeben werden wie auf der Interessenskala der Nutzer stehen, bestätigt Fernsehsendungen, die als Bebilderung von Radio- erneut die ARD/ZDF-Online-Studie 2000. Der Hes- tönen konzipiert waren. Das wirklich Neue am sische Rundfunk hat im vergangenen halben Jahr- World Wide Web ist weniger die Kombinierbarkeit hundert, ebenso wie die anderen Landesrundfunk- von Texten, Bildern und Tönen, sondern vielmehr anstalten der ARD für ihr Sendegebiet, ein um- die Möglichkeit der zeit- und ortsunabhängigen fangreiches Wissen über das Land Hessen, seine Nutzung, also die Abkehr vom Ausstrahlungsme- kulturellen, historischen, politischen Besonderhei- dium, hin zum Abrufmedium sowie die Vernetz- ten aufgebaut und verfügt über ein engmaschiges barkeit der Informationen untereinander. Netz von Regionalstudios, Reportern und Informa- tionsquellen im Land. Im Internet findet man bis- Live-Streaming von Deshalb wäre es ein grundlegendes Missverständ- her nur sehr wenige, oft einseitig ausgerichtete Radio- und TV- nis, wollte man das Internet im Wesentlichen für oder kaum aktualisierte Angebote über das ge- Kanälen nur als Live Streams, das heißt Live-Ausstrahlung von vor- samte Bundesland (während für einzelne Regionen Zusatzangebot handenen Hörfunk- oder Fernsehkanälen und eini- durchaus Beachtenswertes existiert). Es gibt keine sinnvoll ger Begleitinformationen