Hörspiel Und Medienkunst 2015/2 Bayerischer Rundfunk Hörspiel Und Medienkunst 80335 München Rundfunkplatz 1
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Hörspiel und Medienkunst 2015/2 Bayerischer Rundfunk Hörspiel und Medienkunst 80335 München Rundfunkplatz 1 Tel. 089 / 5900-42252 Tel. 089 / 5900-42262 Fax 089 / 5900-42671 [email protected] www.bayern2.de www.hörspielpool.de Redaktionsleitung: Herbert Kapfer Chefdramaturgin: Katarina Agathos Lektorat: Stephanie Metzger Mitarbeit: Mira Alexandra Schnoor Besetzungsbüro: Andrea Fenzl Sekretariat: Gila Lang, Elena Sofocleous Cover: Aufnahmen zu Zen ist die größte Lüge aller Zeiten, Bild: Takashi Ichigawa Bildnachweis: Andreas Ammer (S. 3), Wilfried Petzi (S. 4, 62, 69), Ergo Phizmiz (S. 7), Norbert Lang (S. 9), picture alliance/dpa (S. 10), bpk/adoc-photos (S. 15), Deutsches Literaturarchiv Marbach (S. 19), Humboldt-Universität zu Berlin: Lautarchiv (S. 23), Katja Kuhl (S. 25), Eran Schaerf (S. 26), BR/Ulrike Kreutzer (S. 28, 31, 33, 39, 40, 57, 64, 66, 67), Bojak (S. 34), Jan Rickers (S. 43), BR/Stefanie Ramb (S. 60). Druck: Aumüller Druck GmbH & Co. KG Verantwortlich für den Inhalt: Herbert Kapfer The King is Gone Micha Acher, Andreas Ammer, Markus Acher 3 Zeit für Lax existenziellen Auswege und ihre künstle- lung, ohne den Plan einer dauerhaften rischen Ausdrucksformen entwickelten. Ferne von Amerika. Er lebte als Dichter „Damals“ – gemeint sind die 1950er Jahre und Eremit bis kurz vor seinem Tod auf – „rebellierte man nicht“, erinnerte sich den Inseln Kalymnos und Patmos. „Im Burroughs. Für ihn bedeutete die Beat Zeichen der ‚Beschränkung auf das We- Generation eine „kulturelle Revolution“. sentliche‘ steht das mönchisch einfache Für Ginsberg war sie dagegen eine „spi- Leben, das Robert Lax führt“, schrieb Si- rituelle Befreiungsbewegung“. Hier war grid Hauff nach einem Patmos-Besuch: schon eher ein Anknüpfungspunkt für „Das kleine Haus mit Blick auf den Hafen Lax gegeben. „Protest und Widerstand – von Skala, wo er heute lebt, liegt am das lag Robert Lax nicht“, konstatierte Rand des Ortes auf halber Höhe und ist seine Biografin Sigrid Hauff. ein typisches griechisches Inselhaus, ein weißgekalkter Kubus mit blau gestriche- ment ner Tür und blauen Fensterläden. Es ist ans Nachbarhaus angebaut und besteht Robert Lax studierte in den 1930er Jah- aus einem Zimmer, einem zweiten ganz ren an der Columbia University in New schmalen Raum, in dem nur ein Bücher- York englische Literatur bei Mark Van regal Platz hat, Küche und Bad. Dem Doren. Hier schloss er Freundschaften Wohn-Schlafraum sieht man an, dass da mit dem späteren Religionsphilosophen geschrieben wird. Nur das Allernotwen- und Trappistenmönch Thomas Merton digste hat Anrecht auf einen Platz.“ und mit dem Maler und Kunsttheoretiker Ad Reinhardt, zusammen gaben sie die es one Zeitschrift Jester heraus. „Ad Reinhardt war Reduktionist wie ich. In diesem Be- Lax, von vielen Freunden besucht, ver- War er ein Vorläufer der nordamerikani- reich haben wir uns sehr gut verstan- brachte seine Zeit auf Patmos skizzie- schen Beat Generation, inspirierte er sie? den“, so Lax. Mit Merton verbanden ihn rend, zeichnend, korrespondierend, No- Robert Lax, der am 30. November 1915 in hingegen mystisch-religiöse Interessen. tizbücher und Zeichenblöcke füllend. Olean, New York, geborene Sohn österrei- Thomas Merton konvertierte 1939, Lax „Ich kämpfe nicht für Eleganz. Ich versu- chischer Juden aus Krakau, war mit ihren vier Jahre später zum Katholizismus. che, Dinge so einfach wie möglich auszu- wichtigsten Dichtern persönlich bekannt Merton porträtiert seinen Freund Lax als drücken. Ich schreibe erste Entwürfe – Jack Kerouac, mit dem er korrespon- „eine Art Verbindung von Hamlet und und lasse sie normalerweise unverän- dierte, William S. Burroughs, der cut-up- Elias. Ein Prophet in potentia, aber ohne dert.“ Er war kein Dichter, der sich einem Autor, Junkie und Waffennarr, den er eher Zorn, ein König, aber auch ein Jude. Ein eigenen Werk verschrieb. Ein solches mied, und Allen Ginsberg, zu dem Lax bei Geist mit wundervollen, subtilen Einge- entstand zwar im Lauf seines Lebens, namentlicher Erwähnung zuallererst bungen.“ aber jenseits vom Literaturbetrieb. Seine eine Begegnung in Marseille einfiel: wie Bibliothek hätte sich auf Homer, Dante, Ginsberg, dessen Freund Peter Orlovsky pass Joyce, Chaucer, Rabelais, Valéry, die und Lax sich einmal im dortigen Bahnhof Psalmen von David und die Haikus von begegneten und aus Geldmangel gemein- Lax schrieb u.a. für The New Yorker, Basho beschränken lassen. Mit der lite- sam ein Eis mit drei Löffeln bestellten. Time und Parade, verfasste Drehbücher rarischen und philosophischen Moderne, für Hollywood, reiste mit dem Zirkus mit Stein, Beckett, Cummings oder auch mo Cristiani durch Westkanada, gründete Wittgenstein vertraut, entwickelte er ori- mit Ed Rice die Zeitschrift Jubilee, veröf- ginäre, unverwechselbare poetische Die Beat-Poeten und Robert Lax, sie alle fentlichte erste Gedichtbände, bereiste Schreibweisen; typographische Eigen- waren Außenseiter, verbunden in ihrer Frankreich, Italien und Griechenland, heiten, explizite Farbgebungen, vertikale Ablehnung des amerikanischen Lebens- und verließ schließlich New York, um von Wort- und Silbengruppen, die das Auge stils und ihrer Abwendung von gesell- 1963 an in Griechenland zu bleiben. Die- dazu bringen, ein Wort nach dem ande- schaftlicher Konvention, von Geld- und sem Bedürfnis, weg von der Großstadt ren zu erfassen, an Litaneien erinnernde Karrieredenken. Sie waren Sinnsuchen- hin zur klassischen, elementaren Land- Aufzählungen und Repetitionen ließen de, die auf unterschiedliche Weise ihre schaft, folgte er ohne eine Zeitvorstel- eine Form des Minimalismus entstehen, 4 in der sich Lax’ eigene, wesentliche Er- machten mich damals auf Robert Lax comes fahrungen der Transzendenz widerspie- aufmerksam und ermöglichten eine erste geln – diese Dichtung zeugt von einer Begegnung, als der Dichter sie in Warta- Three Windows. Hommage à Robert Lax Konkretheit inneren Schauens, die nur weil am Ammersee besuchte. Es war der wurde produziert von Cinenomad Mün- auf den ersten Blick mit der Konkreten Beginn einer fruchtbaren Zusammenar- chen, BR Hörspiel und Medienkunst, Poesie verwandt erscheint. Lax selbst be- beit. Im folgenden Jahrzehnt entstanden Kunsthaus Zürich, Haus der Kunst Mün- zeichnete seine Poesie als abstrakt. Hörspiele, Performances, Lesungen, Por- chen, P3 art & environment Tokyo, Kias- träts von, mit und über Robert Lax. Geer- ma Museum of Contemporary Art Helsin- an ken realisierte die Produktionen erwar- ki und bei zahlreichen Ausstellungen tet bobo sambo ein geräusch? erwartet und Festivals gezeigt. Als Koproduktion Der Vortrag – fast gerät man in Versu- er eine stimme? (1990), bob’s bomb von Cinenomad mit BR Hörspiel und Me- chung „die Intonation“ zu sagen – der ei- (1993), the family (1995). Im BR-Studio dienkunst entstand weiter Humberts genen Gedichte, die monotonen Repetiti- nahm Geerken mit Lax mehrere Lesun- und Penzels, von arte gesendeter Film onen, die natürlichen Pausensetzungen, gen auf, darunter 21 pages (1994) und why shoud I buy a bed when all that I der vom eigenen Atem bestimmte Rhyth- sun ra notes & numbers (1994). In diesen want is sleep (1999), und bei Belleville mus und die Stimme des Autors selbst Studioterminen las Lax auch jene Ge- erschien die vom Bayerischen Rundfunk erzeugen eine meditative, musikalische dichte, die später auf der von Katarina / Hörspiel und Medienkunst herausgege- Artikulation, die eine Hörerin, einen Hö- Agathos mitherausgegebenen Doppel-CD bene Multimedia-Box robert lax mit CDs, rer ganz für sich einzunehmen vermögen. wake up. re: lax (2003) bei intermedium Video, Buch, Katalog und Lithographie. Oder wäre es stimmiger von Gesängen zu rec. erschienen. Sigrid Hauff verfasste sprechen? Kompositorisch könnten Ver- die Porträts is was – was is (1990) und Die on bindungslinien zu John Cage gezogen innere Biografie des Robert Lax (1995), werden, vor allem aber sind jene zum die auch Grundlage des Buchs Eine Linie Die letzte Lesung, the hill, deren Erstsen- Jazz hervorzuheben, von Billie Holiday in drei Kreisen / a line in three circles dung im November in einem Programm bis Jeanne Lee und Steve Lacy. Wichtig (1999) im Belleville Verlag wurde. Die Fil- zum 100. Geburtstag des Dichters zu hö- waren Lax Erkenntnis, Spiel und die memacher Nicolas Humbert und Werner ren sein wird, nahm Sigrid Hauff im Idee, Visionen in klaren, einfachen For- Penzel, die den Film step across the border Spätsommer 1999 in Patmos auf. Im Sep- men mitzuteilen. „Wie soll man zwischen über Fred Frith produziert hatten, hörten tember 2000 verstarb Robert Lax in Ole- Gedichten und Übungen unterscheiden? eines Nachts im Radio auf Bayern 2 an, New York, nachdem er kurz vorher Ich bin mir da nicht sicher. In der Musik Robert Lax und beschlossen, von dessen von der griechischen Insel Patmos zu- haben Übungen Tradition. Man muss Stimme und Vortrag in Bann gezogen, ei- rückgekehrt war. „Was ihm an den Inseln sich bereithalten für die Einfälle, die des nen Film über den Dichter zu drehen. gefiel? Was ihn bleiben ließ?“, fragte Wegs kommen.“ Warten, beobachten, no- Hauff ein Jahr zuvor: „Er fand auf diesen tieren. In zahlreichen Publikationen in er Inseln fern der Hektik unserer Zeit eine Kleinstauflagen erschienen Lax’ Gedich- heile Welt, so etwas wie einen Entwurf te, autobiografische Fragmente, Tage- Aus dem Film wurde indes eine Installa- von Utopia, ein irdisches Paradies.“ Le- buchaufzeichnungen. Diese Veröffentli- tion: „Three Windows ist ein Kino-Raum sen wir diese Zeilen heute, sind es Zeilen chungen gingen überwiegend auf Freunde im Museumskontext,“ schrieb Guido Ma- aus einer