Zeitschrift für Wildbach-, Lawinen-, Erosions- und Steinschlagschutz

Journal for

Torrent, Avalanche, Landslide and Rock Fall

FRASTANZ/SAMINA – DOREN – BAD HINDELANG UND OBERSTDORF (D) – MALBUN/ (LIE) STUDIENREISE 2017 des Vereins der Diplomingenieure der Wildbach- und Lawinenverbauung Österreichs

INHALT

Inhalt Vorwort ...... 4 Die Reiseroute ...... 5 Teilnehmer ...... 6 EXKURSION IN DER GEMEINDE FRASTANZ – SAMINA ...... 7 Eckdaten ...... 7 Problemstellung ...... 8 Durchführung der Simulation ...... 8 Modellgebiet ...... 8 Schwemmkegelgerinne der Samina ...... 9 Abflussganglinien ...... 10 Eingangsdaten – geschieberelevante Korngrößen ...... 11 Geschiebeganglinie ...... 11 Ergebnisse der 2d-Reinwassersimulationen ...... 12 Ergebnisse der 2d-Geschiebesimulationen ...... 12 Schlussfolgerungen und Ausblick ...... 13 RUTSCHUNG DOREN ...... 14 Geologie im Rutschgebiet ...... 14 Die Rutschungserscheinungen ...... 15 Die Untergrundverhältnisse ...... 16 Modellvorstellung ...... 17 Bekannte Ereignisse ...... 18 Maßnahmen 1935 - 2016 ...... 18 Zukünftige Maßnahmen ...... 19 Diskussionsbeitrag im Zuge der Studienreise ...... 19 MURFANGSPERRE ZILLENBACH, MARKTGEMEINDE BAD HINDELANG (D) ...... 22 Allgemeines ...... 22 Geologie im Einzugsgebiet des Zillenbaches ...... 22 Verbauungskonzept ...... 22 Baugrund ...... 23 Historie/Entwicklung ...... 23

2 INHALT

Verbauungsgrundgedanke ...... 23 Bauwerke ...... 23 Bauphase ...... 23 Bauzeit ...... 24 Projektpartner/Kosten ...... 25 Diskussion ...... 25 HOCHWASSERSCHUTZ DUMMELSMOOSSIEDLUNG, MARKTGEMEINDE OBERSTDORF (D) ...... 27 Allgemeines ...... 27 Schutzziel ...... 27 Verbauungskonzept ...... 27 Projektskosten/ -dauer ...... 28 Diskussion ...... 28 GIPSSACKUNG SCHLUCHER-MALBUN, ...... 30 Allgemeine Informationen zu Malbun ...... 30 Die Großrutschung Schlucher‐Malbun ...... 30 Gipssackung oder Rutschung?...... 31 Zukünftig geplante Maßnahmen: ...... 32 Finanzierung von Verbauungsmaßnahmen: ...... 33

3 REISEROUTE

Vorwort

Die diesjährige Studienreise führte uns in den Westen von Österreich nach sowie zu unseren Nachbarn ins Allgäu und nach Liechtenstein und war überwiegend dem Thema „Massenbewegungen und Monitoring“ gewidmet.

An dieser hochinteressanten Fachbereisung nahmen 19 Kolleginnen und Kollegen aus allen Sektionen und der Fachabteilung teil.

Am ersten Tag wurde eine gemeinsame Exkursion mit den Teilnehmern des 7. Workshops des Fachbereiches Wildbachprozesse nach Frastanz an den Saminabach zum Schwerpunktthema „Reinwasser- und Geschiebetransportsimulationen“ abgehalten. Der darauffolgende Vormittag war der Großrutschung Doren gewidmet. Neben vielen Hintergrundinformationen, den umgesetzten Sicherungsmaßnahmen und den hier angewandten Monitoringmethoden schilderte auch Guido Flatz, Bürgermeister der Gemeinde Doren die Großrutschung aus der Sicht der Gemeinde. Der Nachmittag des 2. Exkursionstages bei den Kollegen im Allgäu in den Gemeinden Bad Hindelang und Oberstdorf stand im Zeichen der Murgangproblematik, den hier entwickelten Verbauungskonzepten und umgesetzten Schutzmaßnahmen. Zum Abschluss führte uns die Reise am dritten Tag nach Malbun ins Fürstentum Liechtenstein, wo die Besichtigung der Großrutschung Schlucher‐ Malbun am Programm stand. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen des Vereines der DI der Wildbach- und Lawinenverbauung bei den Organisatoren aus Vorarlberg, den Referenten und Exkursionsführern vor Ort allen voran Gerald Jäger, Johannes Kammerlander, Thomas Frandl, Margarete Wöhrer-Alge, die bayrischen Kollegen Geier, Hagenauer und Ehrlicher sowie Stephan Wohlwend aus Liechtenstein sehr herzlich bedanken.

Weiters gilt mein Dank den beiden Fotographen Ivo Schreiner und Reinhard Ribitsch für ihre fantastischen Bildaufnahmen.

Abschließend möchte ich mich bei allen Teilnehmern für das hohe Interesse und die regen Diskussionen sehr herzlich bedanken.

Christian Pürstinger (Technischer Referent)

Anschrift des Verfassers

DI Christian Pürstinger FTD für WLV, GBL OÖ. West Traunreiterweg 5, 4820 Bad Ischl [email protected]

4 REISEROUTE

Die Reiseroute

GERALD JÄGER

5 TEILNEHMER

Teilnehmer

Sektion Name Mehlhorn Susanne Wien, Niederösterreich und Burgenland Holzinger Gerhard Pöll Siegfried Oberösterreich Pürstinger Christian Moser Markus Salzburg Fischer Thomas Janu Stefan Steiermark Ribitsch Reinhard Seymann Christof Kärnten Botthof Michael Zöchling Markus Sausgruber Thomas Siegele Patrick Tirol Schreiner Ivo Forstlechner David Frandl Thomas Wöhrer-Alge Margarete Vorarlberg Jäger Gerald Plankensteiner Elmar

Abbildung 1: Gruppenfoto am Roßbichlbach in der Gemeinde Oberstdorf

6 04. OKTOBER 2017 – SAMINA

MICHAEL BOTTHOF, STEFAN JANU, GERALD JÄGER, SUSANNE MEHLHORN, MARKUS MOSER, ELMAR PLANKENSTEINER

EXKURSION IN DER GEMEINDE FRASTANZ – SAMINA Der erste Exkursionstag erfolgte gemeinsam mit den Teilnehmern des 7. Workshops des Fachbereiches Wildbachprozesse und führte in die Gemeinde Frastanz. Das Schwerpunktthema war Reinwasser- und Geschiebetransportsimulationen am Beispiel der Problematik durch den Saminabach.

Eckdaten

Die Samina ist ein linksufriger Zubringer der und nur der unterste Teil des Einzugsgebietes (ca. 1/3) befindet sich in der Gemeinde Frastanz (Bezirk Feldkirch). Das hintere Einzugsgebiet befindet sich bereits im Staat Liechtenstein.

Abbildung 2: Einzugsgebiet des Saminabaches.

7 04. OKTOBER 2017 – SAMINA

Die Samina ist ein stark geschiebeführender Kalkbach mit einer Einzugsgebietsgröße von rund 74 km². Entlang dem Mittellauf stoßen zahlreiche, steile Zubringer mit großem Geschiebepotential in den Hauptbach. Für das Bemessungsereignis der Samina ergibt sich dadurch eine hohe Geschiebefracht und der maßgebende Prozess ist ein stark geschiebeführendes Hochwasser. Am Schluchtausgang befindet sich der Schwemmkegel mit dem Ortsgebiet von Frastanz. Der Schwemmkegel ist rund 1,1 km² groß und hat ein mittleres Längsgefälle von 5 %. Der Unterlauf der Samina beträgt rund 2 %.

Problemstellung

Genau am Schwemmkegelhals befindet sich die Kompetenzgrenze zwischen WLV und BWBV. Nach dem hochwassersicheren Ausbau der Samina im Schwemmkegelbereich durch die BWBV wünscht die Gemeinde nach wie vor einen höheren Schutzbedarf! Während der Hochwasserereignisse von 1999 und 2005 kam es im regulierten Trapezgerinne durch Geschiebe zu unerwünschten Anlandungen. Von der Gebietsbauleitung Bregenz wird für die Samina daher gerade ein Schutzprojekt ausgearbeitet. Im Zuge dessen ist eine Aussage zu der aktuellen Gefährdung notwendig. Die Kombination aus starker Geschiebeführung und flachem Unterlauf geht zwangsläufig mit der Gefahr vor Sohlanlandung während dem Hochwasserereignis einher. Dadurch kommt es zu einer Reduktion der Abflusskapazität des verbauten Unterlaufs, was wiederum die Gefahr der Abflussüberbordung erhöht. Infolge von starkem Wildholztransport kann im Ereignisfall auch die Verlegung der Brückenbauwerke nicht ausgeschlossen werden. Um die Vielzahl an Szenarien und die damit einhergehenden Auswirkungen auf das Gefahrengebiet quantitativ erfassen zu können, wurden geschiebehydraulische 2d-Simulationen durchgeführt. Aufgrund des Prozesscharakters (fluviatiler Feststofftransport) und dem Erfordernis einer flächigen Aussage wurden folgende Simulationsprogramme eingesetzt:

 HYDRO_AS-2d für Reinwassersimulation  BASEMENT für Geschiebesimulation

Durchführung der Simulation

 Festlegung von Simulationsszenarien  Aufbereitung und Interpretation der Simulationsergebnisse  Schlussfolgerungen

Modellgebiet

Das 0,7 km² große Modellgebiet der Abfluss- und Geschiebesimulation erstreckt sich über den gesamten Einschnitt im historischen Schwemmkegel der Samina und umfasst auch den unterhalb anschließenden Talboden des Illtals (Abbildung 3). Der obere Modellrand und somit der Zufluss aus dem Mittellauf der Samina befindet ich am Schluchtausgang bei hm 14. Eine zweite obere Randbedingung (Zufluss) befindet sich am Eintritt der Ill in das Modellgebiet (im Nordosten in Abbildung 3). Die untere Randbedingung stellt den Gebietsauslass dar und dieser befindet sich zum einen im Vorfluter (Gerinneabfluss) sowie in den angrenzenden Flächen (Überflutung).

8 04. OKTOBER 2017 – SAMINA

Zufluss Ausfluss

Abbildung 3: Orthofoto des Schwemmkegels mit der Begrenzung des Modellgebiets

Schwemmkegelgerinne der Samina

Am Schwemmkegel (Unterlauf) ist die Samina als Trapezgerinne ausgeführt und weist ein mittleres Fließgefälle von rund 2 % auf. Zwischen hm 8,0 und hm 11,5 ist das Unterlaufgerinne mittels Grundschwellen künstlich abgeflacht (Abbildung 4); darunter sichern Sohlgurte (ohne Absturz) die Sohle vor Tiefenerosion. Der Schluchtausgang befindet sich im hm 11,5 und das das Kraftwerk im hm 17. 530 10% Samina 520 Unterlauf Grundschwellen Kraftwerk 8% Seehöhe [m] Seehöhe

Schluchtausgang [%]Gefälle 510 Mittellauf Gefälle 6% 500

490 4%

480

2% 470

460 0% 0 5 10 15Bachlänge [hm] 20 Abbildung 4: Längsprofil der Samina

9 04. OKTOBER 2017 – SAMINA

Am Schluchtausgang hat die Samina einen Wildbachcharakter. Das Geschiebe der Bachsohle ist unsortiert, aber es ist eine klare Unterscheidung zwischen feinem, laufendem Geschiebe (Kalkschotter) und dem groben Bachmaterial zu erkennen (Abbildung 5). Im Unterlauf besteht die Bachsohle beinahe ausschließlich aus feinem, laufendem Geschiebe; nur vereinzelt ragen Störsteine heraus (Abbildung 6 bis Abbildung 8) .

Abbildung 5: Schluchtausgang – nahe dem oberen Modellrand Abbildung 6: Absturzbauwerk und Übergang in das (hm 13; Blickrichtung bachaufwärts) Schwemmkegelgerinne (hm 11,5)

Abbildung 7: Schwemmkegelgerinne bei hm 7 (Blickrichtung Abbildung 8: Schwemmkegelgerinne bei hm 5 (Blick-richtung bachabwärts) bachabwärts)

Abflussganglinien

Der Scheitelwert eines Hochwasserereignisses mit 100-jähriger Wiederkehrdauer (HQ100) wurde zwischen der Wildbach- und Lawinenverbauung und dem Bundeswasserbau abgestimmt und beträgt 115 m³/s. Die Wasserfracht dieses Ereignisses beträgt hier 904 Tausend m³. Unter Berücksichtigung des Sedimenttransports (Geschiebe + Schwebstoffe) und der Möglichkeit von kurzzeitigen, schwallartigen Abflussspitzen (bspw. infolge von Verklausungsbrüchen) ergibt sich für das Bemessungsereignis der Wildbach- und Lawinenverbauung ein Intensitätsfaktor von 1,4 und somit ein Spitzenwert von 161 m³/s (BE150). Die Fracht dieses BE150 beträgt 1.024 Tausend m³ und die Differenz zu dem HQ100 ergibt eine Feststofffracht von 120 Tausend m³. Für den Vorfluter, die Ill, wird indes ein konstanter Abfluss von 50 m³/s verwendet, was in etwa dem Sommermittelwasser entspricht.

10 04. OKTOBER 2017 – SAMINA

HydrologischeBemessungsganglinie Bemessungsganglinie (HQ100 + BE150)(BHQ150) 180 m³/s 160 HQ100 140 BE150 120 100 80 60 40 20 0 0246810 Stunden Abbildung 9: Ganglinie des HQ100 (Reinwasser) und des B150 (Wasser+Feststoffe)

Eingangsdaten – geschieberelevante Korngrößen

Im Zuge von Bachbegehungen wurden Linienzahlanalysen (LZA) durchgeführt und entsprechend den Methoden von Fehr (1987) und Rickenmann (2014) in eine Volumen-Gewichtsverteilung der Unterschicht und der Deckschicht umgerechnet. Die maßgebenden Korngrößen dieser Verteilungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1: Maßgebende Korngrößen

Bezeichnung d30 d50 dm d90 Eintrag 0,8 cm 2,2 cm 3,5 cm 8,4 cm Sohle (fein) 0,9 cm 2,6 cm 5,1 cm 11,7 cm Sohle (grob) 2,0 cm 5,6 cm 9,9 cm 27,7 cm

Geschiebeganglinie

Zur Berechnung der Geschiebeganglinie wurde die Transportformel nach Smart & Jäggi verwendet. Diese Formel ist auch für die Modellierung mit dem Programm BASEMENT herangezogen worden. Die Geschiebefracht des Bemessungsereignisses wurde durch den Gefahrenzonenplaner DI Thomas Frandl erhoben und beträgt am Schwemmkegelhals rund 120.000 m³ (Lagerungsvolumen). Diese Fracht resultiert hauptsächlich aus den starken Geschiebeeinträgen von den zahlreichen, steilen Zubringergräben im Mittellauf der Samina. Für die 2d-Simulation ist der Eintrag an Geschiebe in Form einer Zeitreihe zu definieren. Diese Zeitreihe wird mittels der profilweisen ingenieurmäßigen Methode berechnet. Es wird dazu für jeden Abflusswert der Abflussganglinie (HQ100) die dazugehörige Transportkapazität (mittels Geschiebetransportformel) bestimmt. Durch das Aufsummieren der jeweiligen Transportraten lässt sich die korrespondierende Gesamtgeschiebefracht bestimmen.

Entsprechend den Ergebnissen ist die Abflusskapazität des Schwemmkegelgerinnes im Bereich hm 11 nicht ausreichend um den Bemessungsabfluss (BE150) von 161 m³/s abzuführen. Weiter bachabwärts ist die Abflusskapazität der Samina größer, allerdings stellen die Brücken ein Nadelöhr dar.

11 04. OKTOBER 2017 – SAMINA

Die theoretische Transportkapazität ist hingegen im gesamten Schwemmkegelgerinne deutlich geringer als die im Wildbachaufnahmeblatt genannte Ereignisfracht von 120.000 m³. Es muss mit der Geschiebeablagerung und der entsprechenden Reduktion der Abflusskapazität gerechnet werden. Aufgrund der Diskrepanz zwischen theoretisch errechneter und im Feld angeschätzter Geschiebefracht wird die 2d-Geschiebesimulation für zwei Szenarien durchgeführt:

 Szenario 1: ist der Geschiebeeintrag gleich der Transportkapazität im Mittellauf GF = 29.000 m³. Als

Abflussganglinie wird das BE150 herangezogen.  Szenario 2: ist der Geschiebeeintrag auf die vorgegebene Geschiebefracht von 120.000 m³ abgestimmt.

Als Abflussganglinie wird das HQ100 von 115 m³/s mit herangezogen.

Ergebnisse der 2d-Reinwassersimulationen

Die 2d-Reinwassersimulationen wurden mit dem Simulationsprogramm hydro_AS-2d durchgeführt. Die Berechnung der Fließgeschwindigkeit (Fließgesetz) beruht in hydro_AS-2d auf der Stricklerformel. An den vier Brücken in der Samina ist der Freispiegelabfluss bis auf Höhe der Brückenunterkante beschränkt; darüber erfolgte Druckabfluss. Entsprechend der 2d-Reinwassersimulation mit dem Simulationsprogramm hydro_AS-2d ist die Abflusskapazität des Gerinnes zwar ausreichend um die Wassermassen eines 100-jährlichen Hochwassers aufzunehmen. Allerdings trifft dies nur bei Unterstellung einer maximalen Abfuhrkapazität und ohne Berücksichtigung eines Freibords und möglichen Brückenverlegungen (durch Wildholz) oder Sohlanlandungen (durch Geschiebe) zu. So ist die Abflusskapazität bei der Brücke 3 (hm 5) nicht ausreichend, um das 100- jährliche Hochwasser (HQ100) mit einem Freibord von 0,5 m schadlos abzuführen; es folgen beidseitige Bachausbrüche. Bei Berücksichtigung einer möglichen Unholzverlegung an der obersten Brücke bei hm 10, ergeben sich auch dort Bachausbrüche nach orografisch rechts.

Ergebnisse der 2d-Geschiebesimulationen

Die 2d-Geschiebesimulation wird mit dem Simulationsprogramm BASEMENT durchgeführt. Analog zu den 2d-Reinwassersimulationen beruht die hydraulische Berechnung auf den 2d-Flachwassergleichungen mit der Fließformel nach Strickler. Allerdings werden die Brückenbauwerke und die damit einhergehende, limitierte Durchflusshöhe nicht berücksichtigt. Zur Berechnung der Geschiebetransportkapazität wird der Ansatz nach Smart und Jäggi (1983) angewendet. Als Anfangsbedingung ist neben der Abflussganglinie auch eine Geschiebeganglinie zu definieren. Im Unterlaufgerinne der Samina ist die Transportkapazität deutlich zu gering, um die aus dem Mittellauf mobilisierten Feststoffe schadlos abzuführen. Die geringe Transportkapazität ist vor allem dem vergleichsweise geringen Längsgefälle von rund 2 % geschuldet. Starke Geschiebeablagerungen zeigen sich vorzugsweise an der Luftseite der Grundschwellen; allerdings ist im gesamten Unterlauf mit Sohlanlandungen im Ausmaß von mind. 1 m zu rechnen. Diese Sohlanlandung geht mit einer Reduktion der Abflusskapazität einher.

12 04. OKTOBER 2017 – SAMINA

Abbildung 10: links Szenario Reinwassersimulation mit BE 150, rechts Szenario Geschiebesimulation mit HQ100 und Geschiebefracht 120.000 m³.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Im Sinne der Gefahrenreduktion ist eine Verringerung des erforderlichen Freibords ratsam. Grundsätzlich ist das Unterlaufgerinne als einheitliches Transportgerinne ausgebaut, was ein schnelles Abfließen der Hochwasserwelle ermöglicht. Laut dem Projektant DI Andreas Drexel ist im Ereignisfall allerdings sehr wohl mit einem nicht zu vernachlässigenden Wildholz- und Geschiebeeintrag aus dem Mittellauf zu rechnen. Gerade bei den Brückenbauwerken besteht deshalb die Gefahr einer Teilverlegung bzw. verlangt die Gefahrenbeurteilung die Berücksichtigung eines ausreichenden Freibords. Ein Ausfiltern des Wildholzes verringert hingegen die Gefahr der Überbordung an den Brücken. Hinsichtlich berechnetem Geschiebetransport ist ebenfalls eine starke Verringerung des Geschiebeeintrags in den Unterlauf ratsam, da die Transportkapazität des Gerinnes eine schadlose Abfuhr in den Vorfluter nicht gewährleistet. Der Geschieberückhalt muss sich hierbei auf die Transportkapazität im Unterlauf orientieren.

Anschrift der Verfasser

DI Michael Botthof DI Stefan Janu FTD für WLV Gbl Kärnten Nordost FTD für WLV Gbl Steiermark Nord Meister-Friedrich-Straße 2, 9500 Villach Schönaustraße 50, 8940 Liezen [email protected] [email protected]

DI Gerald Jäger Dipl.-Geogr. Susanne Mehlhorn FTD für WLV Gbl Bregenz BMLFUW Abteilung III/5 Rheinstraße 32/4, 6900 Bregenz Marxergasse 2, 1030 Wien [email protected] [email protected]

DI Markus Moser DI Elmar Plankensteiner FTD für WLV Gbl Lungau FTD für WLV Gbl Bregenz Johann-Löckerstraße 3, 5580 Tamsweg Rheinstraße 32/4, 6900 Bregenz [email protected] [email protected]

13 05. OKTOBER 2017 – DOREN

THOMAS FRANDL, THOMAS FISCHER, CHRISTOF SEYMANN, MARGARTE WÖHRER-ALGE

RUTSCHUNG DOREN

Unmittelbar östlich des Ortskerns der Gemeinde Doren/Vorarlberg befindet sich ein Hangbewegungsareal an der orographisch rechten Talflanke der Weißach, dessen Bewegungsgeschichte laut mündlicher Überlieferungen bis in das Jahre 1847 zurückreicht. Weitere Rutschungen waren in den Jahren 1927, 1935, 1952, 1954 und 1988 zu verzeichnen. Am 18.2.2007 kam es nach einem eher trockenen Witterungsverlauf neuerlich zu einer starken Hangbewegung, welche einige Tage anhielt. Bei den Großrutschungen 1927, 1935, 1988 und 2007 waren jeweils ca. 2 - 3 Mio. m³ Material in Bewegung, im Jahre 1935 wurde die Weißach vollständig aufgestaut, wobei sich hinter der Rutschung ein See mit einer Länge von ca. 500 m bildete. Seit dem Jahr 1935 wurden von der Wildbach- und Lawinenverbauung umfangreiche Sicherungsmaßnahmen (Entwässerungsstollen, Sickerschlitze, Stützbauten, Drainagen und Aufforstungen) durchgeführt, die jedoch nicht zu einer vollständigen Beruhigung der instabilen Flanke führten.

Abbildung 11: Die Rutschung Doren nach dem Ereignis 1988. Abbildung 12: Die Rutschung Doren nach dem Ereignis 2007.

Geologie im Rutschgebiet

Das Arbeitsgebiet liegt geologisch im Bereich der subalpinen, gefalteten Molassezone. Dieser mehr oder weniger breite Gürtel am Nordrand der Alpen nahm ab dem Tertiär den durch Flüsse anfallenden Verwitterungsschutt in einem seichten Meeresbecken auf. Im näheren Untersuchungsraum bauen die sg. Weißachschichten den Untergrund auf. Sie sind durch eine Wechselfolge von Mergel, Sandsteinen und Konglomeraten charakterisiert. Während der Gebirgsbildungsphase wurden diese Sedimentschichten

14 05. OKTOBER 2017 – DOREN

aufgefaltet. Es kam zur Ausbildung von Klüften und Störungszonen, welche zusammen mit den Schichtflächen dem Wasser Wege durch das Gestein bieten. Das Festgestein wird von einer bereichsweise mehrere Meter mächtigen, eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Lockergesteinsdecke überlagert.

Abbildung 13: Geologie im Rutschgebiet.

Die Rutschungserscheinungen

Von der Rutschung sind das anstehende Festgestein (Mergel/Sandstein-Wechselfolgen), als auch die sie bedeckenden eiszeitlichen Lockersedimente betroffen. Durch Anstieg des Wasserdruckes im Gestein und durch Massenverlust infolge Verwitterung kommt es in größeren Abständen zum Abbrechen von Mergelpaketen. Dadurch wird der auflagernden Moränendecke der Untergrund entzogen und es kommt auch dort zu Nachbrüchen. Das Material lagert sich am Fuße der Mergelwand ab und führt mit zunehmender Mächtigkeit zu einem Stabilitätsverlust der darunter-liegenden Schichten, sodass es in Form eines Erd-/Schuttstromes kriechend und fließend Richtung Weißach abtransportiert wird.

Dieser Erd-/Schuttstrom wird durch Oberflächenwasser, welches innerhalb der eiszeitlichen Bedeckung im Anbruchareal zutage tritt, durch Wasseraustritte aus den Störungen sowie durch Niederschlagswasser in Bewegung gehalten.

15 05. OKTOBER 2017 – DOREN

Abbildung 14: Geologisches Längsprofil

Abbildung 15: Schaufelförmig gebogene Mergelschichten am Ostrand der Rutschung

Die Untergrundverhältnisse

Zur Erfassung der Untergrundverhältnisse wurden Bohrungen und geoelektrische Bodenuntersuchungen durchgeführt. Dabei wurde ein deutliches Kleinrelief des Untergrundes unter den Moränenschichten im Bereich der Terrasse bei einer Zunahme der Überlagerungs-mächtigkeit von Ost nach West, sowie von Nord nach Süd festgestellt. Die Mächtigkeit der aktuell bewegten Masse des Erd-/Schuttstromes unterhalb der Anbruchwand ist nach den Ergebnissen der Geoelektrischen Messungen mit 10-15 m anzunehmen, das Material am Fuße der Anbruchwand weist eine Mächtigkeit von mehr als 30 m auf.

16 05. OKTOBER 2017 – DOREN

Eine auffällige Form stellt der steile Abbruch des Erd-Schuttstroms in ca. 600 m Höhe dar. Diese Steilstufe ist in allen Luftbildern ab 1950 erkennbar. Es dürfte hier eine Felsstufe vorhanden sein, über die das Schuttstrommaterial fließt und dabei ausdünnt und dann ab ~570 m wieder als geschlossener Strom weiter fließt.

Abbildung 16: Höhenunterschiede zwischen 2006 und 2007

Modellvorstellung

Der für die "globale Rutschung" auslösende Grund ist ein Versagen (Bruch) des Fußes des steil stehenden Felspaketes in der Abbruchwand Das Versagen tritt durch eine Überbeanspruchung festeren Anteile (Sandsteine) des Schichtpaketes ein. Die Spannungszunahme bis zum Bruch wird durch den Wasserdruck verursacht, der über Klüfte und Störungen entlang der Schichtflächen wirksam wird. Nach dem Bruch im Fußbereich wird die abgleitende Masse ein Teil des Erd-Schuttstroms.

17 05. OKTOBER 2017 – DOREN

Bekannte Ereignisse

1847 und 1864 keine Details bekannt

25.9.1927 östlicher Teil der Rutschung betroffen. Weißach auf einer Länge Von mehreren Hundert Metern ca. 10 m aufgestaut.10.7., 24.8., 7.9., 25.9. Tagesniederschläge zwischen 72 und 82 mm; Monatsniederschlag September 1927 498 mm

18.-29.4.1935 100 m breite Platte im Westteil der Rutschung sowie auf der Mergelwand auflagerndes Moränenmaterial abgerutscht, Schuttstrom in Bewegung gesetzt und Weißach aufgestaut. 2198 mm Jahresniederschlag in Doren 2269 mm Jahresniederschlag in Sulzberg 319 mm Monatsniederschlag im Februar im Doren 341 mm Monatsniederschlag im Februar in Sulzberg

17.-18.3.1952 Im Ostteil der Rutschung Platte von 100 m Breite und 2 m Stärke über 30 m abgerutscht. Schuttstrom wurde nicht in Bewegung gesetzt. Hohe Schneelage und rasche Schneeschmelze

1977 Absetzbewegungen an der Abbruchkante

6.4.1988 Schuttstrom bis zur Weißach 18.2. – 11.3. 320 mm Niederschlag, 120 cm Schneehöhe, Schneeschmelze bis 3.4.

9.5. – 20.5. 2005 Absetzungen unterhalb der Anrisskante 5,5 – 6 m, Weißach auf 1 km Länge aufgestaut.

19.2.2007 Schuttstrom bis zur Weißach, Mergelwand 15 m freigelegt

9.12.2007 Schuttstrom bis zur Weißach

März 2009 Größere Bewegungen im westlichen mittleren Hangbereich

17.4 2016 Im Westteil Platte von 55 x 55 x 4 m abgestürzt und darunter anschließende Rutschung in Bewegung gesetzt

Maßnahmen 1935 - 2016

1935 – 1942 Planung und Ausführung eines Entwässerungsstollens (Stinistollen) 27.000,-- Altschilling 215.000,-- Reichsmark

1950 – 1964 Entwässerungsmaßnahmen, Aufforstungen, Seismik 143.000,-- Schilling

1988 – 2001 Wiederherstellung Entwässerungssystem, Drainagen, Erkundungsbohrungen, Seismik, Färbeversuche 6.750.000,-- Schilling

2002 – 2006 Tiefdrainage, Geoelektrik, Inklinometerbohrungen 530.000,-- Euro

18 05. OKTOBER 2017 – DOREN

2007 – 2008 Geoelektrik, Inklinometerbohrungen, Wiederherstellung zerstörtes Entwässerungssystem 882.000,-- Euro

2009 – 2013 Vakuumbrunnen, Messbrunnen, Ausbau Kirchgraben, horizontale Entwässerungsbohrungen am Fuße der Mergelwand, horizontale Entwässerungs- u. Erkundungsbohrungen im Schuttstrom und auf der Terrasse, Einrichtung Monitoringsystem 965.000,-- Euro

2014 Beginn Sicherung der Mergelwand mit unterschiedlichen Systemen 619.000,-- Euro

2015 – 2016 Wiederherstellung des Entwässerungssystems

Zukünftige Maßnahmen

Nach den großen Bewegungen im Jahr 2007 wurde das Projekt Rutschung Doren 2008 ausgearbeitet. In 5 Ausbauphasen sollten folgende Maßnahmen mit einem Kostenerfordernis von € 10,14 Mio. ausgeführt werden:  Absenkung des Hangwasserspiegels oberhalb der Abbruchwand durch Vakuumbrunnen,  Stützung der eiszeitlichen Lockersedimente im oberen Bereich der Abbruchwand mit „Bewehrter Erde“  Sicherung des unteren Drittels der Abbruchwand mittels vernagelter Spritzbetonwand,  Abbau der gespannten Grundwasserverhältnisse am Fuße der Abbruchwand mittels Vertikaldrainagen,  Konsolidierung des darunter anschließenden Erd-/Schuttstromes mittels Oberflächenentwässerung

Da es keine Zustimmung des Hauptbesitzers für die Vakuumbrunnen gab, wurde 2009 ein Probebrunnen erstellt, der aber relative geringe Wassermengen liefert. 2014 wurde auf Versuchsflächen mit der Sicherung der Mergelwand mit unterschiedlichen Systemen begonnen. Aufgrund der raschen Verwitterung des Mergels, den hohen Anteil an quellfähigen Tonmineralien,(bis zu 46 % Anteil an Smektiten) und dem Problem des Abschlusses der Maßnahmen nach unten, gab es immer wieder Rückschläge. Im Jahr 2016 wurde von der Sektion Vorarlberg eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der neben der WLV, dem Landesgeologen und dem Bürgermeister auch Vertreter der BWV, der Abfallwirtschaft, des Naturschutzes und der Fischerei vertreten sind. Es wurden verschiedene Varianten - von Nichtstun über Offenhalten der Entwässerungsgräben bis zu den aufwendigen Hangsicherungsmaßnahmen mittels Verankerung und TECCO- Netz – diskutiert. Als Ergebnis der Diskussionen wurde eine Abböschung der Wand auf 30 ° und Sicherung mittels Kokosmatten vorgeschlagen. Derzeit fehlt noch die Zustimmung der Grundbesitzer zu dieser Variante.

Diskussionsbeitrag im Zuge der Studienreise

Nach der Vorstellung der Geologie, bekannter Ereignisse und den durchgeführten Maßnahmen im Rutschungsbereich durch die Vertreter der GBL Bregenz erfolgte zuerst eine Diskussion der Teilnehmer der Studienreise. Dabei wurden einerseits die bereits umfangreichen Untersuchungen des Rutschkörpers hervorgehoben und andererseits die unterschiedlich aufwendigen Arten der Sicherung der Mergelwand an der orografisch linken Abbruchkante der Rutschung erörtert. Schließlich wurde von einem Vertreter der benachbarten GBL Bludenz überhaupt in Frage gestellt, ob Maßnahmen eine Rutschung dieser Größenordnung wirksam verzögern können.

19 05. OKTOBER 2017 – DOREN

Folgende Fragen wurden diskutiert und wären auch für eine Weiterführung des Projekts zu klären:

- Die Projekt vorgesehenen Maßnahmen sind sehr generell geplant – Zur Umsetzung von technischen Maßnahmen müssten diese erst im Detail geplant und kalkuliert werden und nach derzeit gültigem Stand der TRL auch aller Wahrscheinlichkeit nach neu genehmigt werden. - Dafür wäre es erforderlich das Projektziel genau zu definieren und auch den Grundgedanken zu formulieren - Eine Kosten/Nutzen Untersuchung sollte auch die Möglichkeit der Absiedlung beinhalten - Unverständlich blieb das Verhalten des direkt betroffenen Grundbesitzers, der offenbar keine Flächen für Verbauungsmaßnahmen zur Verfügung stellen will und direkt an die Rutschung angrenzende Flächen als Sportplatz nutzt (bzw. nutzen darf) – ist das ein Hinderungsgrund? - Letztlich gibt es bis heute vor allem wegen der äußerst komplexen Zusammenhänge der die Rutschung beeinflussenden Faktoren kein schlüssiges Konzept für die nachhaltige Veränderung des Rutschungsprozesses.

Abbildung 17: Blick zum "Testfeld".

20 05. OKTOBER 2017 – DOREN

Durch Bürgermeister Guido Flatz von der Gemeinde Doren wurde nach der Vorstellung seiner Gemeinde klargestellt, dass eine Absiedlung von gefährdeten Objekten bzw. deren Bewohnern kein Thema ist und die Maßnahmen im Rahmen des mit insgesamt 10 Mill. Euro veranschlagten Projektes der WLV von der Gemeinde, die dazu 3 % beisteuert, sehr geschätzt werden. Im Anschluss daran wurde über die Flächenwidmung bzw. Freihaltung von potentiellem Bauland hangaufwärts der derzeitigen Abbruchkante diskutiert. Als Gefährdungsszenario wird dabei eine rückschreitende Erosion von 1 m/Jahr unterstellt. In den kommenden 50 Jahren wäre wahrscheinlich die Abbruchkante bis zum GH Adler bzw. der Landesstraße hangaufwärts vorgerückt, wenn nicht die zwischenzeitlich getroffenen Maßnahmen eine Verzögerung bewirkt haben. Hinsichtlich der weiteren Verbauung wurde neben der Beobachtung der bereits gesetzten Bautypen ein Baufortschritt auch von der orografisch rechten Rutschungsflanke unter Erhaltung der noch vorhandenen Bestockung angeregt. Man war sich einig, dass diese Großrutschung noch mehrere Jahrzehnte mit unterschiedlichen Maßnahmen die WLV beschäftigen wird.

Anschrift der Verfasser

DI Thomas Frandl DI Thomas Fischer FTD für WLV, Gbl Bregenz FTD für WLV, Gbl Pongau, Flach- und Tennengau Rheinstraße 32/4, 6900 Bregenz Bergheimerstraße 57, 5021 Salzburg [email protected] [email protected]

DI Christof Seymann DI Margarete Wöhrer-Alge FTD für WLV, Sektion Kärnten FTD für WLV, Sektion Vorarlberg Meister-Friedrich-Straße 2, 9500 Villach Rheinstraße 32/5, 6900 Bregenz [email protected] [email protected]

21 05. OKTOBER 2017 – BAD HINDELANG

DAVID FORSTLECHNER, SIEGFRIED PÖLL, THOMAS SAUSGRUBER, MARKUS ZÖCHLING

Murfangsperre Zillenbach, Marktgemeinde Bad Hindelang (D)

Exkursionsführung: Wasserwirtschaftsamt Kempten – Bayern (DI Geier, DI Hagenauer, BEng. Ehrlicher)

Allgemeines

Der Zillenbach ist ein rechtsufriger Zubringer der Ostrach. Auf seinen Schwemmkegelablagerungen steht die Marktgemeinde Bad Hindelang. Der Perimeter misst eine Fläche von 1,6 km². Der höchste Punkt liegt 1.568 m ü. NN. Der neue Sperrenstandpunkt befindet sich bei 880 m ü. NN am Apex des Schwemmkegels, oberhalb der Marktgemeinde. Im Einzugsgebiet des Zillenbaches wurden eine Reihe von Veränderungen festgestellt: Die alte Verbauung war desolat und im oberen Einzugsgebiet nahmen Rutschungs- und Erosionsprozesse bedenklich zu. Untersuchungen des Wasserwirtschaftsamtes ergaben, dass die vorhandenen Geschiebepotentiale im Falle von ergiebigen Niederschlägen/Starkniederschlägen zu Murereignissen und folglich zu massiven Schäden in der Ortschaft Bad Hindelang führen können. Dabei geht man von bis zu 20.000 m³ Geschiebe bei einem Ereignis aus.

Geologie im Einzugsgebiet des Zillenbaches

Das obere Einzugsgebiet wird in seinem orografisch linken Teil aus kalkalpinen Karbonaten der Allgäudecke, in seinem orografisch rechten Teil aus Gesteinen des Helvetikums und des Flyschs (Penninikum) aufgebaut. Die Geschiebebereitstellung erfolgt durch Rutschungen in den veränderlich festen, verwitterungsanfälligen Gesteinen des Penninikums und durch Schuttbildungen aus den Karbonaten.

Verbauungskonzept

Aufgrund der schwierigen geologischen Verhältnisse im oberen Einzugsgebiet, welche eine Erschließung durch Forststraßen nur schwer umsetzen lassen und der Aussicht, dass stabilisierende Maßnahmen im Einzugsgebiet

22 05. OKTOBER 2017 – BAD HINDELANG

erst nach Jahrzehnten wirken werden, wurde hiervon abgesehen. Als zeitnahe Sicherungsmaßnahme wurde daher eine Murfangsperre am Schwemmkegelapex oberhalb von Bad Hindelang geplant und ausgeführt.

Baugrund

Der Sperrenstandpunkt wurde mittels 6 Kernbohrungen und schwerer Rammsonde erkundet. Die Erkundungen ergaben für die Aufstandsfläche der Sperre orografisch links Kalkfels und orografisch rechts Lockermaterial des Murschuttkegels.

Historie/Entwicklung

1999 Hochwasser, 2005 HW Priorität (große Schäden in Oberstdorf), 2006 Gutachten v. Landesamt

Verbauungsgrundgedanke

Im Falle eines Murstoßes stürzt dieser bei entsprechender Umsetzung von Energie über die vorgesetzte Sperre in den Rückhalteraum. Durch das Hauptbauwerk (Mursperre) wird schließlich die Hauptmenge des Geschiebes/Murmaterials zurückgehalten. Zur sicheren Abfuhr von überschüssigem Material dient die Überlaufsektion mittig über der Hauptsperre.

Bauwerke

Das Hauptbauwerk besteht aus einer Stahlbetonmursperre, welche an den Flanken durch Dämme an das Gelände anschließt. Die Höhe der Hauptsperre beträgt ca. 10 m. Insgesamt erstreckt sich die Sperre über eine Breite von über 100 m. Der Rückhalteraum bietet ein Volumen von ca. 22.000 m³. Um auch in Zeiten niedriger Wasserführung eine Geschiebedurchgängigkeit zu ermöglichen, sind mittig in der Hauptsperre Murscheiben angebracht.

Bauphase

Der Baubeginn erfolgte im Herbst 2012. Zunächst wurde der Rückhalteraum ausgehoben und die Baustraßen angelegt. Folgend wurde die Vorsperre in drei Abschnitten erstellt. Der Aufbau der Hauptsperre erfolgte über die Herstellung eines Fundaments, die Einhausung mittels Betonfertigteilen als verlorene Schalung und dem Ausbetonieren derselben. Final wurden die rechts- und linksseitigen Dämme hergestellt sowie die Hinterfüllung mit Erdmaterial und die talseitige Begrünung vorgenommen. Aufgrund der sehr engen und verwinkelten Ortsdurchfahrt, durch welche sich die LKW-Zufahrt eher schwierig gestaltet, wurde ein temporärer Bauweg (560 m Länge) über landwirtschaftliche Flächen errichtet. Der Aushub erfolgte bis ca. 10 m Tiefe, das Aushubmaterial wurde teilweise vorgeschüttet (vor Ort eingebaut). Während der Bauphase erfolgte die Wasserhaltung mittels eines Rohres DN1000. Die Betonarbeiten wurden an eine Firma vergeben. Der Bodenaushub und die Erd- und Wasserbauarbeiten erfolgten durch die Flussmeisterstelle (unter Zukauf von Großgeräteleistungen). Aus statischer Sicht ist das Hauptbauwerk eine auf Murdruck, 4- fachen Wasserdruck bemessene Schwergewichtsmauer.

23 05. OKTOBER 2017 – BAD HINDELANG

Abbildung 18: Bauzustand - Verlorene Schalung mit Betonfertigteilen.

Auf der Baustelle wurden insgesamt 3.200 m³ Beton verbaut, 21.000 m³ Erde bewegt und davon 10.000 m³ deponiert. Fels musste unter Zuhilfenahme von 1,75 to Sprengstoff gesprengt werden, wobei das aufbereitete Material großteils wiederverwendet werden konnte. Gegen den Geschiebeabschliff beim Sperrenbauwerk wurden Granitplatten eingebaut. Die Fundamentbreite der Sperre beträgt rd. 6 m, die Stärke an der Oberkante rd. 4 m. Die lichte Weite der Öffnungen wurde mit 80 cm gewählt.

Abbildung 19: Verlandungsraum mit Einlaufbauwerk.

Bauzeit

Die Bauzeit erstreckte sich von 2012 bis Ende Herbst 2013.

24 05. OKTOBER 2017 – BAD HINDELANG

Projektpartner/Kosten

Der Kostenvoranschlag mit rund 3.000.000 € konnte mit einem Abschluss von ca. 1.800.000 € deutlich unterboten werden. Der Freistaat Bayern beteiligte sich an den Projektkosten mit 80 %, so dass auf die Gemeinde Bad Hindelang 360.000 € entfielen.

Diskussion

Die Sicherheitseinrichtungen und ihre Ausführung (Absturzsicherung bei der Sperre) sind sichtlich ein vieldiskutiertes Thema nicht nur in der österreichischen Wildbachverbauung und für den Konsensinhaber aus Haftungsgründen im Anlassfall besonders wichtig. Warum eigentlich eine Schwergewichtsmauer? Diese Frage beantworteten die bayrischen Kollegen klar und deutlich mit dem Sicherheitsgedanken und der psychologischen Wirkung für die Bevölkerung. Wildholz wird von den bayrischen Kollegen im Zusammenhang mit einer Murproblematik nicht separat behandelt, da „das Holz in der Mure ist“. Die Anbindung der Sperre in einen Damm (und nicht in festes Gelände) sorgte bei einigen Kollegen aufgrund der aktuellen Diskussionen in Österreich für Nachdenklichkeit. Das Instrument des Gefahrenzonenplanes steht in Bayern nicht zur Verfügung, allerdings gibt es Wildbachgefährdungspläne, Überschwemmungsgebiete, etc. Der schutzwasserbauliche Ausbau der Gewässer erfolgt auf ein HQ100 + 15 % Klimazuschlag. Die Gemeinden in Bayern haben eine Begehungspflicht, der Nutzenziehende ist für Erhaltung heranzuziehen (schwierig: finanzielle Beteiligung). Für die Finanzierung von Schutzmaßnahmen steht in Bayern kein Katastrophenfond zur Verfügung, die benötigten Gelder müssen aus dem Budget lukriert werden.

Abbildung 20: Murfangsperre; wasserseitige Ansicht.

25 05. OKTOBER 2017 – BAD HINDELANG

Abbildung 21: Betonscheiben des Hauptbauwerks, im Hintergrund die Absturzsicherung.

Anschrift der Verfasser

DI David Forstlechner DI Siegfried Pöll FTD für WLV, Gbl Unteres Inntal FTD für WLV, Gbl Niederösterreich West Innsbruckerstraße 19, 6300 Wörgl Josef Adlmanseder-Straße 4, 3390 Melk [email protected] [email protected]

Ing. Mag. Dr. Thomas Sausgruber DI Markus Zöchling FTD für WLV, Stabstelle Geologie FTD für WLV, GBL Kärnten Nordwest Wilhelm-Greil-Straße 9, 6020 Innsbruck Meister-Friedrich-Straße 2, 9500 Villach [email protected] [email protected]

26 05. OKTOBER 2017 – OBERSTDORF

DAVID FORSTLECHNER, SIEGFRIED PÖLL, THOMAS SAUSGRUBER, MARKUS ZÖCHLING

Hochwasserschutz Dummelsmoossiedlung, Marktgemeinde Oberstdorf (D)

Exkursionsführung Wasserwirtschaftsamt Kempten – Bayern (DI Geier, DI Hagenauer, BEng. Ehrlicher)

Allgemeines

Der zweite Exkursionspunkt führte uns in den Ortsteil „Am Dummelsmoos“ der Gemeinde Oberstdorf. Hier ereignete sich am 14. Juni 2015 nach einem extremen Niederschlagsereignis mit bis zu 120 mm Niederschlag innerhalb von 45 Minuten am Roßbichlbach im Bereich des Gaisalphornes ein Murereignis, bei welchem 2 Murstöße bis in den Siedlungsbereich vordrangen und mehrere Wohnhäuser vermurten. Die Rückrechnung des Ereignisses ergab einen Spitzenabfluss zwischen 5 und 6 m³/s. Das Einzugsgebiet des Roßbichlbaches liegt in der Gemeinde Oberstdorf im Landkreis Oberallgäu, besitzt eine Fläche von rund 0,3 km² und erstreckt sich von der Westflanke des Niederecks und des Roßbichls auf 1760 m ü. NN. bis zur Mündung in die Trettach bei 802 m ü. NN. Das HQ100+15 % (HQ100 inkl. 15 % Klimazuschlag) des Roßbichlbaches beträgt 1,75 m³/s.

Schutzziel

Der Ausbau des Gerinnes soll in einem Ausmaß erfolgen, dass das HQ100+15 % durch die geplanten Maßnahmen schadlos abgeführt werden kann. Im Fall von Extremereignissen bzw. Ereignisse mit sehr hoher Geschiebeführung soll ein Entlastungsgerinne anspringen und die Siedlung vor Überschwemmungen und Vermurungen schützen.

Verbauungskonzept

Das natürliche Gerinne des Roßbichlbaches fließt mitten durch den Siedlungsbereich und trägt somit auch zum Erscheinungsbild des Ortes bei. Deshalb und auch in Hinsicht der Kosten war eine Vorgabe bei der Ausarbeitung des Schutzprojektes die optimale Ausnutzung des bestehenden Gerinnes. Um das Schutzziel zu erreichen wurde am Grabenausgang eine Murfangsperre inkl. Ablagerungsbecken errichtet, welche den Abfluss weitgehend von Geschiebe befreien sowie die Energie entsprechend umsetzen soll. Das anschließende Gerinne wurde mit Grobsteinen gesichert. Linksufrig wurde entlang dieses Gerinnes ein Erddamm geschüttet, um die weiter flussabwärts liegende Siedlung im Fall eines Bachausbruches in diesem Bereich zu schützen.

27 05. OKTOBER 2017 – OBERSTDORF

In einem nachgeschalteten Drosselbauwerk wird mittels eines Rohres DN600 der Abfluss auf das HQ100+15 % gedrosselt und anschließend weiter durch die Siedlung geführt. Dem Drosselbauwerk sind ein Kiesfangbecken und eine Dosiersperre vorgeschaltet, um mitgeführtes Feingeschiebe zur Ablagerung zu bringen und das Rohr weitestgehend freizuhalten. Im Überlastfall bzw. im Falle einer Verklausung des Drosselbauwerkes springt die Flutmulde an und der Abfluss wird in dieser durch die Anordnung von Leitdeichen an der Siedlung vorbeigeführt und mündet schließlich flussabwärts des Siedlungsbereiches in den Vorfluter.

Projektskosten/ -dauer

Die Gesamtkosten betrugen 800.000 € und wurden zu 70 % vom Freistaat Bayern und zu 30 % vom Markt Oberstdorf getragen. Umgesetzt wurde das Projekt innerhalb eines Jahres von Herbst 2016 bis Herbst 2017.

Diskussion

Der fachliche Gedankenaustausch mit den Kollegen aus dem bayrischen Raum ergab sich allein schon aus dem Umstand, dass gesicherte Wildbäche, welche in Bayern der „Gewässer III. Ordnung / Wildbach“ zugeordnet werden, nach Verbauung zur Betreuung, Wartung, Instandhaltung, Räumung etc. weiterhin dem Wasserwirtschaftsamt sozusagen „überbleiben“. Ebenso die Entschädigung sowie Wiederherstellung des Zustandes der landwirtschaftlichen Flächen, welche bei einem Extremereignis durch die Ableitung des Spitzenabflusses im Bereich der Flutmulde beaufschlagt werden. Die sehr pragmatische Herangehensweise zur Verringerung der Erfordernis statischer Nachweise von Betonbauwerken, wodurch teils doch recht massige Bauteile entstehen, die Verwendung von Betonfertigteilen als „verlorene“ Schalung sowie der Exkurs zu Lieferproblemen von Granit aus chinesischen Steinbrüchen waren dann doch auch etwas neuere Problemstellungen für die Kollegen der WLV, wobei gerade diese zu der sehr gelungenen Veranstaltung beigetragen haben.

Abbildung 22: Murfangsperre am Grabenausgang

28 05. OKTOBER 2017 – OBERSTDORF

Abbildung 23: Drosselbauwerk – Einlaufwerk als Dosiersperre und Abflussrohr

Abbildung 24: Betonflügel des Drosselbauwerks – Ausführung als Schwergewichtsmauer

Anschrift der Verfasser

DI David Forstlechner DI Siegfried Pöll FTD für WLV, Gbl Unteres Inntal FTD für WLV, Gbl Niederösterreich West Innsbruckerstraße 19, 6300 Wörgl Josef Adlmanseder-Straße 4, 3390 Melk [email protected] [email protected]

Ing. Mag. Dr. Thomas Sausgruber DI Markus Zöchling FTD für WLV, Stabstelle Geologie FTD für WLV, GBL Kärnten Nordwest Wilhelm-Greil-Straße 9, 6020 Innsbruck Meister-Friedrich-Straße 2, 9500 Villach [email protected] [email protected]

29 06. OKTOBER 2017 - MALBUN

GERHARD HOLZINGER, PATRICK SIEGELE

Gipssackung Schlucher‐Malbun, Liechtenstein

Exkursionsführung Abteilung Naturgefahren, Amt für Bevölkerungsschutz – Liechtenstein (Stephan Wohlwend)

Allgemeine Informationen zu Malbun

Am letzten Tag der Studienreise führte die Reise nach Malbun ins Fürstentum Liechtenstein. Das Malbuntal ist ein kleines Nord-West bis Süd-Ost gerichtetes Seitental des Saminatales, welches von einem Lokalgletscher gebildet wurde. Der Ort selbst liegt auf rund 1.600 m Seehöhe, gehört zur Gemeinde Triesenberg und ist im Sommer weitestgehend unbewohnt. Mit rund 23 Pistenkilometern ist Malbun das wichtigste Wintersportziel in Liechtenstein. Neben der Großrutschung wird Malbun auch von zahlreichen Lawinenzügen bedroht (Abbildung 25). In den 1970-er Jahren wurden großflächige Hochlagenaufforstungen, teilweise in Kombination mit Stützverbauungen aus Holz, durchgeführt (Abbildung 26). Oberhalb von 2.000 m Seehöhe und in Mulden und Rinnen konnte sich bis dato kein lawinenschutzwirksamer Wald entwickeln. Die Holzverbauung hat ihre Nutzungsdauer bereits überschritten und bricht zunehmend zusammen. Deshalb sollen in Zukunft die beschädigten Holzwerke durch Stützverbauungen aus Stahl ersetzt werden. In Gunstlagen soll eine Aufforstung weiterhin forciert werden.

Abbildung 25: Der Schluchergraben in Bildmitte und die Abbildung 26: Lawinenhänge und Aufforstungsbereiche darunter befindliche Ortschaft Malbun oberhalb von Malbun

Statt der ursprünglich geplanten Auffahrt mit der Seilbahn und der Begehung der Großrutschung von oben nach unten erfolgte aufgrund des Schneefalles eine Beobachtung vom Gegenhang aus. Da sich das Wetter im Laufe des Vormittages noch besserte, konnte anschließend noch eine Begehung des untersten Teiles der Rutschung vorgenommen werden.

Die Großrutschung Schlucher‐Malbun

Der sogenannte Schluchergraben besteht im oberen Bereich aus zwei Gerinnearmen. Diese verlaufen jeweils seitlich an der Rutschmasse vorbei und vereinen sich an der Stirn des Rutschkörpers. Die Hauptbewegung findet zwischen den beiden Rinnen statt. Der Rutschkörper selbst besitzt ein geschätztes Volumen von 100.000 m³.

30 06. OKTOBER 2017 - MALBUN

Geologisch betrachtet ist Malbun der tektonischen Einheit der Nördlichen Kalkalpen (Hauptdolomit der Lechtal- Decke) zuzuordnen, welche intern in Schuppen und Schollen unterteilt ist. Im Schlucher Graben treten zudem Raibler Schichten (Gips, Tonstein, Mergel), welche als Wasserstauer fungieren. Die ersten Probleme mit der Großrutschung traten in den frühen 1980-iger Jahren auf. Als Reaktion auf die Ereignisse wurde eine Verbauung des Bachlaufes vorgenommen. Das Hauptgerinne unterhalb des Rutschkörpers wurde durch Konsolidierungssperren aus Stahlbeton verbaut. Der orographisch linke Graben wurde aufgrund der Geländebewegung mittels Holzsperren verbaut (Abbildung 27). Im orographisch rechten Graben wurde eine Rinne aus verbundenen Längshölzern zur Ableitung des Wassers errichtet (Abbildung 28). Zusätzlich wurden anfangs halbjährliche und später jährliche Vermessungen durchgeführt. Durch die ausgeführten Maßnahmen konnten die Bewegungsraten deutlich verringert werden. Aufgrund der starken Schäden mussten im Jahr 2006 neue Holzsperren in der orographisch linken Rinne errichtet werden.

Abbildung 27: stark beschädigte Holzsperren des orogr. linken Abbildung 28: stark beschädigtes Holzgerinne des orogr. rechten Grabens, in Bildmitte ist die Stirn der Rutschmasse zu sehen. Grabens.

Gipssackung oder Rutschung?

In den 1990-iger Jahren wurde von der Uni Amsterdam umfangreiche Untersuchungen an der Großrutschung vorgenommen. Aufgrund des Gipsvorkommens (Anhydrit) und dessen Auflösung vor Ort kamen die Fachleute damals zum Schluss, dass es sich um eine Gipssackung handeln müsse. Diese These wurde durch die Ergebnisse der geoelektrischen Messungen verhärtet. Im Jahr 2017 ließ die Abteilung Naturgefahren Befliegungen mittels Drohne durchführen. Das digitale Geländemodell der Drohne wurde mit den Lidar-Daten aus dem Jahr 2015 verschnitten (Abbildung 29). Gemeinsam mit einer GPS-Vermessung konnten die vermuteten Rutschgrenzen und die Bewegungsvektoren ermittelt werden. Es zeigte sich, dass die Störzonen, wie vermutet, exakt entlang der beiden Gerinnearme verlaufen. Dies wird in der Natur auch durch die verdrehten Holzsperren sichtbar. In dieser Auswertung konnte auch der Stauchwulst an der Front der Rutschmasse sehr gut dargestellt werden. Mit dem Differenzenmodell konnten maximale Bewegungsraten von rund 13 m in einem Zeitraum von 2 Jahren ermittelt werden.

31 06. OKTOBER 2017 - MALBUN

Abbildung 29: Ergebnisse der Differenz aus der Drohnenbefliegung 2017 und den Lidar Daten 2015.

Nach einem starken Niederschlagsereignis vom 31.08.2017 auf den 01.09.2017 mit einem gemessenen Niederschlag von 160 mm in 48 h konnte zudem eine erhebliche Beschleunigung des Rutschkörpers beobachtet werden. Diese unmittelbare Reaktion auf ein starkes Niederschlagsereignis passt nicht zu einer Gipssackung. Aufgrund der neuesten Erkenntnisse und Messungen wird deshalb davon ausgegangen, dass es sich nicht wie ursprünglich vermutet um eine Gipssackung, sondern um eine Großrutschung, handelt.

Zukünftig geplante Maßnahmen:

Da die Rutschung in kürzester Vergangenheit wieder erhöhte Bewegungsaktivitäten aufzeigte, werden vor Ort entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Zur Ermittlung der Gleitflächen und zur Durchführung von Inklinometermessungen sollen vier Kernbohrungen mit einer Tiefe von maximal 30 Metern ausgeführt werden. Aufgrund der raschen Bewegung wurde von einem Exkursionsteilnehmer der Geologischen Stabstelle Tirol vorgeschlagen eine Zeitbereichsreflektometrie (Time Domain Reflectometry, kurz TDR) durchzuführen. Diese ermöglicht einen längeren Messzeitraum, als der Inklinometer. Zur Bestimmung der Bewegungsraten soll zudem eine permanente GPS Messung durchgeführt werden. Diese soll mit einer Warneinrichtung verbunden werden und bei Überschreitung der definierten Grenzwerte die Anwohner warnen.

32 06. OKTOBER 2017 - MALBUN

Abbildung 30: Durchführung von Kernbohrungen auf dem Abbildung 31: Netzsperre und Geschiebeauffangsperre unterhalb Rutschkörper der Großrutschung

Im Jahr 2007 wurde im Bachlauf unterhalb der Rutschmasse eine Netzsperre samt einem Ablagerungsraum für ca. 3.000 m³ Geschiebe errichtet (Abbildung 6). Um eine sukzessive Anlandung von Feingeschiebe zu unterbinden, wurde die Netzunterkante rund 1 m von der Gerinnesohle angehoben. Weil der Schluchergraben auch gleichzeitig die Sturzbahn für die Lawine bildet, wird das Netz in den Wintermonaten durch das Lösen der Schäkel geöffnet (Abbildung 7).

Finanzierung von Verbauungsmaßnahmen:

Die Finanzierung und Erhaltung von Schutzbauten wird in Liechtenstein zur Gänze vom Land übernommen. Einen Interessentenbeitrag für die Gemeinden gibt es nicht. Dies hat zur Folge, dass seitens der Gemeinden meist nur ein geringes Interesse an der Umsetzung von Schutzmaßnahmen besteht.

Anschrift der Verfasser

DI Gerhard Holzinger Patrick Siegele FTD für WLV Gbl Wien, Burgenland und NÖ. Ost FTD für WLV Gbl Oberes Inntal Neunkirchnerstraße 125, 2700 Wr. Neustadt Langgasse 88, 6460 Imst [email protected] [email protected]

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