Nummer 252 Die dritte Seite Freitag, 31. Oktober 2014 »Wir dürfen nicht den FDP-Fehler machen« Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner über das Führungspersonal der Grünen, den IS-Terror und Hilfe für Flüchtlinge

Von Oliver Rebstock automatisch besser. Stattdes- sen müsse man die Inhalte Oberndorf. Wenn man sich wieder in den Vordergrund über die Bundestagsabgeord- rücken. Doch wofür stehen nete Franziska Brantner auf die Grünen? Ist das grüne deren Homepage kundig Zeitalter nicht vorbei, wie im macht, so kann man unter an- aktuellen »Cicero« zu lesen derem Folgendes lesen: »Flie- ist? ßend spreche ich Französisch, Ganz im Gegenteil, so die Englisch und Spanisch, und in Südbadenerin. »Die Themen Hebräisch habe ich Grund- gehen uns nicht aus.« Als Bei- kenntnisse.« Kein Wunder, spiel nennt die Grünen-Politi- hat sie doch in Paris und New kerin die aus ihrer Sicht wenig York studiert; zudem saß sie ambitionierte Klimapolitik von 2009 bis 2013 für die der EU, den Datenschutz, die deutschen Grünen im EU-Par- Menschenrechtspolitik und lament. Dort sind Fremdspra- eine nachhaltige Wirtschafts- chenkenntnisse sicherlich politik. nicht von Nachteil. Aber auch auf EU-Ebene Im Bundestag ist die 35-Jäh- müsse sich einiges ändern. rige (Mitglied seit 2013) unter Deutschland müsse sich wie- anderem Vorsitzende des der mehr für Europa starkma- Unterausschusses für Zivile chen und somit populisti- Krisenprävention, Konfliktbe- schen Tendenzen entgegen- arbeitung und vernetztes treten. Brantner weiß als ehe- Handeln. Ein Job, bei dem es malige EU-Abgeordnete, einem in diesen Zeiten sicher- wovon sie spricht. lich nicht an Arbeit fehlt. Wo- Doch der Alltag ist nun Ber- hin man auch schaut, Konflik- lin. Nach ihrer Zeit in Brüssel te und Krisen bestimmen wurde sie 2012 in der Nachfol- 2014 das Geschehen. ge von von den Das beste Beispiel ist die La- Grünen im Bundestagswahl- ge in Syrien und dem Irak. kreis Heidelberg für die Bun- Die Lage dort sieht Brantner destagswahl 2013 nominiert skeptisch. Ihr fehlt bei diesem Die gebürtige Lörracherin Franziska Brantner sitzt für die Grünen seit 2013 im Bundestag. Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht sie und über die Landesliste ge- Konflikt von Seiten der Welt- sich für einen Generationenwechsel in der Partei aus. Foto: Hopp wählt. gemeinschaft in erster Linie Wenn sie nicht in Berlin eine langfristige Strategie. von Informanten in Syrien eine Doppelrolle in dem Kon- schaft gehe in erster Linie So soll etwa das Verhältnis weilt, lebt Brantner, die mit »Die internationale Allianz stützt, hatte berichtet, dass die flikt, sagt Brantner, man ma- gegen den Islam vor. Radikale von Parteichefin dem Tübinger Oberbürger- bombardiert den Islamischen Luftwaffe des syrischen Präsi- che es sich aber zu einfach, Islamisten wie etwa die Sala- zu Co-Chef Cem Özdemir, meister liiert Staat, tut auf der anderen Sei- denten Assad zwei Fassbom- wenn man sagt: »Macht ihr fisten würden das zur Mobili- ebenfalls aus Waziristan war, mit dem sie eine im Mai te aber nichts gegen den syri- ben auf das Flüchtlingslager mal!« Sicherlich müsse der sierung nützen. Eine Entwick- stammend, zerrüttet sein. Es 2010 geborene gemeinsame schen Staatschef Baschar al- nahe der Ortschaft Habit in Druck auf Präsident Erdogan lung, die man unbedingt ver- soll auch Gedankenspiele ge- Tochter hat, in Heidelberg. Im Assad«, beklagt sie im Redak- der Provinz Idlib abgeworfen erhöht werden, auf der ande- hindern müsse. ben, die beiden Fraktions- schönen Baden-Württemberg, tionsgespräch mit unserer Zei- habe. Die meisten Vertriebe- ren Seite habe er auch Recht, Doch nicht nur die weltwei- chefs Katrin Göring-Eckardt wo 2016 ein neuer Minister- tung. Dieser stehe als »Elefant nen in dem Camp waren dem- wenn er von der Weltgemein- ten Konflikte beschäftigen die und bald- präsident gewählt wird. Brant- im Raum« und »könne schal- nach Bürgerkriegsflüchtlinge. schaft verlange, eine Antwort Grünen-Politikerin, sondern möglichst zu entmachten. Der ner ist fest davon überzeugt, ten und walten wie er will«, In Syrien und dem Irak auf das Assad-Regime zu lie- auch die parteiinternen: Stich- Vorwurf: die beiden seien zu dass Kretschmann gute Chan- da man keinen weiteren Kon- brennt es somit an allen fern. wort Waziristan. Dabei geht blass, zu wenig Ausstrahlung, cen hat, dann wiedergewählt flikt mit Russland und dem Ecken und Enden. Doch was So viel zur internationalen es mal wieder um die alte zu konzeptionslos. Alles nur zu werden. Iran wolle. Dabei sei es doch kann man konkret tun, um Politik. Die Leidtragenden des Grünen-Konfliktlinie: Realos Gerüchte? Doch gegen wen wird er an- gerade Assad gewesen, der den Vormarsch des IS zu stop- Konflikts sind jedoch die Tau- gegen Fundis. Der »Spiegel« treten? Gegen SPD-Chef Nils den IS erst groß gemacht ha- pen? Waffen liefern? senden Menschen, die vor der hatte den Parteilinken Jürgen Die 35-Jährige Schmid, klar, eventuell gegen be. Die Kurden mit deutschen Terrormiliz flüchten, unter Trittin mit den Worten zitiert, einen FDP-Kandidaten Hans- Waffen auszurüsten, hält die anderem auch nach Deutsch- das von Ministerpräsident bemängelt die fehlende Ulrich Rülke, geschenkt; aber Waffenlieferungen? Sozialwissenschaftlerin in die- land. Wie sollte man mit die- regier- Teamarbeit in der wen schickt die CDU ins Ren- sem Fall für die richtige Ent- ser Problematik umgehen? te Baden-Württemberg sei das Grünen-Spitze nen? Derzeit liefern sich ja »Man muss den Kurden scheidung, eine Meinung, mit Man müsse mehr Flüchtlin- »Waziristan der Grünen«. Guido Wolf (Tuttlingen) und die Möglichkeit geben, der sie sich in ihrer Partei gen die Möglichkeit geben, Sehr zum Ärger der Parteikol- Ja, sagt die 35-Jährige. Doch Thomas Strobl ein intensives den Kampf zu führen.« nicht nur Freunde macht. nach Deutschland zu kom- legen des Realo-Flügels. Man- mit der Außenwirkung der Duell. Wer wäre für die Grü- Aber: »Man muss den Kurden men. Die angrenzenden Län- che waren außer sich. Denn Partei ist sie derzeit selbst nen der gefährlichere Geg- Dazu passt die aktuelle Mel- die Möglichkeit geben, den der leisteten da um einiges Waziristan gilt keineswegs als nicht zufrieden. Das Problem: ner? Brantner überlegt lange, dung ins Bild, dass die syri- Kampf zu führen.« Reden al- mehr als die Bundesrepublik; »Musterländle«. Waziristan ist Der Generationswechsel sei bevor sie antwortet. »Gefährli- sche Luftwaffe ein Flücht- lein und die Luftschläge reich- und diese seien weitaus är- vielmehr eine der verrufens- nicht komplett vollzogen wor- cher wäre es, wenn sich die lingscamp im eigenen Land ten einfach nicht aus. Aus mer. So sieht es Brantner. ten und gefährlichsten Gegen- den. Das müsse gelingen. beiden Lager nach der Ent- bombardiert haben soll. Die Sicht der gebürtigen Lörrache- Und dann erzählt sie, dass den der Welt und Rückzugsge- Und: Die vier – Özdemir, Pe- scheidung wieder vereinen«, oppositionsnahe syrische Be- rin sollte die syrische Opposi- sie vor Kurzem eine Notunter- biet der Taliban. ter, Göring-Eckardt und An- sagt sie dann, und ergänzt: obachtungsstelle für Men- tion stärker unterstützt wer- kunft für Flüchtlinge besucht Die Meinung von Trittin sei ton Hofreiter – spielten nicht »Keiner von beiden scheint schenrechte berichtet laut der den. Darüber hinaus müsse hat, was bei ihr einen bleiben- nicht die Meinung der Partei, als Team. mir ein potenzieller Landes- Nachrichtenagentur Reuters ein internationaler Prozess den Eindruck hinterlassen betont Brantner beschwichti- Dass die Partei derzeit in vater.« über einen Luftangriff auf das angestoßen werden. hat. »Die Geschichten, die gend. Das Ganze sei eher ein der öffentlichen Wahrneh- Und im Anschluss an die Camp im Nordwesten des Aber auch die Türkei müsse einem die Menschen dort er- Kampf der älteren Genera- mung zurückfällt, liege je- Landtagswahl? Schwarz- Landes. Demnach sollen min- miteingebunden werden. zählen, sind einfach grau- tion, konkret: Fundi Trittin doch nicht nur am Personal. Grün? Das hänge von den In- destens zehn Menschen ums Dem Land wird ja vorgewor- sam.« gegen Realo Kretschmann. »Wir dürfen nicht den FDP- halten ab. Sollte es jedoch so Leben gekommen sein, Dut- fen, aus innenpolitischen Das Problem, das sie beim Doch steckt da nicht mehr Fehler machen«, sagt sie. Soll weit kommen, sind die nächs- zende seien verletzt worden. Gründen den IS zu unterstüt- Kampf gegen den IS sieht, ist, dahinter? Immer wieder hört heißen: Wenn die Führungs- ten Konflikte bei den Grünen Die Beobachtungsstelle, die zen, um die Kurden kleinzu- dass der Eindruck entstehe, man, dass es in der Partei vie- personen ausgetauscht wer- sicherlich schon program- sich auf ein dichtes Netzwerk halten. Die Türkei spiele zwar die internationale Gemein- le persönliche Konflikte gibt. den, wird auch nicht alles miert.

»Wir haben verlernt, mit der Natur und ihren Einwohnern umzugehen« Rückkehr von Wildtieren bleibt umstrittenes Thema / Friederike von Houwald, Kuratorin des Basler Zoos, wirbt für besseres Verständnis Von Ursula König gibt es nicht.« Auch dem und eine Berechtigung für anmutigen Bewegungen schlauen Fuchs oder mysti- Zoos. Und sie erkennt einen durchstreifen sie ihr Gelände, Basel. Nachdem Wölfe in schen Sagenwesen wie dem weiteren Aspekt: »Damit der unbeeindruckt von den Europa komplett ausgerottet Drachen werden menschliche Mensch gebildet wird.« menschlichen Zuschauern, waren, siedeln sie sich seit ei- Charakterzüge angedichtet. Hier erhalten Besucher die die sich der Faszination kaum niger Zeit wieder in Deutsch- Es seien tatsächlich Men- Möglichkeit, Raubtiere aus entziehen können. In diesem land, der Schweiz und den schen, die im Märchen damit der Nähe zu beobachten und Moment fällt es schwer, sich Ob Wolf oder Nachbarländern an. Nicht gemeint sind. Als Thema sie mit allen Sinnen wahrzu- vorzustellen, warum Tiere Löwe: Wildtie- überall sind die Wildtiere ger- unserer Kultur werde die Aus- nehmen. Dann wird das Inter- ihrer Art so stark bekämpft re hautnah zu ne gesehen. Die Angst vor den einandersetzung mit Konkur- esse geweckt, und eine andere werden. beobachten, heimischen Raubtieren, zu renz und schwierigen Lebens- Art von Beziehung kann ent- Der Wolf in Märchen und garantiert faszi- denen auch Bär und Luchs stehen. Vor allem Sagen – dazu gibt es viel Lite- nierende Mo- zählen, ist bei Gegnern groß. für Menschen, die ratur, leitet Friederike von mente. Ungebrochen dagegen ist das »Den bösen Wolf gibt in einer Stadt le- Houwald ihre These ein. Und Foto: König Interesse an Wildtieren in ben, bietet der Zoo mit der Tatsache, dass der Zoos und Nationalparks. es nicht.« so eine Gelegen- Haushund vom Wolf ab- Haben die Menschen den Friederike von Houwald, heit, mit Natur in stammt, hätten Menschen Bezug zur Natur mit ihren Kuratorin des Basler Verbindung zu kein Problem. nicht immer kontrollierbaren Zoos kommen. Anders sieht es aus, wenn Kräften verloren? Für Friede- Die beiden kana- der Wolf in ihrer Nachbar- rike von Houwald, Kuratorin dischen Timber schaft jagt, obwohl er dies seit des Basler Zoos, steht dies Wölfe im Basler Jahrtausenden getan hat. außer Frage. Von Beruf Tier- situationen in symbolischen Zoo sind ein Geschwisterpaar. Dann werden Territorialrech- Wolf sei diejenige, die Vieh von Houwald so engagiert für ärztin, ist sie auf Wildtiere Bildern dargestellt. Nach wie Es sind scheue Tiere, die sich te geltend gemacht, die ein hält und Wild jagt. Doch es Wildtiere ein. Genauso wich- spezialisiert und für die Gehe- vor üben Tiere, gegen die der aneinander orientieren und friedliches Miteinander kaum gibt Länder wie Italien, die tig ist ihr ein anderer Aspekt: geplanung zuständig. »Die Mensch sich in irgendeiner den Kontakt zu Menschen ermöglichen. zeigen, dass der Mensch auch »Tiere sind Botschafter ihrer Kunst der Tierhaltung«, das ist Form wehren muss, oder nicht suchen. Im Gehege gibt »Wir haben verlernt, mit mit Bären und Wölfen leben Art, damit wir Menschen ihr Metier. Ihr Herz schlägt für glaubt, sich wehren zu müs- es Höhlen, in die sie sich zu- der Natur und ihren Einwoh- kann. Für jedes Lebewesen mehr Verständnis für sie be- Wildtiere, und sie räumt mit sen, eine enorme Faszination rückziehen können. Und so nern umzugehen«, lautet die gebe es eine Nische, für die es kommen.« Und so hofft sie, einem weit verbreiteten My- aus. Und darin sieht Friederi- bleibt es dem Glück überlas- Bilanz der Kuratorin. Die Strategien entwickelt habe. dass freilebende Wölfe wei- thos auf: »Den bösen Wolf ke von Houwald einen Grund sen, die beiden zu sehen. Mit stärkste Lobby gegen den Nicht nur deshalb setzt sich terhin eine Heimat finden.