„Der Hass Muss Freie Bahn Haben“ Schriften

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„Der Hass Muss Freie Bahn Haben“ Schriften R2 THEMA DES TAGES Montag, 4. Mai 2020, Nr. 102 DEFGH Die letzten Tage Der Krieg, den die Nationalsozialisten entfacht haben, geht im Frühjahr 1945 zu Ende, am 30.April erobern US-Soldaten München. In einer neunteiligen Serie blickt die SZ auf die Ereignisse vor 75 Jahren zurück. Heute: Was nach Kriegsende aus Machthabern, Tätern und Funktionären wurde Reichsstatthalter Ein klassischer ohne Macht Schreibtischtäter Franz Ritter von Epps Karriere Gestapo-Chef Oswald Schäfer begann mit Völkermord in Afrika übte Terror von seinem Büro aus Als das „Dritte Reich“ in Trümmern lag, Seine Opfer hat Oswald Schäfer womög- trugen zahllose Straßen und Plätze in Bay- lich nie persönlich gesehen. Der letzte Chef ern den Namen von Franz Ritter von Epp. der Münchner Gestapo sei vielmehr ein Die Nationalsozialisten hatten früh den klassischer „Schreibtischtäter“ gewesen, Wert des Generalmajors als Integrationsfi- ein freundlicher Beamter, der die Drecksar- gur für die religiös und nationalkonserva- beitgerne an Untergebene delegierte; so ur- tiv eingestellte Bevölkerung erkannt und teilte einmal der Münchner Historiker An- einen regelrechten Kult um ihn aufgebaut. dreas Heusler in einem Aufsatz. Folter, Hin- Der 1868 in München geborene Sohn ei- richtungen, Prügel: An Schäfer blieb davon nes Kunstmalers hatte eine Offizierslauf- nichts haften. Dabei ging der Schriftver- bahn eingeschlagen, war 1900 an der Nie- kehr jeweils über seinen Schreibtisch. derwerfung des Boxeraufstands in China Oswald Schäfer, geboren 1908 in Braun- beteiligt und 1904 am Völkermord an den schweig, machte im Nazi-Staat rasch Karri- Herero und Nama in Deutsch-Südwestafri- ere. Bereits ab 1937 leitete er die Gestapo- ka. Als Bataillonskommandeur des König- Dienststelle Wesermünde-Bremerhaven; lich Bayerischen Infanterie-Leibregi- ab 1941 führte Schäfer ein Mordkomman- ments kehrte er reich dekoriert aus dem do der „Einsatzgruppe B“ an, das im heuti- Weltkrieg zurück. Die Verleihung des bay- gen Weißrussland und Russland wütete. erischen Militär-Max-Joseph-Ordens er- 1942 kam er mit 34 Jahren als Chef der ört- laubte es Franz Xaver Epp schließlich, sich lichen Gestapo nach München. Ritter von Epp zu nennen. Im thüringi- Nach dem Krieg musste sich Schäfer in schen Ohrdruff gründete Epp ein Frei- mehreren Gerichtsverfahren dafür verant- korps aus bayerischen Freiwilligen. Des- worten, was unter seiner Leitung gesche- sen Anteil an der blutigen Niederschla- hen war. Doch er zog sich darauf zurück, gung der Münchner Räterepublik im April nur Befehle befolgt zu haben – und wurde und Mai 1919 brachte Epp den Status als meist freigesprochen. DieGestapo hatte et- „Befreier von München“ ein. wa Widerstandskämpfer gefoltert; Schä- Im selben Jahr kam Epp über seinen fer aber konnte zwar nachgewiesen wer- Stabsoffizier Ernst Röhm in Kontakt mit den, dass er davon wusste, nicht aber, dass den völkischen Kreisen um Adolf Hitler. er das veranlasst hatte. Freigesprochen Auf Röhms Betreiben hin soll er auch die wurde er auch in einem Prozess wegen der Mittel beschafft haben, die es der bis dahin Erschießung zweier Kriegsgefangener aus weitgehend bedeutungslosen NSDAP er- Südafrika. Schäfer war nicht einmal nach- möglichte, den Völkischen Beobachter zu zuweisen, dass er als Anführer des „Ein- kaufen und ihrer Propaganda damit neue satzkommandos“ tatsächlich einen Befehl Reichweite zu verschaffen. Nachdem er im zum Massenmord gegeben hatte. Mai 1928 in die NSDAP eingetreten war, ge- Verurteilt wurde Schäfer nur in einem wann er noch im selben Monat bei den Punkt: Er war verantwortlich gewesen für Reichstagswahlen die Wahlkreise Oberbay- „Der Hass muss freie Bahn haben.“ Nach dieser Devise regierte Gauleiter Paul Giesler. Auf dem Foto ist er im Vordergrund zu sehen, mit Hakenkreuz-Binde um den Prügelstrafen, im Gestapo-Jargon „Kurz- ern-Schwaben und Franken-Pfalz. Oberarm. Das Bild entstand am 14. November 1943 bei einer Großkundgebung vor der Feldherrnhalle mit Generaloberst Eduard Dietl. FOTOS: SCHERL (5), PRIVAT (1) behandlung“ genannt, an osteuropäischen Von 1933 an nutzte Hitler die Populari- Zwangsarbeitern. An Hinrichtungen treffe tät des „Befreiers von München“,um Vorbe- Schäfer zwar keine Schuld: Für diese sei halten gegen eine Gleichschaltung Bay- das Reichssicherheitshauptamt verant- erns durch Berlin die Spitze zu nehmen. wortlich gewesen, von dort kamen die Vor- Epp wurde Reichskommissar und später „Der Hass muss freie Bahn haben“ schriften. Bei der Prügelstrafe dagegen ha- Reichsstatthalter für Bayern – de facto ein be Schäfer das Strafmaß selbst festlegen Amt ohne Macht. Die NSDAP tröstete ihn können. Er erhielt zwei Jahre Haft. mit weiteren Posten: als Reichsleiter des Paul Giesler ging als Gauleiter von München-Oberbayern mit äußerster Härte vor. Wer in den Verdacht geriet, Im Entnazifizierungsverfahren wurde Kolonialpolitischen Amtes, Führer des nicht auf der Seite des NS-Regimes zu stehen, musste mit dem Schlimmsten rechnen Schäfer zudem als „Hauptschuldiger“ ein- Reichskolonialbundes und Landesjäger- gestuft. Sein Gehalt wurde gekürzt, sein meister in Bayern. Gleichwohl wuchs in Vermögen großteils eingezogen, der Pensi- dem Konservativen die Abneigung gegen von wolfgang görl der SA-Chef Röhm und andere Führer der tinnen, dem „Führer“ Kinder zu schenken, onsanspruch kassiert. Doch alte Bekannte Willkür und das Unrechtsstaat. Trotz Kon- Braunhemden auf Weisung Hitlers ermor- statt Studienplätze zu blockieren. Sollte ei- halfen ihm wieder auf die Beine. Der frühe- takten zum Widerstand konnte er sich bis ls die US-Armee Tag für Tag näher det wurden, kam Giesler mit Glück davon. ne der Damen nicht hübsch genug sein, re Münchner Gestapo-Personalchef Wer- zuletzt aber nie dazu durchringen, sich die- A an München heranrückte, gab Paul In den ersten beiden Kriegsjahren werde er einen seiner Adjutanten für die ner Best etwa. Er arbeitete für den einsti- sem anzuschließen. Als er am 1. Januar Giesler, Gauleiter von München- nahm er als Kompanieführer am Überfall Erfüllung dieser patriotischen Pflicht ab- gen Nazi-Täter und nunmehrigen FDP-Au- 1947 78-jährig starb, hieß der Ritter von Oberbayern, noch immer Durchhalteparo- auf Polen und am Feldzug gegen Frank- kommandieren. Daraufhin kam es zu Tu- ßenpolitiker Ernst Achenbach. Best vermit- Epp-Platz in München schon wieder Pro- len aus, träumte von einem heroischen SENDE reich teil. Dann der steile Aufstieg: 1941 multen. Unter den Zuhörerinnen war auch telte Schäfer einen Job als Manager. 1991 EG menadenplatz. julian hans Kampf in der „Alpenfestung“ und ließ RI wurde Giesler, protegiert vom Hitler-Ver- Sophie Scholl. Als sie und ihr Bruder sowie starb er in Hamburg. jakob wetzel Menschen umbringen, die sich irgendwie K trauten Martin Bormann, Gauleiter von andere Mitglieder der „Weißen Rose“ fest- T „defätistisch“ geäußert hatten. Giesler L Westfalen-Süd. Nicht mal ein Jahr später genommen wurden, trat Giesler – erfolg- war ein Nazi vom Scheitel bis zur Sohle, fa- E ging es weiter bergauf. Adolf Wagner, der los – dafür ein, die Hinrichtungen öffent- natisch, gnadenlos, blutrünstig. Im Januar W Gauleiter des bedeutenden „Traditions- lich zu vollziehen. Auch bei der Nieder- 1945 hatte er gefordert: „Der Hass muss S gaus“ München-Oberbayern, hatte einen schlagung des Aufstands der Freiheitsakti- freie Bahn haben. Unsere hasserfüllte Ge- A Schlaganfall erlitten und war dienstun- on Bayern ging er mit äußerster Härte vor. sinnung muss dem Gegner wie eine versen- D tauglich. Giesler trat im Juni 1942 dessen Am 29. April 1945 floh Paul Giesler, den gende Glut entgegenschlagen.“ Nachfolge an, zunächst geschäftsführend Hitler in seinem politischen Testament ge- Giesler, geboren 1895 in Siegen, hatte und nach dem Tod Wagners im April 1944 rade zum Nachfolger Heinrich Himmlers wie sein Vater und sein jüngerer Bruder auch offiziell. Von Wagner erbte er zudem als Reichsinnenminister ernannt hatte, Hermann Architektur studiert und ließ das Amt des bayerischen Innenministers mit seinen Getreuen Richtung Alpen. Gut sich nach dem Krieg in seiner Heimatstadt und des Kultusministers, nach dem Tod eine Woche später, am 8. Mai, war er tot. als Architekt nieder. 1919 war er dem München 1945 des Ministerpräsidenten Ludwig Siebert Wie es dazu kam, ist nicht ganz klar. Ver- Frontkämpferbund „Stahlhelm“ beigetre- Die letzten Tage der übernahm er auch noch dessen Posten. mutlich hatte er zwei Suizidversuche un- ten, welcher der demokratiefeindlichen Naziherrschaft Giesler führte ein Terrorregime. Wer in ternommen. An den Folgen des zweiten Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) na- den Verdacht geriet, nicht auf der Seite des starb er. hestand. Er bewegte sich aber auch im SZ-Serie · Folge 8 NS-Regimes zu stehen, musste mit dem Dunstkreis der NSDAP, der er 1928 beitrat. Schlimmsten rechnen. Am 13. Januar 1943 Franz Ritter von Epps Freikorps waren Als Mitglied der SA tat sich Giesler als hielt Giesler eine Rede zum 470. Grün- Am Dienstag lesen Sie: Wie es nach dem Ende der Oswald Schäfer leitete die Münchner Ge- führend an der blutigen Niederschlagung Schläger und Randalierer hervor. In der so- dungstag der Ludwig-Maximilians-Uni- nationalsozialistischen Herrschaft in München stapo-Zentrale. Nach dem Krieg kam er der Räterepublik beteiligt. genannten Nacht der langen Messer, bei versität, und dabei empfahl er den Studen- weiterging. dennoch glimpflich davon. Der Nazi-Bürgermeister Der Tyrann von München Hitlers treuer Agitator Karl Fiehler wollte nach 1945 die Pension eines OB einklagen Christian Weber war gewalttätig, skrupellos und korrupt Hermann Esser
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