Anja Harteros Als Violetta in Verdis „La Traviata“
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in Germ ts an en y d n e p CLASS e d Association of Classical Independents n I in Germany e.V. l a Bachstraße 35 · 32756 Detmold c i s www.classgermany.de s a A l s C [email protected] s f o o CLASSc i n a t o i Auflage: 140 000 (D) CLASS AKTUELL 2006/3 „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit!“ 50 Jahre Deutsche Oper am Rhein Tom Jones Eine Wiederentdeckung Oleg Caetani „Ein absolutes Muss!“ Nina Hagen Die Queen of Punk trifft die Schneekönigin Julia Fischer Auf dem Weg in den Geigenolymp Trio Parnassus Schuster Schumann ECHO Klassik 2006 Unabhängige Sieger Anja Harteros als Violetta in Verdis „La Traviata“ in Germ ts an en y d n e p e d n I l a c i s s A a l s C s f o o c aktuell CLASSi a n t o i Da wurde ich doch jüngst nach dem heute ebenso obligatorischen wie bisweilen lebens- CLASS aktuell rettenden „Finger Food“ allen Ernstes auch noch zum „Front Food“ geladen. Ohne Info 3/2006 und Description schaute ich irritated zum nächsten neighbour, der aber ohne Zögern zum Inhalt Buffet füßelte, dessen unterschiedlichste Geruchsschwaden sich derweil verführerisch mit der verheißungsvoll wartenden Schlange und der von der Kapelle intonierten Walzer- 4 Anja Harteros seligkeit verwoben: Was für ein mega cooler Event für die Sinne… „...singen und der Inszenierung genügen.“ 6 „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit!“ (Karl Valentin) Fingerfood und Hingeher 50 Jahre Deutsche Oper am Rhein 7 Julia Fischer Auf dem Weg in den Geigenolymp Tatsächlich scheinen ja Events das zu sein, wo die meisten noch hingehen. Und auch die 8 Reinhold M. Glier Großen der klassischen Branche haben längst erkannt, dass sich nur noch mit Events Ein Funktionär macht Musik Kasse machen lässt. Man geht halt nach Bayreuth, nach Salzburg und wo sonst immer noch 9 Oleg Caetanis Stars geboren werden, um gleich auf glänzender Scheibe gegen möglichst gut klingende Schostakowitsch Zyklus Münze eingetauscht werden zu können… 10 Nina Hagen Die Queen of Punk trifft die Schneekönigin Nun möchte die „Aktion Lebendiges Deutsch“ mein unbefangenes Vertrauen in die 11 Maßgeschneiderter Mozart Muttersprache wiederherstellen. Und da lese ich mit Wonne, dass man das gute deutsche Mit Miah Persson Wort „Event“ doch genauso gut mit „Hingeher“ ersetzen könne. Wie feinsinnig, da werde 12 Mit dem Flügelschlag eines ich doch spontan auch zum Hingucker oder – auch ein klassischer Fall – zum Hinhörer. Schmetterlings: Christiane Schäfer singt Schuberts Winterreise Und – Sie kennen das – wer genau hinhört, findet plötzlich auch die leisen Töne, 13 Uraufgeführt die natürlichen Qualitäten des Guten Tons, das unvergleichliche Ereignis der Entdeckung Robert Schumanns völlig neuer, höchst lebendiger Klangwelten. Klavierquartett in c-Moll 14 Gudrun Landgrebe Das ist eindeutig das Metier der unabhängigen Plattenproduzenten, die immer wieder und Sebastian Knauer: Mozart und die Frauen eine Vielzahl an klingenden Schätzen für den Hörer aufspüren und liebevoll vorstellen. 15 Deutsche Romantik: Wie erfolgreich das geschieht, mögen auch die Ergebnisse der diesjährigen ECHO-Klassik- Robert Schumann und Freunde Verleihung zeigen, auf die CLASS mit Stolz verweisen kann. Übrigens ein Hingeher, zu dem 16 Unter vier Augen: wir Sie traditionell auch diesmal gerne auf Seite 24 einladen möchten. Mit Alban Gerhardt im Gespräch 17 Der Weg zu Harmonie Und noch einen Einlader haben wir für Sie bereit: Wie Sie zu Hause Ihre Lautsprecher und Einklang Ma’alot Quintet einer einfachen „Frischzellenkur“ unterziehen können, verraten wir Ihnen auf Seite 23, 18 Tom Jones damit Ihre persönliche Sammlung ein ungetrübter Hinhörer bleibt. Neu entdeckt 19 Spiegelungen vom Spiegel String Quartet In diesem Sinne viel Spaß beim Stöbern in CLASS aktuell. 20 Blickpunkte Werner Dabringhaus 23 CLASS Service: Aus Alt mach Neu - Frischzellenkur für Schallwandler 24 Ein hörenswertes ECHO Unabhängige Sieger 26 Neuheiten und Pressestimmen 26 CLASS-Service Händlerverzeichnis Titelfoto: Markus Tordik AUSGABE 2006/3 3 in ganz normaler Tag bei den Salz- burger Festspielen. Es ist zum Presse- gespräch auf der Dachterrasse des Hotels Stein geladen. Die versammelten EVertreter der Fachmedien blicken auf die Salz- burger Altstadt, die freie Sicht wird nur durch ein Stehpult behindert. Eine Situation wie bei einer Pressekonferenz, die Atmosphäre schmeckt nach Politik, nach wichtigen Ereignissen, die nun gleich verkündet werden. „Mir wurde gesagt, das wird ein ungezwungenes Beieinandersein bei einem Gläschen Sekt. Dass ich dann an so einem Tisch stehe, mit einem Mikro darauf, das hat mich dann doch ein wenig verwirrt.“ Nach anfänglichem Zögern beginnen dann die schein- bar etwas verdatterten Musikjournalisten mit ihren Fragen. Verdattert sind diese Journalisten, weil der Eindruck des Vorabends nachwirkt, an welchem Anja Harteros mit dramatischer Wucht die Elettra in Mozarts „Idomeneo“ verkörperte, und nun völlig natürlich vor ihnen steht, char- mant, witzig, unkompliziert, und es offensicht- lich gar nicht so leicht ist, mit jemandem in die- ser Branche umzugehen, der zwar ein Star ist, der aber so gar nichts Aufgesetztes, Outriertes von eben einem Star hat. Foto: Wilfried Hösl Für einen Musikkritiker ist ein Gespräch mit Anja Harteros schon allein deshalb eine wahre Freude, weil sie den genau richtigen Umgang mit den Erzeugnissen dieser Zunft hat. Also: „Kritik ist etwas sehr Subjektives, da hat jeder seine eigene Meinung“. Für Anja Harteros bietet die Aufnahme eine Anja Harteros mit interessante Kontrollmöglichkeit: „Was bringe Piotr Beczala ich allein mit meiner Stimme, was mit meinem Körper, meinem Gestus rüber.“ Vielleicht ist es ein Zeitphänomen, dass auf die Ausdrucksmög- Giuseppe Verdi lichkeiten der Stimme zu wenig geachtet wird. La Traviata So findet sie es schade, dass sehr viele Sänger (Gesamtaufnahme) immer gleich klingen, was sie durchaus auch Anja Harteros durch die Opernregie bedingt sieht. „Man muss Piotr Beczala Paolo Gavanelli zwei Sachen machen, singen und der Inszenie- Bayerisches Staatsorchester rung genügen. Das kann schon mal ein bisschen Leitung Zubin Mehta gegeneinander laufen, wodurch das Klang- FARAO classics S 108070 empfinden oberflächlicher wird.“ Eine gewisse (2 Hybrid-SACDs in Stereo und Surround) „Wendigkeit in der eigenen Person“ könne nicht 4 AUSGABE 2006/3 in Germ ts an en y d n e p e d n I l a c i s s A a l s C s f o o c aktuell CLASSi a n t o i Anja Harteros ist „La Traviata“ schaden, wenn die Vorstellungen der Regie und die eigenen aufeinander treffen: „Kompro- missbereitschaft und Phantasie können dann durchaus helfen.“ Das klingt sehr friedlich, was sie auch zu sein betont. Zumindest so lange, bis ihr griechisches Temperament, ein Erbe väter- licherseits, durchbricht. Als sie in der Münchner „Traviata“ ein- sprang, hatte sie immerhin ein paar Tage szeni- sche Proben. Die Inszenierung kannte sie vom Video, aber was kann man von einem Mitschnitt schon lernen. Also plumpste sie im März 2006 ziemlich überraschend in die auch noch vom Streik behinderte Aufführung, hatte allerdings die große Sicherheit, dass sie ein halbes Jahr zuvor mit Zubin Mehta die Violetta bei konzer- tanten Aufführungen der „Traviata“ in Israel gesungen hatte. „Bei Zubin Mehta ist das so: Wenn die musikalische Chemie stimmt, ist es fast egal, was in der Regie passiert. Man findet sich immer.“ Zubin Mehta ist für sie überhaupt ein Dirigent zum Wohlfühlen. Als Anja Harteros 1999 den „Cardiff Singer of the world“-Wett- bewerb gewonnen hatte, als erste Deutsche in Zubin Mehta Foto: Christine Schneider der Geschichte des Wettbewerbs und mit einer Ausstrahlung, die Jury-Mitglied Barbara Bonney als eine Mischung aus Julia Roberts und Cecilia kann. Je pompöser dieses Leben gestaltet ist, scheuen. Natürlich ist bei Kleiber vieles deli- Bartoli beschrieb, holte sie Mehta sofort nach desto größer wird das Opfer, wenn Violetta kater, zeichnet Ileana Cotrubas hochspannend München, als Agathe im „Freischütz“. Damit gezwungen ist, all dies aufzugeben, weil sie und eine äußerst fragile Hauptfigur. Aber die elasti- waren ihre vier Jahre Festengagement in Gelsen- Alfredo kein Geld mehr haben.“ sche Orchester-Spannung, die Mehta in jeder kirchen und Bonn vorbei, eine Weltkarriere Man muss zwei Sachen Sekunde auszukosten versteht, schafft in Ver- begann. Vor allem eine Zeit der wunderbaren machen, singen und bund mit dieser Violetta im Lebensüber- Erlebnisse. „Ich habe in München, getragen von der Inszenierung genügen... schwang, die alle Höhen und Tiefen grandios Zubin Mehtas Menschlichkeit, viele schöne durchschreitet, einen dramatischen Gegenpart Sachen gemacht.“ Ihre Violetta ist kein Hascherl, ist nicht naiv. zu Kleibers feinziselierter Analyse. Sondern eine leidenschaftliche, sehr fulminant In der Traviata-Aufführung war dann auch zur Dramatik fähige Frau. Wenn Anja Harteros Für Anja Harteros steht Verdi als Bindeglied von Vorteil, dass das Rollenbild der Inszenie- in einer Figur leidet, kehrt sie sich nicht ver- zwischen Mozart und Wagner. Von Mozart rung gar nicht so weit von ihrem eigenen Ver- huscht nach innen, nein, mitunter riskiert sie lernt sie die kultivierte Technik, von Wagner ständnis der Violetta abwich. Der größte Unter- alles, aber alles im Dienste der Verkörperung, die Größe des Klangs. Bei Verdi fließt beides schied lag im Beginn des zweiten Aktes. Da hatte der klanglichen Verlebendigung der Rolle. zusammen. Gern kehrt sie das Emotionale her- sich Anja Harteros die Figur ein bisschen majes- Aseptischer Schönklang ist ihr fremd. Die aus, in gewaltigen Ausbrüchen, weiß aber stets, tätischer vorgestellt. Sie dachte eher an