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EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de 1 2 EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de EPTA-Dokumentation 2018/19 Fantasie Herausgegeben von European Piano Teachers Association Sektion der Bundesrepublik Deutschland Beiträge vom Kongress in Düsseldorf 2018, vom Seminar in Nürnberg 2019 und vom Kongress in Dresden 2019 EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de 3 Herausgegeben von EPTA European Piano Teachers Association Sektion der Bundesrepublik Deutschland www.epta-deutschland.de Umschlaggestaltung, Innengestaltung und Satz: Dr. Rainer Lorenz, Nittenauer Str. 31, 93057 Regensburg © 2019 by EPTA-Deutschland e. V. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der EPTA, Geschäftsführung, Dr. Rainer Lorenz, Nittenauer Str. 31, 93057 Regensburg 4 EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de Inhalt Michael Dartsch Fantasie als didaktische Kategorie im künstlerischen Unterricht 7 Marilia Patricio Kompositionen von Kindern: Schöpferisches Verhalten am Klavier 18 Maria Busqué Wie ich zufällig die Kompositionslehrerin eines 7-jährigen Mädchens und eines 11-jährigen Jungen wurde 35 Barbara Zech-Günther Zwei Klaviergeschichten: „Der Floh auf dem Elefantenpo“ und „Im Reich der Sterne“. Schülerkompositionen 45 Susanne Zeh-Voß Am Anfang die Fantasie… Die Komponistenklasse Halle. Musikalisch-kreative Arbeit mit Kindern und Jugendlichen seit 1976 54 Matthias Rietschel Jedes Kind lebt Fantasie – Im Übehaus Kray 60 Andreas Eschen Was ist Improvisation? 65 Reinhard Gagel Improvisieren als tiefe Begegnung zwischen Mensch und Klang 81 Jens Hamer Carl Philipp Emanuel Bach, „Von der freyen Fantasie“ 91 Klaus Oldemeyer Die Rolle der schöpferischen Phantasie. Wahrnehmung und Körperinstinkt beim Musizieren zweier Klavier-Préludes von Claude Debussy 106 Dr. Henriette Gärtner und Carl Ulrich Sauter Fantasie im Klavierbau. Ein Podiumsgespräch 139 EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de 5 Clemens Maria Kitschen A E I O U – 5 struktuelle Ideen für musikalische Organisation am Klavier 160 Renate Reitinger Für Hund und Katz ist auch noch Platz!? Tiere in Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien für den Klavierunterricht. Eine lern- und entwicklungspsychologische Umschau. 171 Paula Dickmann Klavierkurs für Erwachsene ohne Vorkenntnisse. Ein Pilotprojekt 186 Christian Weigend Digital-Pedal. Phantasievolles Fingerpedal bietet vielfältige und faszinierende Möglichkeiten 198 Miho Ohki Mentales Training im Klavierunterricht 214 Volker Blumenthaler „Die Aura des musikalischen Zeichens, Hintergrundschwingungen und Weitung“, dargelegt an meiner Komposition „musica minima“ für Klavier und einigen ausgewählten Stücken aus dem Zyklus „OT – Stücke für Klavier“ 226 Linde Großmann Lina Ramann: Pädagogin – Musikschulgründerin – Liszt-Biografin 238 Tomi Mäkelä Sibelius und sein Steinway. Fantasie und Werkgenese unter Berücksichtigung der Imagebildung 250 Wilhelm Matanz Das Wohltemperierte Klavier – ein musikalisches Bibelbilderbuch? Boleslav Yavorskiys fantastische Suche nach dem verlorenen Sinn 265 Fantasie. Kongress in Düsseldorf (2018) 282 Fantasie. Seminar in Nürnberg (2019) 283 Fantasie. Kongress in Dresden (2019) 284 6 EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de Michael Dartsch Fantasie als didaktische Kategorie im künstlerischen Unterricht Fantasie betrifft alle, die mit dem Musizieren oder dem Unterrichten des Mu- sizierens zu tun haben. Schülerinnen und Schüler möchten häufig ihre Fantasie entfalten dürfen. Auch Studierenden wird daran gelegen sein, fantasievoll zu musizieren. Wenn sie in einen pädagogischen Beruf gehen möchten, schwebt ihnen vielleicht ein fantasievoller Musikunterricht, Instrumental- oder Ge- sangsunterricht vor. Lehrkräfte stehen schließlich vor der doppelten Aufgabe, einerseits fantasievolle Lehre zu verwirklichen und andererseits die Fantasie der Schülerinnen und Schüler anzuregen und zu fördern, damit diese wiederum fantasievolle Künstlerinnen und Künstler werden – denn auch hierzu braucht es Fantasie. Zum Begriff der Fantasie Bevor dies alles behauptet werden kann, müsste zunächst der Begriff selbst ein wenig beleuchtet werden, was hiermit nachgeholt werden soll. Das Etymolo- gische Wörterbuch des Deutschen von Wolfgang Pfeifer (Pfeifer et al. 1993) nennt als Bedeutungen „Einbildungskraft, Vorstellungsvermögen, Erfindungs- gabe, nicht der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung“. Die letzten drei dieser Begriffe sind unmittelbar einleuchtend. Das Vorstellungsvermögen besteht dem Wortsinn nach darin, sich etwas vorstellen zu können. Dabei denkt man viel- leicht schon an die letzte Bestimmung: nicht der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung. Dann besitzt jemand Fantasie, der sich etwas vorzustellen vermag, das nicht – oder noch nicht – in der Realität zu finden ist. Und dies wiederum scheint auf die dritte genannte Bedeutung zu verweisen: die Erfindungsgabe. Denn etwas zu erfinden, heißt ja, etwas zur Wirklichkeit zu verhelfen, was vor- her nicht wirklich war; und dazu bedarf es wohl der Vorstellung dessen, was man zu verwirklichen bestrebt ist. Manchmal – so bei der Erfindung der Dampf- maschine durch James Watt – liegt bereits ein Prototyp vor; das Erfinden besteht dann im Verbessern. Dass der Prototyp auch besser möglich sein könnte, stellt sich der Erfinder sozusagen vor. Auch dazu braucht es Fantasie. Eine zweite Möglichkeit des Erfindens liegt im Zufall. So stieß etwa der Engländer Edward Nairne zufällig darauf, dass man mittels Kautschuk Striche eines Blei- bzw. Graphitstiftes entfernen kann, und erfand so den Radiergummi. Seine Fantasie lag darin, sich das Zufallsprodukt als Grundlage eines Werkzeugs vorzustellen, das sich für diesen Zweck fertigen ließ. Der Erfinder Benjamin Franklin wiede- EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de 7 rum experimentierte mit naturwissenschaftlichem Interesse, um physikalische Erkenntnisse zu gewinnen, die schließlich in die Erfindung des Blitzableiters mündeten (zu allen Beispielen: Reschke o. J.). Typisch für das naturwissen- schaftliche Experiment ist das Überprüfen von Hypothesen. In diesem Fall be- steht also die Leistung der Fantasie unter anderem in der Generierung solcher Hypothesen. Diese unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der Fantasie sollen später noch einmal aufgegriffen werden. Doch zuvor soll auch der erste der vom Ety- mologischen Wörterbuch genannten Begriffe beleuchtet werden: die Einbil- dungskraft. Dies ist vielleicht der anspruchsvollste der Begriffe, hat er doch eine beachtliche Karriere in der Philosophie gemacht. Hierbei ist zuvorderst Im- manuel Kant zu nennen. Bei ihm ist die Einbildungskraft eine von drei Erkennt- nisquellen; sie steht dabei neben dem Sinn und der Apperzeption und vermittelt zwischen diesen beiden. „Sinn“ meint hier die bloße sinnliche Wahrnehmung, während die Apperzeption das Bewusstsein von etwas Erkanntem darstellt. Der Sinn also liefert die reinen Sinnesdaten, und erst die Apperzeption erkennt darin Gegenstände. Kant fragt nun, wie es überhaupt möglich ist, dass wir Gegenstän- de erkennen, und findet die Lösung in der Einbildungskraft (vgl. Kant 1990, Kap. 31). Sie schafft sogenannte „Schemata“, die wir auf Sinnesdaten anwen- den können. Solche Schemata fassen wir großenteils in Begriffen. So haben wir ein Schema für Hund, für Musikinstrument, für Romantik usw. und erkennen all dies apperzipierend in Sinnesdaten. Die Schemata selbst sind – so Kant in der „Kritik der reinen Vernunft“ – „jederzeit nur ein Produkt der Einbildungskraft“ (Kap. 51). Allerdings unterscheidet Kant im Hinblick auf die Einbildungskraft noch einmal zwischen der „Reproduktion“, auf die das eben Erläuterte sich be- zogen hat, und der „Assoziation“, die verschiedene Erscheinungen zu einem Ganzen, zu einem einheitlichen Bewusstseinseindruck verknüpft. In der Folge hat sich auch Johann Gottlieb Fichte mit der Einbildungskraft beschäftigt. Auch bei ihm vermittelt sie zwischen zwei Polen: dem Bestimmba- ren und dem Bestimmten (vgl. Fichte 1845/46, §4 E.; Homann 1970, S. 268f.). Das Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten jedoch ist das Handeln, das also nur durch die Einbildungskraft möglich ist (Homann 1970, S. 269). Schließlich sei auch noch auf Georg Wilhelm Friedrich Hegel verwiesen. In seiner philosophischen Enzyklopädie kommt der reproduktiven Einbildungs- kraft die Aufgabe zu, erinnerte Anschauungen, die er „Bilder“ nennt (Hegel 1979, § 452), „aus der eigenen Innerlichkeit des Ich“ (§ 455) hervorgehen zu lassen. Hegel erwähnt auch ausdrücklich die Phantasie, die „symbolisierende, allegorisierende oder dichtende Einbildungskraft“ (§ 456; vgl. hierzu: Homann 1970, S. 273). Auch auf die Überlegungen zur Einbildungskraft wird zurückzu- kommen sein. Im Weiteren soll es um zwei Themen gehen: zuerst um die Fantasie als Ziel- 8 EPTA-Dokumentation 2018/19 · www.epta-deutschland.de kategorie der Didaktik, mithin als etwas, was man lernen oder bei Lernenden fördern möchte, und danach um ein fantasievolles Unterrichten. Fantasie als Zielkategorie Hier stellt sich zunächst die Frage, warum Fantasie ein Ziel eines musika- lisch-künstlerischen Unterrichts sein sollte, warum sie also für den Umgang mit Musik wichtig sein könnte. Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, wird in einem zu klären sein, was für den Umgang mit Musik unter Fantasie verstanden werden kann. Für das Komponieren und Improvisieren scheint die Antwort klar: In beiden Fällen wird Musik erfunden, also bedarf es der Erfindungsgabe, von der im Anschluss an das Etymologische Wörterbuch die