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MAX JOSEF 6 - Erfüllung Anne Urbauer, 22.4.10 Interview Diana Damrau Autor: Florian Heurich

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„Ich höre in mich hinein und kann an diesem Beruf wachsen.“

Sie hat Münchens Publikum als Zerbinetta in Ekstase versetzt. Jetzt kehrt Diana Damrau als „Aminta“ in ’ Oper „“ an die Staatsoper zurück und freut sich auf einen Liederabend zur Harfe. Und auf ihr erstes Kind .

Das Murmeln der Rambla und das Läuten der gegenüberiiegenden Iglesia de Belén ist zu hören, als Diana Damrau das Telefon abnimmt. Die Sängerin arbeitet in Barcelona, als dieses Interview geführt wird. Sie wirkt sonntäglich entspannt und das, obwohl am nächsten Tag die Premiere von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ im Gran Teatre del ansteht. Ein mit Spannung erwartetes und in der spanischen Presse hoch gehandeltes Hausdebüt. Diesen Tag davor werde sie ganz ruhig verbringen, sagt die 38jährige, in der Stadt spazieren gehen, vielleicht in den Botanischen Garten auf dem Montjuïc, um ein bisschen Erholung in der Natur zu finden. Sie habe während der vergangenen Probenwochen noch gar keine Zeit gehabt, die katalanische Metropole zu erkunden, allerdings sei Spanien, vor allem der Süden, sowieso ihre große Leidenschaft: Flamenco tanzen, andalusische Pferde, maurische Architektur. In München wird Diana Damrau während der diesjährigen Opernfestspiele zum ersten Mal die Aminta in Richard Strauss‘ „Die schweigsame Frau“ singen – ebenfalls ein mit Spannung erwartetes Debüt. Blicken wir einmal zehn Jahre zurück, auf die Zeit, in der Sie sich als Sängerin einen Namen gemacht haben. Ist aus heutiger Sicht das in Erfüllung gegangen, was Sie sich damals erhofft haben?

Sogar mehr als das! Den Erfolg habe ich in diesem Maße gar nicht erwartet. Allerdings bedeutet Erfüllung für mich nicht, eine weltberühmte Sängerin zu sein, sondern inspirierende Arbeit auf höchstem Niveau zu leisten und damit dem Publikum etwas von der Magie der Oper vermitteln zu können. Oper ist die größte Erfüllung für mich, weil diese Kunst alles beinhaltet, was Menschen schaffen können. Sie hat diese immense seelische Komponente durch die Musik, die uns in andere Dimensionen führt, uns aus dem Alltag hebt, die etwas Göttliches hat. Und Oper ist natürlich die Verbindung aller Künste: Architektur, Tanz, Schauspiel, Dichtung, Musik. Für mich ist es ein großes Glück, mich tagtäglich damit beschäftigen zu dürfen. Damit stehe ich auch automatisch immer mit mir selbst in Verbindung, höre in mich hinein und kann an diesem Beruf wachsen.

Gab es in Ihrer Karriere konkrete Momente, bestimmte Aufführungen, die Sie als besonders beglückend empfunden haben?

Die komplette Erfüllung erreicht man ja so gut wie nie. Es ist Teil unseres Menschseins, dass wir immer noch mehr wollen, immer auf der Suche sind nach einer Perfektion, die es eigentlich nicht gibt. Man muss einfach einmal innehalten und den Moment genießen. Auf der Bühne gibt es natürlich unglaubliche Momente. Ich erinnere mich etwa an eine „“-Vorstellung an der Wiener Staatsoper: das war zu einer persönlich schwierigen Zeit und auch bei weitem keine perfekte Aufführung, aber trotzdem war es eine extrem intensive Situation und eine Sternstunde für mich, ein Abend an den ich mein Leben lang denken werde. Aber wirkliche Erfüllung bringt für mich nur – darüber habe ich mir oft Gedanken gemacht – einerseits die wahre Liebe ohne Erwartungen und Zweifel, andererseits die Natur, weil sie rein und perfekt ist. Natur ist für mich etwas ganz Essentielles, dahin ziehe ich mich so oft wie möglich zurück. Außerdem erwarte ich gerade ein Baby, was als Frau natürlich absolut erfüllend ist. Ich bin mal gespannt, wie wir meinen dicken Bauch in die Inszenierung der „Schweigsamen Frau“ mit einbauen können. Gerade in Ihrem Repertoire als Koloratursopranistin mit Rollen wie Zerbinetta, Lucia, Königin der Nacht oder den aberwitzigen Virtuosenpartien von Salieri, die Sie auf CD eingespielt haben, erreichen Sie die Stratosphären des Gesangs, stoßen an die Grenzen dessen, was mit der menschlichen Stimme überhaupt möglich ist. Erleben Sie dabei auch besondere Hochgefühle? Ja schon, aber ich hänge nicht nur an hohen Tönen. Die ganze Situation, die Atmosphäre, die Wahrheit dessen, was wir auf der Bühne erzählen, muss stimmen, damit es beglückend ist.

Wenn Sie in eine Rolle schlüpfen und damit eine andere Identität annehmen, ist das für Sie auch eine Möglichkeit, Charakterzüge und Situationen auszutesten, die Ihnen im realen Leben fern sind?

Als Schauspieler muss man sich in das Seelenleben anderer Menschen versetzen und es umsetzen, lebendig werden lassen. Das macht großen Spaß. Etwa bei der Königin der Nacht: eine Mutter, die ihre Tochter zum Mord auffordert und alle bösen Kräfte mobilisiert. Man setzt sich dabei auch automatisch mit seinem eigenen Charakter auseinander, muss auch manchmal über seinen Schatten springen, aber es ist immer spannend, Charaktere zu spielen, die einem ganz fern sind.

In München singen Sie nun die Aminta in der „Schweigsamen Frau“. Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Ihnen und dieser Figur?

Immerhin ist Aminta auch eine Sängerin in einer Operntruppe. Allerdings vermischt sie ihren Beruf mit der Realität, wenn sie Sir Morosus quasi ein Theaterstück vorspielt. Er merkt es nicht und hält es für die Wirklichkeit. Das ist eigentlich eine ziemlich gemeine Sache, und letztlich bekommt Aminta auch Skrupel. Sie rettet sich dann ins Schauspielen und betrügt sich damit selbst. Also genau das, was einem auf der Bühne nie passieren dürfte.

Wie sehen Sie die Beziehung Amintas zu Morosus? Verkörpert sie die Erfüllung der Wünsche und Phantasien eines alternden Mannes? Ganz sicher, aber auch Morosus hat Skrupel. Er realisiert, dass die Verbindung mit einer so jungen Frau eigentlich nicht recht ist. Sie gibt sich jedoch ganz bescheiden und unterwürfig und zerstreut damit seine Bedenken. Wenn sie sich allerdings danach als Furie entpuppt, ist sie letztlich die Enttäuschung und nicht die Erfüllung seiner Wünsche.

Was reizt Morosus an Aminta? Nur ihr stiller, unterwürfiger Charakter oder gibt es da auch eine sexuelle Komponente?

Bestimmt ist es beides. Zunächst will er zwar nur Ruhe und Frieden haben, wenn er dann aber so was Süßes, Nettes bei sich hat, sagt er natürlich nicht nein. Aber er behandelt dieses scheue Mädchen immer respektvoll, und das berührt wiederum Aminta, denn sie zeigt bei aller Komödie, die sie ihm vorspielt, doch auch ernsthafte Gefühle.

In Ihrer Münchner Zerbinetta haben Sie unglaubliche Entertainerqualitäten an den Tag gelegt. Können Sie dieses komödiantische Talent auch jetzt wieder ausspielen?

Bei der „Schweigsamen Frau“ muss man vorsichtig sein, denn dieses Stück ist bei aller Turbulenz nicht immer uneingeschränkt lustig. Jede Komödie hat ja ihre zwei Seiten, und das Spiel, das mit Morosus getrieben wird, ist zum Teil auch ganz schön grausam. Die Rolle ist ungemein schwierig zu singen, zumal Strauss die Stimme mit einem extrem lauten Orchester fast zudeckt. Im dritten Akt ist das im wahrsten Sinne des Wortes als Krach komponiert, und über diesem Orchesterkrach muss Aminta hochvirtuose Sachen singen, hat aber keine wirklichen Soloszenen nach denen die Leute Bravo schreien - jedenfalls nicht in der Qualität einer Arie wie bei Zerbinetta.

Neben diesem Weibsteufel Aminta singen und spielen Sie auch die eher fragilen, ätherischen Damen wie Gilda, Ophélie oder Lucia. Welche Seite entspricht mehr Ihrer Persönlichkeit? Ich bin ein aktiver Mensch, rede gerne, brauche Bewegung und Kommunikation, aber wie jeder Mensch habe auch ich meine stillen Seiten. Umgekehrt, mit etwas mehr Courage, weniger Passivität, wäre es sicher Lucia oder Gilda ebenfalls besser gegangen, und sie hätten sich anders entwickeln können.

Während der Münchner Opernfestspiele werden Sie auch einen Liederabend gestalten, allerdings nicht mit Klavier-, sondern mit Harfenbegleitung. Was reizt Sie an solch einem eher ungewöhnlichen Projekt?

Die Harfe hat ganz andere klangliche und dynamische Ausdruckmöglichkeiten als das Klavier, kann viel nuancierter sein, viel leiser spielen. Mit der Stimme kann man sich da wunderbar anpassen und noch viel feinere Farben in den Gesang mischen. Trotzdem ist es auch möglich, richtig loszulegen, genau wie mit dem Klavier. Ein spannendes und künstlerisch erfüllendes Projekt.