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Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien März 2005

Oper en miniature

Diana Damrau im Zyklus „Liederabende“

Ihr Lachen ist herzerfrischend, ihre Musikbegeisterung ansteckend, ihr Gesang aber hingebungsvoll und beseelt. Die Rede ist von Diana Damrau, einer immer noch jungen, doch längst groß durchgestarteten Sopranistin. Wiener Musikfreunden ist sie spätestens seit der Uraufführung von Peter Turrinis und Friedrich Cerhas „Der Riese vom Steinfeld“ im Juni 2002 an der Wiener Staatsoper ein Begriff.

Sie hat darin die kleine Frau gesungen, eine anspruchsvolle Partie, die in stratosphärischen Höhen von der Liebe dieser Frau zu einem zwei Meter achtundfünfzig großen jungen Mann erzählt, der ihr Schicksal wurde. Publikum und Kritik reagierten begeistert: „Diana Damrau gab der kleinen Frau lyrische Innerlichkeit und virtuose Koloratur“, schrieb etwa Gerhard Rohde in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Ihr selbst hat diese Partie sehr viel Glück gebracht, wie sie bekennt. „Staatsopern-Direktor Ioan Holender hat mir noch am Tag der Uraufführung die Konstanze in einer Neuproduktion der ,Entführung aus dem Serail‘ angeboten, die im Mozart-Jahr im herauskommen wird. Und , der sich den ,Riesen vom Steinfeld‘ angehört hatte, lud mich ein, bei der großen Wiedereröffnung der renovierten Mailänder Scala im vergangenen Dezember mitzuwirken. In Salieris ,L’‘ habe ich die Europa verkörpert.“

Von Günzburg nach Salzburg Diana Damrau stammt aus Günzburg an der Donau. Schon als Kind hat sie gerne gesungen und große Sehnsucht nach der Bühne verspürt. Die Oper allerdings war ihr damals noch fremd. „Ich kannte Opern nur auszugsweise von Schallplatten, die ich bei meinen Großeltern gehört hatte. Der Funke der Begeisterung sprang erst über, als ich Franco Zeffirellis Verfilmung von ,La traviata‘ gesehen hatte. Das ist ein Gesamtkunstwerk, in dem einfach alles stimmt.“

Ihre Ausbildung absolvierte Diana Damrau zunächst an der Musikhochschule Würzburg, wo Carmen Hanganu ihrer Lehrerin war. Danach belegte sie einen Meisterkurs an der Internationalen Sommerakademie Mozarteum Salzburg bei , mit der sie heute noch ihr Repertoire erarbeitet. Aus mehreren Wettbewerben ging sie als Preisträgerin hervor, der 7. Internationale Mozartwettbewerb in Salzburg brachte ihr ein Engagement bei den Salzburger Festspielen 2001 ein, wo sie mittlerweile regelmäßig zu Gast ist: zuletzt als Blonde

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und – dreimal als Einspringerin – auch schon als Konstanze in der umstrittenen Inszenierung der ,Entführung aus dem Serail‘ von Stefan Herheim. „Das war eine interessante Erfahrung, bei der ich viel lernen konnte“, erzählt sie, ohne zu verschweigen, daß sie, wie alle anderen Sänger auch, im ersten Jahr unter den Unmutsäußerungen des Publikums schon sehr gelitten hat. „Es war wohl so, daß der Regisseur zu viele Ideen hatte, die sich dem Publikum aber nicht alle vermitteln konnten. Im zweiten Jahr wurde die Produktion überarbeitet.

Man hat einiges klarer darstellen können, und so ist es auch zu keinen Störaktionen mehr gekommen.“ Moderner Regie steht sie grundsätzlich positiv und auch mit Neugier gegenüber, „weil man eine Oper sehr wohl auch einmal von einer anderen Warte aus betrachten sollte“, wie sie betont. „Nur darf man der Musik dabei nicht schaden.“

Traumpartien an ersten Häusern Über Würzburg und Mannheim, wo sie sich ein breites Repertoire erarbeiten konnte und sogar die Eliza Doolittle in ,My Fair Lady‘ gesungen hat, kam Diana Damrau schließlich an die , von wo aus sie allmählich die großen Bühnen Europas eroberte. Heute ist sie freischaffend und kann unter jenen Angeboten wählen, die ihr am meisten zusagen.

Auffallend ist, daß sich in der Wahl ihrer Partien gewissen Verschiebungen bemerkbar machen, die auf einen langsamen Fachwechsel hindeuten. „Diese Beobachtung ist richtig“, bestätigt sie. „Meine Stimme entwickelt sich sowohl in der Mittellage als auch in der Tiefe weiter, so daß ich mich von manchen Koloraturpartien allmählich verabschiede und mich mehr und mehr dem lyrischen Fach zuwende. Aus der Blonden ist bereits die Konstanze geworden, und in München habe ich sogar schon die Zdenka in ,‘ gesungen, lustigerweise sogar noch vor der Fiakermilli in derselben Oper.

Das war in London – und für mich ein so schönes Erlebnis, daß ich es bei diesem einen Mal belassen und die Fiakermilli sicher niemals wieder singen werde.“ Auf jeden Fall wird Diana Damrau aber die Zerbinetta in „“, neben der Königin der Nacht eine ihrer Traumpartien, noch lange in ihrem Repertoire behalten und damit im Herbst 2005 sogar ihr Met-Debüt geben. „Neu kommen für mich im Frühjahr in London zwei Rollen in der Uraufführung von Lorin Maazels neuer Oper ,1984‘ sowie die Susanna in ,Le nozze di Figaro‘ hinzu, die ich erstmals unter Riccardo Muti an der Mailänder Scala singen werde.“

Gegen geistiges Fast food

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Neben der Oper gilt Diana Damraus große Liebe dem , und das schon seit ihrer Studienzeit. „Das Lied hat mich immer begleitet, und ich finde es sehr traurig, daß die Veranstalter mehr und mehr vor Liederabenden zurückschrecken, weil es dafür angeblich immer weniger Publikum gibt. Das Lied ist doch ein Teil unserer Kultur. Wir sind drauf und dran, unsere wunderbare Sprache zu verlieren, durch die Vereinfachungen, das Fernsehen und all das ‚Fast food‘ für Geist und Gesellschaft.

Nirgendwo ist die Verbindung zwischen Musik und Sprache so eng wie im Kunstlied, das uns einen wunderbaren Einblick in eine ganz andere Welt gewährt.“ Für Diana Damrau ist das Lied eine „Oper en miniature“, bei der sie ohne Kostüm und Maske vor das Publikum tritt. „Mir macht es Freude, direkt mit dem Publikum zu kommunizieren, innerhalb kürzester Zeit in die unterschiedlichsten Charaktere zu schlüpfen, Geschichten zu erzählen und Stimmungen zu malen. Mir als hohem Sopran, als der man in der Oper zumeist auf die Rolle des sonnigen Gemüts abonniert ist, kommt es sehr gelegen, auch einmal dramatischere und ernstere Lieder zu singen und damit ganz andere Facetten meiner Stimme zeigen zu können.“

Ein Programm für Wien Liederabende hat Diana Damrau zuletzt bei der Schubertiade Schwarzenberg und beim Kissinger Musiksommer gegeben. Daß sie sich nun auch in Wien, „noch dazu im ehrwürdigen Musikverein“, als Liedinterpretin vorstellen darf, freut sie ganz besonders. „Ich stelle sehr gerne eigene Programme zusammen. Für mich steht fast jeder Liederabend unter einem geheimen Motto. Bei der Schubertiade habe ich zum Beispiel Lieder nach dem Thema ‚Das Mädchen spricht‘ ausgesucht. Ein zukünftiges Projekt wird unter dem Motto ‚Hommage à la nature‘ Gesang und Lesungen vereinigen. Die Möglichkeiten sind unerschöpflich.“

Da sie in Wien relativ kurzfristig für eine Kollegin eingesprungen ist, bleibt Diana Damrau zu wenig Zeit, um ein neues Programm zu erarbeiten. Sie wird aber Geeignetes aus ihrem breiten Repertoire auswählen: „Ich werde von Schubert italienische Lieder singen, die auf Opernarien basieren. Sie sind nicht allzu oft zu hören, passen aber wunderbar in den Musikverein. Ferner wird es von Zemlinsky die ,Walzergesänge‘ geben, außerdem eine Liedgruppe von Strauss, und – weil es ja ein Programm für Wien ist – natürlich Wolf und Mahler.“ Apropos Wien: Der Erfolg im „Riesen vom Steinfeld“ hat Diana Damrau zur Wahlwienerin werden lassen. „Ich habe eine schöne Wohnung gefunden, aus der ich sogar zum Musikverein hinübersehen kann. In Wien fühle ich mich schon ganz zu Hause.“

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Wichtiger Hinweis für Abonnenten des Zyklus „Liederabende“ Die beiden Liederabende mit Diana Damrau ersetzen die angekündigten Konzerte von Dorothea Röschmann. Durch diese Änderung gibt es auch eine Verschiebung des Termins für den Liederabend der Serie A: Er findet nun am 17. März 2005 (statt ursprünglich 13. März) statt. Der Termin der Serie B bleibt, wie angekündigt, der 15. März.

Peter Blaha Peter Blaha ist Chefdramaturg der Wiener Staatsoper.

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