Pdf Am 30.09.2015
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Die approbierte Originalversion dieser Diplom-/ Masterarbeit ist in der Hauptbibliothek der Tech- nischen Universität Wien aufgestellt und zugänglich. http://www.ub.tuwien.ac.at The approved original version of this diploma or master thesis is available at the main library of the Vienna University of Technology. http://www.ub.tuwien.ac.at/eng DIPLOMARBEIT Lernen von Favoriten Die vergessene Freiheit des Gründerzeitlichen Gatters ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Ingenieurs unter der Leitung von Ao.Univ.Prof. Arch. Dipl.-Ing. Dr.techn. Erich Raith E260 Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen eingereicht an der Technischen Universität Wien Fakultät für Architektur und Raumplanung von Dorian David Gustavson Matrikelnummer 0225441 Wimmergasse 3, 1050 Wien Wien, am 1. November 2015 Denen, die gehen mussten. Lernen von Favoriten Die vergessene Freiheit des gründerzeitlichen Gatters Der Titel dieser Arbeit lehnt sich nicht nur formal an die 1972 von Robert Venturi, Denise Scott Brown undSteven Izenour verfasste Streitschrift “LEARNING FROM LAS VEGAS. The Forgotten Symbolism of Architectural Form” an. (In deutscher Sprache: Lernen von Las Vegas: Zur Ikonographie und Architek- tursymbolik der Geschäftsstadt.) Als Vorreiter der Postmoderne überraschten die Autoren zu einer Zeit, die noch weitgehend im Zeichen von Funktionalismus und Moderne stand, mit ihrer Inter- pretation, die die (amerikanische) Alltagsbaukunst des Strips von Las Vegas ins Zentrum der Architekturdebatte hob. Ich möchte in dieser Arbeit den Fokus auf einen Stadtteil und seine Spezifizität legen, der in der aktuellen Stadtentwicklungsde- batte Wiens möglicherweise nur eine untergeordnete Stelle beklei- det. Es mag auch hier überraschen, dass ich gerade in einem Bezirk, der in der landläufigen Meinung als nicht sehr prestigeträchtig gilt, nach Antworten auf aktuelle Fragen im Spannungsfeld zwischen Architektur, Stadt- und Gesellschaftsentwicklung suche. So wie in Las Vegas in den 1960er Jahren in einer Wüstenstadt in Nevada das Stadtbild von vielen Seiten weitestgehend unbeachtet den lokalen Akteuren überlassen wurde, die das örtliche Stadtbild durch das Vorblenden einer Leuchtschild- und Reklamenlandschaft vor die konventionelle Architektur der dahinterliegenden Gebäudekom- plexe frei geprägt haben, liegt auch auf großen Teilen von Favoriten auf den ersten Blick ein „konstruktives Desinteresse“ der Allge- meinheit, das sich nicht zuletzt auch im Bebauungsplan durch die weitgehende Abwesenheit von Schutzzonen im mehrheitlich grün- derzeitlich geprägten Teil des Bezirks manifestiert. In Favoriten herrscht also, zumindest was die Vorgabe zur Erhaltung des charakteristischen Stadtbildes anbelangt, sozusagen eine „städtebauliche Wüste“, eine potenzielle Tabula Rasa, großteils bestehend aus vor vielen Jahrzehnten gebauter Umwelt, die ver- meintlich austauschbar wäre. Und genau in diesem unwirtlichen Umfeld, sozusagen in der ausgeblendeten Peripherie der großen Projektentwicklungsinterventionen lässt sich meinem Verständ- nis nach in kleinem Maßstab die „Ursuppe“ von Tendenzen der Gesellschafts- und Stadtentwicklung, sowie –erneuerung genau beobachten. Meine Absicht ist es, aufzuzeigen, welche Antworten sich in Favoriten auf aktuelle Fragestellungen in Bezug auf diese Themenfelder finden lassen. Dorian Gustavson, Juli 2015 Inhalt A Was ist Favoriten? 1 Eine Entdeckungsreise 10 2 Historischer Abriss 13 2.1 Die Favorita 13 2.2 Ausgangspunkte der Entstehung Favoritens 14 2.3 Exkurs: Die Gründerzeit in Europa und Wien 16 2.4 Die Gründerzeit in Favoriten 19 2.5. Exkurs: Wien nach der Monarchie 24 2.6. Favoriten im „Roten Wien“ 28 3 Status Quo 31 4 Versuch einer diagrammatischen Darstellung Favoritens 34 B Gesellschafts- und Stadtentwicklung, Stadterneuerung 1 Tendenzen der Gesellschafts- und Stadtentwicklung 38 1.1 Was ist Gesellschaft? 38 1.2 Globale Gesellschafts- und Stadtentwicklung 38 2 Stadtentwicklung in Wien 39 2.1 Ausgangssituation 40 2.2 Instrumente der Stadtplanung 41 2.3 Der Stadtentwicklungsplan 1984: Fokus Gründerzeit? 42 2.4 Sozio-demografische Entwicklung in Wien 44 2.5 Stadtentwicklungspläne 2005 und 2015/25 45 3 Stadtentwicklungsprojekte in Favoriten 47 6 C Entwicklungspotenziale auf Makroebene 1 Urbanität: Versuch einer Definition 50 1.1 Welche Eigenschaften machen eine Stadt erst „urban“? 50 1.2 Urbanisierung vs. Suburbanisierung 51 2 Strukturelle Potentiale des Rastersystems 54 2.1 Der Massstab der Gründerzeitlichen Stadt 56 2.2 Urbane Lebensweise und Nutzungsneutrale Stadt 56 3 Makroaufnahme Favoriten 58 D Entwicklungspotenziale auf Mikroebene 1 Funktionalisierung vs. Nutzungsneutralität 64 2 Das Hochgründerzeitliche Arbeiterzinshaus 67 2.1 Immanente Potenziale 67 2.2 Die Schnittstelle der Halböffentlichkeit 69 2.3 Die Erdgeschoßzone: Urbaner Raum? 69 2.4 Über den Dächern der Stadt 72 3 Spezialfall Favoriten? 76 E Conclusio Favoritner Freiheit 80 F Verzeichnisse 1 Abbildungsverzeichnis 86 2 Quellenverzeichnis 88 7 8 A Was ist Favoriten? 9 In diesem ersten Abschnitt möchte ich, ausgehend von mei- ner sehr persönlichen „Kennenlerngeschichte“ mit dem zehnten Wiener Gemeindebezirk, zunächst den histroischen Kontext seiner Entstehung vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umwäl- zungen in Folge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und anschließend der tiefgreifenden, nicht nur siedlungs-politi- schen Neuerungen, die mit dem Ende der Habsburgermonarchie und der Gründung der Ersten Republik 1919 einhergegangen sind, grob umreißen. Mein Ziel ist es, jene subjektiven Eindrücke, die mir aufgrund zahlreicher Stadtspaziergänge und -fahrten in den vergangenen Jahren in Bezug auf diesen Stadtteil, seine Funktions- weise und seine morphologischen Ausprägungen erwachsen sind zu transportien und sie, soweit wie für das Verständnis notwendig mit Fakten zu hinterfüttern, um schließlich eine eine diagrammatische Darstellung Favoritens aufzuskizzieren. 1 Eine Entdeckungsreise Ich erinnere mich noch lebhaft an den 24. Juli 2010. An die- sem regnerischen Samstagabend im Hochsommer hatte ich mich mit dem, was mein Kühlschrank noch an Bierdosen hergab und einer Weinflasche im Gepäck (aufgrund der dortigen Ausstattung völlig unnötigerweise wie ich später feststellen sollte) auf den Weg „in den Keller im Zehnten“ gemacht, wohin mich eine neue Be- kanntschaft zu einem Geburtstagsfest eingeladen hatte. Google Maps hatte mir von Tür zu Tür eine Distanz von 1,5 km bis zur Adresse in der Nähe des Viktor-Adler-Marktes angezeigt – genauso- 1. Matzleinsdorfer Platz weit wie ins Büro im Freihausviertel, in das ich auch jeden Tag per pedes spazierte also – ich war daher zu Fuß über den Matzleinsdor- ferplatz, unter der (Schnell-)Bahnbrücke hindurch gegangen und hatte in der Gudrunstaße den Anfang (oder doch das Ende?) der Bebauung hinter dem (evangelischen) Matzleinsdorfer Friedhof er- reicht. Es sollte der erste bewusste Spaziergang von vielen, in und durch das mir bis dahin nicht sonderlich vertraute Favoriten sein. Es war kein sehr weiter Fußweg, aber wie so oft, wenn man einen Weg voll neuer Eindrücke entlanggeht, kam er mir im Vergleich zu den unzähligen Malen, die ich ihn in der darauf folgenden Zeit gehen sollte, doch irgendwie lang und intensiv vor. Ich wohnte nun schon seit einigen Jahren in Margareten, nur ein paar Schritte von diesem Stadtteil entfernt, in einem Vier- tel1 das, zur gleichen Zeit wie ein großer Teil von Favoriten in der Gründerzeit binnen kürzester Zeit quasi aus der Erde gestampft wurde und mir wurde mit einem mal veranschaulicht, wie wenig Einblick ich eigentlich in meinen Nachbarbezirk hatte. Favoriten war für mich als „ursprünglichem Wiedner“, der nach Margareten gezogen war, vom Gefühl her irgendwie ein Teil eines „anderen Wien“ - genauso wie „Transdanubien“ (21., und 22. Bezirk) und 1 Kyros Hamidi: Die Wimmergasse 10 Simmering (11. Bezirk), zwar verwaltungstechnisch eigentlich Teil meiner Heimatstadt, aber doch gleichzeitig eine fremde Welt. Ich kannte die Triesterstraße mit der Spinnerin am Kreuz vom Weg auf die Südautobahn, das alte Amtshaus auf der Laxenburgerstra- ße und das neue auf der Favoritenstraße von Amtswegen zur Bau- polizei, andere punktuelle Einrichtungen wie das große Bauhaus auf der Laxenburger Straße, der Tichy am Reumannplatz und der Business Park um die Twin-Towers, waren mir ebenfalls geläufig, aber in meinem Kopf hatte sich nie ein greifbares Gesamtbild von Favoriten geformt – das sollte sich nun ändern. Mein Weg führte mich vorbei an Hotels, an unzähligen mehr oder minder zwielichtigen Wirtshäusern, Cafés oder Spelunken, auch an Wettbüros und traurigen Stüberln mit zugeklebten Fassa- den und einarmigen Banditen, an Bürogebäuden, an Handyshops, an Internet-Cafés, an (türkischen) Greißlern, an Supermärkten, an Drogerien und an einer Vielzahl an sonstigen Einzelhandelsbetrie- ben, an einer Polizeistation, einer Straßenbahnremise und einem Küchenstudio. 2. Gudrunstraße Auf den knapp 900 m von der Triester Straße bis zur Laxen- burgerstraße war mir trotz des Regens ein überraschendes Treiben auf der Straße aufgefallen. Die Nutzungsdichte der Erdgeschoß- zone erinnerte mich ein wenig an die Reinprechtsdorferstraße, als deren Verlängerung man die Gudrunstraße ja ansehen konnte, aber auf der Gudrunstraße schien der „Einkaufsstraßencharakter“ gar nicht so forciert und historisch tradiert, er schien sich irgendwie entlang einer Verkehrsader mehr oder weniger ungeplant ergeben zu haben. Die tatsächlich „forcierte Einkaufsstraße“ mit größeren Geschäften und Traditionsbetrieben,