Das Frühe Goethe-Institut Und Die Tradition Der Deutschen Akademie
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Resümee: Das frühe Goethe-Institut und die Tradition der Deutschen Akademie Im Selbstverständnis der Gründergeneration des neuen Goethe-Instituts war die 1951/52 ins Leben gerufene Einrichtung die Nachfolgerin der Deutschen Akade- mie. Die Kontinuität zwischen alter und neuer Einrichtung zeigte sich nicht nur beim Führungspersonal, das sich aus Franz Thierfelder, Richard Fehn, Kurt Ma- gnus und Dora Schulz zusammensetzte, und in der Verwendung eines Teils des Restguthabens der Akademie für das neue Goethe-Institut, sondern auch an der Weiternutzung des methodischen Instrumentariums der Vorgängerorganisation. So griff man auf die bewährte „direkte Methode" in den Sprachkursen zurück, verkörpert anfangs durch Georg Lappers Methode des singenden Lernens, vor al- lem aber durch das Lehrbuch „Gesprochenes Deutsch". Schließlich kam es auch zu einer partiellen Übernahme von Lehrkräften aus der alten Akademie. Ihnen hatte Thierfelder schon im August 1945 größtenteils die Absolution erteilt, indem er behauptete, die große Mehrheit der Akademielektoren habe die Politisierung der Arbeit der Münchener Einrichtung ab 1938 nur mit Widerwillen hingenom- men und zumeist als Verrat an den Idealen der kulturellen Verständigung zwi- schen Nationen aufgefaßt. Die ursprünglichen Voraussetzungen, unter denen die Deutsche Akademie Mitte der zwanziger Jahre gestartet war, also auch als wissenschaftliche For- schungseinrichtung und Institution zur Förderung insbesondere des Auslands- deutschtums zu wirken, wurden bei den Wiedergründungsbemühungen ab 1950, als es darum ging, einen Verein für die Kulturarbeit im Ausland zu gründen, gänz- lich ausgeklammert. Die Geschichte der Deutschen Akademie reduzierte Thier- felder schlicht auf die Pionierrolle, die sie bei der Verbreitung der deutschen Spra- che im Ausland eingenommen hatte. Tatsächlich vollzog sich diese Hinwendung zur Sprachförderung erst ab 1928/29 unter Thierfelders maßgeblichem Einfluß mit Unterstützung und in enger Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt. Die Diplomaten in der Kulturabteilung suchten eine Organisation für das bislang ver- nachlässigte Feld der Sprachförderung und legten daher die anfängliche Reser- viertheit gegenüber der Münchener Einrichtung ab. Thierfelder wiederum, geför- dert vom Vorsitzenden des Deutschen Schutzbundes Karl Christian von Loesch, ergriff die sich bietende Gelegenheit, um die Akademie durch eine neue Aufgabe vor dem drohenden Zusammenbruch zu retten. Mit der parallelen vollen Durch- setzung der „direkten Methode" in Deutschland als didaktischem Ansatz zur Ver- mittlung von Fremdsprachen war gleichzeitig erstmals die Basis gelegt, Deutsch im Ausland effektiv und lebendig zu lehren. Die Neo-Humboldtianer in der deut- schen Sprachwissenschaft entwickelten zur gleichen Zeit die Argumente, warum gerade die Sprache jeder Nation eine spezifische Identität zuweise und ihr jewei- liges Denken forme, mithin also Essenz und Ausdruck schlechthin jedes Volkes sei. Thierfelders sprachstatistische Erhebungen ab 1928 schienen wiederum den Beweis zu erbringen, daß Deutsch im Ausland eine in vollem Aufschwung begrif- 240 Resümee fene Sprache sei. Diese Interpretation resultierte nicht zuletzt aus der politischen Grundhaltung Thierfelders, die von Edgar Julius Jung und anderen Denkern der gegen die Weimarer Republik gerichteten sogenannten Konservativen Revolution beeinflußt war: Deutsch hatte für Thierfelder nicht zuletzt deshalb in Europa eine große Zukunft, weil sich im Reich seit Ende der zwanziger Jahre eine angeblich für ganz Europa wegweisende Abkehr vom westlichen Parlamentarismus und der industriellen Massengesellschaft vollzog. So wie die Verbreitung des Englischen und Französischen durch den Vormarsch des Liberalismus seit Ende des 18. Jahr- hunderts wesentlich gefördert, ja überhaupt erst möglich geworden sei, so werde nun Deutsch als die hinter der Idee des „völkischen" Staates stehenden Sprache ei- nen ungeahnten Aufschwung nehmen. Es lohnte sich also in Thierfelders Lesart gerade jetzt, in die Sprachförderung zu investieren, um die angeblich für das Reich günstige sprachpolitische Konjunktur zu nutzen. Aus dieser würde sich eines Ta- ges auch machtpolitisches Kapital schlagen lassen, so wie Frankreich es mit seiner Sprachverbreitungspolitik angeblich schon seit Jahrzehnten erfolgreich vorexer- ziert hatte. Dies war eine Interpretation, die von der innerhalb des Auswärtigen Amts marginalisierten Kulturabteilung gerne aufgegriffen wurde, unterstrich sie doch die vermeintliche Wichtigkeit der Kulturarbeit im Ausland. Innerhalb der Akademie erfolgte die Neuausrichtung der Arbeit zunächst ge- gen zum Teil erhebliche Vorbehalte. Diese gingen neben dem zeitweiligen Vize- präsidenten Paul Rohrbach, der als Baltendeutscher gerne an der Förderung des Auslandsdeutschtums festgehalten hätte, vor allem auch von den Professoren in den wissenschaftlichen Sektionen aus. Sie sahen das hehre Unternehmen einer wissenschaftlichen Akademie in eine bloße „Sprachschule" abgleiten. Die Grün- der hatten sich vielmehr eine Zentralorganisation für die deutsche auswärtige Kul- turpolitik wie auch eine kulturpolitische Erziehungsanstalt für die innerlich zer- rissene und nicht ausreichend vom einem kulturellen Sendungsbewußtsein durch- drungene Nation vorgestellt. Wenn auch die Sprachförderung seit den dreißiger Jahren die bei weitem wichtigste Aufgabe der Deutschen Akademie war, so blieb sie doch von ihrem Selbstverständnis her bis zum Ende zugleich auch eine wissen- schaftliche Forschungseinrichtung. Allerdings war der Hinweis darauf für Thier- felder nicht opportun, als er ab 1950 versuchte, das Geld der alten Akademie für ein neue Organisation zur Sprachförderung zu erhalten, denn es galt, die Ansprü- che der Bayerischen Akademie der Wissenschaften abzuwehren, die sich ebenfalls Hoffnungen auf die Hinterlassenschaft der 1945 aufgelösten Schwesterakademie machte. Das Erbe der Akademie war für die Gründer von 1951/52 nicht etwa ein besser zu verschweigendes Kapitel, obwohl die Akademie ihre volle sprachpolitische Ex- pansion erst im Dritten Reich erfuhr, zunächst Mitte der dreißiger Jahre unter der Ägide von Thierfelder und Karl Haushofer, vor allem aber ab 1940 unter dem na- tionalsozialistischen bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert und im Windschatten der militärischen Siege der Wehrmacht, die durch vermehrte An- strengungen an der „geistigen Front" abgestützt und legitimiert werden sollten. Die Vereinnahmung der positiv dargestellten Vergangenheit der Akademie war nicht nur notwendig, um an Geld und Mobiliar der 1945 aufgelösten Einrichtung als Starthilfe für den neuen Verein heranzukommen. Nein, man blickte stolz und Resümee 241 weitgehend unkritisch auf die vor 1945 geleistete Arbeit zurück. Dies zeigte sich bei der ersten Vorstandssitzung des Goethe-Instituts Ende Juni 1952, als Thierfel- der und Magnus den Geist der Akademie für den neuen Verein beschworen; es wurde aber auch deutlich bei einer Ansprache Thierfelders im August 1957. Dort gedachte Thierfelder der Gründung des ersten Goethe-Instituts 25 Jahre zuvor und rekapitulierte für die zum Teil neuen Mitarbeiter der Nachfolgeorganisation die wesentlichen Stationen des Aufbaus der Spracharbeit: „Die jungen Mitarbeiter des ,Goethe-Instituts' müssen wissen, welcher Organisation sie sich anvertraut haben; sie sollen erfahren, daß sie Vorgänger gehabt haben, denen gewiß nichts Menschliches fremd geblieben ist, die aber eine Überzeugung vertreten haben, welche ihnen das Recht zu einem neuen Anfang gegeben hat," verkündete Thier- felder.1 Es gab zwei Bausteine in der Vergangenheitspolitik des neuen Goethe-Instituts, die eine partielle Identifikation mit einer Organisation, die 1945 als NS-Einrich- tung von den Amerikanern aufgelöst worden war, zu rechtfertigen schienen. Zum einen war dies die Behauptung, daß man an der Peripherie praktisch bis Kriegs- ende relativ ungestört habe arbeiten können, d.h. daß dort die Vermittlung der deutschen Sprache stets im Vordergrund stand und man weitgehend unbehelligt von politischen Vereinnahmungsversuchen geblieben sei. Diese Auffassung ver- trat beispielsweise Werner Ross, der letzte Generalssekretär des neuen Goethe-In- stituts mit Akademievergangenheit, der bis Kriegsende in Italien als Lektor tätig gewesen war. So schrieb er 1974: „Die Spitzen wurden ausgewechselt, aber die Grammatik überlebte. Die Lehrer ergänzten ihr deutschkundliches Programm um Meister Eckhart und den Bamberger Reiter und blie- ben weiterhin den starken und schwachen Verben treu. Es taten sich einige Eiferer für das Reich hervor, weit größer aber war die Zahl derer, die den Auslandsdienst als willkommene Möglichkeit wahrnahmen, dem Druck der Partei (und später der Einziehung zur Wehr- macht) zu entgehen."2 Wie die vorangegangenen Kapitel gezeigt haben, war diese mit dem Weichzeich- ner betriebene Deutung der Vergangenheit der Deutschen Akademie, die sich zur Traditionspflege eignete, nicht gänzlich falsch. Andernfalls hätten der neue Gene- ralsekretär Matthias Schmitz und der neue Präsident Arthur Seyß-Inquart nicht seit 1943/44 versucht, in Abstimmung mit dem Propagandaministerium die Ar- beit der Auslandslektorate einer strengeren Kontrolle zu unterwerfen, das ausrei- sende Personal künftig besser kulturpolitisch zu .schulen' und aus dem Schatten der bloßen Sprachförderung herauszutreten. Diese Vorsätze sind ein Indiz dafür, daß aus Sicht der Zentrale den Außenstellen bislang zu viel Freiraum belassen worden war und bei diesen nach wie vor zu viel Nachdruck auf den Deutschun- terricht gelegt wurde. Ein