Kinder Von Extrembergsteigern Berge Im Blut?
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Joshua Dujmovits Díaz Magdalena Messner Kinder von Extrembergsteigern BERGE IM BLUT? Prominente Bergsteiger zum Vater oder zur Mutter zu haben: Ist das Segen oder Fluch? Vererbt sich die alpine Begeisterung? Oder treibt die elterliche Leidenschaft den Nachwuchs auf ganz andere Wege? Stephanie Geiger hat drei Bergsteigerkinder nach ihren persönlichen Antworten gefragt. ei Handwerkern mit eigenem Be- Klaus: Der Vater nahm ihn nicht wirklich ten zu begründen? Kann die Faszination trieb ist es oft so: Der Großvater ernst. Ein „problematisches Glück“ sei das am Berg vererbt werden, liegen die Berge ist Schreiner, der Sohn auch und gewesen, Thomas Mann zum Vater zu ha- vielleicht sogar in den Genen? Wie stark der Enkel wird gar nicht mehr ge- ben, sagte auch Golo einst. Auch am Berg prägen große Bergsteiger ihre Kinder? Bfragt. Auch Schauspieler geben ihre Passi- gibt es Dynastien: Großvater, Vater, En- Andererseits: Wenn es sogar schon Wo- on oft an die Kinder weiter: Götz George kel, vorher und nachher alle Bergführer. chenend-Wanderern gelingt, durch ge- stand wie sein Vater Heinrich auf der Und auf Berghütten wird oft die Hütten- steigerte Ambitionen ihren Kindern die Bühne, Moritz Bleibtreu hat den gleichen wirts-Aufgabe von Generation zu Gene- Freude am Bergsteigen zu nehmen, dür- Beruf wie seine Mutter und Großmutter. ration vererbt. fen dann Profis automatisch damit rech- Golo, Erika und Klaus, drei der sechs Kin- „Bei dem Vater!“ Wie oft haben wir uns nen, dass ihre Kinder die Leidenschaft für der von Thomas Mann, wurden ebenfalls selbst schon ertappt, die Erfolge eines den Berg teilen? Wollen sie das weiterfüh- Schriftsteller. Besonders schwer hatte es jungen Bergsteigers mit elterlichen Talen- ren, was ihre Eltern aufgebaut haben? 104 DAV 2/2016 Bergsteigerkinder PORTRÄT Tom Ballard Alle sind Mitte zwanzig, jeder hat ein eigenes Lebenskonzept: Für Joshua ist es die Politik, für Magdalena die Berg-Kulturarbeit des Vaters, für Tom Bergsteigen, wie es die Mutter betrieb. Fotos: Ralf Dujmovits, Udo Bernhart, Ballard Tom Joshua Dujmovits Díaz | 25, Sohn von Ralf Dujmovits Joshua Dujmovits Díaz musste genau die- machtes Nest setzen“, begründet Joshua Gleichgesinnter ein linkes Zentrum ge- se Frage für sich beantworten. Sein Vater sein Nein. Zwar ist auch er von Zeit zu Zeit gründet, das von den jungen Leuten selbst Ralf Dujmovits stand nicht nur 18 Mal auf in den Bergen unterwegs. Er geht gerne verwaltet wird. Caracol, Schneckenhaus, dem Gipfel eines Achttausenders und ist wandern und ab und zu auch zum Klet- haben sie das Zentrum genannt, ange- damit der erfolgreichste deutsche Hö- tern. Auf den 5897 Meter hohen Cotopaxi henbergsteiger, er war auch ein erfolgrei- in Ecuador ist der 25-Jährige schon gestie- cher Unternehmer, hat mit seinen kom- gen und in den Alpen auf das Breithorn „Ich habe nicht die Leidenschaft merziell angebotenen Expeditionen dem (4164 Meter) und den Mont Blanc du Tacul Bergsteigen an Achttausendern neue Im- (4248 Meter). „Die Zeit zu mehr habe ich wie Ralf. Und wollte mich nicht pulse gegeben. Joshua entschied sich aber aber nicht“, sagt er. ins gemachte Nest setzen.“ gegen die Unternehmensnachfolge. „Der Joshua ist ähnlich umtriebig wie sein Kommerzialisierung des Höhenbergstei- Vater Ralf, nur auf einem ganz anderen gens stehe ich kritisch gegenüber. Hinzu Feld: Früh schon hat er die Politik für sich lehnt an die revolutionäre zapatistische kommt, dass ich nicht die Leidenschaft entdeckt. Als er noch am Fuß des Schwarz- Bewegung, die sich in Mexiko für die Rech- für Berge habe, wie Ralf sie hat. Und au- walds lebte, war er im Jugendgemeinderat te der indigenen Bevölkerung einsetzt und ßerdem wollte ich mich nicht in ein ge- von Bühl und hat dort mit einer Gruppe sich gegen neoliberale Politik und für auto- DAV 2/2016 105 „Stolz bin ich nur auf das, was mir gelingt. Ich mache meine eigenen Sachen.“ Joshua Dujmovits Díaz macht schon auch mal eine Bergtour Kaiser aus einer antifaschistischen Wider- mit seinem Vater Ralf oder selbstständig. Seine Leidenschaft aber standsgruppe, organisiert er mit Gleichge- gilt der Politik für eine gerechte Weltordnung. sinnten zum Beispiel Lesungen, Vorträge oder Konzerte. „Ich wurde oft mit meinem Vater und dem Bergsteigen in Verbindung gebracht. Archiv Dujmovits,Fotos: privat Aber das hat mich extrem genervt.“ Des- halb wollte Joshua zunächst auch nicht über seinen Vater und alles, was daraus auch für sein Leben erwächst, sprechen. Es hat einiges an Überredungskunst ge- braucht, bis er zu diesem Gespräch bereit war. „Ich freue mich über das, was Ralf er- reicht hat und immer noch erreicht, auch wenn die Gefühle sehr gemischt sind, wenn er unterwegs ist, weil ich weiß, was passieren kann. Aber stolz bin ich nicht auf die Leistungen meines Vaters. Stolz bin ich nur auf das, was mir gelingt. Ich nome Selbstverwaltung stark macht. Sein Arbeit, das er in Ludwigsburg absolviert, mache meine eigenen Sachen und freue Engagement setzt Joshua heute in Heil- ist er dorthin gezogen. Im Sozialen Zent- mich, wenn davon etwas im Gedächtnis bronn fort. Für das Studium der Sozialen rum Käthe, benannt nach Sophie „Käthe“ bleibt“, sagt Joshua. Magdalena Messner | 28, Tochter von Reinhold Messner Eine junge Frau in Südtirol hat zunächst kes von Reinhold Messner weitertragen dass meine Studienfächer eine perfekte auch nicht gedacht, in irgendeiner Weise und irgendwann das Gesamtkunstwerk Kombination für die Museen sind. Ich ihrem Vater zu folgen. Zumal der stets ein Messner Mountain Museum (MMM) als habe auch nie gehört, dass meine Eltern Stück voraus war. „Bei Wanderungen mit Direktorin übernehmen. das gerne hätten“, sagt Magdalena Mess- der Familie hat der Papa die Geschwindig- ner. Sie erzählt sehr offen. Ihre Gedanken keit immer ans schwächste Glied ange- packt sie in abgewogene Worte und kom- passt. Er ging konstant, aber immer in Ruf- „Erst nach dem Studium plexe aber druckreife Sätze. Da redet eine weite vor uns. Wir haben ihn daher nie er- Frau, die mit ihren 28 Jahren weiß, was sie reicht“, erzählt die 28-Jährige. Der Vater, habe ich gemerkt, dass es kann und will. Und was sie zum Leben von dem die Rede ist, ist das Idol mehrerer ideal für die Museen war.“ braucht. „Berge sind wichtig. Den Über- Bergsteigergenerationen, der Über-Berg- blick über alles zu haben, diese stille Er- steiger Reinhold Messner, und die junge habenheit, das habe ich schon als Kind Frau ist seine Tochter Magdalena, aus ge bil- Mit ihrem Studium hat sie dafür gute stark empfunden.“ dete Werbegrafikerin mit Studienabschlüs- Grundlagen gelegt. Angestrebt hat sie die Man ertappt sich bei dem Gedanken, sen in Wirtschaft und Kunstgeschichte. Nachfolge bei der Studienwahl aber noch dass das bei diesem Vater auch nicht an- Sie wird einen Teil des umfassenden Wer- nicht. „Erst nachher habe ich gemerkt, ders zu erwarten gewesen wäre. Doch das 106 DAV 2/2016 Bergsteigerkinder PORTRÄT Wie seine Mutter Alison Hargreaves spielt Tom Ballard in der ersten Alpi- nistenliga. Schwierigste Mixedrouten (bis D15) geben die nötige Maximal- kraft für große alpine Wände. stimmt so nicht. Wie wichtig Berge für ihr Leben sind, sei ihr erst bewusst gewor- den, als sie Südtirol für das Studium ver- lassen und in Wien und Rom gelebt habe. „Erst dort habe ich gemerkt, dass mir die Berge wirklich fehlen, was ich vorher nie „Als ich in Wien und Rom gelebt habe, habe ich erst bemerkt, dass mir die Berge, das Wandern wirklich fehlen.“ hinterfragt habe. Und ich habe auch fest- gestellt, dass mir das Wandern fehlt.“ Sie brauche die Berge, die der Vater ihr litera- risch, philosophisch und kulturell nahe- gebracht habe, sagt Magdalena Messner. Auf die höchsten rauf will sie aber nicht. Da hebt sie sich von der Familie ab. Nicht einmal auf den 3905 Meter hohen Ortler, den höchsten Berg Südtirols. Dort mit ihr hinaufsteigen will seit vielen Jahren ihr Bruder Simon, ein erstklassiger Kletterer, der weitgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit am Fels unterwegs ist, um Vergleichen mit dem Vater aus dem Weg zu gehen. „Es wäre sicher schön, auf dem Gipfel des Ortler zu stehen, aber es ist zu anstrengend, wieder runterzugehen“, er- DAV 2/2016 107 Bergsteigerkinder PORTRÄT klärt Magdalena Messner ihr Nein und dass es das Normalste der Welt sein sollte, Statt selbst bergzusteigen, kümmert sie schiebt ein unbeschwertes, sympathisches wenn Kinder die Leidenschaften der El- sich lieber um das Bergsteigen und die Ber- Lachen hinterher, das deutlich macht, tern nicht teilen. ge aus der kulturhistorischen Warte. „Man kann mir ankreiden, dass mir die prakti- sche Einsicht fehlt“, gibt sie ganz offen zu. „Papa ging immer in Rufweite vor uns. Und sie weiß, dass an die Tochter von Wir haben ihn daher nie erreicht.“ Reinhold Messner besondere Maßstäbe angelegt werden. Einschüchtern lässt sie Magdalena Messner hat schon angefangen, das Werk ihres Vaters sich davon aber nicht. Sie hat das Selbstbe- weiterzuführen: aber nicht aktiv in den Bergen, sondern literarisch, wusstsein, dass sie diese Aufgabe schaffen philosophisch, kulturell durch die Leitung seiner Museen. kann. Auch wenn der Vater das Ruder bei dem Familienunternehmen MMM noch nicht ganz aus der Hand gegeben hat, die Handschrift der Tochter ist zwei Jahre, nachdem sie eingestiegen ist, schon deut- lich zu erkennen: Sie macht die Grafik. Sie überlegt sich neue Veranstaltungsformate wie die Gespräche am Feuer, für die seit vergangenem Sommer das Museum in Fir- mian am Abend geöffnet wird. Und sie hat das jüngste MMM, das Corones auf dem Gipfelplateau des 2275 Meter hohen Kron- platz, gemeinsam mit ihrem Vater gestal- tet. „Das war eine gute Gelegenheit, vom Papa ganz viel zu lernen“, sagt sie. Und man Foto: Archiv Messner Archiv Foto: spürt daraus viel Dankbarkeit. Tom Ballard | 27, Sohn von Alison Hargreaves Um von seiner Mutter zu lernen, hatte Saison die sechs „Großen Nordwände“ zweithöchsten Berges, beim Abstieg aber Tom Ballard nur wenig Zeit. Dennoch der Alpen (Eiger, Grandes Jorasses, Mat- kam es zu der Tragödie.