ChristophBirkmannsKantatenzyklus„GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ von1728und dieLeipziger Kirchen- musikunter J. S. Bach in denJahren1724–1727

VonChristine Blanken(Leipzig)

Im Zuge derVorbereitungeiner Ausstellungüberdie Tastenmusiksammlung desNürnbergerOrganisten Leonhard Scholz(1720–1798),diesesfür die süddeutsche Bach-Überlieferung wichtigen Sammlers,1 eröffneten sich bald neue Perspektiven aufein altesProblem:der Fragenachden Beziehungen zwischenBachund Nürnberger Musikern undVerlegern.Scholzwar zunächst alsOrganisten-Substitut an St. Egidientätig,einer Nürnberger Kirche, an der auchein Pastor namens ChristophBirkmann wirkte.Von diesem Theologen, dervon 1724 bis1727inLeipzig studiert hatte,ist seit langem folgendeauto- biographische Notiz bekannt:

Dabey ließ ichdochdie Musiknicht ganz liegen,sondernhieltemich fleißigzudem grossenMeister,Herrn Director Bach undseinemChor, besuchte auchimWinterdie Collegia musica,und erlangte hiedurch Gelegenheit, etlichen Studiosismit Hülfeder welschen Spracheweiterzuhelfen.2

Dieser Satz auseiner gedruckten Leichenpredigt3 hat so gutwie keineBe- achtunggefunden. Im Kontextdes autobiographisch dokumentierten Lebens

1 Seit 1968 derBach-Forschungbekannt; erstmaligbeschrieben in NBAIV/5–6 Krit. Bericht(D. Kilian,1978),S.159 f.,und NBAV/7 Krit.Bericht (A.Dürr, 1979), S. 46. ZumSammler sieheC.Blanken, Bach„Nürnberger Art“.Die Sammlung Scholz (Ausstellungskatalog),Leipzig 2013;dies., Orgelwerke der„Sammlung Scholz“in ihrerBeziehung zu NürnbergerInstrumenten,in: VomKlang derZeit. Besetzung undAufführungspraxisbei Johann SebastianBach. FestschriftKlaus Hofmannzum 65.Geburtstag, hrsg.von U. Bartelsund U. Wolf,Wiesbaden2004, S. 44–68. 2 DokIII,Nr. 761. 3 Wohlverdientes Ehren=Denkmalbey dem unvermutheten Hingangzweyernun- mehr vollendetenGerechten, nemlich desHERRN ChristophBirkmanns,treu- verdienten Seniorisander St.Egydien=KirchezuNürnberg, wieauchverschie- denergelehrten Gesellschaften würdigesEhrenmitgliedes,und seiner geliebtesten Ehegattin, FRAUEN SybillaMagdalena,geb.Oehmin, welche im Martio 1771.ein- anderinwenig Tagenzur seligenRuhe gefolgetsind, herausgegeben vonM.Ste- phanus Schultz, Predigerbey St.Ulrich,und Directordes JüdischenInstituti. Halle, gedruckt beyFriedrich WilhelmHundt,o.J.[Vorwort31. Januar 1772]; die Schrift enthältdie bearbeiteteAutobiographieBirkmanns („Lebenslauf“, S. 17–42), zitiertals Ehren-Denkmal.Weitere 1771–1773veröffentlichteArtikel über Birk- mann fußenauf dem Ehren-Denkmal: Nova Acta Historico-Ecclesiastica,Bd. 10, 80.Teil, Weimar 1771,S.1116–1126 (bzw.der davonabhängige ArtikelinNahrung 14 Christine Blanken undpublizistischen Schaffenswirdaberschnell klar,daß mitBirkmann nichtnur einmusikbegeisterter TheologiestudentnachLeipzig kam. Dasein- zige Exemplar eines vonihm veröffentlichten Textdrucks eines Kantatenjahr- gangsläßtvielmehrden Schluß zu,daß mitBirkmann einneuer Textdichter Bachsgefundenist,dessenLibrettiindirektemKontakt mitBachentstanden sein müssen.Inüberzeugender Weiserundenweitere zeitgenössische Doku- mentedas Bild desjungenMusikersund Textdichtersanschaulich ab,dessen Berührungspunktemit demThomaskantorat unddem allgemeinenMusik- leben in BachsfrüherLeipziger Zeit nunvorgestellt werden sollen.

I. ZurBiographieChristoph Birkmanns

ChristophBirkmann wurde am 10.Januar1703inNürnberginbescheidenen Verhältnissengeboren undbesuchtehierdie Lorenzer Armenschule sowie dieLateinschuleamHeilig-Geist-Hospital,die sogenannte Spitaler Schule. Auslöserfür eine starkmusischgeprägteErziehung soll sein „natürliches Ge- schick zurSingekunstund denschönenWissenschaften“gewesen sein.Mit Hilfeverschiedener namhafterNürnbergerMusiker sowiemehrererSprach- lehrer bzw. Sprachlehren bauteerdiesesGeschick sukzessive ausund gab auchselbst,umsichein Zubrot zu verdienen, jüngeren Schülern Sprach-und Musikunterricht. Schon in dieser Zeit schrieb er Parodietexte aufKantaten Nürnberger Kantoren undkomponierte auch.4 Dieautobiographische Be- schreibung seiner Nürnberger Schulzeitsei deshalbvollständigzitiert:

Ichbesuchtenicht nurgar bald dieöffentlicheSchule, sondernauchprivatLehrer, dieder sel[ige] AmbrosiusWirth damals noch in dieHäuserder armen Bürger desHerzens fürrechtschaffene Leser in allenStänden,2.Teil, 3. Quartal, 26.Stück, Hamburg 1773,S.3–11).Nur zwei frühereArtikel,die vermutlich auch aufInfor- mationen vonBirkmannselbstzurückgehen,sindeigenständig: G. A. Will, Nürn- bergisches Gelehrten=Lexicon oder Beschreibung allerNürnbergischenGelehrten beyderleiGeschlechtes nachIhrem Leben, Verdiensten und Schrifften […],1.Teil, Nürnberg undAltdorf1755,S.150–152;zitiert als Nürnbergisches Gelehrten-Lexi- con;A.Würfel, Diptycha Ecclesiæ Egydianæ dasist:Verzeichnüß und Lebens- beschreibungen derHerrenPrediger, HerrenSeniorum und Herren Diaconorum, welche seit dergesegneten Reformation bißhieher an derKirchezuSt.Egydien in Nürnberg gedienet,nebst einerBeschreibungder altenund neuenKirche […], Nürnberg 1757,S.116 f.;vermutlich vonG.A.Will verfaßt, zitiertals Diptycha Ec- clesiæ Egydianæ. 4 Dies erwähntBirkmann selbst in einerundatierten abschriftlichenFassung seiner Autobiographie (aus Georg AntonWillsBesitz, D-Nst, Will III.88.2°,fol.11v). Die Autobiographie lagdem DruckimEhren-Denkmal zugrunde,wurde dafür aber an etlichen Stellengekürzt.Zuden Parodiekantatensiehe weiter unten. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 15 sandte.5 Alsich dieerstenBuchstabenchristlicher Lehrehinlänglich gefasset,und im Lesenfortkommenkonnte, wurde ich, durchVorspracheguter Leute, in dieLoren- zerArmen=Schuleaufgenommen, wo ich dertreuenAnweisungHerrn Hechts und manchemilde Gabe genoß, bisGOttdem damaligenHerrn Ephoro,Herrn Christoph Fürer6 insHerzgab,aus besagter Schule einige Knaben,die einnatürliches Geschick zurSingekunstund denschönen Wissenschaften hätten, durchden Cantor Deinl7 im neuen Spital aussuchen zu lassen.NachausgestandenerProbe kamich,nebst noch drey Knaben,indie Spitaler=Schuleindie unterste Classe zu Herrn Müller,nacheinem Jahr in dievierte, nach zwey Jahren in Tertiam,und nach abermaligenzweyJahren in Secundam,und so mitindie Zucht desgottseligen Herrn W. C. Deßlers8,dessen schöner Lehrvortrag unddemüthigerWandelmir unvergeßlich ist. Endlichkam ich Primam zu HerrnRector Hagedorn,und nach dessen Uebergangindie Lorenzer= Schule wurdeHerr M[agister] Colmar9 mein Wegweiser in schönen Wissenschaf- ten, bisich A. 1722. nach eineröffentlichen gehaltenen lateinischenRede: de PetroM. RussorumImperatoresolicitodesuccessore regni,imFrühlings=Examine ad lec- tionespublicas befördertworden. In diesen Lesestundenhörte ich Wülferum, Moer- lium, Eschenbachium, Doppelmaierum ohne Aussetzen. PrivatUnterweisungmochte[ich]Armuthhalbernicht geniessen,hatte auchnicht wohl Zeit dazu,weilmir mitInformirenden Unterhalt verdienenmusste.

5 Im Erziehungssystem desTheologenund Pädagogen AmbrosiusWirth (1656–1723) wurdenältereSchüler zunächstals Hilfslehrerindie Häuserder Armen geschickt, später konntendiese dann dievon WirthgegründeteArmenschule besuchen.Wie andernorts wirkte derHallenser Pietismusauchhierbesondersdurch seinen kari- tativenund pädagogischen Anspruch.InNürnbergdominierteder Pietismusaber keinesfallsdas kirchliche Leben, sieheH.Weigelt, Geschichte desPietismusin Bayern.Anfänge–Entwicklung –Bedeutung,Göttingen2001(Arbeiten zurGe- schichte desPietismus. 40.),insbesondereS.91–98. 6 Christoph Fürervon Haimendorfauf Wolkersdorf(1663–1732),Kaiserlicher Rat undRatsherrinNürnberg; auchDichter undÜbersetzer, Mitglied desPegnesischen Blumenordens. 7 NicolausDeinl (1665–1725)war nach mehreren Ämtern in seiner Vaterstadt Nürn- berg seit 1694 Organist am Heilig-Geist-Spital,1699Collega an derSpitaler Schule undseit1701dortKantor. Diemeisten biographischenAngaben zu Nürnberger Musikern folgen: Nürnberger Künstlerlexikon:BildendeKünstler,Kunsthand- werker,Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzenevom 12.bis zurMitte des 20.Jahrhunderts,4Bde., hrsg.von M. H. Grieb,unter Mitarbeitzahlreicher Fach- gelehrter, München2007. 8 Wolfgang ChristophDeßler(1660–1722),1705Konrektor derSpitaler Schule,als Dichtervon Liedernbekannt; für denTextvon BWV517 kennenswert: GOtt=gehei- ligter Christen | nutzlich=ergetzende | Seelen-Lust |[…] | mitlieblich in Notenge- setzten neuenArien […], Nürnberg 1692,siehe F. Krautwurst, Miszellen zurbayeri- schenMusikgeschichte I,in: Neues Musikwissenschaftliches Jahrbuch 9(2000), S. 203–210, insbesondereS.208–210. 9 Johann Colmar (1684–1737), Rektor derSpitaler Schule. 16 Christine Blanken

Meinmusicalisch Talent wollte auchgernanwenden,und fortsetzen,was ich beyHerrn Deinl gelernthatte. Drezel10, Fischer11 undanderewackere Meister,die mirden Zutrittverstatteten, zeig- tenmir,was mirnochfehlte, undmachten mirgutemusicalischeBücherbekant, die ich aber ohneKenntniß deritaliänischenfranzösischen Sprachenicht wohl nutzen konnte. Tonelli12, Plaz13 und Kleemann14 gabenmir in genanntenSprachendie nöthige Unterweisung,woraufmich an dieComposition wagte, undmeine Aufsätze Herrn Drezel zurPrüfung unterweilenmitbrachte. BeyHerrn Fischer lernte ichnochmehr welscheMeister kennen undnachahmen,dadurch wurde garzeitiginden Standge- setzt,andereinder Musikgründlich zu unterweisen unddarausNutzenzuziehen.15

EinklaresZielstand ihm dabeizuBeginnseinerAusbildung–ab1723in Altdorfund ab Ende1724inLeipzig –nochnicht vorAugen:

Nunstundean, welcheLebensart ich einschlagensollte. Ichhatte Lust,die schönen Wissenschaften zu studieren, aber keineMittel. Ichhofte aufder hohen Schule ein Subsidiumzuerlangen, undbezog dasliebe Altdorf A. 1723.nachdem Pfingstfeyer- tagen, um das Iubilaeum Academicum mitbegehen zu können.Ich besuchte die Collegia publica und priuata.

10 CorneliusHeinrich Dretzel(1697–1775),1712Organistauf demMusikchor der FrauenkircheinNürnberg, 1719 Nachfolger WilhelmHieronymusPachelbelsan St.Egidien.NachChristianFriedrich Daniel Schubart soll er einSchüler Bachsge- wesensein, wofür es bislangallerdingsanBelegen mangelt;siehe DokIII,Nr. 903a. 11 ZumStadt-und RatsmusikusGabriel Fischer (1684–1749)siehe weiter unten. 12 FranciscoLudovicoTonelli († 1738), seit 1720 PrivatlehrerinNürnberg, später auch in Jena.Von ihm stammt dieGrammatik undSprachlehre DerWohlinformierte Italiänische Scholär, Welcher,Als einTeutscher,die WelscheSprachinkurtzer Zeit zu erlernen sich angelegenseynlässet,Nürnberg1723. 13 Georg PhilippPlatz verfaßte zwei Sprachlehren (Sehr leichteneuerfundeneArt, dieKinderdas FrantzösischeA,B,C.buchstabiren und dieOrtographie besagter Spracheinkurtzer Zeit zu lehren,Nürnberg[1720]und Exercicetrèsutile de la langue française,Nürnberg1721) sowieRatgeber- undErbauungsliteratur. 14 DerNameKleemann istinNürnbergund Altdorfgeradeunter bildenden Künstlern undMusikernweitverbreitet.Wer hier gemeintseinkönnte, konnte nichtermittelt werden. 15 Ehren-Denkmal (wie Fußnote3), S. 19–21. DieHervorhebungen sind original.Die biographischenAngabenzuden hier erwähntenPersonenbeschränken sich weit- gehend aufden Zeitabschnitt,inwelchem Birkmann mitihnen Kontakthatte. Füreineenglische Teil-Übersetzungdes Ehren-Denkmals sowieerste Ausfüh- rungen zum Fund der Sabbaths-Zehnden im Kontextder Biographie,siehe C. Blan- ken, ACantata-TextCycle of 1728 from Nuremberg: aPreliminary Report on aDiscovery relating to J. S. Bach’sso-called ‚Third Annual CantataCycle‘,in: Understanding Bach,Jg. 10 (2015),S.9–30(http://bachnetwork.co.uk/ub10/ub10- blanken.pdf). C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 17

Eine besondereNeigung zurMathematiktrieb mich zu M. Kelsch,16 derauchein Musicuswar.Wir übtenuns in derComposition,stellten Collegia musica an,und durchsolchen Trieb kaminkurzensoweit, daßbey jährlicher Veränderungdes Rec- torisMagnifici zwovollständige Musikencomponirte undmit Beyfallaufführte. Ichwar immer noch nichtgewiß,obdarausmeinHauptstudiummachen, oder mich stärkerandie Bücher halten sollte.Bisher hatteden Stylum beyHerrn Professor Schwarzen,17 dieHistoriebey HerrnProfessor Köler18 getrieben,wie auchbey denen Theologis diegriechische Sprache undKirchengeschichte,und beyHrn. D. Baier19 ein Botanicum gehöret.Die Kosten wurdenmir aber alleinzuschwer, weil noch keinen Heller Stipendium erhalten, daßgegen dasEndedes 1724sten Jahres mitGenehmigung meiner Lehrer beschloß, Altdorf mit Leipzig zu verwechseln.20 Ichgieng im NamenGOttesüber Coburg, Arnstadt, Erfurt und Jena meistzuFuß dahin, undkam wohl behalten Freytags vorAdventmit geringerBaarschaftan,21 wurde aber bald mitdenen Mascoviis22 undeinigeZeithernach mit M. Gaudlitz23 bekannt, durchderen Recommendation in vornehme Häuser kam. Alsich dieheiligen Christferien seligzugebracht hatte, besuchte ichmit grossemEifer dieLehrstunden

16 MichaelKelsch(1693–1742),seit1720Dozent(1731 Professor), unteranderem für Mathematikander UniversitätAltdorf. 17 ChristianGottlieb Schwarz(1675–1751),1709Professorfür Beredsamkeitund Poesie (später vereinigtmit derProfessur für Geschichte)ander UniversitätAlt- dorf; Mitglied derBerliner Akademie. 18 Johann DavidKö(h)ler(1684–1755),1711Professorfür Logikund 1714 für Ge- schichte an derAltdorferUniversität;1726Mitgliedder Leopoldina in Halle. 19 Johann JacobBaier (1677–1735), 1704 Professorfür Medizinander UniversitätAlt- dorf; 1708 Mitglied derLeopoldina. 20 Ehren-Denkmal (wie Fußnote3), S. 20f. 21 DieInskription erfolgte am 23.Dezember 1724 (Erler III,S.197,als „Kirckmann“), wobeierals relativmittelloser Studentvon denGebührenbefreit war. 22 GottfriedMascov(ius) (1698–1760),Rechtswissenschaftler, derab1716Juraund PhilosophieinLeipzig, ab 1723 in Altdorfstudierthatte.Ihn kannte Birkmann wahrscheinlich aus Altdorf, ehe dieser von1724bis 1729 alsPrivatdozentandie UniversitätLeipzig zurückkehrte;der ältere Bruder,Johann JakobMascov(1689 bis1761),war 1717 KollegiatamkleinenFürstenkollegium, 1719 außerordentlicher Professor derRechte, zugleich Ratsherr sowieab1723Beisitzer beim geistlichen Konsistorium.Die meistenbiographischenAngaben –hierund im folgenden –wur- denzitiert nach M. Petzoldt, Johann SebastianBachintheologischer Interaktion. Persönlichkeiten in seinem beruflichen Umfeld,in: Über Leben, Kunstund Kunst- werke. Aspektemusikalischer Biographie.Johann SebastianBachimZentrum. Festschrift Hans-Joachim Schulzezum 65.Geburtstag, hrsg.von C. Wolff, Leipzig 1999,S.133–159.ZuweiterenFragennachden theologischen LehrernBirkmanns konnte ichMartinPetzoldt(†) noch persönlich zu Rate ziehen. 23 Magister Gottlieb Gaudlitz (1694–1745), 1721 Katechet an derPeterskirche, dann Subdiaconusder Nicolaikirche (ab1731Ämter an derThomaskirche). Zu Bachs Auseinandersetzungenmit Gaudlitz ab 1728 sieheDok I, Nr.19und DokII, Nr.246. 18 Christine Blanken

D. Kortens24, D. Joh. Schmidt25 undanderer,uminden schönen Wissenschaften auf denrechten Grundzukommen, deswegen auch noch dieenglische Sprache lernte. Herr Professor Hausen26 hätte gernegesehen,wennmeine Zeit aufdie Mathematik gewendet,und seinen Beobachtungenordentlichbeygewohnet hätte:als ich ihm aber meineschlechtenUmständeentdeckte,drang er nichtweiterinmich,überredete mich aber gleichwol, daßeine Dissertation de motu soliscirca propriamaxem,unter ihm vertheidigte. Weil bey M. Birnbaum27 einige Zeit im Hausewar,bedientemich derschönen Ge- legenheit, diesich wöchentlich in Red=Uebungenund Vertheidigungvermischter Sätzedarbot, da es mich denn öfters traf,daß ex tempore perorirenmuste.Von dem an,trieb dieTheologie mitErnst,hörte Pfeiffern28, Carpzoven29, Bernd30, Sibern31 undandereberühmteLehrerauf beeden Cathedern,32 versuchteauchein paarmal zu predigen, stellteaberdie fernereUebungbis aufbequemereZeitaus,und ließ mirin

24 Gottlieb Kort(t)e (1698–1731),1726Professorfür Rechtsaltertümer.Bachs Dramma permusica„Vereinigte Zwietracht derwechselnden Saiten“BWV 207wurde zu Kortes Promotion am 11.Dezember1725aufgeführt. 25 Johann Schmid (1649–1731), 1700 außerordentlicher Professorfür Theologieander UniversitätLeipzig;1723Seniorder polnischen Nation undder gesamten Uni- versität sowieinweiterenÄmtern. J. S. Bach mußtesich im Zuge seiner Ernennung zumThomaskantor vorSchmidund Superintendent Deylingeiner theologischen Prüfungunterziehen. 26 ChristianAugustHausender Jüngere (1693–1743), seit 1726 ordentlicher Professor derMathematik in Leipzig,imselbenJahrauchMitgliedder Königlich Preußischen Akademie derWissenschaften in Berlin. 27 Zu Johann AbrahamBirnbaum(1702–1748) sieheunten. 28 Johann GottlobPfeiffer(1667–1740),1707außerordentlicher Professor dermorgen- ländischen Sprachenund desTalmuds,1723ordentlicher Professorder Theologie undimselbenJahr Lizentiat; 1724 Doktor derTheologie. Pfeiffer soll daneben auchkomponiert haben. 29 Johann GottlobCarpzov (1697–1767), 1714 Lizentiatund Archidiaconusder Thomaskirche,1719ordentlicher Professorder hebräischenSprache,1724Doktor- promotion. 30 Adam Bernd(1676–1748),1711Oberkatechetander Peterskirche;1728suspendiert wegeneiner kontroversen theologischen Publikation. Er verfaßte eine vielbeachtete, 1738 gedruckteAutobiographie. 31 UrbanGottfried Sieber (1669–1741), 1711 Diakon und1714Vesperpredigeran St.Thomas,1714Lizentiat derTheologie;1715ersterLehrstuhlinhaberder Pro- fessur fürKirchengeschichte („Kirchen-Altertümer“). 32 In den Diptycha Ecclesiæ Egydianæ heißtesdazunochetwas genauer: „Hierbe- suchte er dieVorlesungenRüdigers, Carpzovens,Mascovs,und anderer“ (S.116). Johann AndreasRüdiger (Ridiger; 1673–1731),Philosophund Mediziner,wirdsonst nurnochinder handschriftlichen Fassungder Autobiographie (D-Nst, Will III.88.2°, fol. 4v–5r) erwähnt. Durchdiese Auslassung seitensdes Herausgebers des Ehren- Denkmals (wie Fußnote3)sollten wohl vorallem dieTheologenhervorgehoben werden. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 19

Exegesisacra et dispositione textuum sacrorum Hoffmans und Tellers33 Anleitung gefallen,weilbeyde nach Wunsch geniessenkonnte. Dabey ließ ichdochdie Musiknicht ganzliegen, sondernhieltemich [S. 23:] fleißig zu demgrossen Meister,Herrn Director Bach undseinemChor, besuchte auch im Winter die Collegia musica,34 underlangtehiedurchGelegenheit,etlichen Studiosis mitHülfe derwelschenSprache weiter zu helfen.A.1727. wurde zu einerZeitnach Wien und Dreßden für junge Herrschaften alsHofmeisterverlangt, unterVersiche- rung,daß ich am letztenOrtenacheinigerZeitmit einemAmteversorgtwerden sollte.Esrieth mir aber eintreuerLandsmann,ins Vaterlandzurückzukehren, wenn in Leipzignicht längersubsistiren könnte:welchem Rath zu folgen Trieb undLust bekam, zumalauchmeinerMutterWilledahin gieng. Eheaberdie Heimreise an- stellte, thatenachden Pfingstferien eine kleine Reiseüber Wittenberg nach Berlin und Dreßden in Gesellschaft desHerrn von Winkler35 undHerrn Jubelier Tieferer. Wittenbergs berühmte Lehrer hatte schonA.1725. in Gesellschaft Herrn Engel- harts36 kennen gelernt, daher ich jetztnachBerlin eilte, unddurch Empfehlungsschrei- benindie Bekanntschaft dergrossen Männer de la Croze,37 de Vignoles,38 Kirch,39

33 RomanusTellerd.J.(1703–1750),1721Magisterder Philosophie, 1723 Baccalau- reus derTheologie undKatechetanSt. Petri, 1726 SonnabendpredigeranSt. Tho- mas; später zahlreiche weitereÄmter. 34 EinesdieserCollegiamusicastand von1723bis 1729 unterder offiziellen Leitung vonGeorg BalthasarSchott(1686–1736),ehe es Bach biszunächst1737übernahm. 35 Vermutlich istJacobWilhelm Winklervon Mohrenfels gemeint(*1707).Dieser studierteseitMai 1726 in Leipzig(ErlerIII,S.461); vorher hatte er wieBirkmann in Altdorfstudiert, sieheE.v.Steinmeier, DieMatrikelder UniversitätAltdorf (1576–1809),Bd. 1, Würzburg 1912,Nr. 16028); später wurdeerinNürnbergOber- Zoll-und Waag-Amtmann.Der hier genannte Juwelier namens Tieferer wurde nichtermittelt. 36 Johann Philipp Engelhardt (1701–1753)aus Windsbachimmatrikulierte sich am 21.April 1725 in Leipzig,von derUniversität in Altdorfkommend (Erler III,S.78). Im November 1726 wurdeerbereits Adjunktseines Vaters in Windsbach, 1733 Kaplan in Brodswindenund 1740 in Langenzenn, siehe M. Simon, Ansbachisches Pfarrerbuch. Dieevangelisch-lutherische Geistlichkeit desFürstentums Branden- burg-Ansbach 1528–1806,Nürnberg1957, S. 103(Nr.620). 37 Mat(h)urin VeyssièredeLaCroze (1661–1739), Bibliothekar despreußischen Königs undOrientalist.1725zugleich Professorfür Philosophieamfranzösischen CollegiuminBerlin.Inzeitgenössischen Urteilen wird er wiederholtals Polyhistor, Sprachgenieund einerder gelehrtesten Männer Berlinsgepriesen. 38 Alphonse desVignoles(1649–1744),1700Mitgliedder Societät derWissenschaf- tenzuBerlin,1727Adjunkt deserblindetenSekretärs derMathematischen Klasse der Akademie, 1729–1730Vizepräsident derAkademie;seit1703inDienstendes preußischen Königs am königlichen Observatorium;außerdem 1712–1721Prediger derfranzösisch-reformierten Gemeinde in Berlin. 39 ChristfriedKirch (1694–1740), 1716 Astronom derAkademie derWissenschaften, 1716 ordentliches Mitglied derAkademie,1726zugleich derenBibliothekar. 20 Christine Blanken

Michaelis40 undanderer Gelehrtenkam.InDreßdenhörte denberühmten Löscher41, denbeliebten Hilscher42,und diegrossen Virtuosender königlichen Capelle,43 und besaheausser denBüchersälennochviele andere Seltenheiten jetzt ermeldtenResi- denzien. ZurandernZeithabeauch Halle gesehen, unddortige berühmte Lehrer zum Theilbesucht undgehöret,auchbey demgrossen Gundling44 mich in gutenCredit gesetzt.Mit Anfang desSeptembers 1727.habedas liebe Leipzig gesegnet,und meine Rückreiseüber Altenburg und Gera angestellt.Ich wollte auch Plauen nichtvorbey gehen, weil alldaguteFreunde wuste.45 Nach zweenTagen erreicht ich Hof und Bayreuth, undendlich den19ten September meineGeburtsstadtinvollkommenenWohlstand. Um Michaelisbegab ich mich noch einmal nach Altdorf. 46

ZusammenfassendläßtsichFolgendes festhalten:Anden ersten 14 Monaten an derUniversität Altdorfinteressiertvor allem, daßBirkmann gemeinsam mitdem Mathematiker undOrganisten MichaelKelschein Collegiummusi-

40 Johann Gottlieb Michaelis(1704–1740),ersterInspektor desKöniglichen Cabinets dermathematischenund physikalischen InstrumenteAugusts desStarken (heute: Mathematisch-physikalischer Salon). 41 Valentin ErnstLöscher (1673–1749), lutherisch-orthodoxerTheologe; 1709 Super- intendentinDresden.Erbegründetedas Consortium Theologicum Dresdense, eine Vereinigungzur Förderungdes theologischen Nachwuchses. 42 Paul ChristianHilscher(1611–1730),1704PastorinAlt-Dresden;ergalttheologisch wiekirchenpolitischals MitstreiterLöschers; er publiziertedaneben auchals Histo- riker. 43 Hiermitsindaus derRiege derHofmusikervermutlich Namenwie Jean-Baptiste Woulmyer (tätig 1709–1728),Johann GeorgPisendel (1712–1755 Konzertmeister), FrancescoMaria Veracini (1717–1722 Konzertmeister), Pierre-Gabriel Buffardin (1714–1749 Flötist),Jan Dismas Zelenka (1719–1745 Kontrabassistund Komponist), SilviusLeopold Weiss(1718–1750Lautenist)sowie dieHofkapellmeisterJohann ChristophSchmidt (inDresden1697–1728)und Johann DavidHeinichen (inDresden1717–1729), außerdem Giovanni AlbertoRistori alsVertreter Heini- chens(1725–1733) gemeint. DaßBacheswar,der Birkmann in DresdeneineTür öffnen konnte,ist zu vermuten. 44 Nikolaus HieronymusGundling(1671–1729),zunächstProfessor für Philosophie an derUniversität Halle, 1712 Professurfür Natur-und Völkerrecht, 1719 für Ius Publicum;weitere Ämterander UniversitätHalle.Gundlingstammtaus demfrän- kischenKirchensittenbach beiNürnberg. 45 Vielleicht warendamit GottfriedSauerund Georg GottfriedWagner(1698–1756) gemeint. Wagner warseitdem 9. Dezember 1726 Kantor an St.Johannis in Plauen (mit Empfehlungsschreiben vonJ.S.Bach, vgl. DokI,Nr. 16und 17), Sauer(durch einenStammbucheintragals Freund Birkmannsbelegt) dort seit 1727 Lehrer. Wagner warvon 1712 bis1719Alumnus derThomasschule gewesenund immatri- kulierte sich 1718 an derUniversität Leipzig. 46 Ehren-Denkmal (wie Fußnote3), S. 21–24. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 21 cumorganisierte undfür akademischeFestivitätenKantatenkomponierte. Offensichtlich hegteeraberdie Hoffnung,imweltläufigen Leipzigbesser seinen Lebensunterhaltverdienenzukönnenals in demkleinenStädtchen Altdorf. Jedenfalls blieb er hier vom1.Dezember1724bis Anfang Septem- ber1727. Seinebis dahinsehrvielfältiggepflegten Begabungen kommen kon- sequentweiterzum Tragen,allerdings ohne daßzunächstein roterFaden er- kennbarwäre. Er selbst schreibt,daß er sich alserstesden „Schönen Wissen- schaften“zuwandteund sich alsweitere Fremdsprache Englisch aneignete, zudemhörte er auch dieüblichen juristischen Vorlesungen. Sein Mentor Pro- fessor ChristianAugustHausend.J.hat ihn dann zu einerLaufbahnals Mathematiker gedrängt.ImSommer 1726 schrieb er auch eine entsprechende sphärengeometrische „Dissertation“, 47 bezeichnetesich hier aber selbst be- reits, anders alsinfrüherenStammbuchblättern, als„Sanctissimae Theologiae Cultor“.Die Konzentrationauf dieTheologie erfolgte mithin erst im Laufe derzweieinhalbJahre in Leipzig. Zu diesem Sinneswandel dürfte maßgeblich auch der LeipzigerRhetorikerJohann AbrahamBirnbaumbeigetragen haben, beidem Birkmann einige Zeit wohnte unddessenKollegerbesuchte. Dieallgemein gehalteneFormulierungüberseine Verbindungen zu Bach sug- geriert, daßer–ineinem weiteren,hierabernicht präzisebeschriebenen Sinn –die Figuralmusik in denHauptkircheninstrumental bzw. vokalunter- stützt hat,48 schließt indesauchMutmaßungenüberweitere Tätigkeitenfür Bach nicht aus. DaßBirkmannzumindest einOrchesterinstrumentbeherrscht haben muß, wird jedenfalls durchseinenHinweis aufdie –nochimselben Satz genannten–Veranstaltungender studentischenCollegiamusicadeutlich, beidenen er ebenfallsmitgewirkthat.Daß hier dasSchottscheCollegium musicumgemeint ist, dasindiesenJahrenzeitweilig–etwabei universitären Festakten–Bachzur Verfügungstand, kann nureineMutmaßung sein.49 Der KontaktzugleichgesinntenStudenten scheintBirkmann gleich in mehrfacher Hinsicht erwähnenswert, da er hier nichtzuletzt durchdas Erteilen italieni- schenSprachunterrichtseinewillkommeneGelegenheit fand,sich finanziell

47 Über diechronologische Folgevon mathematischer Disputation (De motu solis circapropriumaxem)mit ihremVorwort vom26. August 1726 undsechs aufein- anderfolgenden Libretti zum 18.–23.Sonntag nach Trinitatis desselbenJahres sowie Implikationenfür dieZuschreibungdes Librettosder Kreuzstabkantate BWV56 an Birkmann alsMathematiker und Theologen sieheBlanken (wie Fußnote15), S. 25–27. 48 Nichtsanderes bedeutetder vonihm gebrauchte Begriff„Chor“zudieser Zeit. 49 Daßbereits seit mindestens 1724 auchBachöftersüberstudentischeMusiker (wohl einesder bestehenden Collegia musica)verfügenkonnte, legt nichtzuletzt eine Bemerkungvon ErnstLudwigGerberüberdie Leipziger Studienzeitvon dessen VaterHeinrich NicolausGerber (1702–1775)nahe, dersich am 8. Mai1724in Leipzig immatrikuliert hatte;siehe DokIII,Nr. 950. 22 Christine Blanken einigermaßen über Wasser zu halten.Geradezukennzeichnend fürdie Be- schreibung seiner Schüler- undStudentenzeit istder wiederkehrendeHinweis auffinanziell prekäre Umstände –vor allemdie Mitteilung,daß er lange Zeit aufein Stipendiumwartenmußte,das dann widerErwartennur spärlich floß.50 DerTenorseinesautobiographischenRückblicksaus derWarte desgestande- nenPredigers lautet,daß er sich trotzwidrigsterUmständefür daskirchliche Amtentschieden habe unddiesdas Ergebnis einer‚Erweckung‘ durchpie- tistischgeprägteVorbilder gewesensei.51 Er betont ausdrücklich,daß er eine ihm angetrageneStelleeines HofmeistersinDresdenund Wien zugunstender zielstrebigenVorbereitungauf einkirchliches Amtausgeschlagen habe. Die lang zurückliegendeStudentenzeit wirktbisweilen etwasreligiösverbrämt,52 unddie einstmalsvorhandenen Motivationen scheinen nicht immer richtig wiedergegebenzusein. Manchein Passus wurde 1771 beider Drucklegung auchherausgekürzt.Immerhin,als Birkmann aufseine Reisen zu sprechen kommt, istesnamentlichDresden,woerdie Musikerhervorhebt, dieihm den Besuch derStadt lohnendmachten.

50 „Daaberdie versprochene Hülfeaus demVatterlande anfangsgar nichterfolgen wollte,hernach aber sehr sparsamkam,saheersich genöthigt,Leipzig 1727 zu verlassen“; Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon (wie Fußnote3), Bd.1,S.150. 51 „Inzwischenversuchte mein Erbarmer,durch eine neue Erweckungmich herumzu holen. Er verhalfmir garunvermuthetinden EgydierSchüler=Chor,daich den geistreichen Marpergerhören konnte.SeinVortrag rührte mich,ich schrieb seine Predigten auf, wieauchdes damaligenHerrn Diac.Herdegen, nachmaligenPre- digers in derKirchezum heil.Geist“(Ehren-Denkmal,wie Fußnote3,S. 31 f.). ÄhnlichePassagenzutypisch pietistischanmutenden Bekehrungs-oderEr- weckungserlebnissen ausdem Ehren-Denkmal sollen hier außenvor bleiben. Mit Bernhard ChristianMarperger (1682–1746)als August Hermann Franckesletztem Schülerhob Birkmann in derAutobiographieeinen weiteren pietistischgeprägten Theologen hervor,der zeitweilig während seiner Schulzeitals DiaconusanSt. Egi- dien gewirkthatte,ehe er,imAmt dessächsischen Oberhofpredigers in Dresden, als Gegenspieler desdortigenSuperintendentenValentinLöscher im gesamten pro- testantischenDeutschland bekanntwurde.Löscher vertratinden Auseinanderset- zungenden Standpunktder lutherischenOrthodoxie. AlsBirkmann1727Dresden bereiste,suchteerauchLöscher auf, nenntindiesemZusammenhangaberMar- perger nicht. 52 „Die LiebeGOttesliefmir auch aufdie höhernSchulen nach,vermochte aber nicht, mein Herz zu gewinnen,jadas Fleischbehielt über denGeist vielmehr die Oberhand. Ichmerktewohlöfters, wieweitich herunter gekommen,ich giengder Sündeaus demWege, aber ich liebte siedochheimlich,und brachtesie mitnach Hause, ja gar in dasAmt,bis dieSalzburgerEmigranteninNürnbergankamen,und einige derselbenmich sehr beschämten“; Ehren-Denkmal (wie Fußnote3), S. 32. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 23 Derdritteund letztehierlängerzitierteAbschnitt ausdem Ehren-Denkmal betrifft denAbschluß seiner Studentenzeitander AltdorferUniversität bishin zu seiner Ordination:

Dersel. D. Zeltner53 diente mirnicht allein mitseinenVorlesungen, sondernermun- tertemichauchunterweilen zu predigen, unddurchsahe meineArbeiten. A. 1728.um Reminiscerewurde mirdie Stelle eines Hofmeistersbey derhochadelich v. Pömeri- schen Jugend in Herrspruck angetragen,54 wobeyich nichtnur öfters aufdem Lande predigte, sondernauchindem Städtleinselbstdie Stelle eines Vicariivertreten,wenn dieordentlichenLehrerihr Amtnicht versehenkonnten. Am 26tenJulii besagten Jahres nahmmich Herr Prediger Hofmann mitetlichen Commilitonibus in numerumCandidatorumRev.Ministerii,nachausgestandenem Examine in seinem Hause,auf. A. 1731. wurde durcheinen Herrn Antistitem55 zu adelicherJugend nach Nürnberg recommendirt. Herr Pfleger Pömer ließ mich ungerneweg.Daich mich aber erbot, seineHerrenSöhne mitzunehmen, undsie noch ferner zu unterweisen, so erreichte meinen Zweck, undfandinmeinerVaterstadtsogutes Zutrauengegen mich,als sich [S.25:]damalsnicht leicht einerrühmenkonnte. Ichbekam nichtnur verschiedene Söhneaus demPatriciat in meineordentlicheLehr- stunden, sondernbrachte auchein Collegiumoratorio practicum von12Membris zusammen.Esblieb mirbey diesen Uebungendennoch so viel Zeit übrig, daßkeine aufgetragene Predigt abschlagen durfte. Ehenochdas Jahr um war, erhielteamTageSebaldi[=19. 8. 1732]von einemhoch- löblichenMagistrat eine rechtmäßigeVocationzum heiligenPredigtamtbey der Militz, undetlicheTagehernach auchzum Zucht=und Werk=wie auchInfections- haus.AmTageAugustini [= 28.8.1732] erhieltedie OrdinationinAltdorf, undden 13tenSonntag nach Trinitatis A. 1732.habeimNamen desHErrn,des grossenProphe- ten, mein Amtbey St. Salvator angetreten,und derganzenGemeine Beyfallerhalten.56

1728 trat er doch eine Hofmeisterstelle an:InHersbruck unweit vonNürnberg wurde er „Informator“ beider Familievon Johann FriedrichPömer von Diepoltsdorf(1674–1745),woervertretungsweiseauchpredigte. Gleich nach seiner Ordinationam8.August1731heiratete Birkmann am 11.November Sophia Magdalena Bickelmann –„siesteht in D. JöchersGelehrten=Lexicon alseineDichterin“57 –, dieaberknappsechs Monatespäterbereits starb. Birk-

53 Gustav GeorgZeltner (1672–1738),seit1706Professor für Theologieund Orien- talistik in Altdorfsowie Diaconusder dortigen Stadtkirche. 54 „Instructorder hochadelich=pömerischen Jugend in Herspruck“ heißtesinden Diptycha Ecclesiæ Egydianæ,S.116. 55 AlsAntisteswurde in Nürnberg derErste Pastor einerGemeindebezeichnet. 56 Ehren-Denkmal (wie Fußnote3), S. 24f. 57 Ebenda,S.27. „Bürckmannin(Sophia Magdalena),einePoetin, ChristophBürck- manns, Predigers beyder SoldatesqvezuNürnbergEheliebste; verfertigteaus eigenem Triebe, undfastohneAnweisungbereits im siebzehndenJahreihres Alters, 24 Christine Blanken mann verheiratete sich daraufhinam30. Juni 1733 mitder Pastorentochter SibyllaMagdalena Oehm.58 Diesebrachte zwischen 1734 und1743sieben Kinder zurWelt,59 vondenen lediglichdie ältesteTochter MargarethaBar- bara dasErwachsenenalter erreichte.60 Gemeinsammit seiner Tochter, derer eine umfangreiche Bildungangedeihenließ,61 unterstützte Birkmann später –wie vieleandereNürnbergerauch62 –das umfangreiche Unterfangendes AltdorferHistorikers GeorgAndreasWill (1727–1798), BiographienNürnber- gerPersönlichkeitenineinem Gelehrten-Lexicon zusammenzutragen.Beide Birkmannswurdendann aufgrund ihrervielfältigenPublikationstätigkeit Mitglieder der Herzoglich TeutschenGesellschaft zu Helmstedt, 1752 der Vaterund im Jahr darauf dieTochter.63

viel geistlicheund schrifftmäßigeLieder, brachteihremüßigen Stundenmit Lesung solcherBücher zu“; C. G. Jöcher, AllgemeinesGelehrten-Lexicon,Bd. 1, Leipzig 1750,Sp. 1463. 58 †5.März1771. 59 MeinDankgiltHerrn Daniel Schönwaldvom Landeskirchlichen Archiv in Nürn- berg,der dieTaufmatrikel in denKirchenbüchernvon St.Sebald (Allgemeines Militärkirchenbuch) undSt. Lorenz durchgesehen hat. 60 *12. April1734(Nürnberg), †16. November 1801 (Halle). 1765 Heiratmit dem TheologenStephan Schultz(1714–1776) in Halle. 61 „Seine geschickte Tochter[…] lies garfrühzeitigeinen fähigen Kopf merken. Der Herr Vatter erweckte dieseGabeund machtemit seiner Tochtereinen Versuchin derGeographieund Historie:daneben erlernte siedie Zeichnungs=Kunst, Calli- graphieund Musik,sodann dasLateinische,Französische undItaliänische, wozu nach einigenJahrendas Griechischekam.[…];sie hatauchausser verschiedenen Gedichten herausgegeben: le tableauduvraiChretien,ins deutsche übersetzt, 1754.8.“ (Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon,Bd. 1, S. 151f.). Birkmann selbst schreibt in derAutobiographie: „Daich an allendiesenKindern einfeinTalent wahrnahm,sowendeteallen Fleißauf derenchristlicheErziehung,solange sie derHErrunter meiner Aufsicht gelassen.Und da dieErstgebohrnealleüberlebet, so habe, nach abgelegten Grunddes Christenthumsinden Wirthischen Anstalten, mitHülfe tüchtigerLeute undunter göttlichen Gedeyen siegar zeitig in denStand gesetzt,mancherleySprachenzulesen.Zur Abwechselung trieb siedie Calligra- phie,das Zeichnen undMahlen, dieMusik undandereschöneWissenschaften“; Ehren-Denkmal (wie Fußnote3), S. 28. 62 R. Jürgensen, Bibliotheca Norica.Patrizier und Gelehrtenbibliotheken in Nürn- berg zwischen Mittelalterund Aufklärung,2Bde., Wiesbaden 2002 (Beiträgezum Buch-und Bibliothekswesen.43.),Teil2,S.1565–1568. 63 FürihreLeistungenals Dichterinund Übersetzerin wurde sie1758sogar zur„kai- serlich gekröntenPoetin“ ernannt(UrkundeinD-Nst, Will III.181). Vgl. J. Flood, Poets Laureate in theHoly Roman Empire:ABio-bibliographical Handbook, Berlin 2006,Bd. 1, S. 129. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 25 Am SonntagCantate 1741 wurde ChristophBirkmann alsDiaconusan St. Egidieneingeführt, und1744wurde er dortFeiertagsprediger. 1747 re- duzierte er ausGesundheitsgründenseine TätigkeitandieserKircheund übernahm diePredigt derSonntagsvesper. 1759 schließlichamtierteeran St. Egidienals Senior unterden dortigenTheologen. Zwischen 1745 und 1760 versah er zeitweilignochverschiedeneweitere Ämter: alsSeelsorger derGefängnisse undFrühpredigerbei St. Peter, seit 1759 alsSonnabend- VesperpredigeranSt. Veit.64 Fürdas 1759 gestochene Porträt(sieheAbb.4) präsentiertsichBirkmann im Ornat eineslutherischenPastors mitseinem Mottoaus 2Kor 6,4und läßtzudem aufseine zwei Mitgliedschaften in denDeutschen Gesellschaften zu Helmstedtund Altdorfverweisen.Im Amtdes SeniorsanSt. EgidienverstarbChristoph Birkmann schließlich am 11.März1771inNürnberg, sechsTagenachseinerzweiten Frau Sibylla Magdalena. DergesamteBesitzgingvermutlich vollständigauf dieToch- terüber.65 Der„Mobilien=Verkauf“aus derWohnung derBirkmanns hinter derEgidienkirche fand bereitsimJuni/Juli1771statt.66 Dieum- fangreiche, mittelsgezielter Ankäufeaus Patrizier- undGelehrtenbiblio- theken zusammengetrageBibliothekwurde dann ab dem22. April1772 versteigert. Ihrfastfünftausend Nummernumfassender Auktionskatalog BibliothecaBirckmanniana (Nürnberg[1772]) gibt Auskunft über Birk- mannsbreitgefächerte Interessen.67 DasVerzeichnis versammelt neben theologischer oder allgemeinreligiöserLiteratur belletristische,geogra- phische, wappenkundliche, medizinischeund vielfältigemathematisch- naturwissenschaftlichePublikationen;Birkmanns ausgeprägten sprach- lichen Fähigkeitenentsprechend sind darunter besondersviele fremd- sprachliche. Vonseinenmusikalischen Neigungenzeugenindes nurwenige Einträge –Musiktheoretika vonPraetorius,68 Prinz,69 Heinichen,70 Matthe-

64 1759 übernahm Birkmann noch die„Versperpredigten in derSt. Veits- oder Augu- stinerkirche undversahsie bisanseinemTod“, sieheJohann Georg Meusel, Lexikon dervom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschenSchriftsteller,Bd. 1, Leipzig1802, S. 413. 65 EinTestament istlautMitteilungdes BayerischenStaatsarchivs Nürnberg unddes Stadtarchivs Nürnberg nicht vorhanden. 66 NürnbergischewochentlicheFrag= und Anzeige=Nachrichten,Nr. XLVIIvom 11.Juni1771(Ankündigung desVerkaufsam12. Juni)und Nr.LII.vom 28.Juni 1771 (Verkauf am 3. Juli 1771). 67 Vgl. Jürgensen, BibliothecaNorica(wieFußnote62),Teil2,S.1673. 68 M. Praetorius, Syntagmamusicum,3Bde., Wittenberg 1614/15und Wolfenbüttel 1618 (oballedreiBände vorhandenwaren,ist nichtvermerkt). 69 W. C. Printz, Historische Beschreibung derEdelenSing- und Kling-Kunst,Dres- den1690. 70 J. D. Heinichen, DerGeneral-Bassinder Komposition,Dresden 1728. 26 Christine Blanken son71 undMizler72 sowieetliche Textdrucke zu Kantaten-Jahrgängen73 und Liederbücher; Musikalien fehlen hingegen.74

II.Der Kantatenzyklus „GOtt-geheiligteSabbaths-Zehnden“ von1728und BachsAufführungskalender

MitAbschlußseinerZeitander HeimatuniversitätAltdorf1727/28 dürfte BirkmannsStreben vorallem derVorbereitungauf dasVikariat gegolten haben.Hiermachteersich jedoch schon baldaucheinebereits in Leipzig begonneneArbeitzuNutze:die Drucklegungeines Jahrgangsmit 71 Kan- tatentextenauf dieSonn- undFeiertageund dieinFranken mitFiguralmusik begangenenMarien-, Heiligen-und Aposteltagesowie miteinem vollstän- digenLibrettozueiner umfangreichenPassionsmusikanKarfreitag.75 Dieser Zyklus wurde im Herbst 1728 veröffentlicht als:

GOtt-geheiligte|Sabbaths-|Zehnden/|bestehend|aus |Geistlichen Cantaten |auf alle |HoheFest- Sonn-|und |Feyer-Täge|der |Herspruckischen Kirch-Gemeinde |zu Gottseeliger Erbauung |gewiedmet,|von|Christoph Bürckmann/|Rev. Minist.Can- did. |Nürnberg, gedruckt beyLorenzBieling.76

71 J. Mattheson, Dasneu-eröffnete Orchestre,Hamburg 1713; DasbeschützteOr- chestre,Hamburg 1717; DasforschendeOrchestre,Hamburg 1721; Exemplarische Organisten-Probe,Hamburg 1719; De eruditione musica schediasma epistolicum, Hamburg 21752; Kern melodischerWissenschaft,Hamburg 1737; Philologisches Tresespiel,Hamburg 1752. 72 2Bände ausL.Mizler, MusikalischeBibliothek,Leipzig 1739–1754. 73 Nebenetlichen Nürnberger Jahrgängen Sonn=Fest= und Feyertägl.musikal. Kirchenandachten (1747–1751,1754, 1756)besaß er außerdem: S. Franck, Episto- lischesAndachtsopfer,Weimar1718; E. Neumeister, Sonn-und Festtägliches Lob Gottes,Nürnberg1744; J. J. Rambach, Geistliche Poesien,Halle 1720 bzw. Poeti- sche Festgedanken,Jena1729. Außerwenigen Sätzen ausden Poetischen Fest- gedanken sowieChorälenhat Birkmann für die Sabbaths-Zehnden keineWerke Rambachsentlehnt; zurbreiten Rambach-Rezeption allgemeinsiehe jüngst J. Hei- gel, „Vergnügen und Erbauung“.JohannJacob Rambachs Kantatentexteund ihre Vertonungen,Halle 2014 (Hallesche Forschungen. 37.). Textezur LeipzigerKir- chen=Music werden in der Bibliotheca Birckmanniana nichtgenannt. 74 Es gibt keineHinweise, daßdiese vielleichtseparat verkauft wurden. 75 Anders alsinLeipzig galten nach fränkischerTradition der2.bis 4. Advent unddie Sonntageder Passionszeit (nachEstomihi) nichtals Tempus clausum. Eine weitere Abweichung betraf diehohen Feiertage, dieinFranken jeweilsnur an zwei Fest- tagenmit Figuralmusik begangen wurden. 76 D-Nst, Will II,1413 8°;imfolgenden als Sabbaths-Zehnden abgekürzt;siehe Abb. 1–3).Ich dankeDr. ChristineSauer (Stadtbibliothek Nürnberg,Historisch-Wis- senschaftliche Bibliothek), für diestets hilfreiche undfreundlicheUnterstützung C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 27 Einjunger, musikalischversierterTheologezeigt hier eine auffallendeBega- bung fürreligiöse Dichtung, gepaartmit großer Stilsicherheitinder Gattung Kantatesowie einerprofunden Kenntnis geeigneter Bibel- undChoralverse. In derausführlichen Vorredekritisierterden aktuellenZustand kirchen- musikalischerPraxis, erläutertseine Intentionenvor diesem Hintergrund genausowie vorihrer langenGeschichte. BirkmannsAbhandlungbeginnt, typischfür Kantatenlibretti,mit Kritik an deraktuellen Kirchenmusik („Lauigkeitindem Lobdes höchsten Gottes“),ihren Komponistenund Musi- kern:

Diedie Music tractiren,fehlenerstlich darinnen,daß siediese fürtrefflicheUbung gleichsammit ungewaschenenHändenangreiffen undals ein formales Handwerk achten.Hernach istdiesesein Fehler,daß siekeinenUnterschied machen, zwischen einer Theatralischenoderandern Profan-Music,und zwischen einergeistlichen Har- monie,die demgroßenGOttzuEhren angestimmetwird.77

Derletzte Abschnitt,der Details über dasZustandekommenseinesZyklus preisgibt,sei vollständigwiedergegeben:

Allhiesiger Gemeinde kanman aufrichtig dasZeugniß geben, daßdie meistenunter ihnen dasihrige zum Dienst desHERRN redlich beytragen. Dann ausser demdaß siedie liebeJugend beyZeitenzur Kirchen-Music angewöhnen lassen,sohat man auch ihrenEifer,für dasLob desunsterblichen GOTTES, daranvermerkt,daß,da voreinigenJahren einJahr-Gang vonHerrn Stolzenberg verfertigt,aufgeführtworden, sich diemeisten diedarzu gedruckten Texteangeschafft, um ihrerAndacht damit aufzuhelffen.Und dieserühmliche Exempelhaben mich angereitzet, zurEhremeines GOTTESund zum Dienst hiesiger Gemeineauchetwas beyzutragen undgegenwär- tigesWerkchenzuunternehmen. Woltejemandmeine Arbeit alsunnöthigund über- flüssig ansehen, undmeinen, manhätte ja so genug Kirchen-Stückenund gedruckte Cantaten in derWelt; so sagemir einsolcher aufs erste, warumich denn alsein Christ nichtauchbefugtsey meinen GOTT eingeringesOpfer zu bringen, unddann, ob denn alle Kirchen-Stücke so beschaffen,daß manselbealler Ortengebrauchen kan? ichhabediesesWerk’chen nichtohneUrsach GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehn- den betitelt;Denndie meistenStückensindamTagedes HERRNbey meiner Privat- Andachtverfertiget.Den Anfanghierzuhabeschon voreinigen Jahren aufEinrathen einesguten Freundes gemacht, dermir selbst etlicheStücke vorgearbeitet, dieauch meiner Recherchen.Das bislangeinzigenachgewiesene Exemplar ausBirkmanns Besitz enthälteinen Ex-libris-Aufkleber mitdem Wappen derFamilieWill.Der Widmungseintragvon Birkmannseigener Hand aufdem Vorsatzblatt (recto)lautet: „ViroGenerosissimo |DominoDno.Christiano Guil.|Kraußio |copiarum pedestri- um |Præfectovigilantissimo|hoc qualecunquepietatis|monumentum|submisse offert || AutorCBurckmann|Pastor“.Von Kinderhandstammtüberdem Namendes Autors einNachtrag: „AnnaMaria“(Birkmann selbst hatte keineTochter dieses Namens). 77 Sabbaths-Zehnden,Vorrede,S.[2]. 28 Christine Blanken wegenihrer Natürlichkeit undNachdruck dieser Collection einverleibetsind. Diese Arbeit hat eine Zeit gelegen, bißmir endlich vorkurzemder Trieb ankam, dasJahr voll undnachgepflognenRath, durchden Druckgemeinzumachen. Da ichdenn dieehemahlsverfertigtenStücke übersehen,von merklichenFehlern gereinigt, auch häuffigergeistlicheGesänge undMacht-Sprüche heiliger göttlicher Schrifft mit einfliessen lassen:Weilich beymir selbst empfunden, wienachdrücklich dieSeele voneinem schönen Kirchen-Choral afficiretund gleichsamineineheilige Entzückung gesetztwird. Undbin ich völlig persuadirt,daß,wie derHeilige Geistdenen Gott- seeligen Dichtern deralten Kirchen-Gesänge in reichem Maße beygewohnet, er sich auch beydenen Componistennicht unbezeigtgelassen. Denn so hoch die Music bey hundertJahren hergestiegen ist, so behalten doch diealten Gesänge ihre Krafft und Annehmlichkeitder Melodien.WirdmeinLeser in denenGedichten nichtgleiche Stärckevermerken, so wird er mirsolches nichtzurechnen,dennman istnicht alle Tage zum Verseschreiben aufgelegt. Zudem so hat mirauchauf dieletzt dieZeit etwaskurzwerdenwollen, daßalso nichtüberall mitder letztenFeile darüberkommen können.AllehochtrabendepoetischeEinfälleund Gleichnissevon auswärtigenDin- genhabemit Fleißvermeiden,und lieber mitder Schrifft redenwollen. In derPassion habe einige Arien vonHerrn L. Brockesentlehnet,und Herrn Professor Rambach habe auch etlicheabgeborgt,weilsie meineGedankenofftauf dasnatürlichsteaus- gedrückethatten.78 DenDruck anlangend,sohabeallemöglicheSorgfaltangewendet jedermann zu vergnügen, undsindinsonderheitder lieben Jugend zum besten die Chorale ganz undmit grosser Schrifft gesetzt worden,damit siedurch fleissiges Nachlesendie Haupt-Sprücheund Herzens-Seufzererlernenmöge. Ubrigens danke demgrossen GOTT fürseine Gnade, dieermir unwürdigenbey dieser heiligenArbeit angedeyenlassen, undbitte ihn, er wolledas Wort beyallen dieeshören oder lesen, kräfftig würken lassen:Erwolle auch mich ferner stärken, damitich denSinndes Geistesdurch eine geschickte underbaulicheHarmonie rechtausdrücken, vieleSeelen hierdurch zu seinem Lobanfeurenund zu Verherrlichung seines Ruhmszubereiten möge.

Amen!Der HERR thue es,umseinesNamensEhrewillen. Amen!

Geschrieben in Herspruck den26. Octobris. Im Jahr Christi1728.79

78 GemeintsindTextübernahmenaus demPassions-Oratorium Derfür dieSünde derWeltgemarterte und sterbende JESUS vonBartholdHinrich Brockesindie Johannes-Passion (siehe Abb. 2); vonJohannJacobRambach stammenvor allem Choraltexte. 79 Sabbaths-Zehnden,S.[6]–[10]. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 29 DerJahrgangist demKirchenjahr 1728/29entsprechend geordnet,ist je- doch übervollständig, da 1729 –imGegensatzzudemJahr, in welchem Birkmann denDruck vorbereitete –nur noch Textezu23statt26Sonntagen nach Trinitatis erforderlich waren.80 Abgesehenvon diesen knappenÄuße- rungenzur Entstehung bietet alleindie handschriftliche VersionseinerAuto- biographie noch einenPassuszuden Sabbaths-Zehnden.Wie er hier schreibt, wardie Veröffentlichung direkt fürdie Gemeinde in Hersbruckbestimmt. Er nenntsichausdrücklichineiner dreifachen Funktion:als Dichter, alsKom- pilatorund alsKomponist:

So wurden auch,als ichnochinHerspruck lebte,auf Veranlaßungdasigen H. Pflegers81 meineSabbathsZehnden,oderCantatenauf alle Sonn- undFeyertage,zum ersten malgedrucktund hernachAo1740 verbeßertwiederaufgelegt.Diese Cantaten sind nichtallemeine Arbeit,sondernich habeetlichevon M. Brunner82 undHn. Engelhart83 aufgenommen,umden Jahrgang vollständigzumachen, dervon mirinNoten gesetzt, undinHerspruck,auchanderweitsnachmalsbey öffentlichen Gottesdienstaufge- führet worden.84

Ob dieKantatenaus den Sabbaths-Zehnden in Hersbruckoderanderswovoll- ständigaufgeführtwurden, istaus dieser Formulierung allerdings nicht herauszulesen. Es konntenbislang überhaupt wederKompositionen Birk- mannsnochBelegeübermusikalischeAufführungeninder Hersbrucker

80 DasMichaelis-Festist in dieSonntagsfolgeeingereihtund stehtvor dem16. Sonn- tagnachTrinitatis, wasder AnordnungimJahr1729entspricht(nichtaberder von 1728). Auch gibt es einen5.Sonntag nach Epiphanias nur1729, nichtaber1728. 81 DieFamiliePömer spielteauchimJahre 1738 im Zusammenhang mitdem Neubau derStadtkirche eine Rollefür dieKirchenmusikinHersbruck.Einer derSöhne Pömers(GeorgFriedrich)bestellte beiTelemann eine Kantate, dieerauchselbst bezahlte;die Ausführenden dieses Werkskamen ausNürnberg. Erwähntwirddie verschollene Kompositionin: GeorgPhilippTelemann. Musiken zu Kircheneinwei- hungen,hrsg. vonW.Hirschmann,Kassel2004(Georg Philipp Telemann.Musika- lische Werke. 35.),Vorwort,S.VIII–X. 82 Vielleichtauchals „Brummer“zulesen. 83 In derteilweise veröffentlichten Autobiographie Engelhardtsheißt es:„Wäre es meinen Gedankennachgegangen, so wäre vonLeipzig so bald nichtwiederweg- gezogen,zumalen ich auser derschönen Gelegenheitmichbey M. Birnbaum pero- rando und disputando wöchentlich zu üben,und so manchen geschicktenPrediger hören konte“;siehe Beiträge zu denActis Historico-Ecclesiasticis,Bd. 3, Weimar 1753,S.599. 84 AbschriftlicheFassung derAutobiographie (D-Nst, Will III.88.2°,fol.11r). Der Abschnitt,der BirkmannsVeröffentlichungenbetrifft(fol. 10r–13r), wurde im Eh- ren=Denkmal ausgelassen; verwiesenwurde hier stattdessen aufzeitgenössische biographischeArtikel mitentsprechenden Veröffentlichungslisten. 30 Christine Blanken

StadtkircheSt. Marien85 ausden fraglichen Jahren gefunden werden.86 Be- merkenswertanBirkmannsFormulierungist jedoch dieweitere Konkreti- sierungseinerpoetischenVorlagen:Nennt er in derVorredenur Brockesund Rambach, so werden hier Beiträge seines engenFreundesJohann Philipp Engelhar(d)t (1701–1753)und einesbislang nicht identifizierten Magisters Brunner(oder Brummer?) genannt, aufdie er zurückgreifenkonnte. Es bleibt festzuhalten,daß die Sabbaths-Zehnden folglich nurzum Teil Birkmanns eigene poetischeSchöpfungendarstellen. DieFormulierungauf demTitel- blatt –„derHerspruckischen Kirch-GemeindezuGottseeligerErbauungge- wiedmet“ –ist demzufolgewörtlichzunehmen: Birkmann bezeichnet sich nichtausdrücklichals Autoraller Texte. Folglich verwundert es nicht, bereits beim ersten Durchblätternviele Textevon Bach-Kantatenaufzufinden, deren Autorbereits bekanntist. Die Sabbaths-Zehnden enthaltenTexte von31nachweislich in denLeipziger Hauptkirchenmusizierten Kantaten.Darunterbefinden sich mindestens 23 LibrettizugesichertenKantatenBachs sowieder Text derJohannes-Pas- sion in derTextversion derAufführungvon 1725.All diese Werkesindin jenengut zweieinhalbJahrenaufgeführtworden, in welchenBirkmann in

85 Zu Hersbruckund derGeschichte seiner Stadtkirchemitsamt einerListe ihrer Pastoren undKantorensiehe: Vermischte Beyträge zurGeschichte derStadt Nürn- berg,hrsg. vonG.E.Waldau, Bd.3,Nürnberg1788, XVII.Heft(„Geschichte und Beschreibung derNürnberg. LandstadtHersbruck“).KantorinHersbruck warum 1728/29ein Johann Friedrich Ries (1665–1742); sieheWaldau, S. 126f.Birkmann selbst wird hier nicht genannt, da er in HersbruckkeinoffiziellesKirchenamtbe- kleidete,sondern, wieobenbeschrieben,bis 1731 Privatlehrer aufdem reichsstäd- tischenPflegschloßder Familievon J. F. Pömer vonDiepoltsdorfwar.Zuseiner HersbruckerZeitschreibtBirkmanninder handschriftlichen Fassungder Auto- biographie:„Da wurde mirdie Zeit meine Studia zu excolirensehreingeschrenkt: denn ich mußtenicht allein informirenund mich aufetliche Lectiones täglich prae- pariren, sondernauchöftersauf demLande predigte, ia in demStädtleinselbst die Stelle eines Vicarii vertretten,wenndie ordentlichen Lehrer ihrAmt nichtversehen konnten“;D-Nst, Will III.88.2°,fol.6v. 86 DerBestand vonSt. Marien in Hersbruck(Landeskirchliches Archiv Nürnberg) weistinkeinerRechnungPostenfür AnschaffungenimZusammenhangmit Figu- ralmusik aus oder etwa Sonderausgaben für Birkmann ähnlicheiner Ausgabefür denKantorinder Rechnung 1728/29: „Dem Hn.Cantori,wegen gehaltenerMusic, beyder RathsWahl, einenSpecies-Ducatenbehändiget“ (Herspruck Pfarr=Rech- nung VonLiechtmeß Ao 1729.biß wieder dahin Ao 1730.,Signatur: 57 R,fol.63v). Durchgesehenwurdendie Rechnungender Jahre1726/27 und1728/29; derBand für 1727/28scheint verschollenzusein.Auchdie HerspruckGOttshauß=Rechnung (Signatur: 599R)weist in dendreiüberprüften Jahren 1727/28, 1728/29und 1729/30keine entsprechenden Ausgaben aus. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 31 Leipzigweilte. Anders gesagt:Der Textdruckspiegeltden LeipzigerAuffüh- rungskalender zwischenAdvent1724und Epiphanias 1727:87

1724 LiturgischeBestimmung/ TitelWerk/Textdichter DatierungLeipziger Aufführung 1. Weihnachtstag Gelobetseist du,Jesu BWV91 25.12. (oderWA1726?)88 Christ 2. Weihnachtstag Christum wirsollenloben BWV121 26.12. (oderWA1726?) schon

1725

Neujahr Jesu,nun seigepreiset BWV41 1. Januar (oderWA 1. 1. 1727?) Karfreitag Johannes-Passion BWV245, 30.März („OMensch, bewein“) 2. Fassung 2. Ostertag Bleibbei uns, denn es will BWV6 2. April Abend werden (oderWA13. April1727?) 3. SonntagnachTrinitatis Ichruf zu dirHerrJesu unbekannte 17.Juni Christ Vertonung Text:Johann Agricola 1529?/31 (textgleich mit Choralkantate BWV177 von1733) Johannis Gelobetsei derHerr, der unbekannte 24.Juni Gott Israel Vertonung Text: 1711

87 DieDaten entsprechen Dürr Chr2mitErgänzungenumneuereForschungsergeb- nisse. Fürdie Jahre1724–1727 sind sieinaktualisierterFormauchüberdas Ka- lendarium 32008 bequemgreifbar. FürfruchtbareDiskussionendanke ichmeinen Kollegen AndreasGlöcknerund PeterWollnysowie NobuakiEbata (Tokio)und Detlev Schulten. 88 FürWeihnachten 1726 gibt es keineAnhaltspunkte für Aufführungen. –Inder Tabellesteht WA fürWiederaufführung. 32 Christine Blanken

5. SonntagnachTrinitatis DerSegen desHerrn unbekannte Verto- 1. Juli machet reichohneMühe nung Text:Erdmann Neumeister 1711 (daraus nur4Sätze)89 Mariae Heimsuchung Meine Seeleerhebet den unbekannte 2. Juli Herrn Vertonung Text:Maria Aurora vonKönigsmarck 6. SonntagnachTrinitatis Wersichrächet, an dem unbekannte 8. Juli wird sich derHerrwieder Vertonung rächen Text:Erdmann Neumeister 1711 13.Sonntag nach Trinitatis Ihr, dieihr euch von BWV164 26.August Christonennet Text:Salomo Franck 1715

1726

1. SonntagnachTrinitatis Brichdem Hungrigendein BWV39(daraus 23.Juni Brot nur2.Teil: Nr.4–7) Text:Meiningen 1704/1719 5. SonntagnachTrinitatis Sieheich will viel Fischer BWV88(daraus 21.Juli aussenden nurNr. 6–790) Text:Meiningen 1704/1719 7. Sonntag nach Trinitatis Es wartet allesauf dich BWV187 4. August Text:Meiningen 1704/1719 8. Sonntag nach Trinitatis Es istdir gesagt,Mensch, BWV45(daraus 11.August wasgut ist nurNr. 5) Text:Meiningen 1704/1719

89 Zusammen mitSätzenaus BWV88, zu demselbenSonntag desJahres1726. 90 Zusammen mitSätzenaus „Der Segendes Herrnmachetreich ohne Mühe“, zu demselbenSonntag desJahres1725. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 33

10.Sonntag nach Trinitatis Herr,deine Augensehen BWV102 (daraus 25.August nach demGlauben nurNr. 4–6), Text:Meiningen 1704/1719 11.Sonntag nachTrinitatis DurchseinErkenntnisJLB 15 1. September Text:Meiningen 1704/1719

12.Sonntag nach Trinitatis Geistund Seelewird BWV35 8. September verwirret Text:Georg ChristianLehms 1711

14.Sonntag nach Trinitatis WerDankopfert, der BWV17 22. September preiset mich Text:Meiningen 1704/1719

Michaelis Es erhubsich einStreitBWV 19 29.September Text:Bearbeitung nach Picander 1725

18.Sonntag nach Trinitatis Gott soll alleinmeinHerze BWV169 20.Oktober haben

19.Sonntag nach Trinitatis Ichwill denKreuzstab BWV56 27.Oktober gernetragen

20.Sonntag nach Trinitatis Ichgeh undsuche mit BWV49 3. November Verlangen

21.Sonntag nach Trinitatis WasGotttut,das ist BWV98 10.November wohlgetan

22. SonntagnachTrinitatis Icharmer Mensch, ich BWV55 17.November Sündenknecht

23.Sonntag nach Trinitatis FalscheWelt, dirtrauich BWV52 24.November nicht

1727

Sonntag nach Neujahr AchGott, wiemanches BWV58 5. Januar Herzeleid

Mariae Reinigung IchhabegenungBWV 82 2. Februar 34 Christine Blanken Aufgrund ihrerAufnahmeindie Sabbaths-Zehnden wäre dieListe um die folgenden zwei,bisher nicht fürLeipzig konkretnachweisbarenWeimarer Kantaten Bachsmit hoher Wahrscheinlichkeit zu ergänzen:

16.Sonntag nach Trinitatis91 Komm,dusüßeTodesstunde BWV161 WA vermutlich 16.Septem- Text:Salomo ber1725 Franck

Sonntag nach Weihnachten92 Trittauf dieGlaubensbahn BWV152 WA vermutlich 29.Dezem- Text:Salomo ber1726 Franck

Hinzu kommteineKantate,für dieeineLeipziger Aufführung angenommen werden kann,auchwennweder BachsAutorschaft nachweisbarist,nochein konkreterAufführungstag benanntwerden kann:

7. oder 15.Sonntag nach Liebster Gott,vergißt du BWVAnh.I209 Trinitatis mich Text:Georg 1725 ChristianLehms

Dieseinder Bach-RezeptionbeispielloseKongruenz zwischen einemspä- terveröffentlichten auswärtigenJahrgang unddem Aufführungskalender an St. Thomas undSt. Nicolai gestattetnicht nurRückschlüsse, sondernwirft auchFragenauf.ImZentrum derAufmerksamkeit sollen dabeizunächstjene Kantatentextestehen, dieinden Sabbaths-Zehnden abgedruckt,abersicher- lich nicht vonBirkmannsind. Gerade siebietendie Möglichkeit,der Frage nachzugehen, welche Vorlagen ihm zurVerfügung standenund ob etwa Vari- antenzuden vonBachvertonten Texten oder zu dessen Vorlagen ausgemacht werden können. Geradebei derWeimarerKantate „Tritt aufdie Glaubensbahn“BWV 152 weicht derinden Sabbaths-Zehnden überlieferte Text gegenüberder Wei-

91 Erstaufführung:Weimar1716. Bislanggab es mangels Originalquellenkeine kon- kreten Hinweiseauf eine LeipzigerAufführung. Ob dieAbschrift eines noch un- bekanntenSchreibers(P124)wirklichauf um 1735 zu datierendeautographeEin- tragungenenthält (siehe BC A135 a),ist sehr unwahrscheinlich (freundlicher Hinweis vonPeter Wollny).Inwelcher Versiondie KantateinLeipzig musiziert wurde,ist ebenfallskaumzuentscheiden,dader spätereStimmensatz(St 469)eine nichtautorisierteBearbeitung darstellen könnte. 92 Erstaufführung:Weimar1714. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 35 marerFassung vonFranck93 undBach94 mehr alsmarginalab: DieseKantate schließt im Druckvon 1728 nichtmehrwie in derWeimarerFassung mit demDuett „Wie soll ich dich,Liebster“,sondern mitder Choralstrophe „Sag an,meins Herzens Bräutigam“.95 Istdiesnun eine eigenmächtigeZutat Birkmanns, oder spiegelt dieser Choral eine LeipzigerFassung derKantate, vonder bislangmangels Leipziger Aufführungsmaterialien nichts bekannt war? EinTextvergleich mitBWV 152zeigt darüberhinauseinigeder seltenen Bei- spiele,wie Birkmann gelegentlich in kleinenDetails derFormulierungab- weicht:

Rezitativ„DerHeiland istgesetzt“ (Schluß): Franck 1715:Der seinen Glaubens=Bau aufdiesenEckstein gründet BWV152/3:Der seinen Glaubens Grund aufdiesenEckstein leget Sabbaths-Zehnden:Der seinen Glaubens-Grund aufdiesenEckstein gründet

Aria„Stein, derüberalleSchätze“(2. Vers): Franck 1715:„Hilff/ daßich in dieser Zeit“ BWV152/4:„hilff, daßich zu aller Zeit“ Sabbaths-Zehnden:„hilffdaß ich zu aller Zeit“

Rezitativ „Esärgre sich“(2. undvorletzterVers): Franck 1715:„Verläßtden hohen Ehren=Thron“; „kanndie Vernunft doch nie er- gründen“ BWV152/5:„denhohen Ehren Thron“; „kanndie Vernunft doch nicht ergründen“ Sabbaths-Zehnden:„denhohen Himmels-Thron“; „kanndie Vernunft doch nicht er- gründen“

DerBefundist nicht eindeutig: Einerseits scheintBirkmann diegedruckten Zyklen alsVorlage nicht gekanntoderzumindest nichtbenutzt zu haben,96

93 Salomo Franck, EvangelischesAndachts=Opffer Aufdes DurchlauchtigstenFürs- tenund HerrnWilhelm Ernstens […] Christ=Fürstl. Anordnung/ in geistlichen CANTATEN welche aufdie ordentlicheSonn= und Fest=Tageinder F. S. ges. Hof=Capellezur Wilhelmsburg A. 1715.zumusiciren angezündet vonSalomon Francken,Weimar[1715]. 94 Erhalten istnur dieautographePartitur aus derWeimarerZeit(P45,Faszikel3). 95 In dereinzigen,anonym überliefertenParallelvertonung in D-F, Ms.Ff. Mus.1404 (Partitur undStimmen)schließtdie Kantatenachdem Duettmit einerhinzuge- fügten Choralstrophe („Ei nun, Herr Jesu“) ausdem Lied „GottesSohnist kom- men“.Dakeine weiteren QuellenzudieserKantate existieren,ist dieZuschreibung derKantate an Telemann (TVWV 1:1420) zumindestfraglich(freundlicheAus- kunft vonUte Poetzsch-Seban,Telemann-Zentrum Magdeburg). 96 Keiner dieser gedruckten Jahrgänge istinder BibliothecaBirckmanniana ent- halten. 36 Christine Blanken andererseits hat er in wenigenFällenFormulierungenimDetailgeändert– oder warder Text bereitsvon Bach für eine vermuteteLeipziger Fassungder Kantatemodifiziertworden? Da in diesem Fall kein Exemplar eines Hefts mit Texten zurLeipzigerKirchen=Music vorhandenist,läßtsich nichter- gründen, ob Birkmann selbst derUrheber dieser Variantenwar. DerNeumeister-Text „Der Segendes Herrnmachetreich ohne Mühe“, der in einerbislang unbekanntenVertonung am 1. Juli 1725 erklang, liegthin- gegenineinem Heft mit Texten zurLeipzigerKirchen=Music vor.97 Birkmann, deraus demLibrettonur einzelne Sätzeverwendet (siehe Anhang), stützt sich hier jedoch nicht aufeineder gedruckten Neumeister-Ausgaben; dies belegenVarianteninder Arie „(Drum)tunur das, wasdir gebührt“:

FünffacheKirchen=Andachten98,„Drum tu nurdas“ Textezur LeipzigerKirchen=Music und Sabbaths-Zehnden:„Tu nurdas“

FünffacheKirchen=Andachten,Vers5:„hat wohl gebaut“ Textezur LeipzigerKirchen=Music und Sabbaths-Zehnden:„hat wohl gethan“

DerSchlußchoral „Hierauf so sprech ich Amen“(Strophe5von „Aus meines Herzens Grunde“von GeorgNiege)bestätigt diesen Befund:99

FünffacheKirchen=Andachten:„GOtt wird es all’szusammen Ihmwohlgefallen lahn: Draufstreckich ausmein’ Hand“ Textezur LeipzigerKirchen=Music und Sabbaths-Zehnden:„GOtt wird es allzusam- men ihm wohlgefallen lahn, und streck drauf ausmeine Hand“

DieseBeispiele mögenals Belege für diedirekte Abhängigkeit der Sab- baths-Zehnden vonden Texten zurLeipzigerKirchen=Music genügen. Der- artige Rückgriffe auffremdeDichtungen enthaltennur ausnahmsweise Änderungen in Detailsder Formulierung.Dortwosichaberbereits beiBach Textänderungengegenüber dengedrucktenZyklenfinden,stimmtBirkmann zumeist eher mitBachs Worttext überein.100 Undimmer dann,wenndarüber hinaus kleine Abweichungenzwischenden FormulierungeninBachs Noten- handschriften undden Texten zurLeipzigerKirchen=Music feststellbar sind, hält Birkmann sich in derRegel an letztere.101

97 W. Hobohm, Neue „Texte zurLeipzigerKirchen-Music“,BJ1973, S. 21. 98 Tit. Herrn ErdmannNeumeistersFünffache Kirchen=Andachten bestehendIn theilseintzeln, theilsniemals gedruckten Arien, Cantateund Oden AufalleSonn= und Fest=Tagedes gantzenJahres,Leipzig 1716. 99 Hobohm (wie Fußnote97),S.29. 100 Eine derwenigen Ausnahmenwurde bereitsanhandvon „Tritt aufdie Glaubens- bahn“beschrieben. 101 Eine weitereAusnahmeist dieKantate BWV161,die nurinspäteren,textlich von- einander abweichenden Quellenüberliefert ist(P124 und St469), etwa in derAria C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 37 Beider Kantatezum 2. Ostertag „Bleibbei uns, Herr Jesu Christ“, deren Text zwischen Birkmann undBachvergleichsweise starke Abweichungenauf- weist, läßt sich hingegen mangels weiterer Textquellenkeine eindeutige Aus- sagetreffen.Inder zweitenAriaheißt es in den Sabbaths-Zehnden:„JEsu, laßuns aufdichsehen,daß wirnicht in denSünden-Wegengehen,laß daß LichtdeinesWorts unshelle bleiben,und an dich beständiggläuben“; in denOriginalquellen zu BWV6/5 aber: „auf denSündenWegen gehen, laß dasLichtdeinesWorts unshelle scheinen unddich iederzeittreumeinen“.102 BirkmannsReimdürfteals poetischklarerund reimschematischsauberer zu werten sein.Obessichhieraberumden Eingriff einesKompilators oder eine Formulierung aus dementsprechenden LeipzigerTexthefthandelt,kann derzeit nichtentschieden werden,zumal auchder Librettist vonBWV 6noch nichtidentifiziertwerden konnte. In Einzelfällen kompilierte Birkmann aber auchTexte unterschiedlicher Herkunft,woraussichnicht schließenläßt, daßdiese Pasticcio-Fassungenin Leipzig auch tatsächlichsoerklangen:Die Sabbaths-Zehnden bieten zum 1. Sonntag nach Trinitatis eine Kantatemit demTitel „Wohlzutun undmit- zuteilen“. Es handeltsich hier um denzweiten Teil (Nr. 4–7) von„Brichdem HungrigendeinBrot“ BWV39, wobeiinden Sabbaths-Zehnden einChoral („Es istja, Herr,deinGschenkund Gab“) eingeschoben ist. DieOriginal- stimmengeben keinen Hinweis aufeinesolcheFassung.Folglich istesals wahrscheinlicher anzusehen, daßBirkmann selbst dieumfangreicheKantate aufeinefür seineZwecke passende Länge kürzte. Betrachtenwir dieFolgeder Trinitatis-Sonntageinden Sabbaths-Zehnden weiter,sogibtesnochvierBeispiele fürnicht vollständigaus denVorlagen übernommene Libretti:Die Kantatezum 8. Sonntag nach Trinitatis „Wer mich bekennet für denMenschen“ enthältzumindest eine einzelne Arie,die sicher vonBachvertont wurde („WerGottbekennt auswahremHerzens- grund“); siefindet sich in „Esist dirgesagt, Mensch, wasgut ist“ BWV45 nach demMeiningerZyklus. Diedurch Originalstimmenbelegte Aufführung dieses Werkes am 11.August1726hat Birkmann also vermutlich miterlebt.103

Nr.3 („MeinVerlangen“): „obich sterblich’Aschund Erde“(P124)bzw.„ob ich schonzuAschund Erde“ (St 469)versusFranck/Birkmann: „Ob ich Scherbe, Thon undErde“. Einwohlandersgearteter Fall istder berühmte Eingangschor ausder Brockes-Passion(„Mich vomStricke meiner Sünden“),dessenTextBach als„Vonden StrickenmeinerSünden“ in derJohannes-Passion alsArievertonte. Birkmann wird ihn bereitsaus Nürnberg gekannthaben.ZuweiterenKantatenmit textlichen Abweichungen sieheweiterunten. 102 P44,Faszikel2und St 7. 103 In derfünfteiligenKantate gibt es nebendem Dictum undden zwei Chorälen (von undBartholomäus Crasselius)nur noch eineinzigesRezitativ („So wird denn Herz undMund“), dasvon Birkmann stammenkönnte. Dieübrigen 38 Christine Blanken Etwasandersliegt derFallbei derKantate zum 24.Sonntag nach Trinitatis „Ach Gott,vom Himmelsiehdarein“:HierstammteineeinzelneArie („MußIsraelgleich vieles leiden“) aus demersten, 1721 erschienenen Band vonChristianFriedrich Weichmanns Poesie derNiedersachsen.Die Arie gehört zu demvollständig abgedruckten Librettovon Johann Matthesons Oster-Oratorium Diedurch ChristiAuferstehungbestätigteAuferstehung allerToten (Hamburg 1720).104 Ebenfallsder Poesie derNiedersachsen (Bd. 3von 1726) entstammtdie Arie „Wanke,falle,donnernderBogen“von MatthäusArnoldWilkens,die vonBirkmann derKantate zum 26.Sonntag nach Trinitatis „Kommether,ihr GesegnetemeinesVaters“ einverleibt wurde.105 BeiWilckens istsie Teil einerKantate über den46. Psalm(„Der Herr,der HüterIsrael, istunsre Zuversicht“), dieinHamburg zum 4. Sonn- tagnachEpiphanias desJahres1726ineiner VertonungTelemannserklang. Daßdiese textlichen VerbindungenzuHamburg aufeineAufführungdieser WerkeinLeipzig hinweisen, istunwahrscheinlich, da es 1726 den24. bis 26.Sonntag nach Trinitatis garnicht gabund Birkmann 1727 schon nach Frankenzurückgekehrt war.106 Anders alsdie nurinverhältnismäßigwenigen Exemplarenüberlieferten Zyklen FrancksoderLehms’war dieReihen- publikation Poesie derNiedersachsen sehr weit verbreitet.Diesläßtebenfalls wenigerzwingend aufeineLeipziger Provenienz ihrerVertonung schließen.107

Sätzeaus den Sabbaths-Zehnden lassen sich keinem anderenTextdruck zuordnen. Wie in einigenanderen Fällen auch istBirkmann gerade bezüglich desMeininger Textzyklus wählerisch.Mehrfachsindihm dieTexte wohl zu umfangreich; er bevorzugt –mit einigenAusnahmen,auf dienochzurückzukommenist –fünf- bis sechssätzige Werke, diemit einemDictumbeginnenund miteinem Choral be- schlossenwerden. 104 Bd.1(1721),S.261.Von Weichmannstammtauchder Text desOratoriums. 105 Bd.3(1726),S.269f. 106 Außerdem sind dieinden Sabbaths-Zehnden verwendeten Chorälezum 24. und 26.Sonntag nach Trinitatis nichtimDresdnerGesangbuchvon 1725 zu finden. Auch wenn dies kein absolutesAusschlußkriteriumzusein scheint, fälltdochauf, daßBirkmann beijenen Kantatentexten,für dieeineLeipziger Aufführung aus anderenGründen wahrscheinlich ist, aufdie Verwendung einesinLeipzig übli- cherweiseaus demDresdnerGesangbuchgesungenenLiedesRücksicht nimmt. 107 In diesem Zusammenhang wäre dann auch dieMagnificat-Kantate zu Mariae Heimsuchung „Meine Seeleerhebtden Herrn“ zu berücksichtigen, dieam2.Juli 1725 in einerunbekanntenVertonunginder LeipzigerNikolaikirche aufgeführt (Hobohm, wieFußnote97, S. 31 f.)und vonBirkmann in gekürzter Form über- nommenwurde.Die Magnificat-Paraphrasestammtvon MariaAuroravon Kö- nigsmarck, undzumindest zwei Vertonungen(vonReinhardKeiser undJohann Mattheson) sind nachweisbar; siehe S. Voss, DidBachperform sacred musicby Johann MatthesoninLeipzig?,in: Bach Notes3(2005),S.15; undM.Maul, Über- C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 39 Eine abschließendeBewertung desQuellenbefundes isthierabernicht mög- lich.108 DieKantate zum5.Sonntag nach Trinitatis mischt in den Sabbaths-Zehnden zwei in denLeipziger Hauptkirchenerklungene Kantaten,die beidediesem Sonntag zugeordnet sind:Aus derKantate „Siehe,ich will viel Fischeraus- senden“BWV 88 (Meiningen1704/1719),1726aufgeführt, sind dieTexte derbeidenletztenSätze (Rezitativ Nr.6 „Was kann dich denn“und Schluß- choral Nr.7„Sing, betund gehauf Gottes Wegen“)übernommenworden. Der gleicheChoralsteht aber auchinder Kantate„DerSegen desHerrn machet reichohneMühe“,die in einerbislang unbekanntenVertonung 1725 erklang.109 AusdiesemTextvon Neumeister wurdennun gleich weiteredreiSätze über- nommen. Daßdiese Textmischung aufeineLeipziger Aufführung zurück- geht, istunwahrscheinlich. Dievollständig übernommenenKantatenaus demWeimarerZyklusvon Franck unddem MeiningerZykluszeigenwiederumein anderesBild: Wie dersynoptische Textvergleichergibt, hatte Birkmann nicht dieoriginalenVor- lagenzur Hand,sondern dieLeipziger Auswahl-Textdrucke fürSt. Thomas undSt. Nicolai.Darausläßtsich ableiten,daß auchdie folgenden drei Texteaus FrancksZyklus EvangelischesAndachts=Opffer von1715sowie ausdem MeiningerZyklusvon 1704/1719,110 in LeipzigerVertonungen vorlagen:111

legungen zu einerMagnificat-Paraphraseund dem Leiter derLeipzigerKantaten- aufführungenimSommer1725,BJ2005, S. 109–125. 108 DieHäufung vonTexten, dieauchvon Telemann vertontwurden, istgeradeindie- senJahreninLeipzig auffällig; vgl. Hobohm (wie Fußnote97),S.29f.Einege- sonderte Beschäftigungunter demAspektRepertoire-Austauschwäredazunötig. 109 Hobohm (wie Fußnote97),S.21. 110 Sonn=und Fest=Andachten Uberdie ordentlichen EvangeliaAus gewissen Bib- lischenTextenAlten undNeuen TestamentsUnd In derHoch=Fürstl.Sachs. Meining. Hof=Capell […] abgesungen,Meiningen1704. Eine 3. Auflage,auf die H.-J.Schulze aufmerksam machte (BJ2002, S. 193–199),stammtvon 1719: Sonn- tags-Und Fest-AndachtenÜberDie ordentlicheEVANGELIA, Auß Gewissen Biblischen Texten Alten und NeuenTestaments/ In derHoch-Fürstl.Sachsen- Coburg Meinungisch. Hof-Capelle […] abgesungen.DritteAufflage.Gedruckt im Jahr 1719. Dieseit1977bekannte Rudolstädter VersiondiesesZyklusbrauchte für denTextvergleich nichtherangezogen zu werden,zudaSchulzenachweisen konnte,daß siekeine Rollefür dieBachschen Textvorlagen gespielt hat. 111 In BachsAufführungskalender gibt es auch 1727 noch eine Lücke.Birkmannunter- nahm nach Pfingsten 1727 eine längere Reise, derenDauernicht bekanntist. 40 Christine Blanken

4. Sonntag nach Trinitatis Ichtue Barmherzigkeit an Text:Meiningen 14.Juli1726?111 vielen Tausenden 1704/1719 9. SonntagnachTrinitatis Wersich desArmen Text:Meiningen 18.August1726? erbarmet /Macheteuch 1704/1719 Freundemit dem ungerechtenMammon112 17.Sonntag nach Trinitatis Seht, so istdie falsche Welt Text:Salomo 23.September1725? Franck 1715

DieKantate „Seht, so istdie falscheWelt“ wäre demnachals mutmaßlich verschollene Franck-VertonungBachs zu diskutieren.113 Beiden beiden Kan- tatenaus demMeiningerZyklusließe sich freilich auchanweitere Vertonun- genvon Johann LudwigBachdenken. MitachtKantatenist dieser Zyklus übrigens dervon Birkmann meistverwendete. Gerade hier lohntaberein Blick auch aufjeneKantaten(-gruppen), derenAufführung Birkmann in Leipzigwohlbeigewohnthat,114 dieerdann aber nicht in seine Sabbaths- Zehnden aufnahm: Nebenden Kantaten vonJohann LudwigBach–hierist bislangnur eine einzigeÜbernahme gesichert115 –sinddieszwischenJubilate undTrinitatis1725die neun Dictum-Kantatenauf Textevon Christiane Marianevon Zieglerund zwischenWeihnachten 1725 undden Epiphanias- Sonntagen 1726 sechsKantatenaus Lehms’ GottgefälligemKirchen-Opffer.116

112 Birkmann beginnterstmit demzweiten Teil derKantate „Wer sich desArmen er- barmet“aus derKantate „MacheteuchFreunde mitdem ungerechtenMammon“ undfügtzudem noch andere Choräleein.Inwelcher Form dieKantate in Leipzig erklungenseinmag,könntenur durchdas Wiederauffinden desLeipziger Text- drucks geklärtwerden. 113 DaßBachimsogenanntenDritten Jahrgang Franck-Kantatenaufführte,die nicht auffrüherenWeimarerVertonungenberuhten, istfür drei Werkegesichert. In chro- nologischerFolgesinddas zum 9. SonntagnachTrinitatis(29.Juli1725):„Tue Rechnung!Donnerwort“ BWV168;zum 13.Sonntag nach Trinitatis (26. August 1725): „Ihr,die ihreuchvon Christonennet“ BWV164;und zum 3. Sonntag nach Epiphanias (27. Januar 1726): „Alles nurnachGottesWillen“ BWV72. K. Hof- mann ziehtdie Franck-Kantate zum17. Sonntag nach Trinitatis in seiner Studie zu BachsWeimarerKantatenkalender nichtinBetracht(sieheBJ1993, S. 21). 114 MitMariaeReinigung 1726 beginntdiese Serievon 17 LeipzigerAufführungen vonKantatenJ.L.Bachs. 115 „Durch sein Erkenntnis wird er,meinKnecht“,1.Sonntag nach Trinitatis. 116 G. C. Lehms, Gottgefälligs Kirchen-Opffer in einem gantzenJahr-Gange Andäch- tigerBetrachtungenüberdie gewöhnlichen Sonn-und Festtags-Texte,Darmstadt 1711.Überdie Gründe läßt sich nurspekulieren;vielleicht waresder bisweilen schwülstigeStildes DarmstädterHofdichters –spürbar besondersinder Kantate „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“BWV 170, wenigerinBWV 35 undBWV C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 41 DaßBirkmann keinen einzigen Text vonChristianeMarianevon Zieglerüber- nahm,ist besondersauffällig.Obdiesdamit zusammenhängt, daßdie wohl theologisch begründetenDivergenzen zwischenBachund derDichterinaus demKreis um Gottschedunter denstudentischen Theologen-Musikerndis- kutiertwurden, seivorerst dahingestellt.Bachs Vertonungenzeigenjedenfalls gerade beiihren Libretti markante EingriffeinZieglersText.117 Befragtman die Sabbaths-Zehnden hinsichtlich weiterer möglicherweisein Leipzigeraufgeführter–unbekannter–Kantaten, so ergibt sich aucheine Klärungzuder nurtextlicherhaltenen Kantate„Liebster Gott,vergißt du mich“BWV Anh. I209.Das Libretto dieser Kantatezum 7. Sonntagnach Trinitatis stammt ausLehms’ GottgefälligemKirchen-Opffer (1711).Bekannt warbislang,daß eine gegenüberLehms’JahrgangabgewandelteFassung der Kantateam6.Februar 1727 zurGedächtnisfeierfür denverstorbenen Grafen Johann Christophvon Ponickau (1652–1726) erklang. DerBefundist kom- pliziert unddie Fragenachdem Komponistenwirdfür beideFassungendes Textsdiskutiert.118 DieÜbernahme derSonntagskantate in die Sabbaths- Zehnden macht es nunaberwahrscheinlich,daß tatsächlicheineKomposition für Leipzigangenommenwerden kann.119 Birkmann übernimmt dieoriginale Textfassung, nicht dieBearbeitung alsTrauermusik für Ponickau.120 Wasdas

Anh. I209 –, derdazuführte, daßBirkmann hier mitÜbernahmenzurückhaltend war. Er entschiedsichbei diesen sechsSonntagen jedenfalls für Choralkantaten- Texte, eine Kantateaus demFranck-Zyklus sowieeigeneDichtungen. 117 Der1729erschienene Druck Versuchingebundener Schreib-Art zeigtbekannt- lich nichtdie BachschenLesarten;dazuzuletzt:U.Konrad, Aspekte musikalisch- theologischenVerstehensinMariane vonZieglersund Johann Sebastian Bachs Kantate„Bisherhabtihr nichts gebeteninmeinem Namen“ BWV87,in: AfMw 57 (2000), S. 199–221;M.APeters, Areconsideration of Bach’sroleastextredac- tor in theZiegler cantatas,in: Bach.The Journalofthe RiemenschneiderBach Institute36(2005), S. 25–66; sowieders., Awoman’s voiceinbaroque music, Aldershot2008. 118 K. Hofmann, Bachs Kantate„Ichlasse dich nicht, du segnestmich denn“BWV 157. ÜberlegungenzuEntstehung, Bestimmung und originaler Werkgestalt,BJ1982, S. 51–80. 119 Auch wenn hierfür nach wievor –wie auchfür diePonickau-TrauerfeierinPom- ßen–keinKomponist namhaftgemacht werdenkann.Birkmann warübrigensmit demSohn(Johann FerdinandCasimir,1711–1778)des verstorbenen Ponickau be- kannt, jedenfallshat sich dieser am 3. April1726inseinStammbucheingetragen. 120 Fürdie TrauerfeierAnfang1727mußtendann Textpassagenvon Lehms, diemit diesem Evangelium assoziiert sind,abernicht zu einerTrauerfeierpaßten, ge- ändert werden. Eine Gegenüberstellungder Textefindet sich beiHofmann (wie Fußnote118), S. 62–64, undbei M. Petzoldt, Bach-Kommentar. Theologisch- musikwissenschaftlicheKommentierungder geistlichen Vokalwerke Johann Se- bastianBachs,Bd. 1(DiegeistlichenKantatendes 1. bis 27.Trinitatis-Sonntages), 42 Christine Blanken Aufführungsdatum betrifft,sobleibtder Befund mehrdeutig: Entgegen Lehms wird derTextbei Birkmann dem15. Sonntag nach Trinitatis zugeordnet.121 Eine Aufführung an diesem Sonntag istdamit wahrscheinlich,daBirkmann eine Kantatenie anders zuordnete, alseresinLeipzig erlebthatte.122 In Über- einstimmungmit demKalendarium könnte dieKantate also am ehestenam 16.September1725aufgeführtwordensein.123 Dieinder Bach-Forschung seit jeherstrittige Frageverschollener Leipziger Kantaten Bachswirddurch zwei Kantaten ausPicanders Textdruckvon 1728 (Cantaten aufdie Sonn-und Festtage durch dasgantzeJahr124)erneutauf- geworfen:Für diebeidenSonntagenachOsternhat Birkmann aufzweiLib- rettizurückgegriffen,für diebislang eine Erstveröffentlichung in Picanders Druckangenommenwurde.WennBach–oderein namentlich nichtbekannter andererKomponist –diese Textebereits 1727 in Musikgesetzt habensollte, wofür nuneiniges spricht, dann wäre einBeleg dafür gefunden,daß der Drucklegungdes Picander-Jahrgangszumindest einzelne Kantaten vorausge- gangensind. WelcheKonsequenzendiese Feststellung hat, läßt sich unschwer ermessen,dennder Großteil derBachschen VertonungennachPicander1728 istnicht in Originalquellenüberliefert.Die LückeninBachs Aufführungs- kalender von1726/27ließensichhypothetisch dann teilweisemit Picander- Vertonungenfüllen.125

Kassel 2004 (Schriftenreiheder InternationalenBachakademie Stuttgart. 14.), S. 160–163. 121 DieKantate paßt nichtunbedingtbesserzum Evangelium des7.Sonntagsnach Trinitatis,zuwelchem sievon Lehmsvorgelegt wurde (imentsprechenden Evange- lium,Markus8,1–9,gehtesumdie Speisung derViertausend,die in derKantate aber nurals Hintergrundbild wirksamwird).Der Kernsatzder Kantatekorreliert ebenso gutmit demEvangelium zum 15.Sonntag nach Trinitatis:„Sorget nichtum euer Leben, wasihr essenund trinkenwerdet,auchnicht um eurenLeib“ (Matthäus 6,15). Lehms beschreibtganzallgemein einoftmals vergessenesVertrauenauf die FührungGottesinallerlei äußerlichen (Hunger) undinnerlichen Nöten(Trost- losigkeit), dieden leidendenChristenanseinemGottvertrauenzweifelnlassen. 122 MitAusnahmeeinzelnerArien in denKantatenzum 24.und 26.Sonntag nach Trini- tatis, dieabernichtLeipzigerProvenienzseinkönnen, wiebereitsausgeführtwurde. 123 Mindestensvom 2. Septemberbis 2. Oktober1725hielt Birkmann sich in Halle undWittenbergauf,bei derpotentiellenAufführungam16. September kann er demzufolgesicher nichtmitgewirkthaben.Für 1726/27ist eine Aufführung an diesen Sonntagen ausgeschlossen:1726fiel der15. Sonntag nach Trinitatis aufdas Michaelisfest(es wurde„Es erhub sich einStreit“ BWV19aufgeführt) und1727 befand sich Birkmann zu dieser Zeit bereitswiederinFranken. 124 Leipzig 1728,später in PicandersErnst-schertzhaffteund satyrische Gedichte, Bd.4(1732) erneut abgedruckt. 125 So istetwadie Estomihi-Kantate „Sehet,wir gehn hinaufgen Jerusalem“ BWV159 nurinspäterenAbschriften überliefert, diekeine Rückschlüsse aufdie Entstehungs- C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 43 Zu dieser Gruppe würdenzweiPicander-Texteinden Sabbaths-Zehnden pas- sen, derenVertonungennicht erhalten sind.Mit Berücksichtigung vonLücken im AufführungskalenderkommenfolgendeDatierungeninBetracht:

Quasimodogeniti Welt,behalte du dasDeine Text:Picander 20.April 1727? 1728,S.127 MisericodiasDomini Ichkann mich besser nicht Text:Picander 27.April 1727? versorgen 1728,S.129

Da BirkmannsVorwort vom26. Oktober1728datiert,also wenige Monate nach PicandersDruck (Vorwort:24. Juni 1728)erschienund es bisauf Druck- fehler keineTextvariantengibt, wäre es prinzipiell möglich, daßBirkmann in Hersbruckein gewissermaßendruckfrisches ExemplarinHändengehalten hat.Andererseitsgibtesbislang keinen Anhaltspunktdafür,daß Birkmann überhauptSchriften vonPicanderbesaß;jedenfallsfehlensolcheinder Bib- liothecaBirckmanniana –ebensowie auch dieDruckausgaben zu denZyklen Meiningen1704/1719,Lehms 1711,Neumeister1711oderFranck1715.126 Birkmann wird denPicander-Kantaten also bereits1727, vorihrer Druck- legung,inLeipzig begegnet sein.Einstweilen mußdie Existenz verscholle- nerPicander-Kantaten aber dennochhypothetischbleiben.127 Es kann indes kein Zweifelbestehen, daßgeradedie beiden Kantaten zu Quasimodogeniti undMisericordias Domini in den Sabbaths-Zehnden Anlaßgeben,das ‚Picander-Problem‘ erneut zu überdenken. Ganz grundsätzlichsei an dieser Stelle betont,daß die Sabbaths-Zehnden in einemlückenhaften Aufführungskalender zurMusik an denLeipziger Hauptkircheninden Jahren 1725–1727keinesfallsdurchwegund bedenkenlos zurAuffüllungherangezogen werden können.Vielmehrkann ohne spezielle Anhaltspunktekeinerder übrigenTexte dieser Sammlungmit Bach oder auch

zeit desWerks zulassen;der gleicheFallgiltbei der Kantatezum 3. Ostertag „Ich lebe, mein Herze, zu deinem Ergötzen“BWV 145. An beiden Tagengibtesim Aufführungskalender desJahres1727eineLücke.Bei derdialogischkonzipierten Estomihi-Kantate BWV159 springtbei genauerBetrachtung desDruckbildsin Picander 1728 (übernommeninPicander1732) insAuge, daßinArieNr. 2(„Ich folgedir“mit Choral „Ich will hier beidir stehen“) dierasch abwechselnde Auf- teilung vonEinzelversenexakt derBachschen Vertonungentspricht. Picander scheintdie Vertonungbei derDrucklegung 1728 bereitsgekanntund derenAuf- teilungberücksichtigtzuhaben. 126 Zu denZyklen, dieinder BibliothecaBirckmanniana genanntwerden, sieheoben. 127 Überdies stehtauchhierdie Überlegung im Raum,obfür diePicander-Verto- nungenauchandere LeipzigerKomponisten in Fragekommen, sieheP.Wollny, Zwei Bach-Funde in Mügeln.C.P. E. Bach, Picander und dieLeipzigerKirchen- musik in den1730erJahren,BJ2010, S. 134f. 44 Christine Blanken mitLeipzig in Verbindung gebracht werden.Esist aber zu konstatieren,daß etlicheKantatenBachs geradeaus diesem Zeitraum alsverschollen gelten müssen.Alleinbei deninjedem Jahr wiederkehrenden Sonn- undFeiertagen fälltauf,daß in vielen Fällen bislangnur zwei Werkenachweisbarsind:

Quasimodogeniti: BWV42, 67 Rogate:BWV 86,87 Exaudi:BWV 44,183 3. Pfingsttag: BWV175, 184 2. SonntagnachTrinitatis: BWV2,76 5. SonntagnachTrinitatis: BWV88, 93,vielleichtauchBWV 97 6. SonntagnachTrinitatis: BWV9,170 18.Sonntag nach Trinitatis:BWV 96,169 Mariae Heimsuchung:BWV 10,147

HinzukommennochjeneSonn- undFesttage,bei deneneinedritteKan- tate erst in den1730erJahrenentstand. Daraus istmit fast zwingender Wahr- scheinlichkeit zu folgern, daßfür 1724–1727innichtunerheblichem Maße mitverschollenen Bach-Kantaten–oder aber mitweiterenAufführungen fremderWerke –zurechnen ist. Davonist nicht einmal nurein potentieller ‚Picander-Jahrgang‘betroffen,128 auchdem sogenanntenDritten Jahrgang fehlen zwischen zehn unddreizehnKantaten.129 Wiedem auchsei,die Sab- baths-Zehnden beinhalten einKorpusweiterervielleichtinLeipzig erklun- generKantaten; siemögen vonJohann SebastianBachoder–wie dieStücke zu Beginn derTrinitatiszeit1725vermuten lassen –von anderenKomponisten stammen.130

128 Fürden aktuellenForschungsstand unddie wichtigste LiteraturzudiesemseitJahr- zehntenkontroversdiskutiertenThema siehedie jüngsteZusammenfassung bzw. Neubewertung in BJ 2010,S.131 ff.(P. Wollny). 129 Zum2.–4.(undeventuell auchzum 24.–26.) SonntagnachTrinitatis, zu Mariae Verkündigung undMariaeHeimsuchung,zum Sonntag nach Neujahr, zu Epiphani- as undSexagesimae,sowie zum1.und 3. Ostertag.Die später nachkomponierten Kantaten „Freue dich,erlöste Schar“ BWV30und „Jauchzet Gott in allenLan- den“ BWV51sindhierbereits berücksichtigt. 130 Fragtman nach möglichen Kandidaten für eine Vertonungder in den Sabbaths- Zehnden versammelten Leipziger Kirchenmusik,sosollteder Name desBach- Schülers undspäterenPlauenerKantors Georg GottfriedWagner (1698–1756) nicht unberücksichtigt bleiben. Bach selbst charakterisiertihn in einemEmpfehlungs- schreibenam14. September 1726 als„in compositione wohl bewandert, hat auch verschiedene speciminaalhiermit gutemapplausuabgeleget“(DokI,Nr. 15); zu WagnersFähigkeiten sieheauchDok III,Nr. 56 a. Inwieferndas auch aufKirchen- musikzubeziehenist,ist ohne Kenntnis seiner Kompositionennicht zu sagen.Zu einermöglichen Verbindung zwischen Birkmann undWagner siehe Ehren-Denk- mal (wie Fußnote3), S. 24 (Andeutung eines Plauen-Besuchs). C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 45 III.Birkmann alsKantatendichter undmutmaßlicherLibrettistBachs

Nach derAuseinandersetzungmit derFrage,welcheKantatenBirkmann aus bereitsvorliegenden LeipzigerVertonungenübernommenhat,und welche Neuerkenntnissesichdaraus für BachsAufführungskalender gewinnen las- sen, soll Birkmann nunals möglicher Librettist Bachsinden Blick rücken. Es stellt sich dieFrage,obesmöglich ist, charakteristischeStil- undForm- merkmalejener Libretti zu extrahieren, diesicherbereits in Leipzigentstanden sind.Für dieses Unterfangenscheint es dienlich,einestatistische Standard- form in den Sabbaths-Zehnden festzustellen; dazu gehörenals äußere Krite- rien dieAnzahlund dieAbfolgeder Einzelsätze:Die Übersicht im Anhang zeigt, daßdie überwiegendeZahlder Textefünf- oder sechssätzig istund in derRegel miteinem Dictum (31) –etwas seltener miteiner Arie (17),einem Choral (16) oder einemRezitativ (6)–beginnt.131 DenBeschluß bildet in den meistenFällenein Choral.Inden Binnensätzenwechselnsichinzeittypischer WeiseArien undRezitativeab–was freilich noch wenigzur Charakteristik beiträgt.Entscheidendist vielmehr dieFrage,obdie Kantatemit einemBibel- wort beginnt, einemtraditionellenKirchenlied oder einemneu gedichteten Text. DieStandardformmit einleitendem Dictum können wirvon dernun folgen- denÜberlegungweitgehend ausschließen,daihreTexte entweder nichtvon Birkmann stammen(etwa 14)132 oder eine Bestimmung für Leipzigsogar aus- geschlossenwerden kann (8).133 Unterden Dictum-Kantatenohnenachweis- barenTextautor istkeine,für dieeineAufführunginLeipzig zwingend an- genommenwerden muß. Dieser Typuskann somitgenerellbeiseitegelassen werden,denneskristallisiertsichbei genauerer Analyseheraus, daßunter densicherinLeipzig aufgeführten Kantaten diemeisten miteiner Arie,einem Rezitativodereinem Choral beginnen.Zudem zeigtsichinden drei Form- typenüberwiegend eine einheitliche Perspektive: Siesindaus derSicht eines subjektiven„Ich“verfaßt.EineVerlagerung derText-Perspektivevon der

131 DiePassionwurde in dieseZählungeneinbezogen. In zwei Kantaten istder Ein- gangssatz alsMischform gestaltet(Choral/ArieinBWV 58 undArie/Rezitativ in BWV169). 132 Inklusiveder Nachweisevon Teilübernahmen fremderTexte (24./26. Sonntag nach Trinitatis)bzw.unbekannterDichter (BWV 6). 133 Entweder,weileszwischen1725und 1727 keinen Sonn-oderFeiertaggab,andem eine solche Kantatehätte aufgeführt werden können,oderweildieserTag in Leip- zignicht mitFiguralmusikbegangenwurde oder –ein etwasweniger zwingendes Argument –weildie KantateChoräleenthielt, dieinLeipzig unüblich waren(nicht im Dresdner Gesangbuch).Insgesamt trifft dies auf20Kantateninden Sabbaths- Zehnden zu. 46 Christine Blanken theologisch-inhaltlichenFigur hinzueinem seelischen Geschehenentspricht pietistischerDenkungsart,ist fürBachs Kantatentexteallerdings derAus- nahmefall. Solche„Ich“-Kantatensindfreilich keineErfindungBirkmanns, siebegegnenvereinzeltauchbei Lehms, Franck oder Picander.134 DieseStilistik istfür Birkmann einerseits richtungweisend,wirdandererseits indeseiner zusätzlichen‚pietistischenUmfärbung‘unterzogen. In dieser Les- artkann es kaum alsZufallbegriffen werden,daß am 8. September1726die Lehms-VertonungBWV 35 („Geistund Seelewirdverwirret […] ich wundre mich“) zurAufführunggelangt,indie Sabbaths-Zehnden Eingangfindet und wenige Wochen später voneiner Anzahl ähnlicherLibrettiergänzt wird.135 DieIdentifizierungvon Birkmannsmutmaßlicheigenen Dichtungengelingt letztlichabernur durchweitere stilistische Binnen-Differenzierung im Text- korpus selbst.Esist einsubtiler,aberdochmerklicher Unterschied,

–obdas „Ich“etwaein Gegenüberadressiert:

„Ich wollte dir, oGott, dasHerze gernegeben“BWV 163(Franck) „Hilf, Jesu,daß ich auchdich bekenne“ BWV147 (Franck) –obesobjektivüber/von sich spricht:

„Ich fürchte mich vortausend Feindennicht“BWV 149(Picander) „Geist undSeele sind verwirret, …ich wundre mich“BWV 35 (Lehms) –oderaberobessubjektiv über sich selbst reflektiert undgleichsam zu sich selbst spricht.SolcheSelbstredekann auchdialogischer Natursein, wenn ‚zweiSeelen‘ im Selbst miteinanderinZwiesprache treten.Teilweise entfaltet sich derDialogauchzwischeneiner „gläubigenSeele“und „Jesus“(Dialog- kantate):

18.Sonntag nach Trinitatis „GottsollalleinmeinHerze haben“BWV 169 19.Sonntag nach Trinitatis „Ich will denKreuzstab gernetragen“ BWV56 20.Sonntag nach Trinitatis „Ich gehund suchemit Verlangen“ BWV49(Dialog) 21.Sonntag nach Trinitatis „Was Gott tut, dasist wohlgetan“BWV 98 22. SonntagnachTrinitatis„Icharmer Mensch,ich Sündenknecht“BWV 55 23.Sonntag nach Trinitatis „Falsche Welt,dir trau ich nicht“ BWV52

134 M. Märker, Dieprotestantische DialogkompositioninDeutschland zwischen Heinrich Schützund Johann SebastianBach. Einestilkritische Studie,Köln1990, S. 105–149. Hier findensich Typisierungenvon verschiedenenSpielartengeist- lich-musikalischerDialoge. 135 Auch denLehms-Text„Liebster Gott,vergißt du mich“BWV Anh. I209,der vielleicht bereits1725inLeipzig erklungenwar,nimmt Birkmann in seinen Zyklus auf. In dieser Kantatekehrt dieTextzeile „Esist genug,HerrJesu, laßmich sterben“ an mehreren Stellenmottohaft wieder.Genauso verfährt Birkmann dann mitder Titelzeile „GottsollalleinmeinHerze haben“ zu Beginn seiner Solokantaten-Serie. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 47 DerAufführungskalender zeigthiervom 18.bis zum 23.Sonntag nach Trini- tatis1726als letzteKantatengruppeimKirchenjahr 1725/26einefortlaufende Folgevon selbstreflexiven„Ich“-Kantaten.136 BWV98scheint aufden ersten Blickherauszufallen, jedoch handeltessichhiernicht wiebei dengleich- namigenSchwester-KantatenBWV 99 undBWV 100umeineChoralkantate. DasWerk fügt sich vielmehr in seinem intimenSolo-Charakter mitArien wie „Hört, ihrAugen, aufzuweinen! Trag ich doch mitGeduld mein schweres Joch“stilistisch vollkommen in dieobige Umgebung.Die vorstehend vorge- nommene stilistische Gruppierungeinerseitsund dieauffällige Chronologie andererseits lassen dieVermutungzu, daßhiervon einerHandstammende, genuineNeudichtungenvorliegen.137 BeidiesemAutor dürfte es sich um Birkmann handeln: SeineDichtungensind, um noch einmal dasVorwort zu zitieren,ineiner introspektiven Situation, nämlich„am Tage desHERRN bey meiner Privat-Andacht verfertiget“.138 Ferner spricht er selbst voneiner sti- listischen Differenzzwischenden „gottseligen Dichtern deralten Kirchen- Gesänge“und seinen eigenenGedichten,die möglicherweisenicht die„gleiche Stärcke“hätten–wasman ihm aber –einegattungstypischeLizenz–ver- zeihen möge.Dafür habeer„hochtrabendepoetische“Gefühle vermeiden und „liebermit derSchrifft“ redenwollen.139 Nunbestehendie „Ich“-Kantaten na- türlich gerade nichtaus Bibelworten–umgekehrt wäre aber nursoBirkmanns Apologie auchüberhaupt nötig. Bemerkenswert ist, daßAlfredDürrinallen obigen sechsFällendem „unbekanntenTextdichter“eine„besondereNähe“ zum Evangelium desjeweiligenSonntagsattestiert.140

136 Eine Kantatezum Reformations-Jubiläum am 31. Oktober, dieinLeipzig in der SeriedieserTrinitatis-Sonntageobligatorisch war, gibt es beiBirkmann nicht; dieser Gedenktagfehlt übrigens in anderenuntersuchtenNürnbergerZykleneben- falls. 137 Während bislangformale KriterieneineZusammengehörigkeit belegenkonnten, bestehen beider Frageder sprachlichen Stilistik oder derimmanentenTheologie derLibrettigrößere Unsicherheiten. GermanistischgeprägtePublikationen zu die- semThema beziehen sich bislangvor allemauf einenVergleich zwischen Texten namentlich bekannterDichter, etwa H. Streck, DieVerskunst in denpoetischen Texten zu denKantaten J. S. Bachs,Hamburg 1971 (Hamburger Beiträge zurMu- sikwissenschaft.5.). Lediglich dieaufschlußreichenVergleichebei F. Zander (Die Dichter derKantatentexte Bachs,BJ1968, S. 9–64) beziehen auchTexte unbe- kannterDichter ein. 138 Sabbaths-Zehnden,Vorrede,S.[7]. 139 Ebenda, Vorrede, S. [8–9]. 140 Dürr KT,S.636,646 undöfter.Innerhalbdes heterogenensogenanntenDritten JahrgangsgeltennachDürrals Merkmale dieser Gruppe:a)ein instrumentales Concerto anstelle einesEingangschores;b)Kantaten, beidenen nuramSchluß einChoralvorkommt,c)Solo-Kantaten ausder „Ich“-Perspektivesowie d) text- licheVerklammerungzwischenSätzen(S. 56–61). 48 Christine Blanken DasAuftaucheneines neuen Librettisten in Gestalteines jungen, theologisch ambitionierten undliterarischwie musikalischgebildeten Studentenfügtsich insgesamtgeradefür dasJahr1726gut in einbis dato vonvielenWechseln geprägtesund äußerstheterogenes kirchenmusikalisches Jahr.ZudieserZeit dürfte sich beiBachbereits derÄrger über dieveränderten kirchenmusika- lischenBedingungen(resultierend ausder zu seinen Ungunstenveränderten Schulordnung derThomana)bemerkbargemacht haben.141 An denmeisten Sonntagen ließ er jedenfalls Kantaten vonJohann LudwigBachaus Meiningen aufführen.142 Hinzu kamendann zum7., 8.,10. und14. SonntagnachTrinitatis 1726 einige Bachsche Vertonungennachdemselben,auchvon J. L. Bach ver- wendeten Meininger Textzyklus (BWV187, 45,2und 17). Zu Karfreitag wurde dieaus Weimar mitgenommene(vermutlich vonGottfried Keiser stammende) Markus-Passion in einerPasticcio-Variante aufgeführt.Weitere Vertonungen Bachsinder Trinitatiszeit143 1726 gehenschließlich aufBearbeitungenvon Texten Picandersund Neumeisterszurücksowie aufeinen einzelnenText desEisenacherDichtersJohann FriedrichHelbig,auf denBachvielleicht durcheineTelemann-Vertonungaufmerksam geworden war.144 Gerade dieletztgenanntenTextzusammenstellungensuggerierenfolgende Gepflogenheiten BachsinLeipzig: Bereitsgedruckte Zyklen wurdenvon ihm kaum verwendet;vielmehrwurde dieKonzeptioneiner Kantatevon ihm mit- bestimmt,was zurFolge hatte, daßbereits vorliegendeältereTexte fürseine Zwecke passend gemachtwerden mußten.Pragmatisch gesehendürftedie Herstellungeines Heftes mit Texten zurLeipzigerKirchen=Music leichter gewesensein, wenn dafür im Idealfallnur eineinziger AutoroderKompilator verantwortlich war. Wenn derBefundfür dieSonntagevor dem18. Sonntag nach Trinitatis nicht täuscht,dann warChristoph Birkmann bereitsfür die BearbeitungennachPicander, Neumeister undHelbigverantwortlich. Bach konnte sich hier vonden Fähigkeitendes 23jährigen überzeugen.Erstmit der Kantatezum 18.Sonntag nach Trinitatis gabesbei Bach dann in mehrfacher Hinsicht eine Neuorientierung.Daß hier Birkmannssubjektiv-introspektive Dichtungenmotivierend waren, stehtaußer Frage. Ob eine Einflußnahmevon dritterSeite angenommenwerden kann,sei später diskutiert.

141 M. Maul, „DeroberühmbterChor“.Die LeipzigerThomasschuleund ihre Kan- toren (1212–1804),S.167–208. 142 Mitwenigen Unterbrechungenwar dasvon Mariae Reinigungbis einschließlich zum13. SonntagnachTrinitatisder Fall. 143 15.Sonntag nach Trinitatis 1726/Michaelis(BWV19, Picander-Bearbeitung), 16. Sonntag nach Trinitatis (BWV 27,Neumeister-Bearbeitung). 144 17.Sonntag nach Trinitatis (BWV 47), siehe Zander (wie Fußnote137), S. 20.Vgl. diegleichnamigeKantate vonTelemann ausdem „SicilianischenJahrgang“1722/23 (TVWV1:1603). C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 49 Es deutet einigesdaraufhin,daß Bach mitBeginndes Jahres 1727 dieSerie vonSolokantatenvom Ende derTrinitatiszeit1726mit BWV58, aufgeführt am 5. Januar 1727 undBWV 82,aufgeführtam2.Februar 1727 fortsetzte.Er sahsichoffenbardankder Mitwirkung fähigerStudenten in dieLageversetzt, in denLeipziger Hauptkircheneineanspruchsvolle, fast durchwegsolistische Figuralmusik zu präsentieren –weitgehendunabhängigvon deraktuellen Quantitätund Singfähigkeitder Ersten Kantorei.145 Fürdie dafür nötigen kontrastierenden instrumentalen Dispositionenstandenihm unterden Studen- tenoffenbar fähige Kräftezur Verfügung. Zwei Studentenerhielten in dieser Zeit mehrfachGratifikationen fürihreMitwirkungbei derKirchenmusik– am 6. September1725, 14.September1726und 18.Juli1727der BassistJo- hann ChristophSamuelLipsius undam8.Oktober 1726 derGeigerGeorg GottfriedWagner.146 Vielleichterklärengeradediese zusätzlichen instrumen- talen Besetzungsmöglichkeiten auch, warumBachdann zu Karfreitag 1727 überhaupt in derLagewar,einedoppelchörigePassion zu disponieren. Bachssolistische Epiphanias-Vertonungenfinden ihre Entsprechungineiner zweitenGruppevon „Ich“-Kantaten in den Sabbaths-Zehnden:

SonntagnachNeujahr:„AchGott, wiemanches Herzeleid“ BWV58(Dialog- kantate) Epiphanias:„Verschmähe nichtdas schlechteLied“ (Dialogkantate) 1. Sonntag nach Epiphanias:„Ichbin betrübt; Ach, wenn ich dich“(Dialogkantate) 2. SonntagnachEpiphanias: „Ihr Sorgen,lassetmichzufrieden“(Solokantate) 3. SonntagnachEpiphanias: „Ich will,sowie mein liebster Gott“(Solokantate) Mariae Reinigung(=4.Sonntag nach Epiphanias1727):„Ichhabegenung“ BWV82(Solokantate)

Diesesechs Kantaten sind –bei allerVorsicht,die gebotenist,dawir vier der Vertonungennicht kennen –wiederuminallen Sätzen solistisch konzipiert undstellen wieinder Trinitatis-Gruppeeinen Anima/VoxChristi-Dialog oder eindurchgängiges „Ich“ins Zentrumeines jedenWerkes.147 Da beideSerien innerhalb desgesamtenTextkorpusder Sabbaths-Zehnden eine Sonderstel-

145 Zu fragen wäre ferner,obTelemanns solistischer Jahrgang HarmonischerGottes- dienst,dessenersterTeiljustzudieser Zeit veröffentlicht war(TelemannsVor- berichtdatiert vom19. Dezember 1725), Bach beeinflußtodermotiviert haben könnte. 146 BeiWagnerhebtBachineinem GutachtenaußerdemnochFähigkeiten aufder Orgel, demClavier unddem Violoncello hervor (Dok I, Nr.15).Inden Jahren 1725–1727ist außerdemnochmit der Mitwirkung einigerPrivatschüler Bachszu rechnen: Heinrich Nikolaus Gerber (Orgel/Continuo),Friedrich Gottlieb Wild (Geige)und Christoph GottlobWecker(Flöte). 147 FürBWV 58 hat bereitsZander(wieFußnote137,S.57f.) eine –textmotivische und-stilistische –Verwandtschaft mitder Kreuzstab-Kantatefestgestellt. 50 Christine Blanken lung einnehmen, istdieserBefundauffällig, denn bereitsdie folgenden zwei Kantaten zum4.und 5. SonntagnachEpiphanias habenwiederumdie oben genannte Normalform miteinem Dictum alserstemSatz. Es entspricht derfor- malenDifferenz zu dengenannten Sechser-Serien,daß beideKanta- ten(„Erwecke dich,Herr, warumschläfest du“und „Wie lange liegestdu, Fauler“) nichtfür Leipzig bestimmt gewesenseinkönnen, da dieseSonntage bereitsdurch Aufführungenbelegtwaren oder im liturgischenKalender nicht vorkamen.148 Bemerkenswert istindiesemZusammenhangfolgender Befund zum 1. Sonn- tagnachEpiphanias:Die fünfsätzige Kantate„Ich binbetrübt“beginnt wiein BWV52mit einemRezitativ undenthält wiesämtliche Kantaten derwohl aufBirkmann zurückgehenden Trinitatis-Gruppevon 1726 keinen wörtlichen Bibeltext. Es handeltsichwie beiden schon genanntenKantatenwiederumum eine dialogisch angelegteKomposition,auchwenndie Sätzenichtmit Jesus/ Seeleüberschrieben sind.Der vorletzte Satz („ARIA.à2“) istdas füreine DialogkantatetypischeDuett,und im RezitativNr. 3ist einEchoeingefügt. Genaudiese Kantatefindet sich später in einemSchweinfurter Textzyklus von1744/45 wieder,der offenbar vonBachs Neffen Johann EliasBachan derdortigenJohanniskircheaufgeführtwurde.149 DieTexte stimmenvoll- ständigüberein;neben denHinweisen aufein Echo in Nr.3findensich zudem noch Besetzungsangaben: Demnachwurde in SchweinfurteineVertonung für Cantound Bassosoloaufgeführt. DieexpliziertenZusammenhänge be- stärkendamit dieAnnahme einerzweiten SerieBach/Birkmann.Eswäre vorstellbar, daßdie LeipzigerQuellenüberlieferungheute nurdeshalb unvoll- ständigist,weilNotenmaterial nach Schweinfurtgelangte. Bach engagierte seinen Neffen Johann Elias1737als persönlichen Sekretär –denkbar also, daßdiesereinigeKantatennachSchweinfurt mitnahm, denn Bach warjafür FreigiebigkeitimVerleihseinerKompositionen bekannt.150 Dies könnte muta- tismutandisauchfür diedreianderen „Ich“-Libretti derEpiphanias-Gruppe

148 1727 fiel der4.Sonntag nach Epiphanias mitMariae Reinigungzusammen. 149 P. Wollny, Dokumenteund Erläuterungenzum Wirken Johann EliasBachs in Schweinfurt,LBB 3(2000, 22005), S. 45–73, Anhang,S.58–73(insbesondere S. 61). Daßdie Kantateetwas mitder LeipzigerVertonung zu tunhaben könnte, konnte zum damaligenZeitpunkt aufgrund derfehlenden Informationen zum Birk- mann-Jahrgangnicht vermutet werden. 150 Am 28.Januar1741schreibtbesagterJohann EliasBachanden Ronneburger Kantor Johann WilhelmKoch, derihn gebetenhatte,ihm eine Bachsche Solo- kantatefür Baßauszuleihen, daß„derHerrVetterdie ausgeschriebenen Stimmen einemBassisten,Nahmens Büchner, geliehen, dersie ihm noch nichtzurücke ge- schickt; diepartituraberwillernicht ausden Händen geben, weil er aufsolche Artschon um vieleSachengekommenist“(DokII, Nr.484); zu weiteren Doku- menten zum LeihverkehrBachs mitKantorKochinRonneburgsiehe M. Maulund C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 51 zutreffen, so daßinsgesamt vier verschollene Bach-Vertonungenmöglich er- scheinen –allerdings nurunter derVoraussetzung, daßall dieseTexte auch wirklich füreineVertonung durchBachbestimmtwaren.Hierfür sprechen die Vollständigkeitder Trinitatis-Serie sowieder Schweinfurter Textfund.Da- gegenstehenimmerhin diebeidenletztenTexte der Sabbaths-Zehnden:Zwei Dialogkantaten zumTageSt. Matthäi undzum Tage Simonis undJuda(siehe Anhang). DieseFesttage wurdeninLeipzig traditionell ohne Figuralmusik be- gangen. DenBeginnder fruchtbarenZusammenarbeitBachs mitBirkmann darf man sich offenbar nicht in GestaltganzerKantatenvorstellen. Wie bereitserwähnt, tauschtBirkmann in den Sabbaths-Zehnden gelegentlich Sätzeinvorhande- nenLibrettiaus oder fügt andere Choräleein.IndiesemZusammenhangtritt auchdie Johannes-Passioninden Blick.Mit demTextzur zweitenFassung 1725 istgewissermaßen dasprominenteste Bach-Werk in die Sabbaths-Zehn- den eingebunden worden (siehe Abb. 2).Die Passionsdichtung enthältdreizu- sätzliche Arien:

„Himmelreiße,Welterbebe“ mitChoral „Jesu, deinePassion“ BWV245/11+ „Zerschmettert mich,ihr Felsen undihr Hügel“ BWV245/13II „Ach,windeteuchnicht so,geplagteSeelen“BWV 245/19II ZurZeitder Entstehung derJohannes-Passion beziehungsweiseihrer ersten Aufführung zu Karfreitag 1724 warBirkmannnochnicht in Leipzig. Die Kompilation desTextesaus denverschiedenen Vorlagen kann demnachnicht vonihm stammen. Er selbst behauptetimVorwort,auf diePassionvon Barthold Hinrich Brockeszurückgegriffen zu haben,und meintdamit die fraglichen Arienaus derPassion Derfür dieSündeder Welt gemarterte und sterbende Jesus,die bereitsanKarfreitag 1724 in BachsTextfassung der Johannes-Passion integriert waren. Es stellt sich somitabernochdie Frage, ob Birkmann für dieobengenanntendreiArien alsVerfasser in Fragekommt. Seit einigerZeitgeltendiese Texteals Bestandteile einerverschollen ge- glaubten „WeimarerPassion“BC[D1]. Wenn siealsoschon älterenUrsprungs sind,scheint sich dieprinzipielleFrage zu erübrigen, ob Birkmann siever- faßt haben kann.Soeinfach istdas Problemindes nicht zu lösen, denn die Hypothese, daßdie drei Arienzusammenmit denRahmensätzen, dengroßen Choralbearbeitungender Johannes-Passion von1725, Weimarer Ursprungssind, stehtauf unsicherem Grund. Hierfürsprechen im wesentlichen nur: 1) eine QuittungübereineZahlung an Bach,der 1717 in GothainVertretungfür denerkranktenHofkapellmeisterWittwomöglicheineeigenePassion auf-

P. Wollny, Quellenkundliches zu Bach-AufführungeninKöthen,Ronneburg und Leipzigzwischen1720und 1760,BJ2003, S. 100–110. 52 Christine Blanken führte,151 2) dervereinzelte Hinweis einesBiographendes 19.Jahrhunderts (CarlLudwigHilgenfeldt),152 daßeineder fünf PassionenBachs bereitsinWei- markomponiertwordenseinsoll, sowie3)der Umstand, daßdie cantus firmi derChoralsätze angeblichkeine in Leipzigüblichen Fassungenwiderspie- geln.153 DieseArgumente erscheinen in demneuen Licht undinder Zusam- menschau mitder fürBirkmann anhand derSolo- undDialogkantaten um BWV56herausgearbeitetenStilcharakteristik wenigzwingend.Daß Bach ChoräleineinepolyphoneKompositionstechnik einbindetund dabeimodifi- ziert, istbekannt. Viel bedeutsamer istallerdings derUmstand,daß dieTexte derinder zweitenFassung vonBWV 245hinzugefügten ArienBirkmanns möglicheHandschrift tragen unddaß dasDatum vonderen Erstaufführung am 30.März1725zeitlichgenau paßt.Passagenwie „Sehetmeine Qual und Angst“ ausder Arie „Himmelreiße“BWV 245/11+ oder „wie freventlich, wie sündlich,wie vermessenhab ich,oJesu, dein vergessen“ ausder Arie „Zer- schmettert mich“BWV 245/13II etwa fügensichinihrem je zweifachen Selbst- bezuggut in Birkmannssichherausbildenden Stil.Nochüberzeugender wirkt dieBeobachtung,daß dieneuen Arienzur zweitenFassung vonBWV 245 mehrfachmathematische Bilder verwenden undBirkmann um 1725 noch Ma- thematiker war. In derArie„Himmelreiße“werdenJesuSchmerzen„gezehlt“, undinder Arie „Ach windet euch nichtso“ BWV245/19II heißtesmit mathe- matischinspirierterReflexion über dieunendlich großeSündhaftigkeit des Menschen:

Könntihr dieunermeßne Zahl derhartenGeißelschläge zählen, so zählet auch dieMenge eurerSünden, ihrwerdet diesegrößerfinden.

151 E.-M.Ranft, Ein unbekannter Aufenthalt Johann Sebastian BachsinGotha?,BJ 1985,S.165 f.;A.Glöckner, Neue SpurenzuBachs „Weimarer“ Passion,LBB 1 (1995),S.33–46.Glöcknerzieht alsmöglichen Bestandteileiner solchen Passion noch drei Sätze ausBWV 55 heran, da dieEigenschrift Bachs(P105)abSatz3 einenstärker reinschriftlichen Charakterhabeund dieOriginalstimmen (St 50) nurinden ersten zwei Sätzen vondieserPartitur abzuhängenscheinen. DerEin- schätzung Glöckners,daß dieArie„Erbarmedich“BWV 55/3 kompositorisch Weimarer Züge trage, widerspricht Petzoldt (wie Fußnote120), S. 629f. 152 A. Dürr, Zu denverschollenen PassionenBachs,BJ1949/50,S.92–99. 153 A. Mendel, Traces of thePre-HistoryofBach’sSt. John andSt. MatthewPassions, in:Festschrift Otto ErichDeutsch,Kassel1963, S. 31–48; ders., More on theWei- marOriginofBach’s„OMensch, bewein“,in: JAMS 17 (1964),S.203–206.Daß dievermuteteWeimarerHerkunft derArie„Himmel, reiße“ einernäheren Unter- suchungnicht standhält, formuliert M. Rathey in seinem Aufsatz ZurChronologie derArie„Himmel reiße“ in derzweitenFassung derJohannes-Passion(BWV 245/11+),BJ2005, S. 291–300. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 53 Warumdie Neukonzeptionnur einJahrnachder ersten Aufführung derJo- hannes-Passion stattfand, blieb bislangein Rätsel.InderZusammenschau derBirkmann-Vertonungen, dieinder „Ich“-Konzeptionjageradedas Emp- findenfür dieeigeneSündhaftigkeit insZentrum stellt,gehörendie beiden –von Birkmann undBachgemeinsam gewählten? –Choräle genau in dieses ‚Programm‘.Ein Wechselder theologischenPerspektive istdurchausschon miteinem Austausch derEcksätze undzentraler betrachtender Arienzuer- zielen,vielleichtaberweniger alsEffektdennals intendierter Zweckder Be- arbeitungzucharakterisieren. In derscholastisch-klerikalen Theologie des Hochmittelalters firmiertGottals Weltenherrscher, derdie nötige Sünden- Satisfaktioninder Passionsogleich selbst übernimmt unddadurch seinevolle Größeoffenbart –das Themades Eingangschores vonFassung I. Dieauf- klärerisch-idealistische Philosophie desSubjektsder Neuzeit hingegen,als derentheologischeSpielartder Pietismussichzeigt,verlagert gegenteiligdie Sünden-Problematik in dieeigeneSeele.Die Ersetzungdes Eingangs „Herr, unserHerrscher“durch denoffenbarzum Zweckeiner theologischenNeu- ausrichtungkomponiertenChor„OMensch, bewein dein Sündegroß“ (der dann seineendgültige Verwendung in derspäteren Matthäus-Passion findet), entspricht genaudieserBewegung. Ebenso derAustausch der„Erwäge“-Arie, wo Jesu „blutgefärbter Rücken“ dieSünden-Sintflutfortspült undeineim RegenbogenaufblühendeSarons-Rose derenendgültige Tilgungversinnbild- licht, gegen „Ach windet euch nichtso“ in FassungII, wo dieZahlder Geißel- schlägedie umso größereMenge derSündenmit mathematischer Präzision überhauptersterkennenläßt. Allesandereals ein„unlogischer Notbehelf“154 istauchdie Einfügungder Arie „Himmelreiße“nachdem Choral „Wer hat dich so geschlagen“–heißt es doch in dessen zweiterStrophe:„Ich,ich und meineSünden“.Diese Erkenntnis wird vielmehr dramaturgischabsichtsvoll durcheineDialog-Arieverstärkt underläutert,die „Seele“dabei auf„Rosen gebettet“und ihrdas Himmelreich „geschenkt“, wenn das„Ich“seinengläubi- genSinntäglich nach Golgatha „lenkt“, ausgedrücktineiner Kontrastierung desSopran-Chorals„Jesu,deine Passionist mir lauter Freude“mit einemdra- matischenBaß-Solo.Inder Arie „Zerschmettert mich,ihr Felsen“schließlich wird in VersionIIeineParallele zumZerreißen-Motivdes Rezitativs „Und sieheda, derVorhang im Tempel“inanalog verwendeten markanten32tel- Notenetabliert.DerselbeVorgang zerschmetterthierden Tempel wiedas eigene Selbst.Zugleich wurde dasRezitativ „Und sieheda, derVorhang im Tempel zerriß“BWV 245/33inder VersionIIdurch einenEinschubaus

154 U. Leisinger, DiezweiteFassung derJohannes-Passionvon 1725:Nur einNot- behelf?,LBB 5(2002), S. 40f. In diesem KontextbetrachtetauchEricThomas Chafedie Passion, derenFassung von1725erfür nicht stimmigerklärt (J. S. Bach’s Johannine Theology.The St.JohnPassionand theCantatasfor Spring1725, Oxford 2014,S.10f.). 54 Christine Blanken Matth 27,52f.umdas nurhiergeschilderteErdbebenund dieÖffnung von Totengräbern erweitert–ein ausdramaturgischenGründen erfolgterEingriff, derdann im Zuge dernächstfolgenden Umarbeitungder Passionzusammen mitden neuen Sätzen fürdie Fassung1725wiederzurückgenommenwurde. Manwirdder Fragenachgehenmüssen, mitwem Bach generell in Leipzig eine anspruchsvolle theologisch-musikalische Dispositionwie dieeiner Pas- sion diskutierenkonnte, undman wirddabei auch Johann AbrahamBirn- baum alsmöglichen Vertrauten miteinbeziehen müssen,von demwir bislang nichtwissen, welche Rolleerfür Bach in Leipzigbereits vordem Disput mitJohannAdolphScheibe im Jahrenach1737gespielthaben mag.155 Birn- baumsVerteidigungsstrategiesetzt schließlichvoraus, daßer–möglicherwei- se bereitsseitvielenJahren–Bachs Kirchenmusikkannte.Birnbaumbesuch- te St. Thomas regelmäßig,wie ausden Kommunikantenverzeichnissen hervorgeht.156 Einersolch aufreibenden publizistischen Fehdehätte er sich auchschwerlichausgesetzt, wenn nicht enge VerbindungenzuBachbestan- denhätten. Daswirdauchdadurch deutlich,daß keineweitere Auseinander- setzungBirnbaums bekanntist,die er in ähnlicherWeise fürjemandanderen geführthätte.Das rhetorischeKolleg, daserbald nach 1721 (indiesemJahr wurde er zumMagisterpromoviertund zumDozentenhabilitiert)157 eröff-

155 DokII, Nr.409,413,417,441–442,446,530 und533. 156 Archiv derEv. Thomas-Matthäigemeinde, Communicantenverzeichnis.Beispiels- weisewirderimJg. 1725 zu Neujahr, Mariae Verkündigung,5.und 22.postTrin. genannt. 157 In Siculs Jahr=GedächtnisDes Itzt=LebendenLeipzigs 1726 E. Löblichen Univer- sitätund DerenVerwandte firmierterseit1721unter den„Membra vocantia auch respective eligibilis“ derMeißnischen Nation (AnnalivmLipsiensivm,1726, Leip- zig1727, S. 2).Einezeitgenössische Geschichte derRechtsgelehrten geht aufden Umstandein,daß er kein Professorgewordenist:„Er lieset Philosophische, Ora- torische undJuristische Collegia.Seingegenwärtiger Zustandmuß ihm gantzwohl gefallen,weilerniemahlseinen höhern Gradum ambirt,ohngeachtet er Geschick- lichkeit genug besitzet“; sieheC.Weidlich, Geschichte derjetztlebendenRechts= Gelehrten in Teutschland, und zumTheil auchausserdemselben,1.Teil, Merse- burg 1748,S.58. Dieser Umstandbewirktefreilich, daßBirnbaumabgesehen von gedruckten Schriften fast keineSpurenimUniversitätsarchivLeipzig hinterlassen hat.InDas jetzt lebende und jetzt florirendeLeipzig,Leipzig 1732,S.47wirder unterden „immatriculirten Notarien“aufgezählt,ebensoinder entsprechenden Ausgabevon 1736 (S.49). C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 55 nethaben wird,spielte nichtnur in BirkmannsAusbildung158 eine wichtige Rolle.159 Fürein allmähliches Heranzieheneines rhetorischbegabtenMusiker-Theo- logenzum vollgültigen Librettisten BachsstehenfolgendeBeispiele ausden Jahren 1726–1727. Sieverweisen aufKantatentexte,die aufBasis gedruckter Libretti starkumgeformt wurden. Dies könnte im AuftragBachs an Birkmann geschehensein, dessen Talent Birnbaum wieBachkannten:

–Für dieMichaelis-Kantate„Es erhub sich einStreit“ BWV19wurdenvier‚Bau- steine‘aus Picanders Erbaulichen Gedancken von1725160 leichtmodifiziert, in eine andere Reihenfolgegebrachtund um drei Sätzeerweitert,zueiner dann siebenteiligen Kantatekompiliert. DieAufführung fand am 29.September 1726 statt, mithin unmit- telbar vorder ‚Birkmann-Trinitatis-Gruppe‘1726.161

–Nur eine Wochespäter, zum16. Sonntag nach Trinitatis desJahres1726wird„Wer weiß,wie nahe mirmeinEnde“ BWV27aufgeführt, eine Kantate, dievon einembis-

158 „Da M.Birnbaumein Collegiumdisputatorium und oratorio-practicum eröfnete, underim letztern,verschiedene Reden, mitguten Beyfallabgeleget,soüberredete er seinen fleissigenHaußgenossen,die Theologie zum Haupt=Werkzumachen.“ (Diptycha Ecclesiæ Egydianæ,S.116 f.); zum entsprechenden Passus im Ehren- Denkmal (S.22) sieheoben. Auch BirkmannsengerFreundEngelhardt hebt die RolleBirnbaums unddessenKollegfür seinetheologische Ausbildung starkhervor. 159 „Der Herr Autorhat eine geraumeZeither aufder Leipzigerhohen Schule über die Redekunstmit vielem Beyfalle gelesen, undnicht nurdie Regelnderselben erklärt, sondernauchdiejenigen, so sich seines UnterrichtsindieserWissenschaft bedien- ten, zurUbung in Collegiis Practicis angehalten.Viele derselben,und auch andere Liebhaberder Beredsamkeit,haben daherein Verlangengetragen, mehr Muster des reinen undlebhaften Vortrags,dessensichder Hr. M.Birnbaum bedient, zu lesen zu bekommen,als vonihm dann undwanneinzelnwaren demDruckeüberlassen worden.Erdient daher derWelt mitgegenwärtiger Sammlung vonDeutschen Re- den, dieerzum Theilinder Vertrauten Deutschen Rednergesellschaft gehalten hat,inwelcher er nach demHerrn Senior dasältsteMitgliedist“; siehe Neuer Zeitungenvon Gelehrten Sachen aufdas Jahr MDCCXXXV,Leipzig 1735,S.603, in derdie Publikation M. Johann AbrahamBirnbaums TeutscherReden Erster Theil (Leipzig undLangensalza 1735)angekündigt wird. 160 Sammlung Erbaulicher Gedancken, Beyund über diegewöhnlichen Sonn-und Festtags-Evangelien,Leipzig 1725. 161 Ganz praktischgedachtwar es beider Vorbereitung einerAufführung, wozu im Vorfeldauchdie Planungeines Hefts Textezur LeipzigerKirchen=Music gehörte, sicher kein Nachteil,wenn–zumindestbei Erstaufführungen–dieTexte im wesentlichen aus einerHandkamen.IndiesemFallscheint Birkmann für alle Sonntage(ausgenommendie Wiederaufführungenzum Reformationsfestund zum 1. Advent)der Textkompilator bzw. -lieferant gewesenzusein; diesePeriode um- faßte2–3 Texthefte. 56 Christine Blanken lang unbekanntenBearbeiterstammt. DertitelgebendeChoralversstammtvon Ämilie Julianevon Schwarzburg-Rudolstadt undder abschließendeVers„Welt ade, ich bin dein müde“, vonJohann GeorgAlbinus.Bachhat dazu denSatzJohann Rosenmüllers (nachVopelius) übernommen.162 In Arie Nr.3 klingenzweiVerse einerNeumeister- Arie163 an,sie istansonsten aber eigenständig.Dem Kompilator oblageninderKan- tate sodann dieRezitativesowie dieArieNr. 5. Ihre Stilistikpaßtwiederuminver- blüffender Weisezur ‚Birkmann-Trinitatis-Gruppe‘. In die Sabbaths-Zehnden wird gleichwohl zu diesem 16.Sonntag nach Trinitatis eine Franck-Kantate übernommen.

–ZuSeptuagesimae 1727 wurde dann diesolistische Sopran-Kantate „Ich binver- gnügtmit meinem Glücke“BWV 84 aufgeführt.Der verwendete Text,der im Jahr- gang Picander 1728 Aufnahme findet, erfährt dabeigravierendeÄnderungen, die „keinenStein aufdem anderenlassen“:164

Picander 1728 BWV84 Ichbin vergnügt mitmeinemStandeIch binvergnügtmit meinem Glücke Im SchweißemeinesAngesichts[…] Im SchweißemeinesAngesichts[…] verdienich zwar mein täglich Brodt will ich indesmeinBrotgenießen Theile du jedemseinenGroschenzuSoteilt mirGottden Groschenaus Unddochverdienich nichts, Ichkann mirnichtsbei ihmverdienen, Gott schenktesmir aus lauterGnaden denn wasich tu,ist meinePflicht So habich doch zu meiner Sättigung Es istgenug vormich, noch allezeit genung daßich nichthungrig darf zu Bette gehn

Hier lagoffenbareinefrühere Versionvor,die füreineVertonung nurmittel- bartauglichwar,und dieBirkmann für Bach umgestaltethaben dürfte.Alle Änderungenfür BWV84bedeutendie Transformation einerobjektiven Textaussage in eine subjektive Selbstrede –indieserPerspektive erschließt sich übrigens diegesamteUmdichtung. Sieträgt mithin Birkmannsmögliche Handschrift,findet sich jedoch nicht in den Sabbaths-Zehnden.Dortist dann einmutmaßlicheigener Text Birkmannsenthalten (siehe Anhang).

Abb. 1–3. ChristophBirkmann, GOtt-geheiligteSabbaths-Zehnden (Stadtbibliothek Nürnberg, Will II,14138°)

162 DasNeu LeipzigerGesangbuchdes ,Leipzig 1682,S.947 f. 163 Schlußsatzder Kantatezum 1. SonntagnachTrinitatisaus: GeistlicheCantaten statteinerKirchen-Music,[o. O.]1702. 164 R. Wustmann,zitiert nach Dürr KT,S.266. C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 57

Abb. 1. Titelseite 58 Christine Blanken

Abb. 2. Johannes-Passion:Titel/BeginnSatz1(S. 40) C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 59

Abb. 3. Kreuzstabkantate (S.130) 60 Christine Blanken

Abb. 4. Christoph Birkmann,Porträtstichvon Georg Lichtensteger (Bach-Archiv Leipzig, Graphische Sammlung) C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 61 Anhang

Incipits Sabbaths-Zehnden Fettdruck =Bach-Vertonung /LeipzigerVertonung /Textdichter bekannt *=Birkmann Autor einer für Leipzig gedichteten Kantate (*) =vermutete Teilbearbeitung Birkmanns für Leipzig

Bestimmung/IncipitsBWV-Nummer/ Textdichter/Aufführungs- daten/Bemerkungen 1 Am 1. Sonntagdes Advents. vgl. Nürnberger Jahrgang [Dictum] Es freuesichder Himmel 1734/35(M. Zeidler) Rec. Versammlet euch,ihr Menschen Kinder ARIA.Auf,oZion, bringe Palmen Rec. Wirgrüssen dich OHeld ARIA.Weich verhaßteSünden-Nacht Rec. Omehrals seel’geZeiten Choral So danken GOTT undloben dich 2 Am 2. Sontag desAdvents. Choral.Esist gewißlich an derZeit Rec. Wie bößsinddochdie Menschen- Kinder ARIA.à.2.Erbarme dich nach deiner Güte Rec. Bekehredich Choral.Ogrosser GOtt vonTreu 3 Am 3. Sontag desAdvents. Choral.Frischauf,meinSeel ARIA.HErrJESU, Heilder armen Seelen Rec. WiesehrwirdsichJohannes freuen ARIA.Trotz demalten Höllen-Drachen Rec. Drum bleibe deinem Arzt getreu Choral.Laß unsindeinerLiebeund Erkäntniß 4 Am 4. Sontag desAdvents. ARIA.OWahrheit, guldnesKleid der Seelen Rec. Washat derMenschdavon ARIA.Der WarheitLicht zerstreutdie Strahlen Rec. Wersosein eigenNichtserkennet Choral.DeinWortlaß mich bekennen 62 Christine Blanken

5 Am 1. Heil.Christ-Tag. BWV91 Gelobetseyst du,JEsuChrist Dichterdes Choral- kantaten-Jahrgangs Aufführung:25. Dezember 1724 6 Am 2. Heil.Christ-Tag. BWV121 Christum wirsollenloben schon Dichterdes Choral- kantaten-Jahrgangs Aufführung:26. Dezember 1724 7 Am Sonntagnach Christfest. BWV152 Trittauf dieGlaubens-Bahn S. Franck 1715 Aufführung:Weimar1714; Wiederaufführung 16. September 1726? (Anstelledes Duetts der Schlußchoral „Sag an,meins HerzensBräutigam“: Strophe9von„Ermuntre dich,meinschwacher Geist“, ) 8 Am Fest derBeschneidung. BWV41 JEsu,nun seygepreiset Dichterdes Choral- kantaten-Jahrgangs Aufführung:1.Januar1725 (Schlußchoral gegenüber Bach abweichend: Strophe9 von„Ichdankdir lieber Herre“,Johann Kolrose) 9* Am Sonntage nach demNeuen Jahr. BWV58 AchGOtt, wiemanches Hertzeleid Aufführung:5.Januar1727 10* Am Fest derH.DreyKönige. Chor.Verschmähenicht dasschlechte Lied Recit. Werzeigetmir denWeg ARIA. Gehe hinnachBethlehem Recit. OsüssesWort ARIA. Nunsey derSchlußgemacht Recit. Noch eins:vergessenicht Choral.Duwillst einOpfferhaben / Diewirst du nichtverschmähen C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 63

11* Am 1. Sonnt. nach Epiphan. vgl. Text in Schweinfurter Recit. Ichbin betrübt; Ach! wenn ich dich Jahrgang 1744/45(siehe ARIA. Wiedie Turtel-Taubengirren Fußnote149) Recit. Ichsetze mich beybittern Myrrhen nieder ARIA. à2.Ich haltedichfeste mein Liebster Choral.Weichtihr Trauer-Geister 12* Am 2. Sonnt. nach Epiphan. ARIA. IhrSorgen, lasset mich zu frieden Recit. Wahr istes, mein gekränkter Sinn ARIA. Kommst du bald,dufrohe Stunde [Recit.] DerHErrhat keinen je verlassen Choral.Erkennt dierechten Freuden- Stunden 13* Am 3. Sonnt. nach Epiphan. ARIA. Ichwill,so, wiemeinliebster GOtt Recit. Wirwollenöftersviel ARIA. HErr wo du wilt Recit. Oseeligmuß dieThräneseyn Choral.Ach wiewirdmich JEsusherzen 14 Am 4. Sonnt. nach Epiphan. [Dictum] Erweckedich,HErr, warum schläffest du Choral.TreuerWächter Israel ARIA. OHErr! MeinSchifflein muß versinken Recit. WarumsozaghafftliebeBraut ARIA. Du weistich kanmichselbstnicht läugnen Choral.Wer JEsumbey sich hat 15 Am 5. Sonnt. nach Epiphan. [Dictum] Wielange liegestduFauler ARIA. WirMenschenpflegenunsrerRuh Recit. Siehst du nunalso ein Chor.Schütze mich für Teuffels Netzen 64 Christine Blanken

16 Am SonntagSeptuagesimae. [Dictum] Viel sind beruffen,aberwenig sind auserwehlet Recit. DerWeg istbreit ARIA.Die Menschen rennen insVerderben Recit. Nurwenigesindauserwehlt ARIA.DrummeinChrist seystets bereit Recit. Zwar istder Himmelschon Chor.Ich will kämpffen,ich will ringen 17 Am SonntagSexagesimä. Choral.Ach bleibmit deinem Worte/ Achbleib mitdeinemSeegen Recit. DerSaame istgesäet ARIA.GOttesWortist auch einSaamen Recit. NurSchadedaß dasLand ARIA.Drummache,guter GOtt 18 Am SonntagQuinquagesimä. Recit. Wo will mein JEsushin! Choral.Ich will hier beydir stehen ARIA.MeinJEsus geht zu seinem Sterben Rec. So lege nun, mein Herz ARIA.Wenndie starrenLippenschweigen Rec. Ja!allezeitbleibtmeine Danckbarkeit Choral.Nun ich dancke dirvon Herzen 19 Am Palm Sonntag. Schlußchoral von Chor.Seele laßdie Speise stehen J. J. Rambach(Strophe8 Recit. Wie daßdunochsolaulichtdich von„Unendlicher Gott, bezeigest höchstes Gut“) Chor.Nun OJEsu! du alleine Rec. Achja! NurEinsist Noth [Choral] Ichbetedichangrosses Licht C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 65

20(*) Dasschmählich-und schmertzliche BWV245,2.Fassung Leiden Unsers HErrn undHeylandes B. H. Brockes, C. H. Postel, JEsu Christi/ineinem ACTU ORATO- ChristianWeise, RIObesungen. unbekannte Dichter Chorus.OMenschbeweindeinSünde Aufführung:30. März 1725 groß […] (mit denSätzen, dienur zur (oratorische PassionnachJohannes) 2. Fassunggehören: „O Mensch, bewein dein Sündegroß“ BWV244/29 (inEs-Dur, alsSatz1); „Himmelreiße,Welt erbebe“/Choral „Jesu, deine Passion“ BWV245/11+; „Zerschmettert mich,ihr Felsen undihr Hügel“ BWV245/13II; „Ach,windeteuchnicht so, geplagte Seelen“BWV 245/ 19II und„Christe, du Lamm Gottes“BWV 23/4 als Satz 40); Wiederabdruck desTextes Oettingen1763(Christoph Stolzenberg) nach der2.Aus- gabe der Sabbaths-Zehnden 21 Am Heil.Oster-Fest. ARIA. Eilt Sorgen, eilt ausmeinerBrust Chor.Christ laginTodes Banden Rec. ErzittreTod ARIA. Halleluja!Preiß undEhre [Choral] Achdaß ich denLeibes-Kerker Recit. Welch eine Frucht vonChristi Auferstehen Chor.Sofahrich hinzuJEsuChrist 22 Aufden 2. Heil.Oster-Tag. BWV6 Bleibbei uns, denn es willAbend werden Aufführungen: 2. April1725, 13.April 1727? 23 Am Sonntage Quasimodogeniti. Picander1728/1732 ARIA. Welt,behalte du daßDeine Recit. Ichlegemeine Hand ARIA. MeinGlaube soll JEsumbeständig umringen Recit. Ichglaube zwar Choral.MeinenJEsum laßich nicht 66 Christine Blanken

24 DominicaMisericordiasDomini. Picander1728/1732 ARIA.Ich kanmichbesser nichtversorgen Recit. Wasthut mirJEsus doch zu gute ARIA.Bin ichein verachtetLicht Choral.JEsumeine Freude 25 Am SonntagJubilate. Choral „Dennoch bleibich [Dictum] Ihrwerdet weinen undheulen stetsandir“von Chor.Dennoch bleibich stetsandir J. J. Rambach Recit. Dieweilesschon viel besser Arioso.Denneh’eman darangedacht [Dictum.]Ich habedichein kleinAugen- blick ARIA.Vollkommenste Liebe Choral.Führ’ auchmeinHerzund Sinn 26 Am SonntagCantate. ARIA. Kaum lässet mich dieWehmut fragen Chor.Ach bleibmit deiner Gnade Recit. Dein Hingangsollmir zwar ARIA. DerGeist will wohl Chor.Deine Hülffe zu mirsende 27 Am SonntagRogate. Choralkantate(mitDictum) [Dictum] Warlich,warlich ichsageeuch aufLiedstrophenvon Chor.HErrich bittedicherzeige J. Rist,J.J.Rambach und GOtt hatnochnie sein Wort gebrochen / P. Gerhardt Waseraus Lieb undHuldverheissen / Ach! Siehe!Wie er seinen Worten Chor.Auf,auf,gib deinem Schmerze 28 Am Fest derHimmelfahrt Christi. [Dictum] GOtt fähretauf mitJauchzen Recit. Auf! Hinauf ARIA. MeinHeyland istnun aufgefahren Reict. Im Himmel istmeinHaupt ARIA. Ichvergesse, wasdahinten Chorus.Ach ich habeschon erblicket 29 Am SonntagExaudi. [Dictum] Wenn aber derTröster kommen wird ARIA. DerTrösterkommt Recit. Weströstdudich [Dictum] Siehe um Trostist mirsehrbange ARIA. GOtt du tröstest underquickest C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 67

30 Am Heil.Pfiengst Fest Chor.KommHeiligerGeist,HErre GOtt ARIA. HoldeTaube reiner Liebe Recit. MitfroherSeelenseh’ich an ARIA. Nunhab ich Ruhund Trost bekommen Recit. Du wahrer Gottheit gleiches Bild ARIA. Ihrglüenden Herzen 31 Am 2. Pfingst-Feyertag. [Dictum] Also hatGOttdie Welt geliebet Recit. OTrost an demich mich ergötze ARIA. Martre dich wieduwilt Recit. Weil GOtt dieLiebe ARIA. Achwie seelig sanfft undsüsse Chor.Wir wachen oder schlaffenein 32 Am Fest derHeilDreyfaltigkeit. [Dictum] Ichgedachte ihm nach,daß ichs begreiffen möchte ARIA. Nimmermehr wird dieGrund gelehrte Zunfft Recit. DarumVernunfft [Dictum] DernatürlicheMensch [Recit.] Ichfrage nicht, wo istdeinSitz ARIA. GOtt Vater, Sohn undGeist Choral.Oheilige Dreyfaltigkeit 33 Am 1. Sonntagnach Trinitatis. BWV39/4–7 [Dictum] Wohl zu thun undmitzutheilen Meiningen1704/1719 ARIA.Höchsterwas ichhabe Aufführung:23. Juni 1726 Choral Es istjaHErr! dein Geschenk und (Choraleingefügt alsNr. 3: Gab „Esist ja Herr dein Recit. Wiesollich dir, OHErr Geschenk undGab“, Martin Chor Seelig sind dieaus Erbarmen Schalling) 34 Am 2. Sonntagnach Trinitatis. [Dictum] Seelig ist, derdas Brod isset ARIA.Selig,selig sind dieSeelen Choral.Schmücke dich,Oliebe Seele [Dictum] GOtt will,daß allenMenschen geholffenwerde Recit. In Adam wars um unsgethan Choral.HErrGOttVater mein starkerHeld 68 Christine Blanken

35 Am 3. Sonntagnach Trinitatis. BWVdeest, Ichruffzudir,HErrJEsuChrist Text:J.Agricola Aufführung:17. Juni 1725 (textgleich mitBWV 177 von1733) 36 Am 4. Sonntagnach Trinitatis. Meiningen 1704/1719 [Dictum] IchthueBarmherzigkeitanvielen Aufführung:14. Juli 1726? Tausenden (nur 1. Teil,Schlußchoral Rec. Allmächtig,weiß, gerecht hinzugefügt: Strophe 12 ARIA.Eswill GOtt mitGnade walten von„Du sagst, ich binein [Dictum] Darumseydbarmherzig Christ“, Johann Adam Choral.Sag nicht: Ich binein Christ Haßlocher) 37 Am 5. Sonntagnach Trinitatis. BWV88/6–7 Chor.Esist allhieein Jammerthal Meiningen1704/1719 ARIA. Wassorgst du doch so ängstiglich (Sabbaths-Zehnden Nr.4,3) Choral.Sing, betund gehauf GOttes und Wegen BWVdeest Recit. Waskan dich denn Neumeister 1711 (Sabbaths- ARIA. Thudunur das, wasdir gebührt Zehnden Nr.2–3,5–6) Chor.Hierauf so sprech ich Amen Aufführungen:21. Juli 1726 (BWV 88); 1. Juli 1725 (BWV deest) 38 Am 6. Sonntagnach Trinitatis. BWVdeest Wersich rächet,andem wird sich der Neumeister 1711 HErr wieder rächen Aufführung:8.Juli1725 39 Am 7. Sonntagnach Trinitatis. BWV187 Es wartet allesauf dich Meiningen1704/1719 Aufführung:4.August1726 (Sabbaths-Zehnden ohne Recit. „Haltich nurfest“ BWV187/6) 40 Am 8. Sonntagnach Trinitatis. BWV45/5 [Dictum] Wermich bekennet für den Meiningen 1704/1719 Menschen Aufführung (BWV 45): ARIA.Wer GOtt bekennt, auswahrem 11.August1726 Herzens Grund Chor.Duwerthes Licht Recit. So wird denn Herz undMund Chor.Nun liebster JEsu C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 69

41 Am 9. Sonntagnach Trinitatis. Meiningen1704/1719 [Dictum] MacheteuchFreunde mitdem Aufführung:18. August ungerechtenMammon 1726? ARIA.Was hilfftmir Gutund Geld (darausnur Nr.4–6 Choral.Wennich nurmeinenJEsum habe übernommen) Recit. Mein Herz so nimmden[n]hin Choral.Ich binmit dirmeinGOttzu frieden 42 Am 10.Sonntag nach Trinitatis. BWV102/4–6 [Dictum] Verachtest du denReichthum Meiningen1704/1719 seiner Güte1 Aufführung:25. August ARIA.Erschrecke doch 1726 Chor.Wachauf OMensch, vomSünden (eingeschobeneChoräle Schlaf Nr.3,Nr. 6; BachsSchluß- Recit. BeyWartenist Gefahr choral wieMeiningen) ARIA.MeinGOtt! Achhierfür deinem Thron Chor.Straf mich nichtindeinenZorn 43 Am 11.Sonntag nach Trinitatis. JLB15 [Dictum] DurchseinErkänntniß wird er, Meiningen1704/1719 mein Knecht Aufführung:1.September Recit. Kenn’stdudich auch 1726 ARIA.Hab ichsolcheGnadverdienet (gegenüber Meiningen ARIA.Ich binein Sünden-Knecht abweichender Schlußchoral, Rec. So ists;DeinstrengGericht wieinJ.S.Bachs Stimmen Choral.Darum alleinauf dich,HERR in St 307: Christ /FührauchmeinHerzund Sinn „Darum alleinauf dich will ich“/„FührauchmeinHerz undSinn“: Strophen 10–11 aus„Wo soll ich flieben hin“, vonJohann Heermann) 44 Am 12.Sonntag nach Trinitatis. BWV35 Geistund Seelewirdverwirret G. C. Lehms1711 Aufführung:8.September 1726

1 In Bachsautographer Partitur (P97,Faszikel1)heißt es:„Verachtest du denReich- tumseiner Gnade“. 70 Christine Blanken

45 Am 13.Sonntag nach Trinitatis. BWV164 Ihr, dieihr euch vonChristonennet S. Frank1715 Aufführung:26. August 1725 (von Franck undBach abweichender Schlußchoral: „Gib mirnachdeiner Barmherzigkeit“,Strophe 3 von„Allein zu dir, Herr Jesu Christ“von Conrad Hubert) 46 Am 14.Sonntag nach Trinitatis. BWV17 WerDankopfert, derpreisetmich Meiningen1704/1719 Aufführung:22. September 1726 (Schlußchoral wieBach: „Wie sich einVater erbarmet“, Strophe 3von „Nun lob, mein Seel,den Herren“von Johann Gramann) 47 Am 15.Sonntag nach Trinitatis. BWVAnh.I209 Liebster GOtt,vergist du mich C. G. Lehms1711 Aufführung:16. September 1725? 48 (*) Am Fest-TageMichaelis. BWV19 Es erhubsichein Streit Picander1725(Bearbei- tung) Aufführung:29. September 1726 49 Am 16.Sonntag nach Trinitatis. BWV161 Komm,dusüsse Todes-Stunde S. Franck 1715 Aufführungen: Weimar 1716?, Leipzig16. Septem- ber1725? 50 Am 17.Sonntag nach Trinitatis. S. Franck 1715 ARIA.Seht, so istdie falscheWelt Aufführung:23. September Recit. Ach! Lehremich mein GOtt 1725? ARIA.Schlangen-Augen, Tauben-Herzen (Schlußchoral eingefügt: Recit. HErr JEsu,gieb, daßich „MeinGottund Schirmer ARIA.JEsu, hilff,daß ich erwehle steh mirbei“: Strophe 3aus Choral.MeinGOttund Schirmer steh mir „Indich hab ich gehoffet, bey Herr“von Adam Reusner) C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 71

51* Am 18.Sonntag nach Trinitatis. BWV169 GOtt soll allein mein Herzehaben Aufführung:20. Oktober 1726 52* Am 19.Sonntag nach Trinitatis. BWV56 Ichwill denCreutz-Stabgerne tragen Aufführung:27. Oktober 1726 53* Am 20.Sonntag nach Trinitatis. BWV49 Ichgeh undsuche mitVerlangen Aufführung:3.November 1726 (Text1738auchvon Carl Hartwigvertont2) 54* Am 21.Sonntag nach Trinitatis. BWV98 WasGOttthut,das istwohlgethan Aufführung:10. November 1726 55* Am 22.Sonntag nach Trinitatis. BWV55 Icharmer Mensch, icharmer Knecht Icharmer Mensch,ich Sündenknecht Aufführung:17. November 1726 56* Am 23.Sonntag nach Trinitatis. BWV52 FalscheWelt, dir trau ichnicht Aufführung:24. November 1726 57 Am 24.Sonntag nach Trinitatis. C. F. Weichmann, Poesie Chor.Ach GOtt,vom Himmel sieh’darein derNiedersachsen 1721 Recit. Wo will es denn noch mitder Welt 1Arieaus demOster- hinaus Oratorium Diedurch Christi ARIA.Wer achtet derSpötter vernünfft- Auferstehung bestätigte liches Klügeln Auferstehung aller Toten, Recit. Im Winter liegtdie Welt J. Mattheson1720 ARIA.Muß Israel gleich vieles leyden Chor.OHimmel-Lust 58 Am 25.Sonntag nach Trinitatis. [Dictum] HErr,essindHeydenindeinErbe gefallen Choral.Die Schätz derKirchen Recit. AchGOtt, wiesieht dein Weinberg aus ARIA. Nunwirdleider!allzuwahr Choral.Ach bleibbey unsHErrJEsuChrist /Indieser schwer’nbetrübten Zeit

2 Autographe Partitur in D-WFe, H53.Siehe P. Wollny, EineunbekannteBach-Hand- schriftund andere Quellen zurLeipzigerMusikgeschichte in Weißenfels,BJ2013, S.129–170, speziell S.155. 72 Christine Blanken

59 Am 26.Sonntag nach Trinitatis. M. A. Wilkens, in: [Dictum] Kommet her ihrGesegnete C. F. Weichmann, meines Vatters Poesie derNiedersachsen ARIOSO.Wann ich hungrig, durstig 1726 Choral.Sozürnund stürme jederFeind 1Arieaus derKantate zum ARIA.Wancke, falle, donnernderBogen 4. SonntagpostEpiphanias Chor.OJEsu! hilff zurselbenZeit 1726,„DerHerrder Hüter Israelist unsreZuversicht“ G. P. Telemann 60 Am Tage desApostelsAndreä. [Dictum] Lassetuns lauffen durchGedult in demKampf ARIA.Wie herrlich ists einJüngerJEsu werden Recit. Fahr hinwas nach derErden schmeckt ARIA.Brichtdes Creutzes Sturmherein Chor.JEsum laßich nichtvon mir 61 Am Tage St.Thomä. Choral.JEsus istund bleibt mein Leben Recit. MeinHerr! MeinGOtt ARIA.MeinFreundist mein undich bin sein Recit. MeinJEsus kommt ARIA.MeinJEsus du bist mein Chorus.Die Welt bemühetsich nurSchätze zu erlangen 62* Am Tage derReinigungMariä. BWV82 Ichhabegenug Ichhabegenung Aufführung:2.Februar 1727 vgl. Text in Schweinfurter Jahrgang 1744/45(siehe Fußnote149) C. Birkmanns Kantatenzyklus „GOtt-geheiligte Sabbaths-Zehnden“ 73

63 Am St.MatthiasTag. vgl. Text in Nürnberger [Dictum] Erkennet daßder HErr GOtt ist Jahrgang 1746/47(J. Agrell) Recit. Sucht, sterbliche, heruminder Natur Arioso:Erkenne daßder HErr dein Schöpffer ist Choral.Essolldein, OHöchster Rec. Ichkan wohl einenGOttaus allen Werken ARIA: DeineWeißheit, HErr derSternen Choral.Sobitt‘ ich dich,OGOttesGeist 64 Am Tage derVerkündigungMariä. [Dictum] Sieheich will einNeues machen Rec. Hatwohldie Welt zurersten Frühlings=Zeit ARIA.Esgrünt zu SaroneineBlume Recit. Hier wo sich Lust undAnmut mischen Chor.Für unsein Mensch gebohren 65 Am Tage PhilippiJacobi. vgl. Text in Nürnberger ARIA.Seufzet undschertzet nurirrdische Jahrgang 1746/47(J. Agrell) Sinnen Choral.Immer frölich, immer frölich Rec. Fürwem solt ich mich fürchten ARIA àTutti.Beflügelt,ihr Wünsche 66 Am St.JohannisTag. BWVdeest Gelobetsey derHErr, derGOttIsrael Neumeister 1711 Aufführung:24. Juni 1725 67 Am Tage Petriund Pauli. vgl. Text in Nürnberger [Dictum] Wermich bekennet für den Jahrgang 1746/47(J. Agrell) Menschen ARIA.Kaumhatte ich dieWelterblickt [Dictum] Wievielihn aber aufnahmen Chor.Ich habe JEsumangezogen / IchhabeJEsuFleisch geessen[!] 68 Am Fest derHeimsuch. Mariä. BWVdeest/1–4,7,9 MeineSeele erhebt denHErrn M. A. vonKönigsmarck Aufführung:2.Juli1725 74 Christine Blanken

69 Am Tage desApostelsJacobi. vgl. Text in Nürnberger Rec. DieMenschenwissenoft nichtwas sie Jahrgang 1746/47(J. Agrell) bitten ARIA.Trost undBeystandfrommer Herzen Choral.Dubistein Geistder lehret Rec. So will ichdann Chor.GOtt! es stehtindeinenHänden 70 Am Tage St.Bartholomäi. vgl. Text in Nürnberger [Dictum] Haltet fest an derDemut Jahrgang 1746/47(J. Agrell) ARIA. DiesichzuJEsuFüssenschwiegen [!] Rec. Ihrdemuts-volleHerzen ARIA.Wer Babels Thurn-Gerüste[!] liebt Rec. Werwolltedann ARIA.Auf niedrige Seelen 71 Am Tage St.Matthäi. [Dialog JEsus, Seele] Auf, Seele, auf! du hast schon lang gesessen Choral.Dubistder,der mich tröst [Rec.] JEsus: So habe nunmehrauf dich acht ARIA. Legabden Dienst derEitelkeit [Rec.] Seele: Nunwill ich mich bestreben Choral.GuteNacht,oWesen 72 Am Tage Simonis undJudä. Choral.Seele.Ach GOtt erhör mein Seufzen [Dictum] JEsus. Kommther zu miralle ARIA. Ausser mirist zwar nurUnruh und Streiten Choral.Was ich getan undge’litten hie [Rec.] Seele: OSchande! Choral.Hab ich dich in meinem Herzen