Vorwort von Dr. Hans Rudolf Kurz, Bern JANUSZ PIEKALKIEWICZ SCHWEIZ 39-45 Krieg in einem neutralen Land

MOTORBUCH VERLAG STUTTGART VERLAG BUCHELI, INH. P. PIETSCH, ZUG Einband und Schutzumschlag: Siegfried Horn

ISBN 3-87943-510-3 2. Auflage 1979. Copyright © by Motorbuch Verlag, Postfach 1370,7000 Stuttgart 1. Eine Abteilung des Buch- und Verlagshauses Paul Pietsch GmbH & Co. KG. Sämtliche Rechte der Verbreitung – in jeglicher Form und Technik – sind vorbehalten. Satz und Druck: Süddeutsche Verlagsanstalt und Druckerei GmbH, 7140 Ludwigsburg. Bindung: Grossbuchbinderei Franz Spiegel, 7900 Ulm. Printed in Germany.

Eingescannt mit ABBYY Fine Reader Inhalt

Vorwort Dr. Hans Rudolf Kurz, Bern 7 Die sechs Jahre 11 Fall Gelb 51 Dossier Suisse 103 Reduit Guisan 136 Luftkrieg über der Schweiz 227 Diamanten für die RAF Landung nach Mitternacht Adieu, hehre Banner Daten und Fakten 325 Text- und Bildquellen 355 Register 361 Vorwort

Mancherausländische Betrachterwirdsichfragen.obdasGeschehenin einem vom Krieg verschonten Land inmitten kriegerischerWirreneiner näheren Betrachtung wert sei. Die Schweiz habe, so wird etwagesagt, den hohen Vorzug genossen, dass sie den Weltenbrand des zweiten Weltkriegs unversehrt habe überstehen dürfen. Sie sei ausserhalb der bewegenden Ereignisse gestanden und habe als eine Art «blinder Passagier» den Krieg überlebt. Darum verdiene das Schicksal dieses Landes in den Kriegsjahren 1939/45 kaum besonderes Interesse.

In dieser nach dem Krieg bisweilen gehörten Argumentation liegt sicher ein Kern von Wahrheit. Die Schweiz hat in den Kriegsjahren 1939/45 zu ihrem grossen Glück eine für sie unkriegerische Zeit verlebt. Verglichen mit zahlreichen andern europäischen Staaten, welche die Last des Krieges mit all seinen Schrecknissen zu tragen hatten, war der unversehrten Schweiz ein glücklicheres und stilleres Schicksalbeschieden. Dennoch, so will mir scheinen, war das von ihr geführte Leben am Rand des Krieges auch für andere Nationen nichtohne Interesse. Dafürgibt es verschiedene Gründe.

Einmal scheint mir die Tatsache beachtenswert zu sein, dass es der von lauter krieg- führenden Staaten umgebenen Schweizgelungen ist, dem Krieg zu entgehen. Sicher- habenglückliche Umstände mitgeholfen, dass der schweizerische Kleinstaat in dieser schweren Zeit den Frieden zu bewahren vermochte. Aber nur ein Glücksfall war es nicht. Die Verschonung vom Krieg war zu einem guten Teil auch das Ergebnis ernster Bemühungen der Schweiz um die Erhaltung des Friedens. Seit langerZeit ist die Schweiz bestrebt, mitihrerpolitischen Haltung und ihrerkorrektgehandhabten Poli- tik der bewaffneten Neutralität ihre Pflichten als dauernd neutraler Staatzu erfüllen. Mit ihrer geistigen Haltung, ihrer PolitikderVorsorge und der militärischen Bereitschaft hat sich die Schweiz auf die Belastungen des Krieges vorbereitet. Besonderes Ge- wicht wurde darauf gelegt, eine Armee aufzubauen, die bereit und fähig war, dem Bekenntnis zur Neutralität Nachachtung zu verschaffen. Wenn auch nicht allein die Bereitschaft zur militärischen LandesverteidigungdenFriedenzu wahren vermochte, dürfte doch unbestritten sein, dass die Schweiz den Krieg nicht unversehrt überlebt hätte, wenn sie keine oder eine ungenügende Landesverteidigung besessen hätte.

Zum zweiten wird von Aussenstehenden allzu leicht übersehen, dass eine fast sechs- Jahredauernde, nie nachlassende geistige und militärische Bereitschaft mitten im Kriegsgeschehen eine ausserordentlich hohe Belastung darstellt. Die unentwegte, volle Bereitschaft «Gewehr bei Fuss» gegenüber einer dauernd vorhandenen Gefahr stellt an die Moral und die Durchhaltekraft eines Volkes gewaltige Anforderungen. Als eine geschlossene und bereite Schicksalskraft haben das Schweizervolk und seine im aktiven Dienst stehende Milizarmee die schwere Belastungsprobe des Krieges be- standen. In den Kriegsjahren wechselten ruhigere Zeiten mit Epochen höchster Span- nung, welche äusserste Alarmbereitschaft erforderten. Sie verlangten von Regierung, Armeeleitung und Bevölkerung gute Nerven, klaren Blick und die Kraft zur mutigen Entscheidung. Oberstes Ziel war stets die volle Erfüllung der völkerrechtlichen Pflich- ten der Neutralität.

In der Bewältigung der Kriegsjahre standen zwar die militärischen Aufgaben im Vor- dergrund. Sie waren aber nicht allein, sondern wurden in einer harmonischen Einheit ergänzt durch grosse Anstrengungen in allen übrigen Bereichen der staatlichen Tätig-

8 keit: dem sozialen Leben, der Wirtschaft, der Verkehrspolitik, der Innen-und Aussen- politik und im Besonderen des geistigen Durchhaltens von Volkund Armee. Dabei ist- einmal mehr-deutlich geworden, dass der Friede kein Geschenk ist, sondern dass er nur dann erhaltenwerdenkann, wenn ein Volk den Kampf um den Frieden in seinem vollen Ernstzu führen bereit ist.

Aus dem Buch von Janusz Piekalkiewicz ist dieses heisse Streben des Schweizer- volks und seiner verantwortlichen Behörden, den Friedenzu wahren, deutlich spürbar. Es zeigt den hohen Einsatz dieses Landes in der Erfüllung der Neutralitätspflichten und seiner Bereitschaft zum Durchhalten umjeden Preis. Das Buch kann und will- zwarkeinevollständigeGeschichte der Schweiz im zweiten Weltkrieg sein. Es beseh reitet vielmehr den für den Leser viel anregenderen Weg, dass es einige besonders eindrückliche Episoden und Aufgabengruppen, die von der Schweiz während des Krieges bewältigt werden mussten, herausgegriffen und näher betrachtet hat. Ich glaube, der Verfasser hat eine glückliche Hand gehabt, als er seinen Themenkreis- festlegte: er hat nicht nur einige besonders aufschlussreiche Fragen herausgegriffen, sondern hat dabei auch Probleme berührt, die charakteristisch sind für die Stellung der Schweiz im Kriege. Die von ihm bearbeiteten Kapitel vermitteln darum einen le- bendigen Einblick in die Vielfalt der Aufgaben unseres vom Krieg umgebenen neutra- len Staates.

Ich danke Janusz Piekalkiewicz fürdie Liebe und das Verständnis, das er unserem Land entgegengebracht hat. Seinem Buchwünscheicheinegute Aufnahme. Hans Rudolf Kurz

9 «Wir haben ein steinern Land, und was wurzelt, wurzelt langsam. Aber sind Wurzeln einmal getrieben ins harte Gestein, dann werfen Sturmwinde den Baum nicht um, dann splittern die Äxte, welche an die Wurzeln wollen», schrieb einst der Schweizer Poet Jeremias Gotthelf. Und wie recht er hatte, bestätigt wohl am deutlichsten, hundert Jahre später, die Zeit von 1939-1945. Die sechs Jahre

Das Phänomen Schweiz und die Erhaltung seiner Krieg verwickelt: 1798 überrennen die französi- Neutralität in den turbulenten Jahren des Zweiten schen Revolutionsheere des Napoleon Bonaparte Weltkrieges haben bereits zahlreiche Historiker die rückständige und uneinige Schweiz, die dann beschäftigt: Neutralität – das Wort fasziniert, weil zum Schlachtfeld fremder Armeen wird. Die Fran- es weithin als Ausdruck der moralischen Bereit- zosen kämpfen gegen Österreicher und Russen; schaft eines Staates genommen wird, niemandes die Schweiz erleidet dabei alle Schrecken des Feind und jedermanns Freund zu sein. Auch wird Krieges und der fremden Besatzung. Als Satelli- mitunter noch immer geglaubt, dass die Freiheit tenstaat Napoleons muss sie ihm sogar Truppen von politischen Bindungen an militärische Bünd- stellen. 1813-1815 ziehen wieder österreichische, nisse ein geruhsames Leben zwischen den Fron- deutsche und russische Armeen durch das Land. ten von Gegnern garantiere. Die Wirklichkeit wi- Seit rund 175 Jahren aberhaben die Eidgenossen derlegt jedoch diesen romantischen Traum, da sie selbst keinen Krieg mehr gegen fremde Heere ge- – wie das Beispiel der Schweiz im Zweiten Welt- führt, und ihr letzter Bürgerkrieg wird 1847, dank krieg beweist – den Neutralen zwingt, seine Stel- der Vernunftvorallem des Generals Dufour, in kur- lung durch Streitkräfte zu schützen. Die Eidgenos- zer Zeit beendet. senschaft, Urtyp einer wehrhaften Demokratie, be- Am 30. August 1939 steht wiederum ein Weltkrieg greift den Status ihrer dauernden Neutralität, den in Europa vor derTür. Die Schweizer Bundesver- ihr der Pariser Friede von 1815 zuerkannte, als sammlung, Stände- und Nationalrat, wählen in völkerrechtliche Verpflichtung zur Verteidigung. Bernfürden FallderVerteidigungder Neutralität tra- Seit der Niederlage von 1515 bei Marignano, der ditionsgemäss einen , einen Rang, den Schlacht gegen die Franzosen, wahrt die Schweiz das Milizheer im Frieden nicht kennt, und ihre ihre Neutralität. Abgesehen von den Bündner Wir- Wahl fällt beinahe einstimmig auf den - ren, der Eskalade von Genf und eigenen Religi- korpskommandanten des I. Armeekorps, Henri onskriegen wurde sie seither nur einmal in den Guisan, einen schlanken, mittelgrossen Offizier und passionierten Reiter.

11 Für das ganze Land wird der Aktivzustand erklärt, rung einer demokratischen Armee mit straffer Dis- und schon am 2.Septemberverkündetder Bundes- ziplin im Verteidigungsfall. Mit seinen Tages- und rat die allgemeine Kriegsmobilmachung. Armeebefehlen, die meist nicht nurfürdie Armee, Henri Guisan wurde am 21. Oktober 1874 in Mé- sondern für das ganze Volk bestimmt sind, hat Ge- zières, im Kanton Waadt, als Sohn und Enkel von neral Guisan neue Formen des Dialoges zwischen Landärzten geboren. Die Familie, im Waadtland Armeeoberkommando und Volk gefunden, den er alteingesessen, besitzt stattliche Ländereien. Gui- meisterhaft handhabt und der jedesmal eine- san studiert Landwirtschaft und kümmert sich zu- grosse Wirkung hinterlässt. Immer, wenn es die nächst um sein Gut Verte-Rive, legt jedoch auch Lage erfordert, schliesst der General die Bevölke- grosses militärisches Interesse an den Tag. Im Of- rung und die Armee inseine Überlegungen ein. Die fizierskorps der Schweizer Milizarmee steigt er Menschen spüren, dass man ihnen die Wahrheit nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Oberstdivisio- sagt, und sind dankbar für dieses Vertrauen. när und Kommandanten der 2. Division auf. 1931, Die Verteidigungsidee einer Alpen-Kern-Zone, be- mit 57 Jahren, verschreibt er sich ganz dem Mili- reits Anfang des 19. Jahrhunderts geboren, nimmt tärberuf. in dem Reduit Form und Gestalt an und wird zu- General Henri Guisan hat eine bei Weitem schwie- gleich zum Symbol des eidgenössischen Wider- rigere Aufgabe vor sich als jeder andere Oberbe- standswillens. Der Krieg geht weiter, und damit be- fehlshaber in einem nicht neutralen Land: Er muss ginnt Guisans komplizierteste Aufgabe: Er muss die Milizarmee von 430‘000 Mann auf den höch- die Modernisierung der Armee, Verstärkung der sten Stand der Gefechtsbereitschaft bringen, um Artillerie, Ausbau der Panzerabwehr, verstärkte den Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen Motorisierung der leichten Truppe, einschliesslich zu verhindern und diese Armee aus Wehrmännern der Dragoner, Reorganisation der Flugabwehr und über einen wahrscheinlich sehr langen Zeitraum der Fliegertruppe vorantreiben und dabei durch kriegsbereit halten. Als er den Oberbefehl über- ein ausgeklügeltes System des Wechsels zwi- nimmt, gibt es keinen Aufmarschplan, weil der schen Ausbildungs-, Wach- und Bereitschafts- Schweizer Bundesrat einesolche Vorbereitung im dienst und Heimatbeurlaubung die Einsatzbereit- Frieden für nicht vereinbar mit dem seit 1815 von schaft der Truppe wahren und die Moral der Wehr- den Grossmächten garantierten neutralen Status männer erhalten. hielt. Die Situation für die Schweiz wird kritischer, als Guisan gewinnt schnell die allgemeinen Sympa- Hitler Frankreich überrennt und Italien im Juni thien, und die Beziehungen, die sich zwischen ihm 1940 an der Seite Deutschlands in den Krieg ein- und dem ganzen Schweizer Volk bilden, sind un- tritt. Damit ist die kleine Eidgenossenschaft nun gewöhnlicher Art. So entsteht aus dem Vertrauen, von totalitären Mächten umschlossen. Hinzu das er eingeflösst hat, achtungsvolle Neigung und kommt eine kleine Anzahl NS-Sympathisanten in Dankbarkeit, Gefühle, die auch nicht erlöschen, der deutschen Schweiz, die auf den Einmarsch als seine Aufgabe längst beendet ist. DerGeneral Hitlers setzen. Und bereitsim August 1939 glaubt verstehtes, dank seiner ganz natürlichen Souverä- der eidgenössische Nachrichtendienst, einem nität, den Kontakt zur Truppe zu finden. Im Wehr- deutschen Angriffsplangegendie Schweiz auf der mann siebter stets auch den freien Bürger. Der Spur zu sein. «friedliche Feldherr» gibt ein Beispiel in der Füh-

12 Die Deutschen unterlassen wirklich nichts, um die auch bereits im Herbst 1944, hat Stalin von seinen schweizerischen Befürchtungen zu bestärken. Alliierten verlangt, sie sollten auf ihrem Vormarsch Goebbels entfesselt eine seiner psychologischen gegen Deutschland durch die Schweiz marschie- Offensiven gegen die Schweiz. Nur ein Teil davon ren, um auf diesem Weg in den Rücken des West- vollzieht sich in der Öffentlichkeit, ein weiterer walls zu gelangen. Stalin hat diese operativ sinn- spielt sich auf der diplomatischen Ebene ab, und lose Forderung ganz offen nicht militärisch, son- den wahrscheinlich wichtigsten Teil bilden die ab- dern politisch begründet: «Die Schweizer Schwei- sichtlichen Indiskretionen, für die Ohren des ne», die im Krieg eine falsche Rolle gespielt hätten, schweizerischen Nachrichtendienstes bestimmt. müssten dafür bestraft werden... Unmittelbar nach der Kapitulation Frankreichs Die Einschliessung durch die Achsenmächte werden von der deutschen Heeresleitung Operati- macht das Überleben äusserst schwer: Der onspläne für ein Unternehmen gegen die Schweiz, Schweiz wird selbst die Möglichkeit entzogen, dar- Deckname «Tannenbaum», ausgearbeitet. Unab- über zu entscheiden, welche Waren sie sich im hängig von dieser Studie entwirft, ebenfalls im Ausland besorgen will, oder wer ihre Industrie mit Sommer 1940, i. G. Bodo Zimmermann, im welchen Erzeugnissen beliefern soll. Die britische Stabe des Feldmarschalls von Witzleben, einen Seeblockade trifft die Schweiz unmittelbar, sie Operationsplan. Beide Unternehmungen lässt schneidet ihre Versorgung aus Übersee ab. Und man fallen, da sich die deutschen Führungsstäbe das Dritte Reich beantwortet die alliierte Blockade mit dem Aufmarsch gegen die Sowjetunion befas- miteinerGegenblockade. Nun sieht die Situation sen. Zwei Jahre später, im März 1943, fertigt der für die Eidgenossen alles andere als rosig aus: SS-Standartenführer Boehme einen neuen Ent- Was einerseits die Alliierten an Gütern fürsiefrei- wurf an: «Denkschrift über die Wehrlage der geben, sperrtwiederum Hitlers Kontinentalblocka- Schweiz unter Berücksichtigung einer erforderlich de und umgekehrt. werdenden deutschen bewaffneten Intervention», Bern sieht sich, mit Rücksicht auf die notwendigen die auch in der Schreibtischschublade bleibt. Rohstoffeinfuhren aus Deutschland, dadurch ge- Von der Neutralität der Schweiz hat Hitler jeden- zwungen, den Export hochwertiger Präzisionsteile falls bisher nur Vorteile gehabt. Ungehindert pas- für deutsche Flak- und U-Boot-Ausrüstungen zu sieren Züge mit 1‘800 Güterwaggons pro Tag die dulden, und wird nach und nach zu einem der Schweizer Tunnel in beiden Richtungen, so dass- Hauptlieferanten der Rüstungsindustrie des Dritten der Verkehr auf derBrenner-und Tauernbahn er- Reiches. heblich entlastet wird. Der Entschluss dagegen, Dass der Wert des Einfuhrüberschusses bei die- die Schweiz anzugreifen, würde neben dem hart- sem Geschäft eine halbe Milliarde Franken beträgt näckigen Widerstand der Schweizer Armee auch und der gefürchtete deutsche Nachbar siebenmal die völlige Lahmlegung des Schweizer Eisenbahn- mehr an die Schweiz liefert als die Eidgenossen an netzes durch alliierte Bombenangriffe und durch ihn, beweist letzten Endes auch die Gewandtheit vorbereitete Zerstörungen bedeuten. der Schweizer am grünen Tisch. Ihre Stärke, von Dass der Schweiz nicht nur von deutscher Seite den Deutschen besonders beachtet: ein leistungs- Gefahren drohen, zeigt eine Episode aus der Kon- fähiger Lieferant, der noch dazu seinen Kunden ferenz von Jalta im Februar 1945. Damals, wie grosszügige Kredite einräumt. Für die neutrale Schweiz ist die Arbeit ihrer Ge-

13 heimdienste von grosser Wichtigkeit, da sie erst Hans Hausamann, baut aus eigener Initiative, auf immer das Handeln Dritter abwarten muss, bevor eigenes Risiko und mit eigenem Geld einen Nach- sie selbst aktiv werden darf. Und es mag zutreffen, richtendienst, später Büro Hausamann («Büro dass ihre Zentrale «Luzern» zeitweise der über Ha») genannt, auf. Deutschland bestinformierte Nachrichtendienst Das exakt arbeitende Netz wird teilweise nach Lu- der Welt ist. zern verlegt und dem dort etablierten amtlichen Trotzdem glauben die Schweizer Geheimdienstler Geheimdienst unterstellt. Bald jedoch versteht es im Frühjahr 1940 wiederholt, militärisch bedroht Hausamann, sich aus dieser Abhängigkeit zu lö- zu sein, obwohl die deutsche Führung keineswegs sen. Sowohl seine Nachrichtenbeschaffung als einen solchen Angriff ernsthaft beabsichtigt. So auch seine Quellen sollen autonom bleiben. weiss man heute, dass im Mai 1940 keine Kriegs- Hausamann unterliegt nun seiner eigenen Verant- gefahr für die Eidgenossen bestand. Die Deut- wortung und bekommt völlig freie Hand für den schen haben lediglich im Grenzraum raffinierte Aufbau, die Arbeitsweise und Zusammenstellung Täuschungsmanöver durchgeführt, um möglichst seiner Agenten. Dies alles hat freilich auch einen starke französische Kräfte von derentscheiden- grossen Vorteil: Sollte irgendwas schiefgelaufen den Ardennenfront fernzuhalten. Wirklich kritisch sein, können sich General Guisan oder andere ist die Lage nur nach demZusammenbruch Frank- massgebende Persönlichkeiten leicht von dem pri- reichs, als die noch so stark ist, um vaten Büro Hausamann distanzieren, falls man sie vor Beginn der Offensive gegen England die in eine heikle Sache verwickelt. Ausser diesem Schweiz anzugreifen. Sonderstatus, der ihm weitgehende Souveränität Der flexibel und unorthodox von seinem Chef, den ganzen Krieg hindurch gewährt, geniesst das Oberstbrigadier Roger Masson, geführte eidge- «Büro Ha» Vorzüge, diefürdie meisten Geheim- nössische Geheimdienst, offiziell die Gruppe des dienste der Welt nur ein Wunschtraum bleiben: Nachrichten- und Sicherheitsdienstes im Armee- Hausamann hat nicht nur das Recht, sich direkt an kommando genannt, wird von dem energischen den Vorsteher des Eidgenössischen Militärdepart- Oberst Robert Jaquillard, Chef der Abteilung Si- ments, den Verteidigungsminister, zu wenden, cherheitsdienst der eidgenössischen Spionageab- sondern kann darüber hinaus die Informationen wehr, tatkräftig unterstützt. nach eigenem Ermessen, unter Umgehung aller Man darf dabei nicht vergessen, der eidgenössi- militärischen Instanzen, direkt der Regierung über- sche Nachrichtendienst bestand im Herbst 1938 mitteln. nur aus fünf Mitarbeitern, und bis zum Kriegsaus- Der Ex-Fotokaufmann beschäftigt sich vor allem bruch wurde das Personal lediglich verdoppelt. mit der gesamten kriegspolitischen und militäri- Sein Jahresetat betrug damals 20‘000 Schweizer schen Entwicklung in der Welt und verfasst täglich Franken – gerade genug, um einschlägige Artikel Lagebeurteilungen. Dort, wo normalerweise ganze der in- und ausländischen Presse auszuschnip- Schwärme von Beamten, Vorgesetzten und seln und zu verwerten. Dienstherren die schwerfälligen Geheimdienstor- Eine in keinem anderen Land praktizierte, echt ganisationen bilden, arbeitet der Hauptmann der schweizerische Eigenart: der private Geheim- Reserve, Hans Hausamann, meist solo. Die wich- dienst, wohl der höchste Beweis des Vertrauens, tigsten Berichte und Meldungen, die an das Ar- den ein Staat einem seiner Bürger zollt. Ein Fo- meekommando weitergeleitet werden, bringt er tokaufmann mit internationalen Konnexionen, selbst zu Papier, auch die ein- und ausgehenden

14 Funktelegramme chiffriert und dechiffriert Haus- de Mai zu rechnen.» Und am 16. Juni 1941, eine amann eigenhändig. Nurein Miniteam von zwei Woche vor dem deutschen Angriff auf Russland, bisdrei Mitarbeitern steht ihm zur Seite. Eine be- meldet er detailliert die deutschen Truppenstär- jahrte, pensionierte Telefonistin, von der PTT ken. (Post- und Telegraphenamt) zugewiesen, fungiert Über 30‘000 Berichte treffen im Laufe des Krieges als Funkerin, und der einzige Chauffeur sitzt mehr im «Büro Ha» ein: also Tag fürTag beinahe alle 90 hinter dem Schreibtisch als hinter dem Lenkrad, da Minuten eine neue Meldung. der Chef, entgegen aller Vorschriften, den Wagen Eine gewichtige Rolle in der Nachrichtenbeschaf- selbst kutschiert: Er will nicht, «dass ein Dritter fung aus den höchsten deutschen Kommandostel- über die Ziele seiner Fahrten etwas erfährt». len spielen auch die engen Verbindungen des eid- Dass die hausgemachte Nachrichtenzentrale ent- genössischen Geheimdienstes zum finnischen weder im Sande verläuft oder Erfolg haben wird, Generalstab. Selbst der Oberbefehlshaber der fin- liegt auf der Hand. Nun, sie hat Erfolg. Das Büro nischen Streitkräfte, Marschall Carl Gustav Frei- Hausamann, im Zusammenspiel mit dem amtli- herr von Mannerheim, weilt einige Male während chen Schweizer Geheimdienst, reicht bis ins Füh- des Krieges in Begleitung seines engsten Mitarbei- rer-Hauptquartier und wird von dort aus mit allem ters inkognito in der Schweiz, zur «Kur», wie es Wissenswerten versorgt. Wie das übrigens ge- heisst. schah, weiss man bis heute nicht genau. Ausser In Bern, Zürich, Luzern oder Lausanne gibt sich al- einer einzigen Panne in den ersten Kriegsmona- les, was Rang und Namen unter den Agenten hat, ten, in denen der schweizerische zusammen mit ein Stelldichein. Zentral gelegen und mit guten dem französischen Nachrichtendienst Opfer des Verbindungen erweist sich die Schweiz als ein grossangelegten deutschen Täuschungsmanö- Fleckchen Erde, wo man schnell, sicher und vor vers, «Fall Gelb», wurden, einer bevorstehenden allem preiswert zu den gewünschten Informatio- deutschen Offensive gegen die Schweiz und Um- nen kommt. In der zweiten Halbzeit des Krieges ist gehung der Maginot-Linie, ist keine weitere be- hier jedes Land, das etwas auf sich hält, vertreten. kannt. Neben dem Abgesandten des US-Geheimdien- Es stellt sich bald heraus, dass Hausamann von stes, Chef des «Office of Strategie Services» allen Stellen deseidgenössischen Nachrichten- (OSS) für Zentraleuropa, Allen W. Dulles, der sich dienstes die besten und sichersten Informationen «Sonderbeauftragter des Präsidenten Roosevelt hat. «Durch seine weitblickenden, eine erstaunli- für europäische, politische Fragen» nennt, gibt es che Über- und Voraussicht verratenden Berichte den britischen Intelligence Service, den gaullisti- gewann erentscheidenden Einflussauf die Mass- schen Geheimdienst, von Georges A. Groussard, nahmen der militärischen Führung» (so sein Chro- «Colonel Gilbert», geführt, sowie als Pendant den nist A. Matt). Geheimdienst der französischen Vichy-Regierung, Wie präzise Hausamanns Privatdetektei arbeitet, den National-Chinesischen Geheimdienst mit sei- wird spätestens 1941 dem Schweizer Generalstab nem Hauptresidenten, Minister Chi Tsai-hoo, den offenbart: Am 28. März signalisiert Hausamann Kaiserlich-Japanischen Geheimdienst, geleitet Hitlers Plan, die Sowjetunion zu überfallen. Einen von General Okamoto, auch Italien und der Vati- Monatspäterkundschafteter aus: «Mit militärischen kan sind vertreten, dazu die Geheimagenten aller Operationen der deutschen Wehrmacht ist ab En- Exil-Regierungen, die in London Zuflucht fanden:

15 einer der Prominenten unter ihnen, «Onkel Tom», über den Termin des deutschen Angriffs gegen die der exiltschechische Oberst, Karel Sedlacek. Er Sowjetunion. Stalin schenkt ihm jedoch keinen «unterhielt sehr gute Verbindungen einerseits zu Glauben. namhaften Emigranten und andererseits zu ame- Das Netz Rados ist hervorragend aufgebaut; die rikanischen, englischen und französischen Diplo- Nachrichten, die er über die Funkstationen in Genf matenkreisen» (Hausamann). Die wertvollen, auf und Lausanne nach Moskau sendet, sind zuver- diesem Weg erhaltenen Mitteilungen gibt «Onkel lässig. Rado, ein umfassend gebildeter Mann und Tom» dem eidgenössischen «Büro Ha» weiter, ein geschulter Geheimdienstler, vermag das Wahre Unterfangen, das ihm wohl keine Mühe bereitet, vom «Spielmaterial» sehr wohl zu unterscheiden. da er in St. Gallen bei der Schwiegermutter Haus- Und der deutschen Abwehr ist es während des amanns lebt. Krieges nicht gelungen, die Funksprüche Rados Auch Moskau hat sich die Schweiz als Sitz seines nach Moskau, dank ihres raffinierten Codes, zu wichtigsten Spionagenetzes in Westeuropa auser- entschlüsseln. koren. Die sowjetische Agenten-Zentrale in der Eine geheimnisvolle Rolle in der Schweizer Agen- Schweiz ist für Moskau noch bedeutender als die tenzentrale um Rado spielt der Deutsche Rudolf «Rote Kapelle», jene Gruppe von Hitlergegnern, Rössler, ein unscheinbarer, von Asthma geplagter deren Kern aus Roten Agenten besteht, die zwar Mann, Sohn eines bayerischen Regierungsbeam- in einigen wichtigen Dienststellen des Dritten Rei- ten aus Kaufbeuren, von Beruf Verleger und Jour- ches arbeiten, wogegen von der Schweiz aus fern- nalist, nach Ansicht von Experten einer der bestin- gesteuerte Agenten nahezu systematisch über die formierten Agenten des Krieges. Unter dem Deck- Schaltstellen der deutschen Wehrmacht verteilt namen «Lucy» mausert er sich zu einem «Meister- sind. spion», dessen Doppelspiel sowohl den Eidgenos- Nachdem im Jahre 1942 der für die Sowjets arbei- sen als auch den westlichen Alliierten und den So- tende deutsche Spionagering, die «Rote Kapelle», wjets Nachrichten über wissenswerte Vorgänge in in Deutschland, Frankreich und Belgien auffliegt, Deutschland zuführt. Der 1958 verstorbene «Lu- gewinnen die Agentennetze in der neutralen cy» Rössler nimmt das Geheimnis seiner Informa- Schweiz immer grössere Bedeutung, besonders tionsquellen mit ins Grab. die gut funktionierende Organisation unter der Lei- Bis heute kann man auch nicht sagen, wer sich tung des ungarischen Meisterspions Alexander hinter den Pseudonymen «Werther», «Teddy» und Rado, Deckname «Dora». Das Sprachgenie Ra- «Olga» verbarg, die während des Zweiten Welt- do, Kommunist aus Überzeugung, Oberst der Ro- krieges über Rado wichtigste militärische und poli- ten Armee und namhafter Kartograph von Beruf, tische Geheimnisse an dieSowjetunion verrieten. leitet von der Schweiz aus alle erhaltenen Informa- Sogar die Vergeltungswaffen-Offensive gegen tionen über das Dritte Reich dem sowjetischen England, die Hitler ab Dezember 1943 plant, wird Geheimdienst zu. via Schweiz um beinahe sechs Monate verzögert. Ein anderer, Otto Pünter, ein Berner Journalist, Dies schafft ein bescheidener Handelsvertreter der sich 1940 aus politischen Gründen dem Mos- aus Paris, namens Michel Hollard, den man nach kauer Spionagering in der Schweizzur Verfügung dem Kriege als «Retter Londons» mit den höch- stellt, ist sein enger Mitarbeiter. sten Ehren, die Grossbritannien an Ausländer zu Rados erster Funkspruch nach Moskau: Meldung vergeben hat, auszeichnet.

16 Hollard bereist im Herbst 1943, aus persönlichem san, vor allem der deutsche Aktenfund in La Cha- Eifer und ohne eine Verbindung zu irgendeinem al- rité-sur-Loire, 150 km westlich von Dijon. Die Deut- liierten Geheimdienst, getarnt als «Fürsorger, der schen erbeuten hierim Juni 1940 Dokumente, aus den jungen Arbeitern moralischen Beistand lei- denen geheime Vereinbarungen zwischen Frank- stet», die geheimen deutschen Baustellen in Nord- reich und der Schweiz für ein militärisches Zusam- Frankreich, die sich daraufhin als V1-Abschussba- menwirken beider Länder im Fall eines deutschen sen entpuppen. Er spürt insgesamt über 100 die- Angriffs auf die Schweiz ersichtlich sind. Da diese serominösen Bauten auf, macht Skizzen und trägt Aktenfunde eine schwere Belastung des deutsch- sie in Landkarten ein. schweizerischen Verhältnisses bedeuten und von Hollard geht damit illegal über die Grenze zur Hitler als neutralitätswidrige Haltung der Eidgenos- Schweiz und vertraut seine Entdeckungen dem sen hätte ausgewertet werden können, sucht Mas- britischen Militärattaché in Bern an. Man empfängt son immer wieder nach Mitteln und Wegen, um ihn nicht gerade freundlich, und erst nachdem in dieses für die Schweiz belastende Material wenig- England seine Referenzen sorgfältig überprüft stens zu entschärfen. wurden, befasst man sich allmählich mit seinen In- Ein weiterer Grund für die persönlichen Kontakte formationen. Insgesamt 49mal gelingt es Hollard des Generals Guisan und Masson zu dem berüch- mit diesen wichtigen Aufzeichnungen unbemerkt tigten deutschen SS-General: Um die Deutschen die Grenze zur Schweiz zu passieren. Als die RAF- von derAufrichtigkeitderSchweizer Massnahmen Aufklärer seine Beobachtungen Ende November zum Schutz ihrer Neutralität zu überzeugen. 1943 bestätigen, fliegen englische Bomber Nacht Schellenberg, ein kalter Rechner, der schon lange für Nacht Angriffe gegen die Abschussrampen in erkannt hat, dass Deutschland den Krieg nicht Nord-Frankreich. Das Ergebnis: Hitlers V1-Offen- mehr gewinnen kann, zeigt einiges Entgegenkom- sive gerät ins Stocken und kommt sechs Monate men den Bitten des schweizerischen Geheim- zu spät; sie kann weder die Invasion aufhalten dienstchefs gegenüber, wie z.B. der Familie des noch London ernsthaft bedrohen. französischen Generals Henri-Honoré Giraud oder Allan W. Dulles, späterer Chef der amerikanischen der Nichte de Gaulles, die Ausreise aus Deutsch- «Central Intelligence Agency» (CIA), der als Ange- land zu ermöglichen. höriger der US-Gesandtschaft diplomatische Im- Eines der unerwarteten Ergebnisse des Krieges: munität geniesst, pflegt enge Beziehungen zum Die kleine Schweiz, ein Zwölftausendstel der Erde, schweizerischen Geheimdienst und trifft sich re- wird über Nacht zu einer Grossmacht. Dies zwar gelmässig mit Major Hausamann. Der Leiter der lediglich auf der diplomatischen Bühne, aber im- Nachrichtensektion im schweizerischen Armee- merhin... stab, Oberstbrigadier Roger Masson, unterhält da- 43 Staaten mit rund 1,6 Milliarden Menschen, vier gegen seit September 1942 Kontaktezu SS-Briga- Fünftel der gesamten Erdbevölkerung, darunter degeneral Walter Schellenberg, dem Chef des die Mächtigsten der damaligen Welt, vertrauen Himmler unterstellten Sicherheitsdienstes. den Eidgenossen diediplomatische Vertretung ih- Anlass zu dieser für manche Schweizer anstössi- rer Interessen an und den Schutz ihrer Bürger im gen Liaison ist für den eidgenössischen Geheim- Machtbereich der Nationen, mit denen sie im dienstchef und seinen Vorgesetzten, General Gui- Kriege stehen. So legen sowohl das Dritte Reich das Schicksal seiner Bürger, die sich in Feindes-

17 land befinden, als auch die Alliierten, deren Leute dens die Rettung. Auch 104‘000 fremde Soldaten, sich in Hitlers Europa oder Japans Asien aufhal- Alliierte, Deutsche, Italiener und Russen, finden ten, in die Hand der Schweizer. In 56 Hauptstäd- hier Zuflucht. Es sind beinahe 300‘000 Menschen, ten der ganzen Welt, in 219 fremden Botschaftsre- die die Schweiz im Laufe des Krieges aufnimmt, sidenzen, Konsulaten und Gesandtschaften wal- was dieTaschen der eidgenössischen Steuerzah- ten Schweizer Diplomaten ihres Amtes, von allen ler um 220 Millionen Franken erleichtert. kriegsführenden Mächten anerkannt und bevoll- Jedoch nicht alle haben das Glück, in der Schweiz mächtigt. Asyl zu finden: Tausende von Juden, die der Ge- Während dieser Zeit wird auch eine schweizeri- stapo zu entkommen glauben, werden an der sche private Organisation, der nur eidgenössische Grenze zurückgewiesen. Zwei Juristen sind dafür Bürgerangehören dürfen, zum Symbol der letzten verantwortlich: Eduard von Steiger, damals Leiter Chance: das Internationale Komitee des Roten des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepart- Kreuzes (IKRK). Seine Delegierten dringen bis in ments, späterer Bundespräsident, und sein Unter- die gefürchteten NS-Konzentrationslager und in gebener, Dr. Heinrich Rothmund, ehemals Chef die Kriegsgefangenenlager Japans vor. Im Genfer der Zentralstelle für Fremdenpolizei und Urheber Hauptquartier erfassen 39 Millionen Karteikarten des Sonderkennzeichens «J» für Juden, das auf ungezählte Schicksale, täglich treffen hier bis zu seine Veranlassung schon vor dem Kriege in deut- 100‘000 Suchanzeigen ein, oft als Ausdruck der schen Pässen vermerkt wird. letzten Hoffnung und Verzweiflung. Das IKRK hilft Im Oktober 1942, auf dem Höhepunkt der Juden- wie und wo es nur kann. Für Millionen von Kriegs- verfolgung, lässt Bundesrat von Steiger von der gefangenen und Deportierten sind seine Lebens- Armee die wichtigsten Fluchtwege mit Stachel- mittel- und Medikamentenpakete wieeinkleiner- drahtversperren, und Dr. Rothmund instruiert die Sonnenstrahl im tristen Alltag. Grenzoffiziere: «Illegal eingereiste Flüchtlinge sind «Bitte geben Sie uns Ihre geschätzte Bestellung so zu behandeln, dass sie von selbst wieder zu- auf», steht in dem Katalog einer Schweizer Uhren- rück wollen.» Das Resultat: Oft als letzten Ver- firma von Weltruf, den Anfang 1943 alliierte Offi- zweiflungsakt schneiden sich die Zurückgewiese- ziere in deutschen KG-Lagern bekommen, «wir nen lieberdiePulsadernvorden Augen der eidge- haben jederzeitdie Möglichkeit, Sieauch in Ihrem nössischen Grenzer auf, als den Chargen der Ge- Gefangenenlager zu bedienen. Wir liefern prompt, stapo wieder in die Hände zu fallen. zahlbar nach dem Kriege.» DerGag eines Schwei- Andererseits kümmern sich die eidgenössischen zer Werbe-Managers, könnte man meinen, jedoch Militärbehörden um die ihnen obliegenden inter- einer der britischen Offiziere sagt Jahre später nierten Soldaten, oft in aussergewöhnlicher Art aus: «Zu dieser Zeit konnte niemand das Ende des und Weise. So werden z.B. für die polnischen In- Krieges voraussehen, auch kein Schweizer Uh- ternierten Gymnasial- und Studentenlager errich- renfabrikant. Das gab uns damals einen ungeheu- tet, in denen viele ihre Berufsausbildung abschlies- ren moralischen Auftrieb, es war ein Lichtblick, ein sen können, so «dass die Früchte Generationen Hoffnungsstrahl. Die Uhr geht übrigens heute überdauern werden», sagt ein polnischer Bericht noch auf die Minute...» über diese Hochschullager. Für 65‘000 Verfolgte, darunter 20‘000 jüdischen Glaubens, bedeutet das Erreichen Schweizer Bo-

18 Kurz vor Kriegsende schwillt der Strom der in der Ebenso setzt sich der schweizerische Generalkon- Schweiz Schutzsuchenden an. Am 25. April 1945 sul in Köln, F. R. von Weiss, persönlich ein, der am versucht sogar der gestürzte italienische Diktator 8. März 1945 zwischen dem deutschen und dem Mussolini, begleitet von seiner Geliebten, als amerikanischen Frontkommandanten vermittelt, Flüchtling in die Schweizeinzureisen. Man weist was noch am gleichen Tag zur kampflosen Über- ihn jedoch zurück. Ausserdem Duce will auch der gabe von Bad Godesberg an die US-Truppen führt Ministerpräsident der Vichy-Regierung, Pierre La- und so die heutige Diplomatenstadt der Bundesre- val, bei den Eidgenossen Zuflucht suchen, doch publik vor der sinnlosen Zerstörung bewahrt. dies wird ihm gleich an der Grenze abgeschlagen. Auch die Kapitulation der deutschen Armee in Sein Chef, der greise Marschall Pétain, der sich Oberitalien, am 29. April 1945, die nach dem Urteil mit seiner Gemahlin nach dem Zusammenbruch alliierter Sachverständiger den Krieg in Europa um des Dritten Reiches aus dem NS-Hausarrest in sechs bis acht Wochen verkürzt hat, ist der anfäng- Sigmaringen nun in der Schweiz auf der Durch- lichen privaten Initiative zweier Schweizer, dem reise befindet, könnte sogar hierbleiben, aber der Pädagogen Max Husmann und Major Max Waibel alte Herr wählt lieber die ungewisse Zukunft unter vom eidgenössischen Nachrichtendienst, zu ver- de Gaulle in Frankreich. Auch der Grossmufti von danken. Die Verhandlungen, die beide in die Wege Jerusalem, der in Hitler seinen Bundesgenossen leiten, übernehmen anschliessend von alliierter im Kampf gegen die Juden sah, kommt in letzter Seite aus Allen Dulles und sein engster Mitarbeiter, Minute mit einer Luftwaffen-Maschine als Flücht- der Deutsch-Amerikaner Gero von Gaevernitz. Sie ling in die Schweiz; man hat ihn sofort über die bringtfast einer Million Soldaten die Waffenruhe Grenze zurückbefördert. und bewahrt die reichen Industrie- und Kulturzen- Viele Schweizer werden nicht müde, sich fürdas tren Norditaliens vor der Zerstörung. Schicksal der vom Krieg Betroffenen einzusetzen. Der schönste Dank, den der von Bern aus operie- Bekannt sind die mit erheblichem persönlichem Ri- rende Allen Dulles für sein Unternehmen «Sunrise- siko verbundenen Bemühungen, die Minister Wal- Sonnenaufgang» erhält, ist ein Telegramm von ter Stucki als offizieller schweizerischer Vertreter General John Magruder: «VieleTausende von El- bei der Vichy-Regierung im August 1944 unter- tern würden Sie segnen, hätten sie den Vorzug zu nimmt, damit die Stadt Vichy ohne Kampf und Blut- wissen, was Sie getan haben.» Major Waibel da- vergiessen an die Franzosen übergeben werden gegen musssich den Vorgesetzten gegenüber we- kann. gen Überschreitung seiner Kompetenz verantwor- Dem Diplomaten Charles Lutz, Generalkonsul in ten. Budapest, der als Repräsentant der Schweizer Ein anderer Waffenstillstand, der übrigens das Le- Schutzmacht dreizehn Staaten vertritt, gelingt es ben Tausender deutscher Soldaten kostet, als die wiederum, mit dem Vertreter eines anderen neu- abtrünnigen rumänischen Bundesgenossen die tralen Landes, dem Schweden Raoul Wallenberg, von ihnen gehaltene Frontlinie der sowjetischen unter Lebensgefahr etwa 120‘000 ungarische Ju- Armee öffnen, wird ein Jahr zuvor auch in der den durch Schutzpässe vor dem sicheren Tod zu Schweiz ausgehandelt. So haben die Russen ihre bewahren. «Wegen Überschreitung seiner Zustän- Bedingungen, mitZustimmung von England und digkeit» bekommt Lutz für seine Eigenmächtigkeit den USA, den Rumänen bereits Ende April 1944 in vom Politischen Department in Bern eine schriftli- der Schweiz übergeben. che Rüge.

19 ÉDITION DE 5 HEURES GRINGOIRE GRINQPIRE P**» £4 OEK UES.VEUFS Hitler au moment suprême per RAYMOND RECOULY HENRI BÉRAUD .LE JOURNAL 0.50 LsMxï&tHh ÇstmifatM Nm! PARIS, 100. RUE Dt RICHELIEU t a * wc.*»i.M t t » VENDREDI l«f SEPTEMBRE 1939 par PHILIPPE H EN RIOT Le Reich fait connaître ses revendications

DANTZIG DEVIENDRAIT ALLEMAND T 2 PLÉBISCITE POUR LE "COULOIR" *<

h Conseil des ministres réuni hier < en fin d'après-midi a été "unanime Um eiufeête de "Jeerual ” à maintenir fermement les engage­ ments pris par b France " Sur let route» Des perquisitions ont été effectuées au siège central du parti communiste d’Italie

' ySjr-nT****«;***?a**—1**rmwUtte*»«» «SHU te prtekhœce de M. A8»n Ûbrao.' A 11««« de te M. Albe« mtowe 4e J'taWèrtear. « ht & te preeee le SeSTh prtfeSwnt «festete» ; sSx^îTJrs rtÂl; 4» »to te» taMteeee ÄÄ»

jxzgjgMg Quarante nouvelles NtaSte * «MMMto W teX' L'admirable spectacle arrestation» eorato» «te«MS *.00C ■ dont celle Aiteetet»«« de Michel Marty de la capitale polonaise frère du député communiste

Relu»? De notre envoyé spécial ALBUISSE

Le député Quinet et le maire de liévin En 4’ poge, 1” colonne, l'enquête sont écroués à Arras de JEAN OBcRLE

Une petite- «fSehe bbnehe Le nouveau chef En > tteigt, » cotaNNK t de l’armée suisse FILM

QUAND LA VILLE-LUMIERE SE MET EN VEILLEUSE...

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LE PACTE GERMANO SOVIÉTIQUE A ÉTÉ RATIFIÉ HIER SOIR A BERLIN ET A MOSCOU

Bjfun. il — Lr D. A', ß. a«A«œ-» ; Le gowersews? aSentand a ratiitc 20 tU k de nàa-saHfswan et de t mmoua-vusse. vàU k u — il । de ssîttefeu», Linke Seite: Le Journal, Paris, 1. September 1939: Neuer Chef der schweize-rischen Armee

2. September 1939: Kriegsmobilmachung

Auf dem Weg zu seiner Ein- heit: 2. September 1939

Basel, September 1939: Wehrmänner schaffen ein Panzerhindernis

Roger Masson, Chef der Gruppe Nachrichten und Sicherheitsdienst im Armeekommando

Mitte rechts: Dem Agentensender auf der- Spur: Eidgenössischer Peiltruppim Einsatz

September 1939: An der Ruhestätte der Aus- flugsdampfer den Stacheldraht verhauen MMH 450 11. Mai1940, machung, Ein Menschen schweizerische Nähe

’ alltägliches 000 Basel,1. November 1939, deutsch Mann Ber

trennt

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Grenze: 11. Mai1940

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2. EineLinie, Waffen Kriegsmobil

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- 25

Die Gruppierung der deutschen Heeresgruppe C nach einer Im Mai 1940 werden die Ortswehren aufgestellt Geheimkarte des eidgenössischen Generalstabes vom Herbst 1939

26

c La Charité-sur-Loire: Deutsche Luftaufnahme, Mai1940

17. Februar 1941: Eine Ortswehr-Gruppe bei einer noch unfer- 17. Februar 1941: Drei Generationen beim ersten Handanlegen tigen Panzersperre an einem Strassenhindernis

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«Jeder FHD macht einen Soldaten für die Herzliche Teilnahme der Bevölkerung: Front frei» (1941) Polnische Internierte bei der Mittagspause

Polnische Internierte: Dieselben Reglements Die Internierten helfen mit, Sumpfland fruchtbar zu machen: und Gesetze wie für den Schweizer Soldaten Drainagearbeiten in der Umgebung von Boltingen (Simmental)

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1. August 1941, Schwyz, 650- Jahr-Feier der Schweizer Eid- genossenschaft: Der histori- sche Rütli-Schwur

Linkes Bild: September 1941, Zürich: Knaben- schiessen

September 1941, Luzern: Pfadfinder beim Geländespiel

Strassenkämpfe im Reduit: eine nicht freige- gebene Aufnahme von den Übungen im Jahre1941

Oben rechts: 5. Oktober 1941, Feldspital Lenk: Arbeitder Frau in der Armee

Mitte: Schaffhausen, 15. Oktober 1941, vor der Abreise zur Ostfront: 31 Ärzte und 30 Krankenschwestern. Vorn rechts, organisato- rischer Leiterder Mission Obl. v. Wyttenbach, daneben der deutsche Militärattaché Oberst v. Ilsemann

Unten: Aarau, 15. Oktober 1941: Autokolonne der ersten schweizerischen Ärztemission vor der Abfahrt in Richtung Ostfront

«Nebelspalter»: Januar 1942 Die Polizei verhaftete die Mitglieder einer als Strickkränzchen getarn- ten Kommunistischen Gruppe. «Wänn de Gopfried na en einzigi Ma- sche falle laat, törf er nüd mit a d Revoluzion!»

«Überschreiten der Grenze verboten. Bei Missachtung die- ses Befehls wird von der Waffe Gebrauch gemacht»: tragische Bedeutung für Tausende von Flüchtlingen

Links: Schweizerisch-französische Grenze, Les Brenets (Jura), 30. September 1942, deutscher Grenzposten: «Ausnahmslos zurückzu- weisen sind französische Juden, da sie in ihrem Heimatland nicht ge- fährdet sind»

33 Bild links: General Guisan auf einer Inspektionsreise im Reduit, Frühjahr 1942

«Kampf bis zum Letzten» Eine Weisung aus dem November 1942, die den Ernst der Lage zeigt

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15. Juni 1943, Abschnitt Klo- sters, deutsche und schwei- zerische Grenzwachen: EinTreff zweier Soldaten der Gebirgstruppe Basel, 14. Juli 1943, belgische Ferienkin- 22. Juli 1943. Berühmte E-Lok der schweizerischen Bundes- der: Einen Monat im Paradies bahn (SBB), Typ «Krokodil» auf der Nord-Süd-Strecke: Tagtäglich 1‘800 Güterwaggons von Deutschland nach Italien

22. Juli 1943, Güterzug der SBB: «Für Hitler von grosser strategischer Bedeutung»

11. September 1943, Quarantänelager: italienische Internierte

Biasca, 27. September 1943, Soldaten als Gärtner: Militärisches Anbauwerk

Ende September 1943, Lager, «Militärflüchtlinge»: nach der Kapitulation Italiens Tausende dem deutschen Zugriff entwichen 38 Hohenems (Vorarlberg), deutsch-schweizerisches Grenzgebiet, 7. März 1944, von deutscher Grenzpatrouille festgenommen: «Alle Herbst 1943, kleine Feriengäste aus Belgien: für ein paar männlichen Flüchtlinge im Alter über 16 Jahre sind zurückzuweisen» Monate fern vom Krieg

Viano (Puschlav), 4. August 1944, Zollposten: Ausschau nach den Unerwünschten

39 20. September 1944, ein SS-Mann bringt französische Kinder in die Schweiz: Aus dem Val d’Ossola eintausend Kinder, meistens mit ihren Müttern, aufge- nommen

Mitte rechts: 24. September 1944, Lan- desgrenze: Die Ersten der «Freien Fran- zosen»-Armee

Schweizerische Grenze (Jura), Ende Oktober 1944: In einem Monatkommen 14‘000 französische Kinder und 2‘000 Mütter in die Schweiz

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Wächter-Ruf

Hört ihr Leut und lasst euch sagen: Drüben hat es Zwölf geschlagen, Bleibet wach und löscht das Licht Hinächt noch ein Weilchen nicht, Am Viertel über Zwölfi Erscheint vielleicht ein Dölfi ! «Nebelspalter» April 1945

Oben rechts: März 1945, Autokolonne des IKRK auf der Fahrt nach Deutsch- land: Gegen Hitlers Befehl, mit geheimer Zustimmung Himmlers, werden 8‘000 Tonnen Lebensmittel in die KG- und KZ- Lager gebracht

Monte Rosa, April 1945, italienische Bergführer: Hunderten von Flüchtlingen in die Schweiz verholfen

42 Links: Bei Ramsen,23. April 1945: Ein französischer Soldat an der Landesgrenzmarkierung

Rheineck, 20. April 1945: Vertreter der Schweiz in der Reichs- hauptstadtkehren heim

Unteres Bild: Zollamt Bargen (Schaffhausen), 22. April 1945, nördlichster Grenzposten: Französische Truppen des Gene- ral de LattredeTassigny in Sicht

43 Kreuzlingen, 23. April 1945, Nordgrenze: «Eiserner Vorhang» auf Schweizerisch

Schweiz, Vallorbe, 26. April 1945: Marschall Pétain und Gattin auf dem Wege nach Frankreich

Bei Büsslingen, 27. April 1945, schweizerische Grenzler, deutsche Soldaten: «Unwürdigen Zutritt verwehren»

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Bild oben: Nähe Hallau (Schaffhausen), 28. April 1945: St. Margarethen, 1. Mai 1945, aus Deutschland auf dem Weg nach Das gesamte Bodenpersonal eines benachbarten Flugplatzes Hause: Ehemalige französische Kriegsgefangene Begehrt Einlass

Unten: Stein am Rhein, 28. April 1945, deutsche Soldaten: Milch für die geschlagene Armee

45 Rorschach (Boden- see), 1. Mai 1945, Schweizer Wacht- posten: 1'200 deut- sche Flüchtlinge ka- men mit dem Aus- flugsdampfer

4. Mai 1945, schweizerisches Nordgrenzgebiet: Deutsche Internierte

46 Staatsgrenze, 15. Mai 1945: Italienische Soldaten kehren heim

Genf, 25. Mai 1945, IKRK-Autobusse: Die Flüchtlinge fahren nach Hause

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Bild oben links: Aus der Grammophone-Kiste: Wellington-Bom- Bild oben rechts: Britischer Luftattaché, benwinden Air-Commandore F. West

Bild unten links: Mangelware in Grossbritannien: Längenmess- Bild unten rechts: His Majesty’s Commer- maschine Typ MU-100 (1933) cial Counsellor, John Lomax

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Ein Schweizer Diamantenschleifer bei Für den Bau von Luftstützpunkten unent- der Arbeit behrlich: einTriangulations-Theodolit

Zur Kontrolle nachGibraltargebracht: In einem Schweizer Präzisions- eine neutrale Frachtauf dem Wege von mechanik-Werk Genua nach Lissabon

50 In den Mittagsstunden des 17. Juni 1940 trifft im Führerhauptquartier ein Funkspruch ein. General Guderian gibt soeben die neueste Lage seiner Panzer-Truppe durch. Hitler antwortet ihm erbost: «Meldung beruht auf einem Irrtum. Gemeint ist wohl Pontailler- Sur-Saône.» Guderian, schon um 120 km weiter vorgerückt, als der Führer glauben will, funkt umgehend zurück: «Kein Irrtum. Bin selbst in Pontarlier an der Schweizer Gren- ze.» So findet der «Fall Gelb», eines der grössten Täuschungsmanöver des Zweiten Welt- krieges, der entscheidend die französische Niederlage heraufbeschwor, und in dem das Oberkommando der Wehrmacht der Schweiz eine grosse Rolle zugedacht hat, sein Ende.

Fäll Gelb

September 1939. Ein schöner Spätsommertag. An kolonnen sind und dass der Motorenlärm vielfach der Brücke von Chalempé zählt eine Gruppe fran- lediglich von einfachen Traktoren stammt. Die Tä- zösischer Soldaten die Waggons des auf der an- tigkeit der Funker, der Artillerie und die häufigen deren Rheinuferseite ratternden Eisenbahntrans- Patrouillen sollen in Wirklichkeit die eigentliche ports. «Niemals hatten wir so viele Züge in Rich- Schwäche der deutschen Divisionen verschleiern, tung Saar, Pfalz und des Landes Baden an dem die entlang des Rheins, an Lauter und Mosel lie- rechten Ufer gesehen. Zahlreiche Soldatengrup- gen. Doch diese Kriegslist verfehlt nicht ihre Wir- pen kampierten hinter den Linien. Und hartnäckige kung: Hinter dem Schutz der Maginot-Linie halten Gerüchte waren im Umlauf, dass man neue Abtei- beinahe dreissig französische Divisionen, darunter lungen erwarte. Es gab kaum ein Dorf auf der an- die besten, Wache. deren Flussseite, in dem nicht Räume beschlag- Am 9. Oktober 1939 befiehlt Hitler die Vorberei- nahmt wurden. Unsere Vorposten an der Maginot- tung eines Angriffs. SeinZiel: die Zerschlagung der Linie bemerkten häufig Motorenlärm. Und unser französischen Kräfte und die Eroberung Hollands, Abhördienst stellte eine ungewöhnliche Funktätig- Belgiens und Nordfrankreichs, als Ausgangsbasis keit fest.» Erinnert sich Colonel Marcel Picard. für einen Schlag gegen England. Ein genauer Beobachter könnte jedoch feststellen, Die Planung der Operation übernimmt das Ober- dass viele Transporte leer fuhren, dass die Trup- kommando des Heeres (OKH). Ihr Deckname: penteile, die durch die Dörfer ziehen, oft nur bunt «Fall Gelb». Für den Einsatz sind drei zusammengewürfelte Arbeitsdienst

51 Heeresgruppen vorgesehen, die Heeresgruppe B bestimmt hat, muss das gesamte Täuschungspro- (Generaloberst von Bock) am rechten Flügel, die gramm vom 5. November an startbereit sein. Heeresgruppe A (Generaloberst von Rundstedt) in Während die Übermittlung von Nachrichten an das der Mitte und die Heeresgruppe C (Generaloberst Ausland auf dem Agentenwege dem OKH obliegt, Ritter von Leeb) am linken Flügel. Gelingt es den ist die erhöhte Gefechtstätigkeit und das Vortäu- Alliierten jedoch, an der Maas rechtzeitig genü- schen stärkerer Kräfte Aufgabe der Heeresgruppe gend Abwehrkräfte zu sammeln, wird die Lage für C. Die erhöhte Gefechtstätigkeit sowie verstärkte die deutsche Armee dort äusserst kritisch. Aufklärung, Einsatz von Luftwaffe und Stosstrup- Um dies zu vermeiden, müssen starke französi- punternehmen richtet sich hauptsächlich gegen sche Truppen an der Maginot-Linie gebunden wer- die Maginot-Linie; im unmittelbar nördlich der den, damit sie nicht zur Abwehr der deutschen Of- Schweiz gelegenen Raum zwischen Basel und fensive an der Maas eingesetzt werden können. Bodensee wird dagegen das Vortäuschen stärke- Da ein frontaler Angriff auf die Maginot-Linie so- rer Kräfte angewandt. wieso keinen Erfolg verspricht, wird eine Offensive Auch die Täuschungsmanöver entlang der des linken Flügels (Heeresgruppe C) nie in Erwä- Schweizer Nordgrenze sind dem französischen gung gezogen. Und daher beschliesst man, einen Generalstab zugedacht: Man nimmt an, dass die Schlag gegen die Maginot-Linie vorzutäuschen: Ergebnisse der Schweizer Beobachtungen kurze Der französische Generalstab soll überzeugt sein, Zeit später auf den Schreibtischen des 2e Bureau dass die Wehrmacht am Oberrhein eine Offensive in Paris landen werden, was sich übrigens auch als plant. Mit der Durchführung dieser Täuschungs- richtig herausstellt. Ein anderer Vorteil: Allein die operation beauftragt man Generaloberst Ritter von Bestätigung französischer Beobachtungen durch Leeb. «Seine HeeresgruppeC wird mit einem Min- Berichte des eidgenössischen Nachrichtendien- destmass an Kräften die Befestigungen in ihrem stes steigern die Glaubwürdigkeit auch der klein- Abschnitt zu halten haben. Über Vortäuschen von sten Täuschungsaktion erheblich. Ein weiteres Er- Angriffsabsichten ergeht gesonderter Befehl.» Als gebnis ist die heftige Reaktion der Schweiz auf Täuschungsmassnahmen sind vorgesehen: «Er- diese vorgespiegelten Tatsachen, die wiederum höhte Gefechtstätigkeit im Bereich der Heeres- die französische Beurteilung der Lage beeinflusst; gruppe C von einem durch das OKH noch festzu- als man nach Monaten bemerkt, Opfer einer List legenden Zeitpunkt an. Vortäuschen des Auftre- geworden zu sein, die das französische Oberkom- tens stärkerer Kräfte im Gebiet der Heeresgruppe mando zu entscheidenden strategischen Fehlern C.» verleitet hat, ist es bereits zu spät. Um eine grössere Anzahl von Truppen, alssiedie Unter grösster Verschwiegenheit läuft die Opera- Heeresgruppe C tatsächlich hat, vorzutäuschen, tion nun an: Nur Generäle und deren engste Mitar- werden die Einteilungsnummern der Einheiten beiter in den Stäben sind überden eigentlichen während der Umgruppierung im Oktober ausge- Zweck der Planung unterrichtet. Generaloberst wechselt. Die Zeit ist knapp. Bereits bis zum 1. No- von Leeb verbietet strengstens, selbst den Aus- vember 1939 sollen beim OKH die Vorschläge für druck «Täuschung» in irgendeiner Form zu ver- weitere Täuschungsmassnahmen eintreffen. Da wenden, und weist im selben Befehl Hitler den 12. November als ersten vorläufigen An- griffstermin im Westen

52 darauf hin, dass die Einheiten unbedingtan wirkli- vorgesehene Verbände wurden ausschliesslich che Angriffsvorbereitungen glauben müssen. während der Nacht wegtransportiert.» Dadurch «Truppen von geringer Angriffskraft muss gesagt soll verheimlicht werden, dass die Heeresgruppe werden, dass an ihrer Stelle aktive Truppen einge- C ständig geschwächt und nur durch Truppen ge- setzt werden, die z. Z. im rückwärtigen Gebiet für ringeren Wertes ergänzt wird. In der Nacht werden diese Aufgabe besonders geschult werden ... Auf unbeladeneZüge und Lastwagenkolonnen auf Um- keinen Fall dürfe der Eindruck entstehen, es wegen in Frontnähe verschoben und damit das handle sich lediglich um einen zweitrangigen Auf- Ausladen von Soldaten vorgetäuscht. trag.» Freiburg im Breisgau und Konstanz dienen als Nur die Divisionskommandanten und ihre Stabs- Ausladebahnhöfe. Unzureichend ausgerüstete chefs sind über den wahren Sachverhalt orientiert. und kriegsuntaugliche Einheiten, Landesschützen Unverzüglich nehmen die Stäbe ihre Arbeit auf und Wachbataillone fahren tagsüber in Richtung und unterbreiten im November erste Täuschungs- Grenze, und bei Dunkelheit marschieren sie dann vorschläge. Der Gen. d. Art. Dollmann, Oberbe- wieder landeinwärts. So kommt es wiederholt vor, fehlshaberder7. Armee, gehtwie vorgesehen dar- dass ein einziges Bataillon in wenigen Tagen das auf ein, weist allen Ernstes einzelne Vorschläge Eintreffen einer ganzen Division vortäuscht. Das zur «Überarbeitung» zurück, nimmt «Umdisposi- bevorzugte Gebiet dafür liegt nördlich der Schwei- tionen» vor oder verspricht, die gestellten Forde- zer Grenze; die zahlreichen zum Rhein hin offenen rungen «um Zuteilung stärkerer Kräfte» zu prüfen. Seitentäler sind dafür geradezu geeignet, und so Das gesamte Täuschungsmanöver droht im werden in Sichtweite der Schweizer Beobach- Sande zu verlaufen, falls es nicht gelingt, die fran- tungsposten Marschhalte eingelegt. zösische Heeresleitung durch einen starken Auf- «In den bekannten Kurorten, durch die wir auf un- marsch am linken deutschen Flügel zu beunruhi- serer Fahrt durch den Schwarzwald zum Boden- gen. Dabei ist das OKH nicht einmal in der Lage, see kamen, hatte sich mancherlei verändert», er- irgendwelche Verstärkungen durchzuführen, und innert sich Hauptmann K. «Viele der grossen Ho- Generaloberst von Leeb sieht sich gezwungen, die tels wurden Sitz militärischer Stäbe. Meldefahrer Franzosen nicht über die Stärke, sondern vielmehr preschten heran und bremsten ihre dreckbespritz- über die Schwäche seiner Heeresgruppe C zu täu- ten Maschinen hart vor den grossen Portalen ab. schen. Da stand nicht mehr der würdevolle Portier in sei- So werden selbst die Umgruppierungen nach dem ner Phantasieuniform, ein Posten im Militärmantel Polenfeldzug zu einem Täuschungsmanöver aus- hatte ihn abgelöst. Und in den Lesezimmern klap- genutzt: Die Verbände, die am Polenfeldzug teil- perten die Schreibmaschinen militärische Be- genommen haben und für die Heeresgruppen A fehle.» und B bestimmt sind, werden zuerst durch Süd- Die eidgenössischen Grenzposten verfolgen auf- deutschland, wo die Heeresgruppe C liegt, gelei- merksam die Geschehnisse auf der anderen tet. Grenzseite. Bereits Mitte September 1939 werden Leutnant H. Schneider: «Die neu ankommenden Geschützstellungen im Schwarzwald gemeldet, Einheiten wurden demonstrativ nahe an die Front und gegen Ende des Monats berichtet das Stadt- gefahren, damit die Franzosen von unserer Anwe- kommando Basel: «Auf den Tüllinger Höhen inten- senheit Kenntnis bekamen. Dies fand weisungsge- siver Stellungsbau beobachtet.» mäss bei Tage statt. Füreinen anderen Einsatz

53 Die zahlreichen Posten berichten, dass Artillerie- lich, die Begrüssung der neuen Regimenter in ei- abteilungen eingerückt und Vermessungen festzu- nem Schwarzwalddorf oder gross angelegte Pan- stellen sind. Tatsächlich, um die Angriffsvorberei- zerübungen auf der Leinwand mitzuerleben, die, tungen der Heeresgruppe C zu unterstreichen, wie der Kommentator schildert, «irgendwo am wird eine rege Aktivität der spärlichen Artilleriever- Oberrhein stattfinden». bände zur Schau gestellt, häufig mit solchen Eins- Von einem auf den anderen Tag, wie aus dem Bo- ätzen, zu denen gar keine Geschütze notwendig den geschossen, künden Hinweistafeln von Lu- sind. Vermessungstrupps bevölkern die grenzna- xemburg bis Basel von einer gewaltigen Militär- hen Gebiete, man fotografiert mit auffallend gros- Sperrzone. Wassich dahinterverbirgt, kann jeder sen Teleobjektiven Planquadrat um Planquadrat nach seiner eigenen Phantasie vermuten. Die von die Zielgelände, und das alles in Sichtweiteder- der Heeresgruppe C verbreiteten Gerüchte deuten Schweizer Beobachtungsposten, diejede Einzel- auf neu eingerichtete Luftstützpunkte, Munitions- heit in ihre Meldebücher eintragen. und Treibstoffdepots als erste Vorboten einer An den französischen Grenzabschnitten allerdings grossangelegten Offensive. ist man gründlicher, mit diesem Land führt man Da der Angriff der Heeresgruppe Cauf die Magi- schliesslich den Krieg. Hier werden eifrig Dutzen- not-Linie erst nach dem Rheinübergang an mehre- de von Artilleriestellungen ausgehoben, einzelne ren Stellen gleichzeitig möglich ist, spielen auch Geschütze eingerichtet und Ziele vermessen. Ab die Pioniere mit ihrem Gerätepark in dem Täu- und zu führt man auch ein «planmässiges Ein- schungsmanöver eine wichtige Rolle. schiessen der Ziele im Vorfeld der Maginot-Linie» Die 7. Armee befiehlt den ihr unterstellten Einhei- durch. ten, die Altwasserstellen am Rhein zu erkunden, Das alles spielt sich natürlich dort ab, wo die Stel- «die sich dazu eignen, Fahr- und Fährenbauübun- lungen aus der Schweiz gut zu sehen sind. Auf gen mit polnischem und tschechischem Brücken- den Strecken in Rheinnähe tauchen immer wieder baugerät durchzuführen». Verzeichnet derSchwei- Züge mit auf der Plattform aufgebauten Geschüt- zer Nach richtendienst. Und Ende Oktober ordnet zen grösseren Kalibers auf, deren Mannschaften die Heeresgruppe C das Bereitlegen von Brücken- mit auffallender Sorgfalt die Ziele vermessen. baumaterial und Hilfsmitteln an. Sie sollen zu- Dass es sich dabei jeweils um denselben Zug han- nächst «nicht direkt am Rhein, aber dennoch dem delt, bemerkt auf der anderen Seite niemand. Feind sichtbar» lagern. Auch werden Pionierein- Die Propaganda-Kompanien der Wehrmacht be- heiten den Oberrhein entlang verlegt. richten nun ausführlich in Wort und Bild vom Alltag Ihre Übungen in den grenznahen Ortschaften, vor der an der Oberrheinfront «massierten» Truppen, allem der Brückenbau und die Flussüberquerun- was für die fremden Nachrichtendienste eine zu- gen, sind nicht nur eine willkommene Abwechs- sätzliche Informationsquelle bedeutet. Auch die- lung für die Dorfkinder. Die Posten der Grenzkom- deutsche Wochenschau, diesich in der neutralen mandos auf der französischen oder der schweize- Schweiz wegen ihres Niveaus grosser Popularität rischen Seite registrieren sorgfältig die Zahl der erfreut, bringt in regelmässigen Abständen Neues eingesetzten Soldaten, die Art des Übersetzgerä- vom Oberrhein oder aus Süddeutschland. So ist tes und die Zeitdauer des Brückenaufbaus. Einige es selbst in kleinsten Schweizer Ortschaften mög- Stunden spätertreffen die Berichte beim eidgenös-

54 sischen Armeestab ein und kurz darauf bei denzu- Als man die Beweise für den «verstärkten Auf- ständigen Offizieren des 2e Bureau in Paris. marsch nach Süden» zu haben glaubt, wird den Der Angriff im Westen ist auf den 12. 11. 39 ange- Ereignissen im benachbarten Grenzgebiet wach- setzt, eine Viertelstunde vor Sonnenaufgang. Da sende Aufmerksamkeit geschenkt. Schon Ende veranlasst plötzlich einsetzender Regen einen September lassen Meldungen über die Anbrin- Aufschub der Offensive. Hitler verlangt gutes Wet- gung von Tafeln und Hinweisschildern der deut- ter, «damit Luftwaffe und Panzer die gleichen her- schen Wehrmacht im Raum Sigmaringen beim vorragenden Erfolge buchen können wie in Po- eidgenössischen Armeestab vermuten, dass dort len». Der Herbst 1939 ist aber scheusslich. Im No- demnächst Truppen zu erwarten seien. «Nach vember beginnt es in Strömen zu regnen, die Singen sollen 5‘000 Mann verlegt werden», berich- Flüsse schwellen an und die überschwemmten tet im Oktober ein Grenzbataillon. Ebenen bilden weitausgedehnte Hindernisse für Am 10. November erhält wiederum die Schweizer die Panzer. Der Angriffstermin wird zum erstenmal Grenzbrigade 4die Nachricht: «Alle Schulen in Ba- auf den 15. November verlegt, um dann beinahe disch Rheinfelden werden als Unterkünfte für- jede Woche von einem Termin auf den anderen dieTruppeneingerichtet.» Indendeutschen Städten verschoben zu werden, insgesamt 29(!) mal, bis es und Dörfern dicht an der Schweizer Grenze er- endlich am 10. Mai 1940 losgeht. scheinen tatsächlich Quartiermacherkommandos Nachdem Mitte November auf französischer Seite des Heeres. Die Meldungen über ankommende nördlich von Basel vermehrterEisenbahnverkehr Truppen werden bei Landwirten, Stadt- und Ge- beobachtet wird, hält man dies in der Heeresgrup- meindebehörden vorgelegt. Danach müssen die pe C «für eine Auswirkung der über die Schweiz örtlichen Behörden die Räumung von Ställen, Ga- nach Frankreich gelangten planmässig ausge- ragen und Schulen, als Magazine oder Truppen- streuten Gerüchte über bevorstehende Belegun- unterkünfte vorgesehen, durchführen. Noch bevor gen der Ortschaften im Bereich der 7. Armee». die angekündigten Einheiten in den Ortschaften Bereits Ende November wird eine Heranführung erscheinen, werden an Strassenecken und Kreu- der Division hinter den Südabschnitt vorgeschla- zungen Schilder mit taktischen Zeichen ange- gen, «weil der Gegner dort infolge der Nähe der bracht. Schweizer Grenze nach den bisher gemachten Er- An einem bestimmtenTag marschieren mit Pauken fahrungen für Täuschungsmassnahmen beson- und Trompeten von den Einwohnern begeistert ders empfänglich ist». Die Posten der Schweizer begrüsste, lange Truppenkolonnen ein. Und Grenzbrigaden beobachten besonders die Bahn- schlagartig verändert sich das Bild der bisher stil- höfe von Singen und Konstanz, die als Zielstatio- len Gegend. Die Trosse rappeln durch verschla- nen der Verschiebungen erkannt sind. Und der all- fene Dörfer, Kradmelder rasen hin und her, die nächtlich andauernde Lärm der Rangiermanöver Nachrichtenkompanien legen Telefonkabel aus ist für sie ein klarer Beweis dafür, dass dort pau- und Soldaten beleben die schmalen Gassen. Am senlos Truppen ausgeladen werden. Auch in die Abend sind die Dorfschenken brechend voll. Es Schweiz einreisende Personen, routinemässig be- wird getrunken, gejodelt und geflirtet. Sonntags fragt, berichten von starken Truppenausladungen veranstalten Militärkapellen auf den Märkten Platz- bei Donaueschingen und Freiburg im Breisgau. konzerte, wochentags geben die gelegentlichen Inspektionsbesucheder Generäle Anlass zu im-

55 provisierten Paraden, an denen die gesamte Be- Der Herr Bürgermeister lud die Musik rasch noch völkerung regen Anteil nimmt. zu einem Glas Bier ein. Die im Dorf liegenden Sol- «Vor dem ‚Gasthaus zum Bären‘ wartete der Om- daten machten sich auf, um ihre Abendration ab- nibus. Musiker in der Uniform derGebirgsjäger, die zuholen. Heimwärts rollte der Omnibus, morgen hier in Quartier lagen, stiegen mit ihren blitzenden soll ein anderes Dorf besucht werden», berichtet Instrumenten ein. Im Nachbardorf sollte es heute die Zeitschrift «Die Wehrmacht» im Februar 1940. ein Konzert geben. Als erste Zuhörer fanden sich Und während die Einzelheiten über diese «Trup- die Kinder des Dorfes ein, die «Grossen» waren penansammlungen» in die Schweiz und von dort noch bei der Arbeit auf dem Feld. Rasch wurden nach Frankreich durchsickern, schrumpft die Sol- die Pulte aufgestellt. Auf ein knappes Zeichen des datenzahl ganz unaufällig; ohne grosses Aufsehen Obermusikmeisters flatterten die Töne des Eröff- werden sie an ihre Sammelstellen zurückbeordert. nungsmarsches über den Platz und drangen bis Eine Achillesferse der Heeresgruppe C ist das zum letzten Haus des Dorfes. Auf der anderen Fehlen jeglicher Kampfwagen, und ein misstraui- Seite der Strasse blinkte ein metallenes Becken in scher Zuschauer würde genügen, um den gesam- der Sonne, der Friseur hatte da seine Wirkungs- ten präzis aufgebauten Täuschungsplan zu durch- stätte im Dienst der Verschönerung. Die Tür sei- kreuzen, denn seit dem Polenfeldzug weiss man, nes Ladens stand offen, die Kunden, die unter dass die Panzer eine der wichtigsten deutschen dem Rasiermesser sassen, sollten das Konzert Offensivwaffen sind. auch hören. Zum Vortäuschen grösserer Panzerkräfte bedient Ein grosses Scheunentor wurde aufgestossen, man sich einiger raffinierter Mittel. So erscheinen und Soldaten quollen aus dem behelfsmässigen im Oktober 1939 bei der Heeresgruppe C zahlrei- Unterrichtsraum, in dem gerade Appell «in allen che Offiziere in den Uniformen der Panzergruppe. Sachen» abgehalten wurde. Jetzt rasselten die «Erwünscht wäre ferner», kabelt Generaloberst Ackerwagen über die holprige Strasse. Die Pferde von Leeb, «die Zuteilung wenigstens einzelner mussten sich sputen, denn keiner wollte das Kon- nicht mehr voll verwendungsfähiger Panzerkampf- zert versäumen. Es dauerte nicht lange, bis sich wagen.» Der 7. Armee (Gen. d. Art. Dollmann) wird auch die «holde Weiblichkeit» eingefunden hatte. der Befehl, die «Panzeroffiziere» bei Aufklärungs- Die Gruppen lösten sich nun zwanglos auf, man unternehmen einzusetzen, erteilt, und im Novem- promenierte gemächlich auf und ab, von der Apo- ber bekommt die 7. Armee überraschend einige theke bis zum Bäcker und wieder zurück. Panzer. Kurz darauf melden eidgenössische Po- Aus den Instrumenten lösten sich nun die sanften sten erstmals einzelne Panzer in Grenznähe. Es Klänge eines Walzers. Der Obermusikmeister handelt sich dabei um Panzerspähwagen, die, wie wusste, wie er sein Konzert wunschgemäss ge- man in der Schweiz weiss, nur in den Armeekorps stalten sollte. Es dauerte auch nicht lang, da hat- und in Panzerdivisionen eingesetzt werden. «Fer- ten sich ein paar Landser und ein paar Mädels ge- ner sind aus Lörrach taktische Zeichen an Quartie- funden, die auf der Strasse einen Walzer versuch- ren gemeldet worden, die die Anwesenheit der ten, als hätten sie den Boden eines Tanzsaales Panzertruppen bestätigen.» Auch in Zell sind Pan- unter ihren Stiefeln. «Wie im Manöver», schwärm- zereinheiten aufgetaucht, was auf einen grösseren te ein alter Bauer neben mir. Panzerverband im Raum Wiesenthal, nahe Basel, Aber schliesslich konnte auch der stärkste Beifall das Ende des Konzerts nicht mehr hinauszögern.

56 schliessen lässt. Gleichzeitig werden aus der Um- einen kurz bevorstehenden Angriff vortäuschen: gebung von Sigmaringen Panzertruppen signali- «Die Täuschungsaktion hat daher nur Sinn und siert; dort sind häufig Männer in den schwarzen lohnt nur den Einsatz und unvermeidliche Bele- Uniformen gesehen worden. bung der Front, wenn es gelingt, namhafte Feind- «Im Kandertal oder Wiesenthal scheint noch im- kräfte so lange vor der Front der Heeresgruppe mer eine Abteilung Panzertruppen untergebracht Czu fesseln, dasssie im Wettlauf zur belgischen zu sein. Leichte Panzerwagen (Typ I) wurden wie- Front zu spät kommen.» derholt auch von schweizerischem Gebiet aus Nach dem neuesten Manstein-Plan kann die beobachtet», berichtet am 11. Dezember der eid- Spitze des deutschen Panzerkeils etwa am 4. genössische Nachrichtendienst. Und einige Wo- Operationstag die Maas erreichen. Deswegen chen später erfährt er aus verschiedenen Quellen, müssen bis zu diesem kritischen Zeitpunkt mög- dass den Rhein entlang grössere Mengen Pionier- lichst grösste gegnerische Kräfte an der Maginot- material transportiert werden, darunter auch Pon- Linie gebunden werden. Folglich soll die Täu- tons und Schlauchboote. An einigen festen Brük- schung ihren Höhepunkt bereits vor dem Beginn ken in Grenznähe werden gleichzeitig mit Panzern der Offensive erreichen. Die Bedrohung von Sei- Belastungsproben vorgenommen. Das Stadtkom- ten der Heeresgruppe C muss daher unbedingt bis mando Basel meldet im gleichen Monat: «Durch zum X + 4 (4. Operationstag) aufrechterhalten wer- zuverlässige Grenzbewohner erfahren wir, dass den. Dann ist die Entscheidung an der Westfront sich bei Rührberg zwei grosse Artilleriestellungen gefallen. befinden. Diese Stellungen sind direkt auf die Bald bilden sich im Raum der HeeresgruppeC zwei Rheinbrücke von Rheinfelden gerichtet, die in der klar abgegrenzte Abschnitte, in denen jeweils ver- Distanz von 6 km gut sichtbar ist.» Nachdem der schiedene Arten von Täuschungsmanövern einge- Angriffstermin gegen Frankreich endgültig auf das setzt werden. Der erste Abschnitt: gemeinsame Frühjahr verschoben worden ist, ergibt sich Ende Rheinfront mit Frankreich. Der zweite: die Gegend Januar 1940 für die Heeresgruppe C eine völlig nördlich der Schweiz. An der Frankreichfront wird neue Situation. Ihre Aufgabe war bis jetzt lediglich überwiegend die Gefechtstäuschung eingesetzt, die Unterstützung der scheinbar unmittelbar be- an der Grenze zur Schweiz wiederum der Trans- vorstehenden Offensive. Damit hatte sie einen port und das Bereitstellen von Kriegsmaterial vor- ausgesprochen taktischen Charakter von kurzer getäuscht. Gewaltsame Aufklärung und kleinere Dauer, langfristige Massnahmen waren nicht vor- Stosstruppunternehmungen sollen die Franzosen gesehen. auf einen bevorstehenden Angriff im Oberrheinge- Nun liegt das Gros der zum Angriff bestimmten biet hinweisen. Heeresgruppe A (Generaloberst von Rundstedt Am linken Flügel der deutschen Front steht ge- und B (Generaloberst von Bock) bereits in ihren mäss Aufmarschanweisung für den Westfeldzug Ausgangsstellungen. Da die Irreführung bis zum die Heeresgruppe C (Oberbefehlshaber General- Start der Offensive durchgeführt wird, lautet jetzt oberst Ritter von Leeb), welcher die 1. und die 7. die neue Aufgabe der Heeresgruppe C: Die Illu- Armee unterstellt sind. Die 1. Armee (General- sion eines starken linken Flügels muss über Mo- oberst von Witzleben) ist im Raum Saarbrücken, nate hin aufrechterhalten werden, und erst im pas- die 7. Armee (Gen. d. Art. Dollmann) zwischen senden Augenblick soll sie mit vermehrter Aktivität Karlsruhe und der Schweizer Grenze eingesetzt.

57 Das Hauptquartier der 7. deutschen Armee liegt in Kanonendonner. Wir unternahmen auf der deut- Freiburg, nur 50 Kilometer von der Schweizer schen Seite dieses Gebietes von Basel bis Lauter- Grenze entfernt. burg bei Karlsruhe, 200 Kilometer am Rhein ent- Seitdem betreibt man die Täuschungsmassnah- lang, eine zweitägige Fahrt... Unsere Omnibuska- men mit noch grösserem Aufwand. Das Lärmen rawane bog plötzlich von der Chaussee ab, um in der Rangierzüge in den langen Winternächten so- eine schmalere Strasse einzubiegen, die unmittel- wie das Rasseln der vorbeirollenden Panzer und bar auf eine 500 m breite, ans Flussufer grenzende das Heulen der schwer beladenen LKW-Kolon- Ebene hinabführte. Wir verliessen die Fahrzeuge nen, das die lauschenden Grenzposten so beein- in einer aus Bäumen gebildeten Deckung, und nun druckt, hat übrigens eine sehr friedliche Ursache: ging es in zwei Meter tiefe Laufgräben hinein, die EssindTonbänder mit Geräuschkulissen, die je so breit waren, dass zwei Männer darin nebenein- nach Wahl abgespielt werden. ander stehen konnten. Im Februar 1940 macht das Oberkommando der Um uns herum, in unregelmässigen Abständen 7. Armee eine bemerkenswerte Feststellung: «Die von 30 bis 60 Metern, tauchten Maschinengewehr- Durchführung der T-Massnahmen in den vergan- nester auf, die die zweite Verteidigungslinie bilde- genen Wochen hat den Beweis erbracht, dass mi- ten. Der Graben, in dem wir aufrecht gehen konn- litärische Bewegungen grösseren Umfangs oder ten, ohne von drüben gesehen zu werden, führte auch Gerüchte über geplante militärische Mass- uns in die vorderste Linie des Rheinufers. Wir be- nahmen aus dem Raum südlich der Linie Freiburg- kamen dort einen ersten Gesamteindruck von der Donaueschingen binnen 2-3 Tagen über die Rheinfront. Schweiz zur Kenntnis des französischen Nach- Als wir vorsichtig den Kopf über dieTarnung, die richtendienstes gelangen.» Auch die Auslands- sich über dem Graben erhob, hinaussteckten, sa- presse wird in die Täuschungsmanöver einge- hen wir rechts und links eine Reihe niedriger Befe- spannt. Selbst an der vordersten Linie sieht man stigungen, von den Deutschen Bunker genannt. häufig Luxusomnibusse, mit denen das Oberkom- Sie waren zahlreicher als die französischen Befe- mando des Heeres Front-Rundfahrten für auslän- stigungen dieser Art, etwa im Verhältnis von 3:1. dische Journalisten veranstaltet. Den Presseleu- Die Deutschen sagten, dass die französischen ten stehen als «Fremdenführer» Offiziere der Hee- Verteidigungen nicht so widerstandsfähig wären resgruppe C zur Seite, die dafür Sorge tragen, wie ihre eigenen. Sie versicherten, dass ihre Ver- dass sie sich, den Erfordernissen des «Fall Gelb» teidigungslinie uneinnehmbar sei.» («La Libre Bel- entsprechend, ein Bild machen. Da die Eindrücke gique» Brüssel, 15. März 1940) der Journalisten weitgehend mit den Meldungen Zwar stellt etwa Mitte März der Schweizer Nach- der Schweizer und französischen Nachrichten- richtendienst fest, dass die befürchtete Konzentra- dienste übereinstimmen, ergänzen sie das Bild tion deutscher Kräfte in grenznahen Gebieten vor- vom deutschen «Aufmarsch». läufig ausbleibt, lediglich kleinere Einheiten auftau- chen und sogar die Quartiermacher unter Zurück- lassung der Hinweisschilder sowie Freigabe der beschlagnahmten Räume nach und nach ver- «BESUCH AN DER OBERRHEINFRONT» schwinden, allerdings werden daraus keine «Die südliche Hälfte derdeutsch-französischen Schlüsse gezogen. Grenze, die mit Geschützen gespickt ist, erinnert wohl überall an den Krieg, aber man hört keinen

58 In den letzten Märzwochen und im April beobach- 50 m Höhe, befindet sich eine gewaltige Befesti- tet man von derSchweizaus, dassder Militärver- gung in Beton. Diese ist von Nordosten erkennbar, kehr auf der anderen Grenzseite erheblich schwä- da der ganze vordere Teil mit Erde bedeckt ist. cher wird, jedoch Ende April wieder überraschend Diese Befestigung, wahrscheinlich für Artillerie, anschwillt: Die Anzahl der Züge und motorisierten kann bei einem Angriff gegen die Schweiz Ver- Kolonnen verdoppeln sich. Massive Truppenverle- wendung finden oderfür die Beschiessung von Ba- gungen scheinen im Gange zu sein. In der Regel sel.» Und die Grenzwachtkommandos haben wie- sind die Wagenfenster verdeckt und das Material der eine Nachricht aus «sicherer Quelle»: «Die auf den offenen Güterwagen unter Planen. Das deutschen Vermessungsarbeiten sind rein militäri- Gros der Truppentransporte geht in Richtung Sü- schen Charakters und sind ein Teil der schiess- den. Und man glaubt nun, dass der Aufmarsch ge- technischen Vorbereitungen.» gen die Schweiz anrollt. Das gleiche Täuschungsmanöver, das bereits im «Vorbereitung von Grossquartieren für 80‘000 Oktober durchexerziert wurde, wendet das OKH Mann, Bayern und Tiroler, ausgebildete Truppen. auch im April an: Um weitere Verstärkungen bei Bodenseegegend und Vorarlberg im Allgemeinen der Heeresgruppe C vorzuspielen, werden bei den sollen stark belegt sein», heisst es in dem Bericht Verbänden des XXXIII. Armeekorps, die im süd- der Schweizer 5. Division, die entlang der deut- deutschen Raum liegen, neue Einteilungsnum- schen Grenze liegt. In der für den Generalstab an- mern ausgegeben. Kurz darauf erhalten die eidge- gefertigten Lagemeldung des Oberst Masson, nössischen Grenzkommandos, der Nachrichten- Chef des eidgenössischen Nachrichtendienstes, dienst und sogar der Militärattaché in Berlin Be- steht: «Die Gegend von Tuttlingen und das Hegau richte von weiteren Truppenverlegungen in Rich- sind verhältnismässig dicht belegt und die dort ein- tung Süden: «Derdeutsche Aufmarsch nördlich getroffenen Vorkommandos lassen vermuten, der Schweiz sei in vollem Gange.» dass in nächster Zeit noch weitere Truppen dort Der eidgenössische Nachrichtendienst ist davon erscheinen werden.» In den ersten Apriltagen wird überzeugt, dass im Umkreis von etwa 30 Kilome- im Weichbild von Lörrach sogareine Anzahl von tern nördlich der Schweizer Grenze wenigstens Geschützen verschiedenen Kalibers in festen Stel- zehn kriegsstarke Divisionen liegen. In Wiesent- lungen gemeldet. In Berlin erfährt derschweizeri- hal, in der Gegend von Basel, vermutet er vier Di- sche Militärattaché vertraulich aus «ganz zuver- visionen, dazu zahlreiche Einheiten von nicht fest- lässiger Quelle», dass das OKH den höchst eiligen gestellter Grösse im Raum Säckingen-Waldshut. Auftrag zur Herstellung von Kartenmaterial des östlich und nördlich des Kantons Schaffhausen gesamten Grenzgebietes zwischen Schaffhausen sollen sogar vier oder fünf Divisionen, darunter und Basel, «die für Artillerieeinheiten bestimmt mindestens eine vollmotorisierte, liegen. sind», vergeben hat. Gleichzeitig beobachten die Insgesamt sind, als Ergebnis der vorzüglichen eidgenössischen Posten eine starke Tätigkeit der Täuschung, im süddeutschen Raum zwischen 23 deutschen Vermessungstruppsentlang der Gren- und 25 vollwertige Divisionen gezählt worden, also ze. beinahe das Dreifache dessen, was sich dort an Im gleichen Monat signalisiert das Territoriale Re- kampfschwachen Truppen tatsächlich befindet. In giment 73 aus dem Grenzgebiet bei Chrischona: Wirklichkeit ist die Rheinfront auf der deutschen «Im südwestlichen Teil des Waldes, in ungefähr

59 Seite im Frühjahr 1940 nicht mehr als eine dünne später, am 8. Mai, von einer getarnten Haubitzen- Postenkette, und die 7. Armee (Gen. d. Art. Doll- batterie bei Oberbargen, von der man annimmt, mann) wird zu keiner noch so begrenzten Offen- dass ihre Schussrichtung auf die Rheinbrücken sivhandlung imstande sein. Sie zählt zu dieser Zeit von Schaffhausen liegt. lediglich vier neu aufgestellte Divisionen, grös- Tatsächlich stehen weiterhin im Raum nördlich der stenteils mit tschechischem und polnischem Beu- Schweiz Truppen von geringerem Wert: Sie verfü- tegerät, dazu noch völlig ungenügend ausgestat- gen weder über Panzer noch überschwere Waffen tet. und sind teilweise nur mangelhaft ausgerüstet. Hitler unterrichtet die Generale Keitel und Jodl am Das Armeeoberkommando 7 (Dollmann) hat bei- 27. April davon, dass er den Angriff gegen Frank- spielsweise für den rund 150 km langen Frontab- reich, den «Fall Gelb», für die Zeit zwischen dem schnitt lediglich die vier erwähnten Stellungsdivi- 1. und 7. Mai vorgesehen habe. Alles ist bereit. sionen, nach späteren übereinstimmenden deut- Und der Plan zeigt eine bemerkenswerte Nüch- schen Aussagen ohne jeglichen Angriffswert, zur ternheit und Klarheit. Die Heeresgruppe C (v. Verfügung. Hinzu kommen nur noch die im Raum Leeb, mit 19 Divisionen) hat weiterhin die passive der 7. Armee zwischen der Schweizer Grenze und Front zwischen Luxemburg und der Schweiz zu Stuttgart stehenden zwei Divisionen der 3. Welle, halten, während die beiden anderen Heeresgrup- eine Division 4. Welle, eine Division 7. Welle und pen, B (v. Bock) und A (v. Rundstedt), aktiv ein- eine Polizeidivision. greifen sollen. Dabei wird die 7. Armee (Gen. d. Dies bestätigt auch, dass das OKW im Mai 1940 Art. Dollmann) angewiesen, parallel zu dem An- in Wirklichkeit gar keinen Angriff gegen die griff im Norden der Westfront die Täuschungsma- Schweiz vorhatte. Selbst für den Fall, dass der növer vorzubereiten, von dem das deutsche Ober- Vorstoss der Heeresgruppen A (v. Rundstedt) und kommando überzeugt ist, dass es den Franzosen B (v. Bock) an der Maas zum Stehen kommen und Schweizern die Offensivmassnahmen der sollte, hat man keine Alternativlösungen zur Hand. Heeresgruppe C beweist. Dazu fehlen nicht nur die aktiven, kampfstarken «Im Gebiet von Wehr im Wehratal beobachtete Divisionen mit Panzern und Artillerie, es existieren man verschiedentlich Panzerwagen. Da diese auch keine logistischen Vorbereitungen hierfür. zwar stationär sind und nur verhältnismässig Selbst eine Verschiebung anderer, in Süddeutsch- kurze Zeit am gleichen Ort bleiben, ist es möglich, land stehenderTruppen ist kurzfristig keineswegs dass sie nur für Übungszwecke bestimmt sind», möglich, da bei der Heeresgruppe C ein akuter meldet am 3. Mai die eidgenössische 5. Division. Mangel an Transportmitteln herrscht. In den nächsten Tagen stellt man auch einzelne Am Donnerstag, dem 9. Mai, einige Stunden vor Panzerspähwagen am nördlichen Rheinufer fest. der deutschen Offensive, besitzen die Alliierten Dieses urplötzliche Auftauchen von seit mehreren 144 Divisionen, davon stehen an der Maginot-Linie Monaten nicht mehr gesichteten Panzern gibt im und an der Schweizer Grenze insgesamt 37 fran- Schweizer Generalstab Anlass zur Sorge. Die zösische Verbände. Also liegt fast ein Drittel der Panzer, von einer grenznahen Ortschaft zur ande- gesamten Streitkräfte gegenüber der deutschen ren fahrend, sollen wiederholte Verlegungen von Heeresgruppe C mit ihren 19 mittelmässigen In- starken Panzerverbänden in diesem Raum vortäu- fanteriedivisionen. schen. Dieselbe5. Division berichtet eine Woche

60 Truppen, die im Norden dringend gebraucht wür- Konstanz und Meldungen über die Bereitstellung den, um den deutschen Vormarsch in Belgien zu von Pioniergerät für eine Rheinüberquerung wer- stoppen, hält man längs der Schweizer Grenze den vom eidgenössischen und vom französischen Gewehr bei Fuss in Bereitschaft: Selten haben die Stab als einwandfreie Offensivmassnahmen ge- westlichen Geheimdienste so gründlich versagt wertet. wie im «Fall Gelb». Auch der sonst so präzis arbei- DieSchweizerGesandtschaftinBerlinsoll noch am tende Schweizer Nachrichtendienst wird diesmal selben Tage Auskunft über den Einsatz der Pio- hinters Licht geführt. niere der7. Armee verlangen. «Das deutsche «Den Deutschen standen, wie man wusste, drei Oberkommando versichert, dass die Pontonbrük- Möglichkeiten offen», notiert W. Churchill, «er- ken nur Übungsarbeiten eines dort liegenden Pio- stens konnten sie den Versuch unternehmen, nierbataillons und in keiner Weise gegen die durch die Schweiz in Frankreich einzufallen. Diese Schweiz gerichtet seien», lautet die Antwort aus Lösung erlaubte ihnen, die Maginot-Linie südlich der Reichshauptstadt. zu umgehen, botaberzahlreich geographische und «Am Morgen des 10. Mai 1940 fuhr ich mit dem strategische Schwierigkeiten. Wagen von München über Ulm, Ravensburg nach Die zweite MöglichkeitwareineOffensivean der ge- Bregenz», berichtet der Schweizer Gesandte in meinsamen Grenze. Ein solches Vorgehen war Berlin, Fröhlicher. «Diese Strasse hatte übrigens aber unwahrscheinlich, da man annahm, dass die schon von Nürnberg an eine militärische Bezeich- deutsche Armee für einen schweren Angriff auf die nung, ein H, was Helvetia bedeuten konnte. Wäh- Maginot-Linie nicht ausreichend bewaffnet und rend nun aberauf den Flugplätzen schon um 5 Uhr ausgerüstet sei. morgens Hochbetrieb war, sah ich auf dieser An- Der dritte Fall war die Invasion Frankreichs durch marschstrasse gegen unser Land keine Truppen. Holland und Belgien.» Als ich um 8 Uhrander Grenze anlangte, erklärte Hitler zieht diese dritte Möglichkeit vor: Am 10. Mai man mir, sie sei seit heute früh gesperrt. Aus dem 1940, um 5 Uhr35, beginnt die deutsche Offensive Wachlokal ertönte die Stimme Goebbels, der den im Westen von der Nordsee bis zur Südgrenze von Überfall auf Holland und Belgien damit begrün- Luxemburg, unter Verletzung der Neutralität der dete, dass die Presse dieser Länder unneutral ge- Niederlande, Belgiens und Luxemburgs. wesen sei! In der Schweiz war Generalmobilma- Am Morgen des10. Maitrifftgleichzeitigmitden Be- chung, und meiner Meldung, dass meine Be- richten über die ersten Erfolge der Wehrmacht bei obachtungen nicht auf einen bevorstehenden An- der seit ein paar Stunden rollenden Westoffensive griff schliessen lassen, glaubte man offenbar nicht. im Schweizer Generalstab eine alarmierende Schon am Morgen darauf fuhr ich von Bern nach Nachricht ein. Sie kommt vom 3. Armeekorps: «Im Berlin zurück, und zwar bis Nürnberg über die ‚Hel- Tägerwilermoos bei Konstanz, an der Strohmeyer- vetiastrasse‘, und wieder hatten sich offenbar die strasse, bauen Deutsche eine grosse Ponton- anmarschierenden Divisionen vor mir versteckt...» brücke (mit Eisenschienen verbunden). Beide Ufer Am Samstag, dem 11. Mai, einen Tag nach Beginn sind dort deutsch, aber man ist sofort im Schwei- derdeutschenOffensiveim Westen, wird in der zergebiet. 1 Ponton ist bereits auf der Südseite.» Schweiz die Generalmobilmachung angeordnet. Gerade dieses Täuschungsmanöver erreicht so- fort die beabsichtigte Wirkung. Der Brückenbau bei

61 Die Einheiten unterbrechen ihre Ausbildung in den naueschingen übermitteln eidgenössische Grenz- Kasernen und beziehen die vorbereiteten Stellun- posten beunruhigende Meldungen. gen. Die Soldaten, die daheim und an ihrem Ar- Mit der Kulmination der deutschen Täuschungs- beitsplatz sind, legen ihre Uniform an und stossen manöver steigert sich zugleich die Nervosität in zu ihren Einheiten. An festgelegten Punkten wird der Schweiz. Munition ausgelagert. Die Grenzwachen sind er- Eines grösseren Effektes wegen schaltet das heblich verstärkt worden, die Soldaten fassen Ver- OKW die diplomatischen Kanäle ein, um auf die- pflegung für mehrereTage. Diese Vorbereitungen sem Wege weitere falsche Informationen im Aus- für den Ernstfall, dazu eine Welle von Gerüchten land zu lancieren. In den Hauptstädten Europas und Spekulationen, schaffen eine echte Panik- lässt die Abwehr ihre Agenten und V-Männer mit stimmung gerade in der Nordostschweiz. allen möglichen Gerüchten ausschwärmen. So er- Die gleichzeitig mit der Westoffensive erfolgte Ver- fährt beispielsweise in Rom der Schweizer Bot- schärfung deutscher Massnahmen und die Grenz- schafter Rüegger von dem Vertreter der USA, der sperrung zur Schweiz hin entzieht dem Schweizer gerade ein Gespräch mit Italiens Aussenminister Nachrichtendienst schlagartig die Möglichkeit, der Ciano geführt hat, dass ein deutsches Vorgehen Heeresgruppe C über die Schulter zu schauen, nicht nur am rechten, sondern auch am linken Flü- und vor allem die Möglichkeit, die ohnehin spärli- gel (Heeresgruppe C) zu erwarten sei, und dass chen Informationen zu überprüfen. Man nimmt die Schweiz nur noch durch ein Wunder vom Krieg aber an, dass der Transportverkehr im bekannten verschont bleiben werde. Ausmass weiterläuft und die Quartiermacherkom- Am 11. Mai treffen neue Meldungen über beträcht- mandos ihren Einsatz in gleicher Stärke fortführen. liche VerstärkungenderanderSchweizer Grenze Eine Besorgnis erregende Schlussfolgerung, da liegenden deutschen Streitkräfte ein: «Am Rhein die beiden deutschen Aktionen nun auf einen un- sind Vorbereitungen, Brücken über den Fluss zu vermindert starken Aufmarsch an der Schweizer schlagen, beobachtet worden. Im deutschen Nordgrenze hindeuten. Grenzgebiet sollen Wegweiser durch Tafeln, die Am 12. Mai heisst es in den rosa Blättern der in- zwar keine Ortsnamen, dafür jedoch die genauen ternen Lagebeurteilung des eidgenössischen Entfernungen zur Schweiz angeben, ersetzt wer- Nachrichtendienstes: «Am Hornberg wurden den.» schwere Feldhaubitzen festgestellt. Die Entfer- Aus Paris sendet der eidgenössische Militäratta- nung vom Rhein und die Möglichkeiten der Beob- ché nach Bern die Nachricht, die ihm derChef des achtung würden die Beschiessung unserer Bunker französischen Nachrichtendienstes, Colonel Gau- am Rhein gestatten.» ché, soeben durchgegeben hat: «An zuständiger Die im Rahmen des «Fall Gelb» unternommenen Stelle herrscht um das Schicksal der Schweiz Täuschungen erreichen zwischen dem 10. und 15. grösste Sorge. Die Befürchtungen stützen sich auf Mai ihren Höhepunkt. WährenddiePanzerrudel die festgestellten Truppenkonzentrationen in Wie- des Generaloberst v. Rundstedtsich an der Maas senthal und im Schwarzwald.» erste Entscheidungen erkämpfen, wächst schlag- Am Sonntag, dem 12. Mai, treffen in der Schweiz artig die Aktivität der an der Schweizer Grenze von Berichteaus Berlinein: «Unter Diplomaten werden Basel bis zum Bodensee stehenden deutschen die Chancen der Schweiz nicht besonders gut be- Truppen. Besonders aus dem Raum Freiburg-Do-

62 urteilt», und am Montag, dem 13. Mai, erklärt Go- hen Nachmittag alle nicht unbedingt notwendigen ebbels in seiner Rede, dass es in Europa innerhalb Geheimakten zu verbrennen. Zwar hat man für den von 48 Stunden keine neutralen Staaten mehr ge- Fall eines deutschen Angriffs geplant, die Bevölke- ben wird. Zu diesem Zeitpunkt kann nur noch die rung der Grenzgebiete ins Innere des Landes in Si- Schweiz als neutral angesehen werden. cherheit zu bringen, und Räumungskommandos Wie ernst die Alliierten die Situation in diesen Ta- haben die Evakuierung bereits mehrfach geübt. gen einschätzen, zeigen die Evakuierungsvorbe- Jedoch im letzten Augenblick trifft ein Gegenbefehl reitungen in der englischen und französischen ein: «Die Armee braucht freie Strassen.» Man Botschaft in Bern. kennt das Gespenst der blockierten Wege wäh- Der Einsatz deutscher Pioniereinheiten an Boden- rend des Polenfeldzuges und jetzt in Frankreich, see und Oberrhein, die raffiniert vorgetäuschten, die Truppenbewegungen unmöglich machen. Und in Frankreich und derSchweizabgehörten Funk- man weiss auch, dass das Erzeugen von Panikzu sprüche, die «unmissverständliche Beweise für den Praktiken der Deutschen gehört. die deutschen Absichten» liefern, und die durch Der General lässt in diesen Tagen vorsorglich die Grenzposten gemeldete Munitionsverteilung 72‘000 Gewehre an die Ortswehren verteilen, was bei den deutschen Streitkräften tragen dazu bei, jedoch nicht publik gemacht wird. Und die Ereig- dass sowohl im eidgenössischen Armeestab wie nisse der nächsten Tage sind so schwerwiegend, bei den Truppen und der Zivilbevölkerung die Be- dass weder der Bundesrat noch die Armeeführung unruhigung von Stunde zu Stunde wächst. Die es verantworten wollen, die Bevölkerung über den Bahnüberführungen und Brücken werden vermint, vermeintlichen Ernst der Lage zu informieren. Am Sprengkommandos stehen, die Hand auf dem 14. Mai befiehlt General Guisan, mitten in der Pa- Druckhebel, bereit. Trotz aller Verbote verlässt die nik und Verwirrung, die demonstrative Verstärkung Bevölkerung jedoch in Massen das Grenzgebiet. der Grenzstellungen. Artilleriekolonnen rollen auf- Binnen Stunden sind in Basel sämtliche Ruck- fällig Tag und Nacht nordwärts durch Städte und säcke und Leiterwagen ausverkauft, Matratzen Dörfer, Infanterie folgt in Eilmärschen. Dieses Täu- werden als Expressgut aufgegeben, alle Züge in schungsmanöver ist nicht nur für die Deutschen, die Innerschweiz und an den Genfer See sind rest- sondern vielmehr für die eigene Bevölkerung ge- los überfüllt, die Autostrassen verstopft. dacht. Es soll betonen, dass die Armee die Situa- Die Kolonnen der in Panik geratenen Flüchtlinge tion fest im Griff hat und auch die Möglichkeit be- ausder Nordostschweiz, diesich Hals über Kopf sitzt, sich dem Feind entgegenzustellen. Gleichzei- mit Hab und Gut – selbst die Badewanne auf dem tig wird ein Durchhaltebefehl an alle Truppen erlas- Autodach fehlt nicht – in die Westschweiz oder die sen, sein Inhalt ist in erster Linie als Warnung an Bergtäler des Landesinneren ergiessen, üben ge- Hitlers Hauptquartier gedacht. wiss keinen positiven Einfluss auf die Truppe und Aufgrund vertraulicher Mitteilungen ist der deut- noch viel weniger auf die zurückbleibende Zivilbe- sche Angriff in «der Nacht vom 14. auf den 15. Mai völkerung aus. geplant». Interessanterweise können jedoch we- In Bern steigen aus den Schornsteinen der Bot- derdereidgenössische Nachrichtendienst noch das schaftsgebäude der Alliierten blaue Qualmwolken recht zuverlässig arbeitende Hausamann «Privat- auf. Auch in der Nachrichtensektion des eidgenös- Geheimdienst-Büro Ha» auch nur eine einzige sischen Armeestabes beginnt man bereits am frü-

63 vorlegen, die den leisesten Hinweis auf die Ab- Augenblick an der Maas. Somit gelingt eine mon- sichten der Wehrmacht im süddeutschen Raum ströse strategische Überraschung, die entschei- oder den wahren Zweck des «Aufmarsches» der dend zur Zerschlagung derfranzösischen Armee Heeresgruppe C gibt. beiträgt. Lediglich das 2e Bureau des französischen Gene- Die französischen Truppen werden am Oberrhein ralstabs weiss über den neuesten Stand der Dinge und nördlich derSchweizbiszum 16. Mai, also so aus Paris zu berichten: «On signale une forte con- lange, wie es die deutschen Strategen als notwen- centration à Tuttlingen, Une division de parachuti- dig erachten, in höchstem Alarmzustand gehalten. stes est partiedeStuttgarten direction du sud. Erst als zwischen Maas und Nordsee die Entschei- D’après une personalité suisse bien informée, l’at- dung gefallen ist und die am rechten Flügel liegen- taque aurait lieu le 15 mai à 2 heures du matin.» den französischen Reserven die sich anbahnende «Wir müssen also davon ausgehen, dass stärkere Niederlage nicht mehr aufhalten können, wird deutsche Kräfte in der Nähe unserer Grenze ver- nach dem 23. Mai der Abtransport starkerdeut- sammelt sind ...», stellt Oberst Masson am folgen- scher Truppenkontingente vom Oberrhein und der den Tage fest, nachdem der für die Nacht ange- Schweizer Grenze beobachtet. kündigte deutsche Angriff ausbleibt. Aus Paris ka- Mit Verblüffung muss der eidgenössische Nach- belt der Gesandte Stucki: «Noch am Donnerstag, richtendienstchef, Oberst Masson, jedoch am dem 16. Mai, seien sämtliche französische Stellen Dienstag, dem 4. Juni, feststellen: «Die Anzeichen der festen Meinung gewesen, der deutsche Vor- dafür, dass erhebliche Verstärkungen im Ober- marsch sei an der Maas aufgehalten worden, rheingebiet im Gange sind, mehren sich. Grosse weshalb mit einer südlichen Umgehung der Magi- Truppen- und Materialtransporte sind aus dem In- not-Linie jederzeitzu rechnen sei.» neren Deutschlands kommend über Ulm-Stuttgart Einige Tage danach teilt Colonel Gauché, Chef in den Raum Karlsruhe-Basel geführt worden.» des 2e Bureau, dem eidgenössischen Militäratta- Am 15. Juni, gleichzeitig mit Paris, fällt Verdun, die ché vertraulich mit: «Wir wissen aus absolut siche- 1916 so schwer umkämpfte Festung, jetzt bekla- rer Quelle, dass der deutsche Angriff gegen die gen die Deutschen hier nur sieben Tote. Damit Schweiz für den 16. bzw. 17. Mai morgens be- steht der Feind nun im Rücken der Maginot-Linie. schlossene Sache war.» Die 1. Armee (Generaloberstvon Witzleben), die Für die Schweizer Armee bleiben alle diese Irrtü- zur Heeresgruppe Cgehört, konzentriert sich zu ei- mer ohne praktische Folgen. Für die alliierte Füh- nem Sprung über den Rhein. Nun, was man weder rung hat er jedoch verhängnisvolle Konsequen- in Bern noch in Frankreich weiss, diesmal ist es zen: Das minuziös vorbereitete und unter strikter jedoch ernst gemeint. In den Morgenstunden des Geheimhaltung durchgeführte Täuschungsmanö- 16. Juni geht es los. Bei Colmar überschreitet die ver der Heeresgruppe C verhindert sowohl einen 1. Armee an mehreren Stellen den Rhein, 24 Stun- französischen Flankenstoss gegen den Vor- den später gelingt gegen äusserst geringen Wider- marsch der Panzerarmeen v. Rundstedts (Hee- stand der Durchbruch an der «uneinnehmbaren» resgruppe A) als auch ein rechtzeitiges Eingreifen Maginot-Linie. der Reserven des General Gamelin im kritischen Und als am Tage darauf die Vorhuten der Panzer- gruppe Guderian die Schweizer Grenze erreichen, ist damit die gesamte Maginot-Linie umgangen

64 und vom restlichen Frankreich abgeschnitten. Die zu bemächtigen. Die Offiziere wollen sich nur auf Masse des noch vorhandenen französischen Hee- Funkmeldungen hin nicht ergeben, sondern ver- res, beinahe eine halbe Million Mann, sitzt nun an langen das Erscheinen persönlicher Bevollmäch- der Maginot-Linie und in Lothringen, wo sie immer tigter der neuen Regierung Pétain. noch in Erwartung eines Angriffs der Heeres- Noch am 3. Juli, acht Tage nach abgeschlosse- gruppe C ausharrt, hoffnungslos in der Falle. nem Waffenstillstand, meldet Colonel Marion, Einen Frontalangriff gegen die Linie selbst, ausser dass sämtliche grossen «ouvrages» mit einer ein- lokalen Attacken, hat es nicht gegeben. Erst als zigen Ausnahme, Fort Haute Poirier, allen feindli- die französischen Truppen hinter der Linie desor- chen Angriffen siegreich widerstanden und bis zu ganisiert sind, kommt es zu zwei begrenzten diesem Zeitpunkt alle Aufforderungen zur Über- Durchbrüchen, und nureineinzigesgrosses Fort, gabe von Seiten deutscher Emissäre zurückge- Haute Poirier, fällt in die Hand der Deutschen. wiesen haben. Noch liegen die Verteidiger, gut bewaffnet und ver- Die Besatzungen der Maginot-Linie weigern sich, sorgt, in Stellungen, die sie für unangreifbar hal- ihren Kommandeuren zu gehorchen, und kämpfen ten. Als sie über Funk die ersten Nachrichten vom weiter, bis ihnen General Huntziger den kategori- Waffenstillstand hören, glaubensieaneine Feind- schen Befehl erteilt, die weisse Flagge zu hissen. sendung, eineTäuschung derDeutschen, die ver- «Diese Kapitulation befestigter Plätze, die nicht er- suchen, sich der Linie durch diesenTrick kampflos obert worden waren», bemerkt Colonel Lyet hierzu, «lief aller militärischen Tradition zuwider.»

65 «Fall Gelb» beginnt: An einem sonnigen Herbst- tag, Ende September 1939, treffen im oberrheinischen Schliengen erste Truppen ein

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September1939: Entlang der Grenze zur Schweiz und Frank- reich zieht sich jetzt ein breites Sperrgebiet

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Oberrhein, Ende September 1939: Es gibt kaum eine Ortschaft, in der keine Truppen sind

Ende September 1939: Eine Kradschützen- kompanie zwängt sich durch die engen Gas- sen eines kleinen Städtchens am Oberrhein Alfred Ernst, Chef des «Büro D» (Nachrichtenauswertung Deutschland)

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Schweizerischer B-Posten, Rheinfel- den, September 1939: ...... grösste Sorge an zuständi- ger Stelle»

Foto mit einer fran- zösischen Fernka- mera aufgenom- men: «Ein planmäs- siges Einschiessen», Oberrhein-Gebiet, Herbst1939

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Die, die den «Fall Gelb» zu einem perfekten Täuschungsmanöver machen: Propaganda-Kompanie (PK) der7. Armee: Altburg, Schwarzwald, «Pension zum Lamm», Anfang Oktober 1939

Altburg, Schwarzwald, «Pension zum Lamm». Oktober 1939: Un- teroffizier K. von der Propaganda-Kompanie hat guten Grund zum Lachen. Es klappt alles. Im Hintergrund die Karte des Oberrheinge- Oberrhein, Oktober 1939: Die Schulen werden zu Soldatenunterkünf- bietes ten

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Kostprobe aus der Gulaschkanone: Oberrhein, Oktober 1939

Oberrhein, Oktober 1939, Artilleristische Vorbereitungen: «Vermessen der Ziele»

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Rheinfront, Oktober 1939: Motorenlärm als Geräuschkulisse

Oberrhein, Oktober 1939: Mit lichtstarken Teleobjektiven verfolgen Franzosen die Truppenansammlungen auf der anderen Flussseite

Waldau, Oktober1939: «In Wirklichkeit kampfschwache Division der 4. Welle»

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«Ein einziges Bataillon kann den Antransport einer ganzen Division vortäuschen»: Kandern, Schwarzwald, Oktober 1939

Oberrhein, Raum Breisach, Oktober 1939, Artillerietäuschung: Photographie- rendes «Zielgeländes»

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Linkes Bild: Oberrhein, Raum Breisach, Oktober 1939, Artillerietäuschung: Vermessung des «Zielgeländes»

Nachrichtentruppen überziehen das Rheinland mit einem Netz von Fern- sprechkabeln: Oktober 1939

Oberrhein, Oktober 1939: «Im Raum Singen rund 18‘000 Mann erwartet» Oktober 1939, Nähe Weil am Rhein. Ein Teil Nähe Basel,1. November1939, an der Grenze: «Latente Bedrohung» der Grenzbewohner wird ins Hinterland abge- schoben: «Die Fiktion über Monate aufrechter- halten» 74 Laufenburg, November 1939, schweizerische B-Posten mit Fernkameras: «Angriff für12. November befohlen» Nacht auf dem Rangier- bahnhof von Singen, No- vember 1939, Tonwagen: Die Geräuschkulisse des Bahnhofs aus demTonband

Bei Schaffhausen, November 1939: Eidgenössischer Grenzposten (deutsche Tele-Aufnahme)

Schwarzwald, November 1939, Fliegerschutzder Heeres- 76 gruppe C: «... sonstdieGlaubwürdigkeitgefährdet»

Laufenburg, November1939: Deutsche Posten am anderen Rheinufer (schweizerische Tele-Aufnahme)

Seelbach, November1939: «Angriffsabsichten am linken deutschen Flügel»

Oberrhein, November1939, Reichspropaganda- Ministerium spielt mit: Ein Besuch der ausländi- schen Presse bei der Heeresgruppe C

77 Appenweier, Ende November1939: «Fall Gelb» für das Familienalbum

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Nach Frankreich über Strassburg

Raum Saarbrücken, Dezember1939: Rie- sige Sperrgebiete sol- len die Stärke der Hee- resgruppe C vortäu- schen

78

Schwarzwald, Dezember 1939, bespannte Artillerie: «Starke Truppen- konzentration auf unserer Nord- grenze»

Schwarzwald, Dezem- ber 1939, bespannte Artillerie: «Bodensee- gegend stark belegt»

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Januar 1940: «Bei Röhrberg 2 grosse Artille- rie-Stellungen direkt auf die Rheinbrücke von Rheinfelden gerichtet»

Eines der effektvollen Täuschungsmanöver: Militär-Orchester auf dem Weg zum Einsatz, Kleinkems, Oberrhein, Februar 1940

Schwarzwald, Raum Lörrach, Februar 1940: «Der Truppenaufmarsch nördlich der Schweiz war in vollem Gange»

81

Stähling, Februar 1940, vor der Schweizer Grenze: Auch «NBC», die amerikanische National Broadcasting Company, wird ohne ihr Wissen in die deutschen Täuschungs- manöver eingeschaltet

Bei Oberbargen, Februar 1940: «Glänzend getarnte Batterie mit Schussrichtung auf die Brücke von Schaffhausen erkannt»

Gut sichtbar für französische Aufklärer: Ungetarnte, riesige Nachschubdepots am Oberrhein, Februar 1940

82

Blick von Küssaburg auf die Schweiz, Februar 1940: «Mit einem Durchmarsch ist zu rechnen»

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«Die Vorbereitungen sollten in aller Offenheit geschehen, und die Zivilbevölkerung Kenntnis bekommen»: Grissheim, Februar 1940

Vorarlberg, März 1940, Grenzfluss: «Deutsche überall aktiv»

83

Strecke Offenburg-Freiburg, März 1940: «Umfangreiches Material unter Planen verborgen»

Strasse Lörrach-Basel, März 1940: Eines der zahl- reichen Munitionslager

85 Badisch-Rheinfelden, März 1940: «Sämtliche Schulgebäude belegt» Müllheim, Oberrhein, eine 8,8-Flak-Batterie, März1940: «Es gilt, dem Gegner den Einblick zu verwehren»

«Schwergewicht des Aufmarsches nach Süden verlegt»: Blumberg, Baden, März 1940 86

Ende März 1940: «Im Grenzabschnitt Basel vermehrt einzelne Wiesental, Ende März 1940, Geländeübung: «Es scheint sich die Anwe- Kampfwagen aufgetaucht» senheit von mindestens zehn kriegsstarken Divisionen zu bestätigen»

20. März1940: Wachaufzug in einer Grenzstadt 87

Oben: «Der Gegner soll mechanisierte Kräfte beobachten können»: Unten: Wiesental, Ende März 1940, deutscher Panzerspähwagen bei Deutsch-schweizerisches Grenzgebiet bei Singen, Ende März 1940 der Geländeübung: «.. .wiederholt auch von schweizerischem Gebiet aus beobachtet»

Kehl, Frühjahr 1940, hoher Besuch: Oberbe- fehlshaber des Heeres, Gen. Oberst v. Brau- chitsch inspiziert die Heeresgruppe C, dane- ben Gen.Oberst Ritter v. Leeb

Schwarzwald, Frühjahr 1940, Ob.d.H. Gen.Oberst v. Brauchitsch bei der Heeres- gruppe C: « Französisches Oberkommando- zuentscheidenden strategischen Fehlern ver- leitet»

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Wehratal, Frühjahr1940, mittlere Feldartillerie: «... dasideale Gelän- Breisach, Frühjahr 1940: Oberbefehlshaberdes Heeres, defürdieseTäuschungsart» v. Brauchitsch, auf Inspektionsreise bei der Heeresgruppe C

Zielgelände. Vermessung einer Eisenbahngeschütz-Batterie bei Weil, Ende März 1940: «... damit sowohl französisches wie schweizerische- sTerritorium beschossen werden konnte»

Bei Weil, Ende März 1940, deutsches Eisen- bahn-Geschütz: an der gesamten Grenze Vermessungen registriert»

Oberrhein, zwei deutsche Generale, ein ge- tarntes, mittleres Feldgeschütz, April 1940: «... zurbesseren Beherrschung des Raumes Basel»

Schwarzwald, Grenzgebiet, April 1940, Quartiermacher-Kommandos: «... fördert das Entstehen von Gerüchten»

Deutscher B-Posten bei Breisach, April 1940: «Die Reaktion entsprach den deutschen Wünschen» 92 Oberrhein, April 1940: Ausländische Presse beim Besuch der Heeresgruppe C

Schwere Eisenbahn-Geschützstellung, Raum Kandern, April 1940, ausländische Journali- sten: «Binnen 2-3Tagenzur Kenntnis des französischen Nachrichtendienstes»

Französischer B-Posten bei Kembs, Sundgau, April 1940: «... südliche Umgehung der Magi- not-Linie nicht ausgeschlossen» Säckingen, April 1940, deutsches Feldge- schütz: «... würdendie Beschiessung unserer Bunkeram Rhein gestatten!»

Mittleres Feldgeschütz in dem Wald am Kai- serstuhl, Ende April 1940: «Krasse Über- schätzung»

Anfang Mai 1940, Raum Freiburg, 7. Ar- mee, Propaganda-Kompanie: Warten auf den Einsatzbefehl

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Schwarzwälder Mädels und MG-Schützen, Kan- dern, Anfang Mai 1940: «Grossangelegter Auf- marsch»

Mai 1940, verminte Stras- sen, Wachtposten: Ob im Flachland...

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Neunburg,11. Mai 1940, Übersetzungs- material: «Unmissver- ständliche offensive Massnahme»

Basel,11. Mai1940: Strassensperren im Stadtzentrum

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Wehra, 11. Mai 1940, Pioniere beim Bau einer Pontonbrücke: «Nur Raum Waldshut Wutach, 11. Mai 1940, Übersetzungsübungen: Übungsarbeiten» «Vorspielfür eine Offensive?»

11. Mai 1940, in allen schweizerischen Grenzstädten: Improvi- 11. Mai 1940: Panzerhindernisse an einer Ausfallstrasse in sierte Verteidigungsmassnahmen RichtungGrenze

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16. Mai 1940, Basel, Bunker: Erhöhte Bereitschaftan der Lan- 12. Juni 1940, Grenze, schweizerische Offiziere, deutsche Ge- desgrenze birgsjäger: Strategische Überraschung geglückt

99 1ER OBERBEFEHLSHABER EER ARMEE A.H.Q., 15. 5. 40.

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Armeebefehl C======3==X

Die neuesten Kriegsereignisse bestätigen, dass dort, wo selbst wenige entschlossene Kämpfer genügt hätten, das feindliche Vorwärtskommen zu verun­ möglichen, deren Versagen dem Feind gestatteten, zunächst in dio so entstan­ denen Lücken einzudringen, sie rasch zu erweitern und sodann vorwärts zu stos­ sen, Dieses Versagen Einzelner ist mit die Ursache des täglichen Vordringens gewisser Truppen, Ich erinnere an die hohe Pflicht des Soldaten, an Ort und Stelle er­ bittert Widerstand zu leisten. Verzögerungskampf führen nur zum vornherein und durch besondem höheren Befehl bestimmte Truppen. Ueberalldort, wo Halten befohlen ist, macht es sich jeder Kämpfer, auch wenn er auf eich allein angewiesen ist, zur Gewissenspflicht, auf der ihm zugewiesenen Stelle zu kämpfen. Die Schützentrupps, ob überholt oder umzingelt, kämpfen in ihrer Stellung bis keine Munition mehr vorhanden ist. Dann kommt die blanke Waffe an die Reihe..... Die Mitrailleurs, die Kanoniere der Schweren Waffen, die Artilleristen, ob im Bunker oder auf dem Feld, verlassen ihre Waffen nicht und zerstören sie, bevor sich der Gegner ihrer bemächtigt. Dann kämpfen Be­ die nvngsmannschaf ten weiter wie Schützen trupps. Solange ein Mann noch eine Patrone hat oder sich seiner blanken Waffen noch zu bedienen vermag, ergibt er sioh nicht« Damit weiss jeder, was ich von ihm erwarte und was sein einziger Ge­ danke seil bereit zu sein, das Leben einzusetzen, dort, wo ihn die Pflicht hingerufen hat.

Der General.

Ist allen Kampftruppen sofort zur Kenntnis zu bringen.

Gegenüberliegende Seite: Der Armeebefehl des General Guisan in- den heissen Maitagen des Jahres 1940: «... kämpfen bis keine Muni- 101 tion mehr vorhanden ist, dann kommtdie blanke Waffe an die Reihe»

AnderSchweizerGrenze, 18. Juni 1940, französische Flüchtlinge: Schweiz, 20. Juni 1940: Erste warme Mahlzeit nach der Flucht aus Eidgenössischer Wehrmann ist Kavalier Frankreich Oberkommandierenderderfranzösischen Armee: Gen. M. G. Gamelin

Gen. A.J. Georges: Oberbefehlshaber der französischen Nordost-Front

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Am Sonntagnachmittag, dem 16. Juni 1940, erreichen fünf Panzerspähwagen einer deutschen Aufklärungsabteilung ein verträumtes französisches Städtchen an der Loire. Als sie am Bahnübergang eintreffen, eröffnet einer von ihnen das Feuer auf die gerade unter Dampf stehende Lok eines französischen Militärtransportes. Der Schütze hat wahrscheinlich nie erfahren, dass er damit eine Entwicklung in die Wege geleitet hat, die die Existenz der neutralen Schweiz zutiefst bedrohen sollte.

Dossier Suisse

In der renommierten Pariser literarischen Zeit- Ihm vertraulich: «Laquestion de votre défense na- schrift «Revue Hebdomadaire» erscheint am 22. tionale m’intéresse en soi et pour nous; et je me Februar 1936 – anlässlich des zwanzigsten Jah- propose de la suivre. Dans ce sens, nous pouvons restages der Offensive von Verdun – ein Artikel mit faire quelque chose pour vous...» der Überschrift «Vingt ans après». Er entstammt Der greise Feldherr ahnt gewiss nicht, dass ein der Feder des Redaktionssekretärs Bernard Bar- Bericht über sein Gespräch mit dem Redaktions- bey, eines in Paris wohnenden Schweizers. sekretär der «Revue Hebdomadaire» bereits am Dieser Aufsatz des ehemaligen Kavallerie-Offi- 30. April 1936 – via schweizerische Gesandtschaft ziers fällt derart aus dem Rahmen, dass er erst in Paris – den zuständigen Stellen in Bern mit dem General de Castelnau, dann General Gamelin und Vermerk «confidentiel» vorliegt. Und gerade seine zuletzt selbst den Sieger von Verdun, Marschall letzten Worte: «La France se verrait obligée d’en- Pétain, zur Stellungnahme bewegt. visager la prolongation jusqu’à Lyon de la ligne Gerade in jenen Tagen, als Hitler am 7. März 1936 Maginot si nous ne prenions pas de mesure déci- die entmilitarisierte Zone des Rheinlandes beset- sive pour nous opposer à cette manoevre», lassen zen lässt, befürchtet man an der Sei ne, das Dritte die pedantisch um die Wahrung ihrer Neutralität Reich könne womöglich überschweizerisches Ter- bedachten Eidgenossen aufhorchen. ritorium einen Überraschungsangriff auf die fran- Ein Jahr danach, im September 1937, weilt Mar- zösische Ostflanke und den ku rz vor dem Ab- schall Pétain bei den Herbstmanövern der Schwei- schluss stehenden wichtigen Bauabschnitt der zer Armee, geleitet von dem Kommandanten des Maginot-Linie unternehmen. Und als Marschall 1. Armeekorps, Oberstkorpskommandant Henri Pétain den Autor des Artikels «Vingt ans après», Guisan. «Pourquoi la mission militaire française den Schweizer Barbey, vor sich hat, versichert er

103 était si colossal cette année?» – wundert sich der Héring, der damals noch unbekannte junge Colo- deutsche Militärattaché, von llse- nel Jean de Lattre de Tassigny. mann, dem nicht unbekannt ist, dass bereits im Er- Zur Zeit, als sich die Sudetenkrise ankündigt und sten Weltkrieg zwischen französischen und Hitlers Absichten immer klarer werden, weiht Henri Schweizer Generalstäben enge Kontakte bestan- Guisan Major i. G. Samuel Gonard und ein paar den, die 1917 in beiderseitig ausgearbeiteten Ko- ihm ergebene Offiziere seines Stabes in sein Ge- operationsplänen ihren Höhepunkt fanden. Nun, heimvorhaben ein: die Idee einer französisch- Marschall Pétain und seine Begleiter wollen die schweizerischen Militärkonvention. Gonard, der schweizerische Flankendeckung des so neuralgi- die französische «École Militaire» mit Auszeich- schen Abschnitts der französischen Ostgrenze ge- nung absolviert hat, ist Feuer und Flamme. Oberst nau in Augenschein nehmen. i. G. Claude Du Pasquier, Professor der Rechte, Einige Tage, nachdem die in der Gegend von wird beauftragt festzustellen, wie weit sich die neu- Lausanne durchgeführten Manöver zu Ende sind, trale Schweiz auf diesen Weg Überhauptwagen reist am 11. September 1937 der Oberstkorps- darf, und Guisans Stabschef Oberst i. G. Edouard kommandant Guisan in Richtung Normandie ab, Petitpierre, ein erfolgreicher Geschäftsmann mit um dort den von General Héring geführten franzö- guten Verbindungen in der französischen Haupt- sischen Herbstmanövern beizuwohnen. Hier trifft stadt, soll die diskreten Kontakte zum französi- Guisan den Oberbefehlshaber der französischen schen Generalstab pflegen. Auch dem Oberstleut- Streitkräfte, General Gamelin, und General Geor- nant Albert de Tscharner, dersich bei der Légion ges, der im Jahre 1939/1940 die gesamte franzö- Étrangère höchste Meriten erworben hat und nur- sische Nordfront befehligen wird. Im Sommer weil er sich weigerte, diefranzösischeStaatsbür- 1938 erscheint recht unauffällig ein hoher Besuch gerschaft anzunehmen, dort nicht zum General aus Frankreich, General Georges, im Domizil des befördert worden ist, hat Guisan seine Idee anver- Oberstkorpskommandanten Guisan, Verte-Rive in traut. Pully. Zu jenen, die das streng gehütete Geheimnis ken- Einige Wochen danach, während die Wolken am nen, gehören auch Oberst Masson, Chef des Eid- politischen Firmament immer dunkler werden, be- genössischen Nachrichtendienstes, und höchst- steigt in Bern ein sonnengebräunter, energisch wahrscheinlich Bundesrat Rudolf Minger, der Ver- aussehender Herr den Express nach Strassburg. teidigungsminister. Ebenfalls zum Kreis der Einge- Es ist der Chef des 1. Armeekorps, Oberstkorps- weihten zählt der Mann, der den Stein ins Rollen kommandant Henri Guisan, der jetzt inkognito die brachte: Schriftsteller Bernard Barbey. Maginot-Linie auf ihrem für die Schweiz wichtigen In Barbeys ArbeitszimmertauchtvonZeitzuZeit ein Abschnitt zwischen Strassburg und Schlettstatt, unscheinbarer Herr auf, der für die «Revue Heb- der im Kommandobereich General Georges liegt, domadaire» mit «Michael Cart» unterzeichnete Ar- besichtigen will. Auf dem Plan des einsamen Rei- tikel schreibt. Seine Essays über Militärwesen und senden stehen auch die zukünftigen Stellungen Politik weisen auf präzises Wissen hin: Der Autor der französischen 3. Armeegruppe in Belfort und heisst André Garteiser, seine Stellung bei der im Jura. Von Strassburg aus begleitet ihn der Chef Compagnie Générale d’Électricité ermöglicht ihm des Stabes des dortigen Kommandanten General ausgedehnte Auslandsreisen und viele interes- sante Kontakte. Und es ist nicht auszuschliessen,

104 dass dieser lebensprühende Reserve-Oberstleut- Die entworfene militärische Konvention hat natür- nant auch für den französischen Nachrichten- lich einen rein defensiven Charakter, und man ist dienst arbeitet. sich einig, dass jegliche Intervention der französi- Im Frühsommer des ereignisreichen Jahres 1939 schen Streitkräfte keinesfalls automatisch stattfin- fährt Oberst Edouard Petitpierre nach Paris. Hier den darf, sie soll erst nach einem schweizerischen macht Barbey seinen Landsmann mit André Gar- Hilfsgesuch in Kraft treten. Selbst eine so ausge- teiser bekannt. Durch Oberst Petitpierre lernt Gar- legte Kooperation ist für eine neutrale Politik recht teiser bei seiner nächsten Reise in die Schweiz fragwürdig. Man verspricht sich auf jeden Fall ge- dessen Chef, Oberstkorpskommandant Guisan, genseitig strengstes Stillschweigen und verabre- kennen. det mit Garteiser das nächste Treffen in der Die drohende Kriegsgefahr bringt beide Seiten nä- Schweiz. her, und am Montag, dem 31. Juli 1939, einen Mo- Am 31. August 1939 wird Guisan von der Bundes- nat vor Hitlers Überfall auf Polen, weilt Oberst Pe- versammlung zum General, dem Oberkomman- titpierre in einer geheimen Sondermission in Paris. dierenden der Armee, gewählt. Einige Stunden da- Diesmal, um im Namen des Armeekorpskomman- nach erscheint Garteiser als einer der ersten Gra- danten Guisan entscheidende Gespräche mit Ge- tulanten in der Villa Verte-Rive in Pully. Noch am neral Gamelin zu führen. Anwesend sind General selben Abend führen General Guisan, Oberst Georges und Oberstleutnant Garteiser, der jetzt- Gonard und Garteiser ein ausgedehntes Ge- zum Stab von General Georges gehört und des- spräch. sen Verbindungsoffizierzurss. ArmeeGeneral Gar- Gonard und Garteiser sollen nämlich einen ge- chery ist, die an der Schweizer Grenze den rech- meinsamen französisch-schweizerischen Operati- ten Flügel der französischen Verteidigung bildet. onsplan entwerfen, der auch von General Georges Petitpierresoll in Erfahrung bringen, in welcher gebilligt werden muss. Der Plan sieht unter ande- konkreten Form Frankreich an einer Unterstützung rem vor: Im Falle einer Aggression der Schweiz der Schweiz interessiert wäre. Und erträgt die wird General Guisan in den obersten Alliierten Rat Wünsche des Henri Guisan für den Fall eines aufgenommen, und die Sonder-Verbindungsstäbe deutschen Angriffs auf die Schweiz vor. General sollen eine reibungslose Koordination der Streit- Georges schildert seinerseits die Massnahmen zur kräfte beider Ländersichern. Die französische Ar- Durchführung des Planes, dieseine Heeresgruppe mee wird beider Evakuierung Basels behilflich beabsichtigt, um der Schweiz zu Hilfe zu kommen. sein. Eine eidgenössische Division unter Du Die Kooperationsentwürfe nehmen jetzt fest umris- Pasquier soll auf dem Plateau von Gempen mit sene Formen an und werden schriftlich fixiert: Die den von den Franzosen gelieferten Geschützen Franzosen sind bereit, in dem Raum um Basel und das Vorrücken der französischen Divisionen ab- in dem Gebiet des Grossen St. Bernhard zu inter- schirmen. Die 8. Armee unter General Garchery venieren. Es ist auch vorgesehen, eidgenössische wird von Basel bis Ergolz mit den ihr unterstellten Streitkräfte mit Flugzeugen und Geschützen aus- eidgenössischen Streitkräften vereinigt, die den zustatten. Die Schweiz soll fürgeeignete Luftstütz- Deutschen die Verbindungslinie nach Delémont punkte und deren Abwehr vor Bombenangriffen und Liestal abschneiden sollen. Der rechte Flügel Sorge tragen. der 8. Armee soll wiederum durch die den Genfer See entlang vorstossende französische 6. Armee abgelöst werden, dann in Richtung auf die Festung

105 Olten vorgehen und mit seiner Artillerie das eidge- sen des Generalstabs und der eigenen Landesre- nössische 2.Armeekorps unterstützen. gierung. Denn der Bundesrat hätte seine Einwilli- In den letzten Septembertagen 1939 meldetsich gung aus politischen Gründen verweigern müs- bei Oberstleutnant André Garteiser in dessen Pa- sen. riser Büro am Quai Branly einZivilist. Bernard Bar- Zwei Wochen später, am Montag, dem 23. Okto- bey, jetzt engster Mitarbeiter des Generals Guisan ber, sitzt Barbey mit Garteiser in dessen Bureau im Armeestab, kommt in einer äusserst delikaten am Quai Branly über den Karten des französisch- Mission, mit der ihn General Guisan betraut hat. schweizerischen Jura-Grenzgebietes. Das Thema Von seiner Reise wissen nur ein paar Einge- dieses Treffs: «...die quantitative und qualitative weihte. Obwohl es eigentlich nichts besonderes Hilfe, die Frankreich in einem ersten «Schritt» – ist, wenn ein in Paris lebendr lntellektuellervon nach einem Ausdruck von Gamelin – auf die Bitte Bern in die Seine-Metropole reist, lässt man doch der Schweiz leisten könnte.» Barbey informiert sei- äusserste Vorsicht walten. nen Partner zugleich über den Zustand des Stras- Der Schriftsteller im Majorsrang soll die von Gene- sennetzes im Jura sowie über die Leistungsfähig- ral Guisan bereits seit einiger Zeit geknüpften Ver- keit der Eisenbahnlinien; er gibt ihm wertvolle Tips bindungen zum französischen Generalstab wei- aus den ersten Schweizer Erfahrungen mit den Ur- terführen. Das Ergebnis dieser Visite: Festlegen laubsfragen und der Teildemobilisierung, für den eines unkomplizierten Codes, «so dass man den Fall, dass diefranzösische Armee den Winter über, anderen jederzeit rufen, nach Paris oder Bern ho- Gewehr bei Fuss, in Stellungen ausharren muss, len oder ihn irgendwo auf halber Strecke treffen mit der Aufrechterhaltung des Kampfgeistes und kann». DerCodesoll-der Entwicklung jeweils an- Problemen des Bunkerbaus bei starkem Frost. gepasst – drei Alarmstufen enthalten. Noch am nächsten Abend bringt ein dicker Pan- Barbey und Garteiser treffen sich zwischen Sep- hard die beiden Herren über Dijon nach Besançon. tember 1939 und Juni 1940 nicht wenigerals 28 Am Tag darauf gelangen sie über Clervac in den mal, also beinahe in jeder Woche, unter Einsatz Raum Belfort. Hier sollen sie, in der sogenannten aller erdenklichen Täuschungsmassnahmen und Operationszone, ihren Plan mit dem Terrain kon- mit «halsbrecherischen Verwandlungskünsten» frontieren. (Barbey). Barbey kann sich an Ort und Stelle davon über- Bereits am Montag, dem 9. Oktober 1939, kommt zeugen, dass es der französische Generalstab mit Oberstleutnant Garteiser nach Spiez, um mit Ge- einer Unterstützung der neutralen Schweiz ernst neral Guisan die Ergebnisse der Pariser Gesprä- meint. So stellt er beispielsweise in den Wäldern che zu beraten. General Guisan ist bestrebt, der bei Neuwiller eine Batterie von vier mächtigen 240- Schweiz im Falle eines Angriffs durch die deut- mm-Geschützen auf, die «nur wenig eingegraben sche Übermacht eine reelle Chance zur Selbstbe- und getarnt auf die Brücken von Basel zielen». Die hauptung zu geben. Er muss trotzdem jederzeit Batteriesoll im Falleeines deutschen Handstreichs darauf gefasst sein, dass er dieses Wagnis mit ei- die wichtigsten Rheinüberquerungen zerstören, nem hohen Preis zu bezahlen haben würde. Seine um dem Angreifer nicht die Möglichkeitzu geben, Bemühungen um eine militärische Rückversiche- überSchweizer Gebiet hinter dem Rücken der Ma- rung in Frankreich geschehen nämlich ohne Wis- ginot-Linie in den Sundgau einzufallen. Samstag, 26. November 1939. Im Morgengrauen

106 führen Garteiser und Barbey eine Erkundung auf Schweiz: «Die Wehrmacht wird überraschend, mit der Schweizer Seite in der Nähe von Allschwil Unterstützung von Artillerie und Luftwaffe, den durch. Hier, im Weichbild von Basel, soll auf Vor- Rhein in Basel und bei Hardwald überschreiten, schlag Garteisers die französische Armee An- um so die Stadt im Osten zu überrollen. Dadurch schluss an die Schweizer Waffenbrüder finden. würden die Deutschen versuchen, den Zusam- Die oberhalb Dörnachs von eidgenössischen Pio- menschluss der französischen und der Schweizer nieren gebauten ersten Bunker beurteilt Garteiser Armee zu vereiteln.» Besson kennt auch das nö- als «gut gelegen und sehr solide gebaut», die tige Zeitmass für die Bewegungen seiner Heeres- Sperren in den Ortschaften als «klug errichtet...» gruppe: «Maximal vier Stunden, wenn alles gut Seine Besorgnis erregen jedoch eine Handvoll Ba- rollt, bis zum Stellungsbezug im ersten Detache- taillone, die dieses breite, gebirgige, recht zerklüf- ment.» Er empfiehlt den Schweizern eine starke tete und von Wäldern überzogene Plateau wirk- Sperrzone aus Minen, Bunkern, Wolfsgruben und sam schützen sollen. Er möchte hier unbedingt ei- Stacheldrahtverhauen, die die Bewegungen der- nen grossen französischen Verband plazieren und französischen Streitkräfte sichern sollen. sieht für diesen Raum und das benachbarte Er- Ein andererausdem Kreis derengsten Mitarbeiter golztal eine Verteidigungsstreitkraft in Armee- General Guisans, Jules Sandoz, verbringt wäh- korpsstärke vor. renddessen die beiden letzten Monate des Jahres Am Montag, dem 27. November, bringt Garteiser 1939 mit dem französischen Luftattaché Thiébaut Barbey zum Chateau Vincennes, dem Sitz des Ge- auf gemeinsamen Reisen kreuz und querdurch die nerals Gamelin, des Oberkommandierenden der Schweiz. IhrZiel: die Suche nach geeigneten Lan- französischen Armee. Gamelin bedankt sich für deplätzen für französische Jagdstaffeln. die Botschaft General Guisans und betont noch- General Guisan ahnt wohl, dass es unmöglich mals die Verschwiegenheit der ganzen Angele- wäre, die Verbindungen, so verschwiegen sie genheit. auch sind, auf die Dauervöllig zu verheimlichen. Am 29. November fährt Garteiser mit Barbey nach Zur Ablenkung entschliesst sich Guisan zu einem La Ferté-sous-Jouarre, einer kleinen Ortschaft im Schachzug: Bereits im Herbst 1939 ordnet er die Marnetal, inderNähevon Meaux. Hier, in einem ge- Ausarbeitung von zwei parallelen Studien an, die räumigen Château inmitten eines alten Parks, be- bei einem Angriff auf die Schweiz die Zusammen- findet sich das Hauptquartier Nordost von General arbeit mit dem Alliierten Hauptquartier oder gege- Georges. In La Fertésollen auch laut Befehl Game- benenfalls mit dem deutschen OKW erleichtert lins die Einzelheiten der französischen Interven- hätten. tion geprüft werden. General Georges teilt Barbey Oberst Paul Logoz, ein Genfer Jurist, untersucht mit, dass er damit die Heeresgruppe 3 dem Gene- mit seinerGruppedietheoretischen Möglichkeiten ral Besson, «einem der besten, vorsichtigsten und einer französisch-schweizerischen Konvention für methodischsten Generäle derfranzösischen Ar- den Fall eines deutschen Angriffs. Major Hans mee», anvertraut habe. Von der Marne geht es in Berli dagegen soll eine Studie über die Koopera- rasendem Tempo nach Dole im Jura, zum Haupt- tion mit der Wehrmacht für den umgekehrten Fall quartier des Generals Besson. vorlegen. Nun, während die beiden Studienteams Der gepriesene General hat ebenfalls eine klare ihre Hypothesen aufstellen, führt die eingeweihte Vorstellung von dem deutschen Angriff gegen die dritte Gruppe in völliger Verschwiegenheit ihre

107 Vorbereitungen weiter durch. So kann Barbey, of- über die bisherigen Massnahmen des Armeesta- fiziell der «französischen» Logoz-Gruppe zuge- bes orientieren lassen. Es bestünden keinerlei teilt, ohne deren Wissen die dort erarbeiteten Er- Verabredungen, gegen die Deutschland irgend- gebnisse vorzeitig fürseine Besprechungen mit- welche Einwendungen erheben könne». Noch ei- Garteiser verwerten. nen Monat später bestätigt der Bundespräsident Selbst der eigene Generalstabschef erfährt nicht, dem durch Gerüchte argwöhnisch gewordenen was sich in seinem Stab in dieserHinsicht abspielt. Köcher erneut, dass mit Frankreich «nicht die ge- Auch der Bundespräsident und gleichzeitige Aus- ringsten militärischen oder politischen Abmachun- senminister Pilet-Golaz fällt der Täuschung zum gen» getroffen worden seien. Opfer: Als er sich nach der Übernahme des höch- Kurz vor Ostern, am 21. März, erscheint Barbey sten Amtes überden Stand der Vorbereitungen für nochmals bei General Gamelin: «Ich empfange eine eventuelle Zusammenarbeit mit einer frem- Sie unter vier Augen, für den Fall, dass Sie vertrau- den Streitmacht informieren will, kommt er am 31. liche Fragen besprechen möchten.» Barbey: «Es Januar 1940 höchstpersönlich ins Armeehaupt- ist nicht nötig.» In Anwesenheit von Garteiser er- quartier nach Langnau. «Der Chef ist aus mir nicht zählt Gamelin voller Stolz: «Es wird Sie freuen, nun bekannten Gründen bei derUnterredung nichtan- zu wissen, dass ich in derGegend von Belley jene wesend», notierte Barbey damals. Pilet-Golaz Schützenbrigade stationiert habe, die als Vorhut wird von Oberst Logoz und Major Barbey prompt des finnischen Expeditionskorps gedacht war. Sie über die offiziell im Generalstab erarbeiteten Stu- wäre wohl imstande, nötigenfalls am Grossen dien der beiden Teams orientiert – von den statt- Sankt Bernard einzugreifen.» findenden geheimen Gesprächen mit den Franzo- Etwa zur gleichen Zeit erfährt Garteiser eine alar- sen erfährt der Bundespräsidentallerdings kein mierende Nachricht: Von seiner geheimen Mission Wort. haben anscheinend einige Aussenstehende irgen- Am 14. März 1940 wird ein weitererSchrittinder detwas erfahren. Die undichte Stelle befindet sich Zusammenarbeit zwischen Schweizer und franzö- beim Stab der Heeresgruppe 3 des Generals Bes- sischen Militärs getan: Barbey und Gonard stellen son in Dôle. Im dortigen Offizierskasino sind einige eine Liste der eidgenössischen Offiziere zusam- äusserst bissige Anspielungen auf den «Colonel, men, die sofort nach Ausbruch der Feindseligkei- der die Verbindung zur helvetischen Armee be- ten mit dem französischen Generalstab in Verbin- sorgt», gefallen. dung treten sollen. Nachdem der Winter vorbei ist, wird auf dem Pla- Bereits im Frühjahr 1940 scheint der deutsche Ge- teau Gempen in Eile gearbeitet, über tausend eid- heimdienst von «schweizerisch-französischen genössische Pionieresind hiermit dem Bau von Kontakten» und nicht näher bezeichneten «militä- Stellungen beschäftigt. Garteiser liefert dafür die rischen Verabredungen» zu wissen. Der deutsche technischen Zusammenstellungen derfranzösi- Gesandte Köcher wird deshalb veranlasst, sich schen Artillerie und die Massangaben der für die bei Bundespräsident Pilet-Golaz danach zu erkun- 75er Kanonen vorgesehenen Unterstände. Bei ei- digen. Pilet-Golaz, am 20. März 1940 von dem nem nächtlichen Geheimtreffen dicht an der fran- Gesandten Köcher darüber befragt, betont aus- zösischen Grenze in der letzten Märzwoche hän- drücklich, «er habe sich bei Antritt seines Amtes digt Garteiser seinem Partner ein Kuvert aus. Es als Bundespräsident Anfang Januar sehr genau

108 enthält die neuesten Anweisungen der französi- len, falls die Schweiz eine Intervention verlangen schen Generäle Georges und Besson überderen werde. Am nächsten Tag erscheint Garteiser gut- Intervention in der Schweiz, dazu «sehrstichhal- gelaunt in Fribourg und versichert nochmals: «An tige Bemerkungen über den Geist und die Einzel- den Interventionsplänen im Falle eines Angriffs ge- heiten der Zusammenarbeit zwischen den beiden gen die Schweiz wurde nichts geändert. Auch die Armeen». Heeresgruppe 3 General Bessons wird nicht redu- 23. April 1940 – zu dieser Stunde stehen im fernen ziert. In diesen Tagen machen sich im KP Gümli- norwegischen Hafen von Narvik Deutsche und gen die Täuschungsmanöver der im Schwarzwald Engländer in wechselvollem Kampf-, da erscheint konzentrierten deutschen Heeresgruppe C unter im Kommandoposten (KP) von General Guisan in Generaloberst Ritter von Leeb bemerkbar. Die Gümligen der Chef der Spionageabwehr, Oberst zweite Schweizer Mobilmachung und die Truppen- Jaquillard. Er bringt die Nachricht von der mögli- zusammenziehung rollen an. chen Gefahr eines Handstreichs des als Touristen In Langnau verstaut Barbey inzwischen sämtliche getarnten deutschen Sonderkommandos auf Re- für die Verbindungstätigkeit vorgesehenen Doku- gierungsstellen in Bern und den KP Gümlingen. mente und Karten in Stahlkoffern. Der leicht lä- Guisan ordnetsofortVorsichtsmassnahmenan: Die dierte Packard bringt ihn und die «Schatzkiste» in Verbindung zu französischen Militärs betreffenden die Gegend von Neuenegg, wo sie in aller Eile vor Dokumente, die sich bis jetzt in der Obhut von dem erwarteten Ansturm der Invasoren versteckt Oberstleutnant Gonard befinden, sollen wegge- wird. schafft werden. Barbey bringt sie nach Montche- In der Morgendämmerung des 15. Mai 1940, um 4 rand auf seinen Familiensitz. Uhr, taucht an der Schweizer Grenze bei Lucelle Inzwischen erhält die deutsche Abwehr vom italie- eine motorisierte französische Aufklärungsabtei- nischen Konsul in Lausanne eine Mitteilung, die lung der 27. Division als Vorhut der 3. Heeres- sie aufhorchen lässt: Einer der führenden Männer gruppe des Generals Besson auf mit der unmiss- der rechtsextremen «Nationalen Front» habe ihm verständlichen Absicht, nach Basel vorzustossen, vertraulich von einem merkwürdigen Ereignis be- dasieeine Meldung bekommen habe, nach der die richtet: «Oberstleutnant Gonard hat am 17. April Deutschen in die Stadt eingedrungen seien. Der auf meiner Kommandostelle die Uniform abgelegt, eiligst herbei geholte eidgenössische Grenzab- um diefranzösische Grenze zu überschreiten, wie schnittsoffizier wendet sich um Weisung an seine ich selbst habe sehen können. Auf der anderen Vorgesetzten, diese dann an das Oberkommando. Seite erwartete ihn ein französischer General... Hier erfahren sie, es handele sich um ein Missver- Hohefranzösische Offiziere begleiteten ihn wieder, ständnis, «eine Einmischung der Franzosen sei zu als er am 27. Aprilzurückkehrte.» verhindern, notfalls mit Gewalt. Die ganze Angele- Am 10. Mai 1940, mit dem ersten Sonnenstrahl, genheit sei absolut geheimzuhalten.» Das De- beginnt die deutsche Offensive im Westen. Wäh- tachement macht kehrt und fährt zu seiner Aus- rend sich Guderians Panzerspitze über die Wald- gangsposition nahe der Grenze zurück, wo an- pfade der Ardennen wälzt, sammeln sich am sehnliche französische Truppen für den Fall einer Samstag, dem 11. Mai, in der Schule des Dorfes deutschen Invasion der Schweiz bereitstehen. Langnau die Schweizer Offiziere, die die Verbin- Es ist nicht abzusehen, wie sich die Ereignisse dungen zur französischen Armee übernehmen sol- überstürzt hätten, wäre nicht der unbekannt geblie-

109 bene Grenzoffizier so energisch vorgegangen. De Castella, ein Kavallerist der alten Schule, beru- «Ich könnte mir vorstellen», meint nach dem Krie- higt die drei beim Abschied: «Im Falle der Gefahr ge der deutsche Generalmajor a. D. Ulrich Liss, können Sieauf mich zählen. Ich bin noch stark ge- ehemals Chef der Abteilung «Fremde Heere» im nug, um den Koffer hochzustemmen und ihn bis OKH, der für die Feindaufklärung im Westen zu- zum Teich zu tragen.» Nun sind die geheimen Pa- ständige Offizier, «dass er (Hitler) in einem ersten piere zunächst, soweit es die Schweizer Seite be- Wutanfall einen Bombenangriff auf die Basler trifft, in guten Händen. Das versiegelte Kuvert mit Rheinbrücken angeordnet hätte... Das Einrücken den allerwichtigsten Dokumenten liegt weiterhin französischerTruppen und ihr Vorgehen auf Basel auf dem väterlichen Gut des Majors Barbey in hätte der Neutralität ein Ende bereitet und den Montcherand. Krieg mit Deutschland bedeutet.» Am Nachmittag des 6. Juni fährt Barbey, der so- Am Freitag, dem 17. Mai, besetzen deutsche eben in Pariszu seinem letzten Besuch eingetrof- Truppen Brüssel, der Panzerkeil des General- fen ist, mit Garteiser nach Vincennes, wo in dem oberst von Rundstedt erreicht die Oise östlich St. düsteren Château, dem Sitz des Französischen Quentin. Im KP Gümligen macht man sich zu die- Oberkommandos, jetzt – anstelle des abgesetzten ser Zeit Sorgen darüber, dass die nicht unbedeu- Gamelin – General Weygand residiert. Der 73jäh- tenden Teile der Heeresgruppe 3 unter General rige oberste Chef der französischen Armee, abge- Besson womöglich jetzt nach Norden verlegt wer- spannt, jedoch in makellos sitzender Uniform, den. Man bezweifelt auch, dass die 6. Armee des schildert dem Schweizer Emissär die äusserst kri- Generals Touchon, die der Schweiz notfalls zu tische Lage. «Vervielfachen Sie Ihre Panzerab- Hilfe kommen soll, «dann noch einsatzfähig sein wehrstellungen», rät er zum Schluss. «Haben Sie wird». einen Wunsch?» wilier noch wissen. Barbey: «Ja, Guisan ahnt jedoch nicht, dass es mit den Truppen Herr General! Die Bewahrung desGeheimnisses.» desGenerals Besson schlimmer steht, als er ge- Weygand: «Ich werde mein Möglichstes tun.» dacht hat. Die Heeresgruppe 3 wird mit der Armee Eine Woche später, am 13. Juni, räumtdiefranzö- Touchons an die Nordfront verlegt, auch das 7. Ar- sische Armee kampflos Paris. meekorps hat man abgezogen. Was übrig bleibt, Noch am Morgen des 10. Juni arbeitet General ist lediglich das 45. Armeekorps des Generals Georges in La Ferte-sous-Jouarre an der Marne in Daille, zusammengestellt aus der Spahibrigade, seinem Quartier, dem hübschen Château des Bon- einer polnischen und einerdrittrangigen französi- dons, weiter, obwohl deutsche Panzerspitzen be- schen Division. reits in das nur 30 km entfernte Cotterêts vordrin- Am 28. Mai, dem Tage der belgischen Kapitula- gen. Lediglich die Bureaus und das Personal des tion, fährt Barbey mitdeTscharnerund Sandoz Stabes, die sich auf dem rechten Ufer des Flusses nach Neuenegg. Die Stahlkiste mit den Kooperati- befanden, sind in der vorangegangenen Nacht auf onsplänen wird aus dem «sicheren» Depot geholt. das westliche Marneufer verlegt worden. Die drei Offiziere bringen sie schnellstens auf Am Nachmittag des 10. Juni verlässt General Wey- Schloss Wallenried im Fribourger Land, das dem gand mit seinem Stab das Grand Quartier Général betagten Adeligen Albert de Castella gehört. Ein in Vincennes, um sich mit dem Zug nach Briare zu passendes Versteck ist rasch gefunden: hinter ei- begeben. Mit dem Stab gehen alle wichtigen Ge- nem stilechten Himmelbett. heimarchive auf Reisen, die bis dahin in dem Ver-

110 dem Verlies des Château Vincennes ruhten, unter sich um eine schwierige, um nicht zu sagen ver- anderem auch die Akten der «Section' Interalliée zweifelte Unternehmung.» du Cabinet du Général Gamelin». Zwischen dem 10. und 13. Juni treffen in Briare «Wenn eines dieser Dokumente in die Hand des und seiner Umgebung die Stäbe von General Feindes fallen sollte», schreibt General Gamelin Weygand, General Georges und Reste des ehe- noch am 12. Mai 1940 – eine Woche vor seiner maligen Stabes von Gamelin aus Vincennes zu- Absetzung – bei der Anordnung der strengsten sammen. Der Gamelin-Stab spielt, nachdem man Vorkehrungen für die Geheimhaltung seines Ar- den General selbst am 19. Mai seines Postens als chivs, so würde das deutsche Oberkommando «al- Oberbefehlshaberenthoben hat, keine aktive Rolle lein schon hierdurch eine politische Handhabe er- mehr und besteht nur noch aus drei Restsektionen halten, die es gegen die Alliierten auswerten könn- mit ein paar Mann, darunter die «Section Interal- te...» liée», dieweiterhindas gesamte Archiv des ehema- Bei der «Section Interalliée» mündete nämlich al- ligen Oberbefehlshabers verwaltet und auf dem les, was die Beziehungen Frankreichs mit alliierten Rückzug mitnimmt. oder neutralen Staaten auf militärischem Sektor Nach kaum hundert Stunden emsigen Dienst- betraf. Ihr oblag unteranderem die Führung der betriebes in Briare wird es am frühen Nachmittag Korrespondenz mit dem Verteidigungsministe- des 14. Juni dringend notwendig, für die Stäbe rium. Sie archivierte auch äusserst wichtige Akten eine neue Verlegung anzuordnen. Die Deutschen wie zum Beispiel die Protokolle von Besprechun- sind bereits in Sens eingedrungen und ihre moto- gen der Oberbefehlshaber, der Comités de Guerre risierte Aufklärung zielt in Richtung Nevers. oder der Conseils Suprêmes, also der höchsten al- Am Abend des 14. Juni werden Befehle erteilt, das liierten Militärstellen. Über diese Sektion ging auch neue Hauptquartier in Vichy vorzubereiten. Die der streng geheime diplomatische Schriftwechsel, Verlegung soll zum Teil mit LKW für das Personal der die alliierte Aussenpolitik betrifft: Berichte und der Stäbe mit Arbeitsunterlagen und Archivmate- Korrespondenzen mit den Militärattachés oder den rial erfolgen, der Rest, also alles, was zum «L’ech- Kommandierenden der französischen Streitkräfte elon lourd», dem schweren Tross, gehört, wird mit ausserhalb des Mutterlandes. Und der «Section der Eisenbahn von dem Briare nächstgelegenen Interalliée» hatte man auch die Akten der franzö- Bahnhof, von Châtillon-sur-Loire aus, in vier Zü- sisch-schweizerischen Militär-Kooperation anver- gen mit Material und Büroausrüstung, Nachrich- traut. tentrupps und deren Geräten, transportiert. Die Aus psychologischen Gründen zögert die französi- ganze Bewegung ist für die Nacht von Samstag, sche Armeeführung bis zuletzt mit der grossange- den 15., auf Sonntag, den 16. Juni, vorgesehen, legten Absetzbewegung. So weist Weygand Ge- wird jedoch wegen der gebotenen Eile – diedeut- neral Georges erst am 12. Juni an, den Rückzugs- schen Panzerdivisionen nähern sich bedrohlich befehl auszuführen. Inzwischen ist die Front vom der Loire – auf persönlichen Befehl von General Kanal bis an die Maas eingestürzt. Und unter dem Georges bereits auf Samstagnachmittag von 16 furchtbaren Druck des südwärts brandenden deut- Uhr bis Mitternacht vorverlegt. Noch an diesem schen Heeres, das nur noch das natürliche Hinder- Nachmittag hält General Georges in Briare mit nis der Loire vor sich hat, bleibt Weygand keine mehreren Generalen, darunter die Kommandeure andere Lösung. General Georges: «Es handelte der 3. und 4. Armeegruppe, Besson und Huntzi-

111 ger, eine Besprechung ab. Die Lage ist verzweifelt. oder die Eisenbahnstrecke vor uns. Bei jedem An- Die Panzergruppe Kleist hatClamecy und Mont- halten des Zuges stürmten Zivilisten, Frauen und bard erreicht und stösst auf Nevers, Dijon und La KinderindieWaggons.ln Cosne verbot sogar der Charité-sur-Loire vor. Um 17 Uhr verlässt General Transportchef anzuhalten, als er die Massen der Georges mit seinem Wagen Briare und fährt zum Flüchtlinge auf dem Bahnhof sah. Von weither neuen Quartier nach Vichy. konnte man immer deutlicher die Artillerie hören. Der General hat natürlich keine Ahnung, alser in Gegen 15 Uhr erreichten wir mit Mühe und Not den Vichy «nach endloser Fahrt durch Flüchtlingsge- Bahnhof von LaCharité-sur-Loire. Der Stationsvor- wimmel und vorbei an den fremdartigsten Trup- steher erklärte uns, dass die Eisenbahnbrücken pen» um 22 Uhr eintrifft, dass der letzte der vier über die Loire von deutschen Bomben zerstört wä- Züge den Bahnhof von Châtillon-sur-Loire wegen ren und die ganze Strecke blockiert sei.» des von deutschen Luftangriffen verursachten Am frühen Sonntagmorgen, dem 16. Juni, erhält Verkehrschaos erst am Sonntagmorgen, dem 16. das zur 9. Panzer-Division gehörende Aufklä- Juni, um 7 Uhr 45 verlassen wird. Zu dieser Zeit rungsregiment 9, von Sens aus über Courtenay sind die von Clamecy-sur-Nevers vorstossenden vorstossend, den Auftrag, La Charité zu erreichen Spitzen der 9. Panzerdivison weniger als40 km und die Loire-Brücke möglichst unzerstört in Be- entfernt. Das Unglückwill es, dass durch einen Irr- sitz zu nehmen und zu sichern. tum, den man später nie aufklären kann, zwei Um 6 Uhr setzt sich das Regiment in Marsch und grosse Ladungen mit den allerwichtigsten Akten bekommt gegen 7 Uhr 45 kurz vor Courtenay, der «Section Interalliée» des ehemaligen Haupt- etwa 250 Meter westlich der Strasse, Feindberüh- quartiers von General Gamelin nicht auf LKW ver- rung, dabei fallen einige Gewehrschüsse. Nach- laden wurden, die Briare am Samstagnachmittag dem der Bahnübergang passiert ist, stösst man in Richtung Vichy verlassen haben, sondern bei auf eine Strassensperre, die von Pak, Panzer- dem schweren Tross bleiben und indem letzten kampfwagen und mehreren französischen Solda- Zug des Grand Quartier Général verstaut werden, ten besetzt gehalten wird. Während die Vorhut mit der erst am Sonntagmorgen Châtillon-sur-Loire der Bekämpfung der Hindernisse beschäftigt ist, verlassen soll. Der Mann, der sich um diese wich- gerät sie plötzlich unter heftigen Beschuss aus der tigsten Akten hätte kümmern sollen, der Chef der Gegend nördlich Courtenay. Erst nach Eintreffen Section Interalliée, befindet sich seit ein paar Ta- mehrerer Panzerspähwagen gelingt es, in die gen im Stab des in Bordeaux weilenden Generals Stadt selbst einzudringen. Am Westrand von Weygand. Und wederderTransportführer, noch Courtenay muss dann die nächste, eilig errichtete andere verantwortliche Offiziere, die den Zug be- Sperre beseitigt werden. Kurz darauf fällt der- gleiten, kümmert das Vorhandensein des streng Spitzeein mitfranzösischen Soldaten voll besetzter geheimen Archivmaterials in einem der Güterwa- LKW in die Hände. Dann geht es weiter in Rich- gen. tung Clamecy, etwa 55 km vor La Charité. Hier ge- Corporal Tillon: «Der Zug bewegte sich nur müh- rät der Vormarsch ins Stocken: Endlose Flücht- sam vorwärts, vor und hinter uns die endlose lingskolonnen und zahlreiche, am Strassenrand Schlange der anderen Züge, und stoppte unter versteckte, feindliche Heckenschützen zwingen zu beinahe jedem Haltesignal. Wir erwarteten jeden häufigen Marschunterbrechungen. Augenblick einen Bombenangriff auf unseren Zug Erst hinter Clamecy kann die Vorausabteilung zü-

112 gig nach vorn rollen, streckenweise sogar bis zu übergang schützt. Sie sind gerade am Bahnüber- 70 km pro Stunde. Zwar taucht ein Schwarm von gang, als einer der Panzerspähwagen-Schützen französischen Jagdmaschinen auf und feuert im bemerkt, dass der vordere Zug soeben im Begriff Tiefflug auf die vorpreschenden Panzerspähwa- ist, sich in Bewegung zu setzen. Geistesgegen- gen, man schenkt ihnen jedoch keine grössere wärtig eröffnet der Schütze das Feuer und erkennt Aufmerksamkeit. Etwa um die Mittagszeit erreicht noch im Vorbeifahren, wie die schwere Lok, von die Panzerspitze der Befehl, das kleine Waldge- Geschossen seiner 2-cm-Kanone getroffen, in ei- lände etwas nördlich von Raveau zu besetzen und ner riesigen Dampfwolke verschwindet. von dort einen Spähtrupp an die Loire-Brücke von Hauptmann Mayer fährt mit seiner Panzerspähwa- La Charité zu entsenden. gen-Kolonne durch die RueC. Barrèreander Kirche Der Spähtrupp stellt fest: am Bahnübergang am Sainte Croix de Notre Dame vorbei, als er ein Ostrand von La Charité eine Pak-Stellung, am dumpfes Grollen hört: Die mittelalterliche Brücke Bahnhof selbst mehrere mit französischen Solda- über die Loire fliegt in die Luft. ten besetzte Personenzüge. Inzwischen trifft auch Der Schauplatz der Kämpfe, das im Jahre 1052 der Kommandeur des Aufklärungs-Regiments 9, gegründete, etwa 5‘000 Einwohner zählende, ma- Oberstleutnant Vichytil, bei Raveau ein und gibt lerische Städtchen La Charité-sur-Loire, liegt in der den Befehl zur Bekämpfung der auf dem Bahnge- Niederung des Nivernais. Sein Name entstammt lände befindlichen Soldaten und zur Eroberung einer der bedeutendsten Priorereien der Benedik- von Stadt und Brücke. tiner-Abtei Cluny. Von der einst mächtigen Stadt- Die Mannschaft des Eisenbahntransportes wird mauer und Prioratskirche, die in den Wirren der immer unruhiger. Korporal Tillon: «Wir überlegten Religionskriege zerstört wurden, sind die Ruinen fieberhaft, was man tun könnte, da wir bereits von der Kirche mit ihrem ansehnlichen Turm erhalten ferne, aber immer deutlicher werdend, MG-Ge- geblieben. Sie zählt zu den imposantesten Zeug- knatter vernahmen. Wir konnten natürlich nicht viel nissen der romanischen Baukunst im zentralen machen, da jeder der Begleitmannschaften des Frankreich. Jetzt knallen in den gewundenen, Grand Quartier Général nur fünf Patronen pro Ge- schmalen Seitengassen der Altstadt vereinzelt wehr hatte. Es wurde beschlossen, dass unser Schüsse. Zug und einige andere wichtige Transporte so weit Nach einem kurzen Scharmützel mit französischen wie möglich weiter vorfahren sollten. Wir nahmen Soldaten erreicht Hauptmann Mayer mit dem in- in den Waggons Platz, als plötzlich deutsche Pan- zwischen eingetroffenen Abteilungsführer, Haupt- zerspähwagen auftauchten und das Feuer eröff- mann Bentele, das Loireufer, um festzustellen, neten. Unser Transportchef befahl, aus Rücksicht dass von der Brücke ein recht ansehnlicher Teil auf die Flüchtlinge, die sich in unseren Waggons der 3. Brückenbogen fehlt, und das vor allem an drängten, keinen Widerstand zu leisten.» der wichtigsten Stelle, hart am Ostufer des Fünf Panzerspähwagen der 6. Kompanie unter Flusses. Nachdem die sich auf dem gegenüberlie- Hauptmann Waldemar Mayer rollen auf der Route genden Ufer in Sicherheit wiegende französische Nationale 151 dereinsamen Pak-Stellung entge- Infanterie unter massives Feuer genommen wor- gen, die am Stadtrand von La Charité an der Kreu- den ist, «erfolgt die Brückenkopfbildung mit Pio- zung der Ausfallstrasse Avenue Gambetta und niermitteln». (Hptm. Mayer) Avenue de la Gare den vor ihr liegenden Bahn- Auch auf dem Bahngelände von La Charité bleibt

113 man nicht untätig. Carl Hans Her- Transporten die letzte Chance zur Weiterfahrt zu mann: «Hinter dem Zug mit der zerschossenen nehmen. Das Gelände wird gesäubert; die Zivili- Lok wareine endlose Schlange von Militär- und Zi- sten machen sich auf den Weg in die Stadt. Stun- vilistenzügen aufgefahren. Am Horizont tauchten den vergehen. immer neue Züge auf in der Hoffnung, unserem Als es dämmert, erscheint auf dem Regimentsge- Vorstoss noch entkommen zu können. So bildete fechtsstand der Oberfunkmeister Balzereit vom sich aus Richtung Mesves-sur-Loire ein Stau von Regimentsnachrichtenzug. Mit geheimnisvoller etwa 25 km Länge. Wir hatten alle Hände voll zu Miene weist er auf die mitgebrachten Zeltbahnen. tun, da selbst nach der Einnahme des Bahnhofs, Er erinnert sich: «Nachdem der Bahnhof vom auf dem sich etwa 200 französische Soldaten Feind gesäubert war, ging ich durchs Gelände, um ergaben, jeder neu ankommende Zug weitere mich zu orientieren. Als ich am vorderen Zug ent- Feindkräfte enthielt. Als sie ihre kritische Lage er- langschlenderte, fiel mir ein Spezialwagen durch kannt hatten, suchte ein Teil von ihnen das Weite, seine besondere Bauart auf: Er hatte Schiebetü- die anderen hoben die Hände hoch. Es war eine ren, schien jedoch «panzersicher» zu sein. Mit ei- ausserordentlich kitzlige Situation. Zu allem Über- nigen meiner Männer brach ich ihn, neugierig ge- fluss tauchte plötzlich eines unsrer He111-Kampf- worden, auf und stand unerwartet vor einem regu- flugzeuge auf und kreiste über dem Bahnhof. Un- lären «Archiv». Feuersichere, metallene Roll- ter den Flüchtlingen, die zu Hunderten in den schränke, die fest eingebaut waren. Ich mobili- Waggons bis jetzt noch ruhig ausgeharrt hatten, sierte meine Sprachkenntnisse aus der Oberse- brach eine Panik aus. «Des avions! Des avions!» kunda und begann indem Inhalt der Schubladen hörte man überall rufen, und die verzweifelten und Fächer zu lesen. «Très secret!» «Secret!» Menschen rannten in Erwartung eines Bombenan- «Confidentiel!» «Par avion!» Kein Zweifel! Das griffs kopflos hin und her. Als noch irgendwo In- war ein wichtiger Fund, Schriftverkehr hoher Kom- fanteriefeuer kleckerte, wurde auch ich von einer mandobehörden, wie allein aus den Briefköpfen Menschenwoge erfasst. hervorging. Unverzüglich packten wir 2-3 Zeltbah- Es musste sofort etwas geschehen. Ohne weiter nen voll, als «Probe», und brachten sie schleunigst zu überlegen, riss ich einer neben mirstehenden zum Ordonnanzoffizier des Regiments. Aber die- jungen Französin ihrZweijährigesausdemArm und ser zeigte, im Moment jedenfalls, keinerlei Inter- stellte mich mit dem Ruf «Pas de peur!» den vor esse. Er hatte auch Dringenderes zu tun: Die Er- Angst schier besinnungslosen Flüchtlingen entge- kundung zum Flussübergang, die Bereitstellung gen. Schlagartig änderte sich die Szene. Im Nu unserer Kradschützenabteilung zum nächtlichen wurde ich umringt und ein allseitiges «Embrassez Handstreich über die Loire lief nämlich.»« mon enfant!»zeigte die in Sekunden umgeschla- Tatsächlich dringt vom Ufer Gefechtslärm herüber. gene Stimmung, die unendliche Erleichterung. Die Nach der ersten Erschütterung kommen die Fran- Eskalation war vermieden, die Zuspitzung gemei- zosen schnell wieder zu sich und sind nun ent- stert. Es wurde rasch ruhiger, und die Flüchtlinge schlossen, den Deutschen einen Zugang überden kehrten zu ihrer Habe in den Zügen zurück.» unzerstörten Brückenteil, derdie Loireinsel La Kurz darauf erschüttert eine Detonation die Luft: Chappelle-Montlinard, gegenüber La Charité gele- Die Pioniere des Aufklärungsregiments 9 spren- gen, mit dem Westufer verbindet, so langewie- gen kurz vordem Bahnhof dieGeleise, um den möglichzu verwehren. Deshalb setzt der Komman-

114 deur die 1. Abteilung seines Regiments mit 3. und händigt und zugleich die Order, sie schnellstens 4. Kompanie, unterstützt von 1 Batterie des Artille- beim Ic der9. Panzerdivision abzugeben. Hermann rieregiments 102 und1 Batterie Flak94, zum An- sagt darüber: griff an. Um21 Uhr 45 ist die Bereitstellung been- «Natürlich war ich mir des Gewichts der Angele- det. genheit bewusst. Darum packte ich alles auch un- «Die Franzosen hatten sowohl die Brücke als auch verzüglich in meinen Steyr 220. Doch zu einem das Westufer noch in ihrem Besitz», berichtet liess ich mir Zeit: zu einem Schnappschuss wenig- Oberleutnant Claus Ruppert, Pionierzugführer im stens eines Beweisstückes, das mir zur Erinnerung Aufklärungsregiment 9. «Ich erhielt den Auftrag, in besonders geeignet schien. Es handelte sich um einem Handstreich nachts die Loire in Flosssä- eine grosse Lagekarte, aus der – ein Bonbon erster cken zu überschreiten, und zwar einige hundert Klasse! – die «grosse Gliederung» des deutschen Meter unterhalb der Brücke, umdanndenGegner- Westheeres, von den Heeresgruppen B und A und vonderFlankeher aufzurollen. Unterdem Feuer- bis zu den Divisionen herunter, hervorging. Unsere schutz der am Ostufer in Stellung gegangenen Division war vor Clermont eingezeichnet, also Teile, unterstützt durch schwere Waffen und Artil- stammte die Karte aus der Zeit unseres Durch- lerie, die auch den Feind von unserem Vorhaben bruchs durch die Weygandlinie, deram9. Junier- ablenkten, überquerten wir in Flosssäcken die folgtwar.lchwar dem 2ième Bureau des französi- Loire, warfen den Gegner im Häuserkampf zurück, schen Generalstabes sehr dankbar, dass es mich der sich dann, bedingt durch die Flankenbedro- kriegsgeschichtlich so umfassend orientiert hatte. hung, auch von dem Brückenkopf und über die Dann aber rauschte ich ab, Richtung Süden.» Brücke zurückzog. Die Aktion war erfolgreich, die Am 18. Juni übernimmt die 205. Infanteriedivision Szene sehr gespenstisch, da der am westlichen den Abschnitt. Das Aufklärungsregiment 9 löst sich Ufer gelegene Ortsteil an allen Ecken brannte und vom Feinde und stösst einen Tag später über Ne- wir zusätzlich zur Gegenwehr des Feindes auch vers auf Roanne vor. noch vom östlichen Ufer aus von unseren eigenen Es stellt sich bald heraus, dass die von Evakuie- Leuten beschossen wurden, die im Dunklen nicht rungszügen völlig verstopfte Strecke von La Cha- ausmachen konnten, wie weit wir inzwischen zur rité ein wahres Dorado für die nach französischen Brücke hin vorgedrungen waren. Nach beendetem Geheimakten Suchenden ist. Einsatz erhielt ich für die erfolgreiche Durchfüh- In derselben Nacht nämlich, als der Regimentsstab rung des Handstreichs das EKI.» des Oberstleutnants Vichytril die ihm von Balzereit So kommt es, dass erst in der Nacht der Ic der Di- übergebenen Akten studiert, trifft gegen 2 Uhr 30 vision die Meldung des Aufklärungsregiments 9 im etwa 65 km entfernt gelegenen Clamecy beim überdenseltsamen Fund erhält. Erlässt keinen Stab der 2. Armee ein Melderein und überreicht Zweifel daran, dass höheren Orts grösstes Inter- dem Offizier vom Dienst drei graue Ordner mit der esse an ihm besteht, und das Regiment sagt die Überschrift «Grand Quartier Général» und den schnellstmögliche Vorlage einer Probe zu. Stempeln «Très secret» oder «Secret». Major i. G. Daher wird im anbrechenden Morgen des 17. Juni Irkens, der für die Feindaufklärung zuständige Ic- Oberleutnant Hermann zum Kommandeur befoh- Offizier der 2. Armee, wird alarmiert. Kurz darauf len, erhält eine Auswahl der Beuteakten ausge- klingelt es bei Major Erwin F. Kaffke. Er soll sich der Sache sofort annehmen. Kaffke stellt fest, dass

115 die Akten aus einem zerstörten Güterwagen, der ligen taktischen Zeichen der deutschen 9. Pz.-Di- kurz vor dem Bahnhof von La Charité liegt, stam- vision, trägt, sitzt hinter dem Lenkrad ein junger men. Eine Stunde später, etwa um 3 Uhr30, rast Offizier. Oberleutnant Hermann will die brisante Major Kaffke an der Spitze einer Autokolonne trotz Ladung, die unter der Plane im Fond seines Wa- der sehr schlechten Wegstrecke im Morgengrauen gens liegt, schnellstens abliefern. in Richtung La Charité, und zwar in Begleitung von Am Abend dieses 17. Juni kommt aus Bordeaux Rittmeisterd. R. Neinhaus, dem ehemaligen Ober- der Chef der «Section Interalliée» nach Vichy und bürgermeister von Heidelberg, sowie Oberleutnant fragt sofort nach seinem Archiv, erhält jedoch die d. R. Karsch und Oberleutnant d. R. Graf Fossi- Antwort: «Die LKW aus Briare können nicht aus- Fedrigotti, zur Zeit Legationsrat im Auswärtigen geladen werden, sie müssen weiterfahren, da um Amt und spezialisiert auf die Sicherstellung von 17 Uhr auf Befehl des Generals Georges das Werten in Kirchen und Klöstern; ausserdem ist ein Hauptquartier von Vichy nach Saint-Sauve und gewisser Dr. Wienhold dabei. Das weitere Gefolge Bourboule verlegt werden soll.» bilden Direktor Trost, Kommissar Degenhardt, Erst am Morgen des 18. Juni, nachdem die LKW dazu Dolmetscher und einige Männer der Gehei- in Saint-Sauve endlich entladen werden, stellt man men Feldpolizei. Die ganze Kavalkade trifft etwa fest: Das Archiv der «Section Interalliée» ist nicht um 5 Uhr auf dem Bahngelände von La Charité da! ein. Am Tag darauf, dem 19. Juni, überschreitet das Ein trüberTag, Montag, der 17. Juni, bricht an. In 45. Armeekorps des Generals Daille, darunter die Bordeaux, wo sich beinahe alle französischen Po- 67. Division, die 2. Polnische Jäger-Division und litiker und Militärs von Rang und Namen versam- die Spähbrigade, alles in allem 42‘000 Mann, melt haben, schlägt nun die Stunde der Entschei- 6‘000 Pferde und 2‘000 Fahrzeuge, die im Notfall dung für die Grande Nation. der Schweiz zu Hilfe eilen sollten, tatsächlich die Auf dem nahegelegenen Flugplatz Mérignac wirft eidgenössische Grenze zwischen Ajoie und der Pilot einer leichten Maschine den Motor an, Doubs, allerdings, um hier Zuflucht vor Guderians und während das Flugzeug langsam zu rollen be- 29. Infanteriedivision (mot) und ihrem Stoss von ginnt, springt im letzten Augenblick ein hochge- Pontarlier Richtung Delle zu finden. wachsener französischer General hinein, zum Er- Die Männer, die Major i.G. Irkens im Morgengrau- staunen der Wachtposten, die ihn mit offenem en zum Bahnhofsgelände nach La Charité jagt, ha- Munde nachstarren, ehe die Maschine am Hori- ben eine so glückliche Hand, dass Major Irkens zont verschwindet. «De Gaulle nahm in diesem zwei Ju52-Transportmaschinen braucht, um die kleinen Flugzeug die Ehre Frankreichs mit sich», französischen Geheimakten nach Forges in Süd- notiert später Churchill. belgien, in das zur Zeit dort liegende Oberkom- Zur gleichen Stunde, als es General de Gaulle ge- mando des Heeres zu bringen. Hier werden sie lingt, die Posten auf dem Flugplatz zu überlisten, von einem Stab von Spezialisten und Dolmet- um nach London zu entkommen, rast im Morgen- schern im Eilverfahren gesichtet. grauen von La Charité aus über die Route Natio- «Der Inhalt wurde durch den Ic des Armeeober- nale 151 ein grauer Steyr 220-PKW zum Stab kommandos 2, Major i. G. Irkens, dem OKH zuge- der9. Panzer-Division. In dem offenen Cabriolet, leitet und hier persönlich durchgesehen, eine Ar- das an derSeitezwei kleine weisse XX, die dama- beit, die mich noch wochenlang beschäftigt hat»,

116 berichtet im Jahre 1967 Generalmajor a. D. Ulrich «Berlin, 3. Juli – ag (DNB) Das Deutsche Nach- Liss, ehemals Chef der Abteilung «Fremde Heere richtenbureau teilt mit: Wie amtlich verlautbar wird, West» im OKH. «Ich fand in den Akten zu meiner hat ein deutscher Nachrichtentrupp in dem kleinen Überraschung eine zwischen hohen militärischen Städtchen La Charité an der Loire in einem halb- Stellen der französischen und der eidgenössi- zerstörten Zug die politischen Geheimakten des- schen Armee abgeschlossene Militärkonvention... französischen Generalstabeserbeutet. Die hier ge- An Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr, sehe fundenen Dokumente sind, wie in der amtlichen aber noch die sauber ausgearbeiteten vielen Verlautbarung festgestellt wird, von solcher Be- Schreibmaschinenseiten vor mir. Auffallend war, deutung, dass ihre Veröffentlichung schlechthin dass der Name des französischen Verhandlungs- als die grösste Sensation dieser Art bezeichnet partners einen alemannischen Klang hatte – Gar- werden muss. Sie enthüllen mit beispielloser Ein- teiser.» deutigkeit die Kriegsausweitungspläne Englands Nach der Verlegung desOKH am 1. Juli 1940 von und Frankreichs ... Das Auswärtige Amt hat jetzt in Forges nach Fontainebleau in der Nähe von Paris seinem Weissbuch Nr. 6 eine Zusammenstellung werden die Beuteakten ebenfalls nach dort verla- dieser Akten vorgenommen. In Anbetracht der un- gert. Am 21. Juli wird ein Teil der Dokumente dem geheuren Bedeutung wurde aberbereits heute vor Chef des Generalstabes des Heeres, General- Erscheinen des Weissbuches damit begonnen, oberst Halder, präsentiert. Es ist anzunehmen, diese Dokumente in einer fortlaufenden Folge zu dass HitlerdieersteZusammenstellung der Doku- veröffentlichen.» mente bereits am 29. Juli vorgelegt wurde. Doch weder jetzt noch den späteren Meldungen Inzwischen läuft seit Anfang Juli ein gewaltiger des Deutschen Nachrichtenbureaus können die Propaganda-Feldzug: Am Mittwoch, dem 3. Juli, Eingeweihten in der Schweiz und in Frankreich öffnet sich wie an jedem Tag pünktlich um 11 Uhr entnehmen, ob sich unter den Beuteakten auch im Reichspropagandaministerium die Verbin- die Dokumente der geplanten Kooperation befin- dungstür von Goebbels’ Arbeitszimmer, und der den. Man erfährt lediglich am 17. Juli 1940, einen Minister betritt, adrett wie immer, den Saal. Die Monat nach den Ereignissen in La Charité, was streng geheime tägliche Ministerkonferenz, «eine sich dort auf dem Bahnhof abgespielt hat, und das Art zentrale Befehlsbühne der deutschen Propa- aus einer Sendereihe des Reichsrundfunks «Die gandakriegsführung» beginnt. Stunde der Soldaten». Diese Sendung wurde im Chef der Auslandspresseabteilung, Prof. Dr. Bör- Quartiervon Major Kaffke im Château Livry, in der ner, berichtet über einen Dokumentenfund, den Nähe von Paris, von dem Mitarbeiter der Propa- ein deutscher Gefreiter im Kampfgebiet an der gandaeinheiten des Reichsrundfunks, K. Einhold, Loire gemacht hat . . . Die Dokumentensammlung, aufgenommen. Einhold: die an sensationellem Inhalt alle bisherigen ähnli- «In den Tageszeitungen, zugleich mit der Ankün- chen Funde bei Weitem übertrifft, soll ab morgen digung des bevorstehenden, nächsten deutschen früh fortlaufend der Öffentlichkeit übergeben wer- Weissbuches, ist eine Anzahl von Geheimdoku- den... menten des französischen Generalstabes veröf- Schon am Nachmittag bringt die»Neue Zürcher fentlicht worden. Ihnen allen werden die Veröffent- Zeitung» in ihrer Abendausgabe Nr. 955: lichungen in Erinnerung sein, denn sie haben nicht nur im Reich, sondern in der ganzen Welt unge-

117 heures Aufsehen hervorgerufen. Wir suchten heu- sung, dass sich in La Charité noch weiteres, wich- te den Stab auf, der die Akten in dem kleinen fran- tiges Material finden lassen könnte. Ich fuhr so zösischen Ort La Charité an der Loire erbeutet und bald wie möglich dorthin und begab mich unver- sichergestellt hat, und sprechen mit den unmittel- züglich zum Bahnhof. Als ich den Bahnhof betre- baran dem Fund beteiligten Offizieren. ten hatte, erblickte ich zunächst mehrere französi- Herr Major Irkens, wie kam nun eigentlich dieser sche Transportzüge. Fund zustande? Konnten Sie zunächst anneh- Vor dem Bahnhof sassen deutsche Soldaten. In men, dass sich gerade in La Charité irgendwel- ihrer Mitte ein Leutnant, den ich zunächst fragte, ches Geheimmaterial befinden dürfte?» Major i. G. ob ihm irgendetwas bekannt sei über Geheimma- Irkens – 2. Armee Ic/AO: terial, das hier auf dem Bahnhof gefunden worden «Wir erhielten die erste Meldung über die entspre- sei. Da er diese Frage verneinte und auch andere chenden Kommandobehörden, und zwar hatte der Soldaten und Unteroffiziere mir keine Angaben Gefreite Kranzer auf dem Bahnhof in La Charité machen konnten, blieb mir nichts anderes übrig, drei Aktendeckel gefunden. Schriftstücke, die da- als die dort stehenden Züge, deren Zahl ich dann rin enthalten waren, trugen den Aufdruck «Secret mit fünf feststellen konnte, einer genaueren, syste- und «Très Secret. Er lieferte diese Sachen an matischen Durchsuchung zu unterziehen. Leutnant Runzer ab, der schnell dafür sorgte, dass Nach etwa ¾-stündigem Suchen entdeckte ich in diese Schriftstücke in die richtigen Hände kamen. zwei Transport-Güterwagen eines der Züge, unter Die Schriftstücke wurden als «koloniale Angele- einem wüsten Gewirr von allem möglichen Mate- genheiten» bezeichnet. Ein Kradfahrer überbrach- rial: Fernsprechmaterial, Fernschreibapparate, te sie uns. Telefonisch wurde veranlasst, dass der Uniformstücken, Flaschen und vieles anderes Ge- Fundort unter Bewachung gestelltwurde. Wirer- rät, das etwa einen halben Meter hoch den Boden kannten sofort, dass es sich um wichtigstes Ge- dieses Wagens bedeckte, einige Papiere, die of- heimmaterial handeln musste und stellten fest, fenbar von dem Obersten Kriegsrat der Alliierten eindeutig fest, dass es aus dem französischen oder von dem französischen Grossen Hauptquar- Hauptquartier stammte. tier stammen mussten. Damit war zum ersten Mal Von der Wichtigkeit des Fundes überzeugt, die Vermutung, dass sich an dem Bahnhof La schickte ich sofort einige Offiziere zu dem Bahnhof Charité noch weiteres geheimes Material befinden hin, um festzustellen, ob noch mehr derartiges müsste, bestätigt. Material vorhanden sei, um sofort zuzugreifen und Die Waggonsfielen nicht auf. Es waren gewöhnli- das Material sicherzustellen. Ich beauftragte damit che Transportgüterwagen, derart, wie sie auch den Major Kaffke, den Rittmeister Neinhaus, von der deutschen Armee zum Transport von Pfer- Oberleutnant Karsch und den Oberleutnant Graf den, zum Beispiel, benutzt werden. Später stellte Bossi. Ich gab ihnen noch Dolmetscher und Ge- ich dann fest, dass auf einem dieser Wagen flüch- heime Feldpolizei mit. Rittmeister Neinhaus wird tig mit Kreide aufgeschrieben war: «État-Major am besten die näheren Angaben darüber machen Matériel» Generalstab-Material.»« Einhold: können, was er dort vorfand.» «Und diesen Wagen mit der Aufschrift haben Sie, Rittmeister d. R. Neinhaus: Herr Rittmeister, fotografisch festgehalten?» «Ich war, gemeinsam mit Major Irkens, der Auffas-

118 Rittmeister d. R. Neinhaus: beschäftigt waren. Es lag mir daran, die Herkunft «Ja, ich habe ihn durch meinen Fahrer sofort foto- des Zuges festzustellen. Ganz besonders veran- grafieren lassen, denn diese beiden Viehwag- lasst wurde ich, dies zu beschleunigen, weil eine gons, wie ich sie bezeichnen möchte, erschienen grössere Zahl französischer Eisenbahner mit ei- uns im ersten Augenblick als ungewöhnliches nem Leerzug ankamen, deren Verhalten nicht Transportmittel für derart wichtiges Material. Beim ganz durchsichtig war. Angeblich kamen sie mit ei- Anblick dieses Materials, wie es so herumlag, hät- nem besonderen Auftrag aus Nevers, und ich ver- te man im ersten Moment ja auch gar nicht daran mutete, dass sie irgendwie beabsichtigten, im ge- glauben können, dass so wichtiges Papier drinnen eigneten Moment die Waggons abrollen, um das vorhanden war. Material verschwinden zu lassen. Wir griffen in diese Haufen hinein, und da ent- Ich sorgte dafür, dass die Eisenbahner restlos von lockte uns der Anblick des Inhalts unwillkürlich ein dem Bahnhof beseitigt wurden und machte mich «Donnerwetter». Denn man sah plötzlich Auf- dann auf die Suche, um Näheres über die Ankunft schriften, die uns aus der Presse als Titel bekannt des Zuges in La Charité festzustellen. Ein franzö- waren. Man sah Unterschriften wie Reynaud, sischer Eisenbahnbeamter machte mir dabei An- Weygand, Gamelin, Churchill, Ironside. gaben, die einwandfrei ergaben, dass der betref- Und als wir diese Unterschriften sahen, da hätte fende Güterzug am Sonntagnachmittag in La Cha- man sich am liebsten gleich hingesetzt und das rité eingelaufen war und nicht weiterkonnte, weil ganze Material von A-Zdurchgelesen und sich ge- die gesamten Geleise verstopft waren. Der Zug genseitig alles gezeigt, wasdadrinnenstand. Es kam aus dem französischen Hauptquartier und blieb aber leider keine Zeit dafür, denn wir sollte in südlicher Richtung, wahrscheinlich nach mussten das Material sofort nach Möglichkeit kurz Vichy, weiterlaufen. Während des Aufenthaltes auf und rasch sortieren, denn wir wussten ja sofort, dem Bahnhof La Charité wurde der Zug von einer dass das Material von allergrösster Wichtigkeit deutschen Aufklärungsabteilung unter Feuer ge- war, und dass es sofort weitergeschafft werden nommen. Die Besatzung flüchtete, wurde gefan- musste.» gengenommen oder begab sich am nächsten Tag Einhold: selbst in Gefangenschaft. «Also, wie schon der erste Augenschein zeigt, Diese Angaben stammen von Angehörigen der dass es ein Material von ungeheurer Tragweite Besatzung des Zuges, die ich in der Gefangenen- war, wie kam es dann ausgerechnet nach der klei- sammelstelle La Charité fand. Von der Wichtigkeit nen Ortschaft La Charité, Herr Major?» Major i. G. der ganzen Angelegenheit war ich überzeugt, Irkens: denn unteranderem wurdeein Kopfstempel gefun- «Ja, das festzustellen, war mir auch sehr wichtig den, dessen einwandfreie Form dartat, dass das und darum beauftragte ich eigens den Major französische Hauptquartier der Besitzer des ge- Kaffke, diese Feststellungen möglichst genau zu samten Materials war.» Major i. G. Irkens: machen.» «Ja, wissen Sie, Herr Einhold, das war doch eine Einhold: erfreuliche Angelegenheit, wie man da, möchte ich «Und was haben Ihre Feststellungen ergeben, sagen, die umfangreichste Autogrammsammlung Herr Major?» bedeutendster Männer der Weststaaten auffand, Major Kaffke: «Ich stellte fest, dass Graf Bossi und Rittmeister Neinhaus eingehend mit der Prüfung des Material

119 teilweise sogar mit Mostrich und Marmelade be- Major i. G. Irkens: schmiert. Ich denke dabei an die Unterschriften «Ja, zweifellos, haben die Herren das verdient, von Ironside, Reynaud, Beautemps, Daladier, und das Material zuerst sichergestelltzu haben. Den er- wie die ganzen anderen Leutchen hiessen. sten Anstoss zu dieser Sache gab aber zweifellos Ja, das war eine ganz merkwürdige Geschichte, der Gefreite Kranzer. Die Nachsuche nach diesem und sie war umso auffallender, als dies Material in Mann war doch erheblich schwierig. Ich beauf- den einfachen Viehwagen umherlag, zerstreut tragte damit den Major Kaffke.» Major Kaffke: zwischen allen möglichen anderen Geräten und «Ich musste ja von der Überlegung ausgehen, es einer fast einstündigen Suche bedurft hatte, um dass der Finder bei einer Division sein musste, von den Wagen überhaupt zu entdecken. Und dann der wir die erste Nachricht bekamen. Bei der Divi- erst unter diesem ganzen Zeug so allmählich ei- sion konnte leider nicht mehr festgestellt werden, nes nach dem anderen rauskam. wer der Anlieferer der ersten Aktensammlung war: Also kann man sich heute kaum mehrvorsteilen, Es war damals gerade Nachtzeit; es war sehr wie grossdamals unsere Freude gewesen ist, schlechtes Wetter; es war sehr viel zu tun auf der- dass so einfach eins nach dem anderen gefunden Division, und man hatte keine Notiz darüber hinter- wurde. Dann, trotz allen Ernstes, den das ganze lassen. Eine Ordonnanz wusste sich aberauf einen Material beinhaltete, haben wir auch furchtbar ge- Leutnantzu besinnen, der in der betreffenden lacht. Der eine nahm plötzlich einen Stoss Papier. Nacht da war, und es gelang mir nach stundenlan- Sie erinnern sich noch, Herr Major Kaffke, «Ja- gem Suchen, anhand der mir gegebenen Perso- wohl», da waren Churchill-Papiere. «Und hier nalbeschreibung, diesen Leutnant zu finden, und Churchill!» rief Rittmeister Neinhaus. Bei einem zwar bei einer Funkkompanie, bei einem Funkt- anderen Stoss Papier riefen Sie: «Hier Reynaud!» rupp, der zu dieser Division abgestellt war. Und wie ich dann einen Stoss Papier nahm und Als ich endlich den Leutnant gefunden hatte und rief: «Hier Chamberlain!» und so weiter. ihn kurz fragte: Sagen Sie mal, sind Sie in der be- Ich erinnere mich noch besonders, wie wir das Pa- treffenden Nacht bei der Division gewesen und ha- pier in die Hand bekamen, das der französische ben Sie da irgendwelche Aktenstücke abgege- Botschafter in Ankara, Herr Martini, gezeichnet ben? Da machte er eigentlich recht erstaunte Au- hatte, wo so hübsche Dinge drinstanden, über die gen und sagte: Ja, das kann schon stimmen. Auf Erweiterung des Krieges gerade im Süd-Osten. meine weitere Frage, woher dieser Fund stammte, Da haben wirauch Witze darüber gemacht. Einer- sagte er: Das war mein Fahrer Kranzer, den ich seits haben wir uns gefreut, wie sich das Deutsche dahin geschickt hatte, nach La Charité, um Benzin Reich auch darüber freuen wird, dass wir diese irgendwozufassen. Und der kam nach Stunden Herren durch diese Funde einmal festgelegt hat- wieder und brachte mir zwei, drei Mappen mit, die ten.» Einhold: ich, weil ich die Aufschrift «Secret» und «Très Se- «Damit, Herr Major, hatte ihre Abteilung, die unge- cret» darauf fand, sofort der Division weiterleitete. heuren, wichtigen Funde, diese Entdeckung ge- Der Gefreite Kranzer machte dann nachher über macht, und es kann Ihnen jeder die Freude an die- seinen Fund genaue Angaben. Er war auftragsge- ser Entdeckung nachfühlen.» mäss auf der Suche nach Benzin und, wie das ja bei den deutschen Soldaten üblich ist, etwas neu-

120 gierig, sahen sich dies und jenes an, und dabei gefunden hat, denn es wird immer nur von dem fand er diese Mappen, die ihn stark interessierten. Fund aus den Transportzügen, die vor dem Bahn- Denn die Aufschrift ‚Secret‘ oder «Très Secret, die hof standen, geredet. Während die Beteiligten des liessen bei ihm die Auffassung aufkommen, dass A0K2 am 17. Juli eine lange Rundfunksendung die Sache doch wohl wichtig, ja sehr wichtig sein machen, findet der Fund von Balzereit lediglich in musste. Soweit reichten ja gerade seine französi- der Wiener Ausgabe des «Völkischen Beobach- schen Sprachkenntnisse.» ters» vom 9. Juli 1940 unter dem Titel «Die Ge- Einhold: schichte eines einzigartigen Fundes» in der Presse «Und was nun, Herr Major, ist weiterhin mit dem Erwähnung. Die Beteiligten der 9. Panzer-Division Fund geschehen?» werden auch niemals so befragt, wie es beim AOK Major i. G. Irkens: erfolgte. Der Grund mag in der Auflösung der ho- «Das Material wurde noch am gleichen Abend bei hen Stäbe der Panzertruppe nach dem Ende des uns angeliefert. Wir haben die ganze Nacht gear- Westfeldzuges liegen. beitet, Dolmetscher hinzugezogen, die die interes- Jedenfalls muss – um endgültig zu klären – wer ei- santesten Stücke für uns schon übersetzten. Wir gentlich der Finder der «La-Charité-Akte» sei, das überschlugen uns beinahe – können Sie verstehen OKH eingreifen. In der Akte (Geheim) Oberkom- – vor Freude, solch wichtige Sachen gesichert zu mando des Heeres/Gen.Stab d.H./Abt. «Fremde haben. Es war eine ziemlich schwierige Arbeit, da Heeres West» Nr. 1432/40 vom 4. November 1940 das ganze Material restlos durcheinander war, es fixiert man endlich: einigermassen zu ordnen. Wirschafften es aber 1. Die Eroberung von La Charité und das Abfan- und kündigten es auch noch telefonisch beim gen der Züge ist ausschliesslich das Verdienst der Oberkommando des Heeres an. 9. Panzer-Division, die alle Voraussetzungen für Am nächsten Morgen wurde dann das ganze Ma- den Aktenfund schuf. DerOberf unkmeister Balze- terial einigermassen geordnet in zwei Flugzeugen reit ist auf Schriftstücke, die zu dem Gesamtkom- verpackt, und ich flog persönlich mit diesen beiden plex «La-Charité-Akten» gehören, gestossen und Maschinen als Sonderkurierzum Oberkommando hat sie unverzüglich seinen Vorgesetzten zugelei- des Heeres.» Einhold: tet. Meldung und einige Beweisstücke für den Wert «Ich danke Ihnen, meine Herren, im Namenaller des Fundes gingen auf dem Dienstweg nach unserer Hörer. Auf Wiederhören.» «oben». Aus diesen Angaben folgt: Die Meldung des Ge- 2. Ebenfalls in La Charité hat der Gefreite Kranzer freiten Kranzer lief über den Strang zum AOK 2, Aktenteile desfranzösischen Oberkommandos ent- während die des Oberfunkmeisters Balzereit über deckt und diesen Fund sofort gemeldet. Die von die 9. Panzerdivision, das XIV. Armeekorps zur Kranzer gefundenen Bestände «befanden sich zu Gruppe Kleist, die weiter nach Süden stiess, ging. diesem Zeitpunkt unbewacht weit abseits des Daraus erklärt sich, dass das AOK 2 die Spur Bahnhofs La Charité. Die Meldung des Gefreiten Kranzer verfolgt hat, ohne etwas Genaues über Kranzer hat zu unmittelbarem Eingreifen des den Fund der 9. Panzer-Division in Erfahrung zu AOK2 geführt. Auf dem Wege über das AOK2 sind bringen. Auch ist nun evident, warum von dieser die von diesem sichergestellten Aktenstücke dann Kommandobehörde niemand den Spezialwagen früher zum OKH gelangt als die von Oberfunkmei- ster Balzereitfestgestellten Aktenstücke.»

121 Beide Soldaten, der Gefreite Kranzer und der aus Kriegsrat angehörte und nur General Gamelin un- Probethen in Ostpreussen stammende 27jährige terstellt war.» Oberfunkmeister Alfred Balzereit werden dem Die Aufstellung einer Schweizer «Verbindungsab- Führer vorgestellt und bekommen als Anerken- teilung», über die ein Dokument vom 11. Februar nung des Oberbefehlshabers der Wehrmacht eine 1940 genaue Mitteilungen macht, schreibt von einmalige Belohnung von ganzen 5‘000,- Reichs- Moltke in seinem Bericht, «stellt die militärische mark mit einer schriftlichen Belobigung, sie müs- Zusammenarbeit auf eine feste Basis. Die Verbin- sen sich aber gleichzeitig zum Schweigen ver- dungsabteilung hat die Aufgabe, den Aufmarsch pflichten. der französischen Armee zu decken, mit der ein- Als alle Geheimakten, ergänzt durch weitere Do- marschierenden französischen Armee sofort Füh- kumente des Generalstabes derss. Armee, die lung zu nehmen und sich dieser zu unterstellen. man in der Kaserne in Dampierre bei Dijon gefun- Sie hat die Stärke einer Division, verfügt aber nicht den hat, von dem Oberkommando des Heeres in über Artillerie. Die Artillerie soll von den einmar- Fontainebleau nach Berlin gebracht werden, stellt schierenden französischen Truppen gestellt wer- sich heraus, dass ein ganzes Haus in der Reichs- den, befestigte Stellungen hierfür werden von Sei- hauptstadt belegt werden muss, um diesen Pa- ten der Schweiz vorbereitet ...» Zu den Geheim- pierberg unterzubringen. Hans Adolf von Moltke, haltungsmassnahmen auf französischer und der ehemalige Botschafter des Dritten Reiches in Schweizer Seite notiert von Moltke: «So wurde in Rom, und ein ganzes Team von Sachverständi- den Befehlen und Entwürfen die Wendung «et- gen brauchen Wochen, umeinen flüchtigen Ein- waige Intervention in der Schweiz» durch den Aus- blick zu gewinnen. Ernst von Weizsäcker, Staats- druck «Manöver H.» (Helvetia) ersetzt.» sekretär des Auswärtigen Amtes und der Schweiz In der Schweiz befinden sich die Kooperations- wohlgesonnen, versucht die eidgenössische Re- pläne zuerst in der Obhut von Oberst Gonard, spä- gierung von dem peinlichen Fund in Kenntnis zu ter von Major Barbey. Als Barbey am 11. Juni 1940 setzen. Am 16. Oktober meldet der Schweizer Ge- zum Chef des Persönlichen Stabes von General sandte Kappeler aus Berlin an Pilet-Golaz, die Ak- Guisan ernannt wird, ist Oberst de Tscharner von ten würden jetzt übersetzt, «was auf die Absicht der Operationssektion derjenige, der diese Gehei- einer Verwertung hindeute.» makten hütet. Nachdem er in die Gruppe Id, Inter- «Aus den erbeuteten Akten geht hervor», berichtet nierungswesen, abkommandiert wird, vertraut de von Moltke am 3. September und 7. November Tscharner das brisante Archiv Hauptmann Bois- 1940, «... dass, um die Schweizer Neutralität for- sier an. «Die Vernichtung hätte längst vorgenom- mell zu wahren, den Kontakten nicht die Form men werden sollen», schreibt am 30. September amtlicher Generalstabsverhandlungen, sondern 1940 Generalstabschef Huber. Nachdem er erfah- bloss offiziöser Unterredungen gegeben worden ren hat, dass die Dokumente noch weiterhin auf- sei. Als Mittelsmänner hätten der französische bewahrt werden, ordnet er ihre sofortige Beseiti- Oberstleutnant Garteiser und der Schweizer gung an. Oberst Gonard fungiert... In Vichy ist sich die Regierung des Marschalls Die Verhandlungen seien französischerseits durch Pétain darüber im Klaren, dass ihre gesamte Aus- den Kommandanten der 8. französischen Armee, senpolitik praktisch davon abhängig ist, wasdie General Besson, geführt worden, dessen direkter Deutschen und andere aus diesen höchst gehei- Auftraggeber, General Georges, dem obersten

122 men Akten erfahren könnten! Und bereits im zur Diskussion zu stellen und damit eine Kaltstel- Herbst 1940 verlangt der Chef des Auswärtigen lung General Guisans zu bewirken.» «Ich erklärte Amtes von Vichy, Paul Baudouin, von dem Mini- ihm, dass das gar nicht in Frage kommen könne, stre de la Guerre, General Charles Huntziger, so- da ich rein privatim von der Sache gehört hätte», fortige Nachforschungen zur Feststellung, welche notiert der deutsche Gesandte. der Akten genau verlorengegangen sind. Als Köcher am 3. Oktober 1940 dem Auswärtigen Sowohl die von Huntziger als auch vom Leiter des Amt über seine Gespräche mit Oberst Wille Mel- Vichy-Nachrichtendienstes angeordneten Such- dung macht, bekommt er zu seiner Verblüffung die aktionen bleiben ohne Ergebnis. Die Regierung strikte Anweisung, «falls er erneut auf Dokumente Pétain erwägt sogar eine Strafanzeige gegen Un- über schweizerisch-französische Abmachungen bekannt wegen eines vorsätzlichen Verbrechens fürden Fall eines deutschen Angriffs gegen die gegen die Sicherheit des Staates, die jedoch im Schweiz angesprochen werde, zu erwidern, er wis- Sande verläuft. se nichts von der Existenz solcher Akten.» «Ich kann den Leichtsinn derzuständigen französi- Es ist durchaus möglich, dass die zuständigen schen Stellen, die den Deutschen solch gewich- Stellen in Berlin die Akten so lange in der Schub- tige Akten in die Händefallen liessen, kaum begrei- lade zu halten beabsichtigen, bis sie bei einem ge- fen», äussert sich in Gesprächen mit seinen eng- eigneten Anlass, wie zum Beispiel einem Ein- sten Mitarbeitern der Chef der deutschen Abwehr, marsch in die Schweiz, diesen mit dem Hinweis Admiral Canaris. Er und sein Kreis unternehmen auf die erbeuteten Dokumente begründen könn- alles Erdenkliche, um das komplette «Dossier ten. Schweiz» niemals als «vorlagereif» für den Führer Doch nicht alle wollen so lange warten: Der Gau- abzuschliessen. Canaris, dem es bis etwa Mitte leiter von Württemberg verlangt, nachdem er von 1942 gelingt, in der Sache Schweiz für sich eine dem Fund Wind bekommen hat, stur die Veröffent- massgebende Rolle zu beanspruchen und sowohl lichung der Nachricht über die «La-Charité-Doku- das Auswärtige Amt als auch das Reichssicher- mente» in der Presse als Vorwand zum Eingreifen heitshauptamt zu besänftigen, hat es mit der Zeit in der Schweiz. allem Anschein nach geschafft, die Dokumente In der Schweiz selbst wiederum wird der Akten- durch seine Verzögerungstaktik zu entaktualisie- fund teils als haltloses Gerücht, teils als böswilliges ren und ihnen ihre Brisanz zu nehmen. Propagandamanöver der Deutschen gedeutet. Einige hohe Schweizer Offiziere wie Oberst Wille, Diese Meinung wird noch bestätigt, als sich die Däniker und Bircher, die Deutschland durchaus Schweizer Rechtsextremisten dieses Themas an- nicht abgeneigt sind, erhalten aus Berlin über nur nehmen. In dem Manifest der «Nationalen Bewe- ihnen bekannte Kanäle Kenntnis von den in der gung inderSchweiz» ausdem Jahre 1941 steht Reichshauptstadt liegenden Dokumenten. zum Beispiel: «Schweizer Volk, weisst du, dass Oberkorpskommandant Ulrich Wille geht sogar so General Guisan zusammen mit dem ehemaligen weit, dass er bei einem Treffen mit dem deutschen französischen Generalstab Landesverrat beging, Gesandten in Bern, Otto Carl Köcher, diesen dazu indem er mit Gamelin zusammenarbeitete?» animiert, «die schweizerisch-französischen Gene- Man sieht dabei einesich bietende Gelegenheit, ralstabsbesprechungen offiziell im Bundeshaus den Bundesrat unter Druck zu setzen und von

123 ihm die Kaltstellung der Persönlichkeitzu erwirken, zen Krieges auf das deutsch-schweizerische Ver- durch die der Schweizer Widerstandswille verkör- hältnis einen Schatten, mehr noch: Er bedeutet pert wird. Nun, General Guisan selbst ist sich über eine latente Gefahr für die Schweiz bis zum Ende die Tragweite des Aktenfundes gewiss im Klaren. des Krieges. Das Dritte Reich braucht sich nämlich Jeder vernünftige Mensch kann ermessen, was es nuraufdenStandpunktzu stellen, dass die Schweiz in Anbetracht derTatsache, dass Hitler – jetzt der die kriegführenden Parteien nicht gleichmässig be- einzige Herrscher in Europa – bedeutet, den er- handelt, dass sie also ihre Neutralitätspflicht dem zürnten Diktator und seine Kriegsmaschinerie zum Sinne nach nicht erfüllt. Gegner zu haben. Das Dossier Schweiz taucht nie wiederauf. Und um «Die Schweiz müsse es als einen ausserordentli- das, was sich zwischen den ungleichen Nachbarn chen Glücksfall betrachten, dass Deutschland die auf der diplomatischen Bühne und hinter den Kulis- Generalstabsdokumente nie vorgebracht habe», sen in den Jahren 1939-45 abgespielt hat, begrei- meint nach dem Krieg Dr. Hans B. Gisevius, ehe- fen zu können, ist die Kenntnis der Hintergründe maliger Vize-Konsul in Zürich, «Es habe keine dieser Affäre von entscheidender Bedeutung: Die Chefbesprechung über die Schweiz mehrstattge- Abberufungskrise um den General Guisan, der per- funden, in der nichtvorweg erörtert worden sei, ob manente wirtschaftliche Druck durch die Achsen- und wie man dieses Dossier am nachdrücklichsten mächte, die Gefahr-Zeiten des Jahres 1943 oder verwerten solle... Bei jedem deutschen Überfall die Begleitumstände der «AffäreSchellenberg» auf ein neutrales Land seien damalszur Begrün- kann man erst unter dem Gesichtspunkt der «La- dung bestimmte Dokumente aus dem Aktenmate- Charité-Akten» in ihrer ganzen Tragweite erfassen. rial der Abwehr den betreffenden Presseveröffent- Ende 1943 werden die Beute-Dokumente von Ber- lichungen und diplomatischen Noten beigefügt lin aus nach Glogau in Oberschlesien vor den Bom- worden ...» benangriffen in Sicherheit gebracht. Kurz nach Aus- Noch im Frühjahr 1941 versuchen der Schweizer bruch dersowjetischen Winteroffensive, im Januar Generalstab und der Chef des Nachrichtendien- 1945, hat man sie noch im selben Monat nach stes Masson in aller Heimlichkeit – übrigens er- Ebersdorf an der Friesau in Thüringen evakuiert. folglos – festzustellen, welche kompromittieren- Hier werden sie mit anderen Akten in der alten Reit- den Papiere den Deutschen eigentlich in La Cha- halle des Schlosses des Fürsten Heinrich von rité-sur-Loire in die Hände gefallen sind. Reuss gelagert. Zum Transport von dem in der Die durch die Akten von La Charité überschattete Nähe gelegenen Bahnhof nach Schloss Ebersdorf Neutralitätspolitik wird zum Spielball derer, denen wird das Arbeitskommando 608 des STALAG IX C sie zumindest als willkommenes Alibi dient. Da befohlen, das sich grösstenteils aus französischen dieses Thema offiziell als Tabu gilt, ist die schwei- Kriegsgefangenen zusammensetzt. zerische Aussenpolitik auch nicht imstande, den Beim Ausladen der Kisten aus Glogau merken sie, wahren Sachverhalt zu klären. Und dies zu einem dass einige von ihnen besonders sorgfältig von den Zeitpunkt, der zu den schwierigsten der Kriegs- Begleitmannschaften behandelt werden, und stel- jahre gehört: Nach dem totalen Zusammenbruch len die Ursache hierfürschnell fest: Es sind wichtige Frankreichs, als die kleine Schweiz vollständig Papiere des ehemaligen französischen Grand durch die Achsenmächte eingekreist wird. Quartier Général. Am 14. April 1945 erreichen US- Der Fund von La Charité wirft während des gan-

124 Panzer Ebersdorf, und die befreiten Franzosen der Seine ein. Jedem von ihnen wird die Medaille benachrichtigen sofort die Amerikaner über das d’Honneur des Affaires Étrangères – für Verdien- Aktendepot im Schloss. Kurze Zeit später kommt ste um die Aussenpolitik – an die Brust geheftet. aus Paris die Aufforderung, die Akten nach dort zu Und die Akten beenden ihren Weg dort, wo sie ihn schaffen. einst am 10. Juni 1940 begonnen haben: im Châ- Und so schliesst sich der Kreis. Am 8. Mai 1945, teau Vincennes. Das «Dossier Suisse» ist jedoch dem letzten Kriegstag, treffen fünf ehemalige nicht dabei... Kriegsgefangene des Arbeitskommandos 608 an

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Sonntagnachmittag, 16. Juni 1940, Rue Barrère in La Charité-sur-Loire, im Hintergrund die Kirche Ste- Croix Notre-Dame: Einer der fünf Panzerspähwagen der 6. Kompanie Hpt. W. Mayer

Oberleutnant Carl Hans Hermann

Eines der Dokumente, die Oberfunkmeister Balzereit am Abend des 16. Juni 1940 auf dem Bahnhof von La Charité fand: Lagekarte des französischen Ober- kommandos, mitdergros- sen Gliederung des deut- schen Westheeres (Foto: Oblt.C.H. Hermann, 17.6.1940)

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Montagmorgen, 17. Juni 1940: Oberleutnant H. Hermann auf dem Wegzum Divisionsstab

17. Juni 1940, Bahnhof La Charité: Der Hauptzettel für die Wagenladung des Waggons, in dem Oberfunkmeister Balzereit die Geheimakten fand

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Auf dem Bahnhof von La Charité-sur-Loire (aus: Illustrierter Beob- achter, Juli 1940)

17. Juni 1940, Bahnhof La Charité: 25 km lange Zug-Schlangen

Schweiz, am Morgen des 20. Juni 1940 bei Epiquerez: Gen. Daille, Kommandeur des französischen 45. Armee-Korps, verabschie- det seine Soldaten

Schweiz, am Morgen, des 20. Juni 1940: Gen. Daille (links) im Gespräch mit seinem alten Freund, dem eidgenössischen Oberst Tscharner

Schweiz, am Morgen des 20. Juni 1940: Französische Kolonialreiter nach dem Grenzübertritt

Morgen, 20. Juni 1940, eidgenössische Offiziere, französi- sche Waffen: Trümmer einer Armee, die der Schweiz zu Hilfe eilen sollte

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Schweiz, am Morgen des 20. Juni 1940: Etwa 1’600 Kraftwagen, 7’800 Pferde, 29 700 Franzosen, 12‘000 Polen und Belgier sowie 75 Engländer werden interniert

Morgen, 20. Juni 1940: «Noch ist Polen nicht verloren!» singen Soldaten der 2. pol- nischen Jägerdivision, nachdem sie die schweizerische Grenze überschritten ha- ben

Schweiz, am Morgen des 20. Juni 1940, Nähe Brémoncourt: 2. Regiment der Feldartillerie der 2. polnischen Jägerdivision des französischen 45. Armee-Korps

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Der Landwirtschaft für das An- bauwerk zur Verfügung ge- stellte polnische Jägerdivision in eine Arbeitsdivision umge- wandelt

Ein schweizerischer Bahnhof, Zivilbevölkerung: Die gesamte Kriegsausrüstung des französi- schen 45. Armee-Korps den Deutschen übergeben

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26. November 1940, Kreuzlingen-Genf: Französische Internierte auf der Durchfahrt

Auf der Heimfahrt: Vom 17. Januar bis 14. Februar1941 werden sämtliche französi- schen Internierten repatriiert

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«Der Befestigungsstand unseres Landes hat ein Ausmass angenommen, das wohl nir- gends sonst erreicht worden ist. Neben ihrem rein materiellen Wert sind unsere Festungen ein Symbol unseres Vertei- digungswillens in gefährlichster Zeit und auch ein Ausdruck unserer Neutralität», schreibt der Chef des Generalstabes der eidgenössischen Armee in seinem Schluss- bericht an General Guisan. Und tatsächlich, das Réduit National, das den Kern der Re- publik in ein uneinnehmbares Bollwerk verwandelt, hat keine Parallelen. Der mit schweizerischer Präzision geschaffene riesige Festungskomplex stellt selbst die be- rühmte Maginot-Linie in den Schatten. Während alle bekannten Befestigungsanlagen von der Chinesischen Mauer biszum Atlantikwall künstliche Bauwerke sind, ziehen die Eidgenossen die Natur zu Hilfe: Einem gigantischen Maulwurfshügel gleich, werden in ganze Gebirgszüge spinnwebartige Stollen für das grösste und sicherste Verteidi- gungssystem der Welt getrieben und die Stellungen buchstäblich in die Seitenwände der Berge hineingehauen. Dieses Bollwerk ist weniger eine Erfindung als der Entschluss des Generals Guisan, mutig und bewusst die enorme Verantwortung auf sich zu nehmen.

Réduit Guisan

Die Idee, den Krieg aus einem befestigten Zentral- Reserveartillerie mit den Greisen, Weibern und Raum zu führen, ist so alt wie die schweizerische Kindern nach Interlaken verlegt, alle Kirchen der Landesverteidigung selbst und hat wohl ihren Ur- Berggegenden in Magazine verwandelt, eine Dik- sprung in derzeit des Dreissigjährigen Krieges, als tatur erwählt, diese hinter die erste Defensionslinie die Städte Baden und Wil sich durch recht ansehn- gesetzt und also gerüstet der Feind auf den Gren- liche Verteidigungsanlagen zu schützen wussten. zen des Landes empfangen werden ...» Auch dem Berner Major von Mutach schwebt vor, Der Freiheitskampf der Nidwalder gegen die Fran- das unzugängliche Hochland in eine Bastion zu zosen im Jahre 1798 spornt den Historiker Hein- verwandeln, als er angesichts derfranzösischen rich Zschokke aus Aarau an, sich mit dem eidge- Invasion dem Kriegsrat der Stadt Bern im Jahre nössischen Wehrwesen näher zu befassen. Durch 1797 seinen Plan unterbreitet: «Nach diesem den Widerstand des Bergvolkes beeindruckt, no- sollte beim Ausbruche eines Krieges der Sitz der tiert er 1816 seine Gedanken von einer National- Regierung, der öffentliche Schatz, die Archive und festung: «Nidwalden scheint mir die wahre Haupt- festung der Eidgenossenschaft, und kann, bei ge-

136 höriger Besatzung und mit dem nötigen Proviant leon Bonapartes und Direktors der Militärschule zu versehen auf lange Zeit uneroberlich sein. Hoch- Thun, eines Festungsbauspezialisten, der sich mit gebirge und Engpässe von der einen Seite, der seinen Werken wie «De la Fortification Perma- See von der anderen ... Keine andere Landschaft, nente» (Paris 1824) internationalen Ruf erworben vielleicht das Haslital ausgenommen, ist eine sol- hatte. che wahrhafte Nationalfestung der Eidgenossen, General Dufour, eine der bedeutendsten Persön- selbst Uri nicht, noch minderSchwyz. Dazu liegt lichkeiten der Schweiz im 19. Jahrhundert, und ein Nidwalden im Mittelpunkt Helvetiens. Aber diese enger Freund Wielands, schreibt z.B. in seinem Festung muss zwölftausend Mann Besatzung ha- Werk «Cours de Tactique»: «Die drei Städte Zü- ben, darunter viertausend Mann Scharfschützen.» rich, Bern und Solothurn können als die Hauptein- Acht Jahre später greift der Basler Oberst, Johan- gänge zu dem grossen verschanzten Lager ange- nes Wieland, zur Feder und entwickelt die Idee sehen werden, das die Alpen, die Aare und die des Historikers Zschokke weiter. Wieland, ein Sol- Limmat im Zentrum der Schweiz bilden. Innert die- dat durch und durch, der mit seinem Schweizer ses Lagers würde sich wahrscheinlich unser Regiment auf der Seite Napoleons in Spanien Schicksal entscheiden, wenn wir einen feindlichen kämpfte und es bis zum französischen Stabsoffi- Einfall zu erleiden hätten.» zier brachte, legt seine Erfahrungen in dem Und unter dem Kommando von General Dufour, «Handbuch zum Militärunterricht für Schweizer Of- dem geistigen Vater des Roten Kreuzes, werden fiziere aller Waffen als Versuch eines Verteidi- in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ansehn- gungssystems der schweizerischen Eidgenossen- liche Festungsanlagen entlang der Simplon-Rou- schaft» nieder, das 1824 in Basel erscheint. te, am Luziensteig, an der Aare bei Aarberg und Wieland erwägt in seinem Verteidigungskonzept im Tessin errichtet. die Zusammenfassung der Kräfte an entscheiden- Ausser dieser Zentralfestung im Mittelland mit den der Stelle und nennt sie Zentral-Waffenplatz, eine vorgelagerten Bastionen, angelehnt an das Alpen- Art Nationalfestung. «Dieses System der konzen- massiv, schwebt Dufour noch als Platz des letzten trierten Massen sämtlicher, zum geregelten Feld- Widerstandes der Talkessel Chur-Reichenau vor dienst vereinigten Streitkräfte muss die Schweiz und das Urserental, das den Zugang zum St. Gott- als Grundsatz ihrer Verteidigungsanstalten be- hard sperrt. trachten ... das Hauptkorps wird als Reserve in Die Gedanken dieses Feldherrn, die über seine eine Zentralstellung verlegt. Das Defensionssy- Zeit hinausragen, hinterliessen tiefe Spuren in stem der Schweiz, so wie auch jeder Operations- dem militärischen Denken derSchweiz. Die Idee plan zur Beschützung ihres Gebietes soll also auf eines «Defensiv-Zentrums» ist die Antwort von Aktivverteidigung der mobil gemachten Streitkräfte Stabshauptmann Huber auf eine Preisaufgabe im und auf den Beistand der ganzen zum Widerstand Jahre 1863. Es soll wie ein Zentraldreieck im gerüsteten Nation gegründet werden ...» Die er- Hochgebirge liegen: «Gross genug, um eine gan- sten Landesbefestigungen derSchweizsind nun ze Armee aufnehmen zu können, von allen Gren- unter der Leitung des Generals Guillaume H. Du- zen gleich weit entfernt sein, damit alle Truppen four entstanden, eines ehemaligen Offiziers Napo- diesen Brennpunkt der Verteidigung rasch errei- chen. Sie soll von jeder Seite her günstige Rück- zugslinien aufweisen, die anderseits auch Angriffs- handlungen gegen den Feind ermöglichen und

137 von jeder vom Feind nicht besetzten Seite her Ver- Wachtposten und die notwendigsten Reparaturen stärkungen empfangen können. Sie muss nach al- beschränkt, und im Jahre 1921 ist sogar das be- len Seiten verteidigt werden können und über ge- währte Büro für Befestigungsbauten aufgelöst nug Raum für die erforderlichen Magazine und De- worden. pots verfügen ...» Erst nach einer langen Pause entsteht im Jahre Hubers Arbeit weist auf bemerkenswerte moderne 1935, als Frankreich mit Hochdruck seine Magi- Gedanken der optimalen Ausnutzung der Vorteile not-Linie fertigstellt und Hitler sich mit dem Gedan- des Gebirges für die Verteidigung und bis zur letz- ken der Errichtung des Westwalls trägt, das Büro ten Konsequenz durchdachte Zusammenziehung für Befestigungsarbeiten. Nach dem ersten «An- der Abwehrkräfte in dem entscheidenden Raum laufkredit» von sechs Millionen Franken steuern hin. eidgenössische Räte ständig wachsende Mittel für Die preussisch-französischen Kriege in den Jah- den Festungsbau bei. Zwei Faktoren bestimmen ren 1866 und 1870/71, in Schweizer Militärkreisen jetzt das schnelle Tempo: die sich am politischen mit Aufmerksamkeit verfolgt, geben der Idee einer Firmament zusammenziehenden Wolken und die Landesbefestigung starken Auftrieb. Es werden Rezession. Man verstärkt die Nordwestgrenze und Kommissionen berufen, die sich mit dem System bekämpft zugleich die Arbeitslosigkeit im Lande. von Landesbefestigungen befassen sollen. Die mit Schweizer Gründlichkeit in Angriff genom- Nach der Eröffnung der strategisch so wichtigen menen Bauvorhaben schreiten zügig voran. Bis Gotthardbahn im Jahre 1882 sind die nur langsam zum Spätsommer 1939, kurz vor Kriegsbeginn, fortschreitenden Arbeiten am Bau der Befestigun- wird eine neue Kette tief gestaffelter Festungen, gen um den St. Gotthard endlich in den achtziger die aus einer durchgehenden Verteidigungslinie Jahren beendet worden. Vier Jahre später, 1886, mit Panzersperren, Hindernissen und Minenfel- geht es einen mächtigen Schritt weiter: Man hat dern besteht, im Grenzgebiet errichtet. das Büro für Befestigungsbauten, dem Planung, Zwar wirkt sich die Mobilmachung der Armee im Durchführung und Instandhaltung der Festungen September 1939 hemmend auf den Fortschritt des unterliegen, gegründet. Dabei sind auch eine Festungsbaus aus, aber kurz darauf, nachdem die Reihe mächtiger Verteidigungsanlagen um St. einberufenen Soldaten die Abwehrstellungen be- Maurice entstanden. zogen haben, läuft die Arbeit wieder auf Hochtou- Im Ersten Weltkrieg ist eine Kette von Befestigun- ren. Der Schwerpunkt der Landesverteidigung – gen wie am Mont Vully, am Jolimont oderam Hau- die drei strategisch wichtigsten Hauptfestungsan- enstein angelegt worden. Dies sind jedoch reine lagen: Gotthard und St. Maurice (Wallis) werden Grenzverteidigungsanlagen, und der Bericht des erheblich erweitert und modernisiert; Sargans da- Generals Ulrich Wille über den Aktivdienst 1914/ gegen neu erbaut. 15 erwähnt mit keinem Wort, dass für die Führung Im Herbst 1939 beauftragt General Guisan Oberst eines Abwehrkampfes besondere Reduit-Pläne Germann miteinerStudie überdie Möglichkeit einer bestanden hätten. wirksamen Verteidigung der Schweiz mit eigenen Das Ende des Ersten Weltrieges hat zugleich ei- Kräften. nen Baustop für die Festungsanlagen bedeutet. Am 31. Dezember 1939 wird das Büro für Befesti- Man hat sich praktisch auf das Aufstellen von gungsbauten (B.B.B.) unmittelbar dem Géniechef

138 der Armee unterstellt. Das B.B.B. arbeitet seitdem baut. In den Grenz-Zonen, auf der Hauptabwehr- noch enger mit dem Büro für Bauten der Feldar- stellung zwischen dem Raum von Sargans, der mee, später in «Büro Waffen und Konstruktionen» Linth-Ebene und der Limmatlinie bis zum nördli- umbenannt, zusammen. Gemeinsam werden chen Jura und dem Hauenstein, sowie im Ab- neue Projekte und Studien durchgeführt, darunter- schnitt von St. Maurice wachsen neue Befestigun- eine ganze Reihe von Entwürfen zur Standardisie- gen heran. Schwerpunkt der Bauarbeiten: Infante- rung der Festungsausstattung: Panzerung, gas- riestände, Geschützstellungen, Panzerhindernis- und schalldichte Türen, Spezialschlösser, Filter- se, sowie Unterstände für Mannschaften und Kom- aggregate, Geschützrohr-Transportwagen, För- mandoposten. derbänder für Munition und anderes. Dabei zeichnet sich eine groteske Situation ab: Die Ereignisse der letzten Monate des Jahres Der Bau des Reduit erfordert Zement und Eisen, 1939 in Finnland bleiben nicht ohne Einflussauf und für beides braucht man Kohle, in der Schweiz den Verteidigungswillen der Eidgenossen. Der fin- ein kostbarer Importartikel. Aber auch Hitler nisch-sowjetische Winterkrieg beweist nämlich, braucht Eisen. Da die Schweiz mit den Fricktaler dass selbst ein kleines Land gegenübereinem Erzen, kurz vor Kriegsausbruch entdeckt, über be- mächtigen Nachbarn militärisch nicht unbedingt deutende Eisenerzvorkommen verfügt, die sie je- hilflos dasteht. Und die Schweizer ziehen manche doch nicht verhütten kann, gelingt es, diese bei Parallele: Immerhin hat sich die finnische Armee, den Deutschen gegen Kohle einzutauschen, die nur halb so stark wie die eidgenössische, zur Wehr man dringend für die Zementfabrikation benötigt gesetzt, dem russischen Ansturm 102 Tage lang und Zement wiederum für den Bau neuer Befesti- widerstanden, dabei in geschickten Waldkämpfen gungen, die gegen Hitlers Wehrmacht errichtet zehn bis an die Zähne bewaffnete Divisionen in werden sollen. Schach gehalten, zwei von ihnen zerschlagen und Das Auftauchen der Panzer des Generals Gude- Tausende von Gefangenen gemacht. Man ist nun rian an der Schweizer Grenze am 17. Juni 1940, davon überzeugt, dass die Berge der Schweiz die der Zusammenbruch Frankreichs, sowie der Ein- gleiche Rolle wie die finnischen Wälder spielen tritt Italiens in den Krieg am 10. Juni 1940 schaffen können. eine völlig neue Lage. Im Frühjahr 1940 wird dem B.B.B. der Ausbau der Die Schweiz, von den Achsenmächten nun fast Armeestellungen, der Entwurf verschiedener grös- vollständig eingeschlossen, liegt trennend zwi- serer Werke und neuer Grenzbefestigungen über- schen dem Dritten Reich und Italien und sperrt die tragen. Das Tempo des umfangreichen Baupro- kürzeste Verbindung über die Alpen. Diese totale gramms bedarf dringend einer Koordinierung der Einkreisung und ihre Gefahren lässt den Jahrhun- Zusammenarbeit zwischen dem Géniechef der Ar- derte alten Wunsch nach einem befestigten Zen- mee und der Festungssektion. So wird am 22. tralraum endlich Wirklichkeit werden. Doch die April 1940 ein «Beauftragter für Festungen» er- Entstehung eines Reduit erfordert nicht nur Fels, nannt, dem die Festungssektion und das neu ge- Stahl und Beton, entscheidend dabei ist die Tradi- schaffene Planungsbüro unterstellt sind. tion desAusharrensund eine starke Persönlichkeit Unter verstärktem EinsatzderTruppewirdbisin den wie die des Generals Guisan. Frühsommer 1940 hinein mit Hochdruck weiter ge- Nach sorgfältiger Untersuchung bisheriger Vertei- digungskonzepte der Alpenregion modernisiert

139 Oberst Germann, Professor der Rechte, auf Ge- ten-Saane bis zur Senke von Bulle verlängert wird; heiss von Guisan die 150 Jahre alte strategische • eine Alpen- oder Zentralraumstellung (réduit Grundidee und passt sie den veränderten Umstän- national),– die im Osten, Westen und Süden durch den an. General Guisan akzeptiert jedoch im Som- die einbezogenen Befestigungen von Sargans, St. mer 1940 den Reduit-Entwurf des Generalstabs- Maurice und des St. Gotthard flankiert wird. majors Samuel Gonard, dem späteren Armeekom- Über diese Stützpunkte hinaus wird das Verteidi- mandanten. Gonards Plan bezieht, im Gegensatz gungssystem der Zwischenzonen ein tiefes Netz zu dem Entwurf Germanns, die bereits bestehen- von vorbereiteten Zerstörungen aufweisen, das im den Befestigungsanlagen von Sargans, Gotthard Raum zwischen der Sicherungsstellung und dem und St. Maurice als Pfeilerinden Gesamtplan mit Réduit noch ergänzt werden wird. ein und gibt damit dem Reduit gewisse Manövrier- Diese Verteidigung in den Zwischenräumen wird möglichkeiten und den für eine Vorratshaltung nö- je nach der Zone zufallen: tigen Raum. Zugleich schlägt er die Errichtung von • Leichten Detachementen; mächtigen Verteidigungsanlagen zwischen den • Territorialtruppen, die in der Gegend mobilisie- drei Festungskomplexen vor, um das Reduit zu ei- ren und in Verbindung mit den Ortswehren kämp- nem geschlossenen Ganzen werden zu lassen. fen. General Guisan gibt dem Bundesrat bekannt: Dieses neue Verteidigungsdispositiv wird unver- Der Oberbefehlshaber der Armee meidlich verlangen, dass die Zivilbevölkerung an Armeehauptquartier, Ort und Stelle verbleibt. Teilevakuationen werden den 12. Juli 1940. zweifellos je nach den Umständen durch die örtli- chen Kommandostellenangeordnet werden kön- GEHEIM nen. Memorandum betr. das neue Verteidigungsdispo- Aber es ist vor allen Dingen wichtig, dass die Be- sitiv. völkerung auf keinen Fall in der Richtung auf das Ich habe folgenden Entschluss gefasst: die Vertei- Réduit zurückströmt, wo sie den Erfolg der Opera- digung des Landes wird nach einem neuen Grund- tionen in Frage stellen und nicht über genügende satz organisiert werden, demjenigen der Staffe- Vorräte verfügen würde. lung in die Tiefe. General H. Guisan Zu diesem Zweck habe ich drei hauptsächliche Der einige Tage später erlassene «Operationsbe- Widerstandszonen gebildet, die durch ein System fehl Nr. 12», der erste vom Reduitgedanken ge- von Stützpunkten in denZwischenräumen ergänzt prägte Operationsbefehl des Aktivdienstes, ist zu- werden. gleich der entscheidende Schritt zur Verwirkli- Die drei Widerstandsstaffeln werden sein: chung der neuen Strategie. • die Grenztruppen, die ihr gegenwärtiges Dispo- General Guisan weiss, dass es nicht genügt, es le- sitiv beibehalten; diglich auf dem Befehlsweg «nach unten» zu ge- • eine vorgeschobene oder Sicherungsstellung, ben. Der Armee soll über die umwälzenden welche die jetzige Armeestellung zwischen dem Massnahmen nähere Auskunft erteilt werden. Zürichsee und dem Plateau von Gempen ausnützt Er befiehlt also am 25. Juli 1940 alle seine Offiziere und nach Westen durch eine Front auf der allge- vom Bataillonskommandanten an aufwärts zu ei- meinen Linie Berner und Neuenburger Jura-Mur-

140 nem Rapport auf das historische Rütli. Hier auf der Und tatsächlich, so lange sie das Alpenmassiv zu sonnenüberstrahlten Wiese, zu Füssen der in Wol- halten vermögen, und dort das wenn auch stark re- ken gehüllten Alpengipfel, die den türkisblauen duzierte staatliche Gefüge bestehen kann, istfür- See umranden, erläutert Guisan ihnen persönlich die Schweizerder Krieg nichtverloren. Doch dieZu- den Sinn und Inhalt der neuen Reduitstrategie und rücknahmedesGrosder Armee in die Reduit-Stel- gibt der Armee die Parole des unbedingten Wider- lung hat auch ihre Schattenseiten: Dies bedeutet standes aus. «Für mich steht fest, dass dieser zugleich die beinahe kampflose Preisgabe der ge- Rapport ein entscheidender Wendepunkt in unse- samten Industrie, sowie grosser Teile des eidge- rer Geschichte des Zweiten Weltkrieges gewesen nössischen Volksgutes. ist», sagt später der General. Auch die Fragederseelischen Widerstandskraft ih- Der Hochsommer 1940 erweist sich für die rer Verteidiger gehört zu den Problemen der Schweiz als die gefährlichste Zeit des ganzen Reduit-Konzeption, die den Strategen einiges Krieges: während sich die eidgenössische Armee Kopfzerbrechen bereitet. Bevor die Soldaten in die in diesen Monaten in einem gefährlichen Über- Alpenfestung einrücken, müssen sie nämlich ihre gangszustand zwischen alter und neuer Strategie Familien, ihre Höfe und Geschäfte, mit einem Wort befindet, stehen jetzt an der Nordwest- und West- alles, was ihnen lieb und teuer ist, zurücklassen. grenze des Landes kriegserprobte, material-und Wie lange werden sie die moralische Kraft aufbrin- zahlenmässig stark überlegene deutsche Divisio- gen, in ihren Bastionen auszuharren, wenn sie wis- nen. sen, dass ihre Nächsten der Gnade des Feindes Am 14. August 1940 übte die Armee zum ersten- ausgeliefert sind? Wie werden sie reagieren, wenn mal den Krieg in den Reduit-Stellungen: Eine die Angreifer die in ihre Hände gefallenen Fami- Kampfgruppe der 8. Division führt Scharfschies- lienangehörigen als Geiseln betrachten? sen im Entlebuch durch. «Der Angriff nimmt seinen Während im Sommer 1940 der Befehl zum Einrük- Ausgang in den Schluchten, die in einen weiten ken ins Reduit kommt, beginnt man sofort mit der Geländezirkus auslaufen, und kommt nur langsam Geländevermessung und mit Studien und Projek- vorwärts auf den Steilhängen, unter Ausnützung ten für den weiteren Ausbau von Artillerie- und In- der Deckungen bis zu dem Punkt, wo die Vegeta- fanteriestellungen am St. Gotthard und Samedan. tion verkümmert. Dann geht es über Weiden, Das enorme Bauprogramm und eine Riesen- Schutthalden, kleine schmutzige Schneeflecken, summe von einer Milliarde Franken sind nötig, um die bald geschmolzen sein werden. Schliesslich die Idee des Reduit verwirklichen zu können. die Grate, die die Widerstandsstellungen darstel- Die Verlegung der Hauptverteidigung erfordert ein len, und überdie Pässe», lautet der Bericht über völlig neues Nachschubsystem. Die topographi- diese Übung. Spätestens nach dem Westfeldzug schen Verhältnisse der Alpenfestung machen die steht auch fest, dass es nicht mehr möglich sein Versorgung der dort liegenden Truppen über ein wird, das weite Gebiet des Mittellandes und der zentral gelegenes Depot unmöglich: Jeder grös- Grenze von 1‘800 km Länge zu verteidigen. «Mit sere Talzug bedarf eigener Verpflegungs- und dem Verzicht darauf, alles zu verteidigen, um uns Ausrüstungslager mit einer autonomen Nach- lange zu verteidigen, tauschten wir Raum gegen schuborganisation. In den Bergtälern des Reduit Zeit ein, die im Leben einer Nation viel bedeutsa- fehlt es jedoch an Magazinen zur Lagerung der mer ist als ihre Oberfläche.» (Guisan)

141 Vorräte. Geschlossene Hotels und stillgelegte Zerstörungseinheiten zu einer Art Waffengattung Fabriken werden requiriert, der so gewonnene La- erklärt. gerraum reicht jedoch nicht aus. In den Industrieanlagen, E-Werken und anderen In harter Arbeit entstehen Dutzende von unterirdi- Objekten arbeitet man fieberhaft an der Kenn- schen Lagerräumen, wo Verpflegung und Ausrü- zeichnung der Einrichtungen, die in die Luft gejagt stung für mehrere Monate gestapelt werden, und werden sollen. Die Zerstörungseinheiten werden eine geniale Idee löst das Lagerproblem: Uner- in Sonderkursen eiligst zu Sprengmeistern ausge- messliche Vorräte an Lebensmitteln und Treibstoff bildet. Ihre Aufgabe: zuerst mit Pinsel und Farbe werden in eigens dafür konstruierten Monster- die in Frage kommenden Anlagen nach einem Tanks in den Seen des Reduitgebietes versenkt. festgelegten Farbschema zu markieren. Die pop- Die Materialbestände dieser Unterwasser-Depots pige Kriegsbemalung bestimmt das Schicksal der bilden nun die eiserne Reserve für die Besatzung über eintausend Industrieobjekte und anderer An- des Reduit. lagen, die im Ernstfall entweder gesprengt, mit Die Umstellung des Operationsplanes auf die Re- Hämmern zerschlagen oder evakuiert werden sol- duit-Konzeption bringt auch Tausende von logisti- len. schen Problemen mit sich; erreichen die Männer Ein detaillierter Plan für die Zerstörung der Kraft- das Reduitgebiet nicht früh genug, könnte der ge- werke, der Bahnanlagen, der Brücken, der wichti- samte Verteidigungsplan gefährdet sein. gen Tunnel und der Lokomotivdepots wird ausge- Auch derTransport von Verwundeten und Kran- arbeitet, Sprengmittel liegen bereit. «Eine weitge- ken, deren Unterbringung, die Evakuierung ver- hende Unbrauchbarmachung von Betrieben und schiedener Güter aus der Grenz- und der Verzö- die Vernichtung von Warenvorräten seien eines gerungs-Zone bereiten den zuständigen Stäben der wirksamsten Mittel, um einen Angriff auf die manchmal schlaflose Nächte. In denstillen, abge- Schweiz unrentabel zu gestalten», stellt das Ar- legenen Gebirgstälern und Kurorten, weit von den meekommando fest. Nach einem ausgeklügelten voraussichtlichen Kampfgebieten entfernt, errich- System werden Sprengkammern in dieTunnel des ten Militär-Sanitäts-Anstalten (M.S.A.) Lazarette St. Gotthard- und des Simpionpasses, in die Brük- und Genesungsheime in einst mondänen interna- ken und unter den Alpenstrassen installiert. Die tionalen Hotels. Sprengungen sollen gleich nach dem Angriff Eine bedeutende Rolle spielt in der Alpenfestung durchgeführt werden, um zu verhindern, dass die das Eisenbahnnetz. Anfang 1941 entsteht im Ré- Alpenübergänge dem Feind in die Hände fallen, duit ein Eisenbahn-Stab mit einer Gesamtleitung oder zum Weiterkämpfen keine Möglichkeit mehr und drei unabhängigen Gruppen. Die nötigen Re- besteht. Die Vertreter von Industrie und Handel er- serven an Rollmaterial, Brücken- und Rampenele- heben sofort Einspruch und wenden sich an den menten und gewaltige Mengen an Oberbaumate- Bundesrat, um solch radikale Vorsichtsmassnah- rial werden in die Kernzone verfrachtet. men zu unterbinden. Erst nach dreijährigem Für Im Mittelland laufen in diesenTagendieVorberei- und Wider wird der Zerstörungsplan dann im Juni tungen für ein raffiniertes System von Sprengun- 1943 endgültig vom Bundesrat genehmigt. gen. Schon im Sommer 1940 werden etwa 16‘000 Man trifft zugleich alle erdenklichen Massnahmen, Mann für diese neue Kampfform abgestellt und die um deutsche Agenten davon abzuhalten, die Vor-

142 bereitungen für die Sprengungen zu unterbinden. dacht worden. Es sind im Réduit Kurzwellensen- So werden zum Beispiel entlang der Gotthardlinie der für Rundfunk und Übermittlung von Telefonge- ausrangierte, zu Wachtpostenunterkünften um- sprächen, Mittelwellensenderfür Rundfunk, Tele- funktionierte Eisenbahnpostwagen im Abstand graphiesender und ein grosses Empfangszentrum von einigen hundert Metern unmittelbar neben den eingerichtet. Die Anlagen hat man tief in den Ka- Sprengkammern aufgestellt, die rund um die Uhr vernen untergebracht. streng bewacht werden. Mit Beherrschung der Nord-Süd- und Ost-West- Sobald es der Stand der Befestigungsarbeiten zu- Verbindungen erfüllen die drei Schlüssel-Festun- lässt, wird mitdem berühmten «Operationsbefehl gen eine ausschlaggebende strategische Rolle. Nr. 13» vom 24. Mai 1941 das Einrücken der vier So riegeln z.B. die Befestigungen um den St. Gott- restlichen Divisionen in das Réduit angeordnet. So hard sowohl die wichtigsten Ost-West- als auch die steht ab Sommer1941 die Feldarmee beinahe voll- Nord-Süd-Wege ab, die sich in dem nahegelege- zählig in der Alpenstellung. Nurdie Grenz- und nen Urserental kreuzen: die St. Gotthard-Auto- leichte Truppe, durch Territorialtruppen verstärkt, strasse und Eisenbahnlinie, die leistungsfähigste bleiben in der Verzögerungs-Zone zurück. Sie sol- und bedeutendste Verbindung des Dritten Reiches len ihren Kampf entlang der Haupteinfallslinien im mit Italien, sowie die Strasse und Bahnlinie von Mittelland führen, unterstützt durch ein Netz von Chur insOberwallis. taktischen Zerstörungen. Sargans sichert die Route von Deutschland und Die Grenzbefestigungen umschljessen jetzt die Österreich über Graubünden und Chur nach Ita- ganze Schweiz mit Ausnahme einiger Landstriche lien, und auch die Oberalpstrassen in Richtung St. und erstrecken sich, dem Gelände angepasst, von Gotthard-Ostseite. Sargans am Rhein entlang bis nach Basel und St. Maurice wiederum blockiert alle Wege zwi- durch den ganzen Jura biszum Genfer See. schen Italien und Frankreich, ob über den Grossen Die Grenzbefestigungen sind vor allem Bunker für St. Bernhard oder über Simplon. schwere Infanteriewaffen und Panzersperren. Eine feindliche Luftwaffe hat wenig Aussichten, in Zum Schutz taktisch wichtiger Punkte, wie z.B. die den Regionen der Alpengipfel eine wirksame Tä- auf Schweizer Seite liegenden Ausgänge des Sim- tigkeit zu entfalten, und dieschmalen gewundenen plon- und Mont d’Or-Tunnels, entstehen Artillerie- Täler machen selbst die gefährlichen Stuka-An- bunker. Die in die Tiefe gestaffelten Grenzbefesti- griffe von vornherein unmöglich. Die Réduit-Stel- gungen sollen nur kurze Zeit gehalten werden: Sie lungen würden ohnehin nicht sehr unter einem dienen lediglich zur Sicherung der Mobilmachung Luft- oder Artillerieangriff leiden, da sie durch Ton- und des Aufmarsches der Feldarmee. nen von Felsen und Stahlbeton geschützt sind. Erst nach dem Einzug in das Réduit wird eine Die spärlichen Gebirgsstrassen, für Panzerein- grosse Zahl kleiner und grosser Stützpunkte fertig- sätze völlig ungeeignet, sind durch unzählige Mi- gestellt, so dass die Festungen am St. Gotthard, in nen und eine Reihe von unerreichbaren, in den St. Maurice und Sargans nahtlos in die Grenzbe- Berg gehauene MG-Stellungen abgeschirmt. Und festigungen übergehen. auf den Schweizer Soldat, der die notwendige Sogar an Rundfunkanlagen und Studios ist ge- Ausbildung besitzt, zäh und initiativ ist, kann man sich verlassen. Er hat es gelernt, sich seine natür- liche Umgebung zunutzezumachen, hat Selbst-

143 vertrauen und ist dazu ein vorzüglicher Einzel- Am besten wird eine Rinne durch einen Bohlen- kämpfer. Eine Alpenfestung mit Vorräten und Mu- zaun unterhalb eines Kammes oder Grates auf der nition für Jahre, rücksichtslos verteidigt, kann von windabgekehrten Seite so gesperrt, dass oberhalb einerfeindlichen Armee nur unter schweren Op- des Zaunes grosse Schneemassen durch Darauf- fern erobert werden. Steilwände und Schluchten, werfen von Schnee und Ausnutzen des Treib- Schnee und Eis, Gletscher und Lawinen sind schnees vom Grat her gesammelt werden. Oft wird mächtige Verbündete. dabei das Anfrieren des Schnees nach Tauwetter Die Schweizer Armee versteht es auch meister- ein Abrutschen bei Betätigung der Ablassvorrich- haft, sich ihrerzu bedienen: «Vorbereitete Lawinen tung verhindern. Das Ablassen geht in gleicher aller Art sind wirksame Marsch- und Gefechts- Weise vorsich wie bei den Steinlawinen. Die Wir- sperren. Genaue Geländeerkundungen und Vor- kung der Schneelawine lässt sich nicht mit Sicher- bereitung sind Voraussetzung für wirkungsvolle heit voraussehen. Steile schneereiche Hänge kön- Anlagen. nen bei besonders günstigen Schnee-und Witte- Ist Zeit vorhanden, so werden zur Verteidigung rungsverhältnissen mit einer Reihe geballter La- steiler Rinnen, Hänge und Schutthalden mehrere dungen, die der Schneeschicht den Halt nimmt, derartige Sperren zur Wirkung auf die gleiche zum Abrutschen gebracht werden. Die Entstehung Stelle vorbereitet. In kesselartigen Karen und Tal- einer Lawine lässt sich jedoch dadurch nicht mit schlüssen kann eine konzentrische Anordnung die Bestimmtheit Vorhersagen. Besonders grosse, Wirkung erhöhen. günstig hängende Wächten können mit Seilen ab- Stein- und Sturmbalkenlawinen werden im Allge- geschnitten oder abgesprengt werden und da- meinen im sommerlichen Gebirge angewendet. durch als Schneelawinen wirken.» Steinlawinen finden in sehrsteilem Felsgelände Als die Verbände die ihnen zugewiesenen Ré- auch im Winter, Sturmbalkenlawinen nur in der duit-Abschnitte beziehen, ergibt sich folgendes Waldzone Verwendung. Hierzu wird auf stark ge- Bild: neigten Flächen (selbständiges Abrutschen beim Dem 1. Armeekorps (Borel) unterliegt die Verteidi- Auslösen notwendig) aus verankerten Pfählen, gung eines ausgedehnten Abschnittes, der sich an Rundhölzern oder Bohlen ein Zaun errichtet, der der Grenze vom Clos du Doubs bis zum Val d’Hé- das dahinter aufgeschichtete Gestein (bzw. Rund- rens (Grenzbrigaden 1,2 und Gebirgsbrigade 10) holz) am vorzeitigen Abrollen hindert. Zum Ablas- erstreckt. Sein Auftrag: das obere Aaretal auf der sen der Lawine wird der Zaun von den Bedie- Höhe desThunerseeszu sperren und den Zugang nungsleuten durch Absprengen der Stützpfähle zum Réduit in den westlichen Voralpen zu schüt- oder Abhaken der Halteseile umgelegt. zen, sowie die Festung St. Maurice und die Ge- Schneelawinen sind nur in wenigen Fällen in Rin- birgsketten an der Wallisergrenze zu halten. nen oder steilen Hängen und bei lawinöser Wet- Oberstkorpskommandant Prisi mit seinem 2. A.K. ter- und Schneelage wirksam. Kampfwert haben ist beauftragt, den Zugang zum Brünig von der sie nur, wenn grössere Schneemassen durch sie Lücke von Luzern und dem linken Ufer des Vier- in Bewegung geraten. Die Vorbereitungen können waldstätter-Sees herzu verhindern. nur durch lawinenerfahrene Leutegeleistet wer- Das 3. A.K. unter Lardelli ist ein Alpenkorps. Seine den. Sie bestehen im Anhäufen grosser Schnee- Hauptaufgabe ist es, den Zutritt zum Gotthard von massen an steilen Stellen oder Ausnutzen von Wächten.

144 Südwesten, Süden und Osten herzu sperren, der tags und nachts, bei Schneetreiben, Sturm, schwächer als die übrigen Armeekorps, da es sich Nebel und Kälte, beladen mit Waffen, Munition und die natürliche Stärke des Geländes zunutze voller Winter- und Hochgebirgsausrüstung auch in macht, verfügt es über die Gebirgsbrigade 11 am schwierigem Terrain rasch vorwärts kommt, gegen Simplon und im Oberwallis, die 9. Division am St. Witterungseinflüsse weitgehend unempfindlich ist, Gotthard und die Gebirgsbrigade 12 inGraubün- Entbehrungen mit seinem widerstandsfähigen, den. Ihm wird späterauch die Festung Sargans un- sportgestählten Körper ohne Nachteil aushält, in terstellt. Die Grenzbrigade 9 deckt das Becken von Schnee, Firn und Eisseine Waffe vorteilhaftin Stel- Bellinzona. lung bringt, sich eine schützende Biwakhöhle bau- Das 4. A.K. Labhart hat eine wichtige Aufgabe: es en kann, alle Widerwärtigkeiten der wilden Ge- soll den Zugang zum St. Gotthard im Norden und birgsnatur und die Schwierigkeiten zu seinem Vor- insbesondere auf dem rechten Ufer des Vierwald- teil und zum Nachteil des Gegners auszunützen stätter-Sees verteidigen, in einem Abschnitt, den weiss, kurzum: in jeder Lage zweckmässig, tak- die Einfallswege, die Zugänge und der Verlauf der tisch richtig, auch wenn auf sich allein angewie- Front äusserst verwundbar machen. sen, handelt», notiertOberst Fritz Erb. Und nicht ganz zufällig liegt die Sicherung der Insgesamt erreicht die Zahl der vorzüglich ausge- Gotthardbefestigungen, die Schlüsselposition des bildeten alpinen Bergkämpfer fast die Stärke einer gesamten Réduit, in den Händen der Gebirgssol- Division. Aufklärung und Sicherung im Bereich des daten (3. A.K.),einer Elitetruppe. «Wundervoll war ewigen Schnees, Stosstruppunternehmen zu je- das, einfach grossartig! Macht nurso weiter, dann derTages- und in jeder Jahreszeit, Überra- werden euch die anderen nichts tun!» sagt beein- schungsaktionen in der Flanke und im Rücken des druckt derfinnische Militärattaché als Zeuge der Gegners und einiges mehrwird ihre Aufgabe. Und Übungen der Gebirgssoldaten in Adelboden im die eidgenössische Armee macht kein Geheimnis Winter 1942. aus dem Besitz dieser, Kommandos ähnlichen Bereits im Dezember 1939 fand auf der kleinen Truppen, im Gegenteil: Bei jeder Gelegenheit, sei Scheidegg im Berner Oberland der erste Zentral- es während der Manöver, in der Presse oder auf kurs der Armee für Gebirgsausbildung im Winter der Leinwand können sich die fremden Militäratta- statt. Unter äusserst harten Bedingungen werden chés vom Kampfwert dieser Elitetruppe überzeu- Einzelkämpfer für den alpinen Winterkrieg ausge- gen. bildet, Soldaten, die sich in den unwirtlichen Hö- Langsam beginnt das Réduit National Gestalt an- hen und im schwierigsten Gelände behaupten sol- zunehmen. Im Inneren der Berge werden in zer- len. Was die eidgenössische Armee braucht, um mürbender Arbeit dem Granit mit Dynamit und ähnlich derfinnischen einem mächtigen Feind trot- Pressluftbohrern Meter für Meter Räume und zen zu können, sind soldatisch bestens ausgebil- Gänge abgetrotzt. In Tag- und Nachtschichten dete, charakterlich einwandfreie, technisch voll- schafft man ein Bollwerk ohnegleichen. Kilometer- kommene Winter- und Hochgebirgskämpfer. lange unterirdische Labyrinthstädte werden in den «Der perfekte Hochgebirgsjäger und -patrouilleur, Felsen gehauen. E-Werke, die den Bedarf einer- wie wir ihn formen wollten, musste die Skitechnik Grossstadtdecken könnten, entstehen hier wie mit automatischer Sicherheit beherrschen, ein auch leistungsstarke Bäckereien, riesige Unter- standfester, leistungsfähiger Geländefahrer sein, künfte, Lazarette mit modernster Einrichtung und

145 vor allem die nie endenwollenden 76 Kilometer Der Aufmerksamkeit des Gefreiten entgeht kein langen Stollen der Munitions- und Waffendepots. Detail, und er macht präzise Angaben über Art und Hinter den kleinen und unscheinbaren Eingängen Bestimmung der Anlagen und darüber, wie die verbergen sich wahre Wunderwerke des Fe- Verbindungswege verteidigt werden sollen, selbst stungsbaus. Und mancher Soldat, der irgendwo in die Namen der kommandierenden Offiziere fehlen den Bergen vor einer schmalen Panzertür Wache dabei nicht. Ausserdem gibt Vinzenz den Deut- steht, ahnt nicht, dass er die Pforte einer unterirdi- schen die Befestigungen um die rückwärtig gele- schen Stadt bewacht. gene Talsperre bei Laret preis. Auch zu diesen lie- Schon Jahre vordem Ausbruch des 2. Weltkrieges fert er exakte Einzelheiten über die Bunker, ihre sind die eidgenössischen Befestigungsanlagen Fernmeldeleitungen, die Schusswinkel ihrer Ge- dankbare Objekte für den deutschen Geheim- schütze, die Lage de rzur Sprengung vorbereiteten dienst. Objekte und der Unterstände, in denen sich die Noch im Frühjahr 1938 gelingt es ihm z.B., den Auslöseeinrichtungen befinden. Techniker im Baubüro für Befestigungsbauten in Der Verrat von Vinzenz bedeutet für die Deut- Alstätten, Unteroffizier Modespacher, anzuwer- schen, dass sie im Ernstfall den Raum um Davos ben. Der clevere Techniker kopiert 44 Pläne von von Norden her und die Gegend weit über Chur Befestigungen des Rheintales und verkauft sie der recht problemlos besetzen könnten. Darüber hin- Bregenzer Aussenstelle der deutschen Abwehr aus kundschaftet Vinzenz fleissig die Befestigun- zum Festpreis von 4‘400 Franken. gen des zur Festung Sargans gehörenden St. Mar- Ende August 1939 setzt sich Modespacher in den grethenberges und die Versorgungsund Nach- Wagen, fährt die ganze Nordgrenze von Alstätten schublager der Festung selbst aus. Schliesslich über Basel nach Vallorbe ab und trägt selbst den liefert er noch Einzelheiten über Panzersperren bei kleinsten Bunker säuberlich auf seiner Karte ein. Wildhaus und bei Vetliberg, sowie über die Bun- Nachdem er geschnappt worden ist, stellt man kerbei Höcklernordwestlich von Leimbach bei Zü- fest, das Modespacher von Ende Juli 1938 bis rich. Herbst 1939 mindestens alle drei Wochen in Ein anderer Wehrmann, der Füsilier Hermann Deutschland gewesen ist. Grimm, spioniert zur selben Zeit im Innern der Fe- Den östlichen Abschnitt der Verteidigungsanlagen stung Sargans, zu deren Infanteriemannschaft er wiederum verrät den Deutschen ein gewisser Ge- gehört. Grimm gibt seinem Auftraggeber per Funk freiter Hermann Vinzenz aus Zürich, der von Juni Informationen über drei exponierte Anlagen: die bis November 1941 auf dem Grenzposten Schlap- Bunkerreihen beim Kurhaus Alvier, den Grossbun- piner Joch Wache hält. ker bei Plattis und die Sicherungsbauten der Fe- Nachdem er es einem Abwehragenten ermöglicht stung Luziensteig. Grimm versäumtesauch nicht, hat, in aller Ruhe eine Bildserie von dem strate- alle Einzelheiten über Bewaffnung, Schussfeld gisch wichtigen Schlappiner Joch und seiner Um- und Verbindungswege dieser Objekte mitzuteilen. gebung zu machen, ergänzt der abtrünnige Wehr- Mit dem fortschreitenden Ausbau des Réduit mann die ihm vorgelegten, gestochen scharfen wächst in gleichem Masse auch das Interesse des Fotos mit genauen Erklärungen der abgebildeten deutschen Geheimdienstes. militärischen Anlagen um Schlösslistein und Don- Ganze Arbeit leistet dabei der Fourier Jacob Feer nerstein und derauf dem Kessigrat soeben entste- aus einerZerstörungseinheit. Feer spezialisiert henden Bunkerlinie.

146 sich auf alle möglichen «Spreng-Objekte», wie fahrzeugprobleme der Schweizer Armee konzen- Strassen, Brücken, Bahnübergänge, Unterführun- triert hat, da er – die Strassenkarte des Automobil gen, Stauwerke und dergleichen. Club Suisse (A.C.S.) in der Hand – bemüht ist, Er recherchiert auch die Sprengstofflager Meirin- diese für das Grossdeutsche Reich mit solchen gen, Giswil und Hirsegg und verrät gleichzeitig 17 Details wie dem Verlauf des Réduit, den Armee- Objekte an den Reuss- und Emmeübergängen, 25 korpsabschnitten und sogar den Reifenlagern zu verminte neuralgische Punkte an wichtigen Ver- ergänzen. Er verfasst auch eine Liste der Kraft- bindungswegen im Zentralraum des Réduit, der fahrzeugstellungspläne sowie sämtlicher Treib- Lopperstrasse und anderen, gleich mit den Namen stofflager und gibt sich Mühe, die vorhandenen und Adressen der Chefs und ihrer Stellvertreter, Mengen an Benzin in «Millionen Litern» zu errech- selbst deren Telefonnummern vergisst Feer nicht. nen. Doch selbst das ist dem unredlichen Offizier «Damit hatte der Angreifer die Grundlagen zu tak- noch nicht genug: Er liefert eine der aktuellen Li- tischen oder operativen Erfolgen grösseren oder sten der Motorfahrzeugstellungspläne, die gehei- grössten Ausmasses», konstatiert die Untersu- men Weisungen für die Rückwärtigen Dienste, die chungskommission. allerletzten Operationsbefehle und Mitte März Die deutsche Abwehrversteht es sogar, ein Fun- 1942 den «Geheimbefehl des Oberbefehlshabers kerpionier-Team einzuspannen, was ihnen das betreffend die Mobilmachung des II. Armeekorps» Knacken des eidgenössischen Militär-Codes und samt Verzeichnis der an der Übung teilnehmenden Eindringen in die Funkverbindungen ermöglicht. Truppen mit ihren Korpssammelplätzen. Die häu- Das Team liefert Informationen über das Funkzen- fig verwendete Deckadresse, über die das aus- trum Morschach, über die Verbindungen zum Ar- spionierte Réduit-Material an die wissbegierigen meestab und den Armeekorpskommandos. Ferner Abnehmer gelangt, lautet: «Evangelischer Missi- verraten sie Einzelheiten über Dutzende anderer onsverlag, Stuttgart, Kasernenstrasse 21.» Der Funkstationen. Der in Basel stationierte Oberleut- Verlag existiert tatsächlich, und damit die Berichte nant Charles Otto Reimann gibt dem deutschen nicht dem Pfarrer, sondern den Abwehrmännern Geheimdienst Informationen über Befestigungen zugestellt werden, dürfen die Agenten nicht ver- im Raum des Vierwaldstätter Sees, die Minensper- gessen, die Sendungen jeweils mit drei Zehner- ren bei Stanstad und die Kriegsstandorte der Trup- Briefmarken zu frankieren, «von denen die mittlere pen im Réduit. verkehrt herum aufzukleben sei». Die so gekenn- Ein Leutnant, Otto Kullys, spielt der Abwehr Anga- zeichneten Sendungen werden von der deutschen ben über die Bunkersysteme um den Simplon und Postzensur abgefangen und an die richtige in der Gegend von Zermatt zu. Ausserdem fertigt Adresse weitergeleitet. Trotz aller Vorsicht bleibt er exakte Skizzen des im Bau befindlichen Forts die Sache äusserst riskant: Die Karriere jedes die- Naters mit Einzelheiten über die Stellungen seiner ser erwähnten Spione endet mit der Todesstrafe. schwerkalibrigen Geschütze an. Man schätzt die Zahl der deutschen Spione auf Diesen und eine ganze Schar kleinerer und grö- etwa 1‘000 Köpfe. Mancher Führungsoffizierder sserer Spione übertrifft jedoch der Major der eid- Abwehr hat so bis zu 100 «Schäflein» untersich, genössischen Armee, Ernst Pfister, bei Weitem. allein in dem Abschnitt zwischen Bodensee und Es scheint, dass Pfister sich dazu auch auf Kraft- Basel «waren wenigstens 206 Spione tätig». Diesem Masseneinsatz versucht die eidgenössi-

147 sche Spionageabwehr Herr zu werden, mit Erfolg, über die Aufgaben der Einheiten weiter und be- wie sich einer der leitenden Offiziere der deut- zeichnet ihre Unterkünfte. Ihr Interesse gilt auch schen Abwehr beklagt: «Nach einer gewissen An- den Ortswehren, dem Alarm- und Signalisations- laufzeit ist die schweizerische Spionageabwehr system. Sie erforschen Flugplätze, deren Anlagen als weitaus am gefährlichsten angesehen worden und notieren Resultate vom Bunkerschiessen etc. und der Ausfall von Agenten prozentual in der- Es erfordert mehrere Monate Kleinarbeit, um sie Schweiz am höchsten gewesen. hinter Schloss und Riegel zu bringen. Durch den erfolgreichen Zugriff der schweizeri- Der Einfallsreichtum der Réduit-Schnüffler lässt schen Abwehr sind unsere mühsam aufgebauten nichts zu wünschen übrig. Sie tarnen sich als Netze immerwieder desorganisiert worden. Eine harmlose Pilzsucher oder Schmetterlingsjäger. Zeitlang war fast mein ganzer Stab von Agenten Ein Pilzkundiger begründet seine Anwesenheit in entweder aufgeflogen oder derart kompromittiert, der Befestigungs-Sperrzone mit seiner Pilzfor- dass an einen Einsatz nicht zu denken war.» schung. Ein anderer Agent legt sich eine Forellen- Alle diese Agenten, selbst diejenigen, die vorge- zucht zu und wählt dafür «per Zufall» Fischweiher, ben aus Idealismus gehandelt zu haben, nahmen die im Réduitgebiet liegen. gern das gebotene Geld für ihre Dienste an. So Ein besonders Unternehmungslustigereröffnet in verriet z.B. ein Korporal eines Abschnitts im Jura der Nähe der gerade erbauten modernen Fisch- für ganze 20 Franken den Standort seiner Kompa- zuchtanstalt einen Forellenhof, wo den Gästen, nie, den Namen des Kp.Kdt. und die Lage eines darunter Offiziere aus den umliegenden Befesti- Bunkers. gungsanlagen, nach der köstlichen Mahlzeit das Der einzige, der keinen Judaslohn nahm, der Leh- Gästebuch für eine «freundliche Widmung» von rer Helmuth Lange aus Zürich, beging gleich am dem Wirt persönlich vorgelegt wird. Auf diese de- nächstenTag nachseinerVerhaftung Selbstmord. zente Art und Weiseerfährtdie deutsche Abwehr Lange, Chauffeur bei einer der Divisionen, stahl Namen und Dienstgrad der Offiziere und auch wie ein Rabe Karten und Pläne, gab den Artillerie- niedriger Chargen, die dort stationiert sind. Den beobachtungsposten im Südabschnitt der Limmat Vogel schiesst ein tüchtiger Holzhändler ab, zu preis, der Festungsanlage zwischen Altstetten und dessen Aufgaben der Verkauf von 5‘000 Ster Holz Dietikon, und einiges andere mehr. Der Clou war pro Jahr gehört. Nach seinen Aussagen gelingt es der Diebstahl eines Schlüssels, mit dem man ihm, «die Sache so zu drehen, dass er die Ver- sämtliche Panzertüren der Befestigungswerke ei- käufe in den für den deutschen Nachrichtendienst nes ganzen Abschnitts öffnen konnte. In den Kan- interessanten Gebieten machen kann». Und das tonen Glarus und Zug hat man beinahe zwei Jahre Holz besorgt er sich selbstverständlich in dem lang, zwischen 1941 und 1942, eine 25-köpfige Waldgebiet des Réduit. Spionagegruppe, in drei Teams eingeteilt, auf das Die Ergebnisse ihrer Kundschafterarbeit versu- Réduit angesetzt. chen die Agenten in der Regel per Post weiterzu- Die emsige Meute reist herum und zieht alle mög- leiten. Hier ein Ausschnitt der von der eidgenössi- lichen Erkundigungen über das Zentralgebiet ein, schen Spionageabwehr abgefangenen Briefe: notiert die Hauptmerkmale der Befestigungen, fo- «Auch meine Stein- und Kristallsammlung konnte tografiert, misst sie ab, trägt alles in Karten ein, fer- ich bereichern. Ich habe einige ganz prächtige Ex- tigt Skizzen an, erstellt Pläne, gibt Mitteilungen emplare von Steinen mitgebracht. Fundorte

148 manchmal so eigenartig, dass man meinen könn- währten Stein- und Kristallsammler, weitergeleitet. te, nur der Mensch hättesiein jene Gegenden ge- Man versucht auch, sich moderner Nachrichten- bracht und dort als überraschendes Monument übermittlungsmethoden zu bedienen, und so be- aufgestellt. Recht schöne Steine mit eingespreng- kommtderaus Aargau stammende Paul W. Wohler ten Kristallen konnte ich auch finden, grössere und von dem Abwehragenten Heinrich G. Heilig, einem kleinere, auf verhältnismässig kleinem Raum. Angestellten des deutschen Konsulats in St. Gal- Ich muss immer wieder feststellen, dass, wenn len, im Sommer 1941 einen Geheimsender. Mit sich auch die Natur an die gegebenen Verhält- dem in einem eleganten, handlichen Lederkoffer nisse anpasst, jeder Plan neu und interessant ist. eingebauten Kurzwellen-Funkgerät, zur Tarnung Manchmal bekomme ich recht nette Exemplare mit englischer Beschriftung versehen, soll Wohler von unserem Freunde Pet. Tollardo, derab und zu bei einem Angriff Hitlers auf die Schweiz die Ver- seltene Exemplare hat und sie gerne tauscht. Viel- bindung zwischen den deutschen Truppen und leicht fragst du einmal bei ihm an, wenn Du Dich dem Landesinneren herstellen. für etwas Besonderes interessierst...» Zunächst jedoch wird Paul W. Wohler mit einer Im Klartext heisst es: «Das Resultat meiner Beob- nicht minder wichtigen Aufgabe betraut: Auskund- achtungen von Befestigungen in den Bergen war schaften des im Landesinneren liegenden Réduit. gut. Ich habe gute Skizzen und Zeichnungen von Bei seiner Verhaftung am 6. Juni 1942 trägt Woh- Bunkern gebracht. Sie sind so gebaut, dass man ler ein umfangreiches Verzeichnis bei sich. meinen könnte, sie seien als Monumente in die Auf der Wunschliste des deutschen Geheimdien- Gegend eingepasst. Geschickt in die Felsen ein- stes steht unter dem Stichwort «Militärische Anla- gesprengte Bunker habe ich auch festgestellt. gen»: «Geheime Pläne über Réduit National (ge- Grosse und kleine, auf verhältnismässig engem heime Aufmarschpläne, Operationspläne), Pläne Raum. vom St. Gotthard, Sargans, Samedan., Monte Ce- Ich muss sagen, dass sie gut an die Verhältnisse neri, Maloja-, Ofen- und Simplon-Pass, St. Mau- angepasst sind. Manchmal bekomme ich Nach- rice, Le Locle ..., jeweils die genaue Lage, Art und richten und Pläne vom AgentenTollardo, der ab Bestückung, Sprengvorrichtungen, Aufschlüsse- und zu gute Arbeit geleistet hat und gerne ver- lung (Auflösung), wie und wo Ladung angebracht? kauft; Du kannst Dich an ihn wenden, wenn Du et- Beim Depot: Wo, was und für wen», dazu eine was Besonderes hast.» Reihe anderer Fragen. Der zitierte Peter Tollardo, ein in Bilten wohnender «Die Alpen sind wieSchweizerkäse mit Verteidi- Italiener, hat sich übrigens auf die Festungen im gungsanlagen durchlöchert, und das gesamte Ge- Kanton Graubünden spezialisiert. Sein Chef, Ma- biet der Schweiz bildet einen einzigen Befesti- jor d. R. Karl Böhning, Leiter der Abwehr-Aussen- gungsraum», berichtet einer der Agenten. stelle Bregenz, beauftragt ihn, die Lage der einzel- Und es ist nicht verwunderlich, dass der Arbeits- nen Bunker, ihre Schussfelder und toten Winkel aufwand des Geheimdienstes es dem Generalstab festzustellen. der deutschen Wehrmacht bereits 1940 ermög- Die Berichte werden entweder von seiner Freun- licht, einen richtigen Reiseführer über die Schwei- din, die eine Grenzkarte besitzt, im Mantel oder zer Landesbefestigungen «Nur für den Dienstge- unter dem Fahrradsattel versteckt nach Deutsch- brauch» an die Truppen zu verteilen. Er enthielt land gebrachtoderübereinen Mittelsmann, den be- detaillierte Berichte über Befestigungsarbeiten,

149 Bewaffnung, Mannschaften, gebräuchliche Abkür- über mehrere Monate dauernden Spionage sein», zungen, optische Signale und vieles Wissens- stellen anerkennend die Schweizer Spezialisten werte mehr. fest. Auch die folgende «Réduitbeschreibung» ist Das Büchlein umfasst ausser Fotos von Waffen einem internen Merkblatt, das die deutsche Ab- und Befestigungsanlagen selbst solche Details wehr im Sommer 1943 herausgebracht hat, ent- wie z.B. die Deckenstärken der einzelnen Bunker nommen: etc. «Das Ganze konnte nur das Resultat einer

Nur für den Dienstgebrauch!

DAS SOGENANNTE SCHWEIZERISCHE RÉDUIT NATIONAL

«Die tief gegliederte Befestigungs-Zone ist zwar und Verhinderung, dass ein Angreifer in dieStel- zusammenhängend, jedoch nicht überall von glei- lungen einbricht. Das flankierende Feuer der cher Stärke. Hauptwerke wird vom Feuer aus den Zwischen- Grossgruppen, festungsartig ausgebaut, besitzen werken überlagert und gegen diese Geländestri- eine ansehnliche Feuerkraft und Widerstands- che ergänzt, die im toten Winkel der Hauptwerke stärke: Mehrere dicht gepanzerte Werke, gruppen- liegen und von ihnen nicht erfasst werden können. weise über den weiten Raum verteilt, durch unter- Die Bunker, meist Einzelwerke in Verbindung mit irdische Gänge miteinander verbunden, unterlie- Sperrlinien, spielen eine vielseitige Rolle: Sie die- gen einem einheitlichen Kommando. nen dem örtlichen Schutz der diversen Nutzbauten Im taktisch wichtigen Grenz- und Verteidigungs- wie Brücken, Tunnel oder Kreuzungen wichtiger raum sind wiederum die Hauptwerke typisch. Sie Verbindungsstrassen. Hohe Feuerentwicklung, bestehen auseiner Anzahl sogenannter Kampf- besonders bei flankierendem Feuer, charakteri- blocks, ausgerüstet mit Nahkampfwaffen aller Art. siert sämtliche Befestigungszonen, was eine Ihre Aufgabe: flankierendes Feuer in das nahe starke physische und moralische Wirkung hat. Sie Vorfeld, indasZwischenfeld und vor die Hinder- verfügen überein engmaschiges Netz von Flak- nisse. Jedes Hauptwerk und jedes seiner Kampf- und Pak-Waffen. Dank der vollautomatischen blocks sind von feuerbeherrschten Hindernissen Waffen und mechanisierten Wehreinrichtungen, umkreist. Die Eingänge der Kampfblocks liegen in sind die Stammannschaften zahlenmässig äus- der Regel einige hundert Meter weiter rückwärts serst gering. an gut beschützter Stelle im Gelände. Als Binde- Gegen Feindfeuer sind die Befestigungen schon glieder der einzelnen Hauptwerke sind Zwischen- durch ihre verstreute und versteckte Anordnung im werke gebaut. Gelände aussichtsreich geschützt. An der Erd- Ihre Aufgabe: Bewachung des Zwischenfeldes oberfläche liegen nur die eigentlichen Kampfanla-

150 gen, während alle sonstigen Werkteile so tief in len Umständen zu sichern. Die Möglichkeit eines den Felsen untergebracht sind, dass die Wirkung gegnerischen Einbruchs in die schwächeren Zwi- schwerster Geschosse oder Fliegerbomben, ja schenlinien wird in Kauf genommen: Man ist davon selbst Kampflärm nicht durchdringen könnte. Mit überzeugt, dass es gelingen wird, diese Einbrüche ihrer Panzerung bis 20 cm oder mehr, gut 3 m dik- durch sofortige konzentrierte Gegenangriffe zu be- ken Eisenbetondecken bieten die Werke der reinigen, wenn man die beherrschenden Punkte in Hauptwiderstandslinie sowohl für Bedienungen der Hand behält... und ihre Waffen, wie auch für Beobachter und Man versteht es auch, die Grossgruppen des Wachtposten den denkbar stärksten Panzer- und «Réduit» der Artilleriewirkung zweckmässig anzu- Mauerschutz. .. passen. Ihre einzelnen Anlagen sind so weit aus- Gegen Kampfwagen und Infanterie wirken ein ge- einandergezogen, dass Trommelfeuer auf die Ge- nau festgelegtes und eingespieltes Abwehrfeuer samtanlagen ohne grössere Wirkung bleibt und aller Waffen, Panzerhindernisse, Minenfelder, Sta- eine planmässige, gezielte Bekämpfung jedes ein- cheldrahtverhaue oder Hochspannungsdrähte... zelnen Werkes notwendig macht. Das gesamte Um eine unterirdische Sprengung des Festungs- «Réduit» ist für den Fall, dass dem Feind ein sockels zu vereiteln, liegen Abhörgeräte, elektri- Durchbruch gelingen sollte, flankierend restlos be- sche Bohrmaschinen und Sprengmunition bereit. strichen und nach allen Seiten verteidigungsfähig. Zunächstwaren die Befestigungen fast linear aus- Wo die Flankierung der Werke nicht ausreicht, geführt, um erst einmal eine durchgehende starke sind ergänzende Bunker eingeschoben... Verteidigungslinie zu schaffen. Ab Sommer 1940 Ein Grosswerk der drei Hauptfestungsgebiete des isteine Vertiefung und Verdichtung der Befesti- «Réduit» mit etwa 10‘000 Mann Besatzung erhält gungs-Zone bemerkbar. Das Vorfeld für die Ge- beispielsweise bis zu fünfzig versenkbare Panzer- fechtsposten wird ausgebaut; die Riegel und Auf- türme mit 120-mm-Geschützen, neunzig 75-mm- fanglinien verbreitern das rückwärtige Gebiet. Bei Geschütze in Flankenbunkern, dreissig 75-mm- allen Befestigungen sind, wo irgend möglich, in- Flakgeschütze in versenkbaren Panzerständen, nere Verteidigungsabschnitte so gestaffelt, dass 180 Zwillings-s.MG in feststehenden Panzerkup- die Werke selbstdannnochzu haltensind, wennein peln, 190 grössere und kleinere Bunker und zwan- Angreifer bereits irgendwo eingedrungen ist... Ein zig verbunkerte Eingänge. Die festen Panzerkup- System von Hohlgängen verbindet alle Werke un- peln sind zwar gut getarnt, wegen ihrer typischen tereinander und macht eine gesicherte unterirdi- Form jedoch leicht wahrnehmbar, die versenkba- sche Verbindung möglich. Die Tiefengliederung ist ren Türme dagegen meist nur aus der Luft zu er- so breit gefächert, dass die Angriffsartillerie einen kennen. Die verbindenden Sperrstellungen beste- Durchbruch in das gepanzerte System aus ihrer hen aus Bunkern, die die Sperren flankieren und Ausgangsposition nicht zu unterstützen vermag. sich gegenseitig unterstützen... Zwar sind Feldbefestigungen normalerweise dort Die Decken der dem Gelände geschickt angepas- am stärksten, wo das Gelände den Angriff am ehe- sten Bunker sind so stark, dass sie wohl nur von sten begünstigt, jedoch hat man im Falle des «Ré- schwerstem Kaliberdurchschlagen werden kön- duit» die beherrschenden Geländepunkte am nen. Im Vorfeld istdie Deckenstärkevielfach gerin- stärksten befestigt, um sich deren Besitz unter al- ger, doch sichert sie auch hier gegen Einzeltreffer des 21-cm-Kalibers. Viele Bunker besitzen ausser

151 den flankierenden Scharten auch s.MG-Panzer- sie sich zu neuem Kampf stärken kann: Wohnlich- kuppeln, die, auf Betonklötze aufgesetzt, durch keit, Zentralheizung, elektr. Licht, fliessendes Scharten nach allen Richtungen feuern können. Wasser, Kanalisation, Küchen, Vorratsräume, La- Diese Kuppeln sind zwar durch ihr charakteristi- zarett – alle Räume durch Hohlgänge verbunden; sches Aussehen leicht erkennbar, wegen ihres ge- z.T. mit elektr. Kleinbahnverkehr, elektr. Aufzüge ringen Durchmessers jedoch von Steilfeuer kaum und Treppen verbinden die unterirdischen Anlagen zu treffen. Eine weitere wirksame Verstärkung be- mit den oberen Kampfräumen. Der durch Genera- deuten die kleinen Ein-Mann-s.MG-Drehtürme; sie toren erzeugte elektrische Strom wird für die Be- lassensich gut tarnen und sind schwer zu treffen... leuchtung, für Scheinwerfer, für den Betrieb von Von Stacheldraht und Schienensperren ist ausser- Pumpen zum Austrocknen, für die Trinkwasserhe- ordentlich viel Gebrauch gemacht worden. Die der bung und Lüftung, fürdie Luftdruckanlagen, dadas- Panzerabwehr dienenden Schienensperren be- ganze Werk unter einem Überdruck liegt, verwen- stehen aus tief in die Erde eingelassenen, meist det ... einbetonierten Schienenteilen, die etwa 1 bis 1,5 Gegen Kampfgas: Gasdichte Abschlüsse und im Meter aus dem Boden herausragen und gegen Ar- Innern der Werkeein leichter Luftüberdruck, der tilleriefeuer wenig empfindlich sein dürften. Sie das Eindringen von Kampfgas verhindert. Ein ge- sind ferner durch ausgedehnte Minenfelder er- ringer Überdruck innerhalb der Werke sorgt dafür, gänzt. Das gesamte System ist darauf ausgerich- dass die Pulverdämpfe nach aussen gedrückt wer- tet, dass die Werke von einer gut ausgebildeten den... Festungstruppe verteidigt werden können... Der Eingang zu einem Werk liegt im Allgemeinen Zur Ergänzung der Feuerwirkung werden hebbare 500 Meter rückwärts an einer der feindlichen Ein- Kuppeln mit etwa 30 cm starker Bepanzerung und wirkung weniger zugänglichen Stelle und führt un- einer dünneren Stirnwand verwendet, die jedoch terirdisch in breiten und geräumigen Tunnels in erst dann sichtbar wird, wenn die Kuppel angeho- bombensicherem Ausbau zum Werk. ben ist. Die Kuppeln selbst könnten vielleicht von Jede dieser unterirdischen Verbindung ist zur zä- schwerstem Steilfeuer durchschlagen werden. hen abschnittsweisen Verteidigung eingerichtet, Wegen ihres geringen Durchmessers sind sie je- und schon der Eingang wird durch seitlich einge- doch nur mit erheblichem Munitionsaufwand zu baute flankierende schwere Maschinengewehr- treffen. Allerdings müssen die Kuppeln zum Schartenstände geschützt. Im Innern der einzel- Schuss angehoben werden und bieten dann ihre nen Werke befindet sich ein tiefer Graben, den nur durch Flachfeuer bezwingbare (zu durch- eine im Ernstfall hochgezogene Zugbrücke über- schiessende) Stirnwand ... Die Scharten der Flan- brückt. Das Gefälle der Stollen neigt sich an allen kenkasematten und Bunker sind gegen frontales Abriegelungs- und Verteidigungsstellen feind- Feuer gedeckt, also erst dann erreichbar, wenn wärts, damit dorthin die eingebauten Flammenwer- man bereits in die Zwischenräume eingedrungen ferdas brennendeöl abgiessen können. ist. Die Scharten der Kasematten sind ausserdem Im September 1942 werden im «Réduit» die neuen durch Panzerschilde abgedichtet... Flugplätze Alpnach, Kägiswil und Meiringen (Un- Es wird Vorsorge für die ruhende Besatzung in terbach) fertiggestellt und den Fliegertruppen den unterirdischen Anlagen getroffen, so dass übergeben...»

152 Der schweizerischen Konterspionage kommt es dass früher oderspäterwiederTruppen der beiden gewiss ganz gelegen, dass die deutschen Agen- Kriegsparteien an unseren Grenzen stehen wür- ten dem Erbauer des Réduit über die Schulter blik- den. Damit würden die Voraussetzungen wieder ken. Es gibt wohl keine bessere Methode, die Pla- wegfallen, die im Sommer 1940 den Bezug des ner im OKW eindrucksvoller zu überzeugen, dass Réduits notwendig gemacht hatten.» die Eidgenossen es mit ihrem Réduit ernst meinen Um die Armee nach den Jahren einer eng be- und ein Angriff auf die Schweiz kein Spaziergang grenzten Gebirgsverteidigung wieder darin zu mehr wäre. Es ist durchaus möglich, dass Hitler schulen, im offenen Geländezu operieren, werden den Verteidigungswert des Réduit richtig einge- im Winter 1943/44 im Mittelland grossangelegte schätzt hat, wenn auch die Agenten bestimmt Wintermanöver ganzer Heereseinheiten durchge- manches übertriebener dargestellt haben als es in führt. Wirklichkeit ist. Am 12. September 1944 treffen die vom Süden Die riesigen Réduitfestungsbauten haben sicher- und die von Norden heranrückenden alliierten lich in den deutschen Plänen eine bedeutende Heersäulen zusammen, und mit ihrem Erscheinen Rolle gespielt, und es ist nicht von der Hand zu an der Schweizer Grenze ist der Einschliessungs- weisen, dass sie dazu beigetragen haben, von ei- ring der Achsenmächte wieder gesprengt. nem Angriff auf die Schweiz abzusehen. Aus dieser Lage zieht die schweizerische Armee- In Erwartung der «zweiten Front» in Europa erteilt leitung die Konsequenzen: Wie längst geplant, General Guisanschon im Herbst 1942 den Befehl, verlässt nun das Gros der Armee das Réduit, das vorsorglich Pläne für einen Einsatz der Armee Symbol des nationalen Widerstandes während ausserhalb des Réduits auszuarbeiten: «Mit dem vier schwerer Jahre. Fortschreiten der Kriegshandlungen in Europa musste immer mehr damit gerechnet werden,

153 ‚Nebelspalter‘: Oktober 1937

‚Nebelspalter‘: November 1938

Deutsche versuchen, unsere militärischen Grenzbefestigungen auszuspionieren und im Bilde festzuhalten,

«Bitte recht freundlich!»

«Händ Sie zuefällig au e Schwizer Zytig da?» «Nei, aber i dere Berliner isch en interessante Artikel über euse Gränzschutz!» Äst'

15. Juni 1939, riesige Getreidesilos im Ge- birgssee der Kernzone versenkt: «eine gut 150Jahre alte strategi- sche Grundidee»

22. Februar 1940, Platzkommando Genf: Versorgung der durch Schneefälle abge- schnittenen Posten nach Eskimo-Art

155 5. März1940, Hilfsdienst: «Mehr oder weniger gut auf ihre Arbeit vorbereitet»

10. März 1940, Nordgrenze, Panzersperren: «Nur kurze Zeit zu halten»

21. März1940, Leichte Seil-Umlaufbahn: Am Ende des Aktivdienstes über 114 Militär- seilbahnen

156

21. März 1940, Festungsbau, Stollen: «Bis Frühsommer das Schwergewicht in den Grenzzonen»

157

27. März1940: Die neu Eingerückten

Samuel Gonard

Rechtes Bild: April 1940, St. Gallen, Aus- rüstungs-Versuchsla- bor, Erprobung des Schuhwerks für Ge- birgstruppen: «Ein her- vorragender Einfluss auf die seelische Ver- fassung»

April 1940, Schiess- schule, Walenstadt: Schiessübung mit der schweizerischen Or- donnanzpistole 06/29 im Kaliber 7,65 mm Parabellum

158

31. Mai 1940, Schiess- übungen der Ortswehr: Am Ende des Aktiv- dienstes 285‘000 Angehörige

Linkes Bild: 8. Juni 1940: Stellungswech- sel der 4,7-cm-Infante- rie-Kanone (IK)

30. Juni 1940, Orts- wehr, Vorbeimarsch: «...um zu beobachten und zu orientieren»

159

30. Juni 1940, Vereidigung der Ortswehr: «Gegen feindliche Umtriebe in der Bevölkerung und in der Armee»

Juli 1940, Grenzgebiet, Bunkerbau: Rund eine Milliarde Franken 160 für das Réduit

... und ein Besuch, der nichts Gutes verkündet: Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, mit Begleitung, links Obergruppenführer Karl Wolf, rechts General Schörner

«Psst! Feind hört mit!»: Das Plakat soll an die Spionage-Gefahr erinnern

Reduit, Raum Gstaad,4. August 1940,10,5-cm-Kano- ne: Stellungsbezug

10,5-cm-Kanone: Das unter 2 Tonnen lie- gende Gewicht er- möglicht es, sie als Feldartillerie im Rah- men der Division zu verwenden

162

4. August 1940, Där- stetten: Fahnenabgabe bei der Feldartillerie

MH

4. August 1940, Thun, Feldartillerie: Fahnen- abgabe

163 4. August 1940, Gebirgsartille- rie: Strapaze für Mensch und Tier

4. August 1940, Gebirgsartil- lerie: Auf dem Weg zur neuen 9. August 1940, im Hochge- Stellung (7,5-cm- Gebirgska- birge: Bergung eines abge- none 06) stürzten Soldaten

164

13. August 1940, Bergung eines Verletzten: Übung der Sanitätstruppen

Unten links: 18. August 1940, Brücke, Zerstörungstruppe: «Notfalls in die Luft jagen»

Unten rechts: 20. August 1940, Zerstörungstruppe legt Sprengkabel: Am Ende des Aktivdienstes ca. 26‘000 Mann

166 5. September 1940, Übungen: Ein Patrouillenführer

5. September 1940, Übungen: Geschützstellung

5. September 1940, Übungen: Sturmangriff auf «feindliche Stellung»

167

168 12. September 1940: Die Gebirgsinfanterie während der Rast

169

Brieftaubendienst, September 1940: 300 Schläge mit über 18‘000Tauben

Unten rechts: 16. September 1940, Übungen bei einer Feldbatterie: Zeit bedeutet Punkte

16. September 1940, Übungen bei einer Feldbatterie: Der Kontrollpunkt

17.-19. September 1940, Manöver des 4. Armee-Korps (6. und 7. Di- vision) im Raum Zugersee-Zürichsee-Linthebene. Bundesrat Rudolf- Minger, Vorsteher des Militärdepartments, im Kreise hoher Offiziere: «Angriff und Verteidigung unserer neuen Réduitstellungen»

September 1940, Réduit-Bau: Material-Transporte

30. September 1940. Grenzraum Nähe Brugg, Bunkerbau: «Vornehmlich taktische Bedeutung»

172

2. Oktober 1940, Manöver der 1. und 3. Division: Letzte Handgriffe an einem Laufsteg

2. Oktober 1940, Manöver der 1. und 3. Division: Überquerung des Flusses

173

2. Oktober 1940, Manöver der 1. und 3. Division: Funkerposten im Gelände

4. Oktober 1940, Manöver der 1.und3. Division: 7,5-cm-Feld- geschütz-Stellung in einer Hof- einfahrt, auch dies gehört zu den Übungen

174

4. Oktober 1940, Manöver der 1.und 3. Division: 7,5- cm-Feldgeschütz in Stellung unterTarnnetzen

19. Oktober 1940, Abschnitt der Grenzbrigade 1: Als Wald- hütte getarnter Bunker

175

Oben: 10. November 1940, Réduit-Stollenbau: Die Alpen «durchlöchert wie Schweizer Käse»

19. Oktober 1940, Befesti- gungen im Abschnitt der Grenzbrigade 1: Eine Presse-Besichtigung

176

11. November 1940, Gurten bei Bern: In einem improvisier-

ten Lazarett 4. Februar 1941, Manöver des 2. Armee- Korps: Im Stab des 2. A. K.

10. März 1941, Bellinzona: Nahkampf-Ausbildung

15. März 1941, Marfeldingen: Brückenbau bei Nacht

179

28. März 1941, Sihl- see: 10,5-cm-Kanone bei Feuereröffnung

181 3. Mai 1941, Réduit: Panzerkuppeln T12

j

f

Mai 1941, Réduit: Kilometerlange Stollen mit Vorrat Linkes Bild: 10. Mai 1941, Réduit-Bau: «Unsere Haut so teuer als möglich verkaufen»

Mai 1941, Gefechtsausbil dung: «Der Kampf ohne Waffen und Munition»

183

16. Mai 1941, Maschinenfabrik Oerlikon: Schweissarbeiten an den Panzerkuppeln 16. Mai1941, Maschinenfabrik Oerlikon: Panzerkuppeln T13

27. Mai 1941, Flüelen, Brief- taubendienst: Ein ganzer Schlag auf derReise

1. Juni 1941, Réduit: «Das gesamte Gebiet der Schweiz bildete einen einzigen Befestigungsraum»

184

\ «I 189

Auch Flucht und Panik werden geübt: Die freiwilligen Statisten spielen Flüchtlinge

Eine Patrouille stoppt «Flüchtlings-Treck» (Übungen): Laut Befehl soll die Bevölkerung bei Aggressionen in ihren Wohnsitzen bleiben

191

Oktober 1941, Reduit, Ausbau der einspurigen Strecke Brun- nen-Flüelen: «Eine erhebliche Rolle in militärischer Beziehung»

Oktober 1941, Reduit: Feierabend beim Bau der Anschlussgleise zu den unterirdischen Depots

193

San Giacomo, All’Acqua, Militär-Seilbahnstation: Inspektionsreise des Generals Guisan ins Tessin, 15. Oktober1941, rechts, Mjr. B. Barbey, Chef seines persönlichen Stabes

San Giacomo, All’Acqua, 15. Oktober 1941, Inspektionsreise des Generals Guisan ins Tessin: In der Seilbahn, begleitet vom Generalstabschef, Oberst- korpskommandant Huber und Oberst Luchsinger, dem Kommandanten Gotthard-Süd

22. Oktober 1941, Brugg, Übungen: Stosstrupp (Grenzbrigade 5)

194 Oben links: 22. Ok- tober 1941, Brugg, Grenzbrigade 5: Stosstrupp-Ausbil- dung

7. November 1941, Bex, Armeehunde- lager: In den Bergen gut bewährt

11. November 1941, Zug, Übungen: In dem Kommando-Posten

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26. November1941: Funker eines Regimentsstabes

26. November1941, Thun: Telefonpioniere eines Regi- mentsstabes beim Einsatz

12. Dezember 1941, Reduit- Bau: 76 Kilometerstollen als Munitions-Depots

196

12. Dezember1941, Reduit-Bau: «Drei Viertel der Zivilbevöl- 12. Dezember1941, Reduit-Bau: «Mit Panzern liessen sich die kerung mussten im Stich gelassen werden» Berge nicht bezwingen»

197 14. Dezember1941, Reduit-Bau: «Nur unter schweren Opfern zu erobern»

3. Januar 1942, Übungen: Kommando-Beobachtungsposten

März 1942, Bretaye, Frauenhilfsdienst, Skikurs: Im Kantonnement

Oben links: 13. März 1942, Reduit, Gebirgsschützen mit zerlegter Kanone: Ein beschwerlicher Weg

13. März 1942, Reduit, Gebirgsschützen: Geschafft!

3. Mai 1942, Raum Bern: Radfahrer-Rekruten

199

Oben links: Mai 1942, Worblaufen: Funkstation eines Regimentsstabes

Mai 1942, Worblau- fen: Fernschreiber bei einem Regimentsstab

Mai 1942, Armee- Hauptquartier: Wachübergabe, Territorialdienst- Bataillon 148/125

201

26. Mai 1942, Worblaufen: Gegenüber oben links: 5. Juni 1942, Reduit: Funkstelle eines Verwundete mit «Kranken- und Blessierten Regimentsstabes Marke»

Gegenüber oben rechts: 5. Juni 1942, Re- duit: Verwundetentransport über eine Schlucht

Gegenüber unten: 5. Juni 1942, Reduit: Zwischen Himmel und Erde

8. Juni 1942, Weissenburg: Armeehunde- lager der 2. Division

9. Juni 1942: Mitrailleur im Gelände 204

9. Juni 1942: Geländeübungen

Sommer 1942, Reduit- Bau: «Bevorzugtes Objekt deutscher Spionage»

205

8. August 1942, Reduit, Artillerie- übungen der Feldgeschütze: Zielerfassung

8. August 1942, Oberalp: Stellungsbezug

206

Beobachtungsposten: Ein Oberleutnant am Scherenfernrohr

8. August1942, Reduit, Artillerieübungen: Feldgeschütz in Stellung

8. August1942, Reduit: Panzerabwehr- geschütz

207

8. August 1942, Artillerie-Messtrupp: Ein Oberleutnant bei der Kontrolle des Messgerätes

7. September1942, Gebirgsbrigade 10, Ausbildungskurs: Bergung eines Verun- glückten

Gegenüber oben rechts: 14. September 1942, Bern-AWZ: Frauenhilfsdienst in der Übermittlungszentrale

Gegenüber oben links: 11. November 1942, Oberägeri: Sturmwaffen-Kurs der 6. Division

Gegenüber unten: 11. November1942, Rigi: Sturmwaffenkurs

208

12. Dezember 1942/ Weissenburg: Sturmwaffenkurs

210

212 Gegenüber oben: 25. Mai 1943, Land- quart: Panzerattrap- pen-Montage

Gegenüber unten links: 27. Mai 1943, Wallis: Gross ange- legte Strassen- kampfübungen

Gegenüber unten rechts: 15. Juni 1943, Bellinzona: Frauenhilfsdienst- Kurs

17. Juni 1943, Fribourg: Der Strassen- und Häuserkampf wird geübt

17. Mai 1943, Fribourg: Die Barrikaden

213

10. Juli 1943, Genfersee: Schnellboot-Kompanie 14. Juli 1943, Interlaken: Frauenhilfsdienst in der Flickstube

20. Juli 1943, Genfersee: Schweres MG auf einem Schnellboot- zur Abwehr feindlicher Luftlandetruppen 214

20. Juli 1943, Walenstadt, Manöver: Signalübermittlung

12. Oktober 1943, Rekruten-Manöver: Ein MG geht in Stellung

15. Oktober 1943, Reduit: Artillerie-Unterstand

15. Oktober 1943, Reduit: Panzersperre

218

L L k 2. November 1943, Südgrenze: Schweizer Posten, deutscher Grenzschutz

10. Dezember 1943, Umgebung von Zürich: Manöver des 4. Armee-Korps

23. Dezember 1943, Airolo: Weihnachten mit General Guisan

220

23. Dezember 1943: Wehrmänner-Weihnachten

20. Februar1944, Interlaken: Feldpostbriefe werden zweimal täglich zugestellt

20. Februar 1944, Bern: Die Feldpost versorgt die Truppe täglich

221

General Guisan bei der 3. Division, dane- ben Geheimdienst- chef Roger Masson

10. Mai 1944, Manö- ver der 3. Division: Beobachtungsposten mit Scherenfernrohr

10. Mai 1944, Manö- ver der 3. Division: Stab der Feldbatterie19

222 Mai 1944, Reduit, Festung Sargans, Hilfsdienst- Nachrichtenkurs: Bunter Kompanie-Abend

224 Gegenüber unten links: 29. Juni 1944: Der Waffenchef der Infanterie, Oberstdivisionär Probst, im Gespräch mit einem Instruktions- offizier

Gegenüber oben: 2. August 1944, Ge- birgsposten: Wachtmannschaft beim Fei- erabend

Gegenüber unten rechts: 30. November 1944, Bodensee: Wehrmann im Strassenver- kehrsdienst

25. Februar 1945, Susten: Trainstaffel beim «Pfaden»

30. März 1945, Zermatt: Skikurs

225 10. Juli 1941, Wallis: Militär-Seilbahnstation

226 Der Krieg, der den Eidgenossen erspart bleibt, kennt jedoch kein Halt vor dem Schwei- zer Himmel. Die Fliegertruppe und die Luftabwehr stehen Tag für Tag im Einsatz, um mit bemerkenswerter Todesverachtung den Luftraum über dem neutralen Land zu schützen. Die Eindringlinge, ob westalliierte Maschinen oder Flugzeuge der Achsen- mächte, die das Hoheitsgebiet verletzen, werden zur Umkehr gezwungen oder zur Lan- dung aufgefordert, dabei gibt es Opfer auf beiden Seiten. Auch die Zivilbevölkerung muss ihren Blutzoll an den Luftkrieg zahlen: Es sind vor allem alliierte Flieger, die mehr- fach ihre tödliche Last über den nichtsahnenden Menschen abwerfen oder auch die Bordwaffen auf sie richten. Luftkrieg über der Schweiz

Zu Beginn des Aktivdienstes besitzt die Flieger- 1. August 1937 werden der verblüfften Fachwelt truppe fünf verschiedene Flugzeugtypen für den fünf Maschinen der damals noch wenig bekannten Kriegseinsatz: D-27, Fokker CV, C-35, Me 109 C Me 109 vorgeführt, die dabei drei Flugkonkurren- und Me 109 E, insgesamt 86 Jagdmaschinen und zen gewinnen. Bereits ein paar Monate später, am 121 Beobachtungsflugzeuge. Sieben Fliegerkom- 11. November 1937, holt Hermann Wurster in ei- panien sind mit hoffnungslos veralteten französi- ner Me 109 mit 610,95 km/h den Geschwindig- schen Dewoitine D-27-Jagdeinsitzern mit 2 MG keitsweltrekord nach Deutschland. Die Schweizer und holländischen Beobachtungsmaschinen vom zeigen grosses Interesse an dieser erstaunlich Typ FokkerCV, einem Zweisitzer mit 4 MG, sechs wendigen, leicht steuerbaren, noch dazu sturzfe- Fliegerkompanien mit der C-35, einer langsamen sten und trudelsicheren Maschine, die zwar eine Schweizer Konstruktion, als Schlachtflugzeug zur auf lediglich 80 Minuten beschränkte taktische Unterstützung des Erdkampfes konzipierter Mehr- Flugzeit besitzt, die jedoch für Einsätze zum zweck-Zweisitzer, mit 1 Kanone, 3 MG und einer Schutze der Neutralität des kleinen Landes völlig 200-kg-Bombenlast ausgestattet. Das Rückgrad ausreicht. Selbstverständlich wird auch eine der Verteidigung des Luftraumes bildet jedoch der ganze Reihe anderer Staaten auf diesen moder- berühmte deutsche Jäger vom Typ Messerschmitt nen Jäger aufmerksam. Und zu Beginn des Jahres Bf 109. 1938 erscheint bei der Messerschmitt AG in Augs- Die Schweiz ist auch der Schauplatz der ersten burg eine Einkaufskommission nach der anderen. Erfolge dieser Maschine: Während des 4. Interna- Das Interesse der meisten gilt jedoch dem Modell tionalen Flugmeetings in Zürich vom 23. Juli bis der Me 109 mit dem leistungsstarken Daimler-

227 Benz-Motor, das allerdingszurZeit nur für die sich noch keine Flugzeuge. zum Krieg rüstende deutsche Luftwaffe bestimmt Unmittelbar vor Ausbruch des Krieges bestellt die ist. Fliegertruppe weitere Me 109 E-Jäger, diesmal so- Als die Schweiz zehn Maschinen vom Typ Me 109 gar 50 Stück, diesiebiszum 27. April 1940 haben C, mit schwächeren Junkers Jumo-210-Motoren, möchte. Sie werden tatsächlich zwischen Oktober 850 PS, bestellt, wird vom Reichsluftfahrtministe- 1939 und April 1940 geliefert. Damit trägt die Mes- rium der allererste Exportauftrag für Me 109-Ma- serschmitt Bf 109 die Hauptlast des fliegerischen schinen genehmigt. Ab 17. Dezember 1938 treffen Schutzes der Neutralität während des 2. Weltkrie- sie nacheinander in der Schweiz ein. Eidgenössi- ges. sche Piloten nehmen die Flugzeuge in Augsburg Ähnlich der Fliegertruppe ist im September 1939 in Empfang und überführen sie in die Schweiz. Die auch die Luftabwehr – in derSchweiz Flab genannt Maschinen besitzen nur die allernötigsten Bordin- – recht schwach: Insgesamt acht Schneider oder strumente, es fehlen sowohl Bordwaffen als auch Vickers 75-mm- und sechsunddreissig 20-mm- die Funkausrüstungen, die erst in der Schweiz ein- Oerlikon-Kanonen, zumeist um die Flugplätze her- gebaut werden. Diese zehn Me 109 C mit je vier um massiert, bilden die Schweizer Flugabwehr. 7,45-cm-MG erhält die 15. Fliegerkompanie in Hinzu kommen acht Scheinwerfer von 1‘500 der Payerne. Typen Siemens oderCalileo und drei Horchgeräte. Inzwischen sichert sich die eidgenössische Flie- Vom Kriegsausbruch bis zum Jahresende 1939 gertruppe eine weitere Lieferung, diesmal von 30 wird der schweizerische Luftraum durch fremde Maschinen des Typs Me 109 E-1 mit Daimler- Flugzeuge 143mal verletzt, meistens bei Nacht Benz-601-Motoren, 1‘100 PS. Auch diese Flug- oder bei schlechtem Wetter über der Wolken- zeuge werden nur mit den elementarsten Instru- decke, so dass die Jäger nicht eingreifen können, menten geliefert, ohne Waffen und Funkausrü- da vor allem die erforderlichen Funkmessinstru- stung. Am 14. April 1939 landet die erste der Me mente und einwandfrei arbeitende Bordfunkgeräte 109 E-1 in derSchweiz und im Juni 1939 die letzte fehlen. Den gesamten Fliegerund Flabtruppen ste- der 30 Maschinen. Am Tage der Mobilmachung, hen zur Zeit lediglich vier 1,2-KW-Telefunken- und dem 28. August 1939, sind die 6. Fliegerkompanie acht 1,2 KW Lorenz-Funkstationen für ihren Nach- (Thun) und die 21. Fliegerkompanie (Dübendorf) richtenverkehr zur Verfügung. Nur zehn Bordfunk- mit Me 109 E-1, sowie die 15. Fliegerkompanie geräte vom Typ FG IV Telefunken – zu sogenann- (Payerne) mit Me 109 C aus der allerersten Liefe- ten Z-Stationen umfunktioniert – sind bei den ein- rung ausgestattet. Sie verfügen über je sechs Ma- zelnen Fliegerkompanien auf ihren Flugplätzen für schinen, die übrigen Flugzeuge erhalten die Flie- die Verbindung zu den Flugzeugbesatzungen vor- gerschulen. handen. Am 9. November 1939 bekommt die Trup- Noch am Nachmittag des28. Augustübernimmt die pe die ersten Maschinen vom Typ Moräne 406, die Fliegertruppe die Grenzüberwachung. Zu Abwehr- – in Lizenz gebaut – die Bezeichnung Mo 3800 tra- und Sperraufgaben sind die drei mit Messer- gen. Die Produktion dieserfranzösischen Jäger be- schmitt-Jagdmaschinen ausgerüsteten Kompa- gann zwar im Juni 1938, läuft jedoch wegen feh- nien 6,15 und 21 vorgesehen, die anderen Einhei- lender Fachkräfte nur langsam an. Besonders die ten führen Beobachtungsflüge durch. Die Besat- zweite Bauserie Moräne Mo 3801 mit einem 1‘000 zungen der Fliegerkompanien 1,4,7,8 und 9 wer- PS starken Motor erfreut sich bei den eidgenössi- den nach Hause geschickt, für sie gibt es zur Zeit

228 schen Piloten neben der Me 109 gröss-ter Beliebt- den Heimweg abzukürzen, jedesmal von Schwei- heit. zer Jägern und Flab bekämpft. Am 16. Mai wird die Der Winter 1939/40 verläuft für die eidgenössi- erste deutsche Maschine, eine He 111, von einer schen Flieger und Flab recht ruhig. eidgenössischen Me 109 E über der Schweiz in Die in Thun stationierten Fliegerkompanien 7,8 der Nähe von Dübendorf abgeschossen (siehe S. und 9 erhalten endlich im Februar 1940 die be- 349). Am Sonntag, dem 1. Juni, werden sogar zwei gehrten Me 109-E-Jagdmaschinen. «Jedes Flug- He 111-Bomber durch Schweizer Messerschmitt zeug einerfremden, kriegführenden Macht über vom Himmel geholt. Tags darauf wird eine He 111 der Schweiz sei ohne Zögern anzugreifen», be- zum Kampf gestellt, schwer beschädigt geht sie fiehlt der General erstmals am 5. April 1940. Vier bei Ursins nieder. Wochen danach, am 2. Mai 1940, kommt es zu er- Hierein interner Bericht überden Abschuss dieses sten Luftraumverletzungen durch eine RAF-Ma- Bombers am 2. Juni 1940: schine. Am Freitag, dem 10. Mai 1940, um 5 Uhr 35, be- ginnt die deutsche Offensive im Westen. Zehn Mi- nuten später beim ersten Sonnenschein, hat ein I. TATBESTAND Schweizer Jagdflieger «Feindberührung». Pilot Ort und Zeit: Hans Thurnheer befindet sich mit seiner Staffel Ein vom Fl. Beob.- und Meldedienst aus Rich- auf der ersten Grenzpatrouille des Tages, als er in tung Genfersee gemeldetes Flugzeug wurde der Gegend von Bütschwill einen deutschen Bom- von zwei schweizerischen Jagdflugzeugen der ber vom Typ Heinkel 111 entdeckt. Thurnheer for- FI.Kp. 15 (Hptm. Lindecker und Lt. Aschwanden) dert ihn sofort zur Landung auf, stattdessen eröff- um 10.35 über Yverdon angegriffen und zur Lan- net die Heinkel das Feuer, der Schweizer erwidert dung gezwungen. es. Flugzeugtype: Das zweimotorige deutsche Kampfflugzeug ver- Zweimotoriges Kampfflugzeug Type He 111 sucht, die wendige Schweizer Me 109 E abzu- DHP, Baujahr: 1940 schütteln. Nach einer gut gezielten Garbe beginnt Kennzeichen: einer der Motoren der He 111 zu qualmen, und die Am Rumpf beidseitig aufgemalt C1 H S Seiten- Maschine verschwindet, eine Rauchfahne hinter steuer: Hakenkreuz schwarzweiss, Staffelzei- sich herziehend, am Horizont. chen am Rumpf-Vorderteil. Dieser Luftkampf zweier deutscher Flugzeugtypen Übriges Flugzeug: Normale deutsche Camou- markiert einen neuen Abschnitt der eidgenössi- flage. schen Geschichte: den Luftkrieg über der Besatzung: Schweiz. 5 Mann: Noch am selben Tag wird die für die gesamte Flie- Pilot: Mahnert, Uof. gertruppe als Vorsichtsmassnahme gedachte Beobachter: Sohner Sperrung der Grenz-Zone für Einsätze zum Schut- Funker: Volkmar, in Frankreich ze der Neutralität aufgehoben. angeschossen Im Mai und Juni, während der deutschen Westof- Mechaniker: Schubert, am Boden nach der fensive, überfliegen Maschinen der Luftwaffe häu- Landung angeschossen fig schweizerischen Boden, um über Frankreich MG.-Schütze: Lindner, vom schweizerischen Jagdflugzeug angeschossen.

229 Triebwerk: nehmlassung dem Nachrichtendienst übergeben. Zwei wassergekühlte Daimler-Benz Motoren Eine nähere Untersuchung des Flugzeuges bestä- Type 601 A â 1‘000 PS. tigte, dass die Aussage des Piloten über die ein- Ausrüstung: getretene Panne am rechten Motor den Tatsachen Gemäss besonderem Verzeichnis. entspricht. K.P., den 2.6.40. KDO. ARMEEFLUGPARK i.A. II. HERGANG DES UNFALLES T-Chef: Högger Das Flugzeug hatte nach Aussage des Piloten ei- nen Bombardierungsflug nach Frankreich auszu- Auch der4. Juni ist ein ereignisreicherTag. Von führen. Dabei wurde es von zwei Spiffire-Jagdflug- den Morgenstunden an bis zum Sonnenuntergang zeugen angegriffen. fliegen eidgenössische Jäger ihre Einsätze gegen Der rechte Motor wurde beschädigt und musste die deutschen Bombergeschwader, geschützt von wegen Ölverlust ausser Betrieb gesetzt werden. Zerstörern Me 110. Über Freibergen und der Ge- Der Pilot versuchte, mit dem linken Motor weiter gend von La Chaux-de-Fonds kommt es zu zähen zu fliegen. Nach einiger Zeit trat an diesem Motor Luftkämpfen. Eine He 111 stürzt dicht hinter der- eine Überhitzung ein mit nachfolgendem Lei- Grenzeauf französischer Seite ab, und der stungsabfall, so dass das Flugzeug an Höhe ver- Schweizer Jagdf Heger, Leutnant R. Rickenba- lor. Ein Überfliegen der Alpen nach Italien war cher, muss aus seiner zusammengeschossenen nicht mehr möglich, und der Pilot versuchte, über Me 109 E abspringen. Der beschädigte Fallschirm Schweizer Gebiet durchzukommen. versagt jedoch. So ist Rickenbacher der erste eid- Über Yverdon wurde der Bomber von einem genössische Pilot des 2. Weltkrieges, der im Luft- schweizerischen Jäger angegriffen. Dabei wurde kampf den Fliegertod findet. ein weiteres Besatzungsmitglied verletzt und die Die Proteste des Schweizer Gesandten in Berlin linke Verwindungsklappe derart beschädigt, dass gegen die krasse Missachtung des neutralen Ho- das Flugzeug steuerunfähig wurde. Der Pilot gibt heitsgebietes werden vom Auswärtigen Amt ent- an, die Meldung der Notlandung in derSchweiz- schieden zurückgewiesen, und «wenn tatsächlich funktelegraphisch nach Deutschland durchgege- Schweizer Gebiet überflogen worden sei, so kön- ben zu haben. ne es sich nur um ein Versehen handeln». Der Bomber landete miteingezogenem Fahrge- Noch vor Sonnenaufgang am Samstag, dem 8. stell bei Ursins. Hierbei erlitt das Flugzeug mittle- Juni, stehen die eidgenössischen Patrouillen be- ren Schaden (reparierbar). reits ab 3 Uhr 30 in höchster Alarmbereitschaft. Nachdem die Besatzung das Flugzeug verlassen Die neuorganisierte Einsatzzentralesoll diejewei- hatte und durch schweizerisches Militär entwaffnet lige Lage per Funk durchgeben. Um die offensive wurde, versuchte der MG-Schütze Lindner das Stimmung der Fliegerzu bremsen und den Deut- Flugzeug mittels der mitgeführten Thermit-Bom- schen keinen Vorwand zu geben, werden jetzt von ben in Brand zu stecken. Erwurde durch das ener- jeder Alarmstaffel lediglich zwei Maschinen Erkun- gische Eingreifen eines Leutnants an seiner Tat dungsflüge durchführen. In der Schweiz vermutet gehindert, der ihn durch Kopfschuss verletzte. noch niemand, dass Göring gerade diesen Früh- Die drei Verletzten wu rden in das Spital Yverdon überführt, Pilot und Beobachter zur weiteren Ver-

230 sommertag gewählt hat, um mit der eidgenössi- dann in einer engen Kurve hintersich in diese mon- schen Fliegertruppe abzurechnen. ströse Spirale hineinzulocken. Sind die eidgenös- Dazu kommandiert der Reichsmarschall einige sischen Jäger einmal dort, stürzen sich die bereits Staffeln Me 110-Zerstörer über den französischen lauernden Zerstörer auf die nichts ahnenden Op- Jura nahe der Schweizer Grenze. Ihr erstes Opfer: fer. Die Schweizer reagieren jedoch blitzschnell. ein langsamer, archaisch anmutender, unbewaff- Sie stellen sofort die weitere Verfolgung der ihnen neter einmotoriger Aufklärer vom Typ C-35. Der vor der Nase sitzenden Gegner ein und ziehen ihre Sperrholz- und Stoff bespannte Anderthalbdecker Maschinen beinahe kerzengerade hoch. Bald war hat keine Chance mehr, als bei einem Grenzpa- alles nur noch ein einziges grosses Karussell von trouillenflug im Pruntruter Zipfel sechs zweimoto- Flugzeugen, die sich im strahlend blauen Himmel rige, waffenstarrende Me 110 auftauchen. Noch gegenseitig beschossen. bevor die Besatzung irgendetwas unternehmen Eine Me 110 wird weit ins Landesinnere gejagt und kann, wird die Maschine in der Nähe von Alleab- schliesslich bei Triengen abgeschossen, die zwei- geschossen.Oblt. E. Gürtler und der Beobachter, te bei Oberkirch zur Landung gezwungen. Die an- Lt. R. Meuli, finden dabei den Tod. Was danach deren Me 110 versuchen, eine lange Rauchfahne kommt, wird in die Annalen dereidgenössischen hintersich herziehend, den Schauplatz in Richtung Geschichte als der grösste Luftkampf der Flieger- französischer Jura zu verlassen. Obwohl beschä- truppe eingehen. Nachdem die Einsatzzentrale im digt, gelingt es dennoch einigen Schweizer Ma- Grenzgebiet eine ungewöhnlich grosseZahl deut- schinen, den nächsten Flugplatz zu erreichen. scher Maschinen feststellt, die sich offensichtlich Oblt. Kombergerschafft es trotz schwerer Verwun- weder auf dem Anflug nach Frankreich noch der dung mit seiner von Geschossen durchsiebten Me Rückkehr zu ihren Stützpunkten befinden, wird für 109 zu landen. alle einsatzbereiten Jagdmaschinen Startbefehl «Die Angriffe der Schweizer Militärmaschinen auf gegeben. Die einzige Einschränkung: sich nicht deutsche Flugzeuge über dem französischen weiter als auf 5 km der Staatsgrenze zu nähern. Kampfgebiet stellen feindselige Aktedar, die als Bald haben die eidgenössischen Piloten den Ein- Handlungen eines neutralen Staates beispiellos druck, dass die Deutschen beabsichtigen, die seien. Die Reichsregierung erwarte, dass die Schweizer Jäger zum Kampf zu stellen. In der Tat, Schweizer Regierung ihre förmliche Entschuldi- die Me 110-Zerstörer, über dreissig Maschinen, gung wegen dieser unerhörten Vorkommnisse formieren sich zu Ketten von je drei Flugzeugen ausspreche, und dass sie den entstandenen Sach- und bilden, als sie sich über der Schweiz befinden, und Personenschaden ersetze. Im übrigen behalte eine riesige, bis in die Wolken reichende Spirale. sich die Reichsregierung bei derartigen Angriffsak- Die Me 109 E mit dem weissen Balkenkreuz, im ten alles Weitere vor», heisst es in der Note Berlins ganzen 8 bis 12 Maschinen, nehmen trotz der drei- am nächsten Tag, dem 5. Juni 1940. fachen Überlegenheit des Gegners, von der Be- Als der aufgebrachte Göring erfährt, dass die eid- waffnungsstärke einmal ganz abgesehen, den genössischen Flieger den Sieg über die deutschen Kampf mutig auf. Staffeln in ihren Kasinos «stürmisch feiern», setzt Die den Schweizern am nächsten kreisenden Me der Reichsmarschall ein Vergeltungskommando 110 fliegen ihnen entgegen und versuchen sie gegen die Schweizer Fliegertruppe an, diesmal je- doch zu Fuss. Sein Ziel: die Anlagen der Flugplät-

231 ze Lausanne, Payerne, Biel und Spreitenbach, Nachdem jeder von uns Gelegenheit gehabt hatte, dazu die Munitionsfabrik Altdorf, in die Luft zu ja- die einzelnen Arten dieser Spreng- und Brandmit- gen. Im Ausbildungslager der Abwehr in Berlin- tel herzustellen, wurden Demonstrationen vorge- Wilmerdorf und in Stuttgart sind in Eilkursen zwei nommen. Brandmittel wurden in der Nähe der Ga- Schweizer, Peter Burg (Berg), Wilhelm Brüning rage zur Entzündung gebracht, Sprengmittel in der (Brandt) und acht Deutsche, sechs davon von der Kiesgrube. Am letzten Tag des Kurses mussten Wehrmacht abkommandiert, Georg Freiberg (Frit- wir eine Brandbombe herstellen mit Zeitzündung sche), Heinrich Karsten (Karl), Berthold Loos durch eine Uhr. Die Brandbombe funktionierte (Luhr), Johann Teufl (Tenschert), Hellmuth von gut.» Thaden (Thomsen) und Peter Schagen (Correia) Auch die Zubereitung und Anwendung von Ge- zu perfekten Saboteuren gedrillt und darin belehrt heimtinte, das Schiessen mit Maschinenpistolen worden, wie sich aus in jeder Drogerie erhältlichen und anderen Handfeuerwaffen wird fleissig geübt. Mitteln Spreng- und Brandsätze herstellen lassen. Die Kursteilnehmer müssen sich durch Unter- «Der Leiter erklärte uns», schildert später einer schrift und Handschlag verpflichten, über ihre Aus- der Absolventen, «wie wichtig die Sabotage als bildung absolutes Stillschweigen zu bewahren: Hilfsmittel der Armee beim Einmarsch in fremde «Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Länder sei. Er erzählte aus Erfahrungen in Öster- Schweigegebot» ist die Todesstrafe vorgesehen. reich, in derTschechoslo- wakei und in Polen, dass Ihr Sonderauftrag wird ihnen am 7. Juni 1940 von dort die Sabotage eine grosse Rolle gespielt habe, einem Luftwaffen major auf einem Flugplatz in der denn ihre Vertrauensleute hätten in diesen Län- Nähe von Berlin an den Flugzeugtypen demon- dern die Sprengungen von Brücken, Strassen, Ei- striert, die sie in der Schweiz vorfinden werden. senbahnen verhindert oder auch mit Sprengungen «In dezenten neuen Zivilkleidern, 50 Reichsmark Wirrwarr gestiftet. Das Ziel des Spezialkurses sei, plus 500 Franken in derTasche, fahren sie per Ei- behelfsmässige Spreng- und Brandmittel kennen- senbahn in Richtung Schweiz ab. In Rucksäcken zulernen und diese anwenden zu können. Zu- pro Kopf und Nase: eine Büchse Sprengkapseln – nächst wurden Brandmittel gezeigt. säuberlich in hellgraues Papier verpackt (wie es Es wurden Karton- und Blechhülsen mit einer Mi- nachher detailliert in den Vernehmungsprotokollen schung von Salpeter-Schwefel und in Mirbanöl ge- steht – d. Autor) – und mit grünem Siegellack ver- tränktem Sägemehl gefüllt. Ferner wurde verwen- sehen. Die unauffälligen Pakete, mit der Aufschrift det: Caput mortuum, Aluminiumbronze, Gips. So- «Action Internationale contre la Guerre» und mit dann lehrte man uns die Herstellung von Zündsät- Abbildungen des Heiligen Georg beklebt, sämtlich zen für Brandmittel. Danach wurden Sprengmittel an Monsieur N. Popoff, 43, rue de la Paix, Paris 8, durchgenommen und wie man sie aus den oben- adressiert, tragen den Vermerk «Par Milano». erwähnten Stoffen zusammenstellen kann. Am Ausserdem hat jeder der Reisenden eine Schnur Schluss wurden Zeitzünder, Spreng- oder Brand- mit Haken zur Befestigung der Sprengkörper, eine bomben hergestellt und zwar mit Hilfe von Ta- Pistole Marke FN mit ca. 60 Schuss Munition, ei- schenlampenbatterien oder Schwefelsäure. Fer- nen Dolch, ein Nachtglas, eineTaschen- lampe mit ner wurden Zeitzünderbomben verfertigt mit Verdunkelungseinrichtung, Kompass, Drahtsche- Druckauslösung, so z.B. für Eisenbahnattentate. re, eine Karte der Schweiz und eine Tüte mit ge- mahlenem Pfeffer bei sich ...»

232 Nach der Zwischenstation in Stuttgart, wo sie im recht strengen Urteil «Lebenslänglich Zuchthaus» «Panorama-Haus», einer Villa, die die gegen die bedacht, «obwohl ihre Tat nicht über blosse Vor- Schweiz arbeitende deutsche Geheimdienst- bereitungshandlungen hinaus gediehen war». Wä- zweigstelle beherbergt, allerletzte Anweisungen ren nun die Schweizer Me 109 und andere Maschi- bekommen haben, reisen die Neun nach Kon- nen wie geplant in der Sonntagnacht zum 16. Juni stanz. Hier und bei Martinsbruck überqueren sie in 1940, zwischen 22 und 24 Uhr, auf ihren Stütz- der Nacht vom 13. zum 14. Juni 1940 die grüne punkten in die Luft gejagt worden, hätte dies die Grenze. schwachen eidgenössischen Luftstreitkräfte ernst- Über die Umstände, unter denen die «Möchte- lich getroffen. Nach diesem Missgeschick lässt gern-Saboteure» gefasst werden, gibt es mehrere Göring die Schweizer Flieger für die nächste Zeit Versionen. Ineinervon ihnen heisst es: «Auf dem in Ruhe, besonders als am 22. Juni 1940 mit der Bahnhof Singen (also noch in Deutschland -d. Au- Kapitulation Frankreichs die Kampfhandlungen an tor) war einem schweizerischen Lokomotivführer der Westfront eingestellt werden. eine Gruppe junger Deutscher mit Rucksäcken Einige Tage nach der Unterzeichnung des Waffen- und Haferlschuhen aufgefallen, was er dem Pikett- stillstandes zwischen Frankreich und dem Dritten Offizier meldete.» Allem Anschein nach bekommt Reich gibt der Bundesrat Pilet-Golaz alle in der jedoch der Schweizer Nachrichtendienst den er- Schweiz internierten deutschen Kriegsflugzeuge sten Hinweis auf das «Unternehmen Wartegau» – frei. Diese Maschinen, von der Schweizer Flugab- so der Tarnname der Operation – direkt aus dem wehr zur Landung gezwungen oder abgeschos- «Panorama-Haus» in Stuttgart, wo einer seiner V- sen, sind teilweise zerstört. Sie werden demontiert Männer sitzt. und mit der Eisenbahn nach Deutschland ge- Nur einer der Saboteure kann entkommen: der bracht. Nur eine der Maschinen ist flugfähig. Pilet Deutsche Peter Schagen. Er reist in der Nacht lässt auch stillschweigend die 17 in der Schweiz vom 13. zum 14. Juni 1940 bei Remüs in aller See- internierten Luftwaffenangehörige nach Deutsch- lenruhe mit gültigem brasilianischen Reisepass- land ausreisen. Obwohl die Reichsregierung die auf den wohlklingenden Namen Correiadi Barro Auslieferung der Flieger nicht verlangt, da sie ge- Umberto lautend – allein in die Schweiz ein. Unge- nau weiss, dass dies völkerrechtswidrig wäre. hindert kann er sein Paket mit der Aufschrift «Ac- Dazu verzichtet Pilet auf jeglichen Schadenersatz tion Internationale contre la guerre» in einem Dik- für die Zerstörungen, die deutsche Flugzeuge in kicht verstecken. Im Kanton Graubünden bei einer der Schweiz verursacht haben. Er erklärt sich wei- Routinekontrolle festgenommen, wird er «irrtümli- terhin bereit, für den Schaden aufzukommen, die cherweise aufgrund seines Passes jedoch wieder die Luftwaffe durch die Schweizer Luftabwehr er- auf freien Fuss gesetzt». Unter Polizeiaufsicht litten hat, was die Deutschen jedoch höflich ableh- schiebt man Schagen-Correia über die Grenzstelle nen. Ein Schritt, den ihm seine Gegner nie verges- Martinsbruck wieder heim ins Reich ab. Erst spä- sen werden. ter, als sein Handgepäck mit der brisanten Ladung Bald beginnen aber andere, den eidgenössischen unter Farnsträuchern in dem Waldstück gefunden Piloten Kopfzerbrechen zu bereiten: Die Nacht- wird, merkt man, wen man freigelassen hat. bomberbesatzungen der RAF haben bei ihren Alle neun verhinderten Saboteure werden am 16. Einsätzen gegen Süddeutschland und Oberitalien November 1940 vom Territorialgericht 2 mit dem schnell herausgefunden, dass man sich den Weg

233 durch das Überfliegen der fried liehen Schweiz gen nicht genügend Treibstoff für den Heimflug zu ohne jedes Risiko erheblich verkürzen kann. So haben. gehen zum Beispiel die Mehrzahl der 141 Grenz- Gegen die allnächtlichen Luftraumverletzungen verletzungen im August 1940 auf das Konto der durch englische Bombergeschwader ist ausser Engländer. Nach dem Eintritt Italiens in den Krieg den Protestnoten an den britischen Botschafter steigt die Luftaktivität der englischen Flieger über nicht viel auszurichten. Die eidgenössische Flie- der Schweiz sprunghaft an. gertruppe verfügt weder über ein Funkmessgerä- In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1940 greifen tenetz (Radar), um die anfliegenden Ruhestörer 36 Whitley-Maschinen nach dem Auftanken auf melden zu können, noch über die Möglichkeit, bei den Kanalinseln die Fiatwerke in Turin an und wer- Nacht eigene Jäger erfolgversprechend gegen die fen bei dieserGelegenheit ihre Bomben auch auf mit veralteten Horchgeräten anvisierten fremden Genf, Renens und Daillensab. Die britische Regie- Flugzeuge einzusetzen, da eine Boden-Luft-Leit- rung bedauerte dies und zahlt eine Entschädigung stelle nicht existiert. Einziges Behelfsmittel, um die von 1,2 Millionen Franken. Zwei Wochen später, Absichten der englischen Bomberbesatzungen zu am 29. und 30. Juni, fallen wiederum englische durchschauen, bleibt das Abhören der deutschen Bomben im Berner Jura und in der Zentral- Luftlagemeldungen, wenigstens so lange, wie die schweiz. Maschinen die Landesgrenzen nicht erreicht ha- Bald zeigt sich: Die RAF-Piloten bevorzugen bei ben. Auch die Flab ist machtlos, da das Überflie- ihren Angriffen nicht nur gegen oberitalienische In- gen meist in der Nacht und in grossen Höhen ge- dustriezentren, sondern auch bei ihren Flügen schieht, was die Treffsicherheit stark herabsetzt. nach Süddeutschland den direkten Weg über die Und so entsteht für die Fliegertruppe eine peinliche Schweiz, so am 17. und 18. August 1940, als sie Situation: Die britischen Nachtüberflüge können Friedrichshafen angreifen. Zwar beteuern dieoffi- nicht bekämpft werden, wohl aber die deutschen ziellen Stellen in London immer wieder, dass «die Maschinen, die tagsüber den Luftraum verletzen. Gebirgezu sehr hohem Fliegen (etwa 5‘000 m) Obwohl die Luftwaffenführung aus eigener Erfah- zwingen und schon wegen der grossen Distanzen rung genau weiss, dass man gegen die Anflüge oder mangelnden Orientierung Navigationsfehler der feindlichen Bombergeschwader eigentlich vorkommen können, was noch durch Wind, Wet- machtlos ist, wollen sie nicht nur die Protestnoten ter und Kompassbedingungen erschwert wird», der Schweizer, sondern abgeschossene britische man weiss jedoch, die Wahrheit sieht anders aus. Bomber sehen. Dabei versucht Berlin durch Ap- Die englischen Bomberbesatzungen können näm- pelle an das «verletzte Nationalbewusstsein der lich in den Nächten bereits von weit her die eidge- Eidgenossen», der Schweiz die Notwendigkeit ei- nössischen Gebiete an dem Lichtermeer von de- nes Abbruchs der politischen Beziehungen zu nen ihres kriegführenden Nachbarn unterschei- England vor Augen zu führen. Zwar machen die den, und der Hauptgrund für das Überfliegen der englischen Bomber-Raids in der deutschen neutralen Schweiz ist durchaus prosaisch: die Er- Presse Schlagzeilen, indem man die RAF-Luft- sparnis an T reibstoff und Zeit. Da vor allem die raumverletzungen über der Schweiz dramatisiert Angriffsziele in Italien gerade noch in der Reich- und England als notorischen Verächter der weite ihrer Bomber liegen, ziehen die RAF-Piloten Schweizer Neutralität anprangert, die Eidgenos- die kürzesten Routen vor, aus Furcht, bei Umwe- sen lassen sich jedoch zu keiner feindseligen Hal-

234 tung gegenüber England verleiten. Die altbewährte Ju 52/3m der Fliegertruppe wirft Als noch dazu am 15. August 1940 die Londoner Versorgungssäcke mit Lebensmitteln und Medika- «Times» die Reportage eines RAF-Fliegers über menten ab, für die Pferde und Maultiere der Infan- seine Erlebnisse während der Bombereinsätze ge- teriepatrouillen fallen Heu und Stroh vom Himmel. gen Italien und Deutschland bringt, wobei er von Ende des Jahres 1940 wird die RAF über der den «ausderFernegrüssenden, hellerleuchteten Schweiz wieder aktiv. In der Nacht vom 16. zum Gestaden des Genfer und des Neuenburger 17. Dezember werfen die englischen Flieger Bom- Sees» schwärmt, versuchen die Deutschen ener- ben über Basel ab, eine Woche später, am 22. De- gisch ihren Druck auf die Schweiz unter jedem nur zember, ist Zürich an der Reihe. Erst ganze zwei möglichen Vorwand zu verstärken. «Zur örtlichen Monate danach, im Februar 1941, erklärt sich «His Orientierung dienen den englischen Piloten neben Majesty’s Gouvernement» bereit, die Beweise für der Funkpeilung ihrer Heimatstationen, insbeson- diese Bombenabwürfe anzuerkennen, und ver- dere auch die hierfür günstig auf Schweizer Gebiet spricht Schadenersatz. Anfang Januar 1941 sind gelegenen», schreibt Aussenminister v. Ribben- die eidgenössischen Flab-Kanoniere überzeugt, trop am 4. September an den Bundesrat und er- endlich den ersten Nachtabschuss des Krieges sucht ihn «dringend», die Radiosendungen nach melden zu können, da «in der Nacht vom 4. zum 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit sofort bis auf Wei- 5. ein englischer Nachtbomber 60 km nördlich von teres einzustellen. Der Bundesrat fügt sich tat- Lyon notlanden musste, so dass es nicht ausge- sächlich dem Wunsch: Vom 15. September 1940 schlossen ist, dass es sich hierbei um ein Flugzeug an herrscht in der Schweiz nach 22 Uhr Funkstille. jener Formation handelte, die über Brig durch drei Am 7. November gibt die Schweiz auf deutsches unserer Flab-Bttr. beschossen wurde.» Drängen hin erneut nach: Um den Engländern die Durch den Befehl, nach dem eine Flab-Bttr. sobald Orientierung zu erschweren, wird für das gesamte sie nur einen einzigen Schuss aus einer bestimm- eidgenössische Gebiet ab 22 Uhr Verdunkelung ten Stellung auf ein fremdes Flugzeug feuert, ihren angeordnet. Der praktische Nutzen ist jedoch Standort wechseln soll, werden die Flab-Kano- gleich Null: Die zahllosen Gletscher und Seen blei- niere zu einem Wandervolk. So verlegt man zum ben auch ohne Beleuchtung sichtbar. Ausserdem Beispiel im Januar 1941 die gesamte Flab. Abt. 2, «hätten die britischen Flieger auch ohne den Thun, von derZentralschweiz in die Westschweiz, «Leuchtturm Schweiz» Berlin, München und an- um sie schon nach einigen Tagen wieder in ihre dere weit entfernte, durch ihre Lage nicht beson- alten Stellungen zu befördern. ders gekennzeichnete Städte gefunden, und der Da die Befehle an die Flab-Stellungen für die kürzeste Weg von England nach Mailand werde Feuereröffnung auf die das Schweizer Hoheitsge- nach wie vor durch den Schweizer Luftraum füh- biet überfliegenden fremden Flugzeuge bis Anfang ren», meint General Guisan. März 1941 verschieden interpretiert worden sind, Mitte Dezember 1940 fliegen die eidgenössischen je nachdem, ob die Flab dem Kommando der Flie- Maschinen Einsätze besonderer Art: Versorgung ger- und Flab-Truppen oder dem eines Armee- der im Lawinengebiet um Silvretta in Obersietz korps untersteht, kommt es sogar vor, dass eine und auf der unteren Risettenalp abgeschnittenen Passagiermaschine der Swissair von einem Flab.- Einheiten der Gebirgsbrigade 12. Zug des Heeres hartnäckig, zum Glück jedoch da-

235 bei erfolglos beschossen wird. polizei dem britischen Luftattaché übergeben wird. Am 24. Juli 1941 startet ein RAF-Verband von den Im Gegensatz zu notgelandeten oder abgesprun- SeiIly-lnseln, am südwestlichen Zipfel Englands, genen Flugzeugbesatzungen, die interniert und in zu dem bisher grössten Tagesangriff auf deutsche bewachten Unterkünften gehalten werden, sieht Schlachtschiffe in ihren Stützpunkten an der fran- das Völkerrecht vor, dass Angehörige einer Streit- zösischen Atlantikküste. Ein Schwarm von 149 macht, die der Gefangennahme entgangen und Wellington-Bombern greift die «Gneisenau» in unbewaffnet in der Schweiz Zuflucht suchen, asyl- Brest und die «Scharnhorst» in La Pallice an. Eine berechtigt sind und sich frei bewegen können. Sie der Staffeln führt der Kanadier M. C. Gilchrist. Sein unterstehen lediglich der Aufsicht der lokalen Be- Bomberwird, nachdem die Funkgeräte ausgefal- hörden, und ihnen ist im Rahmen des Möglichen len sind, von einer Me 109 arg zusammenge- Beistand zu leisten, damit sie zu ihrer Truppe zu- schossen und stürzt ab. Ausserdem Heckschüt- rückkehren können. Die Schweizer Behörden zen, der bei dem Angriff ums Leben gekommen überlassen in der Regel den betreffenden diploma- ist, kann sich die Besatzung mit Fallschirmen ret- tischen Vertretungen die Entscheidung und versu- ten. Zwei Mann sind verletzt und werden von Deut- chen in keiner Weise, ihre Rückkehr in daseigene schen geschnappt; der dritte, Staffelkommandant Land zu verhindern. So istStaffelkommandeur- Gilchrist, entkommt. Gilchrist schafft es, nach Gilchrist auch der erste RAF-Flieger, derausder- abenteuerlicher Reise querdurch das besetzte Schweiz über Vichy-Frankreich und Spanien via Frankreich, den Genfer See zu erreichen. Er ist Gibraltar nach England zurückkehrt. der erste RAF-Flieger, dem die Flucht in die Eine Wende in dem Luftkrieg über der Schweiz be- Schweiz gelingt. Der wackere Kanadier organisiert deutet die letzte Mainacht des Jahres 1942. In den sich ein Boot und rudert am 6. September 1941 in Abendstunden des 30. Mai startet nämlich von 52 aller Seelenruhe am hellichten Tage über den Flugplätzen in England eine Luftarmada mit 1047 Genfer See, durch den die Grenze verläuft. Er ist RAF-Maschinen zum ersten «1‘000-Bomber- überzeugt, dass die deutschen Patrouillen nie- Raid» der Geschichte, ihr Ziel: die Domstadt Köln. manden für so unvernünftig halten werden, am Und seit Eröffnung derstrategischen Bomben- Tage dieses Wagnis einzugehen. Tatsächlich ge- kriegs-Grossoffensive der Engländer gegen langt er, weder von deutschen noch von Schwei- Deutschland nimmt das nächtliche Überfliegen der zer Grenzposten gehindert, an das rettende Ufer. Schweiz rapide zu. Jeder dieser Grenzverletzun- An einem Samstagabend klopft er beim britischen gen folgt eine scharfe Protestnote bei der briti- Konsulat in Genf, an und daam Wochenende der schen Regierung, und jede Protestnote wird von Haupteingang verschlossen ist, «versucht Gil- dem britischen Luftattaché routinemässig beant- christ gewaltsam die Seitentür aufzubrechen», so wortet. das Polizeiprotokoll. Ins Untersuchungsgefängnis Trotzdem sitzen die Flab-Kanoniere während des gebracht, interessiert sich zuerst der eidgenössi- ganzen Jahres 1942 herum und treten nicht in Ak- sche Nachrichtendienst für ihn, der den Engländer tion. «Dies ist darauf zurückzuführen, dass die vier Tage lang pausenlos verhört. Dann bringt man meisten Neutralitätsverletzungen nachts längs der ihn nach Bern, von wo Gilchrist nach einem aus- Grenze erfolgten und die Überflüge durch einzelne gedehnten Gespräch mit der Schweizer Fremden- hoch und rasch fliegende Aufklärer stattfanden.» Einer dieser «hoch und rasch fliegenden Aufklä-

236 rer» landet allerdings ohne das geringste Zutun abzugeben, aber er kann ausser Löchern in der dereidgenössischen Jäger noch der Flab-Artillerie Tragfläche und den Behältern keinen Schaden an- einfach wegen Motorenüberhitzung am 24. August richten. Der energische Air-Commander F. West, 1942 in Belp. Es ist der bereits legendäre «Woo- der britische Luftattaché, setzt durch, dass die den-Wonder» De Havilland DH-98 Mk IV «Mos- «Mosquito», eines der neuesten und leistungsfä- quito». Die mit fünf ferngesteuerten Reihenbildka- higsten englischen Flugzeuge, in einem verschlos- meras ausgestattete Maschine, Kennzeichen G- senen Hangar vor den Augen Unbefugter ge- LY, befand sich auf dem Heimflug von einem Son- schützt wird. Zwar hat die Maschine keine Bewaff- derauftrag über Nordafrika, wo sie dieTruppenkon- nung, «war aber für die Fernaufklärung ausgerü- zentrationen der Rommel-Armee fotografiert hat. stet und erfüllte somit einen militärischen Auftrag», Die «Mosquito», von dem besonders für diese lautet der Sachbefund, und die beiden Flieger wer- Sondermission ausgebildeten RAF-Leutnant Woo- den in ein Internierungslager gebracht. Inzwischen ley und seinem Navigator geflogen, fällt irgendwo drängt das War Ministry den Luftattaché irgendet- über Italien der linke Motor aus, und kurz darauf was zu unternehmen, damit die beiden für beson- läuft über den Alpen der andere heiss. Die zwei dere Aufgaben ausgebildeten Flieger schnellstens der wichtigsten geheimen Landkarten, die sie an nach England zurückkehren können. Bord haben, sind vorsorglich auf essbares Reispa- Air Commander West schlägt den Deutschen un- pier gedruckt, «die wir nach der Dienstvorschrift ter Vermittlung der Schweizer Stellen-einen Aus- bei einer Notlandung, egal ob auf feindlichem oder tausch der Flieger im Verhältniszweizu drei vor –, neutralem Gebiet, unverzüglich vertilgen muss- «um die Sache zu beschleunigen». Tatsächlich ten», berichtet Leutnant Wooley. «Wir hatten zu wird dem bereits nach zwei Wochen zugestimmt, wenig Zeit und konnten trotz aller Mühe nur Nord- und der deutsche Luftattaché garantiert sicheres afrika und einen grossen Teil des Mittelmeeres Geleit für die beiden Engländer bis nach Spanien. und Italiens runterschlucken. Das war auch das Als es jedoch auf dem Baseler Bahnhof zur Aus- wichtigste Stück. Biswirnach Frankreich undzur- tauschprozedur kommen soll, platzt dieser Tausch Schweiz kamen, wurde uns ziemlich übel. Gott sei beinahe, da von den drei deutschen Fliegern nur Dank waren diese beiden Ausschnitte nicht so einer erscheint und die beiden anderen den Auf- wichtig.» Sie schaffen es noch vor der Landung, enthalt in der Schweiz der Rückkehr ins Reich vor- die äusserst geheimen Radar- und Funkpeilgeräte ziehen. Zur Überraschung aller Parteien stimmt zu zerschlagen. Die Flieger sind zwar überzeugt, der deutsche Attaché jedoch ohne mit der Wim- dass sie sich in der Schweiz befinden, als jedoch perzu zucken dem Austausch trotzdem zu. «Mit Soldaten in grauen Uniformen mit Stahlhelmen, ih- viel Hackenzusammenknallen und Salutieren zwi- nen deutsch zurufend und die Gewehre im An- schen Deutschen, Schweizern und Engländern schlag, ihnen über die Landebahn entgegenlau- übergaben wir unsere beiden Flieger den Deut- fen, verlieren die beiden die Nerven und können schen zum Geleit durch Frankreich» berichtet Air nurmit Mühe und Not daran gehindertwerden, die Commander F. West. wertvolle Maschine in Brand zu setzen. Einem der Tage später schreibt Leutnant Wooley aus Madrid: Engländer gelingt es noch, ein paar Schüsse aus «Sie seien höchst komfortabel über Paris nach seinem Revolver in den linken Treibstoffbehälter

237 Spanien gereist». Er beklagt sich lediglich überei- oder die Mieter tragen 30 Prozent, der Hausbesit- nen Bombenangriff der RAFaufdenZug, mit dem zer 30 Prozent der Kosten, die restlichen 40 Pro- sie fuhren. zent werden durch staatliche Subventionen aufge- In weiser Voraussicht, dass der Luftkrieg auch die bracht. Die Kantonalbank gewährt den Hausbesit- inmitten feindlichen Territoriums liegende Schweiz zern auf Wunsch Darlehen in der Höhe ihres nicht verschonen wird, richten die eidgenössi- Pflichtbeitrages, die auf drei Jahre befristet sind, schen Behörden mehrfache Appellean die Bürger, so dass praktisch der Bau von Schutzräumen auch um einer drohenden Gefahr vorzubeugen. ohne Bargeld begonnen werden kann. Begreiflicherweise entstehen überall, wo solche BAUT LUFTSCHUTZRÄUME! Umbauten vorgenommen werden, momentane Der Stadtrat von Zürich wendet sich mit folgendem oder dauernde Unzukömmlichkeiten. Wenn im Aufruf an die Bevölkerung: gleichen Augenblick, wo jedermann für den Win- Wir wissen heute, dass unterder Wirkung moder- tervorrat mehr Raum haben sollte, die Keller neu ner Hochbrisanzbomben – deren Sprengwirkung eingeteilt werden müssen, um Platz füreinen- vor allem in die Breite und weniger in die Tiefe geht Schutzraum zu schaffen, braucht es ebensoviel – ganze Häuserblöcke zum Einsturz gebracht wer- guten Willen alsGeschicklichkeit, um das Vorha- den können. Für die Bewohner gibt es keine an- ben auszuführen, ohne jemand in seinen Rechten dere Sicherheit als die Luftschutzräume. Anderer- zu schmälern. Fürsolche Beratungen steht das Bu- seits aber wissen wir auch, dass grosse Stadtbe- reau für Luftschutzbau des Bauamtes II ebenfalls völkerungen im gegenwärtigen Krieg mit geringen zur Verfügung. Verlusten aus Bombardementen hervorgegangen Es mag für manche Hausfrau eine Erleichterung sind, wenn genügend Schutzräume zur Verfügung bilden, wenn sie hört, dass Schutzräume in einem standen und sich die Leute diszipliniert verhielten. gewissen Mass auch für die Aufbewahrung von Aus der Erkenntnis heraus, dass die öffentlichen Einmachgläsern und dergleichen verwendet wer- Luftschutzräume, wie sie im Zentrum der Stadt in den dürfen. grösserer Zahl erstellt worden sind, für den Ernst- 1. Oktober 1942. fall nicht genügen, vor allem bei einem Angriff zur Am Mittwoch, dem 28. Oktober 1942, berichtet die Nachtzeit, wurden die Hausbesitzer aufgefordert, Presse der Schweizerischen Hauptstadt: in den Wohnquartieren für den Bau von Schutzräu- men besorgtzu sein. Für die Stadt Zürich wurde DIE VERLETZUNGEN ein Bauprogramm erstellt, das das Stadtgebiet in DES SCHWEIZERISCHEN LUFTRAUMES Zonen und die einzelnen Zonen in Baulose aufteilt. «Bern, 28. Oktober. Über die Verletzung des Das Bureau für Luftschutzbau des Bauamtes II be- schweizerischen Luftraumes in der Nacht vom 24. schäftigt sich mit der Durchführung des Pro- auf den 25. Oktober und die intensive Abwehr, mit gramms. Den einzelnen Baulosen werden Archi- der unsere Flab den britischen Flugzeugen begeg- tekten zugewiesen, die Pläne und Kostenvoran- net ist, erfahren wir noch einige weitere Einzelhei- schläge ausarbeiten; vom gleichen Bureau wer- ten. Die Zahl der britischen Bomber, die das den die fertigen Bauten abgenommen. Die Bauko- schweizerische Gebiet überflogen haben, wird auf sten werden zwischen der Öffentlichkeit, dem vierzig bis fünfzig geschätzt. Sie hielten sich in Hö- Hausbesitzer und dem Mieter wie folgt geteilt: Der hen von 4‘000 bis 5‘000 Metern. Überall, wo die

238 fremden Geschwader sich bemerkbar machten, Attaché F. West, zu dessen Pflichten auch die eröffneten die schweizerischen Flabgeschütze ein Stellungnahmen und Entschuldigungen wegen der lebhaftes Feuer. Dabei sind über 500 Schüsse ab- Verletzungen des Luftraumes durch die RAF ge- gegeben worden. In grösserer Zahl überflogen die hören, hält für solche Fälle ein ganzes Repertoire englischen Flieger die Gegend von Lausanne, an Erklärungen bereit: Einmal ist der «Pilot von der Neuenburg, Fribourg und Bern. Sonne geblendet worden», ein anderes Mal wie- Alle diese Flieger hatten den Weg überdas be- derum sind die «Verzerrungen auf dem Radarbild setzte Frankreich genommen, das offenbar in sei- wegen der hohen Bergketten» schuld. ner ganzen Ausdehnung vom Kanal bis zum Jura Auf den verschiedensten Wegen in die Schweiz überflogen worden war. Einzelne Flieger wählten, gelangt, tauchen die über dem deutsch-besetzten möglicherweise mit einem Umweg über Deutsch- Europa abgeschossenen RAF-Angehörigen bald land, wo sie gleichfalls unbeschädigt durchkamen, bei dem Air-Commandore F. West auf. Der Militär- die Route über die Zentralschweiz und die weitere attache organisiert mit Hilfe der französischen Umgebung von Zürich westlich und östlich der Résistance eine gut funktionierende Rücktrans- Stadt und sodann über das Tessin und Graubün- port-Route, die von derSchweiz über die Pyrenäen den. Von den wenigen Flugzeugen, die über die bis nach Gibraltar reicht. Ausbuchtung des schweizerischen Gebietes im Nicht nur das fliegerische Können der RAF-Besat- unteren Engadin und Münstertal durchkamen, zungen, die dem Gegner nach ihrem Abschuss kann so gut wie sicher angenommen werden, oder aus den Kriegsgefangenenlagern entwichen dass sie auf dem Umweg über den deutschen sind, ist für die britische Kriegführung von Bedeu- Luftraum ihren Weg über die Schweiz fanden. tung. Die Berichte der Geflohenen über ihre Be- Es handelt sich zweifellos um eine der schwersten obachtungen, die sie mit wachen Augen bei der Missachtungen der schweizerischen Neutralität, Überquerung Deutschlands oder des besetzten die seit Kriegsbeginn vorgekommen ist.» Europas gesammelt haben, sind oft das letzte Steinchen, das dem Secret Service im Feindbild fehlt.

239

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2. Juni 1940, Ursins, Heinkel Me 111, C1 + HS: Von zwei 8. Juni 1940, Oberkirch/SO: Durch Flab abgeschossene 242. Me 109 vom Fl. Kp. 15 abgeschossener deutscher Bomber Messerschmitt Me 110 (unten)

12. Juni 1940. Englische Flugzeuge werfen Bomben auf Dallions, Renens und Genf ab: Beträchtlicher Personen-und Sachschaden

12. Juni 1940, Renens: Nach dem RAF- Bombenangriff

243 14. Juni 1940. Eine startklare Me-109- Staffel: «Durchaus erfreuliche Gefechts- bilanz»

14. Juni 1940: Bei der Wartung beschädigte Morane-Saulnier M.S.406 (Mo 3800)

14. Juni 1940: Messerschmitt Me109D (Kennzeichen J-308) aus der ersten Lieferung, noch mit 2-Blatt-Propellern

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14. Juni 1940, Me 109 Fahrgestell: Boden- wart bei der Arbeit

30. Juni 1940. Genf, Mechaniker-Kurs: Morane-Saulnier M.S. 406 (in Lizenz als Mo 3800 gebaut)

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Gegenüber links oben: 30. Juni 1940. Genf, Mechaniker-Kurs: Eine Morane-Saul- nier M.S.406 wird unter die Lupe genom- men

Gegenüber unten: 15. August 1940: Beob- achtungsflugzeug C-35 (Kennzeichen C-122) mit 1 Kanone 20mm, 3 MG und 4 x 50 kg Bomben

Gegenüber rechts oben: 15. August 1940: Luftaufnahmen-Auswertung

Rechts oben: 26. August1940, Messer- schmitt Me-109-Jäger: «Tragpfeiler des fliegerischen Neutralitätsdienstes»

Rechts: 26. August 1940: Fliegeralarm bei einer Messerschmitt Me-109-Jagdstaffel

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Oben rechts: 26. August 1940. Vor dem Start der C-35: Bodenwart hält den Fall- schirm bereit

Oben links: 26. August 1940. Beobach- tungsflugzeug C-35: Wartungsdienst

Rechts: 26. August 1940. Leitstelle der 10. Fliegerkompanie: «Die ganze Radio-Telepho- nie war erst im Anlaufen»

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26. August 1940, Feldflugplatz: Die C-35 (Kennzeichen C-123) 26. August1940. Ein Me-109-Jäger als Schulflugzeug: «Bei am Start (oben) eidgenössischen Piloten sehr beliebt» 249

9. September 1940, Fliegerbeobachtungs- und -meldedienst: 221 Posten im ganzen Land, links der Beobachter, daneben der Ableser und vorn rechts der Telefonist. Der verant- wortliche Mann des Wachtpostens ist der Be- obachter am Fliegerbeobachtungsgerät, der das Flugzeug im Blickfeld behält, die Distanz berechnet und Typ, Anzahl und Nationalität der Maschinen feststellt

23. September 1940, leichte Flab-Kanone 20- mm Oerlikon, ein begehrter Exportartikel: Bei Kriegsausbruch nur 36 Geschütze im Lande

25. Oktober 1940. Umschulungskurs auf Me-109-Jäger: Letzte Kontrolle vor dem Start

25. Oktober 1940. Umschulungskursauf die Me-109-Jäger: Der Instrukteur legt die Flug- route fest

In der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1940. Bombenabwürfe durch englische Flug- zeuge auf Basel: Winkelriedplatz, mehrere Tote und erheblicher Schaden

3. März 1941, Thun, Fliegerabteilung 2: Die Me 109 (Kennzeichen Gegenüber: In der Nacht vor dem Heiligen Abend 1940 werfen britische J-318) am Start Maschinen Bomben auf Zürich: Vor den Trümmern seines Hauses 3. März 1941, Thun, Fliegerabteilung 2, Feldflugplatz: Morane- Saulnier M.S. 406 (Mo 3800) soeben gelandet

Rechts: Juni 1941. Bönigen, 7,5-cm- Flabgeschütz mit Tarnnetzen: Bei Aus- bruch des Krieges insgesamt nur acht schwere Flabgeschütze vorhanden

Rechts Mitte: Juni 1941, Bönigen, 7,5- cm-Flabgeschütz:»Zeitweise fehlten zur Bemannung der neuen Geschütze die notwendigen, ausgebildeten Leute»

Rechts unten: Juni 1941, Bönigen, 7,5-cm-Flab: Fliegeralarm

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Gegenüberliegende Seite, oben: 21. Juni 1941 («Veröffentlichung verboten»). So stellt man sich das Luftlandeunterneh- men einer fremden Streitmacht gegen die Schweiz vor: «Die Angriffshandlun- gen des Gegners nie passiv über sich ergehen lassen»

Gegenüberliegende Seite, unten: 21. Juni 1941 («Veröffentlichung verboten»). Eine Passagier-Maschine Typ Douglas, feindliches Luftlandekommando: «Höchst aktiv und aggressiv entgegen- treten»

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Juni 1941, Bönigen, Fliegeralarm: 20-mm-Flabkanone November 1941, TL-Funkstation: Zu Beginn Oerlikon ein empfindlicher Mangel an verwendungs- fähigen Funktelefonisten

Die Nacht vom 12. auf den 13. Juli 1943. Schwere 7,5-cm-Flab-Bat- terie bei Feuereröffnung auf den RAF-Verband. Resultat: Es gelang, zwei schwere Avro-Lancaster-Bomber runterzuholen, es sind die ersten Abschüsse alliierter Flugzeuge während des Krieges

24. August 1942, Belp, De Havilland DH- 98 Mk «Mosquito»: Die Maschine ohne Bewaffnung, dafür aber mit 5 ferngesteu- erten Reihenbildkameras und dem Ge- heimauftrag, die geplante Offensive des Deutschen Afrika-Korps an der El-Ala- mein-Front zu erkunden. Im letzten Au- genblick wird verhindert, dass die Besat- zung ihr Flugzeug nach der Landung in Brand steckt, da sie dachte, sich auf deutschem Gebiet zu befinden. Das al- lerneuste Radarpeilgerät hat die Besat- zung noch vor der Landung vernichtet

1. September 1942, Piloten einer Dewoi- tine (D 27) Staffel: Eine völlig veraltete Jagdmaschine

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Oben links: 2. Oktober 1942, Übermittlungsstelle eines Flieger- Beobachtungspostens: Nur sorgfältig überprüfte Meldungen werden weitergegeben

Oben rechts: 2. Oktober 1942, Flieger-Beobachtungs- und -meldedienst-Posten: Fast 7,5 Millionen Meldungen in sechs Kriegsjahren

Links: 1. Dezember 1942, Horchgeräte: Nur 3 Stück bei Kriegsausbruch

Unten: Für den Flugzeugmotorenbau unerlässlich: Dreikoordinaten- Messmaschine Typ MU-214 A (1931), made in Switzerland.

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Gegenüber, oben links: 1. Dezember 1942: Am Schalthebel der Scheinwerfer

Gegenüber, oben rechts: 1. Dezember 1942,7,5-cm-Flab-Batterie im Nachteinsatz: ahrkarten nach den Nach der Feuereröffnung auf fremde Flug- zeuge jedesmal Ortswechsel Schweizerbahnen

Gegenüber, unten: 15. Dezember 1942, Montana. Frauenhilfsdienst als Flieger- Beobachtungs- und -meldedienst-Posten: «Bewährungsprobegutüberstanden»

1. April 1944, Basel. Badischer Bahnhof. «Fünf Minuten vor 11 kamen die alliierten Bomber»

261 19. März 1943, Samedan. Fieseler 156 Storch, Werk-Nr. 8063: Diese Maschine und ein zweiter Fi-156-Storch, Werk-Nr. 1144, befanden sich auf dem Flug München-Bari, als sie durch einen Navigationsfeh- ler, wie die Piloten aussagten, auf dem Flugplatz Samedan landen. Die beiden Fi 156 hatten Geheimunterlagen für ein in Bari stationier- tes Jagdgeschwader an Bord. Die Maschine, Werk-Nr. 8063, wurde von der Fliegertruppe übernommen (A-97), heute steht sie im Ver- kehrshaus der Schweiz in Luzern. Die zweite Fi 156, Werk-Nr. 1144, ging 1948 als A-98 total zu Bruch

13. Juni 1943, Wallis, leichte Flab: Kein einziger Abschuss während des 2. Weltkrieges

13. Juli 1943, Bouveret, von der schweizerischen Flab abgeschos- sen: Reste der samt Besatzung verbrannten Avro Lancaster

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13. Juli 1943, Sion: Absturzstelle der von der Schweizer Flab abge- schossenen Avro Lancaster. Die Besatzung fand in den Flammen den Tod 13. August 1943, Wil, St. Gallen, Liberator B-24: Die Maschine startete mittags in Ben- gasi, Nord-Afrika, zum Bombenangriff auf die Wiener-Neustadt, wird über Wien von der Flak getroffen und statt des Weiterfluges nach London geht sie auf dem alten Wiler Flugplatz Thurau nieder. Die B-24 ist glatt gelandet, aber die Besatzung, überzeugt, sich in Deutschland zu befinden, steckt sie in Brand. Es ist die erste Landung einer alliierten Maschine in der Schweiz.

23. November 1943, in Kandersteg: Übungen der Flieger- abwehrtruppe

März 1944, Wintermanö- ver des 2. Armee-Korps: 7,5-cm- Flabgeschütz beim Abprotzen

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März 1944, Wintermanöver des 2. Armee- Korps, 7,5-cm-Flabgeschütz: Mit seinen 2‘570 kg eine recht schwierige Sache

März 1944, Wintermanöver des 2. Armee- Korps: Kommandogerät der 7,5-cm- Flab- Geschütze

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15. März 1944, Dübendorf, Messerschmitt, Me 110: Ein deutscher Nachtjäger hat sich verflogen

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1. April 1944. Schaffhausen, nach dem amerika- nischen Bombenangriff: Der Irrtum kostet 40 Menschenleben und richtet schwere Schäden an

*• 1. April 1944, Schaffhausen nach dem Bom- benangriff des US-Liberators: mit dem deut- schen Tuttlingen verwechselt?

Gegenüber oben: 24. April 1944, Düben- dorf, Boeing B-17: Ein Monster wird bewacht

1. April 1944, Schaffhausen: Schraffiert = meistbetroffene Viertel. Die Pfeile = Flug- richtung der US-Bomber

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24. April 1944, Genf-Cointrin, Boeing B-17G, Nr. 238204: Die von einem deutschen Jäger zerschossene Panzerhaube des Heckstandes mit Doppel-MG

Mitte rechts: 5. Juli 1943, englischer Friedhof in Vevey: internierte englische Flieger beim Begräbnis ihrer toten Kameraden. Die deut- schen Agenten sind dabei (siehe S. 288).

Rechts: 24. April 1944, Genf-Cointrin: Ein Teil der Besatzung der soeben gelandeten B-17G, Nr. 238 2O4. Auf den Gesichtern spiegeln sich noch die Eindrücke des Angriffs auf die Eisenbahnanlagen um Koblenz

25. April 1944, Genf, Liberator B-24 G, Werk- Nr. 278184: Die Maschine ist um 8.30 Uhr in- Manduria, Süditalien, mit 10 Bomben à 500 lbs zum Angriff auf Norditalien gestartet. We- gen einer Motorpanne und Kraftstoffmangel musste sie in der Schweiz notlanden

2. Mai 1944, Basel-Sternenfeld. Dornier Do217N-2,30 + IP: Die Maschine vom II. Nachtjagd-Geschwader 4, Staffel 6, mit dem Flugzeugführer FeldwebelG. Konzack (20) landet in der Schweiz kurz nach Mitternacht wegen Kraftstoffmangel

27. Mai 1944, Genf. Liberator B-24 J, Nr. 440102: Nach dem Angriff auf Süddeutsch- land wegen Motorschaden und Treibstoffman- gel zur Notlandung gezwungen. Mit 26 Bom- beneinsätzen ging seine Karriere zu Ende

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28. Mai 1944, zwölf werkneue Messer- schmitt Me 109 G-6, die Deutschland der Schweiz für die Zerstörung der Me110G- 4C9 + BE lieferte. Die Maschinen bekam die Fliegerkompanie 7

14. Juni 1944, Basel. Schulflugzeug Bukker Bü 131, Bj. 1938, Werk-Nr. 483: Der Pilot Gfr. E. Malkowsky von der Flugzeugführerschule Crailsheim glaubte in Basel das Strassburger Münster zu erkennen, erst am Boden be- merkte er seinen Irrtum. Die Maschine wird bereits am nächstenTag freigegeben und Gfr. Malkowsky startet zu dem nächstgelegenen deutschen Flugplatz Freiburg

28. Juni 1944, Payerne. Liberator B-24 H, Nr. 295 056: Nach dem Bombenangriff auf Süd- deutschland wegen Motorschaden notgelan- det. Propeller des Motors Nr. 2 auf Segelstel- lung

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11. Juli1944, Altenrhein. Libera- tor B-24 H, Nr. 295 033: Nach dem Bombenangriff auf Mün- chen wegen Motorschaden not- gelandet. Anflug über den See aus Richtung Rorschach mit Rückenwind. Durch den wei- chen Boden ging das Bugrad zu Bruch

11. Juli 1944, Dübendorf. Libe- rator B-24 J, Nr. 127 571: Der schwere Bomber nahm an dem Angriff auf München teil und musste mit Motorschaden not- landen, verfehlte den Flugplatz und blieb in einem Kornfeld ste- hen. Die Maschine war mit ih- ren 55 Einsätzen und 3 abge- schossenen deutschen Flug- zeugen ein Veteran unter den US-Bombern

11. Juli 1944, Dübendorf. Libe- rator B-24 H, Nr. 295196: Nach dem Bombenangriff auf Mün- chen wegen Treibstoffmangel notgelandet

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13. Juli 1944, Emmen. Boeing B-17G, Nr. 231 074: Die Fliegende Festung musste nach dem Luftangriff auf München mit Motor- schaden notlanden, verfehlte den Flugplatz, raste über die SBB- Bahngleise, kollidierte mit einer Stromleitung und fing Feuer

20. Juli 1944, Umge- bung von Lindau. Reste des Liberator B-24H, Nr. 278197: Die Ma- schine führte den Luft- angriff auf Dessau an. Durch Blockierungdes Höhenruders konnte sie nicht notlanden. Die Besatzung rettete sich mit dem Fallschirm. Die B-24 kreiste eine gute halbe Stunde herrenlos im Raum Dübendorf- Lindau, bis sie von ei- nem Schweizer Jäger abgeschossen wurde

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21. Juli 1944, Dübendorf. Liberator B-24 H, Nr. 295 077: Nach dem Luftangriff auf Süd- deutschland rammte die Maschine bei der Landung die getarnte Flab-Stellung

20. August 1944,8 Uhr, Infanterie-Übungs- platz Beundenfeld bei Bern: Der deutsche Jäger Me 109G gerie twährend der Not- landung am Ende des Platzes in Wurf- löcher für Handgranaten und überschlug sich; Flugzeugführer leicht veletzt

20. August 1944,8 Uhr, Infanterie-Übungs- platz Beundenfeld bei Bern: Der deutsche Jäger 109G setzte mit ausgefahrenem Fahrgestell zur Landung an, kollidierte mit einer Panzerattrappe; Flugzeugführer leicht verletzt. Den beiden Maschinen ist beim Dienstflug der Treibstoff ausgegangen

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September 1944: Montage des in der Schweiz konstruierten Mehr- zweckflugzeuges C-3603

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6. März 1945, Kandersteg:20-mm-Flabkanone mit Wintertarnung

29. März 1945, Nähe Zizers, amerikanischer Jabos-Angriff: In Deckung gehen

Mitte: 25. April 1945, Dübendorf, der erste Düsenjäger der Welt, eine Messerschmitt, Me 262: Der Pilot wollte in der Schweizdas Kriegsende abwarten

Unten: 30. April 1945, Dübendorf, einer der neuesten deutschen Nachtjäger, Junkers Ju 88 G-6 (C9+AR): Mit 2 Frauen und 1 Kind an Bord (siehe S.347)

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Dienstag, 8. Mai 1945. Neue Zürcher Zeitung

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Mai 1945, Dübendorf: Dies ist nur ein kleinerTeil von 186 schweren US-Bombern(Fliegende Festungen B-17 und Liberator B-24), die in der Schweiz in den beiden letzten Kriegsjahren gelandet sind. Erst nach der Kapitulation Japans werden die Maschinen den USA zu- rückgegeben

278 Wenige Monate nach Frankreichs Niederlage entbrennt auf Schweizer Boden ein wahr- haftiger Krieg im Dunkeln, der keine Parallele hat: das Ringen Englands um seine Flug- zeugindustrie. Kein Kunstgriff wird ausgelassen, selbst einer von Englands offiziellen Vertretern in der Schweiz verwandelt sich in einen perfekten Schmugglerboss.

Diamanten für RAF

Es sind etwa zwei Jahrhunderte her, als in dem nen technischen Fortschritts ihren ursprünglichen gottverlassenen Dorf Le Locle im Neuenburger Ju- Charakter erhalten. Mit Ausbruch des Krieges än- raein Schmiedegeselle namens Jean Richard dert sich das Interesse: Es sind weniger die exqui- ganz auf eigene Faust hinter die Geheimnisse des siten Damen- oder Herrenuhren gefragt, als viel- Uhrwerks, das ihm ein Landsmann anvertraut hat, mehr Diamantenwerkzeuge, Stoppuhren, Mikro- kommt. Erzerlegt den bis dahin unbekannten Me- meter, Mikroschrauben, Mikrokugellager oder La- chanismus, setzt ihn wiederzusam- men und baut gersteine und Spiralen aus Schwedenstahl, die das komplizierte Uhrwerk ohne jede Anleitung man jetztdrin- gend für Flakzünder benötigt. nach. So entsteht später in Le Locle die erste Uh- Völkerrechtlich ist es nach der Haager Konvention renwerkstatt, errichtet von Jean Richard und sei- von 1907 der Schweiz, ebenso wie jedem neutra- nen fünf Söhnen. Hier und Inder Nähe von La len Land, keineswegs verboten, während des Krie- Chaux-de-Fonds wächst mit den Jahren das Zen- ges Rüstungsmaterial zu exportieren, sie ist ledig- trum der eidgenössischen Uhrenindustrie heran, lich verpflichtet, die kriegführenden Parteien die Weltgeltung erringt. Und kurz vordem 2. Welt- gleichmässig zu beliefern. Kurz nach Kriegsaus- krieg kommt die Hälfte der Schweizer Uhrenpro- bruch wird das im April 1939 vom Bundesrat erlas- duktion aus den Hochtälern des Kantons Neuen- sene Waffenausfuhrverbot aufgehoben, und nie- burg. Rund 97% der gesamten Erzeugnisse wer- mand wird daran gehindert, sie sich in der Schweiz den exportiert. Das Geheimnis des Vorsprungs, zu besorgen. den sich die kleine Schweiz auf dem Gebiet der Selbst in Berlin erhebt man keine Einwände gegen Feinmechanik gesichert hat, liegt in dem ererbten den Fortgang der eidgenössischen Handelsbezie- und weiter entwickelten Können eines hochge- hungen mit Frankreich oder England. Hitler rührt züchteten Spezialistentums. Die Mehrzahl dieser sich auch nicht, als die beiden Westmächte prak- in den Händen alteingesessener Familien befindli- tisch die gesamte freistehende Kapazität der chen Herstellungsstätten sind Klein- und Mittelbe- Schweizer Rüstungsindustrie durch geschickt pla- triebe, die der Uhrenproduktion trotz des allgemei- zierte Aufträge für sich blockiert.

279 Und während der Wert der Lieferungen, die nach greifen kann, jedoch sieht es bereits im März 1941 Paris oder London gehen, fast eine halbe Milliarde so aus, dass die Rüstungsbetriebe ihre Tore Schweizer Franken ausmacht, gibt sich Berlin mit schliessen müssen, falls nichts Entscheidendes Importen von acht Millionen Franken zufrieden. geschieht. Englands grösster Rüstungslieferant, Mehr noch, Hitler sieht sogar darüber hinweg, die USA, können nicht viel dagegen unternehmen: dass die Waffen für seine Feinde buchstäblich aus Sie leiden bereits selbst unter einem Mangel an deutschem Eisen und mit deutscher Kohle produ- Mikropräzisionsteilen. Aufgrund der Abmachun- ziert werden. gen zwischen der Schweiz und dem 3. Reich vom Nach dem Zusammenbruch Frankreichs im Juni Juli 1941 sind allediesefeinmechanischenTeilefür 1940 ändert sich die Situation jedoch schlagartig: den Export nach Deutschland bestimmt. Jetzt beansprucht Hitler für sich, was die Schweiz Die Technologen in Grossbritannien und den USA bis dahin für die Westmächte herstellte. Er hat versuchen nun, die elementarsten dieser Mikro- auch die Möglichkeit in der Hand, seinem Wunsch teile, die Fassungen für die Lagersteine, selbst Nachdruckzu verleihen: Sollten sich die Eidgenos- herzustellen, jedoch müssen die Versuche aufge- sen nicht beugen, würde man die für sie unent- geben werden: es gelingt ihnen nicht, ein Material behrliche Energiequelle, die deutschen Kohlenlie- mit dem erforderlichen Härtegrad zu produzieren. ferungen, bremsen. Die modernsten Werkzeugmaschinen, die zur Pro- Inzwischen hat man, wie es scheint, in England duktion der Mikropräzisionselemente dienen, sind vergessen, dass ohne eine reichhaltige Auswahl nicht mit Geld zu bezahlen: Jede eidgenössische an Industriediamanten, Mikrokugellagern, Mikro- Fabrik hütet ihre Konstruktionen als strenges Ge- schrauben und -muttern oder Härteprüfgeräten ein heimnis, und die Regierung verbietet ihren Export. verstärkter Ausbau der Flugzeugindustrie und die Die viel Geduld und Feingefühl erfordernde Bear- erhöhte, dem Kriegsbedarf angepasste Produk- beitung und Montage der Mikroteile, nicht selten tion der zahlreichen Präzisionsgeräteoderwissen- kleiner als Nadelköpfe, können nur ganz speziell schaftlichen Instrumente für die Weiterentwicklung geschulte Fachkräfte, oft Frauen mitbesonderer- völlig unmöglich sind. Ausserdem ist wahrschein- Geschicklichkeitund Sehschärfe verrichten. In den lich den Planern entgangen, dass die Herstellung winzigen Abmessungen der so dringend benötig- dieser unentbehrlichen Minigütereine Domäne der ten hochwertigen Mini-Bauteile liegt die Hoffnung Schweizer ist, und dass sie auf eine Vielzahl von der verzweifelten englischen Planer: Die feinen, ihnen das Monopolrecht besitzen. Hinzu kommt, Sandkörner gleichenden Schrauben, Muttern, Ku- dass die Industriediamanten, als Lagersteine für gellager, Spiralfedern und anderes mehr, lassen die höchst präzisen Instrumente unentbehrlich, bis sich praktisch überall verstecken. zuletzt aus Frankreich bezogen wurden. Schlimmersiehtesmitden Produkten der Feinme- Bereits im Sommer 1940, als deutsche Truppen chanik aus, die weder die britische noch die US- den französischen Jura besetzen, zeichnet sich in lndustrie zustande bringen und die bei den Luft- Englands Rüstungswerken eine bedrohliche Krise streitkräften zum alltäglichen Gebrauch gehören, ab: Die Dörfer Poligny und St. Claude fallen als die wie zum Beispiel Stoppuhrwerke. Ohne Mikrome- traditionellen Lieferanten von Lagersteinen aus. ter und andere hochgenaue Feinmessgeräte wie- Zwar läuft die Produktion bis zum Winter 1940/41 derum kann man bei der Produktionskontrolle der weiter, da man noch auf Depotbestände zurück-

280 Präzisionsteile keine Messprüfungen durchführen. mander «Freddie» West. Des Handelsattachés Das Fehlen derfeinop- tischen Höchstpräzisions- äusserst geheime Aufgabe, die allerdings nur geräte macht auf die Dauer die Arbeit der wissen- schwer mit dem diplomatischen Dienst vereinbar schaftlichen Laboratorien und Versuchsanstalten ist, heisst «Operation Viking». Lomax hat ein unmöglich. Wohin das führt, zeigen die Klagen des «Netzzu organisieren», so lautet die Order seiner RAF-Bodenpersonals über so unkomplizierte Ein- Vorgesetzten in Whitehall, «um eine Anzahl wich- richtungen wie die Bombenwinden, der Wel- tiger Artikel, die von den Alliierten weder selbst lington-Bomber, mit denen man die tödliche Last hergestellt noch anderswo zu beschaffen sind, aus in die Schächte im Rumpf der Maschinen beför- der Schweiz herauszuschmuggeln». dert. Die in England hergestellte Winde arbeitet Einige Wochen nachdem Lomax im Dienstesei- nach Ansicht des Bodenpersonals zu langsam, ner Majestät mit dem mühsamen Aufbau der und mankannsichaufsienichtverlassen, da ihre «Operation Viking» begonnen hat, wird am 19. Kupplungen beim Bombenhochhieven öfter versa- Juni 1942 unter dem Druck Berlins die letzte legale gen. Chance, die erlahmende britische Flugzeugindu- In dieser Situation befiehlt Winston Churchill: «Die strie wenigstens mit winzigen Durchhaltespritzen Lieferungen der Mikropräzisionsteile müssen auf zu versorgen, unterbunden: Der zollfreie Waren- irgendeine Art und Weise wieder aufgenommen Versand von weniger als zwei Kilogramm wiegen- werden.» Er beauftragt das Ministerium für wirt- den Paketen im Briefpostverkehr von der Schweiz schaftliche Kriegführung (MEW) und dieses Mr. nach Italien wird gestoppt. Dies geschah, nach- Anthony Wrightson, den britischen Repräsentan- dem die Agenten des deutschen Geheimdienstes ten der «Anglo-Swiss Mixed Commission», mit der dahinterkamen, dass auf diesem Wege heissbe- Lösung dieses Problems. Man lässt ihm völlig freie gehrte Minigüter via Amerika nach Englandgingen. Hand beim Aufstellen einer «Versorgungsorgani- «Es blieb mir nichts anderes übrig, als ‘Smuggler sation», deren Arbeit alles andere als legal sein Chief‘ zu werden», konstatiert Lomax. wird. Allerdings ist die Sache nicht einfach: Die Herstel- Ende 1941 trifft der ehemalige Handelsattaché in ler der Schweizer Uhren- und feinmechanischen Madrid, John Lomax, aus England kommend in Industrie können Lomax nicht viel helfen, auch Bern ein, mit ihm der neue britische Botschafter wennsiegewilltwären, die Bestimmungen zu um- Clifford Norton, der Anfang 1942 Sir David Kelly gehen, da sie selbst von den Lieferungen derferti- ablösen soll. Norton, bisher ein Sekretär im gen Industriediamanten ausdenfranzö- sischen Kriegskabinett, wird direkt zum Gesandten beför- Diamantenschleifereien um St. Claude abhängig dert, ein untrüglicher Beweis für die Bedeutung, sind. Die Franzosen wiederum sind völlig auf den die man der Schweiz zumisst. Import von Rohdiamanten angewiesen und verlan- «His Majesty's Commercial Counsellor», John Lo- gen, falls sie in der Sache auch nur einen Finger max, der in der Botschaft die Wirtschaftsabteilung, rühren sollen, für ihre illegale Arbeit eine Bezah- ein besonders wichtiges Ressort, übernimmt, er- lung in barem Gold. hält bald den Beinamen Tiger. «Er zeigte sich So hat der Handelsattaché, wenn erden Anwei- ziemlich rücksichtslos, aises um die Versorgung sungen seines Premiersnachkommen will,einiges der Schweizer Industrie mit notwendigem Rohma- zu bewerkstelligen, auch darf er es sich als akkre- terial aus Übersee ging», so sein Kollege ausdie- ditierter Diplomat wegen der Gefahr einer Blama- serZeit, der britische Luftattaché in Bern, Air Com-

281 ge nichterlauben, dabei aufzufallen. Eine ernst- boten ist, Gold aus der Schweiz nach Vichy- hafte Komplikation für das ganze Unternehmen: Frankreich auszuführen, ist dies keineswegs ris- Die Zentren der französischen Diamantenschleife- kant. Er bringt auch die Rohdiamanten aus diesem reien liegen zwar nahe der Schweizer Grenze im Depot zu den Juradörfern im deutschbesetzten Jura, aber um auf legalem Wege unauffällig dahin Teil Frankreichs und die geschliffenen Industrie- zu gelangen, muss man zuerst nach Vichy-Frank- diamanten von dort zum Depot zurück... reich und von dort in die deutsch-besetzte Zone. Die Rohindustriediamanten werden Woche für Ausserdem muss Lomax die Lieferung von rohen Woche aus New York auf verschiedenen Wegen Industriediamanten über New Yorker Händler an über alle möglichen vertrauenswürdigen Perso- seinen Mittelsmann in der Schweiz organisieren, nen, deren Reiseziel die Schweiz ist, in dezenten dann einen Weg finden, diese Edelsteine zu den Briefumschlägen nach Bern eingeschmuggelt. Die Schleifern in das deutsch-besetzte Frankreich ein- freiwilligen Boten ahnen nie, welche Art Post sie zuschleusen. Auch die Goldmünzen, dieals Abfin- befördern. Auf ähnlicheWeiseerrei- chen die ein- dung für die Schleifer gedacht sind, müssen be- gefassten Lagersteine ihren Bestimmungsort Lon- sorgt und dorthin transportiert werden. Die Rück- don. «Es ist niemals eine Sendung verloren ge- führung der geschliffenen Industriediamanten in gangen.» (Lomax) Der Handelsattaché achtet die Schweiz, deren Lieferung an die Hersteller der peinlich darauf, dass man sich dieser «Kuriere» Mikropräzisionsteile und anschliessend das ausschliesslich zur Beförderung der bewussten Schmuggeln der fertigen Produkte aus Bern nach Ware bedient und nicht etwa zum Sammeln von England, das alles muss Lomax unter den Argus- Nachrichten für den Secret Service. Ein mit den augen der Schweizer Behörden und der deut- Engländern sympathisierender Beamter einer der schen Agenten, von denen es zur Zeit nur so wim- Schweizer Stellen spielt Lomax täglich die Listen melt, bewältigen. Das einzige Plus dabei: Diaman- mit sämtlichen in Richtung Spanien fahrenden ten sind von Natur aus sehr klein, und selbst eine Personen zu, und die Viking-Leute picken sich aus grosse Menge von ihnen lässt sich leicht verstek- ihnen die heraus, denen man ihrer Ansicht nach ken. Das Kurierteam, eine Dame und ein Ge- den wertvollen Nachschub anvertrauen kann. schäftsmann, ehemaliger Freiwilliger der RAF aus Gegen Ende seiner Tätigkeit als «Schmuggel- dem 1. Weltkrieg, hältdie Verbindung zwischen boss» macht Lomax eine erstaunliche Feststel- Lomaxund den französischen Diamantenschlei- lung: Trotz aller erdenklichen Komplikationen, fern. Die junge, attraktive und resolute Person, von Schwierigkeiten und Risiken entstehen bei dieser Lomax Mabel genannt, wohnt so günstig in Vichy- Art des Industriediamantenumlaufs kaum Verluste Frankreich, dass sie, «ohne dass man ihr Fragen an Ware oder Zahlungsmitteln, und die Transport- stellt, die Grenze zur Schweiz überqueren kann». kosten betragen lediglich einen Bruchteil dessen, Madame schafft die «heissen» Steine in die was sie bei normalen Geschäftsverbindungen in Schweiz und wieder retour. Sie richtet in Vichy- Friedenszeiten erfordern. Dies ist besonders der Frankreich ein verstecktes Depot für Roh- und fer- fehlenden, sonst üblichen Versicherungspolice zu- tig geschliffene Diamanten sowie Goldmünzen zuschreiben, die die normalen Transportkosten er- ein. heblich steigert. Die Deutschen wissen längst von Pierre, ihr Partner, spezialisiert sich auf den der Tätigkeit des Attachés und versuchen, sich da- Schmuggel der Goldmünzen, und da es nicht ver-

282 gegen zu schützen: Nachdem mehrfache Einga- die Viking-Leute nicht nur den gesamten Com- ben an den Bundesrat, den Tiger aus der Schweiz monwealth und die USA mit eidgenössischen auszuweisen, wirkungslos bleiben, entsteht der Theodoliten, sondern im Rahmen eines Leih- und Plan, den wendigen Schmuggelboss zu beseiti- Pachtabkommens sogar die Sowjetunion. Als die gen, zum Glück für Lomax bleibt es jedoch bei die- zuverlässigste Art, den ganzen Mikropräzisions- sem Vorsatz. Da es den Deutschen nicht gelingt, kleinkram wie Kugellager, Schrauben oder Spiral- auch nur einen der Viking Industriediamanten- federn überSpanien nach England zu versenden, Sendungen abzufangen, wittern sie hier ein übles erweisen sich die NS-Tageszeitungen, «weil kei- Zusammenspiel der Schweiz mit England und ver- ner die Achsen- mächte-Presse lesen wollte». In muten sogar heimliche Landungen britischer Ma- die zusammengefalteten Zeitungen werden Lö- schinen bei Nacht auf dem Flugplatz Belpmoos bei cher gebohrt, mit Mikroteilen gefüllt und mittels Bern, um diese wertvollen Steine nach England Klebeband verschlossen. Die Zeitungsrollen ge- abzuholen. Nur so können sie sich die laufende hen mit normaler Post als Streifbandsendung an Versorgung der britischen Rüstungsbetriebe mit mehrere Deckadressen auf der Iberischen Halbin- lndustriediamanten erklären. sel. Lomax: «Das grösste und ständig wiederkeh- Die «Operation Viking», erst einmal in Bewegung, rende Problem jedoch war die Versorgung der arbeitet so reibungslos, dass bereits nach etwa elf Royal Air Forces mit Stoppuhren.» Wenn man be- Monaten, im Frühherbst 1942, der Vorrat an ge- denkt, dass bei einem Luftangriff aus 5‘000 m schliffenen Industriediamanten gross genug ist, Höhe die Bomben rund 3‘000 m vor dem Ziel ab- um das War Ministry bis Kriegsende damit einzu- geworfen werden müssen, dass sie dann fast eine decken. halbe Minute unterwegs sind und ein Fehler von Ist auch das Versorgungsproblem der britischen nur einer halben Sekunde beim Auslösen schon Industrie mit Lagersteinen glücklich gelöst, so be- 50 bis 80 m Differenz am Ziel ausmacht, kann man deutet dies für Lomax keineswegs, die Hände in sich die Bedeutung präziser Stoppuhren vorstel- den Schoss zu legen. len. Weder der eidgenössische Zoll noch andere Stel- Diese robusten Dinger, die man in jedem Sportge- len halten es für möglich, dass die preiswerten schäft zu finden gewohnt ist, bereiten den Viking- Grammophone mit Handkurbel in auf Hochglanz Leuten wahres Kopfzerbrechen. Es stellt sich polierten Holzkisten, fürdiedie Engländer seit nämlich bald heraus, dass weder legal noch mit Herbst 1941 ihre Liebe entdeckt haben und in gefälschten Papieren oder fingierten Aufträgen et- Massen aus der Schweiz importieren, irgendetwas was zu bekommen ist. In weiser Voraussicht ha- mit dem strategischen Bomberkrieg zu tun haben ben die Deutschen in ihrem Handelsabkommen könnten. Doch in derTat: Ihr Mechanismus bringt mit der Schweiz den Export von Stoppuhren mit nicht nur Schallplatten in Schwung, er ist genau einem strikten Embargo belegt, und selbst die neu- das Herzstück der vom RAF-Bodenpersonal be- tralen Länder dürfen nur in einem Umfang einfüh- vorzugten Wellington-Bombenwinden. ren, der den Vorkriegsimporten entspricht. Als ein- Was die geschätzten Schweizer Landvermes- ziger Ausweg bleibt lediglich der Schmuggel. Hier- sungsinstrumente betrifft, die zum Beispiel für den bei sieht es etwas anders aus als bei den winzigen Bau von Luftstützpunkten und anderen kriegs- Mikroteilen: Der Wert der Stoppuhren, gemessen wichtigen Objekten unentbehrlich sind, versorgen an ihrem Gewicht, macht die Beförderung in klei- nen Stückzahlen unrentabel, da andererseits die

283 Menge, die die RAF dringend benötigt, nach Ton- gebracht ist, steht das nächste Problem schon vor nen zählt. der Tür. Das deutsch-schweizerische Handelsabkommen «Es war praktisch unwirtschaftlich, weniger als ei- vom Sommer 1941 versetzt der britischen Muniti- nen Koffer voll zu schmuggeln» (Lomax). Aller- onsproduktion einen harten Schlag und gefährdet dings gibt man sich auch mit einem ausgestopften damit den Bedarf ihrer Luftstreitkräfte. Etwa zwei Gürtel oder Kleidungsstück zufrieden. Bald be- Dutzend verschiedenerTypen von Werkzeugma- ginnt ein schmaler, jedoch ständiger Strom von schinen, die die Munitionswerkeeilig benötigen, Chronographen in Richtung Spanien zu fliessen. sind jetzt auf der Verbotsliste, darunter auch die Professionelle Schmuggler, zufällige Reisende Zahnradbearbeitungsund Schleifmaschinen für die oder neutrale Diplomaten liefern die Ware pünkt- Flugzeugmotorenindustrie. lich gegen oderohne Entgeltauf der anderen Seite Im Gegensatz zu den Mikrokugellagern oder der Pyrenäen ab. Die professionellen Schmuggler -schrauben haben alle diese Werkzeugmaschinen erhalten Erfolgshonorare, und einem wird sogar einen Nachteil: Sie wiegen Tonnen. Man kann sie auf Kosten seiner Majestät ein Gebrauchtwagen weder über die Grenze schmuggeln, noch irgend- besorgt, «in dem er mehrere Fahrten unternimmt». wie illegal ausführen. Beinahe jedes Teil ist mit ei- So sehr sich jedoch alle anstrengen, der Bedarf an ner eingestanzten Werknummer versehen und Stoppuhren ist keineswegs zu stillen. wird sofort registriert. Der verzweifelte Lomax kommt schliesslich auf Die Abhängigkeit der mächtigen Westalliierten von eine geniale Idee, die Werke der Chronographen der kleinen Schweiz zeigt folgendes Beispiel: Die in die Gehäuse von Uhren der üblichen Dutzend- in der Schweiz als letzterSchrei konzipierte ware zu packen, da diese keinen Exportbeschrän- Schnellverfahren-Produktion von 20- mm-Flug- kungen unterliegen. So etwas ist natürlich tech- zeugkanonenmunition wird auf der anderen Seite nisch durchaus möglich, wenn auch illegal. Über des Ozeans so dringend gebraucht, dass die US- nur ihm bekannte Umwege findet der Handelsatta- lndustrie sie unbedingt haben will, koste es was es ché schliesslich ein paar Uhrenhersteller aus La wolle. Nach langem Hin und Her sind zwar die eid- Chaux-de-Fonds, die ein Auge zudrücken und be- genössischen Hersteller bereit, eine Baulizenz zu reit sind, ihm seine Sorgen abzunehmen. Als das erteilen, bezweifeln jedoch, dass die DetroiterWer- erste Muster der handelsüblichen Uhrensendung keesjemalsschaf- fen werden, die erforderliche in Lissabon eintrifft, wird sie dort nur mit Mühe un- Präzision zu erreichen. Die detaillierten Pläne und ter den anderen Uhren ausfindig gemacht, was für ein Musterexemplar vor sich, beginnen die ameri- die Qualität der Arbeit spricht. Mit der nächsten kanischen Ingenieure mit dem Bau der Maschine. Maschine nach London gebracht, wundern sich Abersie will nicht funktionieren. Das Schweizer die Experten im Ministerium für Flugzeugindustrie Werk bannt zusätzlich das gesamte Herstellungs- nach Erhalt des Musters, wiees möglich ist, die verfahren auf Mikrofilm und schickt es sofort in die verschiedenartigen Teile so gut einzupassen. Von USA. Die Maschine versagt jedoch bis zuletzt ih- jetzt an läuft endlich die Versorgung mit Stoppuh- ren Dienst, und dasganze Projektmussschweren ren reibungslos. Herzens aufgegeben werden. Nun, nachdem die Belieferung der britischen Indu- Um zumindest eine plausible Erklärung für seine strie mit Mikroteilen und RAF-Stoppuhren in Gang immensen Einkäufe von Gütern, die ganz oben auf

284 der Verbotsliste der Bestimmungen vom Sommer über seine Hintermänner echte Ausfuhrzertifikate, 1941 stehen, geben zu können, verbreitet Lomax oder er bedient sich gefälschter. das Gerücht, dass er beabsichtigt, auf dem Ge- Zwar ist die Fälschung der Geleitscheine, die in lände der Gesandtschaft ein Depot einzurichten, der deutschen Staatsdruckerei auf Spezialpapier aus Vorsorge füreventuelle Engpässe nach dem gedruckt werden, durchaus nicht einfach. Es gibt Krieg. «Die Schweizer müssen ganz genau ge- jedoch zur Zeit an der Themse im ehrwürdigen Sci- wusst haben, was ich kaufte, und sie können si- ence Museum eine Staatsdruckerei, wo die besten cherlich nicht gedacht haben, dass das alles in der Fachleute Englands im Dienste der Special Oper- Schweiz benötigt werde», sinniert Lomax später. ations Executive (SOE) jedes gewünschte Doku- Will man die in den britischen Flugzeug- und Muni- ment so nachzuahmen verstehen, dass selbst der tionswerken so sehnlichst erwarteten, aber von eigentliche Aussteller es nicht vom echten unter- den Schweizern genau registrierten Werkzeugma- scheiden kann. «Das Viking-Team war gegenüber schinen ausser Landes bringen, setzt sich erst ein dem Zoll, der Polizei und allen anderen Kontrollor- bürokratischer Apparat in Bewegung. Gelingt es, ganen immer eine Nase voraus. Unsere Erfahrun- solche Maschinen bei einem der Fabrikanten zu gen brachten den Beweis, dass dort, wo eine sol- besorgen, muss für den Export ein Ausfuhrzertifi- che Organisation tätig wurde, der Zoll, die Blo- kat, der übliche deutsche Geleitschein, beantragt ckade oder das Embargo fast immer machtlos wa- werden. Der Antrag eines Importeurs aus einem ren», berichtet Lomax. neutralen, am besten aus einem mit den Achsen- Grosse Schwierigkeiten bereitet dagegen der mächten sympathisierenden Staat, wird von der Transport heisser Ware. Für private LKW gibt es deutschen diplomatischen Vertretung an Ort und weder in der Schweiz noch in Vichy-Frankreich ei- Stelle genau geprüft. Derzukünftige Empfänger nen Tropfen Treibstoff, und der einzige Zug, der muss eine eidesstattliche Erklärung abgeben, die Schweiz mit Spanien verbindet, fährt nur zwei- dass er die Maschine auf keinen Fall an einen drit- mal wöchentlich aus der französischen Grenzsta- ten weitergibt, selbstdergeringste Verdacht ge- tion Annemasse nach Barcelona. nügt, und der Antrag landet in einem Papierkorb. Wie John Lomaxzugibt, erhält seine «Operation Auch hier hat der gewandte Handelsattaché eine Viking» erstaunlicherweise die wirksamste Hilfe Lösung zur Hand. Er ist nicht zufällig von seinem von selten der Royal Navy. Die britische Kriegsma- Posten in Madrid direkt nach Bern beordert wor- rine besitzt zu dieser Zeit die Vorherrschaft auf den den: Dank seiner Verbindungen kann Lomax nun Weltmeeren und weiss sie zu nutzen. in Madrid, Barcelona und Lissabon Viking-Aussen- Die «Vikinger» in Bern brauchen nurdurch ihre posten gründen. Die Deutschen, dem Franco-Re- Verbindungen zu erfahren, an welches der von gime wohlgesonnen, sind den spanischen Firmen den Deutschen bevorzugten neutralen Länder in gegenüber von vornherein grosszügig bei der Er- Übersee eine Lieferung der in Grossbritannien be- teilung der begehrten «Geleitscheine». Um die nötigten Schweizer Werkzeugmaschinen abgefer- Aufmerksamkeit der zuständigen deutschen und tigt wird. Da diese Transporte oft über einen spa- eidgenössischen Stellen nicht auf den plötzlich an- nischen oder portugiesischen Hafen gehen, gestiegenen Bedarf an kriegswichtigen Gütern auf braucht sich nur einer der britischen Zerstörer der Iberischen Halbinsel zu lenken, besorgt Lomax ausserhalb der Dreimeilenzone zu postieren. Das

285 Handelsschiff wird gestoppt, durchsucht, und das Westmächte rechnen. Die erste Firma, die Tiger «rein zufällig» entdeckte Frachtgut beschlag- Lomax auf seine Liste setzt, ist die alteingeses- nahmt. Bei der routinemässigen Anfrage einer der sene Maschinenfabrik «Gebrüder Sulzer» in Win- betroffenen Versicherungsgesellschaften wird terthur, deren Präsident, Minister Hans Sulzer, ge- dann später der bedauerliche Irrtum zugegeben rade mit einer Schweizer Delegation zu Verhand- und eine Ausgleichszahlung geleistet. lungen in London weilt. Ein deutscher Bomben- Diese Kooperation zwischen Viking und der Royal schütze, der über dem Gelände der RAF-Photo- Navy funktioniert tadellos. Man bedient sich nur ab graphic Interpretation Unit, der Auswertungsein- und zu der «echten oder gefälschten» Geleit- heit der Bildaufklärung, auf den Auslöseknopf scheine, um die Deutschen nicht auf die häufigen drückt, beschert den Vikingern in den Alpen aller- Verluste strategisch wichtiger Güter auf hoher See grösstes Kopfzerbrechen: Die Bombe trifft nämlich aufmerksam zu machen. das Gebäude, in dem Englands modernster, aber Mit der Zeit findet sich eine noch bessere Lösung leider auch einziger Wild-Autograph A 5 steht, der, für die Versorgung der Flugzeugindustrie mit wie das Pech es will, aus der Schweiz stammt. Werkzeugmaschinen schweizerischer Proveni- Der Wild-Autograph A5 für Bildweiten von 98 bis enz. Ein italienischer Geschäftsmann erklärt sich 215 mm dient sowohl der Bildmessung (Photo- bereit, bestimmte, schwer beschaffbare Typen an grammetrie), das heisst der Vermessung der von einen von den Deutschen bevorzugten portugiesi- den Aufklärungsflugzeugen mit Spezialkameras schen Industriellen zu vermitteln. Wird der Frach- aufgespürten Objekte nach Lage und Form, als ter dann auf dem Weg von Genua nach Lissabon auch der Bildinterpretation, der Durchforschung angehalten und zur Kontrolle nach Gibraltar ge- und Deutung des Inhalts von Luftaufnahmen. Die- bracht, wo alle kriegswichtigen Maschinen laut al- ses Universal-Auswer- tungsgerät für Aerofotos in liiertem Blockaderecht beschlagnahmt werden, allen Massstäben, das sogenannte «Instrument 1. entschuldigtsich der Italiener bei seinem Kunden Ordnung» istein Präzisionsgerät ersten Ranges, und verschifft eine neue Lieferung, die die Englän- mit einer unglaublichen Genauigkeit von ± 0,01 der wiederum einkassieren. So können die «Vikin- mm des jeweiligen Bildmassstabes und ± 0,1%o ger» jeden Geleitschein zweimal benutzen, wenn der Flughöhe. Die Korrektur der Verzeichnung, die ihre Partner die erste Fracht als verlorengegangen frontale, parallaxenfreie Beobachtung der Bilder melden. und einige Raffinessen mehr, machen das Wild- Der britische Handelsattaché hat nicht nur mit der System im Vergleich zu anderen bisherigen Kon- «Operation Viking» die britische Flugzeugindustrie struktionen weit überlegen. Im September 1939 zu versorgen, ihm obliegt auch die undankbare befinden sich im ganzen Commonwealth nur ins- Aufgabe, den Schweizer Firmen, die Hitler mit gesamt zwei Wild-Universal-Aus- wertungsgeräte kriegswichtigen Gütern beliefern, das Leben dieses Typs, von denen eines bereits veraltet ist, schwer zu machen. und niemand kommt auf die Idee, von diesen für Zu Lomax Kampfmethoden gegen eidgenössische Englands Luftkrieg so bedeutsamen Geräten noch Unternehmen gehören auch die berüchtigten einige Exemplare zu besorgen. «Black Lists», die schwarzen Listen: Diese be- Die Auswertung der alltäglichen Routinearbeit der troffenen Firmen, überTausend an der Zahl, müs- Aufklärer zur Bestimmung der Ziele für das Bom- sen nach dem Kriege mit einem Boykott durch die

286 ber Command und zur Feststellung der Ergeb- Verdunkelung derSchweiz, sondern vor allem we- nisse der letzten Bombenangriffe gerät nun ins gen der akuraten Überwachung des Luftraumes Stocken, vor allem betrifft esdie Luftaufnahmen als unmöglich. der RAF-Fernaufklärer, die sie von ihren Flügen Während der Zeit ist der Intelligence Service nicht auf der Suche nach Hitlers Produktionsstätten für untätig und stellt fest: Auf derganzen Welt befin- Geheimwaffen nach Hause bringen. den sich in neutralen Ländern nur ganze zwei Ex- Eines Nachts wird John Lomax durch ein Blitzte- emplare des bewussten Modells, beide im Dienste legramm aus London aus dem Schlaf gerissen. Er- von Vermessungsämtern. Und keiner der Besitzer entschlüsseltes, um dabeifestzustellen, dass er die denkt daran, sich von dieser Kostbarkeit zu tren- bewusste Apparaturam besten noch in derselben nen. Nacht beschaffen soll. Die einzige erfreuliche Nachricht: Den Tag und Inzwischen zerbrechen sich in England dieSpe- Nacht arbeitenden britischen Spezialisten gelingt zialisten den Kopf darüber, wie sie das Gerät repa- es, wenigstens die einfachen Teile der beschädig- rieren oder nachbauen können, kommen aber ten Geräte zu reparieren, jedoch weder in Gross- nicht voran. Der einzige Plan, der überhaupt eine britannien noch in Nordamerika findet sich jemand, Chance zur Verwirklichung hätte, den deutschen der imstande wäre, die hochpräzisen Zahnradge- Behörden einen fingierten Auftrag für den Schwei- triebe nachzubauen. zer Herstellerdurch ein neutrales Land vorzulegen, Jetzt braucht Lomax statt der ganzen, etwa eine wird schnell verworfen: Die Sache würde späte- Tonne wiegenden Einrichtung nur wenige Einzel- stens bei der Überprüfung durch die deutschen di- teile zu besorgen. Als sich eines der beiden Ver- plomatischen Vertretungen in dem betreffenden messungsämter bereit erklärt, die Deutschen um Land scheitern. Ausserdem hat man keine Zeit die Genehmigung zu bitten, seine «beschädigten» mehr für irgendwelche Verhandlungen. Zahnradgetriebe in der Schweiz gegen neue aus- Eines der Kabinettmitglieder schlägt sogar vor, das tauschen zu dürfen, glaubt man sich beinahe am Ding bei Nacht per Wasserflugzeug, dasauf einem Ziel. Der Hersteller will zwar mitspielen, die Sache der Alpenseen landen soll, nach England zu holen. scheitert aberan dem «Nein» Berlins. Daraufhin Das waghalsige Unternehmen hat sogar gewisse setzt sich das Vermessungsamt mit dem Werk di- Erfolgschancen, und der wendige Lomax findet rekt in Verbindung und kündigt den Versand seiner auch jemanden, der an einem Alpensee wohnt und Getriebe mit der Bitte um Reparatur an. Die so ge- ein solides schnelles Motorboot besitzt. Einziges blufften deutschen Stellen erteilen ihre Zustim- Hindernis: Die Maschine muss, um sicher wassern mung für die spätere Rücksendung der instandge- zu können, auf dem See eine von Lichtern mar- setzten Teile. kierte Landestrecke haben. Auch diese Schwierig- Lomax hofft nun, die ganze Affäre hinter sich zu keit scheint gelöst zu sein. Erst am Vorabend der haben: Man braucht jetzt nur noch die beschädig- geplanten Operation erfahren die Vikinger, dass es ten Zahnradgetriebe der britischen Geräte über abgeblasen sei. Ein heimliches Pick-up auf einem das bewusste Vermessungsamt in die Schweiz zu freien Gelände, in der Art, wie im deutschbesetz- verfrachten, um sie dann repariert zurückzuerhal- ten Frankreich die RAF es beinahe jede Woche ten. Beim Verpacken jedoch merkt jemand, dass praktiziert, erweist sich nicht nur wegen der totalen alle Zahnradgetriebe eine Werknummer einge- stanzt haben. Dem Chef der Vikinger bleibt daher nichts anderes übrig, als die Karten offen auf den

287 Tisch zu legen: «Ich ging direkt zur Firmenlei- ter vom Himmel. Beide über Wallis, einer stürzt bei tung.» Bouveret, der andere in der Nähe von Sion ab. Die In aller Eile haben unterdessendie besten engli- Maschinen und ihre Besatzungen verbrennen. schen Modellbauer naturgetreue Nachbildungen Am 5.7.43 werden die Gefallenen auf dem engli- des Getriebes mit den Werknummern der Zahnrä- schen Friedhof in Vevey beerdigt. Die eidgenössi- der des Vermessungsamtes hergestellt, und Lo- schen Militärs stellen dabei die Totenwache und max schlägt dem Schweizer Fabrikanten vor, die Ehrenkompanie, dazu eine Militärkapelle. Sie diese in Empfang zu nehmen. Ihm wird jedoch er- machen den Vorschlag, dass RAF-Angehörige, klärt, «so etwas hätte in der Schweiz keine Chan- und zwar sowohl die unter Asyl stehenden als auch ce». Wenn nicht beim Zoll, so fliegt der Schwindel die Internierten, die Särge ihrer Kameraden tragen spätestens durch den Prüfer im Werk auf. Ausser- sollen. dem wird der Reparaturabteilung der Firma, die «Die Schweizer kommen in Strömen zu dieser Weltruf geniesst, die Sache recht suspekt, weil sie Trauerfeier, und ein wahrer Berg von Kränzen wird noch nie eine solche Reklamation hatte. Lomax, gebracht. Selbst die deutschen Agenten fehlen sich der Bedeutung der verflixten Zahnräder be- nicht. Ihre Aufgabe: möglichst klare Aufnahmen wusst, bittet die Fabrikanten um Einsicht. von den RAF-Angehörigen während der Beiset- Einige Tage später erhält LomaxdieKopieeines zung machen. Die Fotos sollen dann die Steck- Schreibens der Firma, in dem man das neutrale briefe ergänzen, die den zuständigen deutschen Vermessungsamt bittet, die Getriebe nach Zürich Stellen das Ergreifen der internierten Flieger auf ih- zu senden. Die beschädigten Zahnradgetriebe rem Rückweg in Richtung Spanien erleichtern werden schnellstens von London per Sonderma- soll.» (F. West) schine in das bewusste neutrale Land gebracht, Ausser einer «bequemen Einrichtung auf der und von dort gelangen sie in die Schweiz. Kurz Landkarte» für die alliierten Bomberbesatzungen darauf bekommt das Vermessungsamt von der und ausser einem ungewollten Lieferanten von In- Herstellerfirmadie Nachricht, dass das Gerät so- dustriediamanten für das britische Air Ministry ist fort nach Durchführung der Reparatur «mit Eil- die Schweiz auch ein wichtiger Faktor für das alli- post» zurückgeschickt wird. Nachdem das neu- ierte Bomber Command in der Planung seiner stra- trale Vermessungsamtdiesen unmissverständli- tegischen Luftangriffe auf Deutschland: Zu den all- chen Beweis in den Händen hält, dass es aus der täglichen Pflichten des Militärattachés F. West ge- Schweiz andere Zahnräder erhalten wird, übergibt hört es ebenfalls, die meteorologische Abteilung es sein eigenes den Engländern, die endlich auf- der RAF mit dem allerneuesten schweizerischen atmen können: Der Wild-Autograph A 5 tut wieder Wetterbericht zu versorgen. seinen Dienst. Da kein Bomberverband ohne genaue meteorolo- * * * gische Angaben zur Wetterlage über dem Zielge- biet starten kann und fast keine dieser Nachrichten vom deutsch-besetzten Europa nach England ge- langen, sind diese Meldungen von grösster Bedeu- tung. «Über die ganze Schweiz verstreut hatte ich Erst in der Nacht vom 12. zum 13. Juli 1943 gelingt Freunde, die mich jeden Morgen anriefen und mir der Flab-Abt. 10 der lang ersehnte Erfolg – und von überall her berichteten, wie die Wetterlage im dies sogar in doppelter Hinsicht: In dieser Nacht holen siezwei englische Bomber vom Typ Lancas-

288 berichteten, wie die Wetterlage im Einzelnen und machte sich seine Gedanken über das zu erwar- im Allgemeinen sei», berichtet F. West nach dem tende Kasernenleben, bis wir eine Tafel mit der Kriege. Die täglichen Wetterberichte gehen ver- Aufschrift «FlabdörfIi» erblickten. schlüsselt über das eidgenössische Telegraphen- Vordem Beginn des technischen Dienstes wurden netz von Bern nach London. uns die Aufgaben des Spähers klar gemacht. Wir Der deutsche Luftattaché wiederum, von den me- lernten zwischen Sicht- und Horchmeldungen zu teorologischen Interessen F. Westnichtsahnend, unterscheiden, vernahmen, wie man ausseror- drängt den Bundesrat zur «Einstellung der den dentliche Ereignisse wie Luftkämpfe, Flugzeugab- Engländern zugute kommenden Wettermeldun- stürze, landende Fallschirmspringer, Störballons gen des Rundfunksenders Schwarzenburg». Die- in militärischer Kürze bekanntgibt, wieman Bom- sem Wunsch wird, wie Gesandter Köcher nach bardierungen, Detonationen, Brände, Truppenver- Berlin kabelt, nicht entsprochen. Die Begründung: schiebungen, kurz alle Beobachtungen von militä- «Die ostschweizerischen Landwirte hielten diese rischer Bedeutung rasch weiterleitet. Alle Meldun- Wettermeldungen für unerlässlich.» gen wurden in knappen Zahlen ausgedrückt, als Im Dezember 1942 dringen die Achsenmächte so- Antworten auf die Fragenreihenfolge: Wann? Wo? gar darauf, dass «der Bundesrat die Verdunkelung Was? Wie? Die Erdbeobachtungen auf der schon eine' Stunde nach Sonnenuntergang an- Dufourkarte setzten voraus, dass wir schon einige ordne (also ab 17 Uhr und nicht erst ab 22 Uhr – Kartenkenntnisse besassen. Jeder Flieger- d. Autor) und während des Fliegeralarms die beobachtungsposten musste zudem täglich meh- Rundfunksendungen unterbreche.» Der eidgenös- rere Wettermeldungen durchgeben. Obwohl uns sische Fliegerbeobachtungsdienst, der rund um alles lebhaft interessierte, machte es uns anfangs die Uhr tätig und auf Berggipfeln oder hohen Ge- Schwierigkeiten, die Meldungen in befohlener bäuden postiert ist, sucht mit seinen 221 Wach- Raschheit aufzusetzen und weiterzuleiten. Wir ar- und Horchgeräten schon seit Anfang des Krieges beiteten in Gruppen von acht Mann. Unsere In- den Himmel ab. struktoren hatten schon jahrelangen Dienst auf Die Beobachtungen, im Durchschnitt 1,5 Millionen Fliegerbeobachtungsposten getan, und in der kur- jährlich, gehen überdasTelefonnetz «C» an 36 zen Zeit von vier Tagen konnten sie uns wohl nur- Auswertungs- und 34 Militärzentralen. Hier wer- die wichtigsten Kenntnisse und Erfahrungen bei- den die jeweiligen Positionen und Flugrichtungen bringen. Wer hätte gedacht, dass wir in unserem fremder Maschinen auf Landkarten eingetragen Alter noch zählen lernen müssten, erst einzeln, und an die Fliegertruppe sowie die Flab-Batterien dann in-ganzen Sprechchören: «Einss, zwo, drei, weitergeleitet. viarr» usw. Doch die Zahlen sind das Verständi- Neben den Frauen gehören zu den Besatzungen gungsmittel des Spähers; da ist die klare Ausspra- der Beobachtungsposten auch Schüler. Einer von che wichtig. ihnen, Jacob Zwierli, berichtet: «Kaum hatten wir Nach und nach machten wir Bekanntschaft mit den den Bahnhof verlassen, als wir auch schon von ei- einzelnen Instrumenten. Das wichtigste war das nem unserer späteren Vorgesetzten in Empfang Beobachtungsgerät, eine Art Theolit, an dem Be- genommen und sogleich in einzelne Züge einge- obachtungsrichtung, Höhenwinkel und Flugrich- teilt wurden. Nun, so waren wir eben ein wenig frü- tung abgelesen wurden. Das Verhältnis der wirkli- her ‚Soldaten‘, als uns auf dem Marschbefehl ver- chen zur scheinbaren Grösse einer Maschine heissen war. Dann marschierten wir los, jeder

289 zeigte uns ihre Entfernung an. Aus der Beobach- letzungen auf 127 Fälle an, zum erstenmal am hel- tungsrichtung und Distanz liess sich der genaue len Tag nichtdurch einzelne Flugzeuge, sondern Standort des Flugzeuges ermitteln. Jede Beob- durch geschlossene Formationen der «Fliegenden achtung bestimmte die andere; wurde eine falsch Festungen» Boeing B-17 und Consolidated B-24 gemacht, war die ganze Meldung unbrauchbar. Liberator. Drei Mann – Beobachter, Ableser und Telefonist- Am Nachmittag des 14. August 1943 wird bei teilten sich die Aufgabe der Beobachtungsmel- Passo di Flingra (Unterengadin) von Fliegerbe- dung. Der Beobachter, der das Flugzeug im Blick- obachtungsposten das Überfliegen der Grenze feld behielt, die Distanz berechnete, Type, Anzahl durch eine Maschine gemeldet. Es ist ein Liberator und Nationalität angab, war der Verantwortliche B-24, einer der 61 Bomber, die in den Morgenstun- der Wacht- mannschaft. Der Ableser bestimmte den in Bengasi gestartet sind. Sie führen einen das Planquadrat auf der Karte, während der Tele- Bombenteppichangriff auf Wiener Neustadt (181 fonist jede einzelne Ablesungsziffer auf dem Mel- Tote und Vermisste, dazu 850 Verletzte unter der- deblock notierte, ausserdem die Höhe berechnete Zivilbevölkerung) durch und drehen weiter in Rich- und die Meldung sofort an die Auswertungszen- tung England ab. trale telefonisch weitergab.» Der einsame Liberator überfliegt den Scaletta- Dies macht zwar einen vorzeitigen Luftalarm in pass, Sargans und Grabs, zieht seine Kreise in den Grenzgebieten möglich, mit derzeit stellt man Richtung Romanshorn überSulgen und Uzwil nach jedoch fest, dass sie eigentlich ohne grossen Nut- Wil (St. Gallen), wo er auf einem einigermassen zen sind: Nur in den seltensten Fällen befolgt die ebenen Feld zwischen den Bergen heil landet. Es Bevölkerung die vorgeschriebenen Sicherheits- ist der erste einer langen Reihe von USAAF-Bom- massnahmen und betrachtet die Vorbeiflüge frem- bern, die bis Kriegsende in der Schweiz niederge- der Flugzeuge als willkommene Abwechslung im hen werden. Kurz darauf schlagen aus der Ma- grauen Alltag. Mancherorts wird auch der Sinn des schine schwarze Qualmwolken hoch: Die in Geo- Flab-Einsatzes bezweifelt: «Die Beschiessung graphie nicht besonders bewanderten Piloten sind kann nämlich die Piloten in dem Glauben bestär- überzeugt, sich in Deutschland zu befinden und ken, sie befänden sich über Feindesland, und sie setzen das Flugzeug in Brand. Nach ihren Aussa- dann erst recht zu Bombenabwürfen verleiten.» gen hatte die Besatzung den Auftrag, eine in der- «Auf Befehl des Herrn Oberbefehlshabers der Ar- Nähevon Wien gelegene Fabrik, die Teile für die mee wurden Versuche zwecks Einsatzes von Messerschmitt-Flugzeuge herstellt, zu bombardie- Jagdflugzeugen bei Nacht unternommen», notiert ren. Über der Donaumetropole war die Maschine das Aktivdienst-Tagebuch des Kommandanten in heftiges Flak-Sperrfeuer geraten und so stark der Lufttruppen. Es stellt sich jedoch bald heraus, beschädigt worden, dass sie dann in derSchweiz dass das Fehlen der Radargeräte den Einsatz von notlanden musste. Nachtjägern illusorisch macht, und man konzen- Bereits vier Tage später gehen in Dübendorf und triert sich wie bisher auf die Tagesflüge. Unddas- Utzenstorf je eine der Fliegenden Festungen B-17 zurrechtenZeit.Jetztnäm- lich beginnen die massi- F nieder. Am Vormittag desss. September 1943 ven Tagesangriffe der Amerikaner auf Hochtouren landen in Dübendorf und Magadino wiederum vier zu laufen. weitere Fliegende Festungen, während eine dritte Im August 1943 steigt die Zahl der Luftraumver bei Romanshorn in den Bodensee stürzt. Die Ma- schinen gehören zu dem in England stationierten

290 Bomber-Geschwader der 8. USAAF, das einen Amerikanische Bomberstaffeln der Type «Fliegen- Tagesangriff auf Stuttgart geflogen ist. Durch de Festung» Boeing 17 E F hatten den Auftrag, Ta- Feindeinwirkung von ihrem Verband abgetrieben, gesangriffe auf München und Augsburg durchzu- ziehen die Besatzungen eine Notlandung auf neu- führen. Der Startort dieser Staffeln war gemäss tralem Gebiet dem sicheren Abschuss im Einzel- Aussagen der amerikanischen Piloten Nordafrika. flug vor. Es wird aber vermutet, dass diese Angaben nicht Am Freitag mittag, dem 1. Oktober 1943, bekommt stimmen, sondern derStart vielmehr von Sizilien die Schweiz zum erstenmal eine Kostprobe von erfolgte. Die einzelnen Staffeln flogen in Wellen dem echten Luftkrieg, wie ihn die Deutschen bei von 17-18 Maschinen. Eines dieser Geschwader Tag und Nacht erleben. flog um ca. 12.27 von Chur kommend rheinab- Die auf dem Rückflug von Wiener Neustadt und wärts überTrimmis, Zi- zers, Seewis, Prättigau und München befindlichen Fliegenden Festungen strö- verschwand hinter Milan und Falknis, zeigte sich men in geschlossenen Formationen vom Boden- alsdann wiederin Richtung Elhorn mit vermutli- see her in die Schweiz, eine ganze Meute deut- chem Standort im Raume Buchs-Vaduz-Feldkirch. scher Jagdmaschinen im Nacken. Beide Seiten Dort wurde das Geschwader beschossen und lassen sich nicht von der Tatsache beeindrucken, auch Luftkämpfe waren erkennbar. Dieses Ge- dass sie sich bereits über Schweizer Gebiet befin- schwader hat vermutlich auch Feldkirch teilweise den und führen ihren Luftkrieg über den Köpfen bombardiert. der erschreckten Eidgenossen. Es wurde beobachtet, dass dieses Geschwader in Nachdem die deutschen Jäger ihre Verfolgung Richtung Churfirsten im Dunst verschwand. Plötz- aufgegeben haben und bereits in der Gegend des lich zeigte sich das Geschwader in drei schwach Rheinknies nach Deutschland zurückfliegen, eröff- geöffneten Keilen in Linie fliegend über dem Sar- net die Schweizer Flab das Feuer auf die Luftar- ganserbecken. Dort wurde das Geschwader er- mada. Manche Flugzeuge laden ihre noch vorhan- neut von deutschen Jägern angegriffen. Das Feuer dene Bombenlast im Notwurf über dem Bündener- wurde von den Fliegenden Festungen erwidert, land ab. Bei Ragaz und Alveneu zerschellen je und es konnten in der Bttr.- Stellung des Flab-Det. eine Fliegende Festung (13 Tote), «welche kurz 92 Geschoss-Einschläge und Geschosssplitter, vorher durch unsere Flab mit gutem Erfolg be- welche einerseits von deutscher Jägermunition schossen wurden». Hier das interne Protokoll: und andererseits von überschwerer MG-Munition der Fliegenden Festungen herrührte, festgestellt Flab-Detachement 21 K.P. den 9.10.1943. Ver- werden. Das Geschwader selbst änderte im Luft- traulicher Bericht über die Luftkämpfe im Gebiete kampf seine Formation nicht und flog offenbar mit der Festung Sargans vom 110.43. einigem Höhenverlust aus dem Luftkampf in nur noch 4‘300 m Höhe über Meer direkt die Bttr.-Stel- Aufgrund von eigenen Beobachtungen, zuverläs- lung des Flab-Det. 21 an. Das Geschwader von 16 sigen Zeugenaussagen von Militärpersonen und Fliegenden Festungen wurde in geordneter For- den Zeugenaussagen der abgeschossenen ame- mation im Anflug von mir beobachtet, und ich rikanischen Flieger M.D. Pratt und J.C. Caroli ha- konnte feststellen, dass die zweite oderdritte Ma- ben sich die Luftkämpfe wiefolgtzugetragen. schine am linken Flügel einen Kondensstreifen hinter dem Motor nach sich zog. Irgendwelche

291 Feuerwirkung war jedoch nicht zu erkennen. Deut- denberg. Nach einiger Zeit wurde eine schwarze sche Jägerwurdenaberim Raume über unserer Rauchwolke Richtung Piz Alun festgestellt. Die Bttr.-Stellung nicht mehr festgestellt. Das Flab- Besichtigung der Absturzstelle zeigte folgendes Det. 21 warin höchster Alarmbereitschaft, da Bild: schon vorher einige Schiessen durchgeführt wur- Der Rumpf der Maschine war in drei Teile zerbro- den. Ich entschloss mich, das Geschwader nicht chen, und zwar in das Hinterteil mit den Waffen- im Anflug, sondern im Wegflug zu beschiessen, ständen, welchesauf der Höheder hinteren Flügel- um ein Kehren der Geschütze während des Ze- kante abbrach. Im Heck lag der Heckschütze in nithüberfluges zu vermeiden. Vom Kommandoge- verkohltem Zustand, dadie Munition ca. 1 Stunde rät wurde das Führerflugzeug der linken Staffel nach dem Absturz noch brannte und detonierte. anvisiert. Die ausgezeichnete Lage der abgefeu- Der Bodenschütze im Hinterteil des Rumpfes erten 39 Schuss wird auch von Beobachtern an wurde beim Aufschlag durch Schlag der Waffen der Tardis- brücke bezeugt. Gleichzeitig bestäti- gegen seine Brust getötet und blieb tot in der Bo- gen diese Zuschauer, dass keine Jagdflugzeuge denkanzel liegen, während das Rumpfstück noch im Moment des Abschusses mitdem Verband der ca. 20 m am steilen Hang gegen den Wald ab- Fliegenden Festungen im Kampfe lagen. Ich rutschte. Ein dritter Schütze ist aus dem abstür- selbst habe beobachtet, dass drei Jäger in grosser zenden Wrack gesprungen, sein Fallschirm öff- Distanz die Fliegenden Festungen anflogen. Aus nete sich aber nicht, er lag mit zertrümmertem dem Grössenverhältnis der Fliegenden Festungen Schädel und angezogener Sauerstoffmaske in ca. und der Jagdmaschinen, welche selbst nur als 50 m Distanz vom Wrack entfernt. Seine Uhr war schwarze Punkte erschienen, konnte ich aber er- um 12.37 stehengebleiben. Ein vierter Schütze sehen, dass diese Maschinen noch sehr weit vom scheint in Bodennähe vom abstürzenden Wrack Verband entfernt waren. Diese drei deutschen Jä- gesprungen zu sein, er blieb mitdem Fallschirm ger flogen ungefähr 3-4 Minuten später längs des schwer verletzt an der’ Spitze eines Baumes hän- Falknis und verschwanden alsdann Richtung Vor- gen. Es scheint, dass sein Leben gerettet werden arlberg. kann. Das Mittelstück des Flugzeugrumpfes mit Durch unser Flab-Feuer wurde mit Sicherheit das dem Bombenraum und den beiden Flügelansät- zweite Flugzeug vom linken Flügel aus dem Ver- zen ist ebenfalls am Hang, ca. 300m über der Tal- band abgeschossen. Dieses stach zunächst in sohle, niedergestürzt. In diesem befanden sich dieTiefeund hinterliess am linken Flügel lange keine Besatzungsmitglieder. Die beiden dort an- Feuerfahnen. Die übrigen 15 Maschinen be- wesenden Piloten scheinen beim Absturz aus dem schleunigten im Moment des Abschusses ihre Flugzeug geschleudert worden zu sein und blie- Fahrt, was dadurch sichtbar wurde, dass sämtli- ben dadurch am Leben. Dies wird durch die Anga- che Motoren lange weisse Kondensstreifen hinter- ben von Pratt und Caroli bestätigt. Der Führer- liessen. Nach wenigen Sekunden zerbarst die stand des Flugzeuges lag ca. 50 m höher als das Fliegende Festung No. 230126 mit der Aufschrift Rumpfende und der Bombenraum. In diesem wa- «SUGUAR» in zahllose Einzelteile. Aus der Ma- ren die Leichen von zwei Besatzungsmitgliedern, schine selbst wurden zwei Mann der Besatzung ein dritter wurde aus dem Führerstand herausge- geworfen, deren Fallschirme sich alsbald öffneten. schleudert und blieb in ca. 20 m Entfernung vom Lange hielten sich die Trümmer in der Luft und Stand in einer Buschecke liegen. Ein vierter Pilot verschwanden allmählich Richtung Ruine Freu- endlich versuchte wahrscheinlich noch aus dem

292 Wrack des abstürzenden Führerstandes im letzten Fliegenden Monstern nähern sollte, um ihnen den Moment herauszuspringen, sein Fallschirm war Befehl zur Landung zu erteilen. Das Einfachste, nur schwach geöffnet, er selbst lag an den ge- eine direkte Verständigung per Funk, war damals spannten Leinen seines Fallschirmes tot am Hang. aus technischen Gründen leider nicht möglich. Wir Der Bomberverband flog Richtung Alvaneu weiter, mussten uns daher in geschickterund vorallem und es ist zuverlässig festgestellt worden, dass die nicht missverständlicher Weise an die gefürchte- äusserste linke Maschine über Alveneu abge- ten «Fliegenden Festungen» heranarbeiten, um schossen wurde. Es ist nicht ausgeschlossen, sie mit einem Zeichen, meist einem grünen dass auch diese Maschine als Nachbarmaschine Leuchtsignal, im Parallelflug aus der Nähe zur beim Abschuss Flaksplitter erhalten hat und des- Landung aufzufordern. Dass diese stumme Spra- halb leichter ein Opfer der deutschen Jäger wer- che nicht immer verstanden wurde, beweisen die den konnte. Im Gegensatz zum Abschuss bei Ra- Opfer auf beiden Seiten.» Keiner der Massenüber- gaz wurde beim Abschuss in Alveneu festgestellt, flüge der US-Bomberverbände über Schweizer dass der grösste Teil der Besatzung durch MG- Hoheitsgebiet nimmt einen so tragischen Verlauf Feuer bereits an Bord getötet wurde. Die Maschine wie jener am Samstag, dem 1. April 1944. zerbrach ähnlich wie diejenige in Ragaz und stürz- Über Schaffhausen und dem Rhein schwebt an te im Alpgebiet in einer Höhe von 2‘600 m ab. An diesem Morgen der feine Dunst eines sommerwar- Bord dieser Maschine befand sich ein blinder Pas- men Frühlingstages. In engen, verträumten, erker- sagier, welcherohne Befehl einen Feindflug mitma- geschmückten Gassen lebhaftes Gedränge: Die chen wollte. Die vier Überlebenden der Besatzung Marktstände, an denen die Bäuerinnen aus dem konnten keine Angaben überdie Personalien des nahen Klettgau ihre Landesprodukte feilbieten, getöteten Uof. machen. werden umlagert. Auf dem Turm der nahen Steig- Der Kommandant kirche schlägt es gerade halb elf, als irgendwo aus des Flab-Det. 21 der Ferne, erst leise, dann schnell anwachsend, schweres Brummen herannahender Flugzeuge zu Nach einer Pause von mehr als drei Jahren dürfen hören ist. Plötzlich beginnen die Sirenen zu heu- die eidgenössischen Jagdflieger vom 25. Oktober len, und durch den Dunstschleier hoch am Himmel 1943 an wieder uneingeschränkt zu Einsätzen für glänzen die silbernen Punkte der beiden in ge- den Neutralitätsschutz starten, und einige Tage schlossener Keilformation über die Stadt ziehen- später wird für die Jagdflieger in Dübendorf und den Bomberverbände, vermutlich Liberator B24. Bern die Einsatz-Zentrale organisiert. Das emsige Gedränge erstarrt, die Leute schauen «Während die Deutschen in der Regel in ihr Land zu den Wolken empor. Was dann passiert, ver- zurückkehren wollten und daher bei unserem Er- zeichnet der erste amtliche Bericht des Stadtrates scheinen aggressiv wurden», berichtet einerder von Schaffhausen: Jagdflieger, «kamendiealliierten Piloten meist der «Die städtischen Alarmsirenen gaben am Sams- Aufforderung zur Landung nach. Es war jedesmal tag, dem 1. April 1944, vormittags 10.39 Uhr, Flie- ein Problem, wie man sich den waffenstarrenden geralarm. Beobachtet wurde fast zum gleichen Zeitpunkt ein Flugzeuggeschwader, das die Stadt in Richtung Ost-West längs der Rheinlinie über-

293 flog. Ein zweites Geschwader folgte dem ersten hergehende, Kurs direkt über die Stadt Schaffhau- unmittelbar in der gleichen Flugrichtung. Beide sen. Nach einem einzelnen Rauchsignal schlugen Geschwaderflogen in beträchtlicher Höhe, waren wieder eine grosse Zahl Bomben auf der gleichen jedoch mit blossem Auge erkennbar. Anhöhe ein wie bei der ersten Bombardierung, Mit dem Erscheinen des zweiten Geschwaders und ich sah, wie sich plötzlich in Richtung Schaff- von Flugzeugen über der Stadt wurden am Him- hausen ein Staubpilz nach dem anderen unter mel kleine Rauchwolken in senkrechter Haltung dumpfen Detonationen über der Stadt erhob.» beob-achtet. Das gab das erste Zeichen zur Beru- Ein Mann, der Strafgefangene H., hat allen Grund higung. Ein Jagdflugzeug unbekannter Nationali- zur Freude: Durch den Bombenangriff ist er wieder tät griff zur gleichen Zeit das Geschwader an. ein freier Mann geworden. Er ist gerade mit seinen Deutlich war das Knattern von Maschinengewehr- Leidensgenossen dabei, in der Nähe des Gefäng- schüssen in der Stadt hörbar. Diese Feststellung nishofes Holz zu hacken, als in der nächsten Um- wurde um 10.50 Uhr gemacht.» Herr Dübeli war gebung der Bombenhagel heruntergeht. Der Luft- Augenzeuge: «Heute vormittag war ich in Neuhau- druck wirft das Gefängnistor auf, und einige der sen beschäftigt und zufällig in der Nähe der katho- Häftlinge eilen den Bürgern draussen zu Hilfe. lischen Kirche Neuhausen. Als um 10.30 Uhr Flie- Der Strafgefangene H. ahnt zwar nicht, dass das geralarm gegeben wurde, begab ich mich auf den auf der anderen Strassenseite liegende Gebäude, Kirchturm, um die anfliegenden Bomber in unge- aus dem bereits Flammen herausschiessen, das störter Beobachtung sehen zu können. Anfänglich «Museum zu Allerheiligen» ist, als er jedoch zwi- hörte man nur das tiefe Brummen der anfliegen- schen den Rauchwolken durch die Fenster Ge- den Staffeln, welche sich aus südlicher Richtung mälde in schweren vergoldeten Rahmen erblickt, näherten. stürzt er hinein, um diesezu retten. Dreimal dringt Plötzlich trateine Staffel von rund 30 Maschinen H. in das Gebäude ein und schleppt die Bilder her- aus einer Wolke heraus, und als ich alle Maschi- aus. Eines dergeretteten Kunstwerke: ein Ge- nen deutlich sehen konnte, wurde von einer Ma- mälde von unschätzbarem Wert aus der Schule schine ein dreifaches Rauchsignal abgeworfen. des Konrad Witz, der «Jün- teler Altar». Als Beloh- Kurz nach diesem Abwurf fiel eine ganze Serie nung für die mutige Tat bekommt der Strafgefan- Bomben auf die Anhöhe oberhalb Flurlingen ge- gene H. seine Freiheit wieder. genüber Neuhausen. Lch glaubte anfänglich, es Bei diesem versehentlichen Bombenangriff wer- handle sich um eine Flabbatterie. Ich sah jedoch den 40 Personen getötet, 100 verletzt, davon etwa bald deutlich, dass es sich um einschlagende ein Drittel schwer. Es sind mindestens 371 Bomben in grosser Zahl handeln musste, die mit Spreng- und Brandbomben auf das Stadtgebiet dumpfem Krachen und Detonationen explodierten gefallen. und Staubwolken aufwarfen. Diese Staffel drehte Zwei Wochen später weiss der eidgenössische gegen Neuhausen zu ab und verschwand Rich- Nachrichtendienst Bescheid: «Die deutsche Luft- tung deutsches Gebiet. gauabwehr hat bei Durchsicht der Papiere abge- Etwa zwei Minuten später kam die zweite Staffel. schossener amerikanischer Bomber festgestellt, Diese flog vorbei, ohne etwas abzuwerfen. Es nä- dass diejenige amerikanische Kampffliegergrup- herte sich noch eine dritte Staffel; diese kam in di- pe, die ihre Bomben irrtümlich über Schaffhausen rekter Richtung aus Süden und nahm, wie die vor-

294 auslöste, Auftrag zum Bomenabwurf auf das schien nicht getroffen worden zu sein. Bahnhofareal vonTuttlingen hatte. Die Distanz Kurz bevor ich meinen Vogel heimlenkte, erblickte Tuttlingen-Schaffhausen ist in der Luftlinie gemes- ich über Bregenz eine dichte Ansammlung von sen 34 km. Beide Orte sind der Grösse und der Flabsprengwolken auf ca. 3‘000 m Höhe, aus wel- Flusslage nach aus der Luft betrachtet ziemlich chen sich zwei Flugzeugumrisse herausschälten, leicht miteinander zu verwechseln.» Richtung Westen fliegend, ja, ich konnte nun zwei Erst fünf Jahre danach, im Herbst 1949, stimmen «Boeing» erkennen. Die erste näherte sich mir nun die USA der Forderung zu, 62 Millionen Schweizer sehrschnell. Da hatte sie das Schweizerkreuz an Franken als Schadenersatz für diese irrtümlichen meinem Rumpf erkannt und schoss sofort zwei, Bombardements zu leisten. Die von der Schweiz drei, bis fünf rote Raketen ab. verlangten Zinszahlungen werden im Kongress Ich schwenkte mein Flugzeug um die Längsachse, als «unverschämtes Ansinnen» bezeichnet. ihm zu erkennen gebend, dass ich ihn verstanden In den letzten Wochen vor der Invasion in der Nor- habe. Er folgte mir nun, ebenso der zweite, über- mandie, am 24. April 1944, beginnt die 8. USAAF holte mich, daerschnellerwar, und flog in der ange- erstmals mit den konzentrierten Bombenangriffen gebenen Richtung weiter. Nun konnte ich sehen, gegen Eisenbahnobjekte in Deutschland. Beson- dass sein innerer linker Motor ausser Betrieb war, ders die Anlagen in Hamm, Koblenz und im Süden wahrscheinlich Treffer. Später wurde er dann, wie des Landes erleiden schweren Schaden. Dabei der andere, von unseren Jägern in Empfang ge- haben die «Fliegenden Festungen» starke Verlu- nommen und zum Flugplatz Dübendorf geleitet.» ste durch Jäger und Flak. Ein Teil von ihnen ver- «Fremde Bomber über Zürich» schreibt am Mon- sucht, sich indie Schweiz zu retten. tag, den 24. April 1941 die eidgenössische Presse. Einer der eidgenössischen Piloten: «Himmel ohne «In der Mittagspause, kurz vor halb 13 Uhr, ertönte Wolken. Aus 4‘000 Meter flogen wir dem Säntis- in Zürich Fliegeralarm. Dumpfer Motorenlärm war gebiet zu; eine wunderbare Fernsicht bot sich uns aus der Ferne zu vernehmen. Bald konnte man, dar, nur dort unten am Bodensee schien es Nebel zuerst undeutlich, dann immer klarer, zwei in gros- zu haben. Bei näherem Zusehen entdeckte ich je- ser Höhe kreisende mächtige Bomber wahrneh- doch, dass dieser Nebel von Schiffen erzeugt wur- men, die in weiten Schleifen langsam niedergin- de, die, die Windströmung ausnützend, die Umge- gen und die Gegend des Flugplatzes Dübendorf bung von Friedrichshafen bis Immenstaad verne- ansteuerten. Plötzlich bemerkte man auch einen belten. Aha, daschien wieder etwas im Anflug zu schweizerischen Jäger in nächster Nähe der- sein. Träge zog sich diese Nebelschwade ins Hin- tieferfliegen- den fremden Maschine, dersich die- terland von Friedrichshafen, vom See her immer servon hinten oben näherte. neu erzeugt. Der schweizerische Jäger geleitete nun den Die Zeit war inzwischen vorgerückt, unsere Arbeit «Fremdling» sicher zur Erde; bald verschwanden hier oben beendigt und wir zogen eine Schleife ge- beide Maschinen hinter dem Zürichberg. Sofort gen Osten. Die Nebelschicht hatte sich inzwischen hatte das Auge den zweiten Bomber entdeckt, der verflüchtigt, bei Friedrichshafen sah man noch in langsamem Flug und in grossen Kreisen eben- neun einzelne Rauchsäulen zum Himmel ragen, in falls nach unten strebte, um gegen den Wind aus Immenstaad rauchte es nicht mehr; Wannzell

295 nordwestlicher Richtung anfliegend, das Düben- rator B24J landen an diesem Montag in Zürich. Ein dorfer Fluggelände anzuvisieren. Auch diese absoluter Rekord (siehe S. 325). zweite Maschine wurde von den Konturen der be- Die US-Kommandostellen, durch Massenlandun- waldeten Hänge des Zürichbergs bald ver- gen ihrer Bombenflieger in der Schweiz schok- schluckt. Weitere Bomber schicken sich, wie die kiert, berufen eine Kommission ein, die der Sache Passanten von der Strasse aus wahrnehmen kön- auf den Grund gehen soll. «In den meisten Fällen nen, unaufhörlich zur Landung an.» stellte man fest, dass die Besatzungen eine Inter- 13 schwere Bomber vom Typ B-17G und ein Libe- nierung weiteren Feindeinsätzen vorzogen.»

Wild-Autograph A5 mit Zeichentisch, Modell 1938: Ein Universal- Auswertegerät, das dem britischen Handelsattaché in Bern viel Kummer bereitete

Keines der Flugzeuge aber, die jemals den Himmel über der Schweiz kreuzten, stiftete so viel Verwirrung wie der Nachtjäger der deutschen Luftwaffe vom Typ Me110G-4, Stammzeichen C 9 +EN. Und nur wenige Menschen wussten damals, dass wegen dieser Maschine die Schweiz nur scharf am Rande eines Krieges vorbeiglitt. Landung nach Mitternacht

Freitag, 28. April 1944. Um 0 Uhr 30Uhr erhält die gen Musik» hockt, ist ihr Konstrukteur Oberfeldwe- 3. Staffel des Nachtjagdgeschwaders (NJG/6) auf bel Paul Mahle persönlich, und dem Funker zu dem Flugplatz Hagenau im Elsass den Startbe- Füssen liegt eine Aktentasche, vollgestopft mit fehl: «Ein englischer Kampfverband nähert sich in höchst geheimen Unterlagen für den gesamten Richtung Süddeutschland.» Funkverkehrüber Europa, mit Angaben über ein- Die in silbrigen Mondschimmer getauchte Früh- zelne Codes und jeden Tag wechselnde Erken- lingsnacht bietet mit ihren in etwa 2‘000 m Höhe nungszeichen für den kommenden Monat Mai, die hängenden Wolken zwar kein ideales Wetter für er ausgesprochen vorschriftswidrig bei dem uner- einen Luftangriff. In Hagenau ahnt man jedoch warteten Startalarm mit in das Flugzeug genom- nicht, dass das RAF-Bomber Command sich ge- men hat. Seit zwei Jahren, von 1942 an, leidet rade diese Nacht zu dem bisher schwersten An- Deutschland unterdem Bombenhageiderwestalli- griff auf das wichtige Flugindustriezentrum Fried- ierten Luftflotten: Tagsüber greifen die Fliegenden richshafen ausgesucht hat. Festungen der Amerikaner, bei Nacht die schwe- Um 0 Uhr 48 Uhr rollt die Me110G-4 C9 + EN zum ren viermotorigen Bomber der Engländer an und Start, ein nagelneuer Nachtjäger der allerletzten legen eine Stadt nach der anderen in Schutt und Bauart. Die Maschine nimmt Kurs auf Nancy und Asche. Im Spätherbst 1943 scheint es jedoch so, gewinnt mit ihren zwei je 1.475 PS starken Moto- dasswenigstensdieNachtbomber- offensiven der ren schnell an Höhe. RAF zu stoppen seien. Diese Hoffnung verdanken Die Me110G-4C9 + EN mitOblt. Johnen hinter die deutschen Nachtjagdgeschwader diesen bei- dem Steuerknüppel, der in jener Nacht dem engli- den Zauberworten: «SN- 2» und «Schräge Musik». schen Bomberstrom entgegenrast, ist ein ganz be- Während bei Tage der Kampfgeist der Besatzun- sonderer Vogel. Er hat ausserdem geheimen, gen, die Anzahl und die Qualität ihrer Flugzeuge streng gehüteten Lichtenstein SN-2-Radargerät die Luftüberlegenheit bestimmen, zählt in der und der sogenannten «Schrägen Musik» zwei wei- Nacht alleine die elektronische Ausrüstung. Der tere Besonderheiten an Bord: Der dritte Mann, der hinter dem Funker Ltn. Kamprath vor der «Schrä-

297 beste Abfangjäger ist nur ein unnützes Fluggerät, März der Rekord: Von 795 Nürnberg angreifenden wenn er sein Ziel in stockdunkler Nacht nicht Bombern werden 95 abgeschossen. Allein eine rechtzeitig aufspüren kann. Und die nächtliche einzige Besatzung des l./NJG 6 – Becker- Johans- Überlegenheit in der Luft ist immer mehr den deut- sen-holtsieben Halifax-Bomber herunter. Das alles schen oder englischen Hochfrequenzwissen- geht auf das Konto des neuen Nachtjagdverfah- schaftlern sowie der Funkindustrie als den Flie- rens mit SN-2-Geräten und «Schräger Musik». gern selbst zu verdanken. Sehr oft trennen nur Selbst Nachtjäger, die bisher noch keinen engli- Monate die Einführung eines bestimmten Funk- schen Bomber auf ihrem Konto haben, schiessen messgerätes und den Triumph auf der einen Seite sogar drei von ihnen in einer Nacht ab, und im von dem Tag der Niederlage, an dem der Feind Frühjahr 1944 gibt es kaum einen Nachtjäger, de- ein Mittel findet, es auszuschalten. rohne «Schräge Musik» zu starten wagt. Im Oktober 1943 bekommen die Nachtjäger der Hinter der Bezeichnung «Schräge Musik» verbirgt Luftwaffe das neueste Weitwinkelerfassungs- sich eine Idee, die zu spät und in zu geringem Um- Bordradargerät der Telefunken AG mit dem Deck- fang eingesetzt wird. Im Gegensatz zu dem hoch- namen Lichtenstein SN-2, kurz SN-2 genannt. Es gezüchteten Weitwinkelerfassungs- Bordradarge- ist imstande, die feindlichen Bomber in stockdunk- rät SN-2, für dessen Entwicklung ein ganzes Team ler Nacht bereits auf 6,5 km Entfernung aufzuspü- namhafter Spezialisten arbeitet, ist die «Schräge ren und die Jäger an sie heranzuführen. Der Musik» dem Erbauer, Waffenoberfeldwebel Paul grössere Vorteil des auf der Frequenz 85 Mega- Mahle, zu verdanken. hertz arbeitenden SN-2: Es ist immun gegen die Der pfiffige, aus Berlin stammende Maschinen- «Windows», feine Staniolstreifen, die die Englän- schlosser ersinnt eines Tages die Einrichtung, die deraus ihren Bombern abwerfen, um die deut- den Nachtluftkampf beinahe revolutioniert. So schen Radarleitsysteme lahmzulegen. Zwar erfor- schiesst z.B. Ltn. P. Ehardt von der 6. Staffel des dert dieses SN-2 eine recht schwere, imposante NJG 5 bereits bei seinem ersten Einsatz mit der «Hirschgeweih-Antenne» am Bug der Me 110, «Schrägen Musik» im Herbst 1943 innerhalb von was wiederum die Geschwindigkeit herabsetzt, 29 Minuten vier Bomber ab. «Bisher hat die II./NJG aber dies wird in Kauf genommen. Reichsmarsch- 5 mit der versuchsweise eingebauten Schrägbe- all Göring setzt sich bereits im August 1943 für die waffnung ohne Verluste und Treffer an eigenen höchste Dringlichkeitsstufe bei der Herstellung Maschinen 18 Abschüsse erzielt», notiert in sei- dieses verheissungsvollen Zielfindungsgerätes nem Bericht der Kommandeur Hauptmann M. ein. Anfang Oktober erhalten die ersten Nachtjä- Meurer am 2. Oktober 1943. ger das neue SN-2, und bis zum 1. Februar 1944 Die Einrichtung ist von genialer Einfachheit: Mahle sind bereits 200 Stück bei Nachtjagdgeschwadern baut in seiner Freizeit in einem der Me110-Nacht- im Einsatz. Und die Verluste der RAF bei Nacht- jäger zwei schräg nach oben schiessende 2 cm- angriffen steigen beständig. FF-Zwillingskanonen ein. Der Flugzeugführer ge- Am 28. Januar 1944 werden von 683 Bombern 43 rät jetzt nicht mehr, wie bei Angriffen mit den starr abgeschossen, am 19. Februar kommen von 823 nach vorne gerichteten Bugwaffen üblich, in das Maschinen 78 nichtzurück, in der Nacht des 24. gefürchtete Feuer der Vierlings-s.MG aus den März gehen von 811 feindlichen Flugzeugen 72 Heckständen derfeind- lichen Bomber. Er unter- verloren und in der Nacht vom 30. auf den 31. fliegt einfach die gegnerische Maschine und drückt auf den Knopf, wenn er den Bomber direkt über

298 sich hat. Die breiten, ausladenden Tragflächen mit Die Führung der Luftwaffe weiss nur zu gut, dass ihren schweren Motoren und geräumigen Treib- der britische Nachrichtendienst keine Möglichkeit stofftanks bieten dabei ein ausgezeichnetes und auslassen wird, dem Debakel auf die Spur zu kom- äusserst leicht entflammbares Ziel. men. Eigentlich brauchen die Engländer, um ein Ein zweiter Vorteil: Man befindet sich im toten Win- passables Gegenmittel zu finden, zumindest was kel der zahlreichen bedrohlichen Abwehrwaffen das Radarbordgerät SN-2 betrifft, nicht mehr zu er- der Bomber. Und die Engländer haben bis jetzt es fahren als die Zahl «85», soviel Megaherz beträgt nicht für nötig gehalten, in ihren Maschinen unter nämlich die Frequenz des SN-2. dem Rumpf einen Stand für die Abwehrwaffen ein- Nancy, die in milchigen Dunst gehüllte Hauptstadt zubauen. Nicht selten explodieren die viermotori- Lothringens, hat die Me110C9+EN gerade hinter gen Nachtbomber schon nach einzelnen Schüs- sich, als Ltn. Kamprath das SN-2 Gerät einschal- sen in der Luft oder stürzen brennend zu Boden. tet. Die runden Schirmbilder zu beiden Seiten des Da selbst die Besatzungen, die sich an Fallschir- Sichtgerätes leuchten grell phosphoriszierend auf. men retten können, nicht wissen, aus welcher Links die «S-Röhre» für die Seitenrichtung der an- Richtung sie angegriffen wurden, steht die RAF visierten Maschine und rechts die «H-Röhre» für längere Zeit vor einem Rätsel, nicht ahnend, dass die Höhe. Auf den Schirmbildern der Anzeigeröhre die meisten ihrer Nachtbomber schräg von unten zucken die Zielzacken. abgeschossen werden. Man braucht nicht allzuviel Oberfeldwebel Mahle: «Die angepeilte Maschine Phantasie, um sich die Besorgnis der Engländer war etwa 5 km entfernt. Johnen gab Vollgas, und vorzustellen, als sie ab Herbst 1943 beinahe Nacht nach kurzer Zeit tauchte aus der Dunkelheit die für Nacht enorme Verluste an wertvollem Flieger- schwarze Silhouette eines viermotorigen Bombers personal und Maschinen haben. So verliert das auf. Die Lancaster musste Lunte gerochen haben, RAF-Bomber Command zwischen dem 18. No- da sie sich in eine scharfe Rechtskurve legte und vember 1943 und dem 31. März 1944 1‘047 Flug- ihr Heckschütze uns tüchtig unter Feuer nahm. zeuge, davon dreiviertel von Nachtjägern abge- Johnen ging runter, schob dann unsere Maschine schossen. unter den Bomber, passte sich der Geschwindig- Und die mit dem SN-2 und der «Schrägen Musik» keit der Lancaster an, und dann begannen wir all- ausgerüsteten Nachtjäger sind es schliesslich, die mählich zu steigen. Immer näherschlichsich un- von Herbst 1943 bis Sommer 1944 die geplante sere Me 110 an den riesigen Schatten heran. «totale Vernichtung» Berlins und anderer Städte in Wie gebannt schaute ich nach oben auf den höch- eine «glatte Niederlage» für die Engländer ver- stens 30 m über uns hängenden monströsen Eng- wandeln. (So die offizielle Publikation «The Strate- länder. Dann ging aber alles sehr schnell. Johnen gic Air Offensive against Germany 1943-1945», hatte die Bombertragflächen in seinem unter dem H.M.S.O., London 1961). Kabinendach angebrachten Reflexvisier, drückte Ein Belobigungsschreiben und ein Kuvert mit 500 auf den Auslöseknopf der «Schrägen Musik», und (fünfhundert) RM sind der Lohn für Oberfeldwebel ich sah für einen Augenblick auf den Tragflächen Mahle, nachdem seine «Schräge Musik» vom der Lancaster zwischen beiden Motoren kleine Reichsluftfahrtministerium übernommen worden Feuerblitze auftanzen. Er flog noch eine Weile wei- ist und in die Serienproduktion geht. ter mit in Flammen gehüllten Tragflächen,

299 schmierte dann ab und stürzte steil zu Boden. Eine fergruppe zur anderen weitergereicht. Ich war da- gewaltige Aufschlagexplosion, die kurz darauf tief von überzeugt, dass wir uns immer noch über dem unter uns die Nacht erhellte, zeigte an, dass er deutsch-besetzten Frankreich befanden, und dass seine Bombenlast noch bei sich hatte. die da unten vielleicht junge, nicht sachkundige Inzwischen erhielten wir die Meldung, dass der Bedienungen hatten. Ich schoss eine Unmenge Bomberstrom direkt in Richtung Friedrichshafen Erkennungsmunition ab, aberes half nichts. zog. Gut 15 Minuten nach dem ersten Abschuss Wir versuchten sogar, uns mit unseren Spezial- hatte Ltn. Kamprath bereits den nächsten Englän- funkgeräten mit ihnen in Verbindung zu setzen, al- der ausgemacht, und es spielte sich in derselben les umsonst, Wir kurvten wie verrückt und machten Reihenfolge von vorne ab. Sturzflüge, aber das hatte nur zur Folge, dass wir Nachdem sich die zweite Lancaster tief unter uns in den Bereich der leichten Flak gerieten, die ihr in einen Blitz verwandelt hatte, sahen wir wie ein Feuer auf uns eröffnete, bis Ltn. Kamprath merkte, Bombenteppich nach dem anderen auf Friedrichs- dasserlauterErfassungenmit starkem Bodenecho hafen niederging. Im Nu standen die ganze Stadt hatte: Wir waren zwischen die Berge geraten. Bei und ihre Industrieanlagen in einem riesigen Flam- dieser Kurverei entdeckte ich auf einmal unten ein menmeer. Der Bomberverband nahm jetzt West- eigenartig beleuchtetes Feld, das nach einem kurs und flog seelenruhig nach Hause. Wir hinter Flugplatz aussah, jedoch lag der Leuchtpfad, der ihm. bei uns immer auf dem Flugplatz selbst war, dort Ich hörte, wie Kamprath die Position eines soeben ausserhalb. Wir nahmen an, dass dies einer von erfassten Bombers meldete, und Johnen steuerte unseren Scheinflugplätzen sein könnte, oder wa- die Maschine auf das Ziel zu. Die Lancaster drück- ren wir womöglich schon über der Schweiz? Wir te so stark nach unten, dass Johnen sich nur von rasten im Tiefflug über ihn hinweg. hinten heranziehen konnte. Wo wir waren, wussten wir eigentlich nicht, da wir Gleichzeitig eröffneten die Heckschützen und wir uns schon gut anderthalb Stunden in der Luft be- das Feuer. Ich weiss nicht, ob der Engländer was fanden. Und da wir mit ausgeschalteten Funkgerä- abbekommen hatte, hörte aber dafür das Häm- ten flogen, hatten wirauch keine Ortsangaben. Um mern der Geschossgarben, die in unsere Ma- unsere Lage noch zu verschlimmern, erfasste uns schine einschlugen, und aus dem linken Motor wiederum ein Dutzend Scheinwerfer, die alles zuckten Flammen. In der Kabine roch es nach ge- ringsum in beissendes Licht tauchten. Die Augen, schmortem Kabel. Johnen schaltete den Motor an Dunkelheit gewöhnt, schmerzten irrsinnig, und aus und brachte die Propeller in Segelstellung. Ich wir sausten mit 350 Sachen und Gottvertrauen in schaute zum linken Motor hinüber, da warjetzt al- die Nacht hinein. Ich spürte, wie wir abschmierten, les in Ordnung, der Brand war erstickt. Wir kreisten und hörte gleichzeitig Johnen im Kopfhörer: weiter in einer Höhe von 3‘000 m mit ausgeschal- «Schiesst Notsignal!» Ich schoss eine rote Leucht- teten Bordfunkgeräten, um nicht angepeilt zu wer- kugel nach der anderen, und die da unten blende- den, etwa eine halbe Stunde ohne Ergebnis, bis ten endlich ab. Sobald wir jedoch wieder in norma- wir plötzlich in das Licht von Scheinwerfern gerie- ler Fluglage waren, schalteten die da unten wieder ten, die sich hartnäckig an uns klammerten. Wir ihren Feuerzauber ein. konnten sie überhaupt nicht abschütteln, und als Ich gab nochmals Notsignal, die Reflektoren blen- wirweiter flogen, wurden wir von einer Scheinwer-

300 Zwei von der Besatzung der Me 110 G-4 C9 + EN: Mitte, der Flug- zeugführer Oblt. Staffelkapitän Wilhelm Johnen (23), rechts, Oberfeldwebel Paul Mahle (27), links der Bodenwart

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28. April 1944, Dübendorf, Nachtjäger Messerschmitt Me 110 G-4 C9 + EN mit Nachtjagdsuchgerät-Antenne und Abgas-Flammendämpfern an den Motoren: Diese mit den höchst geheimen Lichtenstein FuG 202- und FuG-220-Funkmessgeräten ausgestattete Maschine brachte die Schweiz an den Rand des Krieges mit Deutschland

Das Gästebuch des Gasthauses Bären zu Biglen: Werte des Dankes von 9 deut- schen Nachtjägern und dem eidgenössischen Kriminalinspektor H.P. Fuchs

Eines der verrücktesten Dokumente des zweiten Weltkrieges: General der Flieger Korten gibt einem Rittmeister freie Hand zur Vernichtung einer der besten Maschi- nen der Luftwaffe

22. Mai 1944, Hagenau: Mitte, Oberfeldwebel P. Mahle, noch in Zivilkleidung aus Bern, berichtet den Kameraden nach der Rückkehr zur Staffel über seine Abenteuer in der Schweiz Old? CtA deten ab, und von unten stieg eine grüne Leucht- Wir hatten gerade noch Zeit, uns geistesgegen- kugel auf, und auf dem Flugplatzgingen die Lichter wärtig die geräumigen Taschen unserer Flieger- an, als Einweisung zur Landung. Es musste also kombinationen mit geheimen Unterlagen vollzu- doch die Schweiz sein! Jetzt schoss auch ich stopfen. Es blieb uns nichtsanderes übrig als aus- «Grün», was soviel hiess, wie «Wir landen!» Sie zusteigen, die Maschine wurde von gut 20 Solda- antworteten ebenfalls mit grün und schalteten die ten, das Gewehr im Anschlag, umstellt. Wir gaben Flugplatzbeleuchtung ein und aus: «Verstanden!» unsere Waffen ab, und dabei drängte sich einer Wir dachten natürlich nicht daran zu landen und der Soldaten an Ltn. Kamprath. «Mensch, mach versuchten, nach Norden zu verschwinden. Blitz- dass du wegkommst!» scheuchte ihn unser Fun- artig wurde es wieder taghell, sie hatten sich nicht ker. Der Soldat, der solche Reaktion nicht erwartet überlisten lassen. Ich schoss wiederum das rote hatte, nahm vor dem Leutnant stramme Haltung Notsignal nach unten, aber sie blieben so lange an. Alle lachten herzlich, und das Eis war gebro- stur, biswirdie beleuchtete Landebahn unmissver- chen, Als «Friedenspfeife» rauchten wir die von ständlich mit ausgefahrenem Fahrgestell ansteu- dem Schweizer Offizier angebotenen Zigaretten. erten. Und plötzlich sah ich am Rande des Feldes Und während wir so rauchten und friedlich grosse Hallen und dazwischen ganze Reihen von quatschten, fragte ich kurz entschlossen den Flugzeugen. Ich teilte Johnen dies mit, der darauf Schweizer Oberleutnant, heute einer der Chefs zur Landung ansetzte. der eidgenössischen Luftwaffe, ob ich nochmal in In dem Augenblick, als die Räder den Boden be- die Maschine dürfte, «da ich noch etwas Persönli- rührten, fielen wie unter einem Zauberstab sämtli- ches drin hätte». Ich wusste nämlich, wo der che Lichter auf dem Flugplatz aus, und um uns Sprengsatz war, mit dem man das Flugzeug in die herum war es stockdunkel. Johnen schaltete den Luft jagen konnte, und dann hätte ich nur zu zie- Bordscheinwerfer ein und in dessen Lichterkann- hen brauchen, und da wäre das Ding weg gewe- ten wirdichte Reihen von abgestellten Fliegenden sen. Ich bin auch rauf, aber ich musste, um an den Festungen und Liberators. Ein starker Scheinwer- Sprengsatz zu gelangen, nach vorne zum Flug- fer erfasste uns direkt von vorn und blendete uns zeugführersitz, weil da der Griff zum Ziehen war. unheimlich. Wir rasten dicht an den amerikani- Ich wurde aber so scharf bewacht, dass, als ich schen Bombern vorbei. Johnen bremste mit aller mich nun über meinen Sitz hinaus zum Flugzeug- Kraft. führersitz durchquetschen wollte, sie mich an den Während wir ausrollten, war der Ltn. Kamprath ge- Beinen zurückzogen. Nach diesem kleinen Zwi- rade dabei, die vor seinem Sitz angebrachten Ge- schenfall wurden wir in einem Mercedes quer über räte mit den Stiefeln zu zertreten, doch dieser ver- den Flugplatz in das Kasino gebracht. zweifelte Versuch blieb ohne grossen Erfolg. Wir Ich schaute auf meine «Omega» – es war 2 Uhr standen, und auf einmal, ich war gerade damit be- 13. Schon am Eingang kamen uns Lärm und Mu- schäftigt, die «Schräge Musik» auseinanderzu- sik entgegen. Drinnen belagerten, in Zigaretten- montieren, klopfte jemand über meinem Kopf an rauch gehüllt, Yankees die Theke. Es waren die das Kabinendach. Ich blickte hoch und hörte auf Besatzungen der hier in den letzten Tagen zu Dut- Deutsch: «Bitte steigen Sie aus, Sie sind in der zenden gelandeten amerikanischen Bomber. Mit Schweiz, Sie sind interniert.» Es war ein Oberleut- lautem Hallo! stürzten sie sich auf uns, fielen uns nant der Schweizer Fliegertruppe, wir waren in Zü- um den Hals wie alten Freunden, schüttelten uns rich-Dübendorf.

303 die Hände, klopften uns auf die Schultern und Morgens, zwischen 6 und 7 Uhr, kam ein Major, steckten uns ganze Zigarettenpackungen zu. Je- der sozusagen die Wache für die nächsten 24 mand brachte Champagner, und es wurde auf un- Stunden übernahm. Er musste sich selbst über- ser Wohl ein Toast ausgebracht. zeugen, ob alles in Ordnung sei. Und ich habe Wir setzten uns mit ein paar Schweizer Offizieren mich mit ihm unterhalten. Noch bevor er wegging, an einen Tisch in dem Nebensaal. Das Frühstück sagte er leise zu mir: «Wenn ich gestern Dienst ge- war wirklich prima. Bei Wein unterhielten wir uns habt hätte, ich hätte gesagt «Mensch, mach dass freundlich mit unserer Begleitung und dachten du wegkommst!» Und zum Abschied sagte er mir während der ganzen Zeit, wie wir den ganzen Ge- noch: «Wenn Ihr wieder nach Deutschland kommt, heimkram, der keineswegs den Fremden in die sagt euren Soldaten, dass viele tausend Schwei- Hände fallen durfte, los werden könnten. Wir zer Soldatenherzen den deutschen Soldaten zu- tauschten mit ihnen unsere Erfahrungen aus, und schlagen.» einervon ihnen-ein Oberleutnant mit einem Namen Jemand hatte uns Rasierapparate besorgt, und so ähnlich wie ‚Walter‘, ein gebürtiger Leipziger, nach dem Frühstück erschien ein Oberst mitein der nach hieremigriert war – erwähnte nicht ohne paar Nachrichtendienstoffizieren, und wir wurden Stolz, dass er selbst über der Schweiz zwei vier- einzeln verhört. Ich hatte – wie üblich – keine Per- motorige Bomber abgeschossen hätte. sonalpapiere bei mir, also weder ein Soldbuch Nach dem Essen, als die Offiziere sich von uns noch etwas anderes, lediglich einen kleinen Flie- verabschiedeten, wurden wir, jederdurch einen gerausweis mit Heimatadresse und Dienstgrad, Soldaten bewacht, in einzelne Zimmer, ich glaube den habe ich auf den Tisch gelegt und weiter keine es war im zweiten Stock, gebracht. Vorher er- Aussagen gemacht. Als einziges sagte ich: «Ich laubte man uns noch, die Toiletten zu benutzen. will Ihnen was sagen, meine Frau, meine Mutter, Die Soldaten postierten sich zwarvor der Tür, aber meine Schwiegereltern wohnen in Berlin, ich bin es gelang uns letztlich doch, wenigstens die aller- selbst über Berlin geflogen, ich weiss, was sie Tag wichtigsten Papiere mit dem Wasser wegzuspü- für Tag, Nacht für Nacht erleben, was dieser Bom- len. Die grösste Schwierigkeit hatte dabei natürlich benkrieg für eine Wirkung hat.» Dann wurde ich Leutnant Kamprath mit seiner umfangreichen überhaupt nichts mehr gefragt. Sammlung. Übrigenshat sich später kein Mensch Es vergingen zwei Tage, und keiner hat sich um um eine Untersuchung oder eine Leibesvisitation uns gekümmert, weder die deutsche Botschaft, gekümmert. noch sonst jemand. Wir sassen den ganzen Tag Meine Unterkunft war ein grosser Raum, passend allein in unseren Zimmern und glotzten aus dem für eine zehnköpfige Besatzung, und ich lag allein Fenster. Wir trafen uns nur zum Essen. Am dritten in diesem Zimmer. Vor der Tür stand der Posten. Tag, ich glaube, es war Sonntag, der 30. April, Die Fenster waren zwar nicht vergittert, aber als machte sogar die ältere Dame, die uns in der Kan- ich versuchte, sie aufzumachen, um eine Möglich- tine betreute, eine Bemerkung: «Ich verstehe das keit zur Flucht zu erkunden, wurden sie sofort mit nicht, wenn sonst deutsche Flieger gelandet sind, einem starken Scheinwerfer angeleuchtet. Für dann war am nächsten Tag gleich der Militäratta- mich stand fest: «Du kommst hier nicht raus!» Ich ché da oder sogar der deutsche Gesandte. Die an- habe diese Nacht recht unruhig geschlafen und al- deren waren höchstens 24 Stunden hier. Aber bei lerlei geträumt. euch, da stimmt was nicht.»

304 Am frühen Nachmittag des dritten Tages, am Gestapo an. Nach peinlich genauen Hausdurchsu- Sonntag, den 30. April, kommt jedoch Major Mack, chungen und Beschlagnahme von allen möglichen der Adjutant von Militärattaché Oberst Gripp nach Fotos und Korrespondenz werden die Wohnungen Dübendorf, ‚ein anständiger Kerl‘, wie Mahle be- versiegelt, die Angehörigen ins Gefängnis ge- tont. Er erklärte uns, dass wir jetzt unter seiner Ob- bracht. Gerade an diesem Morgen kommt zufällig hut blieben und in der Schweizer Hauptstadt den die Frau des Oberfeldwebels Mahle aus Ober- Lauf der Dinge abwarten müssten. Dann fuhren schlesien nach Berlin, um ihre Eltern zu besuchen. wir in seiner Begleitung und unter Bewachung der Sie wird mit ihnen zusammen verhaftet und in das Schweizer Soldaten mit der Bahn nach Bern. Gefängnis am Alexanderplatz gebracht. Wir hatten zwar noch unsere Uniformen an, aber Auch SS-Obersturmbannführer Skorzeny, Chef darüber die Lederjacken der Fliegerkombination, der Sabotageunternehmungen, der sich bei der und so sahen wir auf den ersten Blick wie harm- Befreiung von Mussolini aus dessen Inhaftierung lose Zivilisten aus. Als wir jedoch vom Bahnhof auf dem Gran-Sasso-Massiv im September 1943 Bern zu unserem Hotel fuhren, wurden wir in der einen Namen machte, wird eingeschaltet. Skor- Strassenbahn sofort als deutsche Flieger erkannt. zeny: «Am Vorabend eines Doppelfeiertages sass Und dabei ist es mir und meinen Kameraden pas- ich mit alten Freunden am Wannsee, als ich plötz- siert, dass unsdie Leute heimlich Fränkli in die lich ans Telefon gerufen wurde; das Führerhaupt- Hand gedrückt haben. Wir wurden in einem erst- quartier meldete sich. Eine tolle Sache, in der letz- klassigen Hotel einquartiert und von jetzt an von ten Nacht zum Freitag passiert und eben erst be- Polizisten in Zivil bewacht.» Die drei Flieger wis- kanntgeworden. Ein Messerschmitt-Nachtjäger, sen nicht, dassinzwischenan oberster Stelle in der das neueste Nachtpeilgerät mit sich führte, Deutschland ihre Angelegenheit mit Hochdruck hatte sich angeblich verflogen und war auf einem bearbeitet wird und ihr Leben an einem recht dün- Schweizer Flugfeld gelandet. Die ganze Welt wus- nen Faden hängt. ste, dass es in der Schweiz von Spionen und Noch in der Nacht, unmittelbar nach der Landung, Agenten aus aller Welt nur so wimmelte. Es muss- gibt die Schweiz routinemässig die Personalien te also mit allen Mitteln verhindert werden, dass der notgelandeten Besatzung an den deutschen dieses neue deutsche Nachtjagdgerät dem Feind Militärattaché durch, der wiederum Göring Mel- bekannt wurde. dung macht. Der Reichsmarschall benachrichtigt Der Auftrag an mich lautete: alles zu tun, um er- sofort Hitler, der dem Reichsführer-SS, Heinrich stens festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine Himmler, den Befehl erteilt, die drei Fliegerzu liqui- Notlandung handelte, oder ob die Besatzung de- dieren. Zu dieser Stunde setzt auch die Sippenhaft sertiert war. Zweitens sollten Vorschläge ausgear- ein. Als Göring davon Wind bekommt, dass Himm- beitet werden, wie das Gerät auf dem raschesten ler ein Mordkommando in die Schweiz entsenden Wege wieder in deutschen Besitz kommen oder will, interveniert er persönlich bei Hitler und ver- aber vernichtet werden konnte. Auch der Reichs- langt ein ordentliches Gerichtsverfahren für die führer SS hatte sich eingeschaltet und rief kurz da- drei und erklärt, «er lasse sich seine Flieger nicht nach an und wollte laufend Berichterstattung über- in einem neutralen Land abknallen». den Fortschritt der Angelegenheit haben. Bereits am Samstagvormittag, dem 29. April, Nun wurde es in dem nächtlich stillen Wannsee klopft bei den Familien der Me 110-Besatzung die

305 heim lebendig. Zwei meiner Offiziere, Besekow Schweiz fahren, um zu versuchen, auf dem Flug- und Hunke, befahl ich zu mir. Durch Anruf beim platz an die Maschine heranzukommen und das Kampfgeschwader 200 hatte ich mittlerweile ver- Gerätzu vernichten. Dazu hatte ich aber noch eine schiedene Daten des Flugzeuges festgestellt, Be- Forderung an den Nachrichtendienst zu stellen. Es triebsstoffinhalt, Betriebsstoffverbrauch und Akti- musste zuerst eindeutig erkundet werden, wo die onsradius. Auch der Abflughafen des Nachtjägers Maschine untergebracht war. Erst dann erklärte war bald ermittelt. Ein Blick auf die Karte und ei- ich mich bereit, diesen Einsatz zu wagen. nige kurze Besprechungen zeigten, dass es sich Der ganzen Angelegenheit wurde vom Führer- auf keinen Fall um ein «Verfliegen» handeln konn- hauptquartier die grösste Bedeutung beigemes- te. Sie waren also desertiert. Umso grösser war sen. Am nächsten Tag noch mussten die beiden jetzt die Gefahr. Weitere Telefonanrufe klärten ihre Offiziere mit einer Kuriermaschine nach Berch- Namen und Personaldaten. Auch Schellenberg tesgaden fliegen, um Bericht zu erstatten und die wurde von den Geschehnissen verständigt und beiden schriftlich fixierten Vorschläge vorzulegen. kam zum Wannsee. Der Leiter des politischen Schellenberg und ich hatten diese meiner Sekre- Nachrichtendienstes für die westlichen Länder, tärin diktiert, die ihre Sonntagsruhe für diesen Obersturmbannführer Steimle, Schellenberg und Zweck opfern musste.» (Aus: First U.S. Army In- ich grübelten gemeinsam über das Problem nach. terrogation Report – 1945) Der Besatzung der Me Schliesslich kamen wirzu zwei Lösungen, die wir 110G-4 stehen nun einige unbeschwerte Wochen auch auf dem Dienstweg dem Führerhauptquartier bevor. Oberfeldwebel Mahle: «Am nächsten Mor- vorschlagen wollten: Es musste der Versuch ge- gen, dem 1. Mai, wurde der «Tag der Arbeit» von macht werden, auf dem Verhandlungsweg etwas der deutschen Kolonie im Berner Kursaal feierlich zu erreichen. Auf keinen Fall konnten wir anneh- begangen. Wirdurften dabei sein. Der riesige Saal men, dass die Schweiz ihre Neutralität verletzen war schon brechend voll, als wir ankamen, und der und den Nachtjäger oder zumindest das neue Ge- Ansager stellte uns mit den Worten vor: «Als Über- rät an Deutschland ausliefern würde. Dafür muss- raschung für das heutige Fest haben wir drei not- te natürlich etwas geboten werden. Wir wussten, gelandete deutsche Flieger hier!» Die Ovationen, dass die Schweiz Messerschmittjäger von die man uns entgegenbrachte, waren wirklich Deutschland erhalten wollte und derzeit nicht be- herzlich, wir gingen auf die Bühne, waren aber so kommen konnte. Übereinen Offizier der Waffen- gerührt, dass wir nur den deutschen Gruss entbie- SS hatte das Amt VI Verbindung mit hohen Offizie- ten konnten. ren derSchweizer Armee. Einem von ihnen sollte Später kamen Mädels und Jungs zu uns an den der Vorschlag gemacht werden, dass bei Liefe- Tisch, baten uns um Autogramme und brachten rung von – soweit ich mich erinnere – zehn Mes- Schokolade, Zigaretten, Körbe voller Blumen und serschmittjägern gegen normale Bezahlung die eine ganze Menge Einladungen. Natürlich liess Schweizer Armee die Vernichtung des Flugzeuges uns die Kriminalpolizei nicht aus den Augen. mit dem Geheimgerät vornehmen würde. Als das Fest um Mitternacht zu Ende ging, sagte Falls die Schweizer Armee dazu aber nicht zu be- der Berner H.J.-Führer zu mir: «Mensch, Paul, wegen wäre, müsste etwas anderes gleichzeitig komm doch heute zu mir, meine Frau hat Kuchen vorbereitet werden: Meine beiden Offiziere sollten gebacken!» «Wie komme ich hier «raus?» mit einem oder zwei Sprengspezialisten in die

306 Ach, das machen wir schon, du musst nur mal zur Kränzen um den Hals in Richtung Deutschland zu Toilette gehen, und dann drehen wirdasschon.» radeln, als ob wirzu einer Beerdigung eilten. Aber Also ging ich zur Toilette und verschwand in einem daraus wurde nichts. Urplötzlich, als es den Mä- passenden Augenblick mit meinem Gastgeber. dels bereits gelungen war, die Anzüge und Fahr- Die Polizei hat mich natürlich gesucht, aber nicht räder irgendwie zu besorgen, kamen wir nach nicht gefunden. ganz einer Woche von Flamatt weg nach Riggis- Am nächsten Tag wollte ich mir endlich mein Haar berg. schneiden lassen, und der Mann führte mich zu Hier, im Gasthaus «Zur Sonne», wo wir Quartier seinem Friseur. Ich bekam gleich Platz, und da bekommen hatten, trafen wir zu unserer Überra- kam er zu mir und flüsterte: «Weisst du, wer neben schung auch drei deutsche Nachtjäger, die sich im dir sitzt? Ein englischer General.» Doch die Polizei Frühjahr 1944 «in die Schweiz verfranst» hatten. hatte das spitz bekommen und tauchte plötzlich in Gelegentlich besuchte uns auch der deutsche Ge- der Wohnung auf, und am Abend wurde ich wieder sandte in Bern mit seiner Frau. Einmal fragte er ins Hotel gebracht. mich: «Na, wie gefällt es Ihnen hier, Paul!» «Wie- Major Mack kümmerte sich in rührender Weise um so, ganz gut, aber die wollen meine deutsche Mark uns, brachte uns die Tagespresse, ganze Stapel hier nicht haben.» Er merkte gleich, dass wir knapp deutscher Illustrierten und Blechdosen voller Ziga- bei Kasse waren, und drückte mir dann bei einer retten. Wir paradierten jetzt in kleidsamen Anzü- Gelegenheit, als er mich einmal alleine erwischte, gen, die uns Mack in einem Berner Kaufhaus be- 100 Fränkli indie Hand und sagte: «Da, teilt’s sorgt hatte. Was uns allerdings Kummer machte, Euch!» Das warwirklich ein feiner Kerl. war, dass wir unsere Familien von hier aus nicht Von Rigelsberg aus kamen wir nach etwa einer verständigen konnten und die, nachdem sie Nach- Woche mit unserem Leibwächter, dem Schweizer richt erhalten hatten, dass wir nicht zu unserem Kriminalpolizisten H. P. Fuchs und den drei ande- Fliegerhorst zurückkehren würden, womöglich ren Nachtjägern um den 15. Mai nach Biglen in dachten, wir wären tot. Am 3. Mai wurden wirnach- den Gasthof «Zum Bären». Zu unserer Überra- mittagszum Bahnhof gebracht und fuhren, auch schung trafen wir hier wieder auf eine deutsche weiterhin unter Bewachung, in die französische Besatzung: jetzt waren wir also zu neun Mann im Schweiz. Hier, im Ort Flamatt, warteten in einem «Bären-Biglen» interniert und dazu unser Leib- der Gasthäuser schon Quartiere auf uns. Am sel- wächter Fuchs.» ben Abend lernten wir die drei Töchter des dorti- Und während die drei Flieger der Me 110 ihren un- gen Friseurs, eines Deutschen, kennen. Es waren freiwilligen Urlaub in dem reizvollen Biglen ausko- hübsche, aufgeweckte Mädels, so um die 20 her- sten, laufen hinter den Kulissenderpolitischen um, mit denen wir uns auch anfreundeten. In Fla- Bühne pausenlose Diskussionen, wie man das lä- matt durften wir uns einigermassen frei bewegen, stige Problem unter Wahrung der verzwickten und sofort wurden Fluchtpläne geschmiedet. Ich Neutralitätsregeln am schnellsten wieder los wird. habe angefangen, Verpflegung zu sammeln. Je- Die Zeit drängt, vor allem als der reibungslos funk- den Tag wurde eines der Weissbrotezu Zwieback tionierende eidgenössische Geheimdienst aus getrocknet und Obst zur Seite gelegt. Berlin die alarmierende Nachricht bekommt, dass Die Mädels hatten uns schon Rucksäcke besorgt Hitler entweder einen Bombenangriff oder einen und suchten nun nach passenden schwarzen An- Kommandoeinsatz auf den Flughafen Dübendorf zügen und Fahrrädern. Wir planten nämlich, mit

307 plant, um die Maschine samt ihrer kostbaren Ein- 110C9-EN aus Dübendorf zurückzuholen oder so- richtung zu zerstören, bevor die Alliierten hinter ihr gar den Flugplatz zu bombardieren, um die Ma- Geheimnis kommen. Jedoch ahnt man weder in schine zu zerstören. Dass dieser Plan bis jetzt Berlin noch anderswo, dass die Schweizer in wei- noch nicht ausgeführt wurde, meint Masson, sei ser Voraussicht gleich am nächsten Tag die wich- lediglich der lntervention General Schellenbergs tigsten Teile der Sondereinrichtung behutsam aus- bei Hitler zu verdanken. montieren, sie auf Herz und Nieren überprüfen und Auch der Kommandant der Fliegertruppe, Oberst- im streng gehüteten unterirdischen Armeedepot div. Rihner, erwähnt, dass der deutsche Militärat- Bouchs aufbewahren, «bis die Situation geklärt taché, Oberst Gripp, ihm berichtet habe, in der ist». Umgebung des Führers spreche man von einem Am Freitag, dem 12. Mai 1944, findet vormittags in geplanten Handstreich auf Dübendorf, was Gripp einem der Räume des Militärdepartments in Bern sogleich durch sein persönliches Einschalten ver- eine eilig zusammengerufene Konferenz statt. An- sucht zu verhindern. wesend sind General Guisan, Oberstdiv. Rihner, Um allen Komplikationen aus dem Weg zu gehen, Kommandant der Flieger- und Fliegerabwehr- hat Rihner es Major Mack, dem Adjutanten von truppe, Oberstbrig. Masson, Chef des eidgenössi- Oberst Gripp, gestattet, sich von den Vorsichts- schen Nachrichtendienstes, Oberstleutnant Bar- massnahmen, die die Schweizer Militärbehörden bey, Major Primault und der aus Berlin angereiste zur Sicherung desGeheimnisses um die Me 110 Schweizer Militärattaché, Major Peter Burckhardt. C9-EN getroffen haben, selbst zu überzeugen. Mit dem Militärattaché ist ebenfalls aus der Reichs- Auf persönlichen Wunsch Görings begleitet der hauptstadt ein gewisser Herr Eggen angekommen. schweizerische Militärattaché, Major Burckhardt, SS-Sturmbannführer Hans W. Eggen vom Stabe Rittmeister Eggen nach Bern. Man ist bemüht, Himmlers, der sich Rittmeister titulieren lässt und diese Sache möglichst unauffällig aus der Welt zu das Vertrauen der obersten NS-Prominenz ge- schaffen. Die Deutschen wollen – nach Burck- niesst, führt im Laufe des Krieges zahlreiche Bo- hardts Worten – 500‘000 Schweizer Franken pro tengänge zwischen Berlin und der Schweiz durch Maschine haben, was Rihner jedoch als teuer und ist somit in Bern eine bekannte Erscheinung. empfindet. Er meint aber, «dass das Angebot vom Man diskutiert nun die von Rittmeister Eggen über- rein militärischen Gesichtspunkt aus interessant mittelten Vorschläge Hitlers und Görings: Für die wäre». Rückführung der Me 110 C9-EN wären die Deut- Zum Schluss der Diskussion betont General Gui- schen bereit, der Schweiz sofort sechs Flugzeuge san den zusätzlichen politischen Aspekt dieser Me 109 G und sechs weitere desselben Modells Transaktion, wobei eran die Reaktion der Westal- nach einer Woche zu liefern. Rittmeister Eggen er- liierten denke. Der General verabredet sich am wartet innerhalb von zwei Tagen die Antwort. Der Nachmittag des gleichen Tages mit Bundesrat von Chef des schweizerischen Nachrichtendienstes, Steiger, um mit ihm das Für und Wider noch ein- Oberst brig. Masson, hat eine vertrauliche Mel- mal gründlich zu beraten. dung bekommen, dass man in Berlin einen Hand- An dieser zweiten Konferenz, die im Bundeshaus streich auf Dübendorf vorbereitet, ähnlich der Be- stattfindet, nehmen sowohl Bundesrat von Steiger, freiung Mussolinis vom Gran Sasso, um die Me Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartments und stellvertretender Verteidigungsminister, als auch

308 die Militärs aus der Vormittagssitzung teil. Lande, Bundespräsident Pilet-Golaz, erst einige Nachdem man Bundesrat von Steiger in die Affäre Stunden vor der geplanten Sprengung der Me 110 der ME 110C9-EN eingeweiht hat, stellt General davon erfahren. Er zitiert sofort den deutschen Ge- Guisan abschliessend fest, «dass die Frage der sandten Koecher, der übrigens auch nichts von Neutralität sehr wichtig ist», und er setze voraus, dieser Sache weiss, zu sich, teils um sein Gesicht dass die Alliierten von der Transaktion mit Göring zu wahren, teils um seine Empörung über den benachrichtigt werden. Man beschliesst, Bundes- Nachrichtendienstchef Masson auszulassen, vor rat von Steiger solle die ganze Angelegenheit «so allem aber um seine Unzufriedenheit, dass man schnell wie möglich» prüfen. Die Deutschen erhal- ihn übergangen hat, zum Ausdruck zu bringen. ten sofort einen Zwischenbescheid, «dass die Koecher, kaum wieder in der Gesandtschaft, ka- Schweizer Regierung die Frage aufgegriffen habe belt sofort nach Berlin: und sie bereits untersuche». Der Ernst der Situation ist für jeden, dervon der An das Auswärtige Amt Geheime Reichssache Sache weiss, klar: Greifen deutsche Bomber oder aus Bern Nr. 1610 vom 17.5.44. Sonderkommandos den Flugplatz Dübendorf an, so bedeutet dies den offenen Krieg mit Hitler- Der schweizerische Aussenminister, Bundesrat Pi- Deutschland und allen sich daraus ergebenden let-Golaz, bat mich heute mittag dringend zu sich, Konsequenzen. um mir Folgendes mitzuteilen: Noch am Abend des 12. Mai informiert Major «Wie er erst jetzterfahren habe, befindesich seit 8 Burckhardt den Rittmeister Eggen, dass die Rück- oder 10 Tagen in der Schweiz ein deutscher Ritt- gabe der Me 110 C9-EN wenig Aussicht auf Erfolg meister Eggen, um mit Vertretern des Schweizer verspreche. Nun schlägt Eggen – von Göring weit- Nachrichtendienstes Verhandlungen über das in gehend bevollmächtigt – vor, die Maschine samt Dübendorf notgelandete moderne deutsche Jagd- der eingebauten Ausrüstung in Dübendorf restlos flugzeug zu führen. Eggen habe erzählt, das Flug- zu zerstören. Und falls die eidgenössische Regie- zeug sei technisch von besonderem Interesse für rung diesem Vorschlag zustimmen wird, erhält die deutsche Luftwaffe und müsse daher zurück- Reichsmarschall Göring sein Angebotzursoforti- gegeben werden. Als Gegenleistung habe er zu- gen Lieferung vonzwölf Me 109 G aufrecht. Davon nächst die Lieferung von 10 Jagdmaschinen und würden sechs Jagdmaschinen noch am Tage der darauf die Überlassung der Baulizenz für diese Sprengung der Me 110 und die weiteren sechs Me Maschinen angeboten. 109G drei Wochen später in der Schweiz eintref- Eggen habe auch von einer langen Besprechung fen. zwischen hohen Offizieren der Luftwaffe in Görings neuer Vorschlag hat für die Schweiz ei- Deutschland erzählt, in deren Verlauf der Gedanke gentlich nur Vorteile: Sie wird von der Verantwor- aufgetaucht sei, mit deutschen Flugzeugen in Dü- tung, das Geheimnis der Me 110C9-EN zu wah- bendorf überraschend zu landen, um das in Rede ren, befreit und kommt so schnellstens zu den stehende Flugzeug durch einen Gewaltstreich zu dringend benötigten Jagdmaschinen, die sie auf beseitigen. Der Plan sei dann fallengelassen wor- anderem Wege nicht hätten beschaffen können. den. Erstaunlicherweise hat der wichtigste Mann im Im übrigen hätten sich die schweizerischen Exper- ten über das weitgehende Angebot Eggens ge-

309 wundert, da ihnen bei Besichtigung der Maschine für die deutsche Luftwaffe so bedeutungsvollen und ihrerEinrichtungen nichts besonderes aufge- Flugzeuges zu mirgekommen wären, um mich zu fallen sei. Bundesrat Pilet fügte hinzu, dass eine bitten, dass ich das Flugzeug auf der Stelle zerstö- Herausgabe des notgelandeten bewaffneten Flug- ren lasse, so hätte ich dieser Bitte als ehrlicher zeuges – der Neutralität widersprechend – nicht in- Neutraler – sofort – entsprochen. Ich hätte nichts frage kommen könne. Die gleiche Haltung müsse dagegen gehabt, wenn Sie oder der Luftattaché, und würde er auch den Feinden Deutschlands ge- Oberst Gripp, der für diese technischen Dinge be- genüber einnehmen. sonders qualifiziert ist, bei der Zerstörung in Dü- Rittmeister Eggen habe dann über die Zerstörung bendorf anwesend gewesen wären, ja, ich hätte des Flugzeuges verhandelt. Der Chef des schwei- sogar die Erlaubnis dazu erteilt, dass Oberst Gripp zerischen Nachrichtendienstes, Oberst Brigadier die Zerstörung selbst vorgenommen hätte. Ich Masson, habe sich bereit erklärt, das Flugzeug muss mich aber auf das Entschiedenste dagegen zerstören zu lassen, wenn Rittmeister Eggen ihm verwahren, dass derartig delikate Angelegenhei- eine von autorisierter Seite stammende Ermächti- ten auf unoffiziellem Wege zur Verhandlung gelan- gung dazu vorweise. Eggensei darauf wieder nach gen, denn es handelt sich dabei um eine Frage, die Deutschland geflogen und habe ein Schriftstück das schweizerische Staatsmaxim der Neutralität mitgebracht, das mir Bundesrat Pilet zu lesen gab. unmittelbar berührt. Es trug den Kopf «Der Chef des Generalstabs der Offiziere unserer beiden Länder können überhaupt Luftwaffe» und war unterzeichnet «Korten, Gene- nur in tatsächliche Verhandlungen eintreten, – ral der Flieger». Es enthielt dem Sinne nach fol- nachdem – die politischen Instanzen sich in der genden Satz «Rittmeister Eggen ist ermächtigt, Frage geeinigt und einen Auftrag dazu erteilt ha- das in Dübendorf notgelandete Flugzeug zu zer- ben. Wie Sie aus meinem Angebot ersehen, ist die stören.» Bundesrat Pilet war über das gewählte Schweiz bereit, das Flugzeugzu zerstören. Ich Verfahren der heimlichen Gespräche hinter sei- frage Sie daher hiermit amtlich, ob ich das Flug- nem Rücken mit dem Chef des schweizerischen zeug sofort zerstören lassen soll.»« Nachrichtendienstes über wichtige Fragen, die mit Ich habe Bundesrat Pilet geantwortet, dass mir der Aussenpolitik auf das engste verknüpft sind, über den Vorgang nichts bekannt sei. Der Rittmei- äusserst aufgebracht, ererklärte mir, derartige Un- ster Eggen habe sich nicht auf der Gesandtschaft terhaltungen hätten zu unterbleiben. Sie würden gemeldet. Ich würde nunmehr meiner Regierung diesmal Oberst Brigadier Masson «wohl den Kra- schnellstens telegraphisch Bericht erstatten und gen kosten». um Weisung bitten, wie ich seine, des Bundesrats, Er bitte mich aber, nachdrücklichst bei meiner Re- präzise Frage zu beantworten hätte. gierung darauf hinzuwirken, dass Verhandlungen Erbitte Drahterläss citissime. von solcher Tragweite nicht von Personen, wie es Koecher. der amtlich unqualifizierte «Rittmeister Eggen» zweifellos sei, unmittelbar mit dem schweizeri- Einige Stunden danach, am Abend des 17. Mai schen Nachrichtendienst geführt würden. 1944, treffen auf dem Flugplatz Dübendorf der Der Bundesrat fügte wörtlich hinzu: «Wenn Sie, Kommandant der Fliegertruppe, Oberst div. Rih- Herr Minister, unmittelbar nach der Landung des ner, und der Chef der kriegstechnischen Abteilung,

310 Oberstbrig. von Wattenwyl, in Begleitung ihrer Bestätigung Stabsoffiziere, ein. Anschliessend erscheint eben- Ich bestätige: falls Rittmeister Eggen mit dem extra aus Deutsch- land kommenden Sprengspezialisten, H. Brand. Flugzeug Me 110, C9 + EN Kurz zuvor hat man aus dem Militärdepot Buochs mit vollständiger Ausrüstung, Instrumentierungen, die abmontierte Sondereinrichtung abgeholt und in Funkgeräten, Waffen usw. besichtigt zu haben. den Nachtjäger wieder eingebaut. Die riesengrossen Tore des stark bewachten, ab- Das Flugzeug wurde in dem von mir besichtigten seits der Flugplatzanlagen stehenden Hangars Zustand während meiner ständigen Anwesenheit werden zur Seite geschoben. In dem schwachen vom Unterkunftsort auf den Vernichtungsort ge- Licht zeichnet sich die Silhouette der in Planen ge- führt und dort durch Sprengung und Brand zer- hüllten Me 110ab. Nachdem die Maschine aus ih- stört. rem Versteck gerollt wird, zieht Rittmeister Eggen Die Zerstörung erfolgte am 17. Mai um 22.00. 17. Mai 1944 einen Ordner aus der Aktentasche, steigt in die Der Beauftragte der Kanzel und inspiziert die Inneneinrichtung anhand Deutschen Luftwaffe seiner Unterlagen. Dann stellt er noch eigenhändig Eggen fest, ob die ausladende «Hirschgeweih»-Antenne auf der Bugnase in Ordnung ist, und der mattglän- «Die deutschen Vertreter verlangten die vollstän- zende, fast nagelneue Nachtjäger kann seine letzte dige Zerstörung des Flugzeuges mit dem gesam- Reise antreten, ohne dass Rittmeister Eggen die ten Inhalt, den die Maschine anlässlich ihrer Lan- Maschine aus den Augen lässt. Es dauert eine dung in Dübendorf aufwies», berichtet am 19. Mai ganze Weile bis die von dem Schlepper gezogene 1944 Oberstdiv. Rihner General Guisan. «Von ei- Me 110 die entfernteste Ecke des Flugplatzes er- ner Abgabe der beiden Motoren und eventuell an- reicht. Hier legen unter Anleitung des Sprengmei- derer Bestandteile wollten sie auch nichts wissen. sters H. Brand die eidgenössischen Pioniere in und Sie verlangtenebenfallsdie gleichzeitige Zerstö- um das Flugzeug die Sprengsätze. Inderspärlichen rung der gesamten im Flugzeug befindlichen Mu- Beleuchtung huschen sie wie Schatten vorbei. nition. Trotz sternklarer Nacht ist es stockdunkel, und es Die Zerstörung war durch Kdm.FLW.P1. Düben- herrscht eine seltsame Ruhe in dieser windstillen dorf vortrefflich vorbereitet worden. Vom Flugzeug Mainacht. Einerder Pioniere befiehlt den Anwesen- ist wenig übriggeblieben. den, hinter dem entlang des Schauplatzes ziehen- Herr Oberst brig. v. Wattenwyl war vom E.M.D. be- den Erdwall in Deckung zu gehen. Von weither- auftragt, Verhandlungen mit der deutschen Dele- schlägteine Kirchturmuhrgerade 10mal, als der gation zu führen. Ich beschränkte daher meine Tä- Feuerschein einer gewaltigen Explosion mit hun- tigkeit auf die Überwachung der Spreng- und Si- dertfachem Echo die Dunkelheit zerreisst. cherungsmassnahmen», schreibt Rihner in sei- Ein Stapel verbogenes, angesengtes Metall und nem Bericht. ein paar Aktennotizen schliessen die Me 110-Af- «Über die Sprengung der deutschen Messer- färe ab: schmitt-Maschine», benachrichtigt Kobelt, Chef des Militärdepartements, den Bundesrat von Stei- ger, «hat das Territorialkommando 6 der lokalen Presse von Dübendorf folgende Mitteilung zukom- men lassen:

311 «Die Lichterscheinungen und Explosionen, die ge- liche Panne passierte: Alser uns nämlich in Aus- stern Nacht nach 22.00 Uhr von Pfäffikon aus in übung seines Dienstes zu einem Abschiedsemp- Richtung Dübendorf wahrgenommen wurden, fang in der deutschen Gesandtschaft begleitete, stammen, wie wir zur Beruhigung unserer Leser erhielt der arme Mann anschliessend von seinem mitteilen, nichtvon einem Unfall, sondern sind auf Vorgesetzten zehn Tage Arrest für das «uner- militärische Übungen zurückzuführen.» Die drei laubte Betreten deutschen Hoheitsgebietes». Flieger wissen nichts davon, was sich in Bern und Nachdem unser ‚Kuraufenthalt‘ endlich zu Ende Dübendorf abgespielt hat. Oberfeldwebel Mahle: ging, wurden wir in aller Stille immer noch in Zivil «Wir erlebten inmitten der erblühenden Alpen bei zum Bahnhof gebracht, der zu unserer Überra- schönem Wetter zwangsweise unbeschwerte Fe- schung voll von jubelnden Deutschen war, die uns rien vom Krieg. Aber bereitsein paar Tage nach mit Blumen und Musik verabschieden wollten, unserer Ankunft in Biglen mussten wir wieder weg. auch der Generalkonsul und der Militärattaché wa- Wir verabschiedeten uns herzlich von unseren ren da. Wir winkten noch, als der Bahnhof schon Gastgebern, trugen uns noch ins Gästebuch des längst hinter uns lag. netten ‚Bären-Biglen‘ ein und reisten dann in Rich- Major Mack fuhr mit uns bis nach Basel. Er hatte tung Bern ab. uns noch gute 20‘000 Zigaretten, Marke ‚Mahale‘, In der Hauptstadt wurden wir in einem eleganten säuberlich in Blechdosen zu je 50 Stück verpackt, Hotel untergebracht. Nach all den Kriegsjahren besorgt. In Basel fragte mich der Zöllner, als er in und den Einschränkungen empfanden wir die meinem Koffer obenauf meine Uniform sah: «Deut- Schweiz als eine Oase der Ruhe. Man war er- scher Soldat?» «Ja!» «Machen Sie zu.» staunt und betroffen zugleich, beim Stadtbummel AufdeutscherSeitenahmen unsein paar Parteibon- in den Schaufenstern alles das, was in Deutsch- zen in Empfang, darunter auch der NS-Gauleiter. land längst vergessen war, vorzufinden. Auch die Beim Mittagessen im Bahnhofsrestaurant, zu dem besonnene Stimmung auf der Strasse, die vollen er uns eingeladen hatte, hörte ich ihn zu Major Kinos, Restaurants und Amüsierlokale, drängten Mack sagen: «Wie froh bin ich, dass ich diesen sich zum Vergleich auf. nach hierbekommen habe», und deutete dabei mit Unsere Gedanken und Sorgen galten auch den dem Kopf auf mich. Das war mir nicht ganz ge- Geschwader-Kameraden und unserer Me 110. heuer, aber ich sollte erst später erfahren, was er Was würde mit ihnen geschehen? Hatten die damit meinte. Wir haben uns von Major Mack und Schweizer das Geheimnis des SN-2 schon ge- den anderen verabschiedet, und der Zug, der uns knackt? Wussten die Engländer bereits davon? nach Berlin bringen sollte, rollte schon, da drängte Erst später, nach Jahren erfuhr ich, dass die sich ein Major der Luftwaffe mit zwei Unteroffizie- Schweizer zwar hinterdas Geheimnis kamen, es ren in unser Abteil: «Sind sie die Besatzung Joh- aber nicht preisgaben (siehe Bericht S. 327). nen? Machen Sie bitte keine Schwierigkeiten!» Sie Major Mack, der uns besuchte, munkelte etwas, nahmen neben uns Platz und liessen uns nicht dass wir bald nach Hause fahren würden, ausge- mehr aus den Augen. tauscht möglicherweise gegen drei RAF-Offiziere, Erst als man uns in Belitz unweit Berlin bei dem die vor Kurzem aus einem deutschen Kriegsgefan- Kommandierenden General des 1. Jagdkorps, Jo- genenlager in Italien getürmt waren und in der- seph Schmid («Bepo»), abgeliefert hatte, erfuhren Schweiz um Asyl gebeten hatten. Dies bestätigte uns auch Herr Fuchs, dem zuletzt noch eine pein-

312 wir die ganze Wahrheit, was mit unseren Familien retten im Gepäck hatten. Unser Abenteuer war zu geschehen war und was uns noch bevorstand. Ende.» Drei volle Tage lang wurden wir von dem eiligst Kurz nach Mitternacht, am 23. Mai, erhält die 3. zusammengerufenen Kriegsgericht in die Mangel Staffel des NJG6 Startalarm: «Ein englischer genommen, und jeder wurde einzeln verhört, bis Kampfverband nähert sich in Richtung Süd- sich endlich alles aufklärte. Ich bekam sogar eine deutschland.» Um 2 Uhr 22 ist die Besatzung Joh- Belobigung, weil ich unsere Me 110 hatte spren- nen wieder in der Luft, diesmal rast sie mit einer gen wollen. Und wie uns ‚Bepo‘ sagte, war es das Me 110G-4 2Z + FR mit Kurs auf Frankfurt am Verdienstvon dem Dicken (der Reichsmarschall), Main. Und es ist wieder eine milde, in silbriges der dafür sorgte, dass Himmler unsere Angehöri- Mondlicht getauchte Frühlingsnacht. gen nach etwa zehn Tagen freilassen musste. Ich habe mir aber das ganze nicht gefallen lassen * * * und schrieb an den Führer, was das alles heissen solle und fragte, ob dies der Dank des Vaterlandes Das Fehlen jeglicher Internationaler Bestimmun- sei, wenn man sich so einsetzte und die Familie gen, nach denen das Schweizer Hoheitsgebiet währenddessen ins Gefängnis gebracht würde. verletzende Flugzeuge zur Landung aufgefordert Und tatsächlich kam einige Tage später von Hitler werden könnten, ist eines der Hauptprobleme der als oberstem Gerichtsherrn des Grossdeutschen Fliegertruppen. Im Mai 1944 organisiert der Ober- Reiches ein eigenhändig unterzeichneter Brief, in befehlshabereinTreffen der in der Schweiz akkre- dem ersieh bei meiner Frau entschuldigte. ditierten Luftattachés, um sie über die bisherigen Nach Abschluss des dreitägigen Kriegsgerichts- Vorschriften für Schweizer Piloten eingehend zu verfahrens wurden wir natürlich voll rehabilitiert informieren. Man will damitvermeiden, dass frem- und starteten noch am Nachmittag desselben Ta- de Flugzeuge, die in die Schweiz einfliegen, um ges, es warder 22. Mai, um 15 Uhr 50, mit einer dort zu landen, und ihre Absichten den eidgenös- Doppelrumpfmaschine, vom Typ FW 189, von Jü- sischen Jägern signalisieren, trotzdem missver- terbog – Altes Lager in Richtung Hagenau, unse- standen und angegriffen werden. rem Fliegerhorst. Hierfür legt man gemeinsam die eidgenössischen Als wir um 17 Uhr 22 zum Auftanken in Eschwege Vorschriften für den Neutralitätsschutz fest: Von landen mussten, wurden wir beinahe wieder ver- jetzt an werden sich die Jagdpatrouillen in der Luft haftet. Der Flugplatzkommandant benachrichtigte ausserhalb eines Kreises von 12 km Radius um sofort die Feldgendarmerie, da erauseinem nicht den betreffenden Flugplatz aufhalten, um fremde angemeldeten Flugzeugdrei Zivilisten aussteigen Maschinen bei ihren Landemanövern nicht mehr sah. Nachdem sich das alles aufklärte, bekamen zu behindern. Dass auch dies keine Patentlösung wir endlich am nächsten Nachmittag um 16.00 Uhr ist, bekommen die Schweizer Jäger bald zu spü- Starterlaubnis. Am 22. Mai um 18 Uhr 10 landeten ren. wir dann in Hagenau. Das ganze Geschwader Die alliierte Landung in der Normandie am 6. Juni wartete an der Landebahn und begrüsste die ver- 1944 veranlasst das Schweizer Oberkommando, lorenen Söhne recht stürmisch, besonders alssie- eine Verstärkung der gesamten eidgenössischen erfuhren, dass wir etliche tausend Schweizer Ziga- Fliegertruppe anzuordnen. Mit der Teilmobilma- chung der Armee am 10. Juni beziehen sämtliche

313 Einheiten ausser der I. und II. Staffel des Ue. Ge- den «Schwalben», die uns den Weg zeigten. Über schwaders, die in Dübendorf für den Neutralitäts- dem Flugfeld Dübendorf warfen wir die schweren schutz verblieben sind, ihre Kriegsstützpunkte. Maschinengewehre, Munition, Photoapparate und Man befürchtet, dass Hitler, nachdem die Alliierten Zielgeräte – alles was Gewicht hatte – über Bord, auf dem Festland Fuss gefasst haben, irgendwel- und mit einer nicht geradeschulgerechten Landung che feindlichen Schritte gegen die Schweiz unter- setzten wirauf Schweizer Boden auf. nehmen wird. Die Bomberoffensive gegen das In grösster Hast verliessen wir mit unseren Lösch- Dritte Reich rollt mit unverminderter Stärke weiter, geräten den Bomber, und bald waren wir von Sol- und es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht US- daten in fremden Stahlhelmen, Gewehren und ern- oder RAF-Besatzungen ihr Heil auf neutralem Bo- sten Gesichtern umringt.Zuerstglaubte ich, wir den suchen. seien doch auf deutschem Boden, dann kam einer Einer der amerikanischen Flieger, der mit seiner der Piloten der drei Jäger daher, begrüsste uns, Boeing B17F «Mammy-Yorkum» am 18. Juli 1944 sprach englisch und erklärte, dass wir auf Schwei- in Dübendorf landet, ist Ltn. Bob Smitts: «Es war zer Boden seien. der 48. Flug mit der treuen «Mammy-Yorkum», un- Wir mussten uns einschreiben, und es gab zu es- ser Geschwader stiess gegen München vor. Un- sen, und ich trank ein grosses Glas Bier. Das Ame- serZiel: ein Flugfeld in der Näheder Stadt. Die Flak rikanische Rote Kreuz stiftete jedem von uns ein war nur schwach, und es zeigten sich auch keine Handtuch, ein Stück Seife und einen Rasierappa- Jäger. «Onkel Sams» Auftrag war bereits ausge- rat. Zum letztenmal schauten wir nach unseren führt, als hoch über den bayrischen Wäldern und kranken «Mammy-Yorkum», die von fremden Sol- Seen zwei Motoren zu spucken begannen und daten vor einen Hangar geschlepptwurde.» ausfielen. Dass es ausgeschlossen war, nur mit Nun, es ist nichtverwunderlich,dass den jungen, oft zwei Motoren nach Italien zu kommen, das war unerfahrenen Besatzungen derUS-Bomber, die uns allen klar. über Deutschland mehrfach Angriffe deutscher Jä- Noch heute danke ich dem Piloten, dass er in der ger vom Typ Me 109 überstehen müssen und dann Freizeit Geographie studierte und wusste, wo sich plötzlich in der Ferne auftauchende Schweizer Ma- «Switzerland», das kleine neutrale Ländchen be- schinen sehen, die zwar anders gekennzeichnet, findet. Über dem Bodensee empfing uns plötzlich aber dennoch vom selben Typ sind, die Nerven eine mörderische Flaksperre, Granate um Granate durchgehen und sie auf diese das Feuer eröffnen. platzte ganz in unserer Nähe. Wir kamen aber So kommt es auch zu einem tragischen Zwischen- durch, und plötzlich wurde es ruhig; die Flak unter fall am 5. September 1944; Die Einsatz-Zentrale uns setzte aus-und mit ihr ein weiterer Motor. Im Zürich gibt um 11.00 Uhr Startalarm für die beiden Gleitflug und nur mit einem einzigen Motor ging es in Dübendorf liegenden Jagdstaffeln. Über 20 US- der Erde zu. Die «Mammy-Yorkum» war müde, sie Bomber der 8. USAAF haben nach einem Luftan- war krank. Jetzt wusste ich, dass es aus war mit griff auf Ludwigshafen soeben die Schweizer Nord- Ferien bei Frau und Eltern drüben in Ohio. grenze einzeln überflogen. Drei kleine Jäger näherten sich uns, und wir er- Eine Doppel-Patrouille von je zwei Me 109 wird auf kannten das Schweizer Kreuz. Eine Salve ins eine in Richtung Zürich fliegende B-17 angesetzt. Steuer hätte genügt, und nur noch der Fallschirm hätte uns retten können. Schön artig folgten wir

314 Der Amerikaner quittiert die Aufforderung zur Lan- In der ersten Septemberhälfte entfalten die US- dung mit einer Leuchtkugel und wird nach Düben- Jagdbomber eine rege Tätigkeit über den Schwei- dorf geleitet. Gleichzeitig taucht ein Liberator B-24 zer Grenzgebieten, so werden am 8. September in auf. Zwei Me 109 kurven in seine Richtung, umau- Moutier und Delémont, am nächsten Tag in Wei- chihnzurLandung aufzufordern. ach und am 11. September in Pratteln und Mon- Plötzlich stürzen sich die US-Begleitjäger auf die tignez die Bahnhöfe, Anlagen und Eisenbahnzüge beiden Schweizer Maschinen und schiessen sie angegriffen, wobei mehrere Militär- und Zivilperso- augenblicklich ab. Oberleutnant P. Treu findet da- nen verletzt werden. bei den Tod, seinem Kameraden, Oberleutnant R. Der Pressebericht über den Angriff auf Moutier: Heiniger, gelingt mit dem stark beschädigten Flug- «Freitag, 8. September 1944. Moutier. zeug noch die Notlandung. Die US-Piloten haben Kurz vor 9.00 Uhr sausten heute Morgen fremde offensichtlich die eidgenössischen Me 109 als Flugzeuge über unser Dorf hinweg, dabei gaben deutsche Jäger angesehen. sie aus ihren Maschinengewehren Feuer auf einen Ein Augenzeuge schildert den Vorfall: «Als Beob- Zug der Linie Moutier-Solothurn, der eben im Be- achter des Luftkampfes sah ich, wie ein Jagdflug- griffe war, auf den Gleisanlagen des Bahnhofs zu zeug, eine Rauchfahne hinter sich herziehend, manövrieren. Der Bahnangestellte, Hermann brennend in Richtung Affoltern abstürzte. Sofort Sprunger, kam mit einem Draht der elektrischen fuhr ich mit dem Velo in diese Richtung und traf, Fahrleitung, die durch ein Geschoss zerrissen bevor die Unfallstätte abgesperrt war, an der Ab- worden war, in Berührung und wurde durch Stark- sturzstelle am Waldrande neben der Fronwald- strom sofort getötet. Der Lokomotivführer Bütikofer strasse ein. Zwischen den Stämmen der Bäume wurde durch ein Maschinengewehrgeschoss ver- brannte ein fast unscheinbarer Haufen zerbroche- letzt. Unmittelbar nach dem kurzen, einmaligen ner Flugzeugteile; vermutlich hatte sich der Vor- Angriff entschwanden die Flugzeuge in Richtung derteil des Flugzeugs mit dem schweren Motor tief auf Delémont.» in den Boden eingebohrt. Fetzen von rot- und Die Bewohnervon Delémonterlebenan diesem weissbemalter Bespannung zeigten deutlich, dass Morgen einige bange Minuten. «Von einer offenen es sich um die Überreste eines Schweizer Flug- Wiese aus war ich Zeuge des ganzen Vorfalls: Es zeuges handelt. Ein dabei liegendes Stück Blech war 8 Uhr 50, ein strahlender Herbsttag brach an, wies eine ganze Reihe von Einschlägen auf, die der Himmel kaum bewölkt», berichtet ein Augen- wahrscheinlich von MG-Munition herrührten. zeuge. «Plötzlich hörte ich Motorengeräusche. Innert kürzester Zeit erschien die Feuerwehr Zü- Über die Juraberge, aus nördlicher Richtung vom rich, die Kantonspolizei, Leute des Luftschutzes Elsass her – die Grenze ist hier ja nur zehn Kilo- und zwei Sanitätsautomobile. Es konntejedoch meter entfernt – näherten sich in rasender Ge- vorerst nichtfestgestellt werden, ob es dem Piloten schwindigkeit vier silbern glänzende Flugzeuge. gelungen war, sich vor dem Absturz durch Ab- Ich verfolgte ihren Flug mit gespannter Aufmerk- sprung mit dem Fallschirm zu retten. Die Feuer- samkeit. Es waren Jäger mit Sternmotoren, unbe- wehr legte sofort eine Schlauchleitung, um die malt, keine Schweizer. Da kippte das vorderste brennenden Flugzeugtrümmer zu löschen.» Flugzeug einige Kilometer ausserhalb Delémont, etwa über Soyhières, in eine Rechtskurve, die an-

315 dern folgten nach. So gingen sie hintereinander Grenze zu bemerken, auf alles schiessen, was Richtung Delémont in die Tiefe. Sieflogen senk- sich da unten bewegt. Gegen diese nur Minuten recht über der Bahnlinie Delémont-Moutier, und dauernden Grenzverletzungen sind die eidgenös- dann fing es an zu knattern. Hinter den Jagdflug- sischen Jagdflieger völlig machtlos. Zwar versucht zeugen zeigten sich vier schwarze Rauchfahnen, die Flab, etwas dagegen zu unternehmen, aller- es war Mündungsrauch der Maschinengewehre. dings ohne grössere Erfolge. Über dem Bahnhof Delémont zog der erste Pilot Das Fehlen von Radar macht jede Früherkennung sein Flugzeug wieder hoch, beschrieb eine grosse von Verletzungen des Hoheitsgebietes fast un- Linkskurve, um dann nochmals aus derselben möglich, und wie bereits 1941 können auch jetzt Richtung in den Bahnhof hineinzufeuern. Diesen lediglich die eidgenössischen Funkpeilstationen Angriff wiederholten nun alle vier Jäger. Jetzt sah die einzigen, wenn auch recht spärlichen Angaben ich auch genau das amerikanische Hoheitszei- über die Anwesenheit alliierter Maschinen in chen auf dem Rumpf, denn die Flugzeuge kamen Grenznähe liefern, dasiedie deutschen Luftlage- an der tiefsten Stelle bis auf etwa hundert Meter meldungen rund umdieUhr abhören. herunter. Zwei schwer und ein leicht Verletzter, Als in der zweiten Hälfte des Krieges die leistungs- eine zerrissene Fahrleitung, Geschosseinschläge starken Radarbordgeräte die Nachteinsätze so- in einer Dampf- und einer elektrischen Lokomo- wohl der englischen Bomber als auch der deut- tive.» schen Jäger – unabhängig von jeder Wetterlage – Am 10. September 1944 müssen sogar zwei ver- möglich machen und damit ein neues Stadium des altete eidgenössische AufklärervomTypC-35 in Luftkrieges einleiten und jetzt die meisten Grenz- der Nähe von Les Rangiers mit modernsten US- verletzungen bei Tage stattfinden, ringt man sich Jägern, den P-51 «Mustang», einen Luftkampf nach langen Debatten zwischen Politikern und Mi- ausfechten. litärs zu der Einsicht durch, dass «eine ganze An- Amtliche Mitteilung über diesen Vorfall: «Eine un- zahl von Gründen, vor allem die Sicherheit der Be- serer Grenzpatrouillen wurde um 10 Uhr 18 in der völkerung, für die Aufhebung der Verdunkelung Gegend von Biel-Les Rangiers von einem ameri- zum Zweck einer besseren Kenntlichmachung des kanischen Jagdflugzeug angegriffen. Eines unse- gesamtschweizerischen Gebietes bei Nacht» rer Flugzeuge erhielt dabei zwölf Treffer in den sprechen. In diesem Zusammenhang gibt Bundes- Rumpf und schied aus dem Kampfe aus. Es konn- rat Kobelt, der Vorsteher des Eidgenössischen Mi- te normal landen. Die Besatzung ist unverletzt. litärdepartments, am Mittwoch, dem 13.9.1944, Das andere schweizerische Flugzeug setzte den folgende Erklärung ab: Kampf trotz teilweiser Störung der Bordwaffen fort, «Die Beleuchtung bietet vermehrte Sicherheit für bis die Gegnerden Kampf abbrachen. Nach der die schweizerische Grenzbevölkerung und verleiht Beobachtung unserer Besatzung erhielt der ame- den fremden Fliegern mit gutem Willen die Mög- rikanische Jäger mehrere Treffer und suchte an- lichkeit der Vermeidung von Grenzverletzungen. scheinend einen Notlandungsplatz.» Man muss sich aber darüber klar sein, dass trotz Diese Grenzverletzung, jetzt meistens von Ma- der Beleuchtung die Grenze nicht genau markiert schinen der Taktischen US-Lufteinheiten verschul- werden kann; nicht überall an der Grenze befinden det, spielen sich überwiegend im Anschluss an die sich beleuchtete Häuser. In grossen Gebieten wird Jabo-Angriffe auf deutsche Verkehrswege ab, wenn die Piloten im Eifer des Gefechts, ohne die

316 keine beleuchtete Grenzlinie bestehen. Mit der An- Das Armeekommando hat bereits die Kantonsre- ordnung der Beleuchtung für das ganze Land ist gierung ersucht, in einer bestimmten Grenzzone nicht jede Gefahr beseitigt. In grösserem Masse auf den Dächern wichtiger Gebäude die schweize- trifft daswohlzufür das Innere des Landes, aber- rischen Hoheitszeichen anzubringen durch Aufle- nichtfürdasäussere Grenzgebiet. Umso notwendi- gen von grossen Fahnen oder Aufmalen des ger ist es, dass man in der Grenznähe die Be- Schweizerwappens. In allen diesen Ortschaften leuchtung während der ganzen Nacht aufrechter- soll wenigstens ein Gebäude in dieser Weise be- hält. zeichnet werden, vor allem auch die Bahnhöfe. Die eidgenössischen Behörden sind darum an die Aber auch diese Massnahmen bilden noch keinen Regierungen der Grenzkantone gelangt mit dem absoluten Schutz; bei Nebel oder Schnee wird ihre Ersuchen anzuordnen, dass die öffentliche Be- Wirksamkeit beeinträchtigt sein. Das Hissen von leuchtung während der ganzen Nacht aufrechter- Fahnen wäre nicht vorteilhaft; hängen Fahnen in halten bleibt; ebenso wurden sie ersucht, dahin zu der Luft, so sind Verwechslungen mit anderen Ho- wirken, dass auch die private Beleuchtung in der heitszeichen leicht möglich. Auch für die Fahrzeu- unmittelbaren Nähe der Grenze die ganze Nacht ge empfiehlt sich das Anbringen von Fahnen nicht. hindurch unterhalten wird. Ebenso kam man zum Für die Eisenbahnzüge soll der notwendige Schutz Schluss, dass auch die Eisenbahnzüge und die durch die Markierung der Bahnhöfe erreicht wer- Motorfahrzeuge voll beleuchtet sein sollen. Bei der den. Aufhebung der Verdunkelung muss man sich auch Die Vorschriften für Luftschutz und Alarm bleiben darüber klar sein, dass unter Umständen die Ver- selbstverständlich unverändert in Kraft. Die Bevöl- dunkelung wieder eingeführt werden muss; des- kerung wird erneut ermahnt, die Luftschutzeinrich- halb wurde im Bundesratsbeschluss vermerkt, tungen zu benützen und die Neugierde zu bezäh- dass die Verdunkelungseinrichtungen bei der men. Zum Schlüsse seiner Darlegungen teilte Hand bleiben sollen. Vor einer Ferien- oder Frie- Bundesrat Kobelt mit, dass das eidgenössische densstimmung ist zu warnen. Dazu ist noch kein Politische Department bei der britischen und bei Anlass vorhanden. Man darf nicht vergessen, dass der amerikanischen Gesandtschaft in Bern wegen die Aufhebung der Verdunkelung im Hinblick auf der sich stets mehrenden Verletzungen unseres die Verschärfung der Lage im Grenzgebiet erfolgt Hoheitsgebietes vorstellig geworden ist und die ist.» schweizerische Gesandtschaft in Washington an- «Die Kennzeichnung der Grenzen» – berichtet am gewiesen hat, bei der dortigen Regierung und bei gleichen Tage, dem 13.9.44, die Schweizerische den amerikanischen Armeestellen Protest einzule- Presse. gen und Abhilfe zu verlangen. Trotzdem muss mit «Wenn nun die Grenze bei Nacht bezeichnet wer- weiteren Verletzungen gerechnet werden. Wir wis- den soll, muss das gleiche auch am Tag gesche- sen nicht, was noch weiter geschehen kann.» hen, denn die Grenzverletzungen fallen mehr auf Empfehlung an Kantone, Gemeinden und Private die Tages- als auf die Nachtzeit. Heute wird die vom 13.9.1944: «Der Pressechef des zuständigen taktische Luftwaffe hauptsächlich auf Erdziele ein- Territorialkommandos teilt mit: Mit Rücksicht auf gesetzt ... dass es praktisch nicht möglich ist, am die in den letzten Tagen erfolgten schweren Tage die Grenze für den Luftraum klar zu markie- Grenzverletzungen durch Flieger empfehlen Bun- ren. Immerhin soll in dieser Hinsicht das Mögliche getan werden.

317 desrat und Armeeleitungenden Kantonen, in allen men. Wyss, seit jeherein begeisterter Sportflieger, Ortschaften unseres Grenzgebietes auf den Dä- will es nicht hinnehmen, «dass seine alten Kame- chern wichtiger Gebäude grosse Schweizerwap- raden auf Jahre hinaus nicht mehr aufsteigen sol- pen malen oder sonst anbringen zu lassen. In den len und damit auch der Segel-Schleppflug hinfällig Gemeinden gilt dies vor allem für Bahnhöfe und würde!» Kirchen, sodann, nahe der Grenze, füreinzelste- Zwar gibt es PKW, die, einen Holzgasgenerator als hendegrosse Bauernhöfe. schwerfälliges Gebilde mit sich herumschleppend, Der Bevölkerung der Ortschaften im Grenzgebiet den Mangel an streng rationiertem Benzin wettma- wird empfohlen, öffentlich und privat Schweizer- chen, aber dass ein Leichtflugzeug mit einer hal- fahnen zu hissen oderaufsichtbaren Flächen hin- ben Zentralheizungsanlage in die Luft gehen soll, zulegen. Um die aufgezogenen Schweizerfahnen will niemand so recht glauben. Als leidenschaftli- auch bei Windstille sichtbar und kenntlich zu ma- cherTechnikerverbringt Wyss monatelang jede chen, empfiehlt sich das Anbringen einer Querlei- freie Minute mit der Lösung dieser scheinbar mehr ste an ihrem oberen Rand. Neben der Schweizer- als schwierigen Aufgabe. fahne sollten zur Zeit in den in Frage kommenden Als Versuchskaninchen muss die Maschine vom Gegenden kantonale oder andere Fahnen nicht Typ Comte AC-4, Baujahr 1930, mit einem Reihen- ausgehängt werden. Als Grenzgebiet, für das motor Argus AS 8 mit 120 PS, herhalten, eine Kon- diese Massnahmen vor allem zweckmässig schei- struktion der Schweizer Flugzeugfabrik Alfred nen, kommen in Betracht die Ortschaften nördlich Comte, die in den Jahren 1923-1935 zahlreiche ro- der Linie Lägern-Bülach-Neftenbach-Ellikon an buste Sport- und Reisemaschinen baute. der Thur-Mammern, alle eingeschlossen. Zu einem bedeutenden Problem wird für den Ober- Das Armeekommando hat derTruppe befohlen, leutnant Wyss die Herstellung und der Einbau ei- dass sie ebenfalls durch Anbringen unseres Ho- nes hitzebeständigen Generators, in dem durch heitszeichens längs der Grenze diese möglichst Verbrennung von Holzkohle das Gas für den An- deutlich bezeichne.» trieb des Motors gewonnen wird. Auch der Einbau Obwohl beinahe an der gesamten Schweizer des Turboladers, der Gaskühlung, der Gasreini- Grenze in allen Grössen zahlreiche Markierungen gung und deren Leitungen im Rumpf der Comte mit dem Schweizer Kreuz angebracht werden, AC-4 schafft so manche Schwierigkeiten; die gan- können auch sie die Verletzungen des eidgenös- ze Anlage wiegt immerhin 121 kg. sischen Luftraumes nicht verhindern. Am 13. September 1944 ist es soweit: Der Hoch- Im turbulenten Herbst 1944 spielt sich am Rande decker mit dem Kennzeichen HB-USI steht zum des Luftkrieges über der Schweiz ein einmaliges Start bereit. Wyss, auf einer Leiter neben dem Ereignis ab, das inzwischen in Vergessenheit ge- Rumpf stehend, schüttet aus einem Papiersack raten ist: der Start des ersten und einzigen Holz- Holzkohle in die Öffnung hinter der Pilotenkanzel, vergaserflugzeugs der Welt. gute 34 Kilogramm füreine Flugstunde. Mit einem Der Mann, der es schafft, mit einer holzgasgetrie- kleinen Baumstamm kann man also etwa 120 km benen Sportmaschine in die Luft zu gehen, heisst weit fliegen. Nach der «Betankung» zwängt sich Oberleutnant Ernst Wyss, Chefpilot der Schweizer Wyss in die Kabine, öffnet die Ofenklappe in der Kriegstechnischen Abteilung (KTA) und Testflie- Rückwand und zündet mit einem Streichholz die ger der Eidgenössischen Flugzeugwerke in Em-

318 Kohle an. Ein kleiner Ventilator soll helfen, die Glut in der Schweiz 496mal Luftalarm ankündigt, steigt zu entfachen. Alles wartet gespannt, und der Flie- im Jahre 1944 die Zahl der Fliegeralarme um das ger prüft sorgfältig mit einer Pechfackel, «ob das achtfache auf 3‘341 an. Und als Anfang 1945 die Gasgemisch genügend brennbar sei.» US- und französischen Einheiten, gegen deutsche Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt, als Wyss Streitkräfte in den an die Schweiz grenzenden Ge- hinter dem Steuerknüppel Platz nimmt und «Kon- bieten kämpfen, wächst die Zahl der Luftraumver- takt» ruft. Das Gas wird in den Motor umgeleitet, letzungen durch alliierte Maschinen. Im Februar und ein Mechaniker wirft den Propeller an. Der Mo- 1945 gibt es fast 500 Grenzverletzungen, soviel, tor knattert ein paarmal, und der Propeller mahlt wie im ganzen Jahr 1943. An nur einem einzigen tatsächlich, immer schneller werdend, die Luft. Februartag sind allein in Rafz und Stein am Rhein Bald ist der Motor warm genug, und die Maschine unterderZivilbevölkerung 16 Tote und 28 Verletzte rollt mit Vollgas über den Platz an den Start, aber- zu beklagen, als alliierte FliegerdieOrtschaften mit siewill nicht so recht in die Luft gehen, und dem Bomben und Bordwaffen angriffen. Am 4. März mutigen Flieger gelingt es, sie dicht vor einem werfen US-Flugzeuge sogar Bomben auf Zürich Maisfeld zum Stehen zu bringen. Wyss, hartnäckig und Basel. Das Resultat: 5 Tote, 23 Verletzte und wie er ist, nimmt noch zweimal Anlauf, doch der erheblicher Sachschaden. Start endet jedesmal kurz vor dem Maisfeld. Im- Erst jetzt, nach einem energischen Protest, ganze merhin sind die gut 120 kg, die der Holzgasgene- zweieinhalb Monate vor Kriegsende, entschliesst rator wiegt, eine erhebliche Belastung für die klei- sich die US-Regierung, endlich etwas Konkretes ne Sportmaschine. «Jetzt muss ich es aber schaf- zu unternehmen: Am 7. März 1945 wird General fen!» ruft Wyss. Carl A. Spaatz, Oberbefehlshaber der US-Luft- Geduldig holpert die HB-USI nochmals überdie streitkräfte in Europa, mit General Curtis, dem Grasfläche, und dann heben sich die Rädertat- Stabschef derstrategischen USAAF in Europa, sächlich vom Boden ab, streifen zwar die Mais- nach Bern in Marsch gesetzt. Zwar beteuern beide stauden, aber das Flugzeug gewinnt immer mehr US-Generäle, dass die alltäglichen Überflüge der an Höhe. Der Pilot geht in eine sanfte Kurve und Schweiz gegen den Willen der höchsten Komman- braust im Tiefflug über die staunenden Zuschauer dostellen geschehen, jedoch scheint es, dass tat- hinweg, um hinter einer Bergkuppe ausser Sicht- sächlich die eidgenössische Republik von den alli- weite zu verschwinden. Nach beinahe einer Stun- ierten Fliegern als «a mere convenience on the de landet Wyss wieder auf dem Flugfeld (siehe Be- map» – als eine bequeme Einrichtung auf der richt auf Seite 332). Landkarte hoch geschätzt ist. Die Motorschäden, die später entstanden sind, Spaatz versichert den Vertretern des Bundesrates zwingen Oberleutnant Wyss zur Einstellung seiner und den Militärs, dassersofort einen entsprechen- Flüge. Die brave HB-USI hat den Zweiten Welt- den Geheimbefehl an alle ihm unterstellten US-Be- krieg glücklich überstanden und träumt wohl heute satzungen erlassen wird. Dies hindert die amerika- noch in der Ecke eines Hangars auf dem Flugplatz nischen Flieger jedoch keineswegs, bereits im dar- Bellechase in ihrem Dornröschenschlaf von der auffolgenden Monat April, sich massgeblich an abenteuerlichen Zeit, diesie erlebte. dem Rekord an Grenzverletzungen zu beteiligen: Während im Jahre 1943 das Heulen der Sirenen 650 registrierte Fälle. Im April 1945 haben sich nun auch neun deutsche

319 Besatzungen entschlossen, mit dem Krieg Burkhardt und einem Feldwebel, offiziell in der Li- Schluss zu machen und in der Schweiz um Asyl ste der Luftwaffe gestrichen und dem Grossmufti zu bitten, darunterauchderFlugzeugführerdes mo- für seine Privatzwecke zur Verfügung gestellt dernsten Düsenjägers Me 262, der am 25. April in (siehe Bericht S. 347). Dübendorf glatt landet. Übrigens, die allerletzte Maschine der deutschen Rund 2480 Fliegeralarme zählt man in den letzten Luftwaffe, die in der Schweiz Zuflucht sucht, ist ein Kriegsmonaten des Jahres 1945, und den aller- Fieseler Fi 156 Storch, der am Nachmittag des 8. letzten Fliegeralarm des 2. Weltkriegs in der Mai 1945 von Ungarn kommend mit drei Mann an Schweizer Hauptstadt beschert den Eidgenossen Bord in Chur landet (siehe Bericht S. 348). ein Mann aus dem fernen Jerusalem. Am 12. Mai 1945 ist für die eidgenössischen Flie- Die Maschine, ein zweimotoriges Schulflugzeug ger der grosse Abschiedtag gekommen: Sämtliche vom Typ Siebei 204, mit notdürftig überpinselten Stäbe und Einheiten der Fliegertruppewerden deutschen Hoheitsabzeichen, kommt aus Kla- nach Hause entlassen. genfurt. Einige Tage zuvor hatte man sie samt ih- rer Besatzung, dem Flugzeugführer Hauptmann

320 Adieu, Hehre Banner

Nun schweigen die Waffen in Europa. Eine unge- wurde unser Land unter verschiedenen Malen wohnte, aber ersehnte Stille senkt sich über den schwer bedroht. Es wird später gezeigt werden Kontinent. Die Eidgenossenschaft hat die grösste können, wie und wann dies geschah; die Bedeu- militärische Kraftanstrengung ihrer bisherigen Ge- tung unserer sorgfältigen Vorbereitungen, unseres schichte hintersich. Biszum Schluss verfügte sie Widerstandswillens, der Wachsamkeit und dervie- über mehr als 800‘000 ausgebildete Soldaten, len Opfer werden damit richtig verstanden werden. Ortswehrmänner und hilfsdienstpflichtige Männer ... Soldaten, Ihr erweist Euch Eurer Leistungen nur und Frauen. An sie alle wendet sich der General: würdig, wenn Ihr sie weder in Tat noch in Gedan- ken verleugnet. Übergebt der kommenden Gene- DER OBERBEFEHLSHABER ration EureTapferkeit, EureTreue und Euer Pflicht- AHQ,8. Mai 1945 DER ARMEE bewusstsein, denn Ihr vor allem seid die Wächter unserer Heimat! Ich weiss, dass Ihr meine Sorge TAGESBEFEHL für die Zukunft und die Erwartungen, die ich in Nach fast sechs Jahren Krieg wurde in Europa der Euch setze, versteht und erfüllt. Darum kann ich Befehl zur Einstellung des Feuers gegeben. Euch heute in vollem Vertrauen meine Genugtu- Damit ist die grösste Gefahr für unser Land ge- ung und meinen Stolz zum Ausdruck bringen. bannt. Die Armee hatihreHauptaufgabe, mitder sie Ihr habt getreu Eurem Fahneneide auf Euren Po- im Herbst 1939 betraut wurde, erfüllt. sten ausgeharrt. Ihr habt Euch Eures Vaterlandes Soldaten, wir wollen nun vor allem dem Allmächti- würdig erwiesen! gen danken dafür, dass unser Land von den DER GENERAL: GUISAN Schrecken des Krieges verschont blieb. Eine wun- derbare göttliche Fügung hat unsere Heimat un- Am 3. August 1945 beschliesst der Bundesrat, versehrt gelassen.... Unsere Armee war und ist dass der im Herbst 1939 eingeführte Aktivdienst unser Schutz und Schirm. Sie hat uns vor Elend am 20. August 1945 mit einer Militärparade zu und Leid bewahrt, vor Krieg, Besetzung, Zerstö- Ende gehen soll. Doch zu dieser Zeit stehen fast rung, Gefangenschaft und Deportation. keine Truppen mehr im Dienst, und derGeneral Ihr müsst es wissen, Soldaten, und dürft es nicht schlägt vor, sie durch die Fahnen, unter denen die vergessen: Im Verlaufe von beinahe sechs Jahren Einheiten sechs Jahre lang gestanden haben, zu vertreten.

321 Am 19. August ziehen die 401 Fahnen, Standarten den in ihr die Erfahrungen des gegenseitigen Ver- und Fanions der Armee, getragen von ihren Eh- stehens und Helfens gesammelt, deren Wohltat renwachen, durch das blumengeschmückte Bern. sich auf unser ganzes Zusammenleben im Volk Dann werden die Fahnen im feierlichen Zug in das übertragen sollte. Parlamentsgebäude getragen; sie bleiben hier ... Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten! noch drei Tage für jedermann zugänglich. Einen Am letzten Tag des Aktivdienstes nehme ich Ab- Tag nach der Fahnenehrung gibt der General sei- schied, im Vertrauen auf Euch und stolz, an Eurer nen letzten Befehl, der sowohl den Kommandan- Spitze gestanden zu haben. ten als auch den Menschen Henri Guisan charak- Ich trete ins Glied zurück, aber ich bleibe kamerad- terisiert: schaftlich EUER GENERAL: GUISAN DER OBERBEFEHLSHABER OHQ, 20.8.1945 DER ARMEE

TAGESBEFEHL FÜR DEN 20. AUGUST 1945 Es geht auf den September 1945 zu, als die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten! Stunde kommt, an dem auch fürden General der Mit dem heutigen Tag geht der Aktivdienst zu Aktivdienst zu Ende gehen soll. Major Bernard Ende, der bei Beginn der Feindseligkeiten mit dem Barbey, Chef seines persönlichen Stabes, notiert Einrücken des Grenzschutzes und der General- an diesem Tag: «Letzter Ausritt, letztes Flattieren mobilmachung seinen Anfang nahm. Erist been- des Pferdehalses des Eisenschimmels ‚Santuzza‘, digt nach der Entlassung des Gros unserer Armee den die Ordonnanz ins Depot zurückführen wird. im Zeitpunkt, da das Armeekommando seine Meine grosse Karte 1:100‘000 wird herunterge- Hauptaufgabe erledigt hat. nommen, das Land, sein Relief, das ich nach die- ...Bevor ich zurücktrete, hätte ich Euch gern ver- sen Jahren der Arbeit so gut kannte, sein wahres sammelt oder doch noch einmal gesehen. Diese Gesicht verschwinden in einer armseligen Rolle. Möglichkeit besteht nicht. Ich werde Euch jedoch Mein Bureau erhält wieder das Aussehen eines nicht vergessen. Provinzmuseums und dessen Bestimmung. Oft werden mirdieGesichtervon Euch Soldaten Draussen fahren die Enten mit ihrem Geschnatter und Offizieren erscheinen, wie ich sie während fort, und unter der moosigen Grotte, mitten im Wei- dieser sechs Jahre an der Grenze und im Réduit her, erhebt sich die Nymphe in ihrer anmutigen vor mir sah. Euren Blick und die Stimme eines je- Haltung. den in seiner Muttersprache werde ich wiederer- Keine Zeit zum Betrachten und zum Nachdenken. kennen wie zur Zeit, als Ihr Eurem General geant- Genug zu tun, um die Abschiedsstimmung zu ver- wortet habt. Ich werde Euch nie vergessen und treiben. trenne mich nur schwer von Euch. Der General arbeitet in seinem Bureau. Zum letz- Mein Rücktritt bedeutet aber nur den Weggang ei- ten Mal. Ich klopfe an seine Tür und lege ihm noch nes Kommandanten, eines einzelnen Menschen. einige Akten vor: Die Armee besteht weiter, und darauf kommt es – Allons, allons, – sagt er mir, indem er mich, ganz an. Ich glaube, dass unser Land sie nötiger haben gegen seine Gewohnheit, anfährt, – ist das alles?- wird denn je, zuerst um frei zu bleiben und dann, Die Kehle schnürte sich ihm zusammen. weil der Heimat in ihr eine Schulungsstätte der Mir auch.» Ehre und Treue erhalten bleibt. Nicht zuletzt wur-

322 13. Mai 1945, Bodensee: Schweizerische Offiziere im französisch-besetzten Deutschland

13. Juni 1945, Stein am Rhein. General Guisan empfängt Général Lattre de Tassigny, Chef der 1. Französischen Armee: Die Forelle blau und den Fendant gelobt

13. Juni 1945, Konstanz. Nach dem Mit- tagessen nehmen General Guisan und Général Lattre de Tassigny die Parade der französischen Truppen ab: Die 5. Panzerdivision rollt an der Ehrentribüne vorbei

323 13. Juni 1945, Konstanz, Inselhof: General Guisan und Général Lattre de Tassigny, Chef der 1. Französischen Armee, schrei- ten die französische Ehrenkompanie ab

19. August 1945, Bern. Abschied des Generals von der Armee: «Adieu, hehre Banner! Ich gebe euch heute intakt, frei und stolz den Landesbehörden zurück»

324

Daten * Fakten

Der 24. April 1944 ist ein Rekord-Tag: In 115 Minuten landen oder stürzen im Raum Zürich insgesamt 14 schwere viermotorige US-Bomber ab (siehe S. 339-344). Der Bericht des Kdo. Armeeflugparks:

12.34 Uhr, 24.4.44, Genf, USA-Bombenflugzeug Boeing Zustand des Flugzeuges: B-17G Nr. 238204. Motoreinbau Nr. 2 zerstört, linkes Fahrwerk zerstört, Rad und Achse zerstört, Tragfläche links Landeklappen zerstört, Die Maschine ist um 0835 in England zu einem Bombardie- Tragfläche rechts Landeklappe deformiert, unterer Drehturm rungsflug über Deutschland gestartet. Sie wurde durch deut- teilweise zerstört, Höhenstabilo linker Randbogen einge- sche Jäger angegriffen. drückt, Tragfläche hinter Motor Nr. 2 eingedrückt. Ursache der Notlandung: Defekter Motor. 12.49 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, amerik. Bombenflugzeug Feststellungen an der Landungsstelle: Liberator B-24-J Nr. 2 110 098. Das Flugzeug landete normal auf der Hartbelagpiste des Flugplatzes Genf-Cointrin mit einer Rollstrecke von ca. 450 Hergang der Notlandung: m. Der Motor Nr. 3 rauchte stark. Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland Zustand des Flz.: von Norden über die Schweizer Grenze und musste infolge Motor Nr. 3 defekt, Ölleitung durchschossen, daherstarker Motordefekt notlanden. Die Landung erfolgte normal auf Ölverlust; dem Flugplatz Dübendorf. Motor, Tragfläche und Fahrgestell stark verölt. Ein 20-mm- Zustand des Flugzeuges: Einschuss in der rechten Tragfläche. 3 Mg.-Einschüsse im Rumpf, Motor Nr. 2 defekt, stand bei der Landung still mit Luftschraube auf Segelstellung, starker Ölverlust. 12.48 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug Boeing B-17 G Nr. 231652. 13.25 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug Boeing B-17 G Nr. 231993 Hergang der Notlandung: Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland Hergang der Notlandung: von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland Motordefekt (Motor Nr. 1 & 2) notlanden. von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge Bei der Landung kam das Flz. zu lang und machte nach Motordefekt notlanden. Die Landung erfolgte normal auf misslungenem Versuch durchzustarten eine Bruchlandung. dem Flugplatz Düsseldorf. Das Flugzeug kippte auf den linken Flügel, wobei die Luft- Zustand des Flugzeuges: schraube des linken Aussenmotors und die linke Fahrwerk- Rumpf und Tragflächen weisen 9 Mg.-und 2 Kanonenein- hälfteabgeschlagenwurden. Beim nachfolgenden Abdrehen schüsse und Splitterverletzungen auf. Motor Nr. 1 defekt. des Flugzeuges nach links wurde zufolge Touchierens am Boden der linke Innenmotorsamt Einbau weggerissen. Un- 13.48 Uhr, 24.4.44, bei Dübendorf, abgestürztes USA- mittelbar vordem Stillstand des Flz. kollidierte es mit dem am Bombenflugzeug Boeing B-17 G Nr. 231921. Südostende des Flugplatzes stehenden Funkbakenhäus- chens der Swissair.

325 Hergang des Absturzes: 14.01 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug Das Flugzeug umflog zur obigen Zeit den Flugplatz Düben- Boeing B-17 G Nr. 231669. dorf in ca. 200 m Höhe, wobei vom Boden aus beobachtet wurde, dass die Motoren Nr. 3 & 4 Stillständen. Es hinter- Hergang der Notlandung: liess weisse Rauchfahnen (Kraftstoffverlust). Bevor es zur Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland letzten Kurve für die Landung einbog, ging es plötzlich auf von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge den linken Flügel und stürzte hierauf brennend ab. Motordefekt notlanden. Die Landung erfolgte normal auf Absturzstelle: Baltenswil, Koordinaten 691.3/253.4. dem Flugplatz Dübendorf. Besatzung: Zustand des Flugzeuges: Sämtliche 10 Mann fanden beim Absturz den Tod. 8 Mg.- und 4 Kanoneneinschüsse in Rumpf und Tragflächen. Zustand des Flugzeuges: Motor Nr. 4 defekt. Vollständig zerstört und verbrannt. Die vorhandenen Trüm- mer wurden dem Altmaterial zugeführt. 14.04 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug Boeing B-17 G Nr. 231 758.

13.49 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug Hergang der Notlandung: Boeing B-17GNr.231172. Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge Hergang der Notlandung: Motordefekt notlanden. Die Landung erfolgte normal auf Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland dem Flugplatz Dübendorf. von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge Zustand des Flugzeuges: Motordefekt notlanden. Die Landung erfolgte normal auf Rumpf und Tragflächen weisen 8 Kanonen- und 9 Mg.- Ein- dem Flugplatz Dübendorf. schüsse auf. Linke Tragflächen-Unterseite durch Explosiv- Zustand des Flugzeuges: geschosse stark beschädigt. Rumpf und Tragflächen weisen 5 Mg.- und 1 Kanonen- schuss auf. (2 Einschüsse in Scheibe Pilotenraum.) Motor Nr. 2 defekt, vermutlich Kurbelwellenbruch. 14.05 Uhr, 24.4.44, Neftenbach, USA-Bombenflugzeug Boeing B-17 G Nr. 231539.

13.52 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug Hergang der Notlandung: Boeing B-17 G Nr. 237885. Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland von Norden her über dieGrenze und landete zufolge Motor- Hergang der Notlandung: defekt durch Beschuss in Neftenbach, bei derTöss- brücke, Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland miteingezogenem Fahrwerk. von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge Zustand des Flugzeuges: Motordefekt notlanden. Die Landung erfolgte normal auf In Rumpf und Tragflächen 15 Kanonen- und 23 Mg.- Ein- dem Flugplatz Dübendorf. schüsse. Durch Bauchlandung Rumpf unten von Bug bis Zustand des Flugzeuges: Heck aufgerissen, Heckstand abgerissen, Bugkanzel abge- 31 Mg.-, 8 Kanoneneinschüsse und 2 Splitter in Rumpf und rissen, Motor Nr. 2 & 3 von Motorträger abgeknickt. Rumpf Tragflächen. hinter Funkraum abgeknickt. Motor Nr. 1 defekt, starker Ölverlust.

14.05 Uhr, 24.4.44, Altenrhein, USA-Bombenflugzeug 13.54 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug Boeing B-17 G Nr. 297203. Boeing B-17 G Nr. 297158. Hergang der Notlandung: Hergang der Notlandung: Laut Angaben der Besatzung startete das Flugzeug in Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland Buckingham (England) mit dem Auftrag zur Bombardierung von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge von Lechfeld, Pfaffenhofen und Friedrichshafen. Motordefekt notlanden. Die Landung erfolgte normal auf Das Flugzeug kam von den Angriffen auf obengenannte dem Flugplatz Dübendorf. Ziele von Norden über die Schweizer Grenze und landete Zustand des Flugzeuges: auf dem Flugplatz Altenrhein. Es setzte erst Mitte Piste ab Keine Einschüsse, Flugzeug in Ordnung, Motor Nr. 4 defekt. und geriet beim Ausrollen in das Geleise des am 13.4.44 ge- landeten Bombers, machte Kopfstand und fiel nachher in die

326 Normallage zurück. Zustand des Flugzeuges: Zufolge des Kopfstandes wurde am Flugzeug Materialscha- Das Flugzeug wurde durch den Aufschlag vollständig zer- den verursacht. trümmert und konnte bis heute nicht geborgen werden. Der Ursache der Notlandung: Standort der Trümmer konnte in einerTiefevon 12-15 m in Der Flz.Führer entschloss sich zwecks Rettung eines Schlammboden festgestellt werden. Ausserder linken Trag- schwerverletzten Kameraden eine Notlandung vorzuneh- fläche und dem Rumpfunterteil sind nur noch zertrümmerte men (Aussage der Mannschaft). Der Schwerverletzte wies in Teile in einem Umkreis von 300 m verstreut vorhanden. der Bauchgegend einen Schuss auf. Der Mann wurde sofort Die Sucharbeiten und Hebeversuche werden durchgeführt in Spitalpflege gegeben. vom Rettungsdienst Zürich und Uster, Fa. Stäubli, Holz-und Zustand des Flugzeuges: Wasserbau, Zürich, und Kdo. Armeeflugpands. Die Trüm- Kiel: 2 Einschüsse. mer können nicht geborgen werden. Stabile: 2 Einschüsse. Zelle rechts: Splitterverletzung. Zelle links: 2 Schussverletzungen. Linke Laufraddecke defekt zufolge Einschuss. Durch Kopf- 14.29 Uhr, 24.4.44, Dübendorf, USA-Bombenflugzeug stand verursachter Schaden: Boeing B-17 G Nr. 231914. Rumpfnase biszurvorderen Einstieglukevollständigeinge- schlagen, ebenso vordere Mg.-Kanzel, Rumpf in der Mitte Hergang der Notlandung: leicht eingeknickt, Heckkanzel unten leicht eingedrückt, Luft- Das Flugzeug kam von den Angriffen aus Süddeutschland schrauben verbogen. von Norden über die Schweizer Grenze und musste zufolge Kraftstoffmangel notlanden. Die Landung erfolgte mit einge- zogenem Fahrgestell (Bauchlandung) auf dem Flugplatz Dü- 14.14 Uhr, 24.4.44, über dem Greifensee abgestürzte bendorf. Boeing B-17G, Nr. unbekannt. Zustand des Flugzeuges: Bugkanzel eingedrückt, Bugdrehturm weggerissen, Rumpf Hergang des Absturzes: beim Bombenschacht eingedrückt, untere Mg.- Kanzel am Das Flugzeug stürzte, nachdem es in geringer Höhe mit Rumpf weggerissen, Fahrwerkstützen links und rechts ge- brennendem Motor Nr. 3 über den Zürichberg Richtung Fäl- brochen, Motoreinbau Nr. 2 und Nr. 3 Unterseite einge- landen flog und vier Mann der Besatzung mit Fallschirm ab- drückt. gesprungen waren, 300 m vom nördlichen Ufer in den Grei- 3 Kanonen- und 2 Mg.-Einschüsse in Rumpf und Tragflä- fensee ab. Die näheren Umstände des Absturzes werden chen. vom Kdo. Fl. und Flab. Trp. untersucht. Reparierbar.

Bericht über das am 28. 4. 44, 02.15, in Dübendorf notgelandete deutsche Nachtjagdflugzeug Me-110, C 9 + EN.

Hergang der Notlandung: Kennzeichen: Die Besatzung des oben genannten Flugzeuges hat anläss- C 9 + EN, auf beiden Rumpfseiten. lich des Angriffs auf feindliche Bombenflugzeuge die Orien- Kreuz auf beiden Rumpfseiten, Tragflächen Ober- und Un- tierung verloren. Das Flz. hat in der Nacht vom 27./ 28.4.44 terteil. über dem Flugplatz Dübendorf Notsignale gegeben und lan- Abmessungen: Spannweite 16,5 m dete hierauf um 02.15 bei eingeschalteter Hindernisbeleuch- Höhe 4,2 m tung. Länge 12,1 m Zustand des Flugzeuges: Bauweise: Ganzmetall In Ordnung. (Steuerflächen, Landeklappen, Ver- win- Flugzeug-Typ: Wdungsklappen: stoffbespannt). Modell Me-110 (Nachtjäger), C 9 + EN.

327 Anstrich: oben: weiss-grau-marmoriert, F.F.M.: 4 Trommel-Magazine mit total 240 vorhandenen rechte Flügelunterseite: schwarz, linke Flü- Patronen. gelunterseite und Rumpfunterseite: hellgrau. 34 Hülsen von F.F.M. Motoren: 31 Hülsen von Raketen. 2 Motoren, 605 B 1, Motornummern: rechts 00 702 021, Bomben: links 00701 964. Hersteller: Daimler-Benz. Keine. Bauweise: 12 Zylinder Reihen-Motor. Funkanlage: Zustand: Soweit feststellbar in Ordnung, bei der Landung Siehe Beilage (Funk-Anlage Me-110, C 9 EN). Wasser-Verlust. Atmungsanlage: Kraftstoff: 2 fest eingebaute Anlagen, System Draeger-Auer (Lunge- Vorhandenes Quantum ca. 450-500 I. nautomat). Anordnung: 1 Gerät im Pilotenraum, OZ noch nicht festgestellt. 1 Gerät für 2 Mann im Beob.Raum. 2 abwerfbare Zusatztanks à ca. 200 I unter den Tragflä- Zustand: in Ordnung. chen sind leer. Besondere Ausrüstungen: Luftschrauben: Radiolocation-Anlage. Heizbare Panzerscheibevor Pilot. Metalluftschrauben, Typ V.D.M. Verstell-Luftschrauben, Elektr. Anzeigegerät für Vereisung am Flz. Künstlicher Ho- Farbe: schwarz. rizont kombiniert mit Wendeanzeiger. Rechts: Nr. 8180, links: Nr. 467. Anzeige-Gerätwenn Reifen leer. Roter Punkt auf Propellerhaube vorn. Inventar: Zustand: in Ordnung. 3 Sitzfallschirme Nr. 2019197 (Obfw. Mahle) Nr. Besatzung: 55326732 (Oblt. Johner) Nr. 203 439 3 Mann, ohne Verletzungen. (Uff. Kor) Namen wurden durch ND. Kdo. Fl. und Flab. 3 Telefonhauben mit Halsbandmikrophon Trp. ermittelt. 1 Schwimmweste Nr. 245 565 (Obfw. Herzog) Bewaffnung: 4 Raketenpistolen Nr. 6684, 8369, 7849, 8501 2 Kanonen M.G. 151, Kaliber 20 mm, im Rumpfboden, nach 2 verstellbare Messer vorn schiessend (wurden während des Fluges nicht ge- 1 Schraubenzieher braucht). 2 Patronengurt für 8 Signalraketen 2 Kanonen F.F.M., Kaliber 20 mm, in Beob.Sitz fest mon- 3 Sauerstoffmasken tiert, unter einem Winkel von 70° nach vorn oben schies- 1 Antennen-Ei send. (Waffen wurden im Kampfflug verwendet). 2 Sanitätspaket Nr. 6900 Zustand der Waffen: in Ordnung 3 Stofftaschen für Raketen 4 Brieden für Befestigung der Steuerflächen Zielgerät: 1 Bund Schlüssel Oigee-Reflexvisier Nr. 1124 (nach vorn), Zeiss-Reflexvi- 19 div. Signalraketen. sier Nr. 53290 (nach oben). Munition: Panzer- und Explosiv-Patronen: M.G. 151 links: 230 vorhandene Patronen, rechts: KDO. ARMEEFLUGPARK 210 vorhandene Patronen. i.A.T-Chef Oberst Högger

Bericht über die Bewaffnung u. Funkanlage des deutschen Nachtjägers Me 110, Nr. C 9 EN, gelandet in Dübendorf, 28.4.44, 0217.

A. Bewaffnung 4 MG. 17, Kal. 7,9 mm, in Rumpfnase oben, Die Bewaffnung dieses Flz. weicht von der bis- 2 MG. 151/20, Kal. 20 mm, im Rumpf unten, her bekannten Ausrüstung, Schiessrichtung nach vorn,

328 2 bewegl. MG im hinteren Besatzungsraum, mit Das Reflexvisier ist hinter und über dem Kopf des Schiessrichtung nach hinten, Piloten montiert. Die reflektierende Scheibe ist re- wesentlich ab. Beim obg. Flz. ist die Halterung der gulierbar innen oben am Kabinendach etwas vor 4 MG 17 in der Rumpfnase oben zwar vorhanden, dem Kopf des Flz.-Führers angebracht. Die Ein- die Waffen sind jedoch ausgebaut. Die Bewaff- stellung hängt hauptsächlich von der Neigung der nung besteht aus: Waffen, deren Ballistik, der Schussdistanz und der 2 FFM-Kanonen, Kal. 20 mm, im hinteren Be- Flz.-Geschwindigkeit ab. Angriffsrichtung und satzungsraum fest eingebaut, Schussrichtung Flughöhe können bei der Einstellung auch berück- nach oben; sichtigt werden. 2 MG. 151/20, Kal. 20 mm, im Rumpf unten fest Über den Einbau der Waffen und des Zielgeräts eingebaut, Schussrichtung nach vorn. orientiert die Skizze Nr. E-10078. Die beiden im hinteren Besatzungsraum einge- Ist eine Trommel leergeschossen, bleibt der Ver- bauten 20-mm-Kanonen, Modell F F «M», schies- schluss geschlossen, was dem Piloten durch Erlö- sen nach oben, um 18° von der Senkrechten nach schen der roten Lampe angezeigt wird. Der Beob. vorn geneigt. Die Bedienung der Kanonen erfolgt schaltet nun die Schrägwaffenanlageaus und er- durch Beob. und Pilot, d.h. der Beob. setzt die ge- setzt die leeren Munitionsmagazine durch gefüllte; füllten Munitionstrommeln auf die Waffen und nachher schaltet er die Anlage wieder ein. Der Pi- schaltet den Hauptschalter für die Schrägwaffen lot kann wieder laden und weiterfeuern. ein. (Schalter für Nebelgerät.) Der Pilot spannt die Bleibt wegen Hülsenreissern oderVersagen eine Waffen, indem er für jede Waffe je auf einen Knopf Hülse im Patronenlager, wird automatisch die drückt (an Bordwand rechts). Der dadurch ausge- elektromagnetische Abzugsvorrtchtung gesperrt. löste Strom steuert durch einen Elektromagneten Das Flz. führte zwei Trommeln à 60 Schuss und ein Pressluftventil, welches aus den zwei mit 150 zwei à 90 Schuss mit sich; für die Reservemaga- Atü aufgefüllten 1-l-Pressluftflaschen die auf 30 zine sind Halter vorhanden. Atü reduzierte Druckluft auf die Ladezylinder leitet. Angaben über Lage und Abmessungen von Waf- Zwei Rote Lampen zeigen dem Piloten die fen und Zielgerät sind in der erwähnten Skizze ent- Schussbereitschaft der beiden Waffen an. halten. Das Auslösen der Schüsse erfolgt durch den Pilo- Ein Zusammenhang zwischen Sichtgerät und Waf- ten, indem er die Sicherungsklappe oben am Steu- fenauslösung konnte nicht festgestellt werden. erknüppel nach vorne umlegt und den oben auf Die Munition für die beiden nach vorn schiessen- dem Steuerknüppel liegenden Knopf drückt. Über den MG. 151/20 befindetsich im hinteren Besat- den Stand des Munitionsvorrates orientieren die zungsraum links und rechts an der Bordwand in beiden Schusszähler. zwei Blechkästen und wird den Waffen durch zwei Als Zielgerät wird ein Reflexvisier «Revi» mit 15- Blechkanäle zugeführt. Der Munitionskasten für Watt-Lampe verwendet. Die Zielmarken des einfa- die rechte Waffe fasst 350 Schuss, derjenige für chen Strichplattenbildes erscheinen dunkelrot, de- die linke 400. ren Helligkeit kann durch einen im Gerät einge- Die Bedienung der MG. 151/20 erfolgt aus- bauten Widerstand reguliert werden. Da dieser schliesslich durch den Piloten. Nachdem die Gurte Schalter vom Pilot aus nicht gut erreichbar ist, wur- in die Zuführapparate eingeführt sind, wird der Be- de ein zweiter vorn oben in der Mitte des Instru- mentenbretts eingebaut.

329 waffnungsschalter auf «ein» umgelegt, worauf die se. Das Sende-Empfangsgerät setzt sich zu- Kanone automatisch durch einen Elektromotor ge- sammen aus einem selbsterregten Sender spannt, d.h. geladen wird. Die Schussbereitschaft und einem Impulsgerät, welches eine varia- wird durch ein kleines Instrument angezeigt. Elek- ble Impulsfrequenz von 5‘000-15‘000 Hz. er- trisch gesteuerte Schusszähler zeigen den Muniti- zeugt. onsvorrat an. Die Schussauslösung erfolgt elek- Der im Rhythmus der Impulsfrequenz gesteu- trisch, sobald die Sicherungsklappe oben am erte Sender arbeitet über eine an der Rumpf- Steuerknüppel nach vorn umgelegt und gegen nase angebrachte Dipolebene. den Griff gedrückt wird. Als Visiervorrichtung dient Über das gleiche System wird das von einem das Reflexzielgerät «Revi». Die vordere Panzer- im Sichtbereich befindlichen Flz. reflektierte Si- glasscheibe dient als Reflex-Scheibe. gnal empfangen. Als Empfängerdient eine Su- Bleibt infolge eines Versagers der Verschluss in perregenerativschaltung mit separatem Pende- seiner vordersten Stellung, so wird die betreffende loszillator und sep. Breitbandverstärker. Waffe nach kurzem Loslassen des Abzuges auto- Mit dem verstärkten Empfangsimpuls wird ab- matisch gespannt, d.h. geladen und die fehler- wechslungsweise der Kathodenstrahl zweier hafte Patrone ausgeworfen. Während des Lade- Kathodenröhren (Seiten- und Höhenrohr) über vorgangs ist die Schussauslösung gesperrt. deren Ablenkplatten gesteuert. Die Umschal- Das Zielgerät besteht aus einem normalen Re- tung geschieht mit Hilfe eines mech. gesteuer- flexvisier mit einer Lampe von 24 Volt und 15 Watt. ten Antennenumschaltgeräts, welches in der Die Visiergrundplatte ist von 0-12° schwenkbar, Rumpfnase untergebracht ist. Im Drehsinne wobei die normale Einstellung für das Schiessen des Umschaltmotors werden die beiden obe- 6° beträgt. Das ausgestrahlte Licht istgrün. Die ren, rechten, unteren und linken Antennen-Di- Lichtstärke kann durch den im Zielgerät eingebau- pole an den Sender bzw. Empfänger geschal- ten Widerstand von ganz dunkel bis zum Maxi- tet. Um ein einwandfreies Bild auf dem Schirm mum reguliert werden. der Kathodenröhren zu erzielen, werden syn- chron mit der Antennenumschaltung auch die B. Funkanlage Ablenkplatten in der entsprechenden Reihen- Ausser den normalen Funkanlagen: folge an den Empfänger geschaltet. Dadurch 1 Sende-Empfangsanlage FuG 10, wird die Lage der im Sichtbereich befindlichen 2 Sende-Empfangsanlage FuG 16, Flz. bezüglich Seite und Höhe angezeigt. Das 3 Peilanlage FuG 8 mit dritte Kathodenstrahlrohr (Entfernungsrohr) 4 Blindlandeempfängern, dient zur Distanzbestimmung. Dabei wird einer- 1 Erkennungsgerät FuG 25, sind eingebaut: seits der Sendeimpuls, andererseits der ver- 1 Lichtenstein-Gerät FuG 202, stärkte Empfangsimpuls auf dem Schirm der 1 Sichtanlage FuG 220. Röhre sichtbar gemacht, wobei der Abstand a) Lichtenstein-Gerät FuG 202. derselben ein direktes Mass der Entfernung ist. Diese Anlage ermöglicht das Feststellen von Das Sende-Empfangsgerät und das Sichtgerät Flz. biszu einer Entfernung von ca. 2 km und ei- sind im Funkraum eingebaut und werden vom nen max. Sichtwinkel von 45° von der Flugach- Funker bedient. Die Beobachtungen werden durch letzteren mittels der Bordverständigungs-

330 anlage dem Piloten übermittelt. Personalien der Besatzung b) Sichtanlage FuG 220. Pilot: Diese Anlage stellt vermutlich eine Erweiterung Johnen Wilhelm, geb. 1921, v. Niederrhein, des Lichtenstein-Geräts bezüglich Sichtbereich Oblt. Staffelkapitän. dar, da dieserauf 4 bzw. 10 km umgeschaltet werden kann. Der technische Aufbau dürfte Nachrichten & Funker: ähnlich dem Lichtenstein-Gerät sein. Sender Kamprath Joachim, geb. 1912, verheiratet, Lt. und Empfänger sind im Rumpfhinterteil unter- N.Of. gebracht, wobei der Empfänger durch elektr. Fernsteuerung vom Funker nachgestimmt wer- Oberfeldwebel Mahle Paul, geb. 1917, Zugfüh- den kann. Das Sichtgerät ist direkt unter demje- rer. nigen der Lichtenstein-Anlage montiert; es wird gleich dieser vom Funker bedient. 11. Nachtkampfgeschwader 5. Die beiden Sichtanlagen FuG 202 und 220 stellen zwei von den übrigen Funkanlagen, Bewaffnung Abschüsse engl. Flz. durch Me-110. und Steuerung unabhängigen Anlagen, dar. C9 + EN. 17. 6.43 3. 10. 43 22. 6.43 6. 10. 43 22. 6.43 20. 1.44 25. 6.43 27. 1.44 24. 8.43 27. 1.44 24. 8.43 27. 1.44 1. 9.43 15. 2.44 3.10.43 15. 2.44 KDO. ARMEEFLUGPARK 15. 2.44 i.A.T-Chef: Oberst Högger

Total 17 Abschüsse

331 Einbau und Betrieb der Holzkohle-Generatoranlage auf einem Sportflugzeug AC-4

Von E. Wyss, dipl. Masch.-Techn., Luzern «Kurz zudem ist dieses Gas sehr explosionsgefährlich, nach Inkrafttreten der kriegsbedingten Massnah- der Verschleiss der damit betriebenen Motoren ist men, welche den Motorflugsport untersagten, traf gross. Die Klopffestigkeit des Azetylengases ist ich mit alten Sportflugkameraden zusammen. Sie sehr gering. Als einheimischer Treibstoff kam so- überzeugten mich, dass prominente Persönlich- mit noch Holz und Holzkohle in Frage. Das Gene- keiten an massgebender Stelle die Erlaubnis zu ratorholz wiegt zirka 290 kg/m3, der Heizwert zirka erwirken versuchten, einen im beschränkten Rah- 3‘300 KCal/kg. Das Raumgewicht der generator- men gehaltenen Sportflugbetrieb auch während fertigen Holzkohle beträgt zirka 200 kg/m3. Der des Krieges aufrechtzuerhalten. Alles ohne Erfolg. Heizwert 7‘700 KCal/kg. Die Holzkohle eignet sich Die teilweise mühsam in der Freizeit mit erhebli- somit als Flugkraftstoff mit ihrem kleineren Raum- chen Kosten erworbenen fliegerischen Kenntnisse gewicht und grösserem Heizwert besser als Holz. sollten während des Krieges verkümmern. Ais Eine Holzkohle-Generatoranlage lässt sich erheb- ehemaliger Sportflieger konnte ich solchen und lich leichter bauen als eine Holz-Generatoranlage. ähnlichen Gedanken gut nachfühlen. Zur selben Bei Verwendung von Holzkohle sind die Genera- Zeit wurden die Benzinzuteilungen für Fahrzeuge torbaustoffe der Korrosion weniger unterworfen. von Monat zu Monat kleiner. Viele Garagisten, be- Als Versuchsflugzeug wurde ein Flugzeug AC4 mit rufene und unberufene, befassten sich mit dem Argus-Motor AS 8 gewählt. Die relativ grossen Umbau ihrer Fahrzeuge auf Ersatzbetriebstoffe. Rumpfquerschnitte gestatteten einen zweckdienli- Die Idee, auch einen Flugmotor mit Ersatzbetrieb- chen Einbau der Generatoranlage. Die grosse Lei- stoff zu betreiben, lag daher nahe. Den Sportflie- stungsbelastung und der grosse Stirnwiderstand gern wollte ich Gelegenheit geben, mit kurzen Flü- wurden bei dieser Wahl in Kauf genommen. Ein gen im Training zu bleiben. Für diese Flüge kam erheblicher Leistungsabfall des mit Holzkohlegas nur einheimischer Treibstoff in Frage. Zur Verfü- betriebenen Flugmotors gegenüber Benzinbetrieb gung standen damals Holz, Holzkohle und Azety- war aus folgenden Gründen zu erwarten: len. Für die Herstellung von Azetylen wird auslän- a) Kleinerer unterer Gemischheizwert des Ga- dische Kohle verwendet, kam also nicht in Frage; ses.

332 b) Durch heisse, mit Wasserdampf durchsetzte, lich ist. Der Gasabzug erfolgt durch eine Ringdüse. angesaugte Gase, die die Füllung erheblich ver- Der Schachtdeckel ist aus Sicherheitsgründen ge- schlechtern. federt. Der Aschenfallraum ist mit einem runden c) Grösserer Unterdrück in den Ansaugrohren, Deckel von unten abgeschlossen. die bei Sauggasbetrieb die Füllung wiederum ver- Der Gasreiniger: Als Grobreiniger dient ein Zyklon, schlechtern. in welchen die Gase heiss einströmen. Der Fein- Hiermit waren auch die Möglichkeiten vorgezeich- reiniger besteht aus einem grossen, konischen net, vermittelst welchen der Leistungsabfall kom- Leichtmetallbehälter mit Stoffsack. pensiert werden konnte: Der Gasmischer: Ein handelsübliches Mischventil a) Durch gute Gaskühlung, b) Durch Aufladung. mit Schnellstartvorrichtung konnte nach prinzipiel- Versuche mit holzkohlebetriebenen Motoren, bei len Konstruktionsänderungen verwendet werden. denen dem Triebwerk das Gasgemisch vermittelst Anfachgebläse: Hier wurde ein normaler, mit 12- eines Turboladers verdichtet zugeführt wurde, ha- Volt-Batterie betriebener Ventilator verwendet. Mit ben 100-105% Benzinleistungen ergeben. Ich ent- einigen Handgriffen ist derselbe demontierbar und schloss mich für den Einbau eines Turboladers wird bei Platzflügen nicht mitgeführt. und verfolgte damit drei Ziele: Die Schnellstartanlage: Das Anfachgebläse be- 1. Kompensation des Leistungsverlustes. sitzt einen eigenen regulierbaren Gasmischer. Der 2. Ausnützung der Abgasenergie. Gasaustritt aus dem Ventilator ist ebenfalls mit ei- 3. Sammeln von Betriebserfahrungen mit Abgas- ner Klappe regulierbar. Auch für das Anlassen wird turbinen zwecks Verwendung derselben im Sport- das Gasgemisch dem Motor mit Druck zugeführt. flugbetrieb mit Kleinmotoren auch in Friedenszei- Gestartet wird der Motor vermittelst Durchdrehen ten. Dies ist für die spezifisch schweizerischen des Propellers. Verhältnisse nicht ohne Bedeutung (Alpenflüge). Abgasturbolader: Auf einer gemeinsamen Welle Beschreibung der Anlage: ist das Abgasturbinen- und Laderad montiert. Ein- bauschwierigkeiten bereitete die Ölrückführung Der Generator und die Wasserkühlung des Ladeaggregates.

DerGeneratorwurdezweiteilig ausgeführt; dies er- Einbau der Anlage in das Flugzeug AC 4 möglichte eine leichtere Konstruktion und bessere Wartung des Herdes. Der Kohlebunker konnte Der Generator ist stehend im Rumpf hinter dem leicht und der Herd, derthermisch stark bean- Führersitz montiert. Der Kohleeinfülldeckel ist dem sprucht ist, schwerer konstruiert werden. Die hit- Rumpfobergurt bündig. Der Aschenraumdeckel zebeständige Generatorauskleidung ist aus einem ragt zwecks guter Bedienbarkeit und Kühlung Stück gegossen und mit einer doppelten Blech- leichtausderRumpfunterseiteheraus. Neben dem wandung isoliert, so dass die Wärmestrahlungs- Generator befindet sich der Zyklon-Grobreiniger. verluste auf ein Minimum beschränkt sind. Die Der ganze Generatorraum ist mit Leichtmetallble- Vergasung erfolgt absteigend. Die Vergasungs- chen ausgekleidet. Vom Zyklon gehen die Gaslei- lufttritt durch eine bleigekühlte Düse in den Herd. tungen unterdem Rumpf nach dem Heck des Flug- Der Rost besteht aus Guss und ist flächenmässig dimensioniert, wie es für den forcierten Betrieb üb-

333 zeuges und münden in den Feinreiniger. Die aus- der in Verbindung steht. Flammenaustritte wären ser Bord verlegten Gasleitungen sind als Kühl- nur möglich bei einem Leitungsbruch unmittelbar schlangen ausgebildet. Der Feinfilter liegt horizon- vor der Düse, oder zwischen Generator und Zy- tal im Rumpfhinterteil und ist 2,5 m lang. Vom klon. Dieser gefährdete Raum ist feuerfest ausge- Feinfilter führen die Leitungen das Gas über das kleidet. Kraftstoffleitungsbrüche in der Nähe der Mischventil zum Motor. Der Turbolader ist auf der Auspuffanlage von Benzinmotoren führen immer- Rumpfunterseite nahe am Triebwerk mit möglichst zu Bränden. Dies war mit ein Grund, warum ich auf kurzer Auspuffleitung montiert. Der Lader verdich- den Benzin-Kohlegas-Mischbetrieb von vornher- tet die Vergasungs- und Sekundärluft. Die ver- ein verzichtete. Ich bin überzeugt, dass normale dichtete Luft geht vom Lader auf die Generator- Capotagen mitderGeneratoranlagenichtzu Brän- düse und eine Zweigleitung auf das Mischventil. den führen. Bei Abstürzen, die ein Platzen des Gaserzeugers zur Folge haben, ist die Besatzung Bedienung und Instrumente ohnehin gefährdet.

Gegenüber der normalen Instrumentierung sind Gasvergiftungsgefahr nur zwei Ladedruckmanometerzusätzlich mon- tiert. Das Ladedruckmanometer ist am Laderau- Diese ist bei Druckgasanlagen grösser als bei stritt, das Ladedruckmanometer am Ansaugrohr Sauggasanlagen. Immerhin konnte dieser Gefahr des Motors angeschlossen. Die Druckdifferenz ist leicht begegnet werden mit einer Staubelüftung ein Mass für den inneren Widerstand und die der Kabine. Durch den Pilotenraum sind keine Dichtheit der Anlage. Defekte in der Anlage kön- Gasleitungen geführt. Das Anfachen und Vorwär- nen jederzeit an den beiden Manometern bemerkt men des Motors erfolgt immer im Freien und bietet werden. somit keine Vergiftungsgefahr. Bedienungshebel a) 1 Hebel für die Umstellung von der Schnell- startvorrichtung auf den normalen Abgasturbi- Dimensionierung der Anlage: nenbetrieb (dieser muss nur am Boden bedient werden). Motordaten: 90 PS bei 1950T/Min. b) 1 Sekundärlufthebel. Hubraum 6,33 Liter. Verdichtungsverhältnis 1:5,3. c) 1 Zündmomentverstellhebel. Brennstoffverbrauch 90X230 = 20730 g = 28,8 Li- d) 1 Kühlklappenhebel für die Belüftung des Fil- ter Benzin pro Stunde. Für den Ersatz von 1 Liter terraumes. Benzin ist 1,2 kg Holzkohle notwendig. Somit ist e) 1 Gashebel normal. der Kohleverbrauch 1,2 • 28,8 = 34,5 kg/Std.

Brandgefahr Generatorgrösse Der Betrieb mit Holzkohlegas ist weniger gefähr- lich als der Betrieb mit flüssigen Kraftstoffen. Tritt Das spezifische Gewicht der Hartholzkohle beträgt 3 3 ein Gasleitungsbruch ein, so dass der Motor ab- 0,22 kg/dm , danach 34,5/0,22 = 157 dm . Der stellt, so steht auch die Abgasturbine still und der- Kohlebunker wurde so gross bemessen, dass Generatorerhält keine Vergasungsluft mehr. Ein Nachbrennen durch die Düse ist nicht möglich, weil dieselbe geschlossen ist und nur mit dem La-

334 nach dem Vorwärmen für eine gute Stunde Kraft- 3. Anlassen auf M. mit Schnapp-Kupplung. stoff vorhanden ist. Reichweite 120 km. Der Gene- 4. Durch Einsetzen einer Hochtemperaturdüse im ratorherd wurde auf Grund von vorhandenen Ver- Generator. suchsergebnissen in Bezug auf Durchmesserund 5. Abstimmen der Leistungsquerschnitte von Ver- Höhe ausgeführt. Der Rost ist relativ klein gehalten gasungs- und Sekundärluft. und entspricht in seiner Belastung einem ange- Mit diesen Änderungen ist heute der Start des Ar- strengten Betrieb. Die Gas- und Luftleitungen sind gus-Motors leichter und sicherer als früher mit gross ausgeführt. Die Gas- und Luftgeschwindig- Benzin. keiten betragen 12-15 m/sek. Die Vergasungsluft Im weitern musste die Sekundärluft-Regulierung tritt mit einer Geschwindigkeit von 70-90 m/sek. für den Flug weitgehend unempfindlich gemacht aus der Düse. Sämtliche Behälter und Leitungen werden. Dies wurde erreicht durch genaues Ab- wurden für einen Überdruck von 1,5 Atü gerech- stimmen der Sekundärluftdüse und Leitung im net. Während den Standläufen wurde der Stand- Mischventil. Das ist so gut gelungen, dass man im schub in Funktion der Drehzahl aufgenommen Flug über dem praktischen Drehzahlbereich nur undxmit diesem Ergebnis die Startrollstrecke er- noch den Gashebel bedienen muss und den Se- rechnet. Sie ergab 309 m. Ebenso wurden mit der kundärlufthebel stehen lassen kann bis kurz vor berechneten Schwebeleistungskurve die Verhält- der Landung. nisse im Flug abgeschätzt. Diese letzteren Be- rechnungen waren notwendig, weil das Triebwerk Der Abgas-Turbolader mit Holzkohlegas nicht seine Nominalleistung ab- gab. Dieser ergab Laderdrücke von 1‘100-1‘250 mm Hg. Um Druckspitzen bei brüskem Drosseln des Betriebserfahrungen Triebwerkes zu vermeiden, wurde eine Abblas- klappe in die Ladeluftleitung eingebaut. Diese Vor- Während vielen Standläufen wurde die Anlage er- richtung erwies sich im Verlauf der Versuche als probt. Zahlreiche Konstruktionsänderungen muss- überflüssig, weil ein Flugmotor gleichmässiger be- ten vorgenommen werden. Eine eingebaute Ring- lastet werden kann als ein Fahrzeugmotor. düse bewährte sich nicht und musste durch eine Durch eine falsche Zündmomenteinstellung 7° bleigekühlte Rohrdüse ersetzt werden. Eine sepa- voTP ist die Abgasturbine lange Zeit mit dieser rate kleine Anlassdüseerwiessich als überflüssig. Spätzündung betrieben worden, womit dasTurbi- Am meisten Schwierigkeiten bereitete das Anlas- nenlaufrad stark überhitzt wurde. Eine Kontrollde- sen des Motors. Durch beharrliche Versuche sind montage zeigte nicht die geringsten Beschädigun- die Fehlerquellen aufgedeckt worden. Ein guter gen der Laufradschaufeln. Dies ist ein Beweisfür- Start des Motors wurde erreicht durch folgende die Betriebssicherheit des Turbo-Aggregates. Da- Anordnungen: gegen ist der Russansatz so gross, dass eine Rei- 1. Konstruktion einer Schnellstartvorrichtung mit nigung der Abgasturbine nach 50-60 Betriebsstun- separatem Sekundärluftmischventil und regu- den notwendig ist. Der mit dem Lader-Aggregat er- lierbarer Gasaustrittsdrosselung. zielte Druckgasbetrieb bietet erhebliche Vorteile 2. Vergrössern der Zündverstellung von 19° bis gegenüber dem Sauggasbetrieb bei kleinen Un- 60°voTP. dichtheiten. Wegen ungenügenden Sicherungen traten während zwei verschiedenen Flügen Un-

335 dichtheiten auf. Die Ladedruck-Überwachungsin- Training und nach Auswechseln des Propellers für strumente zeigten die Defekte sofort an. Trotzdem Schleppflug in Frage kommt. konnte das Flugzeug ohne Höhenverluste nach Die verspätete Fertigstellung ist weniger auf tech- der Korrektur am Sekundärlufthebel weiter geflo- nische als auf organisatorische und finanzielle gen werden. Mit Gasüberdruck von 0,5 kg/ cm3 tre- Schwierigkeiten zurückzuführen. Erst nachdem ten wohl Verluste auf, aber es wird keine falsche die Segelfluggruppe Luzern in zuvorkommender Luft angesogen. Die Abgasturbine wirkt stark Weise einen Arbeitsraum für die «mise au point» schalldämpfend. Zuschauer, die den Flugversu- zur Verfügung stellte, konnten die Standversuche chen beiwohnten, glaubten, das Flugzeug sei mit rasch zum Abschluss gebracht werden. Die Start- Elektromotorangetrieben. Das Flugzeug ist gros- rollstrecken betragen im Mittel 230-260 m, mit ei- sen Temperaturschwankungen ausgesetzt, da- nem Abfluggewicht von 830 kg. Die Steigge- durch war die Kondensation im Feinfilter begün- schwindigkeit beträgt 3 bis 5 m/sek. Diese Ergeb- stigt, mit leichtem Aufheizen des Filterraumes nisse mitder Abgasturbine geben zu der berechtig- konnte ein Feuchtwerden des Stoffilters vermie- ten Hoffnung Anlass, die in den Abgasen verpuffte den werden. Energie auch in Friedenszeiten auf den Sportflug- Brüske Gashebelbewegungen in Richtung Dros- motoren auszunützen. Die Auspuffenergie wird an seln dürfen nichtausgeführtwerden, sonst treten den Jagdflugzeugen vermittelst Auspuffdüsen starke Pumperscheinungen auf. Wird der Gashe- ausgenützt, der Wirkungsgrad ist aber bei keiner bel brüsk von der Vollgasstellung auf Leerlaufstel- Geschwindigkeit sehr schlecht. Für Sportflugzeu- lung zurückgeführt, so entspannt sich der Über- ge kommt somit für die Ausnützung der Abgas- druck vom Generator und Filter rückwärts durch energie nur die Abgasturbine in Frage.» die Düse in den Lader und das Mischventil und verstopft dieselben. Die gesamte Generatoranla- Anmerkung der Redaktion: Wir legen Wert darauf, ge ist 121 kg schwer. Da das Flugzeug früher drei- festzustellen, dass ausser dem Verfasser des obi- plätzig geflogen wurde, ist es heute nur noch zwei- gen Artikels als Mitarbeiter an der technischen sitzig verwendbar. Der Schwerpunkt befindetsich Ausführung der Holzkohle-Generatoranlage des einsitzig horizontal, in 32,8% mittlerer Flügeltiefe. Flugzeuges AC 4 auch beteiligt waren die Herren Trotzdem es die erste Abgasturbine ist, welche in S. Rupp, Sportflieger, FlOblt. Aebersold (Bern), der Schweiz in einem Flugzeug eingebaut wurde, Sportflieger Portmann und Günthart vom Flug- sind die Versuche so weit gediehen, dass sie für zeugbau W. Farner in Grenchen. Schweizer Aero-Revue Nr. 11, Nov. 1944

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Me 110 G-4 (C9 + EN) kurz vor dem Start

337 Die Hirschgeweih-Antenne der FuG-202- und FuG-220-Funk- messgeräte (Radar) der Me 110G-4C9 + EN

28. April 1944, Dübendorf: Sei- tenruder der Me 110 G-4 C9 + EN mit 17 Abschuss-Zeichen

338 12 Uhr, 34 Min., 24.4.1944, Genf-Cointrin

12 Uhr, 48 Min., 24.4.1944, Dübendorf

13 Uhr, 25 Min.,24.4.1944, Dübendorf

13 Uhr, 49 Min., 24.4.1944, Dübendorf

340 341

13 Uhr, 54 Min., 24.4.1944, Dübendorf

14 Uhr, 01 Mln., 24.4.1944, Dübendorf

14 Uhr, 04 Min., 24.4.1944, Dübendorf

14 Uhr, 05 Min., 24.4.1944, Neftenbach

342

14 Uhr, 05 Min., 24.4.1944, Altenrhein

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14 Uhr, 14 Min., 24.4.1944, Greifensee

14 Uhr, 29 Min., 24.4.1944, Dübendorf

25. April 1944, Payerne. Liber- ator B-24, N r. 128 602: Mor- gens urn 6 Uhr in Südengland zu einem Bombenangriff auf Deutschland gestartet. Ein Mo- torschaden zwang zur Notlan- dung, beim Ausrollen in eine Baumallee geraten und ver- brannt

27.Mai 1944, Bad Knutwil (Sur- see). Boeing B-17, Nr. 297 603: Nach der Bruchlandung steckte die Besatzung den Bomber in Brand. Sie war angeblich über- zeugt, sich in Deutschland zu befinden

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27. Mai 1944, Lütisburg. Mustang G4B556: Die Ma- schine startete um 11 Uhr morgens in England zum Jabo-Einsatz über Deutschland. Nach einem Motordefekt sprang der Pi- lot mit dem Fallschirm ab

17. August 1943, Utzenstorf. Boeing B-17 F, Nr. 230 315: Die Maschine nahm an dem «Jubiläums- angriff» auf Regensburg teil, der mit schweren Nie- derlagen für die 8. USAAF endete. Von den 376 ge- starteten Bombern gingen 60 durch die deutsche Luft- verteidigung verloren. Die mehrfach getroffene Flie- gende Festung konnte ih- ren Weiterflug nach Afrika nicht fortsetzen und musste in der Schweiz notlanden. Die Besatzung meinte, in Deutschland zu sein, und wollte die fast nagelneue B-17 schon vernichten, als eine in der Nähe auf dem Feld arbeitende Frau sie von diesem Vorhaben ab- brachte

6. September 1943, Düben- dorf. Boeing B-17 F, Nr. 23 434: Nach dem Luftan- griff auf Stuttgart durch starken deutschen Jäger- Einsatz vom Verband ab- getrieben. Die Mannschaft unter 1 st. Lt. A. F. Glasier hat die Notlandung in der Schweiz dem Einzel-Rück- flug vorgezogen

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1. Oktober 1943, bei Ragaz. Abgestürzte Boeing B 17 F, Nr. 230126: In Nord-Afrika zum Angriff auf München und Augsburg gestartet. Das Flugzeug wurde von deutschen Jägern angeschossen und flog in dem Verband von 3 Staffeln à 15 Maschinen in die Schweiz. Die Fliegende Festung wurde von dem Flab-Detachement 21 in Büel bei Ragaz mit 7,5-cm-Flab unter Feuer genommen und explodierte in der Luft. 7 Mann Besatzung fanden dabei den Tod. Die zweite an diesem Tag abgeschossene B-17 F stürzte bei Alvaneu ab

14. Oktober 1943, bei Aesch (BL). Boeing B-17 F, Nr. 230831: Nahm an dem Angriff auf Schweinfurt teil. Die Maschine wurde bereits vor Erreichen des Zieles durch deutsche Jäger und Flak stark angeschos- sen, und die Besatzung entschloss sich zur Notlandung. Die B-17 F ist eine der 77 Maschinen (von 291 gestarteten), die auf der Strecke blieben. Der misslungene Angriff löste eine Krise beim

USAAF-Oberkommando aus

346 Einer der neuesten deutschen Nachtjäger mit Frauen an Bord:

Bericht über das am 30.4.45, 05.15, in Dübendorf gelandete deutsche Nachtjagdflz. Ju 88 C9 + AR.

Hergang der Nach Angabe der Besatzung erfolgte der Kennzeichen: Abmessungen: Spannweite 19,60 m Landung: Start um 0130 MEZ in Lübeck (Nord- Höhe 4,90 m Deutschland) mit der Absicht, in die Schweiz Länge 14,10 m zu fliegen. Anstrich: Oberseite von Tragflächen, Der Einflug erfolgte von Norden her. Die Lan- Rumpf, Leitwerk: moosgrün bis dung erfolgte am 30.4.45, 0515, normal, auf dunkel, olivgrün gefleckt. Un- dem Flugplatz Dübendorf. terseite: hellblau. Auf Kielfläche: Nr. 623 211 mit Haken- Ursache der Flucht aus der Armee. kreuz. Landung: Auf Rumpf beidseitig: C 9 AR. Auf Tragflächen links und rechts beidsei- Zustand des Flz. und Motoren sind vermutlich neu und tig: Flz.: noch in sehr gutem Zustand. Dies wird durch Besatzung: die Aufschrift auf dem Fabr.-Schild «Ände- 6 Personen: 1 Hauptmann, rungsstufe 1.45» bestätigt. 2 0berlt., 2 Frauen (1 schwanger), Flz.-Typ: 1 Mädchen, 6jährig. Zweimotoriger, freitragender Mitteldecker, Junkers, Ju 88 G-6 Nachtjagdflz., Ganzme- Zustand: unverletzt. tall-Bauweise, Nr. 623211. Namen durch ND Kdo. Fl. u. Flab. Trp. Hersteller: unbekannt; auf Fabr.-Schild mit ermittelt. P.m.P. bezeichnet. Baujahr: unbekannt; vermutlich 1945. Bewaffnung: 6 Mg., Kal. 20 mm, Typ 151 «Mauser», 1 Mg.,Kal.13 mm,Typ131 «Rheinmetall».

Die Maschine, mit der der Grossmufti von Jerusalem am vorletzten Kriegstag in die Schweiz kam:

Bericht über das am 7.5.45,13.16, auf dem Flugplatz Belpmoos gelandete deutsche Verkehrsflz. Si 204 D-1, DL + NT.

Zustand Flz. und Motoren sind zum Teil in schlech- Ursache und Nach Angabe der Besatzung diente das des Flz.: tem Zustand (mangelhafte Wartung). Das Hergang der Flz. zur Flucht in die Schweiz. Die Lan- Seitenleitwerk links weist drei Einschüsse Landung: dung auf dem Flugplatz Belpmoos erfolg- (reparierbar) auf. Die Trimmklappe des te normal. Höhenruders ist eingedrückt.

347 Flz.-Typ: Zweimotoriges Verkehrsflz. für 7 Mann Motoren: 2 luftgekühlte, 12 Zylinder Argusmotoren, Besatzung (2 Piloten, 1 Funker und Typs As 411 von je 600 PS Dauerleistung, 4 Fluggäste). Mot.-Nrn.: Links 116412 / Rechts 116 448. Freitragender Tiefdecker. Ausführung: Ganzmetall-Bauweise. Kraftstoff: CZ 87 (A4). Hersteller: SIEBEL-Flugzeugwerke Noch vorhandene Kraftstoffmenge ca. G.m.b.H., Halle a/S. 250 I. Baujahr: Nicht feststellbar. Luftschrauben: Argus-Verstell-Luftschrauben (Holz). Anstrich: Oberseite dunkel-olivgrün / Unterseite hell- Nrn.: Links 6115132/ Rechts 6115139. blau. Auf Rumpf und Tragfläche: Immatrikula- tion DLNT. (Das Kreuz war Besatzung: 2 Mann Besatzung, vermutlich kurz vor dem Start mit Farbe 3 Passagiere. übermalt worden.) Um den Rumpf 2 parallellaufende gelbe Streifen. Auf dem Seitenruder rechts aussen weisses B.

Die allerletzte Maschine der Luftwaffe, die im Zweiten Weltkrieg in der Schweiz niederging:

Bericht über das am 8.5.45,19.10, in Chur gelandete deutsche Verbindungsflz. «Fieseler-Storch» Fi 156, Nr. 1685, RN + VJ.

Hergang Der Start erfolgte an der ungarischen Ost Kennzeichen: Spannweite 14,25 m der Landung: front mit der Absicht, in die Schweiz zu fliegen. Höhe 3,05 m Der Einflug geschah von Norden her. Nach ei- Länge 9,90 m nem ununterbrochenen Flug erfolgte die Lan- Auf Seitenleitwerk: Nr. 1685 / Hakenkreuz. dung am 8.5.45,1910, in der Nähe des Gaswer- Auf Rumpf beidseitig: RN V J. kes Chur. Auf Tragflächen links und rechts, oben und unten:

Flucht aus der Armee. 1 Reihenmotor, 8 Zyl. 240 PS, luftgekühlt, Ursache der Motor: Landung: Typ Argus As 10 C. An der Motorverkleidung fehlten links und Hersteller: unbekannt. Zustand des rechts die mittleren Haubenteile (Auspuff-Ver- Nr.: 4460108. Flz.: kleidung). Der allgemein schlechte Zustand Zustand: Zum Teil in schlechtem Zustand lässt auf mangelhafte Wartung schliessen. (mangelhafte Wartung).

Flz.-Typ: Kraftstoff: Vermutlich OZ 87 (keine Anschrift), vorhan- Fieseler-Storch, Fi 156, Nr. 1685 Hersteller: denes Quantum 0 I. unbekannt Ablieferungsdatum: 4/44.

348 Luftschraube: Typ Heine, Farbe schwarz. Inventar: 1 Fliegerhaube aus Leder Nr. 8514. mit Telefon Nr. 124-436A Zustand: mittelmässig. 1 Halsband-Mikrophon 1 Kursdreieck Nr. 127-106 A-1 Besatzung: 3 Mann, uniformiert. 1 Armband-Kompass Nr. 53 500 Zustand: unverletzt. 1 Dreieckrechner DR 2 Nr. 127-107 A-1 Namen durch ND Kdo. Fl. u. Flab. Trp. 1 Maschinenpistole mit vollem Magazin ermittelt. 1 Raketenpistole «Walther» Nr. 12840 1 Pistole «Walther» Nr. 764280 mit Bewaffnung: Keine. Magazin 1 Pistole F.N. Nr. 25 613 mit Magazin Munition: Keine. 1 Pistole F.N. Nr. 5874 mit Magazin 152 Schuss Munition, Kaliber 7,65 mm Funkanlage: Keine. 104 Schuss Munition, Kaliber 9,00 mm 3 Reservemagazine Atmungs- 3 Signalraketen grün anlage: Keine. 3 Signalraketen rot 3 Signalraketen weiss 1 Patronentasche aus Stoff, 3teiIig mit 3 Magazinen für Maschinenpistole. Besondere Im Rumpf isteine Vorrichtungfürdie Befe- Ausrüstung: stigung einer Sanitäts-Tragbahre vor- handen.

Die während des 2. Weltkrieges in der Schweiz gelandeten, abgestürzten oder abgeschossenen fremden Militärflugzeuge.

Datum Ort Flugzeug Natio- Besatzung Flugzeugzu- Abschuss L = Lan- nalität stand oder Füh- dung A Landung Rückflug rung durch = Ab- sturz

21.4.40 19.8.40 Basel Do17Z3 D 4 Mann verwendbar L 16.5.40 Kemleten He111 D 4 Mann verbrannt Flieger L 1.6.40 Lignieres He111 D verbrannt Flieger A 1.6.40 Lutter (Els) He111 D zertrümmert Flieger A 2. 6. 40 Ursins He 111 D 4 Mann zertrümmert Flieger A 4. 6. 40 19.10. Le Russey F Me110? D zertrümmert Flieger A 4. 6. 40 40 X Maiche F Me110? D zertrümmert Flieger A 8. 6. 40 Réchésy F ? D zertrümmert Flieger A 8. 6. 40 Triengen Me110 D verbrannt Flieger A 8.6.40 Oberkirch/S Me110 D 2 Mann zertrümmert Flab. L 9.11.40 10.11.40 Frauenfeld Gotha 145 D 1 Mann verwendbar L 13.11.40 22.11.40 Wilerzell Do 17 D zertrümmert A 22.11.40 23.11.40 Jüppen Bücker D 1 Mann verwendbar L 18.3.41 20.3.41 Klingnau Gotha D 1 Mann verwendbar L 24.7.41 25.7.41 Dübendorf Ju W34 D 4 Mann verwendbar L

* Nach dem Abschluss des Waffenstillstandes zwischen Frankreich und Deutschland verfügte der Bundesrat auf Begehren der deutschen Regierung die Rückgabe sämtlichen in der Schweiz internierten deutschen Flugmaterials. Da es sich zur Hauptsache um Flugzeuge handelte, welche teilweise zerstört und auf alle Fälle nicht mehrflugtüchtig waren, wurden diese in demontiertem Zustande nach Deutschland überführt.

349 10.8.41 11.8.41 Bözingen FW 58 D 2 Mann verwendbar L 5.9.41 6.9.41 Basel Gotha 145 D 1 Mann verwendbar L 30. 11.41 3.12.41 Basel Gotha 145 D 1 Mann verwendbar L 25.3.42 25.3.42 Basel Ju W34 D 3 Mann verwendbar L 25. 7. 42 Belp Me 109 E D 1 Mann verwendbar L 25. 7. 42 Belp Me 109 E D 1 Mann verwendbar L 24. 8. 42 Belp Mosquito E 2 Mann verwendbar L 21.9.42 Emmen Fiat G 50 I 1 Mann verwendbar L 12.2.43 13.2.43 Bière Gotha 145 D 1 Mann verwendbar L 5.3.43 6.3.43 Basel Bücker D 1 Mann verwendbar L 19.3.43 Samedan Fieseler D 2 Mann verwendbar L Storch 19.3.43 Samedan Fieseler D 2 Mann verwendbar L Storch 14./15. Birmensdorf Wellington E 5 Mann verbrannt A 4.43 17.5.43 19.5.43 Basel Klemm D 1 Mann verwendbar L 12./13. Bouveret Lancaster E verbrannt Flab. A 7.43 12./13. Sion Lancaster E verbrannt Flab. A 7.43 13.8.43 Wil/SG Liberator USA 10 Mann verbrannt L 17.8.43 Utzenstorf B17F USA 10 Mann zertrümmert L 17.8.43 Dübendorf B17F USA 10 Mann zertrümmert L 6.9.43 Dübendorf B17F USA 10 Mann verwendbar L 6.9.43 Dübendorf B17F USA 10 Mann verwendbar L 6.9.43 Dübendorf B17F USA 10 Mann verwendbar L 6.9.43 Magadino B17F USA 10 Mann verwendbar L 6.9.43 Romanshorn B17F USA 10 Mann zertrümmert L (See) (1 Mann †) 10.3.43 Magadino CR42 I 1 Mann verwendbar L 10.9.43 Bellinzona SAIMAN I 2 Mann verwendbar L 1.10.43 Ragaz B17F USA 10 Mann zertrümmert Flab. A (7 Mann †) 1. 10.43 Alvaneu B17F USA 11 Mann zertrümmert Flab. A (6 Mann †) 14.10.43 Reinach/BL B17F USA 8 Mann zertrümmert L (1 Mann †) 21.9.43 Dübendorf Ju 88 D 4 Mann verwendbar L 1.1.44 Boécourt Fiat R. S. D 2 Mann verbrannt Flieger A 14 7. 1.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 5. 2. 44 Singen Do 215 D 5 Mann verbrannt Flieger A (Deutschland) 6.2.44 Pruntrut Me110 D 2 Mann zertrümmert L 14.2.44 Andelfingen Fiat CR 42 D 1 Mann zertrümmert L 25. 2. 44 Kirchberg/TG Liberator USA 9 Mann verbrannt A 25. 2. 44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 26. 2. 44 Sihlsee Lancaster E 6 Mann verbrannt A Euthal (1 Mann † 4. 3. 44 Lausanne Macchi 205 I 1 Mann verwendbar L 15.3.44 Saignelegier Lancaster E 3 Mann verbrannt A 15.3.44 Golaten Lancaster E 7 Mann verbrannt A 15.3.44 Dübendorf Me110 D 2 Mann verwendbar L

16.3.44 Zugersee B17G USA 10 Mann zertrümmert L (1 Mann †) (Seegrund) 350 16.3.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 16.3.44 Dübendorf Liberator USA 9 Mann verwendbar L 16.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 16.3.44 Diepoldsau B17G USA 10 Mann verwendbar L 16.3.44 Wildhaus B17G USA 8 Mann zertrümmert A 16.3.44 Schlattingen Liberator USA 2 Mann zertrümmert A 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 11 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dübendorf Liberator USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Altenrhein B17G USA 10 Mann verwendbar L 18.3.44 Dietschwil Liberator USA 10 Mann zertrümmert A (Kirchberg) 18.3.44 Fehraltdorf Liberator USA 11 Mann zertrümmert A 18.3.44 Diessenhofen Liberator USA 5 Mann zertrümmert A 29.3.44 Samedan Me 109 G D 1 Mann verwendbar L 4.4.44 5.4.44 Bonfol Bücker- D 1 Mann verwendbar L Bestemann 7.4.44 Bodensee- Mosquito E zertrümmert A Uttwil 13.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf B17G USA 11 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf B 17G USA 9 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf 1 B17G USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Siebnen B17 USA 10 Mann zertrümmert Flieger A 13.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf B24H USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf B24J USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf B24H USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Altenrhein B17F USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Oberglatt B17G USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 13.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Dübendorf B24J USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Baltenswil B17G USA 10 Mann † Absturz A 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Greifensee B17G USA 10 Mann Absturz A (2 Mann †) 24.4.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Genf B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Altenrhein B17G USA 10 Mann verwendbar L 24.4.44 Neftenbach B17G USA 10 Mann verwendbar L

351 25.4.44 Dübendorf B24H USA 10 Mann verwendbar L 25. 4. 44 Payerne B24H USA 10 Mann zertrümmert L 25.4.44 Dübendorf B24H USA 9 Mann verwendbar L 25. 4. 44 Genf B24 USA 6 Mann verwendbar L 25. 4. 44 Wienacht- Ju 188 D zertrümmert A Staad 28. 4. 44 Dübendorf Me110 D 3 Mann verwendbar L 28. 4. 44 Hitzkirch Lancaster E 2 Mann zertrümmert Flab. A 28. 4. 44 Alp-Gräppe- Lancaster E 2 Mann zertrümmert A len 2.5.44 Birsfelden Do 217 D 3 Mann verwendbar L 11.5.44 Jegenstorf B24 USA 10 Mann zertrümmert A 11.5.44 Genf B24H USA 9 Mann verwendbar L 27.5.44 Payerne B17G USA 9 Mann verwendbar L 27. 5. 44 Payerne B24H USA 9 Mann verwendbar L 27. 5. 44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 27. 5. 44 Genf B24J USA 10 Mann verwendbar L 27. 5. 44 Knutwil B17G USA 10 Mann in Brand ges. L 27. 5. 44 Lütisburg Mustang USA 1 Mann zertrümmert A 6.6.44 Baulmes Ju 52 D 5 Mann † abgeschossen Flieger A 13.6.44 Dübendorf B24H USA 8 Mann verwendbar L 13.6.44 Dübendorf B24 USA 10 Mann verwendbar L 13.6.44 Magadino B17G USA 10 Mann verwendbar L 14.6.44 Basel Bücker D 1 Gefr. verwendbar nachD Jgm. 28. 6. 44 Payerne B24H USA 10 Mann verwendbar L 11.7.44 Dübendorf B24J USA 9 Mann verwendbar L 11.7. 44 Dübendorf B24J USA 10 Mann verwendbar L 11.7. 44 Dübendorf B24H USA 10 Mann verwendbar L 11.7.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 11.7.44 Dübendorf B17G USA 9 Mann verwendbar L 11.7.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar L 11.7.44 Altenrhein B24H USA 9 Mann verwendbar L 11.7. 44 Altenrhein B24H USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Payerne B24H USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Payerne B24 USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Payerne B 17 USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Payerne B17 USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Altenrhein B24 USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Basel B24 USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Dübendorf B24 USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Dübendorf B17 USA 10 Mann verwendbar L 12.7.44 Fideris B24 USA zertrümmert 12.7.44 Schlappintal B 17G USA 5 Mann zertrümmert L A (4 Mann †) 13. 7. 44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar 13.7.44 Emmen B17 USA 10 Mann zertrümmert L 13.7.44 Dübendorf B 17 USA 9 Mann verwendbar L 13.7.44 Payerne B17 USA 10 Mann verwendbar L 13.7.44 Bätterkinden B24 USA 10 Mann zertrümmert L A 16.7.44 Dübendorf B 17 USA 10 Mann verwendbar 16.7.44 17.7.44 Bern Leo 3 D 1 Mann verwendbar L 18.7. 44 Jaun Me110? D Absturz L A 18.7.44 Dübendorf B17G USA 10 Mann verwendbar 19.7.44 Ems Mustang USA1 1 Mann verwendbar L P51 B L

352 19.7.44 Dübendorf B17G USA 9 Mann L (1 Mann †) 19.7.44 Dübendorf B24J USA 10 Mann L 19.7.44 Obersaxen B17G USA 9 Mann Absturz A 19.7.44 Ossingen B24H USA 8 Mann Absturz A (1 Mann t) 20. 7. 44 Dübendorf B24G USA 9 Mann L 20. 7. 44 Payerne B17G USA 9 Mann L 20. 7. 44 Hemishofen B24H USA 3 Mann Absturz A (1 Mann †) teilweise auf Schweiz. Gebiet 20. 7. 44 Weisslingen B24H USA 11 Mann Absturz A 20. 7. 44 Erlen B24H USA 10 Mann Absturz A 20. 7. 44 Effretikon B24H USA 9 Mann abgeschossen Flieger A (1 Mann †) 21.7.44 Nesslau B24J USA 9 Mann Absturz A (1 Mann †) 21.7.44 Dübendorf B24H USA 10 Mann L 21.7.44 Dübendorf B24J USA 9 Mann L 21.7.44 Dübendorf B24H USA 10 Mann L 21.7.44 Dübendorf B24H USA 10 Mann L 21.7.44 Dübendorf B24H USA 9 Mann L 21.7.44 Dübendorf B24H USA 9 Mann L 21.7.44 Dübendorf B24J USA 9 Mann L 26. 7. 44 Magadino Cap. 148 D 2 Mann verwendbar L 31.7.44 Dübendorf B 17 USA 9 Mann verwendbar L 31.7.44 Dübendorf B17 USA 9 Mann L 3.8.44 Dübendorf B24 USA 10 Mann verwendbar L + Bomben 3.8.44 Dübendorf B17 USA 10 Mann L 11.8.44 Dübendorf B24 USA 9 Mann verwendbar L 16.8.44 Dübendorf B24 USA 10 Mann nicht repa L rierbar 17.8.44 Benken/BL Bü 181 D 1 Mann verwendbar L 20. 8. 44 Bern-Beun- Me 109 G D 1 Mann zerstört L denfeld 20. 8. 44 Bern-Beun- Me 109 G D 1 Mann stark beschädigt L denfeld 5.9.44 Dübendorf B 24 H USA 10 Mann L 5.9.44 Dübendorf B17 USA 9 Mann L 12.9.44 Payerne B 24 USA 10 Mann L 12.9.44 Dübendorf B 24 J USA 11 Mann L 12.9.44 Dübendorf B 24 J USA 10 Mann L 13.9.44 Dübendorf B17G USA 9 Mann L 22.9.44 Dübendorf B 24 H USA 11 Mann Motoren L defekt 22. 9. 44 Altenrhein B 24 USA 10 Mann Motoren L defekt 23. 9. 44 Dübendorf B17 USA 9 Mann verwendbar L 30. 9. 44 Volketswil Mosquito E 2 Mann Motoren Flab. L defekt 30. 9. 44 Dübendorf Mosquito E 2 Mann Motoren L defekt 4. 10.44 Dübendorf B 24 H USA 10 Mann verwendbar L 12. 10.44 Vacherie- Stinson USA 2 Mann L dessous L5

353 15.10.44 Laufen Thunder- USA 1 Mann beschädigt Flieger L bolt P 47 26.10.44 Ronwil Bü-Best- D 1 Mann L mann 16.11.44 Magadino B24 USA 10 Mann L 16.11.44 Malix B24 USA 11 Mann L 9.12.44 Altenrhein B17 USA 10 Mann Motoren L defekt 17.12.44 Affeltrangen Me 109 G D 1 Mann beschädigt L verwendbar 25.12.44 Würenlingen B 24 USA 9 Mann vollständig Flab. A (3 Mann †) verbrannt 4. 2. 45 Pare (Italien) Thunder USA 1 Pilot zerstört Flab. A 3 km SW bolt Chiasso 5.2.45 Scarl (GR) B17 USA 5 Mann zerstört A 7.2.45 Arbedo (TI) B 25 USA 6 Mann zerstört A 22. 2. 45 Buchs (SG) P 51 USA 1 Mann NL 25. 2. 45 Ermensee B17 USA 9 Mann zertrümmert A 25. 2. 45 Diepoldsau B17G USA 9 Mann L (1 Mann †) 25. 2. 45 Müswangen B17 USA 9 Mann L (1 Mann †) 27. 2. 45 Celerina B 25 USA 7 Mann zertrümmert A 27. 2. 45 Altenrhein B 24 USA 11 Mann verwendbar L 27. 2. 45 Dübendorf B 24 USA 11 Mann verwendbar L 27. 2. 45 Dübendorf B 24 USA 9 Mann verwendbar L 27. 2. 45 Dübendorf B 24 USA 10 Mann verwendbar L 27. 2. 45 Dübendorf B 24 USA 10 Mann verwendbar L 27. 2. 45 Dübendorf B17 USA 11 Mann verwendbar L 27. 2. 45 Adligenswil B 24 USA 10 Mann zertrümmert Flieger A 27. 2. 45 Trimbach B17 USA zertrümmert Flieger A 24. 3. 45 Dübendorf B 24 USA 9 Mann verwendbar L 26. 3. 45 Farnern Me 109 G D 1 Mann zertrümmert A 8.4.45 Dübendorf B 24 USA 9 Mann L 8.4.45 Dübendorf B 24 USA 10 Mann L 12.4.45 Bürglen/TG Bü 181 D 1 Mann verwendbar L 12.4.45 Dübendorf Levente II Ungarn 2 Mann verwendbar L 16.4.45 Zungen B 26 USA 6 Mann zertrümmert A (1 Mann †) 18.4.45 Dübendorf Bü 181 D 2 Mann verwendbar L 20.4.45 Merishausen Spitfire F 1 Mann zertrümmert AA 20. 4. 45 Dübendorf B17 USA 10 Mann verwendbar L 20. 4. 45 Payerne Me 108 D 2 Mann verwendbar L 1 Frau 25.4.45 Dübendorf Me 262 D1 1 Mann verwendbar L 26. 4. 45 Dübendorf Fw 44f D 1 Mann verwendbar L 26.4.45 Oberriet Bü 181 D 1 Mann verwendbar L 26. 4. 45 Oberriet Bü 181 D 2 Mann verwendbar L 27. 4. 45 Emmen Me 108 D 4 Pers. verwendbar L 30. 4. 45 Dübendorf Ju 88 D 6 Pers. verwendbar L 2.5.45 Belp Siebel 204 D 5 Pers. verwendbar L 8.5.45 Chur Fi-Storch D 3 Mann verwendbar L

(aus: Bericht des Kommandanten der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen an den Oberbefehlshaber der Armee überden Aktiv- dienst 1939-1945)

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Archive

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358 Berichte, Dokumente, Zeitungen, Zeitschriften

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359 Ein Wort des Dankes

Ich möchte für ihre freundliche Hilfe meinen herzlichen Dank Herrn Dr. M. Haupt und seinen Mitarbeitern, Bundesarchiv, sagen: Koblenz Etablissement Cinématographique et Photographique des Armées Herrn Dr. H.R. Kurz, Eidgenössisches Militärdepartment, Bern Mr. J.S. Lucas, Imperial War Museum, London Herrn Dr. E. Mörgeli, Eidgenössisches Militärdepartment, Bern Mr. P.H. Reed, Imperial War Museum Herrn Oberst J.-J. Willi, Eidgenössisches Militärdepartment, Herrn Prof. Dr. M. Broszat und seinen Mitarbeitern, Institut für Bern Zeitgeschichte, München Herrn T. Meister, Eidgenössisches Militärdepartment, Bern Frau Dr. M. Lindemann und ihren Mitarbeitern, Institut für Zeitungsforschung, Dortmund Herrn Dr. 0. Gauye, Bundesarchiv, Bern Herrn A. Meyer, Militär-Archiv, Freiburg Herrn Ed. Tschabold, Bundesarchiv, Bern Herrn Dr. Fricke, Militärgeschichtliches Froschungsamt, Herrn Dr. F.G. Maier und seinen Mitarbeitern, Schweizerische Freiburg Landesbibliothek, Bern Comandor B. Wronski und seinen Mitarbeitern, Sikorski-Insti- Herrn Isenring, Abteilung der Militärflugplätze, Dübendorf tut, London Herrn R. Manzardo, Aero-Club der Schweiz, Luzern Herrn Prof. Dr. J. Rohwer und seinen Mitarbeitern, Weltkriegs- Herrn F. Maechler, Chef-Redakteur Nebelspalter bücherei, Stuttgart Generaldirektion PTT, Bern Herrn Dr. Sack und seinen Mitarbeitern, Zentralbibliothek der Herrn I. V. H. Häfliger, Gruppe für Rüstungsdienste, Emmen Bundeswehr, Düsseldorf Herrn W. Fotsch, Schweizerische Bundesbahnen, Bern Herrn Dr. C. H. Hermann, Rheinbach Herrn Dr. P. Gosztony, Bern Kameradschaft der 9. Panzer-Division, Wien Herrn Dr. M. Tucêk, Zürich Colonel W. D. Kasprowicz, O.B. E., London Kern & Co. AG, Aarau Herrn P. Mahle, Mainz Herrn J. Nowak, Wien Sip. Société Genevoise d’instruments de Physique, Genève Herrn C. Ruppert, Köln Voegeli & Wirz, Biel-Bienne Herrn S. Horn und seinen Mitarbeitern, Motorbuch Verlag, Wild Heerbrugg AG, Heerbrugg Stuttgart

Bildnachweis

Bundesarchiv Bern 11 Abteilung der Militärflugplätze 41 Bundesarchiv Koblenz 77 Nebelspalter 6 Etablissement Cinématographique et Photographique des Ringier Bilderdienst 2 Armées 8 Schweizerische Bundesbahn 2 Eidgenössisches Militärdepartment 226 Archiv Janusz Piekalkiewicz 148 Imperial War Museum 2

360 Namensverzeichnis

Aschwanden, Leutnant 229 Göring, Reichsmarschall 230,231,233,298ff. Balzereit, Oberfunkmeister 114,115,121,122,127,128 Gonard, Oberst 104,105,109,122,140,158 Barbey, Major 30,103 ff., 122,194, 308, 322 Gottheit, Schweizer Poet 11 Baudouin, Chef des AA von Vichy 123 Gripp, Militärattaché 305ff. Bentele, Hauptmann 113 Grossmufti von Jerusalem 19,277, 230 Berli, Major 107 Guderian, General 51,64,109,116 Besson, General 107ff., 122 Gürtler, Oberleutnant 231 Bircher, Offizier 123 Guisan, General 11, 12, 14, 17, 30, 34, 63, 103ff., 122ff., 136 Bock, von, Generaloberst 52,57,60 ff., 153,194, 220, 222, 235, 308, 321 ff. Boehme, SS-Standartenführer 13 Halder, Generaloberst 117 Böhmer, Prof. Dr. 117 Hausamann, Hauptmann d. Reserve 14 Boissier, Hauptmann 122 Bossi, Graf, Oberleutnant 118,119 Heiniger, Oberleutnant 315 Brauchitsch, von, Generaloberst 89, 90 Héring, General 104 Burckhardt, Major 308 Hermann, Oberleutnant 114,127,128 Burkhardt, Hauptmann 320 Himmler, Reichsführer SS 42,161,305 ff. Canaris, Admiral, Chef d. dt. Abwehr 123 Hitler, 13,42, 51 ff., 117,124,138 ff., 279 ff., 305 ff. Caroli, amerik. Flieger 291 Högger, Oberst 230, 331 Castelnau, de, General 103 Huber, Generalstabschef 122,194 Churchill, Premierminister 61,116,119,120, 281 Huntzinger, General 65,123 Curtis, General 319 llsemann, von, Oberst 32 Däniker, Offizier 123 Irkens, Majori. G. 115,116,118,119,120,121 Daille, General 116,130,132 Ironside, General 119,120 Degenhardt, Kommissar 116 Iselin, Oberstdivisionär 178 Dollmann, General 53,56, 57, 60 Jagnillard, Oberst 14,109 Dulles, CIA 15,17,19 Jodl, General 60 Du Pasquier, General 105 Johnen, Oberleutnant 297ff. Eggen, Rittmeister 302ff. Kaffke, Major 115 ff. Ehardt, Leutnant 298 Kamprath, Leutnant 297 ff. Einhold, Mitarb. der Propagandaeinheiten 117ff. Erb, Oberst 145 Kappeler, Schweiz. Gesandter in Berlin 122 Ernst, Chef «Büro D» 67 Karsch, Oberleutnant d. R. 116,118 Fuchs, Kriminalinspektor 302, 307 Keitl, General 60 Fossi-Fedrigotti, Graf, Legationsrat 116 Kelly, ehern, brit. Botschafter 281 Fröhlich, Schweiz. Gesandter in Berlin 61 Kobelt, Bundesrat 30,311,316ff. Gamelin, General 64, 102,103,107,108,110,111,112,119, Köcher, dt. Gesandter in Bern 108,123, 289,309 122,123 Komberger, Oblt. 231 Garchery, General 105 Konzack, Feldwebel 270 Garteiser, Oberst 30,104 ff., 117,122 Kranzer, Gefreiter 118,120,121,122 Gauché, Colonel 64 Kunkler, Pilot 263 Gaulles, de, General 19,116 Lattre deTassigny, de, General 43,104,323 ff. Geheimdienste 14 ff. Laval, Min.-Präs, der Vichy-Regierung 19 George VI, König v. England 23 Leeb, Ritter von, Generaloberst 52, 53, 56, 57, 89,109 Georges, General 102,104,105,107,110,111,116,122 Lindecker, Hauptmann 229 Germann, Oberst 138,140 Lindner, MG-Schütze 229 Gilchrist, Staffelkommandant 236 Liss, Generalmajor a. D. 110,117 Giraud, General 17 Logoz, Oberst 107,108 Gisevius, Dr., ehern. Vize-Konsul 124 Goebbels, Dr. 13,61,117 Lomax, brit, Handelsattaché49, 281 ff. Luchsinger, Oberst 194 Lutz, Generalkonsul 19 Lyet, Colonel 65 361 Mack, Major 305, 307 Schmid, General 312 Magruder, General 19 Schneider, Leutnant 53 Mahle, Oberfeldwebel 297ff. Schörner, General 161 Mahnert, Pilot 229 Schwarz, Oberstbrigadier 188 Malkowsky, Pilot 271 Sedlacek, Oberst 16 Mannerheim, Freiherr von, Marschall 15 Skorzeny, Obersturmbannführer 305 ff. Marion, Colonel 65 Smitts, Leutnant 314 Martini, franz. Botschafter in Ankara 120 Sohner, Beobachter 229 Masson, Oberstbrigadier 14,17,24, 59,64,104,222,: Spaatz, General 319 Mayer, Hauptmann 113,127 Spionage-Agenten 146 ff. Meuli, Leutnant 231 Stalin 13 Meurer, Hauptmann 298 Steiger, von, Bundesrat 18, 308ff. Minger, Bundesrat 104,170 Steimle, Obersturmbannführer 306 Moltke, von, ehern. Botschafter in Rom 122 Stuck, Gesandter 64 Mussolini 19, 305 Stucki, Minister 19 Mutach, von, Major 136 Sulzer, Minister 286 Napoleon 11,137 Thiébaut, Luftattaché 107 Neinhaus, Rittmeister d. R. 116,118,119,120 Thurnheer, Pilot 229 Norton, brit. Botschafter 281 Tillon, Corporal 112,113 Pétain, Marschall 19,44,103,104 Touchon, General 110 Petitpierre, Oberst i. G. 104,105,131 Treu, Oberleutnant 315 Picard, Colonel 51 Trost, Direktor 116 Pilet-Golaz, Bundesrat (Aussenminister) 108,122,233, Tscharner, de, Oberst 104,110,122,132 Pratt, amerik. Flieger 291 Vichytil, Oberstleutnant 113,115 Primault, Major 308 Volkmar, Funker 229 Prisi, Oberstkorpskommandant 144 Waibel, Major 19 Probst, Oberstdivisionär 225 Wallenberg, Diplomat 19 Pünter, Journalist 16 Wattenwyl, Oberst 311 Rado, («Dora») 16 Weiss, von, Schweiz. Generalkonsul 19 Reynaud, General 119,120 West, Luftattaché 49, 237, 239, 281,288, 289 Ribbentrop, von, Aussenminister 235 Weygand, General 110,111,119 Rickenbacher, Leutnant 230 Wieland, Oberst 137 Rihner, Oberst 308ff. Wille, Oberst 123,138 Rössler, («Lucy») 16 Witzleben, von, Generaloberst 13, 57, 64 Rommel, Feldmarschall 237 Wolf, Obergruppenführer 161 Ruegger, Schweiz. Botschafter in Rom 62 Wooley, Leutnant 237 Rundstedt, von, Generaloberst 52, 57, 62,110 Wrightson, «Alglo-Swiss Mixed Commission» 281 Runzer, Leutnant 118 Wurster, Pilot 227 Ruppert, Oberleutnant 115 Wyttenbach, von, Obl. 32 Saboteure 232 ff. Wyss, Oberleutnant 278, 318,332 Schellenberg, Brigadegeneral 17,124, 306, 308 Zimmermann, Major i. G. 13

362 DieJU52 im Zweiten Welt- Die BMW-Kräder R12/R 75 Der VW-Kübelwagen Typ 82 krieg im Zweiten Weltkrieg im Zweiten Weltkrieg Über 200 Fotos, zahlreiche Zeichnun- Diese Dokumentation enthält keine Si- Noch heute geniesst der,,VW-Kübel“ gen und Skizzen, packende Berichte, tuation im Fronteinsatz der R 75, die einen legendären Ruf. Über 200 aus- detaillierte Angaben und Typenbe- sich in den grossartigen Fotos nicht gesuchte Abbildungen vom Einsatz an schreibungen erzählen hierdas aben- widerspiegelt. Ein hochinteressanter allen Fronten illustrieren den Band. – teuerliche Leben der JU 52. Bildband für alle,,Krad“-Begeisterten Eine Fundgrube für Leser, die das und Motorrad-Enthusiasten. Thema Motorisierung im Zweiten Weltkrieg begeistert. 192 Seiten, 214 Abbildungen. Geb. DM 28,- Mit dem Abstand von über drei Jahrzehnten sichtet 196 Seiten, 242 Abbildungen. Geb. 192 Seiten, 242 Abbildungen. Geb. DM 28,- DM 28,- diese einmalige Buchreihe das Arsenal der Deutschen Wehrmacht. Nüchtern und sachlich. Ohne Emotionen und Vorurteile. Flugzeuge, Kanonen, Fahrzeuge, Schif- fe... Diese brillanten kriegsge- schichtlichen Dokumenta- tionen muten selbst heute noch an wie eine „g.Kdos“- wie eine geheime Komman-

dosache.

Die 8,8-Flak im Erdkampf-Ein- Fieseler Storch Fi 156 im Die Deutsche Tagjagd Messerschmitt Bf 110 satz Zweiten Weltkrieg Bildchronik der deutschen Tagjäger Zerstörer an allen Fronten Dieser Band bietet einen Einblick in Mit seinem einmaligen Bildmaterial, bis 1945 Die Entwicklung einer Waffengattung, die vielfältige Technikeiner damals un- den zahlreichen Skizzen und Zeich- Dieser Band zeigt in seltenen Fotos die als Eliteeinheit geplant war, aber übertroffenen Waffe. Ausgesuchte Fo- nungen wird diese Dokumentation den die Entwicklung der deutschen Tag- auf Grund des technischen Unver- tos schildern in überzeugender Weise höchsten Ansprüchen der Wehrhisto- jagd und ihren Einsatz im Zweiten ständnisses und halsstarriger Besser- das Geschehen des II. Weltkriegs aus rikergerecht, ist aber auch dem Mo- Weltkrieg. Hier ist ein authentisches wisserei der Führungsspitze einen der Sicht der 8,8-cm-Flak-Kanoniere. dellbauer eine wertvolle Hilfe. Werk entstanden – illustriert mit 500 sinnlosen Opfergang antreten musste. meist unbekannten Aufnahmen. 248 Seiten, 508 Abbildungen. Geb. DM 192 Seiten, 225 Abbildungen Geb. DM 38,- 28,- 224 Seiten, 500 Abbildungen. Geb. DM 38,- 196 Seiten, 287 Abbildungen. Geb. DM 28,-

VERIAG BUCHEIJ Inh. Paul Pietsch

ZUG

Die Schweizer Faustfeuerwaffen

Dies ist die erste vollständige Doku- mentation über alle Faustfeuerwaf- fen der Eidgenossen. In diesem grossformatigen Bildband werden in instruktiven Detailaufnahmen und unterstützt durch einen fach- und sachkundigen Text die schweizer Faustfeuerwaffen aller Epochen in allen Einzelheiten vorgestellt. Der Bogen spannt sich vom Vorderlader ab 1‘650 überdas letzte Revolvermo- dell 1929 bis zu den heutigen Präzi- sionswaffen. Eine «psychologische» Untersuchung des Waffensammelns und des Waffensammlers ist dem Buch vorangestellt; die Darstellung zahlreicher Zubehörteile runden es ab. Eine in Umfang und Vollständig- keit einmalige Dokumentation – nicht nur für den Sammler und Lieb- haber von schweizer Waffen. Alle gezeigten Waffen wurden vom Autor ohne Rücksicht auf Mühen und Ko- sten zur bekannten «Sammlung Rutsch» selbst Zusammentragen.

Horst Rutsch Faustfeuerwaffen der Eidge- nossen Vom Radschloss zur Parabellum-Pistole 304 Seiten, 366 Abbildungen von 60 schwei- zer Waffen, die bis in alle Details dokumentiert werden.

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