Vorwort von Dr. Hans Rudolf Kurz, Bern JANUSZ PIEKALKIEWICZ SCHWEIZ 39-45 Krieg in einem neutralen Land MOTORBUCH VERLAG STUTTGART VERLAG BUCHELI, INH. P. PIETSCH, ZUG Einband und Schutzumschlag: Siegfried Horn ISBN 3-87943-510-3 2. Auflage 1979. Copyright © by Motorbuch Verlag, Postfach 1370,7000 Stuttgart 1. Eine Abteilung des Buch- und Verlagshauses Paul Pietsch GmbH & Co. KG. Sämtliche Rechte der Verbreitung – in jeglicher Form und Technik – sind vorbehalten. Satz und Druck: Süddeutsche Verlagsanstalt und Druckerei GmbH, 7140 Ludwigsburg. Bindung: Grossbuchbinderei Franz Spiegel, 7900 Ulm. Printed in Germany. Eingescannt mit ABBYY Fine Reader Inhalt Vorwort Dr. Hans Rudolf Kurz, Bern 7 Die sechs Jahre 11 Fall Gelb 51 Dossier Suisse 103 Reduit Guisan 136 Luftkrieg über der Schweiz 227 Diamanten für die RAF Landung nach Mitternacht Adieu, hehre Banner Daten und Fakten 325 Text- und Bildquellen 355 Register 361 Vorwort Mancherausländische Betrachterwirdsichfragen.obdasGeschehenin einem vom Krieg verschonten Land inmitten kriegerischerWirreneiner näheren Betrachtung wert sei. Die Schweiz habe, so wird etwagesagt, den hohen Vorzug genossen, dass sie den Weltenbrand des zweiten Weltkriegs unversehrt habe überstehen dürfen. Sie sei ausserhalb der bewegenden Ereignisse gestanden und habe als eine Art «blinder Passagier» den Krieg überlebt. Darum verdiene das Schicksal dieses Landes in den Kriegsjahren 1939/45 kaum besonderes Interesse. In dieser nach dem Krieg bisweilen gehörten Argumentation liegt sicher ein Kern von Wahrheit. Die Schweiz hat in den Kriegsjahren 1939/45 zu ihrem grossen Glück eine für sie unkriegerische Zeit verlebt. Verglichen mit zahlreichen andern europäischen Staaten, welche die Last des Krieges mit all seinen Schrecknissen zu tragen hatten, war der unversehrten Schweiz ein glücklicheres und stilleres Schicksalbeschieden. Dennoch, so will mir scheinen, war das von ihr geführte Leben am Rand des Krieges auch für andere Nationen nichtohne Interesse. Dafürgibt es verschiedene Gründe. Einmal scheint mir die Tatsache beachtenswert zu sein, dass es der von lauter krieg- führenden Staaten umgebenen Schweizgelungen ist, dem Krieg zu entgehen. Sicher- habenglückliche Umstände mitgeholfen, dass der schweizerische Kleinstaat in dieser schweren Zeit den Frieden zu bewahren vermochte. Aber nur ein Glücksfall war es nicht. Die Verschonung vom Krieg war zu einem guten Teil auch das Ergebnis ernster Bemühungen der Schweiz um die Erhaltung des Friedens. Seit langerZeit ist die Schweiz bestrebt, mitihrerpolitischen Haltung und ihrerkorrektgehandhabten Poli- tik der bewaffneten Neutralität ihre Pflichten als dauernd neutraler Staatzu erfüllen. Mit ihrer geistigen Haltung, ihrer PolitikderVorsorge und der militärischen Bereitschaft hat sich die Schweiz auf die Belastungen des Krieges vorbereitet. Besonderes Ge- wicht wurde darauf gelegt, eine Armee aufzubauen, die bereit und fähig war, dem Bekenntnis zur Neutralität Nachachtung zu verschaffen. Wenn auch nicht allein die Bereitschaft zur militärischen LandesverteidigungdenFriedenzu wahren vermochte, dürfte doch unbestritten sein, dass die Schweiz den Krieg nicht unversehrt überlebt hätte, wenn sie keine oder eine ungenügende Landesverteidigung besessen hätte. Zum zweiten wird von Aussenstehenden allzu leicht übersehen, dass eine fast sechs- Jahredauernde, nie nachlassende geistige und militärische Bereitschaft mitten im Kriegsgeschehen eine ausserordentlich hohe Belastung darstellt. Die unentwegte, volle Bereitschaft «Gewehr bei Fuss» gegenüber einer dauernd vorhandenen Gefahr stellt an die Moral und die Durchhaltekraft eines Volkes gewaltige Anforderungen. Als eine geschlossene und bereite Schicksalskraft haben das Schweizervolk und seine im aktiven Dienst stehende Milizarmee die schwere Belastungsprobe des Krieges be- standen. In den Kriegsjahren wechselten ruhigere Zeiten mit Epochen höchster Span- nung, welche äusserste Alarmbereitschaft erforderten. Sie verlangten von Regierung, Armeeleitung und Bevölkerung gute Nerven, klaren Blick und die Kraft zur mutigen Entscheidung. Oberstes Ziel war stets die volle Erfüllung der völkerrechtlichen Pflich- ten der Neutralität. In der Bewältigung der Kriegsjahre standen zwar die militärischen Aufgaben im Vor- dergrund. Sie waren aber nicht allein, sondern wurden in einer harmonischen Einheit ergänzt durch grosse Anstrengungen in allen übrigen Bereichen der staatlichen Tätig- 8 keit: dem sozialen Leben, der Wirtschaft, der Verkehrspolitik, der Innen-und Aussen- politik und im Besonderen des geistigen Durchhaltens von Volkund Armee. Dabei ist- einmal mehr-deutlich geworden, dass der Friede kein Geschenk ist, sondern dass er nur dann erhaltenwerdenkann, wenn ein Volk den Kampf um den Frieden in seinem vollen Ernstzu führen bereit ist. Aus dem Buch von Janusz Piekalkiewicz ist dieses heisse Streben des Schweizer- volks und seiner verantwortlichen Behörden, den Friedenzu wahren, deutlich spürbar. Es zeigt den hohen Einsatz dieses Landes in der Erfüllung der Neutralitätspflichten und seiner Bereitschaft zum Durchhalten umjeden Preis. Das Buch kann und will- zwarkeinevollständigeGeschichte der Schweiz im zweiten Weltkrieg sein. Es beseh reitet vielmehr den für den Leser viel anregenderen Weg, dass es einige besonders eindrückliche Episoden und Aufgabengruppen, die von der Schweiz während des Krieges bewältigt werden mussten, herausgegriffen und näher betrachtet hat. Ich glaube, der Verfasser hat eine glückliche Hand gehabt, als er seinen Themenkreis- festlegte: er hat nicht nur einige besonders aufschlussreiche Fragen herausgegriffen, sondern hat dabei auch Probleme berührt, die charakteristisch sind für die Stellung der Schweiz im Kriege. Die von ihm bearbeiteten Kapitel vermitteln darum einen le- bendigen Einblick in die Vielfalt der Aufgaben unseres vom Krieg umgebenen neutra- len Staates. Ich danke Janusz Piekalkiewicz fürdie Liebe und das Verständnis, das er unserem Land entgegengebracht hat. Seinem Buchwünscheicheinegute Aufnahme. Hans Rudolf Kurz 9 «Wir haben ein steinern Land, und was wurzelt, wurzelt langsam. Aber sind Wurzeln einmal getrieben ins harte Gestein, dann werfen Sturmwinde den Baum nicht um, dann splittern die Äxte, welche an die Wurzeln wollen», schrieb einst der Schweizer Poet Jeremias Gotthelf. Und wie recht er hatte, bestätigt wohl am deutlichsten, hundert Jahre später, die Zeit von 1939-1945. Die sechs Jahre Das Phänomen Schweiz und die Erhaltung seiner Krieg verwickelt: 1798 überrennen die französi- Neutralität in den turbulenten Jahren des Zweiten schen Revolutionsheere des Napoleon Bonaparte Weltkrieges haben bereits zahlreiche Historiker die rückständige und uneinige Schweiz, die dann beschäftigt: Neutralität – das Wort fasziniert, weil zum Schlachtfeld fremder Armeen wird. Die Fran- es weithin als Ausdruck der moralischen Bereit- zosen kämpfen gegen Österreicher und Russen; schaft eines Staates genommen wird, niemandes die Schweiz erleidet dabei alle Schrecken des Feind und jedermanns Freund zu sein. Auch wird Krieges und der fremden Besatzung. Als Satelli- mitunter noch immer geglaubt, dass die Freiheit tenstaat Napoleons muss sie ihm sogar Truppen von politischen Bindungen an militärische Bünd- stellen. 1813-1815 ziehen wieder österreichische, nisse ein geruhsames Leben zwischen den Fron- deutsche und russische Armeen durch das Land. ten von Gegnern garantiere. Die Wirklichkeit wi- Seit rund 175 Jahren aberhaben die Eidgenossen derlegt jedoch diesen romantischen Traum, da sie selbst keinen Krieg mehr gegen fremde Heere ge- – wie das Beispiel der Schweiz im Zweiten Welt- führt, und ihr letzter Bürgerkrieg wird 1847, dank krieg beweist – den Neutralen zwingt, seine Stel- der Vernunftvorallem des Generals Dufour, in kur- lung durch Streitkräfte zu schützen. Die Eidgenos- zer Zeit beendet. senschaft, Urtyp einer wehrhaften Demokratie, be- Am 30. August 1939 steht wiederum ein Weltkrieg greift den Status ihrer dauernden Neutralität, den in Europa vor derTür. Die Schweizer Bundesver- ihr der Pariser Friede von 1815 zuerkannte, als sammlung, Stände- und Nationalrat, wählen in völkerrechtliche Verpflichtung zur Verteidigung. Bernfürden FallderVerteidigungder Neutralität tra- Seit der Niederlage von 1515 bei Marignano, der ditionsgemäss einen General, einen Rang, den Schlacht gegen die Franzosen, wahrt die Schweiz das Milizheer im Frieden nicht kennt, und ihre ihre Neutralität. Abgesehen von den Bündner Wir- Wahl fällt beinahe einstimmig auf den Oberst- ren, der Eskalade von Genf und eigenen Religi- korpskommandanten des I. Armeekorps, Henri onskriegen wurde sie seither nur einmal in den Guisan, einen schlanken, mittelgrossen Offizier und passionierten Reiter. 11 Für das ganze Land wird der Aktivzustand erklärt, rung einer demokratischen Armee mit straffer Dis- und schon am 2.Septemberverkündetder Bundes- ziplin im Verteidigungsfall. Mit seinen Tages- und rat die allgemeine Kriegsmobilmachung. Armeebefehlen, die meist nicht nurfürdie Armee, Henri Guisan wurde am 21. Oktober 1874 in Mé- sondern für das ganze Volk bestimmt sind, hat Ge- zières, im Kanton Waadt, als Sohn und Enkel von neral Guisan neue Formen des Dialoges zwischen Landärzten geboren. Die Familie, im Waadtland Armeeoberkommando und Volk gefunden, den er alteingesessen, besitzt stattliche Ländereien. Gui- meisterhaft handhabt und der jedesmal eine- san studiert Landwirtschaft und kümmert sich zu- grosse Wirkung hinterlässt. Immer, wenn es die nächst um sein Gut Verte-Rive, legt jedoch auch Lage erfordert, schliesst der General die Bevölke- grosses militärisches
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