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Akademischer Seglerverein zu e.V. 1908 - 2008 2 | Impressum

Impressum

Herausgeber: Akademischer Seglerverein zu Greifswald e.V. Yachtweg 6, 17493 Greifswald-Wieck

Redaktion: Dr. Töns Föste, Dr. Siegfried Wussow Titelbild: Karl Seifert, „Edith“ 1937 vor Helgoland Bild Rückseite: Hafen in Greifswald-Wieck

Gestaltung: Henry Dramsch, GRAF-FISCH DESIGN Druck: Hoffmann-Druck GmbH, 1. Auflage: 500 Stück / Juni 2008 | 3

Wenn ich an dieser Stelle eine Vision skizzieren Zum Geleit darf, dann mögen dafür ein paar Stichworte stehen: Ein Verein mit Jollen und Kielbooten, Unser Akademischer Seglerverein zu Greifswald die Ausbildung und aktiven Sport möglich ma- begeht in diesem Jahr den 100. Geburtstag. chen, Reisen, bei denen unser Stander auch in entfernten Revieren gezeigt wird, gute Aus- Was waren das für Menschen, die vor 100 Jah- bildung für alle Befähigungsnachweise, gute ren den Verein gründeten? Es müssen begeis- Nachbarschaft mit den Vereinen um uns he- terte Segler gewesen sein. Und ganz bestimmt rum, ein gutes Verhältnis zur Universität und waren sie bewegt von dem Gedanken, Segeln viel, viel Begeisterung bei unseren Mitgliedern. anderen nahe zu bringen. Vereine bieten dafür gute Voraussetzungen. Und akademische Ver- Solidarität ist keine Einbahnstraße, auch die eine bringen das in besonderer Weise ein: Sie „Jungen“ haben den „Alten“ etwas zu geben. sind auch eine Art von Generationenvertrag: Und wenn dies gut funktioniert, dann wird der Die Älteren helfen den Jüngeren dabei, den ASV auch weitere Jahre und Jahrzehnte leben. Sport auszuüben. Und Segeln selbst ist dafür ein gutes Beispiel: Es ist ein Mannschaftssport, In diesem Sinne : bei dem in einer Crew einer auf den anderen angewiesen ist, sich auf ihn verlässt. So etwas „Vivat, crescat, floreat ad multos annos“ wie Solidarität also. – unser Akademischer Seglerverein zu Greifswald.

Segeln bedeutet aber auch vorausschauendes Handeln. Es bedeutet, eine Vorstellung davon zu haben, was eintreten kann und was möglich ist. Und darum geht es auch: Kenntnisse wei- tergeben, Fähigkeiten vermitteln. Ausbildung Tadeus Nawka gehört damit unabdingbar dazu. Vorsitzender 4 | Wie es zur Gründung des ASV in Greifswald kam

Inhaltsangaben

Impressum ...... 2 Zum Geleit ...... 3 Inhaltsangaben ...... 4

Wie es zur Gründung des ASV in Greifswald kam ...... 4 Gründungsvorsitzender Hermann Drahn ...... 6 Theodor Vahlen ...... 9 Eine nachträgliche und längst überfällige Rehabilitierung ...... 11 Vorsitzende nach 1945 ...... 12

Ausbildung im Akademischen Seglerverein ... 13 Zur Wiking-Geschichte ...... 15 Vereinsschiffe ...... 19 Wie die STOLTERA nach Greifswald kam ...... 22 Flaggschiff INDIGO ...... 25 Kinder- und Jugendsegeln im ASV ...... 28 Hochschulvergleichskämpfe, Universitäts- Wie es zur umsteigeregatten und Studenten- meisterschaften ...... 30 Gründung des ASV Studentensegeln in der HSG Greifswald 1983 bis 1987 ...... 33 in Greifswald kam Boddentörns ...... 37 Boddenturn der Physiker ...... 42 Eine Tradition über Jahrzehnte ...... 44 1902 Gründung eines Segelclubs an der Universität, De ASV un sin Hüsung ...... 46 offensichtlich im Zusammenhang mit tödlichen Der ASV hat ein neues Zuhause ...... 49 Segelunfällen. Die (gedruckte) Satzung dieses Die ASV-Wasserliegeplätze ...... 53 CIubs befindet sich in den Rektoratsakten. Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“ ..... 55 Riga-Reise der STOLTERA im Jahre 1972 ...... 63 1908 Der 2. Törn zum nördlichsten Punkt In den Akten des Kurators ist vermerkt, daß der Ostsee ...... 69 dieser Segelclub sich im Jahr 1902 „aufgetan INDIGOs Reise nach Bergen ...... 77 und hat sich im selben Jahr wegen Zu gerin- Haparanda-Törn der INDIGO ...... 79 ger Beteiligung und da staatliche Beihilfe nicht Mit HANSEAT zu den äußeren Hebriden ...... 82 gewährt wurde, stillschweigend wieder aufge- Crew des Greifswalder ASV gewinnt löst“. bei der Warnemünder Woche ...... 96 Eine Reise durch den südschwedischen Schärengarten 2006 ...... 97 25.05.1908 Antrag von Prof. VAHLEN an den Rektor auf Anekdoten aus der Geschichte des ASV ...... 99 Gründung eines Akademischen Seglervereins Yachtregister ...... 101 in Greifswald, Brief des ASV Danzig ‑ Langfuhr Wie es zur Gründung des ASV in Greifswald kam | 5

(TH), unterschrieben von Herrn Willi Dau, an 29.07.1908 den Rektor, in welchem Einzelheiten zu Zielen, Rektor und Senat erörtern die Frage, ob Nicht- Arbeitsweise und Finanzierung eines ASV auf- akaderniker in den ASV aufgenommen werden geführt werden und die Gründung eines ASV können und wenden sich deshalb an den zu- an der Universität Greifswald nachhaltig be- ständigen Minister. grüßt wird. 31.07.1908 26.05.1908 Rektor (handschriftlich): „ich habe gegen die Schreiben des Akademischen Rudervereins an Genehmigung der Satzung nunmehr nichts der Universität Kiel, in welchem zunächst mit- einzuwenden“. geteilt wird, dass dort kein akademischer Seg- lerverein besteht, jedoch die Gründung eines 14.08.1908 solchen Vereins in Greifswald befürwortet und Rektor und Senat begrüßen die Gründung des begrüßt wird. ASV. Im vorliegenden Schriftsatz wird u.a. er- wähnt: „Besonders wird der neue Verein durch 02.06.1908 seine Satzungen, wie durch die Teilnahme er- Schreiben des Akademischen Seglervereins fahrener Mitglieder, die ein Schifferexamen München (TH), unterzeichnet von Herrn B. gemacht haben, die Garantie dafür überneh- HINTZ (?), mit ähnlichem Inhalt wie dem aus men, dass keine größeren Segelfahrten mehr Danzig vom 25.05.1908 ohne fachmännische Aufsicht unternommen werden, und wird damit hoffentlich Unfälle 03.06.1908 verhüten, wie sie leider in den letzten Jahren Schreiben des Akademischen Seglervereins hier vorgekommen sind ...“ Charlottenburg (TH), unterschrieben von Herrn Walter KRÜGER, mit ähnlichem Inhalt wie dem August 1914 Schreiben aus Danzig der ASV wird „geschlossen“

Alle zur Zeit der Gründung des ASV zu Greifs- 02.01.1919 wald bestehenden Akademischen Seglerverei- ASV wieder „eröffnet“. In den Universitäts- ne, welche um eine Stellungnahme gebeten akten befindet sich eine Druckschrift, in dem wurden (und diese abgegeben haben), befan- im ersten Weltkrieg gefallene und verstorbene den sich an einer Technischen Hochschule. Falls Mitglieder aufgeführt sind, sowie Beiträge vorn die ASV vollzählig erfasst worden sind, so wäre Vorsitzenden, vorn Schatzmeister und vom Ta- der ASV zu Greifswald der erste, welcher an ei- kelmeister. ner Universität gegründet worden ist.

30.06.1908 Vorlage an die Mitglieder des Akademischen Bootsbestand: Senats – Bitte um Stellungnahme zu Satzung und Finanzierung ‑ unterschiedliche Ansichten Schoneryacht „Edith“ über aufzunehmende Mitglieder (insbesondere Kutter „Wiking“ von Universitätsfremden). Jolle „Gryps“

23.07.1908 Ernst Scheibe ASV Charlottenburg äußert sich zu diesem Punkt. 6 | Gründungsvorsitzender Hermann Drahn

Philosophie, Deutsch, Französisch.“ Gründungs- Am Sonnabend den 25.01.1910 ab 16:30 ver- teidigte er seine Inaugural-Dissertation zum vorsitzender Thema „Prüfung des „Pragmatismus“ von Wil- liam James als Philosophie“ Hermann Drahn Zunächst arbeitete er weiter als Hilfsarbeiter bzw. als Volontär in der Greifswalder Univer- In der Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum sitätsbibliothek bis 1912. Im ASV war er von des ASV zu Greifswald von 1933 heißt es: 1908 bis 1910 Vorsitzender. Takelmeister für „Die Gründer des A.S.V. sind Prof. Vahlen, cand. Sommersemester 1910 und Takelmeister für phil. Drahn und cand. med. Putzar. Drahn und Wintersemester 1910/11. Dann hat er Greifs- Putzar hatten schon im Sommersemester 1906 wald verlassen und taucht in der Mitgliederliste die Gründung eines Akademischen Segler- des Wintersemester 1912/13 unter der Adresse Vereins erwogen, sie verließen jedoch Ende Dr. phil. Drahn, Göttingen, Werderchaussee dieses Semesters Greifswald und trafen erst 50 auf. Es folgen mehrere Wechsel in kurzen im Wintersemester 1907/08 einander wieder Abständen. Diese sind im Buch „Volbehr/Weil: in Greifswald. Sie berieten Frühjahr 1908 mit Professoren und Dozenten der Christian-Al- ihrem Freunde cand. phil. Peters die Sache brechts-Universität zu Kiel“, Kiel 1956, doku- und traten nunmehr mit Prof. Vahlen in Ver- mentiert. Auf S. 264 des Buches gibt es fol- bindung“. Als Gründungstag wurde der 1. Juli genden Artikel: 1908 festgelegt. Hermann Drahn wurde zum DRAHN, Hermann, geb. 25. Sept. 1884 in Dan- Gründungsvorsitzenden gewählt. zig; 1. Febr. 1909 Wissenschaftl. Hilfsarb. UB Wer war Hermann Drahn? Verfolgen wir sei- Greifswald, 1910 Dr. phil. Greifswald, 1. April nen Lebensweg zuerst mit dem von ihm selbst 1911 Volontär; 1. April 1912 Göttingen, 17. für seinen Dissertations-Antrag an die „Hohe März 1913 Assistent; 15. Mai 1913 Königl. Bi- Philosophische Fakultät der Universität Greifs- bliothek Berlin, 1. Juli 1913 Halle; 1. April 1915 wald“ verfassten Lebenslauf: Hilfsbibliothekar Kiel, 1. Okt. 1918 Bibliothe- „Am 25. September 1884 wurde ich, Max Wil- kar; helm Hermann Drahn, als jüngster Sohn des Im „Bericht über die Verwaltung der Königli- Kaufmanns Hermann Drahn zu Danzig, evangl. chen Universiäts-Bibliothek Kiel“ von 1915, er- Konfession geboren. Den ersten Unterricht er- schienen 1916 ist zu lesen: hielt ich in einer Vorschule; von Ostern 1894 „Am 1. April 1915 wurde der Hilfsbibliothekar besuchte ich das Realgymnasium zu St. Johann Dr. Drahn von Halle hierher versetzt; er steht zu Danzig, von dem ich September 1905 mit von Beginn des Krieges an und zur Zeit als dem Reife-Zeugnis entlassen wurde. Ich stu- Leutnant im Felde.“ dierte dann auf den Universitäten Greifswald, Marburg, Berlin Philosophie, Mathematik, ger- Seine vier Jahre an verschiedenen Frontab- manische und romanische Philologie; Oktober schnitten des 1. Weltkrieges, zu dem er sich 1905 wurde ich in Greifswald immatrikuliert, freiwillig meldete, sind in 13 Briefen und Kar- Ostern 1906 in Marburg, Oktober 1906 in Ber- ten an seinen Hallenser Kollegen Dr. Wendel lin, Oktober 1907 wiederum in Greifswald. Seit- mit unterschiedlichsten Erlebnissen dokumen- dem ist mein Wohnort Greifswald. tiert. (Bibl. Halle, Nachlass Wendel): Hier einige Ostern 1908 bestand ich die staatliche Turnleh- in den Briefen beschriebenen Situation und rerprüfung; im Februar 1909 trat ich als Hilfs- Stationen: Thorn, Ausbildung und sein 30ster arbeiter bei der königl. Universitäts-Bibliothek Geburtstag der im Kreise der Kameraden mit zu Greifswald ein. Ostern 1909 wurde ich ex- einem Kuchen gefeiert wurde, den Frau Wendel matrikuliert. ...Im November 1909 bestand ich gebacken hatte und der durch „preußische Bü- das philologische Staatsexamen in den Fächern rokratie“ mit einem Tag Verspätung eingetrof- Gründungsvorsitzender Hermann Drahn | 7 fen war. Dann folgen Russland, Frankreich und 9. Juni 1922. Es erschien 1925, etwa drei Jahre der Balkan (Bulgarien). Er versuchte im August später. In der Vorbemerkung des Verlages Fer- 1917 sich vom Balkan nach Mesopotamien ver- dinand Hirt & Sohn, Leipzig lesen wir: setzen zu lassen, da er dort eine Tropenzulage Der Verfasser dieser Schrift ist wenige Tage, zum Sold bekommen hätte. Dies wurde ihm nachdem er sie dem Verlag eingesandt hatte, jedoch von seinem Hauptmann ausgeredet. In im Gebirge tödlich verunglückt. der Schilderung der Situation kommt er zu dem Doch zurück zu den Abläufen 1922. Hier liegen Schluß, dass er sich heute auch wieder freiwil- uns von seinem Kieler Kollegen Dr. Dinse zwei lig melden würde und dass seine Versetzungs- Dokumente vor. Ein Brief an Dr. Wendel in Halle gedanken „materialistisch“ begründet waren. und eine Veröffentlichung in den Kieler Neues- Sein letzter uns vorliegender Frontbrief ist ten Nachrichten. aus der „Ortskrankenstube Samendria“ vom Im Brief heißt es: Vom Unglücksfall, der un- 28.10.17. Hier lag er, da er auf Grund der großen serem Kreise den Kollegen Dr. Drahn entrissen Hitze (60-70 Grad über mehrere Monate steht hat, haben auch wir zunächst wenig erfahren. im Brief) seit September kaum essen konnte. Zwei Depeschen seines Wirtes in der Ramsau Aus diesem Brief geht auch hervor, dass viele benachrichtigten uns zunächst von seinem Kameraden erkrankt waren und er zeitweise die Ausbleiben, dann aber am nächsten Tag vom Kompanieführung übernehmen musste. Auffinden der Leiche. Nach dem Krieg begann er die Tätigkeit als Eine Kieler Dame, eine Pianistin, der Drahn Bibliothekar an der Königlichen Universiäts- wohl nahe gestanden hat, ist auf die Nach- Bibliothek Kiel, zu der er ja am 1. April 1915 richt von seinem Tode sofort nach Berchtes- schon versetzt worden war. Es erging ihm gaden gereist und hat als einzige Bekannte am wie vielen anderen Intellektuellen seiner Zeit, 12.06.22 den Toten zur Ruhe geleitet. Nach ih- Aufarbeitung der Kriegserlebnisse, vertraut rem Bericht habe ich den kleinen Artikel für die werden mit den neuen gesellschaftlichen Ver- Kieler Neuesten Nachrichten verfasst, den ich hältnissen nach dem 1. Weltkrieg und die Er- Ihnen hiermit übersende: es ist ein unseliges arbeitung neuer ethischer Wertmaßstäbe. Der Wagnis gewesen, die Wand, deren Steilheit er erste Weltkrieg hat ja insbesondere sehr vielen drei Tage von unten gesehen hatte, von oben jungen Akademikern das Leben gekostet. Of- hinabklettern zu wollen! fensichtlich hatte aber Hermann Drahn 1922 Auch wir bedauern den Verlust des Kollegen noch nicht die Sinnlosigkeit des Krieges so sehr; aber sehr fest und selbstsicher stand er stark empfunden, wie es Erich Maria Remarque nicht mehr im Leben – und der Tod hat ihn er- im Buch (und Film) „Im Westen nichts Neues“ eilt in einem Moment, da er in einsamer Kraft (1929) zum Ausdruck bringt. vielleicht recht glücklich war. Neben seiner Tätigkeit als Bibliothekar arbeite- Dass Hermann Drahn nicht mehr selbstsicher te er an einem Buch: „Das Werk Stefan Georges im Leben stand ist eine Einschätzung von seine Religiosität und sein Ethos“ Ein Teil seines Dinse. Dazu möchte ich kurz zurückblenden, Anliegens geht schon aus der Widmung hervor: dass er nur wenige Tage vor seiner Reise in die Dem Geiste der deutschen Jugend die ihr Leben Alpen das Manuskript seines Buches an den liess (Schreibweise im Buch) für ihre Brüder. Verlag Ferdinand Hirt und Sohn in Leipzig ge- Wenn ich auch manchen seiner und Georges schickt hatte. Sicherlich hat diese Zielstellung Schlussfolgerungen reserviert (skeptisch) ge- Termindruck verursacht und Hermann Drahn genüber stehe, mit der Aussage, Bildung und verschlossen wirken lassen. Die zweite Hälfte Erziehung des Menschen durch den Menschen, des Satzes (und der Tod hat ihn ereilt in ei- das ist der tiefe Sinn Georgescher Lehre, kann nem Moment, da er in einsamer Kraft vielleicht man sich identifizieren. recht glücklich war.) klingt sehr poetisch und An der Fertigstellung dieses Buches arbeitete er man möchte eigentlich, wenn man die Zeit bis wenige Tage vor seinem tragischen Tod am beachtet noch hinzufügen: Also sprach Zara- 8 | Gründungsvorsitzender Hermann Drahn

thustra... . Hier wird der Einfluss Nietzsches und als nichtbegüteter Student und ohne in einer Georges auf die deutsche Intelligenz dieser Zeit corporierten Studentenvereinigung zu sein, sehr deutlich. segeln könnte. Zwei glückliche Umstände hal- Seine Art sich mit den Werken anderer Autoren fen sicherlich dabei. Er wusste vom ASV der TH auseinander zu setzen beginnt schon in seiner Danzig und er traf mit seinem Studienfreund Dissertation. Überraschend ist, wie wir es in der Putzar in Greifswald zusammen, der den ASV Vorbemerkung des Verlages Ferdinand Hirt und der TH München kannte. Die Liebe zum Segel- Sohn lesen, dass er weder Stefan George noch sport und unser schönes Revier ließen sie nach einen von dessen Anhängern persönlich ken- weiteren Mitstreitern und Varianten suchen. nengelernt hat. Und das, obwohl George An- In dieser Phase war ohne jeden Zweifel Prof. fang der 20er Jahre einen großen Kreis Gleich- Theoder Vahlen der einflussreichste Verbünde- gesinnter um sich geschart hatte und Drahn te. Als Ergebnis entstand der erste ASV an einer sich mehrere Jahre mit dessen Werken inten- Universität. siv beschäftigt hat. Zum George-Kreis gehörte Was ist heute von Drahns Wirken geblieben? u.a. auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg Nach seinem frühen Tod durch den tragischen und dessen älterer Bruder. Absturz von der Reiteralp entwickelte sich Weiter heißt es in der Vorbemerkung des Ver- der ASV zu Greifswald weiter mit Außenstel- lages, ...Hermann Drahn lebte einsam in sei- len in und Berlin. Nationalsozialismus nen rastlosen Bemühungen. Er hat mit selte- und zweiter Weltkrieg brachten auch für das ner Entschlossenheit und Kühnheit das ihm ASV-Leben Probleme. Nach dem Krieg war in ursprünglich fremde Land betreten und den der DDR ein Akademischer Seglerverein nicht seiner Geistesart zugänglichen Teil sich unter- genehm. Freunde des Segelsports gab es aber worfen. - Nun wird uns auch Dinses Meinung dennoch in Greifswald. (Einer der bekanntesten verständlich, dass er nicht mehr sehr fest im war sicherlich Prof Dr. Wulfhekel.) Der ASV- Leben stand. Er muss sich zu diesem Zeitpunkt Gedanke lebte in der HSG Greifswald weiter, voll auf die Fertigstellung seines Buches kon- wenn auch der Vereinsstander geändert wer- zentrierter haben. den musste. Wie können wir heute nach fast 100 Jahren 1968 gründeten ehemalige Greifswalder ASV- sein Werk und Schaffen beurteilen? Sicherlich Mitglieder den ASV Greifswald zu Lübeck. Nach wird es nur eine These, aber ich will dennoch der Wiedervereinigung eröffneten Mitglieder dazu einige Gedanken äußern. Hermann Drahn der Sektion Segeln der HSG Greifswald 1990 wuchs in relativ bescheidenen Verhältnissen in den ASV zu Greifswald wieder. Nach anfäng- Danzig auf. Dass sein Vater kein sehr reicher lichen leichten Irritationen feiern 2008 zwei Kaufmann war, geht aus einem seiner Briefe gleichberechtigte und befreundete Vereine in aus dem 1. Weltkrieg an Wendel hervor. Hierin Greifswald und Lübeck die Gründung vor 100 bittet er diesen, einen Teil einer Schuldensum- Jahren. Das hätte sicherlich Hermann Drahn in me von knapp 40 Mark in einem Tante Emma- seinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Beide Laden in Halle teilweise für ihn zu begleichen. Vereine können Stolz sein auf unseren Grün- Im Brief ist auch der Hinweis, dass seine Eltern dungsvorsitzenden, der mit Energie und Ide- ihn nicht unterstützen könnten. Die schon zi- alismus die Anfänge in Greifswald wesentlich tierten Gedanken einer Versetzung nach Me- mitgestaltete. Leider war in seinem kurzen und sopotamien wegen des Tropenzuschlags zum bewegtem Leben Kairos, der Gott der günstigen Sold belegen die Aussage zusätzlich. Augenblicks, ihm nicht immer gut gesonnen. Die Liebe zum Wasser und zum Segeln wurde sicherlich in seiner frühen Jugend in Danzig Hans-Joachim Wussow gelegt. Als er zum Studium nach Greifswald kam und das schöne Segelrevier kennen lern- te, suchte er nach einer Variante, wie man Theodor Vahlen | 9

Theodor Vahlen

Im Artikel über unseren Gründungsvorsitzenden fiel bereits der Name Professor Theodor Vahlen als wesentlicher Mitwirkender bei der Grün- dung des ASV zu Greifswald. Wenn wir seinen Namen in eine Internetsuchmaschine eingeben, erhalten wir mehr als hundert Einträge über Veröffentlichungen über ihn Hinweise auf seine zahlreichen Veröffentlichungen. Wer war dieser Theodor Vahlen und welche Verdienste hat er für den ASV zu Greifswald ? Auf WIKIPEDIA–Seiten können wir lesen: „Theodor Vahlen wurde am 30.06.1869 als Sohn des Altphilologen Johannes Vahlen in Wien geboren. 1890 studierte er in Berlin und geld, Putzar und Dr. Gahrmann. promovierte dort 1893 über „Beiträge zu einer Nach dem Vorbild der schon bestehenden additiven Zahlentheorie“. ... Mit Zwischenstati- Akademischen Seglervereine zu Charlotten- on in Königsberg lehrte er ab 1904 in Greifs- burg, Danzig und München dachte man zu- wald und wurde hier 1911 Ordinarius für Ma- nächst an die Gründung einer Korporation, thematik . Nun wandte er sich insbesondere der doch wurde diese Absicht schon im folgenden angewandten Mathematik zu, speziellen Kons- Wintersemester aufgegeben, um allen Studie- truktions- und Approximationsmethoden. ...“ renden Greifswalds, auch den Inkorporierten, die Möglichkeit zu bieten, den Segelsport zu Damals wurde Mathematik unter dem Dach pflegen. ..“ der Philosophischen Fakultät gelehrt. Da auch Der Vorstand für das Wintersemester 1908/09 Hermann Drahn Vorlesungen bei Vahlen hörte enthält fast alle diese Namen: Vorsitzender und beide das Hobby Segeln teilten, wird ihr Drahn, Schriftführer Putzar, Kassenführer Of- Zusammenwirken bei der Gründung des ASV fergeld, Takelmeister von Hausen und Zeugwart sofort verständlich. Wie hieß es doch in der Gehrkens. Prof. Vahlen war im Wintersemester Festschrift zum 25. Jahrestag des ASV 1933: 1909/10 als Takelmeister tätig und mehrere „Pfingsten 1908 machte Prof. Vahlen mit ei- Jahre in der Aufnahmekommission aktiv. Im nem geheuerten Kutter eine Fahrt nach Born- Mitgliederverzeichnis des Wintersemesters holm, auf der er als Mannschaft die Studenten 1912/13 ist er als erstes Ehrenmitglied des ASV Gerkens, von Hausen, Offergeld und Rinder- und als Schiffsführer 1. Klasse aufgeführt. Bis spacher hatte. Dadurch war der Kreis derer, zu diesem Zeitpunkt gab es im Verein nur die die für einen Segler-Verein in Betracht kamen, „Patente“ Jollenführer oder Schiffer. erweitert , und so konnte nach Pfingsten die Im Mai 1913 kauft er aus Hamburg die Yawl erste besprechende Versammlung stattfinden, „Rota“ mit einer stolzen L. ü. D. von 17,50m, an der teilnahmen Prof. Vahlen, Drahn, Offer- einer Breite von 3,30m und einem Tiefgang von 10 | Theodor Vahlen

2,00m. Einem Beitrag über sein Schiffes fin- formuliert: „Das Nazi-Regime fand unter den den wir im Jahresbericht 1913/14. Nach dem österreichischen Mathematikern nicht nur 1. Weltkrieg segelt er weiter mit diesem Schiff. Opfer, sondern auch Sympathisanten und - In Winter-Semestern beteiligt er sich an der fer. Der Bogen reicht hier von Fanatikern wie nautische Ausbildung der ASV-Mitglieder. Theodor Vahlen, der an vorderster Front an der 1923 wird zum Rektor der Greifswalder Uni- „Säuberung“ teilnahm, über Erfüllungsgehil- versität gewählt. Im gleichen Jahr trat er in fen wie Anton Huber, einem grobschlächtigen die Großdeutsche Volkspartei ein, einer öster- Apparatschik, bis hin zu Mitläufern wie Karl reichischen Entsprechung der NSDAP. 1924 Mayrhofer, der alten Berichten zufolge einen wurde er NSDAP-Reichstagsabgeordneter und mäßigen Einfluß ausübte.“ erster Gauleiter der NSDAP in Pommern. Er Ja, das schockt uns natürlich heftig, aber Theo- gab eine Zeitung heraus und hatte beachtli- dor Vahlen war nun mal nicht anders. che Wahlerfolge. (siehe WIKIPEDIA) Bereits in (Wer noch mehr über Vahlen erfahren will, dem seiner Antrittsrede als Rektor 1923 vertrat er kann ich nur empfehlen, seine Suchmaschine in deutlich nationalsozialistische antisemitische Internet zu starten.) Gedanken. So wollte er eine „Deutsche Mathe- Wie wollen wir heutigen ASVer mit unserem in matik“ schaffen. Am Verfassungstag 1924 kam der Gründungszeit so aktiven Mitglied und ers- es in Greifswald zum Eklat. Er ließ die Reichs- tem Ehrenmitglied umgehen? Nach meiner An- fahne und die Preußenfahne am Universitäts- sicht sollten wir seine Verdienste für den ASV gebäude einholen. Das führte zu einem langen und den Segelsport in Greifswald anerkennen, Rechtsstreit, der 1927 mit der Entlassung ohne gleichzeitig aber immer ein sehr wachsames Ruhegeld endete. Auch von der NSDAP wurde Auge haben, damit wir solchen von ihm ver- ihm zeitweise die Unterstützung versagt. Nach tretenen politischen Strömungen rechtzeitig einer Tätigkeit an der TH in Wien und dem Sieg vorbeugen und entgegentreten können. der Nationalsozialisten 1933 in Berlin wurde Eine gute Maßnahme dafür sehe ich insbeson- er auf Druck aus Berlin wieder in Greifswald dere in unserer gemeinsamen Jugendabteilung, eingestellt. Ab 1934 war er Professor für Ma- in der wir mit dem GYC und dem YCW Kindern thematik an der Universität in Berlin, von 1933 und Jugendlichen die Möglichkeit einer sinn- bis 1937 gleichzeitig Ministerialdirektor im vollen und charakterbildenden Freizeitgestal- Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung tung geben. Das kann sicherlich mithelfen, sie und Volksbildung. vor schlechten Einflüssen zu schützen. Natür- Wie umstritten Theodor Vahlen in Fachkreisen lich werden wir auch weiterhin unser Haupt- schon damals war, geht insbesondere aus dem ziel, die Förderung des studentischen Segelns von der Berlin-Brandenburgischen Akademie verfolgen, denn seit je her stärkt Segeln die der Wissenschaften veröffentlichten Lebens- Charakterfestigkeit. lauf hervor: „1938-1943 kommissarischer Prä- sident der Akademie (auf Befehl), 1939 in zwei Hans-Joachim Wussow Wahlgängen von den Mitgliedern abgelehnt. 1946 vor Wiedereröffnung der Akademie aus der Mitgliederliste gestrichen.“ Im November 1945 kam er unter ungeklärten Umständen in Prag ums Leben. Mit der Persönlichkeit Theodor Vahlen haben sich bereits viele Autoren auseinandergesetzt. Seine Liebe zum Segelsport spielte dabei nir- gends eine Rolle. Eine Einschätzung seiner Per- son finden wir in einer Veröffentlichung der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft Eine nachträgliche und längst überfällige Rehabliltierung | 11

lung“ o. Ä. nicht stattgefunden hat. „Unbotmä- ßiges Beneh- Eine nachträgliche men“ eben. Erwin Krabbe und längst überfällige fand dann eine neue Anstellung Rehabilitierung als Bootsmann auf der „Trottel- Im Sommer 2007 ist Erwin Krabbe gestorben. lumme“ des Re- Er war vor siebzig Jahren als Bootsmann auf gierungsrates der „Edith“ gefahren. Es gibt da einen Satz im Kahlweit aus Takelmeisterbericht des Jahres 1936, der stut- Berlin und er- zig machte: „...Am 11. August musste er wegen hielt von diesem unbotmäßigen Benehmens fristlos entlassen ein sehr gutes werden. ..“ Zeugnis. Er fuhr auch im darauffolgenden Jah- Im September 2006 saßen wir beide, Hansi und re noch auf diesem Schiff, wovon die Eintra- ich, bei Erwin Krabbe zu Hause und hörten sei- gung in seinem Seefahrtsbuch zeugt. ner Geschichte zu: Er war im Frühjahr des Jahres 1936 als Boots- Töns Föste mann eingestellt worden anstelle des erkrank- ten Fritz Altenburg. Er hatte angemustert und unter Führung von Braß über Pfingsten die Englandfahrt mit der „Edith“ mitgemacht und er erzählte uns begeistert von dieser Reise. Und Erwin Krabbe erzählte weiter: Da plante ei- ner der damaligen Bootsführer mit der „Edith“ eine Reise nach Bornholm. Erwin Krabbe als Bootsmann bereitete das Schiff vor. Er berich- tete, dass es einen strammen Nordost ge- geben habe, von etwa 6 Windstärken. Und der Bootsführer kommt einzig mit seiner Braut. Erwin Krabbe fragt, wann denn die anderen kämen und man ablegen könne. Er erhält zur Antwort, dass keine anderen kommen werden. Er versucht dem Boots- führer klar zu machen, dass das Aufkreuzen im Landtief gegen den zunehmenden Wind für sie beide allein zu schwierig sein dürf- te und so findet schließlich die Fahrt nicht statt. Die Folge war dann seine Entlassung. Sicher – man mag einwenden, dass das Wort des Kapitäns gilt. Jedoch sollte auch bedacht werden, dass dies ein Widerspruch aus Verant- wortung heraus war, und dass eine „Verhand- 12 |

Vorsitzende nach 1945

Vorbemerkung: Obwohl der Zeitraum über- schaubar und die meisten Vorsitzenden noch befragt werden konnten, war es schwierig, diese Liste aufzustellen. Es fehlen schriftliche Unterlagen und, seid mal ehrlich Freunde: Wer kann mit Sicherheit schon sagen, von wann bis wann er vor 30 bis 40 Jahren ein Ehrenamt be- kleidet hat. So ist diese Liste durch Befragun- gen, Quervergleiche und Auswertung der dürf- tigen schriftlichen Quellen entstanden.

1949 – 1951 Alfred Stendel 1951 – 1956 Helmut G. Pratzel 1956 – 1960 Karl „Charles“ Brachmann 1960 – 1962 Konrad „Conny“ Müller 1962 – 1963 „Bobby“ Ludwig 1963 – 1964 Hartmut Zühlke 1964 – 1976 Horst „Länging“ Lubs 1976 – 1988 Karl „Kalle“ Hädicke 1988 – 1993 Jürgen Riedel 1993 – 2006 Hanns-Diethard „Hannes“ Voigt seit 2006 Thadeus Nawka

Frank Schrade Ausbildung im Akademischen Seglerverein | 13

Ausbildung im Akademischen Seglerverein

Akademischer Seglerverein und Ausbildung – das gehört einfach zusammen. Warum? Der Gedanke der Akademischen Vereine hat eine Basis in den studentischen Verbindungen: Es gibt die Aktiven – die Studenten – und es gibt die Alten (die „alten Herren“, besser „alten Da- men und Herren“). Beide gehören zusammen: Die Alten sind Partner der Jungen, hier beim Segeln. Sie ermöglichen einerseits mit Ihren Beiträgen das Segeln für die Studenten, sie geben aber andererseits ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die Jüngeren weiter. So wie sie es auch erlebt haben. Und insofern ist es also ganz natürlich, wenn ein Akademischer Segel- moderner Technik gemacht hat... Für ihn zähl- verein Ausbildung für seine Mitglieder betreibt. ten nicht Patente, sondern vorrangig immer Wir haben – fast – alle das Segeln in unserem seglerische Erfahrung, um Verantwortung für Verein gelernt. eine Mannschaft übernehmen zu können..“ Ein anderer Gedanke ist dabei außerdem wich- Die älteren Mitglieder erinnern sich noch dar- tig: Das, was ehrenamtlich betrieben wird, wird an: An manchem Sonntagnachmittag im Som- in der Regel mit viel Engagement getan. Das mer ließ sich der „Admiral“ von seiner Frau im ist vielleicht auch einer der großen Vorteile Auto nach Wieck fahren und beobachtete das gegenüber den am Markt agierenden Schulen: Anlegen der Boote des Vereins. Und es konnte Die Beteiligten sind mit großem Engagement dann durchaus passieren, dass man an einem dabei. der nächsten Tage im Institut von ihm ange- Wir machen das also auch so, und wir tun das sprochen wurde ob eines verpatzten Anlege- seit vielen Jahren durchaus mit Erfolg. Und es manövers. Und so etwas schulte doch sehr. hat eine lange Tradition: So schrieb Helmut Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich Aus- Pratzel über das Segeln in den 50er Jahren: bildung immer und die seglerische erst recht: „...Ich habe in meiner langen Segelpraxis den Vermittlung von seemännischen Fertigkeiten Einfluss von Wulfhekel immer mehr schätzen einerseits und Vermittlung von Wissen, das gelernt. Er hat uns Seemannschaft in einer Art zum Bestehen von Prüfungen für die Patente beigebracht, die uns unabhängig von sensibler befähigt, andererseits. 14 | Ausbildung im Akademischen Seglerverein

Zwar bekommen wir vom Prüfungsausschuss (Global Maritime Distress and Safety System) keine Angaben darüber, wer alles bestan- zu tun. Und wichtig ist noch, dass ab dem den hat, wir müssen uns das selbst erfragen. Herbst 2007 in jedem Falle der Schiffsführer Aber das, was wir dann erfahren, klingt nicht das der Ausstattung des benutzten Fahrzeuges schlecht. Die meisten, die allermeisten, beste- entsprechende Funkzeugnis haben sollte. hen und viele machen weiter. In jedem Jahr Und das kann man bei uns lernen. Die nötigen sind das so zwischen zwanzig und vierzig Teil- Kenntnisse sind bei denjenigen, die die Ausbil- nehmern in unseren Kursen. dung betreiben, vorhanden. Und wir müssen Und was kann man bei uns alles machen? Der aber auch daran denken, dass andere sich da- Grundschein ist der amtliche Sportbootführer- ran beteiligen, so wie es in einem ASV üblich schein See (Binnen ist auch möglich). Das ist ist: Die Alten und die Jungen, die Jungen mit der Beginn einer Schiffsführer-Laufbahn. Und den Alten. immer fleißig mit anderen segeln – das ist wohl Gegenwärtig besteht die Gruppe der Ausbilder eine der wichtigsten Voraussetzungen für das in der Theorie aus den Mitgliedern Erhard Benz, Sammeln von Erfahrung überhaupt. Meilen Töns Föste, Klaus Möhring, Jürgen Riedel und sammeln ist das eine, der damit verbundene Frank Schrade. Und in der praktischen Ausbil- Gewinn von Erfahrung aber das andere. Und dung beteiligen sich darüber hinaus mit ihren das ist die Voraussetzung, um ein guter Schiffs- eigenen Booten noch die Segelkameraden In- führer werden zu können. golf Buchheim, Jan Evermann, Hildegard Elze, Dann folgt der Sportküstenschifferschein. Vo- Peter Zöllner und natürlich die Vereinsboote raussetzung sind 300 Seemeilen. Und er be- mit den jeweiligen Bootswarten. rechtigt zum Führen eines Bootes bis zu 12 Seemeilen Abstand von der Küste. Wer dann Auch unsere Statistik kann sich sehen lassen: noch weiter will, für den ist der Sportsee- Nach den uns gegenwärtig vorliegenden In- schifferschein möglich, wenn er 1000 weitere formationen haben 19 Mitglieder den C- bzw. Seemeilen vorweisen kann. Und noch weitere Sporthochseeschifferschein, 29 Mitglieder den 1000 Seemeilen weiter gibt es den Sporthoch- BK- bzw. Sportseeschifferschein13 Mitglieder seeschifferschein. Der hat nun keine Revier- den BR- bzw. Sportküstenschifferschein. begrenzungen mehr, der vorhergehende ist Der amtliche Sportbootführerschein wurde hier begrenzt auf Ostsee, Nordsee, Englischen Kanal nicht aufgeführt, er ist ja Voraussetzung für die und das Mittelmeer. Weitere Voraussetzungen Erlangung der Segelscheine. Dieses Patent ha- sind dann noch Nachweise über die selbständi- ben aber die meisten Mitglieder. Hinzu kommen ge Führung eines Bootes. noch 21 Mitglieder mit dem SRC („kleines See- Braucht man die Segelscheine überhaupt? In funkzeugnis“) und ein Mitglied mit den LRC. Deutschland gibt es keine Führerscheinpflicht, bisher jedenfalls nicht. Aber da sind ja noch die Gerade beim Seefunkzeugnis besteht Bedarf, Versicherer. Die erkundigen sich im Falle eines weil in absehbarer Zeit alle Schiffsführer ein Schadens dann allerdings nach den Fähigkei- solches haben müssen, wenn sich an Bord einer ten. Und die werden eben dokumentiert mit Yacht eine Funkanlage befindet. Auch hier wer- einem Führerschein. So einfach ist das: Doch so den die entsprechenden Lehrgänge im Verein etwas wie eine Pflicht. organisiert und durchgeführt. Ach ja, dann sind da noch die Seefunkzeugnis- se: das Short Range Certificate (SRC) und das Long Range Certificate (LRC). Das erste ist nötig Töns Föste , Frank Schrade zur Bedienung eines Funkgerätes im UKW-Be- reich, das andere darüber hinaus. Und natür- lich ist die englische Sprache notwendig, denn wir haben es mit dem internationalen GMDSS Zur Wiking-Geschichte | 15

Zur Wiking- Geschichte

Als ich 1953 mit dem Ziel Chemie zu studieren nach Greifswald kam, wurde ich zunächst Hilfs- assistent bei Prof. Bayers Oberassistenten Dr. Bulka. Im Labor wurde ich dem Chemotechniker Alfred Stendel unterstellt, der mich zum Segeln „verführt“ hat. Das war gerade die Zeit ,als der Wiederaufbau der im Krieg versunkenen ASV- men nach Stettin über Swinemünde durch das Yacht „Wiking“ von der Hoffschild’schen Werft Haff. Wir kamen auf Einladung der Stettiner in Greifswald durchgeführt wurde. Die Yawl Universität durch Kontakte von Dr. Wulfhekel wurde ohne Bugsprit mit Papageienschwanz, nach Stettin. 1956 war auch die 500-Jahrfeier Gaffelgroß mit 4-Kanttoppsegel und hochge- der Greifswalder Universität. Dazu segelte auf takeltem Besan 1954 ausgeliefert. Es gab keine Wiking Dr. Wulfhekel mit Werkmeister, Freytag Reling. Den ersten Boddenturn machte Stendel und Conny Müller. Ich selbst half bei der Orga- im September 1954. nisation auf einem GST-Kümo bei der Vertei- Im Juli 1955 kam ich erstmals mit Wiking in lung von Bierflaschen an die Segelyachten auf Kontakt. Mit Skipper Alfred Stendel, Dr. Liebe- dem , die wir mit Bootshaken hinüber- now, Pratzel und weiteren Studenten nahmen reichten. Hierüber gibt es auch Bilder. wir an der Ostseewoche teil. Wir mussten noch 1957 fand der bekannte -Turn statt, die Segelnummer für die 9 KR-Klasse in das der von Dr. Palm als Skipper geführt wurde schwere Segeltuch in Warnemünde einnähen. mit der Mannschaft Conny Müller, Horst Lubs, Dazu gibt es ein Bild mit Stendel und Pratzel, Dr. Bornemann, Walter Last, Frau Bonow und das auch in dem Bildband „Wasser, Wind und Christ. Hierüber gibt es eigene Geschichten, die weiße Segel“ veröffentlicht wurde. Conny Müller aufgezeichnet hat. In diesem Jahr Der Wiking (wir nannten ihn so) war damals machte ich zusammen mit Conny Müller die B- sehr luvgierig, weshalb der Bugsprit mit Was- Scheinprüfung auf einem Turn unter Leitung serstag 1956 angebaut wurde. 1956 segelte ich von Dr. Subklew und Mastmeier auf Wiking. erstmals mit Dr. Wulfhekel als Skipper und der 1958 durfte ich dann als Skipper mit Wiking Mannschaft Frau Werkmeister, Frau Bonow, Dr. segeln. Als Mannschaft waren dabei Conny Freytag, Peter Theebusch, Walter Last zusam- Müller, Günther Kunze, Bobby Germann, Karl 16 | Zur Wiking-Geschichte

Bertermann, Horst Buch- holz, Hartung und Krüger, In diesem Jahr machte auch Conny Müller seinen ersten Skipperturn. Mit Walter Last, Karl Brachmann, Jo- chen Lubs, Bobby Germann und Arktis Beulich segelten sie 14 Tage Richtung Os- ten bis Öland Sodra Grund und dann wieder zurück in den Heimathafen mit 972 sm. Im August 1958 habe ich ebenfalls mit einem „Kreuzschlag auf See“ die DDR-Gewässer unerlaubt verlassen und die Insel Bornholm aufgesucht. Heu- te kaum vorstellbar kreuz- ten wir ohne Motor in die kleinsten Häfen, ta gewinnen konnte. Ich konstruierte ein neu- wie Svaneke, Christiansö und legten auch in es Rigg, welches mit 7 KR eine höhere Chance Rönne an. In diesen Häfen waren Segelboote bei Regatten versprach. Das Problem war nur, eine Seltenheit. Als wir unser nass gewordenes wer soll das bezahlen. Nun muss man wissen, Brot auf dem Deck sonnten, erregte das die dass damals die Versicherung für alle Schäden Aufmerksamkeit der dortigen Dorfjugend. Am aufkam, die durch stärkere Winde verursacht nächsten Tag kam eine Gruppe von Schuljun- wurden. Dadurch konnten wir die Segelboote gen mit frischen Broten auf dem Gepäckträger. hervorragend pflegen. Wir bekamen alle Schä- Unser DDR-Geld konnten wir 1:27 tauschen. Es kel, Segel, Beibote ersetzt, weil immer höhere reichte dann für ein kleines Stückchen Butter. Gewalt im Spiel war. Als Mannschaft war damals Inge Pratzel, Hans 1959 war es dann soweit, als Conny Müller mit Bänsch, Robbi Dietzel dabei. In Svaneke waren Mastbruch aus Ystad zurückkam. Ich war Sekti- wir erstaunt über die Reinheit des Fischerha- onsleiter und empfing ihn zu seinem Erstaunen fens. Die Slippanlage mit Silberbronze gestri- mit Freude in Wieck, weil mit dieser Havarie chen, alle Straßen geteert, die Häuser bunt und der Umbau realisiert werden konnte. Wiking gepflegt und die Fischerboote weiß und frisch kam nach Kröslin zu Meister Grimm und ich gestrichen. In den Naturhafen zwischen Chris- schlug in seiner Halle mein Quartier auf. Es war tiansö und Fredericksö mussten wir von Süden für mich eine besonders lehrreiche Zeit, in der kommend hineinkreuzen. Kein Problem mit Wi- Meister Grimm uns handwerkliches Geschick im king. Besan back und schon drehte das Schiff Bootsbau beibrachte. Planken wurden gekocht, auf dem Teller. Wir legten an Backbord an; auf auf die alten Spanten gezogen und mit Kupfer der Steuerbordseite wurde unser Manöver von genietet. Der neue Mast wurde geschäftet und einer großen Yacht des königlichen Yachtclubs vieles mehr. Ich war damals auch Takelmeister, aufmerksam beobachtet. machte die Drahtspleiße der Wanten und Sta- 1958 wurde dann der Schifferrat verändert und gen. In Greifswald fand ich eine Schlosserwerk- ich wurde Bootswart für den Wiking. Das gab statt, in der ich - und Heckkorb unter An- mir den Auftrieb, mich besonders um die Yacht leitung eines Schlossers herstellen konnte. Für zu kümmern. In der vergangenen Zeit hatte es das Rigg stellte ich die Spreizgaffel aus 1 Zoll sich gezeigt, dass Wiking mit 9 KR keine Regat- Zur Wiking-Geschichte | 17

Gasrohr her. Auf das gebogene Rohr wurde ein Rönne, Allinge und dann nach Kopenhagen. Flacheisen aufgeschweißt, damit es seine Form Wir erreichten den Yachthafen am Abend. Weil nicht verändert. Leider ist das Ganze etwas ge- wir kein Geld hatten mussten wir besondere wichtig ausgefallen wie sich später zeigte. Die Strategien entwickeln, um die gebotenen Mög- neuen Beschläge habe ich aus Vollmaterial mit lichkeiten zu nutzen. Um ins Tivoli zu kommen der Feile hergestellt. Drehbank und Fräse gab wurde die Mauer überstiegen. Wir konnten alles es nicht in der Schlosserei. Mit einem LKW der sehen, aber nichts kaufen. In der Nyhavnsgade Fahrbereitschaft der Universität fuhr ich dann war Musik und Tanz in vielen nebeneinander nach und konnte zusehen, wie die liegenden Lokalitäten. Immer wenn die Musik Beschläge und großen Reelingsteile in einem zu Ende war, suchten wir die nächste Spelunke Zinkbad veredelt wurden. Wir konnten darauf auf, um nichts zum Trinken kaufen zu müssen. warten und alles gleich wieder mitnehmen. Noch in der Nacht, also bevor der Hafenmeister So bekam Wiking eine Reeling mit Bug- und zum Kassieren gekommen wäre, haben wir den Heckkorb und als die neuen weißen Segel ge- Yachthafen wieder verlassen müssen. Keiner gen die alten gelohten Baumwollsegel ausge- hat etwas bemerkt, dass ein DDR-Schiff in dä- tauscht waren, konnte eine neues Rigg auf- nischem Gewässer war. gebaut werden. Der Papageienschwanz wurde Anschließend hat Conny Müller mit Karl Brach- entfernt. Der Besan kam auf die Brücke, wo- mann, Arktis Beulich, Günter Kunze, Lührmann durch der Segelschwerpunkt weit nach vorne und Hartung ebenfalls einen Auslandstörn verlegt wurde. Die Segelfläche wurde durch die durchgeführt. Es ging nach Oslo mit 882 sm. Spreizgaffelnanordnung optimal für den Dü- Wir kamen alle immer wieder zurück. Trotzdem seneffekt auf der Kreuz. Bei Starkwind konnte durfte es kein Außenstehender wissen. Und ohne Groß mit Stagsegeln ein tiefer Segel- das war gerade der besondere Reiz, wenn die schwerpunkt erreicht werden. Grenzüberwachung ausgetrixt werden konn- Insgesamt hat mir der Umbau geholfen, mich te. Es ging meistens durch das nicht betonnte für handwerkliche Arbeiten zu begeistern und Landtief bei westlichen Winden auf Holebug ein Geschick zu entwickeln, das ich in späte- Richtung Nord und immer bereit mit Stagbug ren Jahren auch in anderen handwerklichen nach Warnemünde segeln zu wollen. Doch ir- Bereichen weiter ausbauen konnte. Die Segelei gendwann waren wir so weit in der Nähe von hat dadurch für mich trotz einer wissenschaft- Bornholm, dass wir auf den Stagbug verzichtet lichen Laufbahn erhebliche Vorteile im Leben haben. gebracht. Im Herbst 1960 hatte ich dann als Sektionslei- 1959 ergab sich dann nochmals eine Gelegen- ter das Absegeln organisiert. Es war ein Pira- heit zu einer unerlaubten Auslandsreise. Ich tenfest á la Störtebecker. Ich hatte dazu eine segelte mit Knut Redmann und anderen nach schwarze Flagge mit weißem Totenkopf her- 18 | Zur Wiking-Geschichte

gestellt. Es war ein feucht fröhlicher Ausklang an einem Samstagabend auf dem Wiking, aber am Besan wehte noch die Totenkopfflagge. Am nächsten Morgen fühlte sich ein GST-Mann dadurch provoziert und erstattete Meldung. Es waren an diesem Tag die sog. Volkswahlen. Ich wurde beschuldigt, mit dieser Fahne „national- sozialistische Propaganda gegen die Volkswah- len“ zu machen. Man wollte mich relegieren. Das Schicksal nahm seinen Lauf und die Segelei war in Greifswald beendet. Die DDR-Mächtigen schlugen auf allen Ebenen zu und ich hatte kei- ne andere Wahl, als das Land zu verlassen. Heute zurückgekehrt in die mir vertraute Hei- mat finde ich wieder den Wiking, mit weibli- chem Artikel als die Wiking III. Es soll mir eine Freude sein, alles was möglich ist zu veranlas- sen, damit „er“ oder „sie“ wieder auf dem Bod- den kreuzen kann und immer eine Hand breit Wasser unter dem Kiel findet.

Helmut G. Pratzel

Die Wiking kam 1931 zum ASV und wurde bis zum Sommersemester 1944 fleißig gesegelt. 1945/46 lag sie eingefroren im , später unter Wasser beim Eisenhammer. 1953 wurde sie auf der Greifswalder Werft erneuert und war dann bis 1961 in Fahrt. Besonders ver- dient machte sich um die Wiederindienststel- lung Professor Wulfhekel, den einige von uns noch kennen und der prägende Eindrücke in der Ausbildung hinterließ. Sie lag nach einer Havarie am Freesendorfer Haken einige Jahre auf dem Trockenen, bevor sie dann Manfred Stiesch vom heutigen Greifswalder Yachtclub kaufte, in Fahrt brachte und einige Jahre damit segelte. Von 1976 an lag sie dann erneut eini- ge Jahre an Land. Schließlich wurde sie 1987 durch die Brüder Dietrich und Martin Subklew wieder zu Wasser gebracht. Seit 2005 ist sie, dank des Engagementes von Helmut Pratzel ,wieder beim ASV, wo sie 1931 ihre Greifswal- der „Karriere“ begann.

Töns Föste Die Vereinsschiffe | 19

Vereinsschiffe L= 10,30 m, B= 2,30 m, T= 1,60 m War es in den 50 er Jahren im wesentlichen der „Wiking“, auf dem Seesegeln betrieben wurde, War die „Ariadne“ ein Schiff, auf dem haupt- kamen 1961 „Ariadne“ und „Stubber“ hinzu. sächlich Physiker segelten, so waren es auf Außerdem gab es dann noch „“ und „Si- „Stubber“ Chemiker. Erbaut 1924 in Wevels- rius“. fleth, kam das Boot auch 1961 zum Verein. Ver- schiedene Umbauten und Reparaturen mach- ten im Laufe der Zeit das Schiff immer besser, bevor es dann 1975 verkauft wurde an einen Schweizer Schauspieler, der das Schiff umbe- nannte und damit später in Griechenland ge- strandet sein soll. L= 9,54 m, B= 2,82 m, T= 1,65 m

„Padde“ war ein geklinkerter Ausgleichs-Jollenkreuzer mit Backdeck, der intensiv für die Ausbildung genutzt wurde, ursprünglich als Heuer gebaut. 1966 wurde das Boot nach Neubrandenburg verkauft. L=7,00 m, B=2,20 m, T=0,5/1,1 m

Besonders die „Ariadne“ führte zu einem Auf- schwung in der Regattasegelei, viele vordere Plätze wurden mit ihr ersegelt, zunächst durch Knut Redmann, danach den verdienstvollen Dr. Diethard „Fips“ Herrmann, auch Dr. Frank Schrade, später durch seine Nachfolger Dr. Peter Grigull und Dr. Siegfried Jilg. Das Schiff segelt heute noch im Verein, nachdem es die Die „Having“, ein holländischer Flachwas- damalige Stammbesatzung im Jahr 2000 er- sertyp, kam ebenfalls 1961 in den Verein. Sie worben hat. wurde rege genutzt, bevor sie dann 1975 von 20 | Die Vereinsschiffe

„Charles“ Brachmann gekauft wurde und seit- Im Jahre 1971 erwartete Anfang Oktober ein dem jedes Jahr die Boddengewässer als Famili- Geschwader des Vereins das „neue“ Schiff, die enschiff befährt. aus überführte „Stoltera“. Dazu hat L= 9,20 m, B= 2,80 m, T= 1,20 m Carl-Eduard Völcker in dieser Schrift einen Bei- trag verfasst. L= 12,00 m, B= 2,60 m, T= 1,70 m

Ab 1973 war dann die „Ernst Moritz Arndt“ für viele Jahre das Flaggschiff des Vereins. „Fips“ Herrmann kümmerte sich um die Beschaffung, Martin Knuth um die Finanzierung durch die Universität. Ein Vertrag zwischen Verein und Universität regelte die Nutzung durch unsere Segler. So konnte die Yacht pünktlich zur Stral- „Sirius“ war das Schiff, das jahrelang von „Al- sunder Woche 1973 in Dienst gestellt werden win“ Knapp als Bootswart bereedert wurde. Es und gleich die erste Seeregatta „Rund Rügen“ war ein geklinkerter Jollenkreuzer mit unter- segeln. Es war ein Eintonner, der damaligen gebolztem Kiel und ein beliebtes Urlaubsboot. Messformel entsprechend, gebaut aus formver- 1973 wurde es dann verkauft. leimtem Sperrholz in der Yachtwerft in Stet- L= 7,10 m, B= 2,30 m, T= 1,30 m tin. Viele Erfolge in der DDR und im damaligen sozialistischen Ausland wurden ersegelt. Heute „“ war der erste Neubau eines Kiel- segelt die Yacht für die Universität Greifswald. bootes in dieser Zeit für den Verein. Es wurde L= 10,70 m, B= 3,70 m, T= 1,80 m 1968 bei Menge in Lassan getauft und war eine Kreuzer-Version eines Nordischen Volksbootes in Leistenbauweise. Viele Erfolge wurden mit diesem Boot ersegelt, bis es 1989 verkauft wur- de. Es segelt seitdem immer noch in Stralsund. L= 7,70 m, B= 2,20 m, T= 1,30 m

„Stubber II“, „Thetis“ Nach der damaligen Vermessungsformel als Vierteltonner konstruiert wurden in einer großartigen Aktion im Sommer 1974 in der Die Vereinsschiffe | 21

Bootshalle eine scheinbar riesengroße Menge von Schalen der Klasse „“ abgeformt, dabei auch die für diese beiden Yachten. 1976 („Thetis“) bzw. 1977 („Stubber“) gingen sie dann zu Wasser und werden seitdem die ganze Saison von Studenten gesegelt. L= 8,04 m, B= 2,80 m, T= 1,50 m

„Gryps“ Gekauft 1986 von der Volkswerft Stralsund, die damals auch eine Fertigung von Seekreuzern aus Stahl begonnen hatte. Verkauft 1996 nach Stralsund. L= 8,20 m, B= 3,00 m, T= 1,50 m

„Holter Di Polter“ 1992 bekamen unsere Jugendsegler aus Ham- burg einen mit Ballastschwert ausgerüsteten „Indigo“ Jollenkreuzer geschenkt und segelten diesen Wurde dem Verein 1999 von Rüdiger Bode aus mehrere Jahre äußerst erfolgreich. Schließlich Hamburg geschenkt. Siehe dazu den Beitrag wurde dieses Schiff 1997 verkauft. von Jürgen Riedel. L=7,50 m, B= 2,80 m, T= 0,30 – 1,40 m L=10,95 m, B=3,40 m, T=1,75 m

„Schwupp Di Wupp“ Seit Anfang der 60 er Jahren, bis etwa 1972, gab war dann der Ersatz für die „Holter..“. Es ist eine es insgesamt sechs Piraten, auf denen intensiv X 79 und segelt seit 1998 sehr erfolgreich für gesegelt wurde: „Ventus“, „Unda“, „Sperber“, unseren Verein und kommt, dank der äußerst „Fritz“, „Lütt“ und „Vabanque“. Insbesonde- engagierten Crew, von Regattaauftritten regel- re die Umsteigerregatten und der Boddentörn mäßig geehrt zurück. waren ohne sie undenkbar. Und auch bei den L= 7,90 m, B= 2,60 m, T= 1,50 m Warnemünder Ostseewochen waren sie, so lan- ge dort auf Piraten gesegelt wurde, regelmäßig am Start. Besonders erfolgreich waren „Ventus“ und „Unda“. Die Piraten wurden dann durch XY- Jollen ersetzt, die schließlich Anfang der 90er Jahre an die Universität für studentisches Se- geln übergeben wurden.

Mit „Ariadne“, „Having“ und „Stubber“ wur- de eine Tradition begründet: Schiffe erhielten Namen, die einen Bezug zum heimatlichen Se- gelrevier hatten. Als vereinseigenes Boot gab es von 1968 bis 1989 die „Palmer Ort“. Später stellten sich auch Eigner in diese Tradition: „Doretta“, „Iduna“, „Kaming“, „Koos“, „Nord- perd“, „Oie“, „Pagelshart“, „Rugia“, „Südperd“, „Veritas“, „Vineta“.

Töns Föste 22 | Erwerb der Segelyacht STOLTERA

vorerst jedoch ein Wunschtraum in der Sektion. Ende des Jahres 1970 wurde bekannt, dass der SC Empor Rostock, einer der führenden Clubs im Segelsport der DDR, sich von der Segelyacht STOLTERA trennen wollte. Dieses Boot hatte in den 50‑er Jahren als schnelle Rennyacht in Seglerkreisen einen gewissen Bekanntheits- grad erreicht, u.a. als DDR‑Meisterboot im Seesegeln. Es handelte sich um einen 50 qm Seefahrtskreuzer aus Mahagoni, 1938 auf der renommierten Werft von Abeking & Rasmus- sen, Lemwerder/Bremen, gebaut. Mit einer Länge von 12,50 m fünf festen Kojen und vor allem den bekannt gewordenen Segeleigen- schaften schien die Yacht geeignet, den See- segelsport in unserer Sektion voranzubringen. Wie aber sollte die Finanzierung erfolgen, die finanziellen Möglichkeiten der Sektion waren begrenzt. Horst Lubs, in jenen Jahren Sektions- leiter, nahm Verbindung mit den Leitungsgre- mien der Universität auf und erreichte unter Hinweis auf die Ausbildungsmöglichkeiten der Studenten mit diesem Schiff, dass die Univer- sität ihre Zustimmung zum Kauf der Yacht gab. Siggi Wussow, Verantwortlicher für das Seese- geln sicherte währenddessen unserer Sektion das Vorkaufsrecht, denn es war zu erwarten, dass auch andere Sportgemeinschaften Be- Wie die gehrlichkeiten auf diese Yacht entwickelten. Nach einer Besichtigung der Yacht und der STOLTERA nach Ausrüstung wurde das Wochenende vom 8.‑10. Oktober 1971 für die Überführung der Yacht Greifswald kam von Rostock nach Greifswald ins Auge gefasst. Sondergenehmigungen für die an der Über- In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhun- führungsfahrt beteiligten Sportfreunde muss- derts verfügte die Sektion Segeln der HSG mit ten eingeholt werden, vorsorglich wurde auch den Seekreuzern ARIADNE, einer 10- m‑Yacht eine Nachtsegelgenehmigung beantragt ‑bis und STUBBER, ebenfalls 10 m lang vom Co- wir dann am 9.10. mit Siegel der Grenzbrigade lin Archer‑Typ und der PALMER ORT, einem Küste der Nationalen Volksarmee frühmorgens Volksboot‑Neubau aus dem Jahre 1969 über um 01.50 Uhr vom Kontrollpunkt Warnemünde drei leistungsfähige seegehende Yachten, die ablegten und Kurs auf den Hiddenseer Inselha- von den Mitgliedern für Regatten als auch für fen Vitte‑Langer Ort nahmen. Langfahrten genutzt werden konnten. Darüber Schnell spürten wir bei achterlicher Brise die hinaus gehörten noch die Kielboote HAVING guten Laufeigenschaften der Yacht, aber auch und SIRIUS als Wander‑ und Ausbildungsboote die im Vergleich zu unseren anderen Yachten zum Bestand, ein für Seeregatten ‑ vor allem bisher ungewohnten Größenverhältnisse, als Wettfahrten der jährlich stattfindenden Ost- vor Darßer Ort bei einer Patenthalse der fast 6 seewochen ‑ besonders geeignetes Boot blieb m lange Großbaum ungewollt ‚überkam‘. Eine Erwerb der Segelyacht STOLTERA | 23

Umlenkrolle ging zu Bruch, da das Backstag im 1. Drittel des Teilnehmerfeldes. In dieser nicht schnell genug gelöst werden konnte. Im Zeit erfolgte eine Umstellung der Vermessung Hafen Langer Ort begrüßten uns die Crews der von Regattayachten von der RORC‑Regel auf aus Greifswald zum Empfang der „neuen“ Yacht die IOR (International Offshore Rule). Letztere entgegen gekommenen Boote unserer Sektion. war zugeschnitten auf moderne Boote vom Harte Arbeit bedeuteten die Kreuzschläge in Typ „Hochseejolle“, die im Gegensatz zu den den engen Fahrwasserrinnen, bis wir ‑ ohne klassischen Yachten vom „Verdrängertyp“, zu Motor, dieser wurde erst in späteren Jahren denen die STOLTERA gehörte, bessere Segel- eingebaut ‑ den neuen Heimathafen Greifs- eigenschaften ‑ vor allem am Wind aufwie- wald‑Wieck am nächsten Tag erreichten. Mit sen. 1973, mit der Anschaffung einer solchen der Universität wurde ein Vertrag abgeschlos- Yacht, eines modernen „Eintonners“ vom Typ sen, in dem alle Fragen der Nutzung, Instand- Taurus aus Polen, die durch die Bemühungen haltung und Pflege der Yacht, der Versicherung von Fips Herrmann und die Fürsprache der Uni- und anderes geregelt wurden. Den Posten des versitätsleitung verwirklicht wurde, erwuchs Bootswartes übernahm C.‑E. Völcker. Das Slip- der STOLTERA mit dem ERNST‑MORITZ‑ARNDT pen der Yacht gestaltete sich wegen der langen getauften Neubau innerhalb des Vereins eine Überhänge, der rundlichen Kielflosse und den seglerische Konkurrenz, da beide Yachten in ca. 7 t Gewicht als sehr schwierig und führte der selben Vermessungsklasse (IOR III) starte- anfangs leider zu schweren Havarien. Die am ten. Dennoch konnte die STOLTERA gelegent- Bootshaus vorhandene Slipanlage erwies sich lich ‑ bei raumeren Windbedingungen ‑ ihre als ungeeignet und erst mit der Anschaffung guten Laufeigenschaften ausspielen, so noch und dem Umbau eines ehemaligen Tiefladers 1982 als Gewinnerin der Großen Seewettfahrt zum Bootswagen konnte das Slippen problem- während der Internationalen Ostseewoche/ los durchgeführt werden. Schon im ersten Ein- Warnemünde. Auch zwei Mastbrüche waren zu satzjahr der STOLTERA (wir verkraften. Die Verluste waren besonders entschieden uns für die Beibehaltung des Yacht- namens) wurden 1972 schöne Regattaerfolge erzielt, so u.a. erste Plät- ze bei der Regatta „Rund Rügen‘, der Tonnenregat- ta, der Streckenwettfahrt Warnemünde‑Swine- münde und bei Regatten in der Rigaer Bucht. 1973 war die Yacht wegen Ha- variereparaturen nicht unter Segeln. Während der Werftreparatur in Gager/Rügen erhielt das Deck durch die Crew- mitglieder einen Polyes- terbezug. In den Folge- jahren wurden mehrere gute Platzierungen bei Regatten erreicht, Platzierungen jeweils 24 | Erwerb der Segelyacht STOLTERA

schmerzlich wegen der außerge- wöhnlichen Anstrengungen, die zur Wieder- bzw. Neubeschaffung un- ternommen werden mussten. 1977 zersplitterte während der Tonnen- regatta nördlich Arkona bei NW 7‑8 der Mast, nachdem ein 14‑er Unterwantbolzen gebrochen war. 1984 brach während der Sturm- überfahrt nach Warnemünde zur Ostseewoche bei Esper Ort (Darß) ein Salingbolzen. Die hohen Be- anspruchungen der Yacht bei den Regatten - letztlich auch das Alter des Bootes von mittlerwei- le 40 Jahren ‑ führten 1978 zum Entzug der Technischen Zulassung für den Bereich See- fahrt. Eine Generalreparatur der Yacht war un- 1974), 1975 nach Riga zur Dreietappenregatta umgänglich. Sie wurde Anfang der 80er Jahre Riga‑Salacgriva‑Pärnu‑Riga - auf der Rück- von der Stralsunder Dinse‑Werft durchgeführt; reisewurde Visby auf Gotland angelaufen, 1977 inzwischen hatte Wolf‑H. Böhmer den Boots- nach Swinouscje zur Teilnahme an der Regat- wartposten übernommen. ta Gryf Pomorski (Swinouscje‑ rd. Falsterbo- In den Jahren der Nutzung der STOLTERA durch rev‑Christiansoe/Bornholm‑Swinouscje), 1989 die Sektion Segeln der HSG haben zahlreiche segelte die STOLTERA unter W.‑H. Böhmer nach Sektionsmitglieder auf und mit der Yacht un- Tallinn und Leningrad ( St.Petersburg). wiederbringliche erlebnisreiche Stunden, Tage Im Jahre 1990 wurde die Nutzungsvereinba- und Wochen erlebt, nicht nur als Teilnehmer an rung durch die Universität gekündigt und die den Regatten, an Seglertreffen, auch auf Tages- Yacht dem Institut für Sportwissenschaft un- fahrten und Urlaubstörns sowie ‑ trotz mancher terstellt. R. Heering war bis Mitte der 90er Jah- politisch bedingter Hemmnisse ‑ auf den Lang- re Bootswart, dann wurde die Yacht durch die törns ins östliche Ausland, nicht zu vergessen die Universität verkauft. zahllosen Arbeitsstunden am Schiff. Im letzten Sommer kündeten die Flaggen meh- Langtörns führten 1972 unter C.‑E. Völcker rerer skandinavischer Länder am Stb.‑Want der nach Riga zur Teilnahme an der Zweietap- von einer Reise zurückkehrenden Yacht davon, penregatta Riga-Salacgriva-Riga, 1974 nach daß die STOLTERA auch unter ihrem neuen Eig- (Baltic Race Swinouscje‑Gdynia und ner auf der Hochsee Flagge zeigt. anschließende Teilnahme an der Parade in der Danziger Bucht anlässlich der OPPERATION Carl-Eduard Völcker Flaggschiff INDIGO | 25

Flaggschiff INDIGO Wie es dazu kam

Die Akademischen Segelvereine (ASV) Deutsch- lands sind, abhängig von Standort, Geschichte und Schwerpunkten ihrer seglerischen Aktivi- täten unterschiedlich mit vereinseigenen Jollen und Kielbooten ausgestattet. Eine Tradition aber hat sich seit deren Gründung entwickelt und bis in die Gegenwart erhalten. Jeder ASV nennt ein „Flaggschiff“ sein Eigen, zum Beispiel Vereinsmitglieder und finanziert aus staatlichen die weltweit segelnde PETER VON DANZIG beim Sportfördermitteln der DDR hieß ab 1973 un- ASV Kiel, die WAL des ASV Berlin oder die ODYS- ser neues Flaggschiff „ERNST‑MORITZ‑ARNDT“, SEUS unter Flagge des ASV Stuttgart. Und der kurz EMA genannt. Dieser werftneue Einton- ASV zu Greifswald kreuzte von 1911 bis 1939 ner aus polnischer Produktion, der uns Jahr für mit seinem EDITH in europäischen Gewässern, Jahr bei durchschnittlich 90 Segeltagen mit bis Länge 15 Meter und 180 Quadratmeter Tuch 30 Aktiven und Studenten an Bord u. a. vie- am Mast. le nationale und internationale Regatta‑Siege einbrachte, wurde nach der Wende 1990 zum Mit Übernahme der „ASV‑Funktion“ durch die Eigentum der Universität erklärt. Hauptamt- Sektion Segeln der Hochschulsportgemein- lich mit einem Bootswart besetzt, fristet unser schaft Greifswald schwamm die den Krieg über- einstiger Stolz heute sein Dasein hauptsächlich lebte „WIKING III“ aus dem alten ASV‑Bestand am Pfahl. Schade! diese Funktion bis zu ihrer Strandung und Auf- gabe im Jahre 1961. Dank der Initiative einiger 26 | Flaggschiff INDIGO

Völlig irreal war es in den folgenden Jahren eindeutig: der ASV sollte sich diese einmalige daran zu denken, durch Eigenfinanzierung die Chance nicht entgehen lassen. Mit dem Chef ASV‑Flaggschiff‑Tradition fortzusetzen, bis im der Marina wurden Vorbereitung (neue Batte- September 1999 ein Brief aus Hamburg für rien, Überholung des Motors) und Überführung uns einen Ausweg aus dieser Misere ankündig- des Bootes noch 1999 auf dem Landwege nach te. Briefinhalt: Rüdiger Bode, Apotheker und Greifswald abgestimmt. Die folgende Vollver- erfolgreicher Leiter eines pharmazeutischen sammlung beim ASV gab grünes Licht. Erneutes Betriebes musste sich nach einem Unfall vom Treffen mit Herrn Bode folgte am 17./18. De- Segelsport verabschieden und seine 1986 erst- zember zur Übergabe/Übernahme und Trans- mals zu Wasser gelassene Yacht INDIGO (sie- portvorbereitung des Bootes. Verzögert durch he Bild A) bereits vor zwei Jahren aufslippen. vereiste Pisten traf der Tieflader am 2. Januar Aber das Boot sollte, der Gesellschaft nutzend, 2000 auf dem Gelände des Yachtservices Red- wieder in Fahrt kommen. So führte ‑ für den mer & Wilke in Greifswald ein. Ein folgender ASV ein glücklicher Umstand ‑ sein Weg nach Sonntag der offenen Luken und Niedergänge Greifswald, wo einst sein Vater Pharmazie stu- weckte das Interesse vieler unserer Mitglieder dierte und er selbst Kontakte wissenschaftli- an unserem neuen Flaggschiff (und auch an cher Zusammenarbeit mit einem Institut der den mit übergebenen Bordvorräten alkoholi- Universität zu DDR‑Zeiten unterhielt. Seine scher Getränke). Die um dem ersten Bootswart Recherchen in diesem Umfeld brachten Herrn Gunther Hoffmann rekrutierte Stammbesat- Bode auf unsere Spur. Die von ihm gegebe- zung stürzte sich sofort auf die Winterüber- ne kritische Beurteilung seines Bootes weck- holung, die besonders in Richtung verdeckter te im positiven Sinne sofort unser Interesse. Korrosionsschäden mehr Aufwand als erwartet So standen bereits am 9. Oktober drei ASV‘er bedurfte. gemeinsam mit seinem Eigner vor INDIGO auf dem Gelände der Marina Broderby. Und unse- Dennoch konnten wir die Familie Bode, alle re erste Inspektion unter der Persenning war ASV‘er und Förderer zum feierlichen Flaggen- wechsel im neuen Heimatrevier von INDIGO am 18. Mai 2000 begrüßen. Seine ersten Meilen absolvierte INDIGO am folgenden Tag an der Spitze eines Bootskorsos auf dem Ryck.

Den ersten Trimm‑, Ausbildungs‑ und Navigationsreisen 2000 folgend, weist das Bordbuch für die letzten 6 Jahre aus: (in den Klammern - durchschnittlich je Saison)

Versegelte Seemeilen 22.644 (3.774) Segeltage 613 (102) Versegelte Personen 362 (60) ‑ ASV Mitglieder (ADH) 110 ‑ Studenten (Aktivitas) 108 ‑ Gäste/Nichtmitglieder 144 Flaggschiff INDIGO | 27

Überwiegend größere Seereisen haben INDI- Damit sind die Bedingungen zur praktischen GO bereits bis in den letzten Winkel der Ostsee Ausbildung für den Erwerb aller amtlichen (Haparanda) und auch in alle norwegischen Sportbootführerscheine und Funkzeugnisse Fjorde geführt. Die vorstehende Statistik doku- gegeben. mentiert auch, dass 40 Prozent der Crewmit- glieder Gäste waren. Die vergleichsweise für Resümee einen ASV unbefriedigend vertretenen Akti- Zum 100. Geburtstag unseres ASV ist unser vitäten sind wahrscheinlich eine Ursache da- junges Flaggschiff in die achte Saison gestar- für, dass das Boot lt. Mitgliederbeschluss aus- tet. Wir haben dem einstigen Spender, Rüdiger schließlich durch Eigenfinanzierung‑ das heißt Bode, herzlich Danke! zu sagen. Wir wissen kein Zuschuss aus der Vereinskasse ‑ in Fahrt auch, dass nicht nur seine weiterhin jährli- zu halten ist (soweit dem Autor bekannt, eine che finanzielle Unterstützung Ausdruck seiner Einmaligkeit unter den ASV‑Flaggschiffen). bleibenden Verbundenheit mit seinem/seiner Auch sind entsprechend lange Reisen mit we- INDIGO ist. Er freut sich genauso über jeden nig Hafentagen nicht unbedingt studentische Kartengruß jeder Crew aus jedem Hafen, in Erlebniswünsche, sich widerspiegelnd auch dem INDIGO festgemacht hat. Sorgen wir da- in der Homepage des ASV. Unter seinen acht für, dass sein Stolz/unser Flaggschiff nicht nur Schiffsführern und Kontaktpersonen ist kein das 125. Vereinsjubiläum erlebt und überlebt, Aktivitas zu finden, nur „Alte Herren“, davon sondern auch noch intensiv im Interesse jedes fünf wissenschaftlich hochrangig graduiert. ASV-Mitgliedes gemäß unserer Satzung Flagge Es besteht also beim Vorstand und Schifferrat zeigen wird. Handlungsbedarf bezüglich Nachwuchses für INDIGO und das Segeln. Jürgen Riedel

Kurzer Steckbrief von INDIGO: Bootstyp slupgetakelter Stahl‑Einzelbau

Länge o.A. 10,95 m Breite o.A. 3,40 m Tiefgang 1,75 m Mast 14,00 m (über Deck) Verdrängung 9,5 Tonnen Motor 48 PS (Einbaudiesel)

Besegelung Groß 29 m2, Rollgenua 50 m2, Blister 95 m2 Bugstrahlruder Feste Kojen 5 (ausbaufähig)

Inzwischen wurde INDIGO Dank finanzieller Unterstützung u.a. durch den Landessportbund mit aktueller Navigationstechnik gemäß den Sicherheitsrichtlinien Kategorie 1 der Kreu- zerabteilung des DSV komplett ausgerüstet. 28 | Kinder- und Jugendsegeln im ASV

Kinder- und Jugendsegeln im ASV

Akademisches Segeln und Kinder- und Jug- endsport passen irgendwie nicht so richtig zu- sammen – das meinen auch heute noch einige unserer Mitglieder. Ich glaube, dass der jüngste Spross unseres Akademischen Seglervereins das Vereinsleben nicht nur bereichert, sondern ent- scheidend mit beeinflusst hat. Als ich 1969 das erste Mal das damals noch neue Bootshaus der HSG Wissenschaft Sektion Segeln betrat, um das Segeln zu erlernen, gab und betreut wurden. Ein weiterer Schwerpunkt es vier Optimisten, die im Werkunterricht der war die Teilnahme an Regatten im damaligen Wiecker Schule gebaut und durch die Kinder . Der Transport wurde durch die gepflegt und gesegelt worden sind. Ausgerüs- UNI-Fahrbereitschaft abgesichert, mit der ein tet mit Baumwollsegeln erfüllten sie die An- Patenschaftsvertrag geschlossen wurde. Sie er- sprüche für eine seglerische Grundausbildung. folgten dann erst auf offenen und später auf Ein Motorboot gab es nicht. Die Trainingsein- geschlossenen LKW, was aus heutiger Sicht heiten wurden vom Übungsleiter von Land aus doch recht abenteuerlich war. Ich erinnere mich geleitet und abgesichert. Haupttrainingsrevier an einen Transport nach Wolgast 1971, meiner war der Hafen bis zum Molenkopf. Da war uns ersten Opti-Regatta, bei der wir auf dem of- Einheit Greifswald etwas voraus. Sie hatten ein fenen LKW auf der Ladefläche zwischen den Motorboot, Optis und sogar schon Cadets und Booten mitfuhren. Zum Verzurren der Boote konnten auf der Dänischen Wiek trainieren. Dr. nahmen wir unsere Schoten und Fallen und es Hildegard (Hildchen) Elze und Dr. Horst Lubs kam nicht selten vor, das am Zielort nicht mehr waren damals bei uns Übungsleiter. alle heil waren oder die Ladung unterwegs ver- Im Jahr 1971 wurde in Greifswald das Trai- rutschte und ein Halt eingelegt wurde, um die ningszentrum Segeln gegründet. Damit wur- Ladung neu zu verzurren (sehr zum Ärger der den die Jugendabteilungen der HSG und Kraftfahrer, die ja nicht leer zurückfahren durf- Einheit zusammengeführt und es gab in der ten, und damit erst spät zu Hause waren). Im Folgezeit neue Boote vom DTSB. Dr. Horst Übrigen bin ich bei dieser Regatta nicht einmal (Länging) Lubs wurde zum Leiter des TZ Greifs- ins Ziel gekommen, weil ich ständig vollgelau- wald gemacht und die Jugendarbeit nahm un- fen bin. In den folgenden Jahren bestimmten ter seiner engagierten Leitung einen kräftigen zwei Steuerleute das Leistungsniveau im Cadet Aufschwung. Wichtig für ihn war immer, dass des Bezirkes Rostock entscheidend mit, Martin die älteren Jollensegler sich um die Jüngeren Subklew und Volkmar Stiesch. Martin gelang kümmerten und diese auch durch sie trainiert sogar das Kunststück sich 1975 mit seinem Vor- Kinder- und Jugendsegeln im ASV | 29 schotmann Andreas Hetmanek (ja, genau der, Jugendmeister wurde und 2003 im Laser Stan- der jetzt zwei Gaststätten in Wieck betreibt) dard mit seinem 3. Platz bei der Deutschen für die DDR-Kinder- und Jugendspartakiade zu Meisterschaft vor Flensburg manchen etab- qualifizieren, gegen die starke Konkurrenz aus lierten Profi hinter sich ließ. Bis heute ist und den Sportclubs. war die Entscheidung für die Gemeinsame Ju- Nach dem Tod von Dr. Horst Lubs übernahm gendabteilung eine richtige und weitreichende Dieter Grünke das Ruder im Trainingszentrum Entscheidung. In vielen Städten sind wir jetzt Greifswald. Seiner geschickten Verhandlungs- Vorbild für die Gründung eben solcher Ju- führung war es zu verdanken, dass neue Boote gendabteilungen, unsere Erfahrungen werden angeschafft werden konnten, von denen wir nachgefragt und ab und an berichten wir über noch heute in der Anfängerausbildung profi- Erfolge aber auch Probleme, die es mit so einer tieren. Auch wurde der Leistungsgedanke mehr Jugendabteilung gibt. in den Vordergrund gerückt, ohne den Frei- zeitsport zu vernachlässigen. So konnten ins- Dirk gesamt fünf Sportler zum Sportclub „Empor“ Rostock delegiert werden. Unter ihnen Diet- Sportliche Erfolge ( Auswahl) mar Wendel, der mit seinem Steuermann Sven Kaiser 1987 Juniorenweltmeister in der 470er 1972 2. Platz Optimist Martin Subklew Klasse wurde. 1989 dann die Wende, die Trai- LK II Regatta Nord ningszentren wurden mit der Abwicklung des 1973 2. Platz Cadet Subklew/Jeschke Stralsunder Woche DTSB aufgelöst und das Bootsmaterial wurde 1974 1. Platz Cadet Subklew/Hetmanek den Vereinen übergeben. Der ASV zu Greifswald Stralsunder Woche wurde wiedergegründet, aus Einheit Greifswald 3. Platz Cadet Subklew/Hetmanek wurde der Yachtclub Greifswald, aus der BSG Bezirksspartakiade KKW Greifswald der Wiecker Yachtclub und 1975 2. Platz Cadet Subklew/Hetmanek Bezirksspartakiade aus der BSG „Wissenschaft“ wurde der 1981 5. Platz Ixylon Subklew/Jeschke Riemser Seglerverein. Jeder machte jetzt mehr DDR-Studentenmeisterschaft oder weniger sein Ding. Bei uns wurden bald 1987 1. Platz 470-er Kaiser/Wendel Stimmen laut, die das Kinder- und Jugendse- Juniorenweltmeisterschaft geln zugunsten der intensiveren studentischen 1990 1. Platz Cadet Greger/Die DDR-Meisterschaft Arbeit aufgeben wollten, sie konnten sich nicht 2001 1. Platz Laser/R Philipp Gläser durchsetzen. In der Folgezeit zeigte sich, dass Deutsche Jugendmeisterschaft der Bootspark für die Kinder und Jugendlichen 2. Platz Opti/U14 Jonas Müller den Ansprüchen an modernes Segeln nicht Deutsche Jüngstenmeisterschaft mehr genügten. Um diesen aber zu erneuern, 2002 1. Platz Laser/R Philipp Gläser Landesjugendmeisterschaft bedurfte es erheblicher finanzieller Mittel. Da 2003 2. Platz 420-er Kolberg/C. Radicke die Vereine schon bei der Ausrichtung und Deutsche Jugendmeisterschaft Durchführung von Regatten im Kinder- und 2. Platz Laser/R Johannes Radicke Jugendbereich eng zusammen arbeiteten war Deutsche Jugendmeisterschaft die logische Konsequenz die Gründung der 2004 3. Platz Optimist Jonas Müller Niederländische Meisterschaft Gemeinsamen Jugendabteilung 1993. Es er- 2005 1.Platz 420-er/U17 Müller/Sparre möglichte die Bündelung der Finanzen, eine Deutsche Meisterschaft intensivere Trainingsarbeit und als kleiner 2. Platz 420-er/U17 Dehler/Dehler Nebeneffekt rückten auch die Vereinsführun- Deutsche Meisterschaft gen und -mitglieder näher zusammen. Auch 2006 1. Platz 420-er Dehler/Dehler Deutsche Jugendmeisterschaft die sportlichen Erfolge ließen nicht lange auf 2007 2.Platz 420-er Dehler/Dehler sich warten. Stellvertretend sei Phillipp Gläser Deutsche Meisterschaft genannt, der im Laser Radial 2001 Deutscher 30 | Hochschulvergleiche - Universitätsumsteigeregatten - Studentenmeisterschaften

trafen sich die segelnden Kommilitonen der verschiedenen Universitäten und Hochschulen, so dass der Wunsch nach einer Studenten- meisterschaft wieder aufkeimte. Eine Deutsche Studentenmeisterschaft für die DDR war den Hochschul- Gewaltigen des Bundes Deutscher Segler in vergleichskämpfe • Universitätsumsteige- regatten • Studenten- meisterschaften

Im Jahresbericht 1910/1911 lesen wir, dass der ASV mit seiner Gründung am 26. Juli 1908 in Wieck eine Fischerbootregatta organisierte, an der sich fast alle Fischer von Wieck beteiligten. Rennsegeln faszinierte immer und die Orga- nisatoren hofften hierbei wohl auch auf eine gute Nachbarschaft mit den Fischern. Die heh- der Zeit gesamtdeutscher Olympiamannschaf- ren Ziele des ASV sind aber die Förderung des ten ein zu großes Politikum, so dass sich der studentischen Segelns. Die Studenten sollen Gedanke von Hochschulvergleichskämpfen als ihre Besten ersegeln – also Studentenmeister- Vorläufer einer Studentenmeisterschaft entwi- schaften! ckelte. Dieses Gedankengut überlebte die beiden verheerenden Kriege besser als ihre materiel- So wurde vom 5. bis 7. September 1957 der le Voraussetzung. Bemerkenswert ist der Ver- 1. Hochschulvergleichskampf zwischen den such der Besatzung des „Wiking“, die während Universitäten Rostock und Greifswald auf der Regatten des „Pommerschen Greifs“ vom der Unterwarnow gesegelt, den die Rostocker 26. September bis zum 2. Oktober 1956 mit Studenten gewannen. Der 2. Hochschulver- den Studenten des „ASV“ Stettin einen Freund- gleichskampf 1958 in Greifswald-Wieck sah die schaftsvertrag abschlossen. Leider blieb es bei Mannschaft der Greifswalder Segler als Sieger. diesem Versuch, aber in Rostock gab es se- Jede Mannschaft bestand aus zwei Piraten und gelnde Studenten, mit denen man sich messen einer O-Jolle. Um ein Optimum an Chancen- konnte. gleichheit zu erreichen, segelte man ein- bzw. zweimal in jedem Boot. Obwohl unser Revier eher ungeeignet für Jol- len und Jollenkreuzer ist, gehörten Ausgleichs- 1959 erweiterte sich der Kreis der teilnehmen- jollen, Piraten und O-Jollen (Olympiajolle der den Hochschulen. Vom 1. bis 4. September se- Segelolympiade 1936 in Kiel) zum Bestand der gelten neben den Studenten der Universitäten HSG Sektion Segeln. Mit diesen Jollen besuchte Rostock und Greifswald auch die der Universi- man die Regatten in der Umgebung auf eige- tät Leipzig und der Hochschule für Ökonomie nem Kiel. Zu weiter entfernten Regattaorten Berlin-Karlshorst auf der Unterwarnow. Das wie Rostock-Warnemünde oder Ueckermünde Bootsmaterial – acht Piraten und vier O-Jollen wurden die Jollen auf einem Lastwagen der - wurde von den Rostockern zur Verfügung ge- Universität verladen und transportiert. Hierbei stellt. Jede Hochschule stellte 2 Piratenmann- Hochschulvergleiche - Universitätsumsteigeregatten - Studentenmeisterschaften | 31 schaften und einen O-Jollensegler. Es wurden Wissenschaft Greifswald organisierte die 1973 bei durchweg gutem Wind acht Regatten mit die V. DDR-Studentenmeisterschaft vor Greifs- Bootstausch gesegelt. wald-Wieck. Vom 29. August bis 1. September Ergebnisse der Einzelwertung bei den Piraten: wurden in den Klassen Finn-Dingi, OK, 420er, 1. Schönrock (R), 2. Lubs (G), 3. Pratzel (G), 4. und Pirat die Studentenmeister ermittelt. In Kranert (R), 5. Schwarz (B-K), 6. Müller (B-K), der Ixylon-Klasse gab es eine Bestenermittlung. 7. Engler (L), 8. Binder (L). und Einzelwertung Auch die 13. DDR-Studentenmeisterschaften bei den O-Jollen: 1. Thoms (B-K), 2. Ptaszek (L), 1981 wurden vor Greifswald-Wieck ausge- 3. Brachmann (G), 4. Kirsten (R). In der Mann- segelt. 120 Aktive segelten auf 30 Ixylon, 20 schaftswertung wurden folgende olympische 420er-Jollen und 20 Segelbrettern. 30 Mann- Punkte ersegelt: 1. Rostock 12897 Punkte, 2. schaftsleiter, Betreuer, sowie Schieds- und Greifswald 10977 Punkte, 3. Berlin-Karlshorst Kampfrichter waren in Wieck. Die Sektion Se- 8871 Punkte und 4. Leipzig 5843 Punkte. Da- geln der HSG Wissenschaft Greifswald war mit mals war Sieger, wer die meisten Punkte erse- der Organisation beauftragt worden. Neben den gelt hatte. eigentlichen Vorbereitungen für die Regatten kümmerte man sich um die Begleichung von Im Gegensatz zu den Studenten der Leipziger Fahrkosten, die Verpflegung, Übernachtungen, Universität wurden die der Hochschule für Blumen und Urkunden. Ökonomie Berlin-Karlshorst eine feste Größe in den Hochschulvergleichskämpfen. Sie organi- Auch nach der Wende ist unser Revier beliebter sierten 1960 auch den 4. Hochschulvergleichs- Austragungsort für Studentenregatten. Vom 28. kampf in Berlin und besuchen uns seither jedes August bis 1. September 1991 fanden in Greifs- Jahr Anfang September zu einer gemeinsamen wald-Wieck die 41. Internationalen Deutsche Fahrt über den Greifswalder Bodden. Hochschulmeisterschaften im Segeln statt. All- gemeiner Deutscher Hochschulverband (ADH), Da bekanntermaßen Regattasegeln den Cha- Akademischer Seglerverein zu Greifswald (ASV) rakter verdirbt, fand der Bootstausch bei Jol- und Ernst-Moritz-Arndt-Universität waren lenregatten in unserem Verein großen Anklang. In den 60er Jahren segelten wir so Greifswal- der Universitätsmeisterschaften aus. Beim Bootstausch sah man dann eine Piratentraube um den Wiecker Molenkopf. Mein damaliger Vorschoter Dr. Helmar Scheibner erzählt noch heute, dass er sein gutes Ansehen bei seinem Chef, dem „Admiral“ Prof. Wulfhekel, nicht seinen wissenschaftlichen Leistungen in der Gasentladungsphysik sondern unseren Univer- sitätsmeistertiteln im Segeln verdankte.

1968, also 11 Jahre nach dem 1. Hochschul- vergleichskampf hatte sich der DDR-Sport von dem der Bundesrepublik deutlich abgetrennt und war olympisch anerkannt, so dass auch die Gewaltigen des DDR-Sports für „DDR-Studen- tenmeisterschaften“ im Segeln waren. Hierfür gab es finanzielle Unterstützung und auch die studierenden „olympischen Profis der DDR“ tauchten hier auf. Die Sektion Segeln der HSG 32 |

Ausrichter. Das Segelprogramm be- gann mit Grußworten von Magnifi- zenz Zobel und Oberbürgermeister Dr. Glöckner. Die Universitätszeitung beachtete dieses Ereignis durch eine Sonderausgabe, in der neben einer umfassenden Grußbotschaft des Rektors an die Aktiven weitere Bei- träge zum Segeln und zum ASV ab- gedruckt waren. Jürgen Riedel und Dr. Manfred Ziegler standen für die Gesamtorganisation, Dr. Töns Föste war wieder mal der Wett- fahrtleiter.

2006 waren diese „adh open“ wieder bei uns auf dem Greifswalder Bodden. Der Kanzler war Vertreter der Uni- versität und wir konnten zusätzlich auf unser Wieck aus und die gemütlichen Stunden im neues Bootshaus zurückgreifen. Wie immer Bootshaus in Berlin-Karlshorst. Bei Rückerin- griffen unsere „Activitas“ aktiv in Vorbereitung nerungen mit Hans-Georg Schönrock, Dr. Karl und Durchführung ein und manch „alter Herr“ Brachmann und weiteren aktiven Teilnehmern beäugte dies mit Wohlwollen und gedachte wird Dr. Horst Lubs als Vater hierfür gesehen. seiner Jugend. Sein Anteil am Entstehen dieser Veranstal- tungsreihe war entscheidend. Seiner besonders Auf die Frage, „Was erinnert Dich an die Hoch- integrierenden Persönlichkeit war es zu ver- schulvergleichskämpfe und was erinnert dich danken, das diese Hochschulvergleichskämpfe an den, den du 1962 in Greifswald-Wieck als im Segeln dieses besondere Klima hatten. Studiosus im Piraten gewonnen hast?“ sind es Und zum anderen erinnere ich mich an die eher zwei Dinge, die mir einfallen: kräftigen Winde 1962 in Greifswald-Wieck, die mir entgegen kamen. Heute ist der Putz ab, meine Aortenklappe ersetzt, das Rentenalter erreicht und trotzdem segle ich noch Regatten, aber auf meiner „stabileren Rugia“ mit höher angebrachtem Großbaum. Nach wie vor liebe ich besonders lange und harte „am Wind-Kur- se“, wie den von Tonne Reddevitz bis zur Mole in Wieck gegen SW 4 bis 7 beim 3. Lauf der Boddenetappen 2007. Hieran erinnere ich mich nicht nur, weil dies Rennen erst vor kurzem war. Mit dieser Kreuz erfeilte ich den 3. Platz in der Gesamtwertung der Yardstick Klasse 3 vor einigen unserer „Activitas“. Alte Herren, die als Studenten segeln konnten, verlernen es nicht. Einmal die besondere Atmosphäre um die Re- Dies eröffnet unseren Studenten doch eine gatten. Beispielsweise das Lagerfeuer in Ros- verheißungsvolle Zukunft. tock bis spät in die Nacht, der Boddentörn mit den Seekreuzern rund von Greifswald- Siegfried Wussow Studentensegeln | 33

auf der Dänischen Wiek“. Bei 5 Windstärken und entsprechender Vorsicht ist dann auch alles glatt gegangen. Es folgten regelmäßige Trainingsfahrten ‑ auch mit den dazugehöri- gen Dreieckskursen - sowie vom 21. ‑ 23.5.83 die ersten Fahrt über Vitte bis . Am 3.6. war der erste Start bei der Stralsunder Woche und schon hatten wir gewonnen ‑ an Erfah- rung. Unsere Teilnahme an der ersten Regatta endete jäh beim 1. Dreieckskurs des dritten Ta- ges, als sich unsere frisch überholte lxylon bis auf eine kleine Ecke des Steuerbordhecks nach einer Kenterung unter Wasser verabschiedete. Womit niemand gerechnet hatte: Die Lufttanks, Studentensegeln in die genau das verhindern sollten, erwiesen sich als komplett undicht. Nach Rückkehr wurde der HSG Greifswald in Greifswald das Boot aus Sicherheitsgründen 1983 bis 1987 dann partiell ausgeschäumt. Es soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass An einem Februarabend des Jahres 1983 traf zwei Jahre später das Schwesternschiff von un- sich eine kleine Runde mit dem Ziel, das seit serer „Unda“ (eine Baunummer weiter) Eigen- Jahren praktisch nicht mehr stattfindende Stu- tum von Motor Stralsund und besetzt mit sehr dentensegeln neu zu beleben. Jürgen Riedel als erfahrenen Seglern vor Lubmin kenterte und damaliges Mitglied der HSG Sektionsleitung sank. Von der Besatzung hat seinerzeit leider und drei Studenten, seinerzeit im zweiten Stu- nur einer der beiden überlebt. Es folgten re- dienjahr: Andreas Häder ‑ ein ehemaliger Falt- gelmäßige Trainingstouren über die gesamten bootsegler, Torsten Liebig ‑ hatte schon einige uns damals zugänglichen Boddengewässer. Ich Erfahrungen mit dem Segeln auf Binnenseen kann sagen, dass ich noch heute von den Re- und Michael Granitzka ‑ ehemals aus der Ju- vierkenntnissen profitiere, die ich in dieser Zeit gendtruppe der BSG Motor Stralsund. Haupt- gesammelt habe. problem neben der technischen Seite war die organisatorische Abstimmung mit unserem da- maligen Arbeitgeber. Im Ergebnis dieses Treffens wurde uns eine umgedreht in der Halle der HSG liegende lxylon zur Ausrüstung und Nutzung übergeben. Das Erste was wir damals lernen mussten war, dass zum Lackieren bestimmte Temperaturen erforderlich sind ‑ macht nichts: Schleifen wir es eben noch mal ab.

Am 9. April 1983 verzeichnet das Logbuch die erste Ausfahrt. Direktive von Jürgen: „Aber nur 34 | Studentensegeln

Im Sommer 83 vollbrachte die HSG Sektion die Boote, um gemeinsam Segelurlaub zu ma- ‑ namentlich natürlich Jürgen ‑ ein doppel- chen. Drei Boote machten im Konvoi die ge- tes Kunststück: Es wurde entschieden, eine samten Boddengewässer unsicher. So ergaben nagelneue Ixylon anzuschaffen und zu finan- sich durch die inzwischen vergrößerte Truppe zieren. Dank eines heißen Drahtes von Jürgen viele gemütliche und lustige Abende. Mir ist zur Firma Götz Juncker in Ückermünde haben jedenfalls nicht erinnerlich, dass jemals irgend- wir dann tatsächlich ein nagelneues Boot be- wie schlechte Stimmung aufgekommen wäre. kommen ‑ was seinerzeit keineswegs selbstver- Das Jahr 1984 hielt noch eine weiteres High- ständlich war. light für uns bereit: Jürgen vertraute uns die sektionseigene, jedoch sonst von Ihm genutzte Die erste Fahrt dieses neuen Bootes „Haithabu“ „Thetis“ an: Ein strahlend schöner Herbsttag war dann gleich bei der DDR-Studentenmeis- (13.10.84) mit sich schnell auflösenden Früh- terschaft in . Nachdem wir vor Ort dort nebelfeldern. Ablegen 8,00 Uhr, Kurs 0 Grad, fast die Originalverpackungen öffneten, waren Ankunft in Lauterbach zu Mittag, Essen in der wir natürlich gleich wieder die Exoten: „Habt Hafenkneipe, anschließend 180 Grad retour ‑ Ihr euren Kahn direkt aus dem Laden geholt?“ Anlegen in Greifswald 18.00 Uhr. Wir waren so Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass wir begeistert, dass wir diese Tour innerhalb von mit unserem neuen Schmuckstück keinesfalls eine Woche gleich fünf mal gemacht haben. den letzten Platz belegt haben. Das Jahr endete mit der Eintragung 2533 km.

Das Jahr endete mit der Teilnahme am Abse- 1985 geln nach Gager am 17. und 18.9.83 und der Logbucheintragung: 1543 km an 46 Segelta- Der Saisonbeginn war in diesem Jahr noch gen. (Soviel Zeit möchte ich heute auch noch früher. Die erste Tour nach Lubmin war am mal haben!!) 3.4.1985. Die Teilnahme an der Stralsunder Woche und an der DDR-Studentenmeister- 1984 schaft war auch in diesem Jahr selbstverständ- lich. Unser Urlaubstörn mit drei Booten führte Saisonbeginn war mit der ersten Ausfahrt auf uns diesmal erstmalig in den bis die Dänische Wieck am 14.4.84. Wieder die Mönkebude, das (Ückeritz) wur- Teilnahme an der Stralsunder Woche, in diesem de mitgenommen. Natürlich waren auch wie- Jahr schon mit drei Booten. Unsere Studenten- der sämtliche Häfen des Greifswalder flotte hatte sich erheblich verstärkt: Andreas dabei. Häder hatte sich seine „Vabanque“ einsatzklar gemacht, Torsten Liebig seine „Seegurke“. Fol- Seit dieser Saison wurde es fast zur Tradition, gerichtig wurden auch entsprechend Besat- am Wochenende nach Moritzdorf zu segeln. zung gebraucht. In diesem Jahr verstärkten Tom Fast jeden Freitag legten die Boote am frü- Griepentrog, Peter Schulz und Jochen Spengler hen Nachmittag ab, damit wir uns dann noch unsere Segeltruppe - allesamt blutige Anfän- rechtzeitig auf der Moritzburg in die Schlange ger, die jedoch am 6. Juni alle ihren Segelschein einreihen konnten. Der Sonnabend war dann in der Tasche hatten. Nach Teilnahme am DDR- der Strandtag und am Sonntag Mittag ging es Studentenpokal (wir waren wieder nicht die zurück nach Wieck. letzten) nutzten wir in diesem Jahr erstmalig Studentensegeln | 35

Höhepunkt des Jahres war die Teilnahme an der Tonnenregatta Rund Rügen, Warnemünde, Bar- höft, Stralsund bis zurück nach Wieck beginnend am 30.8.85 auf dem Vierteltonner“Stubber“. Je- der, der damals gesegelt, ist kann vielleicht das besondere Gefühl nachvollziehen, wenn man das bis dahin erste Mal am Landtief das Ton- nenpaar 1 und 2 mit dem grauen Eisen passiert und anschließend erstmalig auf der Ostsee ist. Erstmalig war auch ein Wachwechsel und die damals vollkommen normale praktische An- wendung der Koppelnavigation.

Aus heutiger Sicht, dem Zeitalter der faulen GPS Navigation, muss ich manchmal noch im- mer drüber schmunzeln, wenn dann nachts um zwei bei Wachwechsel übergeben wurde: „Da vorn auf diese Leuchttonne musste zuhalten .“ Pech nur, wenn dann nach einer halben Stunde die Leuchttonne die Anker lichtete und davon- dampfte. 1986 Unvergesslich war auch der Anblick am Morgen nach meiner Freiwache: Sonnenaufgang, davor Saisonstart war in diesem Jahr erst am 2.5.86 fast das gesamte Regattafeld unter Spinna- (Wetter war wohl nicht so doll ). Nach ein paar ker (man bemerke: hinter uns T), davor Burk- Wochenendtouren nach Moritzdorf und Vitte hard an der Pinne, nicht etwa müde sondern erster Saisonhöhepunkt: Handicap Regatta auf in außergewöhnlich guter Stimmung und mit „Thetis“ am 25.05.86. (Die Platzierung ist mir einer sehr gesunden Gesichtsfarbe. Auf den leider nicht mehr erinnerlich). Füllungszustand des Bierkastens zu seinen Fü- ßen möchte ich an dieser Stelle nicht genauer Gern erinnere ich mich auch an Rund - eingehen. Oie am 15.6.86 auf der „Una“. Hildchen hatte Weil es im vorigen Jahr so schön war mussten verkündet: „Ich koche Szegediner Goulasch.“ wir auch in diesem Herbst dringend mehrfach Das Wetter war schön, die Stimmung war wie mit der „Thetis“ zum Mittagessen nach Lauter- es besser hätte nicht sein können. Hätte es ei- bach. nen Preis für die lustigste Crew gegeben, hät- Wie mir gerade auffällt, war auch in diesem ten wir sicher gute Chancen gehabt. Da war es Jahr das Absegeln wieder in Gager. (21.‑ 22. auch nicht weiter wichtig, das wir im Regatta- 9.85). Unsere Saison endete dann jedoch erst feld weit hinten landeten. am 9.10.85 beim Kilometerstand von 2641. Ich habe in der letzten Jahren mehrfach ver- sucht, Hildchens Szegediner Goulasch nach- zukochen, habe dann aber festgestellt, dass 36 | Studentensegeln

die Kopie niemals besser als das Original sein len Booten) durch sämtliche erreichbare Häfen, kann. südlich diesmal nur bis zu „Vadder Genz“ in Heute liegt die „Una“ je eine halbe Saison ge- , endete diese Saison in diesem Jahr mit genüber meinem jetzigen Stralsunder Liege- einer Tour auf der „Thetis“ (Wieck – Lauterbach platz am Dänholm Nord und jedes Mal wenn – Thiessow – Seedorf – Stahlprode – Wieck) am ich jemanden darauf sehe, komme ich erneut 7.10. 86 bei in diesem Jahr nur 1855 km. ins Grübeln: Ist es Hildchen oder doch Ihre Schwester? 1987

Am 26. 6.86 überführten wir den „Stubber“ zur Saisonbeginn pünktlich am 1.5.87 (früher von Ostseewoche nach Warnemünde. Es wehte nur der Demo abgeseilt). Nach verschiedenen Tou- ein laues Lüftchen (West 3) und der „Stubber“ ren (Hiddensee, Suhrendorf, Moritzdorf und musste bei dem wenigen Wind die frisch aus- natürlich einigen Trainingsdreiecken wieder gebaggerte Vierendehlrinne aufkreuzen. Ich Teilnahme an der Stralsunder Woche. Erwäh- darf versichern, dass wir an diesem Tag nicht nenswert vielleicht noch das Abwettern eines das einzige Schiff waren, was sich plötzlich auf Sturmes am 8.6.87 (müsste Pfingsten gewesen einer feuchten Wiese wiederfand. sein) im Hafen von , den so gut wie jeder von uns in seinen Logbüchern finden Wir hatten also ein Problem: Der “Stubber“ war dürfte. damals noch mit einem eingebauten „Tümm- ler“ Motor bestückt ‑ also nichts was über den Höhepunkt in diesem Jahr 21.6.87 Rund Ru- Zweck eines Flautenschiebers hinaus gehen den-Oie auf „Una“. Natürlich die dringende könnte. Der Plan war folgendermaßen: Eine Bitte an Hildchen: „Aber wieder mit Szegedi- Leine wurde am Großfall angeschlagen und das ner Goulasch!“ ‑ hat auch prompt geklappt. Es Schiff mit Hilfe eines Ankers, den ich genau am war genauso Klasse wie im vorigen Jahr ‑ mehr Rand der Baggerkante in den Grund gerammt braucht man also dazu nicht zu sagen. Die hatte, schräg gezogen. Der Erfolg dieses Ma- restliche Saison verlief ähnlich wie in den Vor- növers kam jedoch sehr überraschend, so dass jahren. Noch einmal nutzten wir die Boote im im Ergebnis der Anker, mit dem Stropp um Jahresurlaub, wussten wir doch, dass es diesmal meine Füße geschlungen mich sehr schnell auf zum letzten Mal sein würde. Wir hatten leider den Grund der frisch ausgebaggerten Vieren- fast alle unser Studium beendet und wurden so dehlrinne beförderte. Nachdem es mir gelun- anschließend über die gesamte DDR verstreut. gen war, mich dort unten loszubinden, hatte Seinerzeit erfolgte die Übergabe der Boote an ich nur noch kurz Zeit mich zwischen dem Nachfolger. Nach meiner Kenntnis haben Jan Anker und dem nicht Ertrinken zu entschei- Brosig und Gernot Schulz das Studentensegeln den. Nachdem ich mich dann gegen den Anker noch solange es ging weiterbetrieben. entschieden hatte, verschlang der sich jedoch noch überraschenderweise in unserer Leine Michael Granitzka und konnte so auch noch gerettet werden. Die beiden nächsten Tage waren dann natürlich für uns etwa ganz Großes: 28.6.86 Nachtwettfahrt (50 sm) und 30.6.86 Grosse Seewettfahrt (150 sm). Nach unserer Urlaubstour (wieder mit al- Boddentörns | 37

dieser Strecke stillgelegt). Im Hafen lag der Stubber an der Pier der Wieker Bootswerft, auf der u. a. die Rümpfe für die bekannten Motor- segler VILM I und VILM II abgeformt wurden. Hier sollte die Yacht einen neuen Holzmast er- halten. Beim Setzen des Mastes brach jedoch eine Hälfte des Maststuhls weg, so dass das eigentlich für die Regatten zur Ostseewoche

Boddentörns

Wann die Idee zur Durchführung von Bod- dentörns in der Sektion geboren wurde, ist nicht genau zu ergründen. Es sollten ein‑ bis zweiwöchige Urlaubs‑ bzw. Ferientörns sein mit praktischer Segelausbildung für junge und neue Mitglieder, sowohl auf den Dickschiffen als auch auf den sie begleitenden Jollen. Gera- dezu als ideal boten sich für solche Geschwa- vor Warnemünde gemeldete Boot nun für den derfahrten die Boddengewässer an, wenngleich Boddentörn zur Verfügung stand. Mit neuem insbesondere der Greifswalder Bodden für die Mast und neuer Crew legten wir am Vormittag teilnehmenden Jollen gefährlich werden kann ab mit dem Ziel Neuendorf auf Hiddensee. Bei und zu besonderer Umsicht mahnt. 1968 und sonnigem Wetter und leichten östlichen Win- 69 habe ich mich an den Törns beteiligt, an der den erreichten wir am frühen Nachmittag den 10‑tägigen Tour im Juli 68 als Bootsführer auf Hafen, wo die am Vortag in Greifswald‑Wieck dem „Stubber“. Sie begann für die Mannschaft dieses Bootes auf dem Greifswalder Bahnhof. Bis Bergen auf Rügen mit der Großbahn, ging es mit der Kleinbahn weiter bis nach Wiek auf Rügen ‑ Umstieg an der Wittower Fähre (ein Jahr später wurde die Schmalspurbahn auf

gestarteten anderen Törnteilnehmer, die Kiel- boote „Having“ und „Palmer Ort“ und die Pi- raten „Fritz“ und „Lütt“ uns schon erwarteten. Mit 1,80 m Tiefgang einen geeigneten Liege- 38 | Boddentörns

platz zu finden, wurde allerdings zum Problem. bewerkstelligen. Das Abziehen der Aale machte Dies war auch in den 60er Jahren des vorigen jedoch Mühe, und so blieb die andere Hälfte Jahrhunderts zu Sommerzeiten auf Hiddensee vorerst unbearbeitet. Der Wind meinte es gut nicht anders als heute. Es blieb nur die Außen- mit uns, er hatte auf West gedreht, so dass vor- seite der hölzernen Pfahlwand, die den Hafen erst kaum Kreuzschläge zu erwarten waren, ein damals gegen Wellengang bei Ostwind ab- schirmte. Unmittelbar an der Einfahrt konnten wir hier mit ausgebrachtem Heckanker liegen, mussten aber bei dem Schwell bzw. Sog, den die ein‑ bzw. auslaufenden Fahrgastschiffe aus Stralsund verursachten, unser Schiff ständig im Auge behalten. Nicht ungefährlich war auch der Landgang über die Pfahlreihe ‑ von Möwen reichlich dekoriert ‑ besonders nachts. Gerne wären wir in Neuendorf länger geblieben. Die auf flachen Dünenzügen gelegenen weiß ge- kalkten Fischerhäuser, der schöne ruhige Sand- Horror mit den schweren Dickschiffen in den engen Hiddensee‑Rinnen, denn über Motoren verfügten unsere Kielboote seinerzeit nicht. 15 m Länge hatte der Stubber‑Mast, und wir wurden an Bord der Yacht etwas unruhig, als wir uns dem tief durchhängenden Überland- kabel näherten, dass hier den Breetzer Bodden überspannt. Aus der Karte waren keine Anga- ben über die Durchfahrtshöhe zu entnehmen und vom Cockpit sah die Situation gefährlicher aus, als sie es dann war. In erwischten wir für alle drei Kielboote am Anleger gute Lie- geplätze, eine Störung durch die Berufsschiff- strand, auch die in Richtung Norden liegende fahrt war nach Auskunft nicht zu erwarten. Mit Gaststätte ‚Heiderose‘ hatten es uns angetan. den beiden Piraten wurden tagsüber mehrere Sie wurde damals von zwei Brüdern bewirt- Schläge auf dem Breeger Bodden unternom- schaftet, es gab vorzügliche Fischgerichte und men und diverse Manöver geübt. Dringend abends spielte eine kleine Kapelle zum Tanz. In mussten nun die restlichen Aale verwertet wer- Erwartung ruhigerer Liegeplätze legten wir am den, denn Kühlmöglichkeiten gab es nicht. Die nächsten Tag ab mit dem Ziel Breege/Julius- Lösung des Problems ergab sich fast von selbst. ruh auf der Insel Rügen. Roland R. von unserer Am Hafen bot sich jemand an, uns die Aale zu Crew hatte es geschafft, einem Neuendorfer Fi- räuchern. Er hätte dort hinten im Schilf einen scher einen Sack voll Aale abzuhandeln, damals alten Geldschrank, in dem er Fische räuchern eine begehrte Zweitwährung. Es waren wohl könne. Wir stapften hinterher und tatsächlich etwa 10‑15 kg, aber es galt ja auch, eine gan- stand dort auf einer Lage aus Mauersteinen ein ze Reihe von Mündern zu stopfen. Wie nun die ziemlich verrosteter Stahlschrank mit aufge- Aale zubereiten? Etwa die Hälfte wanderte als setztem Ofenrohr, rußgeschwärzt und innen Brataal in unsere Mägen, mit den Spiritusko- nach Öffnen der Tür mit glasig‑teerigem Über- chern an Bord der Dickschiffe ließ sich das gut zug, offenbar vom häufigen Gebrauch. Es wur- Boddentörns | 39 de ein schöner, recht feucht‑fröhlicher Abend Rügen‑Festspiele Klaus Störtebeker und seine in lauer Sommerluft, bis wir nach ca. drei Mannen hanseatische Koggen entern und zum Stunden zu unseren Booten zurückkehrten mit Sinken bringen, saßen wir fest. Nun zahlte sich den frisch geräucherten und verheißungsvoll die gemeinsame Tourunternehmung aus. Mit duftenden Aalen und einem leeren Bierkasten. Hilfe der beiden Piraten wurde der große An- Die Räucheraale waren ein Genuss, ob auch für ker ca. 50 m verbracht und die Mannschaften den Mitsegler Andreas ist ungewiss. Er erhielt der anderen Yachten übergesetzt. Vier der ge- nämlich wegen seines Drängens den ersten, ei- wichtigsten Törnteilnehmer sorgten auf dem nen sog. Raubaal, der besonders zäh sein soll. gefierten Großbaum für die nötige Krängung Unruhe gab es plötzlich, als unser Aalräucherer der Yacht und mit den vereinten Kräften der aus dem Cockpit aufsprang in der Einbildung, anderen gelang es bald, den Stubber mit sei- einen Menschen retten zu müssen, für den er nen 6,5 Verdrängertonnen freizuschwimmen ein an der Bordwand vorbeitreibendes Papier- und das „Grundstück“ zu verlassen. Diese Ma- knäuel hielt. Nur mit Mühe konnten wir ihn növererfahrungen trugen durchaus zu besserer von einem Sprung ins Wasser abhalten. Später Seemannschaft bei. Nach einem weiteren Tag brachten wir ihn nach seinen Angaben in ein in und vor Ralswiek wurde die Rückkehr nach nahes Haus mit offen stehender Tür und legten Greifswald geplant. Wir nutzten die anhaltende ihn auf das in der Wohnküche stehende Sofa; Ostwindwetterlage, legten am späten Vormit- ob es wirklich das Zuhause des hilfreichen Räu- tag ab und erreichten ohne besondere Probleme chermenschen war, wussten wir am nächsten den Stralsunder Hafen, warteten den abendli- chen Brückenzug der Ziegelgrabenbrücke ab und blieben bis zum Morgengrauen im Segler- hafen südlich des Rügendamms. Jetzt hieß es kreuzen, doch waren wir im Strelasund ja nicht gezwungen, uns an „stressige“ enge Fahrwas-

Morgen nicht. Nach einem erfrischenden Bad an der machten wir die Boote klar für unser nächstes Ziel, den Hafen von Ralswiek. Bei Ost 3‑4 ging es in zügiger Fahrt über den Großen Jasmunder Bodden. Je näher wir unse- serrinnen zu halten. Gegen Mittag passierten rem Ziel kamen, umso mehr schlief der Wind wir die Rügensche Landspitze Palmer Ort, und ein. In Sichtweife des Hafens mussten wir ei- der Greifswalder Bodden lag vor uns. Da der nem entgegenkommenden Schlepper mit steu- Wind nicht weiter auffrischte, hatten auch die erbords vertäuter Schute ausweichen. Kaum beiden Piraten keine Probleme, den Heimatha- aus dem Fahrwasser heraus gab es ein leises fen Wieck/Greifswald anzusteuern. Knirschen und der Stubber „stand“. Etwa dort, wo heute in den Sommermonaten während der 40 | Boddentörns

‑ Ende Juli/Anfang August ‑ vergrößerte sich somit unser Geschwader um 1969sollte der Törn aus terminli- den Oldtimer. Es war ein erhebender Anblick, chen Gründen nur eine Woche dauern. Deshalb als wir neben dem stäbigen eichenen Bootskör- wollten wir „in der Nähe“ bleiben, d. h. den per herliefen, traditionell geriggt mit Großsegel Greifswalder Bodden nicht unbedingt verlas- und Besan, Fock, Klüver und Tonsegel. Der Ha- sen. Horst Lubs als Bootsführer der „Palmer fen an der Durchfahrt zum Selliner See Ort“ übernahm wieder die Leitung der Ge- war unser Ziel, richtiger Moritzdorf, denn wir ankerten die Boote an der Wiese unterhalb der Moritzburg, gegenüber dem Baaber Bollwerk. Bei Bedarf ließen wir uns vom Moritzdorfer Fährmann, einem bekannten Original „rüber- rudern“. Für den Nachmittag war Knotenkunde angesetzt. Nun zeigte der Zeesenskipper, ein gestandener Seemann, was in ihm steckt. Kom- plizierteste Knoten und allerlei seemännische Handarbeiten gingen ihm leicht von der Hand. Die verschiedensten Knoten erledigte er ‑ auch einhändig und hinter dem Rücken zu unserer schwaderfahrt, die Stellvertretung übernahm Verblüffung in kürzester Zeit. ich, diesmal auf der „Having“, während Prof. Alwin Knapp seinen geliebten „Sirius“ steuer- te. Die beiden mitlaufenden Piraten wurden wieder wechselweise besetzt, für sie waren die Kielboote die „Postdampfer“, die die Seesäcke, Schlafsäcke und aanderen Utensilien von Lie- geort zu Liegeort übernahmen. Den ersten Stopp machten wir in Stahlbro- de und ließen uns dort gekauften Fisch gut schmecken. Tags darauf ging es bei mäßigem West nach Lauterbach, wo wir neben einem gepflegten Oldtimer, einem Zeesboot namens „Windjammer“ festmachten. Wir freundeten Abends durfte ein Besuch bei „Tante Linda“ oben auf der Moritzburg natürlich nicht feh- len, besonders interessant war das alte, nur Seglern vorbehaltene Gästebuch. Am Folgetag verließen wir gemeinsam mit dem Zeesboot die Having und umsegelten das Reddevitzer Höft. Reusen mit langen Wehren, auch Reusen mit zwei Köpfen erschwerten die Kreuzschläge. Aus Zeitgründen verzichteten wir auf ein Anlaufen des Hafens Gager, ließen die uns mit dem Eigner, einem Lauterbacher an, der an Backbord und erfreuten uns beim Vorbeise- am nächsten Tag ebenfalls mit seiner Familie in geln an dem herrlichen Anblick der Steilküste Richtung Having segeln wollte. Gewissermaßen des Zickerschen Höfts. In der Kaming hieß es, Boddentörns | 41

und dort. Letzte Station unserer Geschwader- fahrt war der Fischereihafen Freest. Ein großer Hafen mit vielen Fischkuttern, der aber auch für uns Segler genügend Platz bot. Das Resü- mee unserer bisherigen Fahrt fiel positiv aus. Abends fanden wir uns auf der „Having“, dem Schlachtschiff des Törns ein, alle fanden Platz (Platz ist in der kleinsten Kajüte), Gesangsbü- cher für maritime Lieder waren nicht vonnö- ten, auch Studentenlieder erklangen, nicht zuletzt angeregt durch das unerschöpfliche Repertoire, das Prof. Alwin Knapp, der Hesse die betonnte Rinne nicht zu verlassen. Mehrere beisteuerte, der sich lebhaft seiner Studienzeit Yachten lagen an den Dalben gleich hinter dem in Marburg erinnerte und sängerisch wie auch kleinen Zicker, damals ein begehrter Ankerplatz auf seiner Geige musizierend, „den Ton angab“. für Sportboote. Wir erreichten den kleinen, Am nächsten Morgen mussten einige nicht geschützt in der Zickersee liegenden Hafen mehr volle Flaschen entsorgt werden, dann und hatten Glück, neben dem Anleger für die setzten wir Segel mit Heimatkurs Greifswald/ Lotsen und Fischer festmachen zu können. In Wieck. Das Leuchtfeuer „Dicke Berta“ mahnte Thiessow entschlossen wir uns, als nächstes Ziel uns, dem Freesendorfer Haken nicht zu nahe zu die Stadt Wolgast anzupeilen, um an dem dort kommen. Kurze Zeit später passierten wir Nähe stattfindenden Fahrtenseglertreffen teilzuneh- Salzboddengrund eine der drei im Bodden er- men. Diese Treffen (1969 war es das 12.) fanden alljährlich jeweils in einem anderen Fahrtge- biet statt und waren Anlaufpunkt vieler Segler, auch aus dem Binnenland, u.a. Berlin. Wir ver- abschiedeten uns von der „Windjammer“‑Be- satzung herzlich, die Crews der beiden Piraten wurden noch einmal ermahnt, in der Nähe der

richteten Bohrplattformen, Panzermotoren trieben das Bohrgestänge an. Heute rasten auf den stark verrosteten Plattformen bisweilen Hunderte von Kormoranen und trocknen ihr Gefieder; man könnte dort Guano gewinnen. Dickschiffe zu bleiben, und dann ging es über Spätnachmittags machten wir in Wieck fest, den Bodden in Richtung Peenestrom. Abends auch der 69er Boddentörn konnte erfolgreich erreichten wir Wolgast. Dort herrschte großer beendet werden. Trubel, es gab mehrere Veranstaltungen mit Musik und Gesang, Koembuddels kreisten hier Carl-Eduard. Völcker, im Frühjahr 2008 42 | Boddenturn der Physiker

bei den Fahrten die verschiedensten Wetter er- lebt: Es gab Stürme, so dass wir nicht auslaufen konnten oder die Schiffe in einem südrügen- schen Hafen liegen lassen mussten, aber auch Flauten an stillen Herbsttagen, die die Geduld der Segler auf eine harte Probe stellten, weil die Schiffe damals keinen Motor hatten. Reisen quer über den Bodden von morgens ab Südrü- gen bis spät nach Mitternacht an Greifswald/ Wieck kamen schon vor.

Der Boddenturn wurde schon früh auch für Nichtmitglieder Boddenturn des Instituts offen. Als im Rahmen einer inter- nationalen Tagung am Physikalischen Institut der Physiker Ende der 70er Jahre auch Holländer an der Fahrt teilnahmen, wurde der Boddenturn in- Als an einen Altweibersommertag ternational. Besonders Bob Timmermanns hat im Herbst 1965 die „Ariadne“ zu einer Wo- dem Boddenturn die Treue gehalten und ist bis chenendfahrt auslief, konnte keiner an Bord heute regelmäßiger Teilnehmer. Die Fahrt wur- ahnen, dass damit eine Fahrt aus der Taufe de in ununterbrochener Folge bis heute durch- gehoben wurde, die bis heute einen festen geführt. Nur im Jahre 1973 wurde die Reise Platz im Terminplan vieler ASVer hat. Die „Ari- einmal ausgesetzt, weil sich Frank beim Slippen adne“ war damals als Vereinsschiff fest in der der „Stoltera“ so gründlich Knie und Fuß ge- Hand der Physiker, so dass es kein Zufall war, brochen hatte, dass er fast ein Jahr an Krücken dass sich die Mannschaft aus Mitarbeitern des gehen musste. Physikalischen Instituts (der Name des Instituts Die Fahrt lebt von den Geschichten. Im Laufe hat sich im Laufe der Geschichte mehrfach der Zeit haben wir da einige zu erzählen: Da geändert) zusammensetzte. Die Namen der war die Geschichte mit Jörg, der zur Zeit des Gründungsmitglieder seien hier genannt: Pe- Herbstturns seinen Reservistendienst bei der ter Kliefoth, Michael Rudolph, Jörg Nakosky , Nationalen Volksarmee ableisten musste. Da- Frank Schrade und Helmut von Specht. Bis auf mals war der Dienst freitagmittags noch nicht den fünften Mann haben die anderen vier bis zu Ende und Urlaub gab es nur zu besonderen heute durchgehalten und fast jede Fahrt mit- Anlässen. Also haben wir formvoll auf einem gemacht. Die Fahrt fand soviel Anklang, dass Kopfbogen des Instituts für Jörg, der bei uns wir in den nächsten Jahren mit einem Schiff angeblich den Posten des „Obmanns für Ord- nicht mehr auskamen und daher auch auf die nung und Sicherheit“ bekleidete, eine Frei- anderen „volkseigenen“ Vereinsschiffe zurück- stellung für eine internationale Segelveran- greifen mussten. Zur Zeit der 3. Hochschulre- staltung beim Kompaniechef beantragt. Jörg form, als wegen der vielen Studenten auch die wurde zum Kommandeur befohlen und bekam Mitarbeiter am Institut mächtig aufgestockt mit guten Wünschen für den Erfolg die Frei- wurden, war der Andrang so groß, dass nicht stellung, musste aber danach über den Verlauf alle Mitfahrer an Bord schlafen konnten und der Regatta berichten, wobei er viel Positives wir daher auf dem Zeltplatz in Gager Zelte über das Abschneiden der sowjetischen Genos- aufgestellt haben. Im Laufe der Zeit haben wir sen zu erzählen hatte. Boddenturn der Physiker | 43

Wettbewerb „Schöner unsere Städte und Dör- Oder die Bierstory: fer“ mit einem Tanz ausgewertet. Uns wurde Zum 15. Jubiläum der Fahrt sprach Hartmund: zunächst mit der Bemerkung „Angetrunkene „Kauft alle mal kein Bier ein, denn ich werde Gäste dürfen hier nicht rein“ der Zutritt ver- euch ein gutes Bier aus Berlin mitbringen, da wehrt. Wir konnten die Bürgermeisterin aber habe ich so meine Beziehungen.“ Gesagt, ge- überzeugen, dass wir noch nüchtern sind und tan. Das Bierfass wurde gemeinsam mit einem stürzten uns gemeinsam mit der Besatzung des gebratenen Spanferkel (das Spanferkel bekam Vermessungsschiffes „Nautilus“ in das Vergnü- eine Mütze auf, damit es nicht friert) fachge- gen. Legendär sind die Polonäse und unsere recht auf dem Achterschiff der „Ariadne“ ver- Gesänge in den Tanzpausen. Gemeinsam haben täut und nach Gager gesegelt. Am späten Nach- wir dann soviel Stimmung gemacht, dass wir mittag versammelten sich alle mit Bierkrügen von der Bürgermeisterin zum Abschluss des um das Feuer, um den Anstich des Bierfasses Balls ein Dankeschön bekamen. Inzwischen hat zu erleben. Der Anstich funktionierte tadellos, sich ein fester Stamm an Schiffen herausgebil- nur das Fass enthielt kein Bier sondern Brause. det, die mehr oder weniger regelmäßig an der Keiner hatte Bier mit und so mussten wir uns Fahrt teilnehmen. Doretta, Seefalke II, Kaming, mit einer „Mische“ aus Schnaps und Brause be- Mien, Liselund und Eliza. Der Berichterstatter gnügen. Die Wirkung war durchschlagend, ich hofft, dass alle dabei sind, wenn wir in diesem habe noch nie so viele drunken sailors gesehen. Jahr zur 43. Fahrt am 2. Wochenende im Sep- Da das Fass aber 60 l fasste (wer kann soviel tember aufrufen. Brause trinken!) waren die Kinder von den an- deren Schiffen über die Freibrause beglückt. Frank Schrade Zum Schluss noch eine Geschichte: Mitte der 80‑iger Jahre wurde im „Anker“ in Gager der 44 | Eine Tradition über Jahrzehnte

gemeinsame Trainingslager auf dem Zeuthener Eine Tradition See und dem Greifswalder Bodden durchge- über Jahrzehnte führt. Auch die Kontakte im Studentenbereich Die Partnerschaft vom beschränkten sich nicht auf die Studenten- Verein Berlin Segler und dem ASV meisterschaften. Regelmäßig nehmen z. B. Stu- denten und auch „Alte“ am Berliner Nebelpokal Was verbindet den Akademischen Seglerverein teil. Segeln auf Binnenrevieren stellt schließlich (ASV) zu Greifswald ausgerechnet mit einem andere Anforderungen als auf Bodden und Ost- Berliner Seglerverein? Der Ursprung ist in den see. Einheitsstrukturen von Betriebssportgemein- schaften zu suchen, die an den Hochschulen Umgekehrt steigen die Berliner Jollenkapitäne der DDR als Hochschulsportgemeinschaften gerne auf unsere Kielboote. Zunächst sporadisch (HSG) mit ihren verschiedenen Sportsektionen im Anhang gemeinsamer Jugendveranstaltun- etabliert wurden. gen wurden sog. Gästefahrten auf unsere Dick- schiffen und den „Weiten“ des Küstenmeeres Nachfolger des 1950 aus dem Vereinsregister für unsere Berliner zur bald alljährlichen Tra- Greifswalds gestrichenen ASV von 1908 bis zu dition ihres Seglerlebens. Seit inzwischen ca. dessen Wiedergründung 1990 war also die HSG 40 Jahren ist ein Septemberwochenende auf Greifswald, Sektion Segeln. Im geteilten Ber- dem Greifswalder Bodden ein fester Termin in lin existierte der ASV am Wannsee weiter. Im beiden Vereinen. Besonders bemerkenswert: Ostteil wurde der Hochschulsegelsport der HSG Die Launen von Rasmus spielen für die Berliner Berlin‑Karlshorst zugeordnet, beheimatet am Zeuthener See auf dem Gelände des vormali- gen Vereins Berlin Segler (VBS), gegründet ...

Berlin und Greifswald gehörten zu den ersten HSG‑Segelsektionen der DDR, die an den Stu- dentenvergleichskämpfe teilnahmen, ab 1966 als DDR‑Studentenmeisterschaften ausgetra- gen, die dritten 1969 bei uns. Eine Besonder- heit verband gerade Berlin und Greifswald: Beide Sektionen pflegten und betreiben eine intensive Nachwuchsarbeit im Kinderbereich. So wurden z. B. bis in die Gegenwart alljährlich Eine Tradition über Jahrzehnte | 45

terbericht, letzte Törnabsprache, gegen 10.00 Uhr Ablegen unter Kommando der Berliner. Je nach unterschiedlichen Bedürfnissen der Crews steuern die Boote teils direkt, teils mit großen Schlägen möglichst viele Meilen weit in See, den Zielhafen an. Einem Landgang folgend trifft sich die ganze Truppe zum großen Klöna- bend, bisher wohl am häufigsten in der Linde zu Seedorf. Nachsitzung auf den Booten mit Freibordtest, bisheriger Rekord: 27 Personen auf Vierteltonner TIBA. Sonntag: Frühstück an eine völlig untergeordnete Rolle, schließlich Bord, Landausflug z. B. 2004 Besuch der Insel lassen sich Segelflächen reduzieren. Folglich Vilm (Abb. 2) oder Zwischenstopp in anderen sind wir bei so mancher „Gästefahrt“ mit un- Häfen retour Wieck. Ab 18.00 Uhr tränenreiche seren Gästen alleine zwischen Ryck und Rügen Verabschiedung unserer Berliner an der Pier bis unterwegs. Nur zweimal bisher wurde aus dem zum Wiedersehen im nächsten Jahr. Boddentörn eine Landpartie.

Diesen Beziehungen Berlin ‑ Greifswald hat auch die Wende 1989 nicht geschadet! Aus der HSG Berlin wurde wieder der VBS (inklu- sive Übernahme von „Haus und Hof“ laut Ei- nigungsgesetz), aus unserer Sektion Segeln wieder der AVS. Nur aus Eltern und Kindern wurden Großeltern und Eltern, die inzwischen ihre Kinder und Enkel auch im Greifswalder Trainingslager betreuen. So kennt man sich in- zwischen über Generationen, viele persönliche Freundschaften wurden geschlossen und Ber- Zur Teilnehmerstatistik: je 15 bis 20 Berliner liner kennen unsere Boote genauso wie deren und Greifswalder auf 6 bis 8 Yachten des ASV Stammbesatzungen. weisen noch Reserven auf. Die Einbeziehung von mehr Jungen beider Vereine sollte unser Im Ablauf der jährlichen Gäste‑ besser Gemein- Bestreben für die nächsten Jahrzehnte sein. schaftsfahrten hat sich ein fester Algorithmus entwickelt. Abstimmung von Terminen, Zielen, Jürgen Riedel Teilnehmern; Freitag Abend Begrüßung der VBS‑Delegierten, Bildung der Crews, Klarma- chen der Kojen, Verstauen des mitgebrachten Proviants (teilweise haben die Berliner bis heu- te nicht glauben können, dass es nicht nur in der Hauptstadt Tütenmilch und gutes Bier wie einstmals gibt), Feinabstimmung Ziel und Kur- se, Begrüßungsschluck in „Gurkes Reusenhaus“, Gang an Bord und ab in die Kojen. Sonnabend Frühstück im Yachtweg 2, Auswertung Wet- 46 | De ASV un sin Hüsung

Sommer untergebracht waren. Selbst die en- gen Studentenbuden der „Bootswarte“ in der Fleischerwiese beherbergten Segel und Ausrüs- tungen. De ASV un In der „Fähre“ wurden im Sommer die Besat- sin Hüsung zungen für das Wochenende und für Regatten von den Seglern der „Hochschulsportgemein- Eigentlich ist das Zuhause der Segler ja das schaft Sektion Segeln“ zusammengestellt und Wasser, aber wo sollen die Yachten und Jol- die Fahrten vorbereitet. Knut Redmann erinnert len liegen, wenn sie nicht gesegelt werden, sich, „dass Herbert Wulfhekel, der Admiral, hier wo lagert deren Ausrüstung, wenn es kalt, immer die Standardfrage – ‚Wer führt?’ – stell- feucht und frostig ist und wo soll man mit der te. Hier wurden die Namen der neu erworbenen uns angeborenen Bescheidenheit von seinen Seekreuzer festgelegt und die heiß diskutierte seglerischen Taten berichten? Diese Frage be- Entscheidung zur Umgestaltung des ASV-Stan- schäftigte offenbar auch die Gründer des ASV ders in den HSG-Stander getroffen, nachdem und wir finden: „Im Frühjahr 1909 erwirbt der wir auf Grund einer Publikation in der „YACHT“ Verein auf der Südmole in Wieck von der Stadt politisch angezählt worden waren.“ Greifswald ein Grundstück von 400 qm Größe“, im Jahresbericht 1910/1911. Aber intensive Nach dem baulichen Verfall der „Fähre“ wur- Nachforschungen brachten keine Erkenntnisse de die „Brücke“ sommerlicher Treffpunkt. Die zur Lage und das Katasteramt kennt keine vom „Brücke“ als ehemaliger Kleinbahn-Bahnhof ASV erworbene Parzelle. ähnelte sehr den üblichen kleinen Greifswalder Kneipen und da der Weg nach Wieck im Winter Trotzdem bleibt die Frage nach Sommer- und nicht gerne zurückgelegt wurde, traf man sich Winterlager. Weiter lesen wir im Jahresbericht in Greifswalder Lokalitäten, besonders auch in 1910/1911, dass der ASV am 26. Juli 1908 in der „Falle“ in der Fischstrasse. Wieck eine Fischerbootregatta organisierte, an Von den Pfingsten 1909 erworbenen Schonery- der sich fast alle Fischer von Wieck beteiligten. acht „Edith“ und dem Kutter „Wiking“ ist anzu- Daraus kann man schließen, dass die im Juli nehmen, dass sie auf Greifswalder Werften ein 1908 erstandene Jolle „Gryps“ zwischen den Fi- Winterlager fanden und von bezahlten Boots- scherbooten angebunden wurde. Die abendli- männern regeneriert wurden. che Preisverteilung bei „Jacobs“ ist Hinweis da- rauf, dass öffentliche Lokale zur Belebung des Nach dem 2. Weltkrieg war die Situation mit Vereinslebens dienten. Wenn auch keine eigene nur einer volkseigenen Werft in Greifswald Bleibe erworben werden konnte, so hatte man ganz neu. Hier wurde an Fischkuttern und doch als Dauermieter ein Vereinzimmer mit nicht an Yachten gearbeitet. Trotzdem konnte eigenem Mobiliar in einer Wiecker Gaststätte. Meister Reich, der offensichtlich ein Herz für Noch in den 60er Jahren standen ASV-Holz- die Segler hatte, uns mit manchem Stück Holz stühle mit einem Bastsitz und der Gravur „ASV“ und auch kleineren Reparaturen helfen. Der in der Rückenlehne im baufälligen Gartensaal „Wiking“, der einige Jahre am Eisenhammer im der Gaststätte „Zur Fähre“, in dem Segel und Wasser gelegen hatte, fand ein Winterlager auf Ausrüstung der Jollen im Sommer getrocknet der noch privaten Werft von Meister Grimm in und gelagert wurden. Alte Herren, die in der Kröslin. Hier erinnert sich Knut Redmann: „Und HSG die „Activitas“ waren, erinnern sich auch mit Pratzel und weiteren „Aktivitas“ schlief ich daran, dass auf einem Schuppenboden in der 1960 auch beim alten Grimm in Kröslin in der Kirchstrasse in Wieck Jollenausrüstungen im Halle auf den Hobelspänen neben SY WIKING, De ASV un sin Hüsung | 47 den Rumpf beplankten wir seinerzeit zur Hälfte In den 50er Jahren hatten sich die Segler im neu. Grimm trank den Schnaps, sein Altgesel- öffentlichen Leben Greifswalds stark etabliert. le und der Lehrling Uwe machten mit uns als Daher regte der Jubiläumsrektor Prof. Dr. Katsch Handlanger und Gehilfen die Arbeit über ca. an, die Feierlichkeiten zum 500. Geburtstag der 3 Wochen. Anschließend segelten wir nach Ernst-Moritz-Arndt-Universität am 14. Ok- Bornholm und Kopenhagen, zwar schon unter tober 1956 mit einer Regatta (Bootskorso) zu dem HSG-Stander, aber mit ASV-Standern an eröffnen. Hieran beteiligten sich 53 Yachten. Jacken und Mützen.“ Der Verteidigungsminister teilte bei dieser Ge- legenheit mit, dass er der Militärmedizinischen Hier in Kröslin lagerte auch der alte „Stubber“ Sektion der Nationalen Volksarmee Greifswald im Winter, bevor er einige Jahre auf dem Ge- außerplanmäßige Mittel zur Errichtung eines lände der Marineschule überholt wurde. Die Bootshauses zwecks Förderung von Sport und etwas leichterem Yachten „Ariadne“ und „Ha- Erholung zur Verfügung stellt. Dieses Geschenk ving“ wurden über die Slip der BSG „Einheit“ geriet zunächst in Vergessenheit. Segelnde am Eisenhammer an Land gezogen, wo schon Hochschullehrer erinnerten anlässlich eines Jahre zuvor die „Padde“ und der „Sirius“ im Empfangs neun Jahre später hieran und der Winter lagerten. Später fanden wir für alle jetzige Verteidigungsminister setzte sich für Yachten am Heizwerk am Georgsfeld eine Blei- die Realisierung ein. Man suchte ein passendes be für den Winter; hier in der Nähe lagerten in Grundstück, Planung und Bau begannen. einer Baracke der Ruderer der Universität auch unsere Jollen. An der Stelle des Heizwerkes be- 1969 schien uns ein Traum verwirklicht. Wir er- findet sich jetzt die Wohnresidenz, die Baracke hielten zusammen mit den Kanuten ein neues dient noch heute den Ruderern. Bootshaus mit einer Halle für das Winterlager Die Jollenunterbringung war mehr dezentral. der Jollen und Yachten, mit Schränken für die Knut Redmann berichtet, „dass zumindest die Ausrüstung, einer Werkstatt mit Maschinen und O-Jolle PINGUIN (Baujahr 1936) wenigstens einem Versammlungsraum, einem Leitungszim- in einem Winter im Fahrradschuppen in der mer, einer Küche und Schlafräumen. Die Segler Fleischerwiese lag, wo wir den Rumpf bis auf haben sich mit einigen Tausend Arbeitsstunden das schöne Mahagoni-Holz abgezogen und geschliffen haben und ich als Bootswart sehr stolz auf das wie neu aussehen- de Boot war“.

Die Ausrüstung wurde ganz dezentral und individuell gelagert. Beispielsweise in der Gerichtsmedizin die von „Padde“ und „Wiking“, in der Physik in der Domstraße die von „Sirius“ und „Ari- adne“, auf dem Boden des Audimax die vom „Stubber“ und „Having“ und natürlich auch in den „Buden“ der Boots- warte. 48 | De ASV un sin Hüsung

an der Entstehung dieses Objektes beteiligt. Ein Universität unterstützte uns im Rahmen der in direkter Wasseranschluss war nicht vorhanden, der DDR üblichen Sporthilfe und beteiligte sich der Weg der Yachten führte entweder über die finanziell deutlicher an den zu ihrem Inventar Slip der benachbarten Marineschule oder über gehörenden Yachten „Stoltera“ und „Ernst- die Straße per Bootswagen und Kran bei der Moritz-Arndt“. Die Sektion Sportwissenschaf- Bushaltestelle ins Wasser. ten der Universität hatte kein Interesse am Segel- und Kanusport. Daher wurde der Bau Hier im Yachtweg 2 entwickelten wir uns präch- des Bootshauses in den 60er Jahren von ihr tig. Im Winter verging kein Wochenende ohne nicht unterstützt; ohne persönlichen Einsatz inhaltsreiche Veranstaltung. Ausbildung und der Segler wäre es nie entstanden. Da das See- sogar C-Scheinprüfungen konnten nun hier segeln naturgemäß außerhalb des Greifswalder durchgeführt werden. Unter Nutzung von Halle Boddens und auch z. T. außerhalb der Hoheits- und Werkstatt stieg die Zahl der „volkseigenen“ gewässer der DDR stattfand, waren die Segler und auch „privaten“ Yachten, die unter unse- für manchen Mitarbeiter der Universität, auch rem Stander segelten. Viele Gäste aus dem Bin- des Sportinstituts, potentielle Republikflücht- nenland führten bei uns Trainingslager durch. linge. Bei der Organisation vieler Regatten von den Jugendjollen über olympische Klassen bis hin Die Wende änderte auch hier manches. Einige zu den Seekreuzern, darunter Meisterschaften Mitarbeiter des Sportinstituts entdeckten nun olympischer Klassen und DDR-Studentenmeis- ihre Leidenschaft für das Segeln und drängten terschaften, wurde gerne auf das Bootshaus in den Yachtweg 2, um ihren Arbeitsplatz zu Yachtweg 2 zurückgegriffen. sichern. Die bislang nur von Seglern der HSG gesegelte „Ernst-Moritz-Arndt“ erhielt einen Die Pier an der Nordseite des Rycks wurde en- bezahlten Bootsmann. Um mit dem Sportins- ger. Nach dem Weggang der Yachten der BSG titut besser zusammenzuarbeiten, wurde nach „Einheit“ auf die Südseite des Rycks östlich der Wiedergründung des ASV am 01.06.1990 der Marineschule war vorübergehend etwas ein Lehrer des Sportinstituts in den Vorstand Platz, später erhielten wir Liegeplätze auf der des ASV aufgenommen. Man vereinbarte, dass Südseite des Rycks. Unsere Liegeplätze an der die Segelausbildung in den Jollen vorrangig Nordseite des Rycks waren so versandet, dass vom Sportinstitut und in den Kielbooten vom bei den Herbststürmen unsere Yachten oft auf ASV durchgeführt werden soll. Als materielle der Seite und an den Nachbarn lagen. An ein Grundlage überließ der ASV seine vier Ixylon- Auslaufen war dann nicht zu denken. Dies war Jollen dem Sportinstitut und nur die Segler besonders dann kritisch, wenn Anfang Septem- mussten von ihrem Hallenplatz abgeben. ber sich die ganze Flotte der DDR-Seesegler hier zum Start zur „Tonnenregatta“ von Greifs- Albert Weber setzte sich besonders für das Aus- wald Wieck nördlich Arkona nach Warnemün- baggern unserer Liegeplätze an der Nordseite de versammelte. des Rycks ein. Die Yachteigner bezahlten für 1m Yachtbreite 1000 DM in eine Umlage und Im Winter war nicht nur die Halle voller Yach- erhielten im Gegenzug ein langjähriges Liege- ten, fast das ganze Gelände des Yachtwegs 2 recht. Dafür hatte Jürgen Riegel beim Wasser- war Winterlager. Einige Segler entwickelten und Schifffahrtsamt durch einen Nutzungsver- eine besondere Aktivität und bauten am Ge- trag die rechtliche Grundlage geschaffen und orgsfeld eine Bootshalle. er konnte noch ein paar Liegeplätze von der ehemaligen Marineschule für uns sichern. 21 Jahre, also bis zur Wende, waren die Segler, sie hatten drei Viertel der Halle, und Kanuten Auf das im Einigungsvertrag BRD-DDR den die eigentlichen Herren im Yachtweg 2. Die Sportvereinen zugesprochene Recht, ihre Der ASV hat ein neues Zuhause | 49

Sportstätten weiter benutzen zu können, wur- den „Activitas“ gesegelt, so dass die Universität de ganz im Gegensatz zum Rostocker ASV von uns so erheblich bei unserer satzungsgemäßen den Greifswalder ASV-Seglern nicht bestanden. Förderung des studentischen Segelns unter- Zu dieser Entscheidung trug ein gewisses Unbe- stützt. Weiter findet hier in den Wintermona- hagen zur Übernahme der materiellen Verant- ten unsere Ausbildung statt und wir nutzen wortung für ein solches Objekt und fundierte diese Räumlichkeiten auch für Versammlungen Beratungen durch „unseren Senator Jürgen und Veranstaltungen. Der ASV hat hier auch Drenckhan“ bei. Auf einen Rechtstreit um das ein „Büro“, von dem aus beispielsweise die Grundstück Yachtweg 2 wurde verzichtet. Trotz Mittwochsregatten geleitet werden. Umfang- dieses Verzichts auf Grund und Boden haben reiche Renovierungen von Seiten der Univer- die Segler des ASV auf Grund ihrer Leistungen sität werteten ihr jetziges „Seglersporthaus der am Entstehen des „Bootshauses Yachtweg 2“ Universität“ auch für den ASV auf. einen moralischen Mitnutzungsanspruch. Sie Im Yachtweg 2 feierten wir unser 90stes Jubi- wurden seinerzeit hierin u.a. von Magnifizenz läum und die Kastanie, die uns der ASV Greifs- Zobel bestärkt. wald zu Lübeck hierzu überreichte, wurde hier gepflanzt und gedeiht noch prächtig. Wir strebten daher einen Nutzungsvertrag mit Ein guter Vertrag mit der Universität ändert der Universität an, um auf diese Weise den Zu- nichts an der Enge des Winterlagers im Yacht- gang zum Yachtweg 2 zu behalten. So ist es uns weg 2 und so sahen wir uns, getragen von Jür- möglich, die Kinder- und Jugendabteilung und gen Drenckhan, nach einem neuen Zuhause einen Teil unserer vereinseigenen Yachten im um. Yachtweg 2 unterzubringen. Diese vereinsei- genen Yachten werden von unseren Studenten, Siegfried Wussow

Der ASV hat tät gemeinsam genutzt. Mit der Übertragung des Grundstückes an die Universität und unter Hin- ein neues Zuhause zuziehung der neuen Rechtsprechung entstan- den eine Nachordnung der Interessen des ASV Als Folge der Wende 1989/90 änderten sich die gegenüber der Universität und die Forderung von Eigentumsverhältnisse bezüglich des Grund und Pachtzahlungen durch diese, die unseren Verein Bodens des heutigen Wassersportzentrums der in eine ungewisse langfristige Zukunftssicherung Universität. Ursprünglich wurde dieses im Volks- brachten. Es begann das Nachdenken über ein eigentum befindliche Grundstück von der Uni- eigenes Gelände und die Evaluierung konkreter versität verwaltet und vom ASV und der Universi- Möglichkeiten zur Umsetzung. 50 | Der ASV hat ein neues Zuhause

trages und die Gründung einer Arbeitsgruppe Hallenbau beschlossen. Der Arbeitsgruppe un- ter Leitung von Sportfreund Drenckhan gehör- ten die Sportfreunde: Karl Brachmann, Klaus Rahmlow, Ingolf Buchheim und Julia Lorenz an. Sie kümmerten sich um die Beantwortung der Grundsatzfragen, die für eine Entscheidung der Hauptversammlung des ASV über den Neubau einer eigenen Bootshalle notwendig waren. Ein Baugrundgutachten musste Auskunft darüber geben, ob die Halle mit vertretbarem Aufwand gegründet werden konnte. Welche Kosten ent- stehen, wenn ein Typenbau verwendet wird? Wie kann die Finanzierung gesichert werden? Gibt es Fördermittel vom Landesportbund? Wo soll in Zukunft geslippt werden? Sind alle Medien, wie Wasser, Abwasser und Strom, mit vernünftigen Kosten verfügbar? Alle diese Grundsatzfragen konnten vorläufig abgeklärt werden, so dass auf einer Hauptversammlung im Dezember 2002 hierüber positiv berichtet werden konnte. Manch einer unter uns wird sich noch an die sehr lebhafte Diskussion auf dieser Versammlung erinnern. Es hatte sich aber die sehr erfreuliche Tendenz abgezeichnet, dass die überwiegende Zahl der Mitglieder diesem In diese Zeit fiel die Diskussion über die Errich- Vorhaben positiv gegenüber stand. tung eines Sperrwerkes am Ryck und die Neu- Bis zur Jahreshauptversammlung am 31.1.2003 ordnung der Bewirtschaftung des Strandbades sollten sich nun alle Mitglieder verbindlich ent- von Eldena. Ein Abschnitt des Strandbades scheiden, ob sie bei Umsetzung des Vorhabens, würde durch das Deichbauvorhaben von die- einen Hallen- oder Außenliegeplatz in Anspruch sem abgeschnitten, liegt aber unmittelbar an- nehmen wollen. Da die verbindlichen Zusagen grenzend an die Grundstücke des Greifswalder abgegeben wurden, konnte die Hauptversamm- Yachtclubs und des Yachtclubs Wieck. Unser lung auf der Basis des vorläufigen Finanzie- Mitglied Jürgen Drenckhan informierte den rungsplanes und der Dokumente für die Darle- Vorsitzenden Hannes Voigt über die prinzipielle hens- und die Nutzungsverträge den Beschluss Möglichkeit, diesen Bereich des Strandbadge- zum Hallenbau mit befestigtem Außengelände ländes von der Stadt pachten zu können. Die fassen. Die Finanzierungsbasis bestand in einem Sondierungsgespräche mit der Stadtverwaltung zinslosen Darlehen, das jeder Nutzer der Halle konnten im Jahr 2000 erfolgreich abgeschlos- oder des Außengeländes dem Verein gewährte. sen werden. Vom Sportfreund Drenckhan wurde Dafür erhielt er das vertragliche Nutzungsrecht in Abstimmung mit dem damaligen Vereinsvor- und Mitbestimmungsrechte bei allen Entschei- sitzenden Hannes Voigt der Vorschlag für den dungen, die das Nutzungsgut betrafen. Neubau einer eigenen Bootshalle einschließlich Für das gesamte Bauvorhaben einschließlich der befestigter Außenstellplätzen und deren Finan- Baubetreuung erwies es sich als Glücksumstand, zierungen in die Vereinsdiskussion eingebracht. dass der Sportfreund Hannes Voigt die Firma Daraufhin wurde auf einer Hauptversammlung „RAUH DAMM STILLER Planungsgesellschaft im April 2002 der Abschluss eines Pachtver- MBH Architekten BAA“ in Person von Herrn Wendholt als großzügigen Partner gewinnen Der ASV hat ein neues Zuhause | 51 konnte. Die sehr gute Beratung und Betreuung einsmitglieder beräumten in einem Großeinsatz hat den Verein vor manchen Zusatzkosten be- das Baugelände. Nur mit einem Großschredder wahrt und für eine gute Qualität der Bauaus- war der Menge der Zweige und Sträucher bei- führungen gesorgt. Durch diese Firma wurde zukommen. dann auch kurzfristig Ende März 2003 der Bau- Bis zum Baubeginn, der bereits am 30.3.2004 er- antrag gestellt. Zeitlich parallel wurden durch folgte, waren alle Koordinierungsgespräche zwi- die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe die Erarbei- schen den Baufirmen erfolgreich abgeschlossen. tung der Unterlagen für den Fördermittelantrag Selbst die Koordinierung der Tiefbauarbeiter war in Auftrag gegeben oder zusammengetragen. uns gelungen und sparte Kosten. Der Stadtsportbund und das Sportamt der Stadt Die Gründung erwies sich erwartungsgemäß stellten sich engagiert hinter den Antrag des als kompliziert. Das hohe Grundwasser erfor- ASV. Ihre Voten wurden wichtiger Bestandteil derte eine besondere Gründungtechnologie. des Fördermittelantrages an den Landessport- Bald waren die Fundamente gegossen und der bund, der am 9.9.2003 eingereicht wurde. Hallenboden ausgetauscht. Dann kam der Kran Die Ausschreibung für den Hallenbau führte zur und das Hallengerippe war schon bald aus wei- Entscheidung für die Hallen- und Anlagenbau- ter Ferne zu sehen. Das Richtfest feierten wir firma HAB Wusterhusen. Sie liefert anerkannte gemeinsam mit Qualität und ging auf die Zusatzwünsche des den Bauleuten ASV ein. Das betrifft insbesondere den Schutz am 9. Juli. vor tropfendem Kondenswasser durch filzbe- schichtete Dachplatten, das große Rolltor, das Aus Kosten- Mastenlager und den Rohbau für den Kommu- gründen hatte nikationsraum. Da der Fördermittelantrag noch sich unser Ver- nicht entschieden war, erklärte sich die Firma ein entschieden, HAB darüber hinaus bereit, einen VOB-Vertrag den Kommuni- mit Rücktrittsrecht für den ASV abzuschließen. kationsraum in Den erfreulichen Bescheid über die Erteilung Eigenarbeit zu der Baugenehmigung erhielt der ASV im No- erstellen. Sport- vember 2003. Da im Genehmigungsverfahren freund Ingolf der Standort der Halle geändert wurde, war das Buchheim hatte eine schnelle Entscheidung durch die Stadtver- in Absprache mit waltung. Es hatte sich durch Einspruch der Feu- Herrn Wendholt erwehr die Notwendigkeit ergeben, eine Brand- die Unterlagen schutzwand für 20.000 Euro zum Nachbarverein für die Fertig- zu errichten. Diese Zusatzkosten konnten durch stellung dieses eine neue Einordnung der Halle auf dem Grund- Raumes ein- stück vermieden werden. schließlich der Ausdruck des komplizierten Verfahrens für die Toiletten erarbeitet. Das Rohbaugerüst mit der Bestätigung des Fördermittelbescheides ist der Metalltreppe für den Aufgang zum Lagerbo- dicke Ordner mit dem Schriftverkehr und den den oberhalb des Kommunikationsraumes war Gesprächsprotokollen mit dem Landesportbund. noch durch HAB Wusterhusen eingebaut wor- Es hat sich leider bestätigt, dass ein Verein ohne den. Viele Sportfreunde beteiligten sich an den sachkundige Mitglieder für Fördermittelanträge von Sportfreund Buchheim organisierten und in dem Verfahren wenig Erfolg haben würde. Am geleiteten Einsätzen für die Fertigstellung des 12.3.2004 erhielt der Verein endlich die langer- Kommunikationsraumes. sehnte Nachricht über den positiven Bescheid Parallel zu diesen Arbeiten verliefen die Fer- der Bewilligung von 50.000 Euro Fördermittel. tigstellung der Halle und des Außengeländes. Nun ging es Schlag auf Schlag. Die gute Bau- In dem Bereich des Außengeländes, in dem die vorbereitung machte sich nun bezahlt. Die Ver- Schiffe der Außenlieger stehen sollten und die 52 | Der ASV hat ein neues Zuhause

die Gefahren bei der Nutzung des Mastenlagers wesentlich reduzierte. Die Fertigstellung der einheitlichen Spinde hat der Verein den Sportfreunden Gunther Hoff- mann und Klaus Möhring zu verdanken. Unter Mitwirkung vieler Vereinsmitglieder sorgten sie dafür, dass zur feierlichen Inbetriebnahme alles weitestgehend fertig war. Vor der Einwei- hungsfeier lag noch die offizielle Abnahme der Halle durch die Bauaufsicht. Sie verlief ohne jegliche Beanstandung, ein Ergebnis, auf das alle stolz waren. Die Einweihungsfeier vereinte am 8.10.2004 noch einmal alle am Bau Beteiligten mit den Vereinsmitgliedern und Ehrengästen. Aus den Erzählungen der Vereinsmitglieder war ein we- nig Stolz zu hören über das Ergebnis der ge- meinsamen Anstrengungen. Dieser Stolz wurde untermauert durch die Tatsache, dass sich die Kosten trotz vieler zusätzlicher Schwierigkeiten gegenüber der Kostenkalkulation nicht erhöht hatten. Heute können wir sagen, dass die Entscheidung für den Neubau der Halle und zur Befestigung des Außengeländes richtig war und damit die Zukunft des ASV langfristig wesentlich besser Parkflächen für die Autos vorgesehen waren, abgesichert ist. Die Vereinsmitglieder fühlen erfolgte ebenso wie in der Halle der Bodenaus- sich auf ihrem Gelände wohl und die Bereit- tausch bis auf 60cm Tiefe. Da sich unser Verein schaft der Nutzer zum Werterhalt ihres Objek- in der Zwischenzeit mit den beiden Nachbar- tes nimmt stetig zu. Viele haben die Hoffnung, vereinen „Greifswalder Yachtclub“ und „Yacht- dass sich mit dem neuen Zuhause auch wieder club Wieck“ über das gemeinsame Slippen mehr Geselligkeit ergeben wird. verständigen konnte, wurde die Zuwegung zu diesen Grundstücken ebenfalls durch Boden- Jürgen Drenckhan austausch befestigt. Zu einem erheblichen Kostenfaktor entwickelte sich die Elektroinstallation. In die Beratung zu diesem Punkt kam das Angebot von den Sport- freunden Rainer Krüger und Werner Loose, sich in dieser Angelegenheit stark zu engagieren. Beide nahmen die Elektroinstallation komplett in ihre Hände. Mit einem großen Zeitaufwand und einer enormen Einsatzbereitschaft sorgten sie mit relativ geringen Kosten für eine sichere und auf die konkreten Belange der Hallennut- zung zugeschnittene Installation. Sportfreund Krüger war es auch, der in Zusammenarbeit mit den Sportfreunden Siegfried und Hans-Joachim Wussow durch die Installation der Seilaufzüge, Die ASV-Winterliegeplätze | 53

Unser Vereinsmitglied Peter Kliefoth erinnert sich: Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre wa- ren im Bereich unserer Liegeplätze viele Pfähle Die ASV‑ verfault und teilweise unter Wasser abgebro- chen. Mit Hilfe einer kostenlos gecharterten Wasserliegeplätze Ramme und günstig erworbener Telegrafen- masten gelang es ihm, die Liegeplatzsituation Die Jahreschroniken des ASV seit seiner Grün- für unsere Boote am Nordufer zeitweilig zu dung geben keine Hinweise auf die Frage, wo verbessern. Ein Manko aber blieb, die Richtung der Verein jemals seine Wasserliegeplätze un- Uferkante extrem abnehmende Wassertiefe. terhielt. Lediglich die Listen der Yachten und Kielboote durften sich regelmäßig über die Boote in den Jahresberichten verraten, dass z. achterlichen Festmacher und Winschen aus B. 1926 Heimathafen der drei vereinseigenen dem Schlamm befreien. Noch schlimmer: bei und weiterer ASV‑Boote in Privatbesitz Niedrigwasser kippten die Boote um, dabei lei- Wieck bei Greifswald war. Näheres erfahren wir der nicht alle auf den gleichen Bug. Hinzu kam von Hans‑Joachim Subklew in „Die Boote der im Winter die Beschäftigung, Pfähle eisfrei zu Universität Greifswald 1848‑1989“: „Seit 1908, halten, damit sie bei steigendem Wasserpegel dem Gründungsjahr des ASV, ist das Südufer nicht mitgezogen wurden ‑ was nicht immer des Wiecker Hafens, östlich der Brücke, erster zu verhindern war. Yachthafenteil ... Der Zustand mit Segelbooten bestand bis etwa 1960.“ Es gab mehrfach, so u. a. 1972 durch unseren Sportfreund von Krüdener und letztlich am Zu dieser Zeit fuhren unter dem Stander des 17.07.1982 durch unseren damaligen Fachaus- ASV (HSG ‑ Sektion Segeln) bereits 30 Yachten, schußvorsitzenden Prof. Dr. Scheibe konkrete überwiegend ‑ je nach Uferausbau ‑ parallel zur Verbesserungsvorschläge bei der Stadtverwal- Pier oder mit Anker achteraus vertäut. Wann tung, leider immer vergebens. Schließlich ver- und in welchem Umfang Pfähle und Dalben sprach uns das Seefahrtsamt der DDR umfas- die Liegekapazitäten im Hafengebiet erhöhten, sende (und kostenlose!) Hilfe, dokumentiert am ist nicht genau festzustellen. Wartedalben und 09.10.1989 als „Rekonstruktion und Erweite- ‑pfähle beiderseits der Wiecker Brücke waren rung der Liegeplätze zwischen Brücke und Ha- sicher der Anfang; nach und nach Richtung fenamt am Ryckfluß“, eingebunden in größere Ryckmündung an beiden Uferseiten mit Pfäh- Aktivitäten des Amtes vor Ort. Eine offene Fra- len und Verbesserung der Uferbefestigung er- ge der Materialbeschaffung lösten wir selbst gänzt, hauptsächlich wohl in den 50er Jahren. sofort. Nach einer Woche lagen 100 als Pfähle vorgesehene und geschenkte Bohrgestänge aus 54 | Die ASV-Winterliegeplätze

bezogen auf die Breite der Boote, wurde allen Beteiligten ihr Liegeplatz auf zwanzig Jahre zugesichert. Zeitgleich mit dem WSA und der Stadt Greifswald abgeschlossene Nutzungs- verträge über 4800 m2 Wasserfläche und 152 m Uferkante schützen bis heute unsere Nut- zungsrechte.

So konnten wir endlich im Frühjahr 1992 unse- re Pfähle vor Ort postieren und der Bagger nach dem Ziehen 37 alter Holzpfähle beginnen, 6000 m3 Baggergut auszuheben. Zusätzlich musste uns der „Ostsee‑Taucherservice“ die Entsor- gung von 50 m3 „Gerümpel“ in Rechnung stel- len, Eisenschrott und Gummireifen beseitigten wir selbst kostensparend und umweltgerecht. Zweimal trat eine Zwangspause ein, nach- dem im Baggergut Munition aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt wurde; offensichtlich von Schnellbooten stammend, die hier in den 40er Jahren ihren Liegeplatz hatten. Mit dem Ram- men der letzten Pfähle gemäß „Rammplan“ des WSA konnten ab 1. Juli 1992 endlich unsere Boote in ihre neuen Liegeplätze einschwim- men, und da liegen sie bis heute noch!

Rückblickend auf die Gründerzeit des ASV be- schreibt Subklew den Zustand „Fischereihafen mit Segelbooten“ in Wieck. Einbezogen die der Erdölstadt auf unserem Boots- gesamte Entwicklung bis zum heutigen Zu- hausgelände. Eine Nachricht des Vertrags- stand ist Wieck aber inzwischen umgekehrt ein partners, wegen eines übergeordneten Pla- ausgesprochener „Sportboothafen“ mit kleiner nungseingriffs können die Arbeiten erst 1990 Fischerei. realisiert werden, beunruhigte uns zunächst nicht. Die „Wende“ aber wandelte die bisher Desto mehr sind wir zu Dank verpflichtet ge- für uns kostenlose Staatsaufgabe in eine priva- genüber dem WSA Stralsund, nicht nur für so- te Unternehmensleistung für 130.430,25 Deut- lide gebliebene Wasserflächengebühren. Inten- sche Mark zu unseren Lasten. Daraus wurden sive Unterstützung fanden wir und finden wir zwar, dank aufmerksamer Rechnungsprüfung zu jeder Zeit in allen wassertechnischen Fragen. durch unser Vereinsmitglied Peter Lubs, später Auch nicht seltene Versuche anderer Interes- nur 101.852,51 DM netto, aber wie trotzdem senten, uns Liegeplätze des ASV streitig zu ma- finanzieren bei leerer Vereinskasse? Keine Bank chen, fanden beim Vertragspartner in Stralsund fand uns kreditwürdig! Die einstigen Sicherhei- kein Gehör. Das möge auch die nächsten 100 ten Grundstück, Bootshaus und Vereinsyachten Jahre so bleiben. waren plötzlich „Universitätseigentum“. Jürgen Riedel Die Lösung war schließlich eine Vorfinanzierung durch unsere Bootseigner und spendenbereite weitere Mitglieder. Für eine Kostenbeteiligung von 1000 DM je laufendem Meter Pierkante, Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“ | 55

zerrissenes Toppsegel und zerrissener Ballon. Bußmanns Freundschaft mussten wir haben, sonst wäre am 3. August aus unserer Ausreise nichts geworden.

Das Stauen der Vorräte und die Vorbereitungen einer längeren Seereise sind das unangenehms-

Diesen Reisebericht stellte uns freundlicher- weise Herrn Dornquast, der Schwiegersohn von Otto Reinkober, zur Verfügung

Bericht über die Auslandsfahrt te, was es gibt. Es wurde überstanden. Nachts der „Edith“ um 11 Uhr opferte sich Erwin Hübschmann vom 3. ‑ 22. August 1925 auf, er trank mit Beug unzählige Schnäpse um ihn wach und bei guter Stimmung zu halten, Besatzung: während die beiden Matrosen wie die Wiesel- Kapitän Bill Suhr II chen hin und her liefen und aus Beugs Brunnen I. Steuermann Suhr I a tankten. Am Dienstag, dem 4.8., 1.30 Uhr a.m. II. Steuermann Reinkober warfen wir los; Wind W 2-3, Barometer 761 Vollmatrose Karl Hübschmann II mm, Salzbodden querab 2.15 Uhr a.m., Thies- Leichtmatrose Werner Müller sow 5.25 Uhr a.m. und dann kreuzte die „Edith“ Koch Erwin Hübschmann I bei NWzN 4-5 Montag nach Saßnitz rauf, Bootsjunge Werner Freymuth wobei der 1. Steuermann recht weite Schläge nach See hinaus machte, um die z.T. noch recht Die diesjährige Auslandsfahrt der „Edith“ stand unbefahrene Mannschaft an See und Wind zu anfangs unter einem unglücklichen Stern. Zu- gewöhnen. 9.10 Uhr a.m.lag die „Edith“ im Ha- nächst sollte der Takelmeister sie führen, paar fen von Saßnitz vor Anker. Wochen später verhandelte Krisch eifrig mit älteren Schiffern, um sie zur Mitfahrt unter 8.05 Uhr p.m. hatten wir Reinkober an Bord, seiner Führung zu bewegen. Als dann die end- hatten sorgfältig und zielbewusst gegessen und gültige Mannschaft fast feststand musste der hievten den Anker. Bei W 2-3 konnten wir KK Zeitpunkt der Abreise, als der der 31. Juli ge- Nordost zu Ost ½ Ost m.w. NO gut anliegen. dacht war, von Tag zu Tag verschoben werden, und schließlich am 3. August fuhr der Kapitän Mittwoch, den 5. August ohne seinen 2. Steuermann und Prüfling für 12.45 Uhr a.m. schiebt sich in der Silberbahn den Schiffer I, Reinkober, ab, der erst in Saßnitz des Vollmondes ein Dreimastgaffelschoner an an Bord gehen konnte. uns vorbei, 12.55 Uhr a.m. verschwindet Ar- kona in der Kimm; der Wind dreht langsam Ärgerlich war, dass am 2. August, einem Sonn- nördlicher und ist um 4 h a.m., als der Kapitän tag, durchaus noch 3 Gäste des Vereins nach die Wache übergibt, bereits N ohne jedoch an Rügen gesegelt werden mussten. Erfolg: Ein Stärke zuzulegen. 56 | Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“

Kapitäne haben ihren Dunkelwerden liefen wir an einem schwedi- besonderen Ehrgeiz; Bill schen Schulschiff vorbei, das im Schutze der musste durchaus mit Schären vor Anker ging. Önkel, dem 1. Steuer- mann, die Hundewache von 12 – 4 h a.m. wäh- Donnerstag, den 6. August rend der ganzen Fahrt 12.50h a.m. hatten wir Ölands Södra Udde quer schieben, nur am letz- ab und damit das ruhige Wasser des Kalmar- ten Tag ließ er sich von Sundes erreicht. 1.57h a.m. passierten wir das dieser Idee abbringen. Feuerschiff Utgrunden und setzten Kurs auf Bis dahin war es aber den Grimskär Leuchtturm ab. Dieser trägt sei- noch weit, und viele nen Namen mit Recht; das zeigte uns der Mor- Male schnorten beide gen, als wir ihn passierten. 5 h a.m. war Nebel frierend und knurrig im aufgekommen, der unfreundlich ins Mark kroch Kockpitt. Erwin musste und einen Vorgeschmack herbstlichen Wetters bei guter Laune gehal- gab, wie wir ihn noch nicht erwartet hatten. ten werden; was tut „Es wird Herbst“ tröstete uns der Zollbeamte man nicht alles, den in Kalmar, als wir auf den Nebel und die Kälte Koch bei Stimmung zu schimpften. Aus diesem grauen Nebelschleier halten. So war bereits reckte sich nun der Grimskär Leuchtturm fast am 2. Tage die Anrede drohend empor. Wir verstanden seine Mah- „Gnaden Herr Koch“ nung. Die nackten Steinchen, die überall aus offiziell geworden. Also dem Wasserspiegel ragten, sahen durchaus Erwin durfte während nicht einladend aus. der Hundewache in sei- ner Koje schnarchen und gestattete sich daher Um 6h a.m. machten wir am Bollwerk Kalmar jeden Abend den Luxus, in einen wunderbar fest, gerade vor der Tulkamare. Schon beim gemusterten Pyjama zu schlüpfen. Einkreuzen in den Hafen hatte uns der dienst- habende Zöllner erfreut, er saß vor dem Zoll- Diesmal sollte aus unserer Reihe zunächst nicht haus, eine riesige Zeitung – das Svenska Dag- viel werden. Reinkober sah 5 h a.m. Land, es bladet, wie sich später herausstellte – in der musste Bornholm sein, und das erschien ihm Hand. Dieses nahm seine Aufmerksamkeit so so wichtig, dass er uns weckte. Bornholm ist sehr in Anspruch, dass er nichts von uns sah nämlich eine sonderbare Insel, sie ist beispiels- und hörte. Er las eifrig weiter mit vorbildlicher weise in den Tagen des lieblichen Pfingstfestes Gewissenhaftigkeit. Die schwedischen Redak- von der Oberfläche der Ostsee verschwunden teure verstehen ihr Handwerk offenbar besser gewesen. Das berichten alle Jachten, die gleich als ihre deutschen Kollegen. Wir hatten aber der „Edith“ in jenen Tagen sich mühten, sie an- kaum festgemacht, da war derselbe Zöllner mit zusteuern. Es ist aber nicht immer der Kompaß einem Gehilfen auch schon an Bord. Die Zollab- an allem schuld. fertigung ging wohltuend höflich vonstatten, eine Bescheinigung, dass wir untersucht wären, Wir ließen Bornholm weit in Lee, wir ahnten erleichterte die Zollrevision in allen anderen noch nicht, dass wir dieses schöne Stückchen schwedischen Häfen außerordentlich. Worte Erde auf unserer Fahrt noch mal grässlich ver- und Werke der Höflichkeit wurden feierlich ge- fluchen würden. 5.45 h p.m. tauchte Utklippan wechselt, die Friedenszigarre angezündet und an der Südküste von Schweden aus der Kimm bei einem kleinen Schluck Rum Freundschaft auf, 7.10h p.m. hatten wir dieses liebliche Klip- geschlossen. Wieder erfuhr der alte fromme pe mit ihren vorgelagerten Steinen in ach- Spruch seine Bestätigung: „A little drink in the tungsvoller Entfernung, da bei dem Seegang morning time is bäter as den ganzen Dag gor hier eine verhängnisvolle Brandung stand. Bei kein.“ Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“ | 57

Wir hatten Kalmar überraschend schnell er- Stockholm erreichen würden. Dann hätten wir reicht, der Sinn stand uns nach höherem Ziel. nicht einmal mehr Zeit gehabt, mit der Bahn Stockholm. Die nötigen Karten besorgt und nach Stockholm zu fahren, sondern sofort um- 11.20h a.m. warfen wir los, Kurs Nord. Durch kehren müssen. die enge, lange Baggerrinne bei Kalmar schob uns der Wind noch durch, dann drehte es im- Wir wurden bescheiden und drehten bei, Kurs mer nördlicher und 6h p.m. war reiner Nord OzS Wisby. Die Stadt der Ruinen und efeuum- durchgekommen, nachdem um 4h p.m. in völ- sponnenen Häuser. liger Flaute die gesamte Besatzung von Bord gejumpt war, die „Edith“ ihrem eigenen Ver- Das Schaukeln auf der dwarslaufenden Wel- stande überlassend. Solche Übungen helfen len gehörte mit zu den weniger angenehmen ja meistens; wenigstens taten sie es hier. Der Seiten unserer Reise, nicht wie hämische Ge- Wind besann sich darauf, dass sein wichtigstes müter denken werden, wegen der Seedollheit, Merkmal ist, dass er weht; aber er musste ver- sondern wegen des in der Kajüte alle Polster ärgert sein. Seit jener Stunde haben fast immer nassspritzenden Bilgenwassers. (Die alte „Edith“ am Wind segeln müssen. Die Freuden dieser Art leckt nämlich in ziemlich erheblichen Maße). der Fortbewegung lernten wir sofort schätzen; was wir an Höhe ersegelten, setzte der Strom Um 1h p.m. machten wir Land aus, immer klarer uns zurück und so kam es, dass wir eine Tonne hob sich Wisbys ragende Dinnkirche vom Hin- 3 mal passierten, um beim nächsten Schlage tergrunde ab. Wir hatten Muße genug, durch wieder unter sie abgetrieben zu werden. unsere Gläser die Stadt zu betrachten. 4.15h p.m. lagen wir fest am Kai des Außenhafens. 7h p.m. hatten wir Demmann Leuchtturm quer ab und weit im Norden, im Dämmern des Vor dem Hafen lag ein riesiger holländischer Abends, erhob sich die Jungfrun aus dem Mee- Passagierdampfer, der eine Reisegesellschaft re, die so großartig als beste Ansteuerungs- zu Schwedens schönsten Plätzen führte, vor marke in der nördlichen Einfahrt des Sundes Anker. Er lief abends 8h nach Stockhalm aus. liegt. 10.20h p.m. war sie quer ab. So ein Reisebüro tut viel für seine Kunden. Ein freundlicher Buchhändler, den wir in Wisby kennenlernten, wusste davon zu erzählen: „Sie Freitag, den 7. August haben 60 Autos genommen und sind durch 12.57h a.m. – Ölands Norra Udde in S ¼ O, Gotland gerast, aber in meine Buchhandlung Ölands Norra Grundet in O ¼ N gepeilt. Der sind sie nicht gekommen“, sagte er etwas re- Wind aus N-NNO legt immer mehr zu, die hier signiert. So hatten die Touristen alles gesehen, stehende See gibt der „Edith“ Gelegenheit, sich was Gotland bietet, Ungemein praktisch und von ihrer allen Schiffern nur zu bekannten zeitsparend. unliebenswürdigen Seite zu zeigen. Sie nimmt mutig die erste der drei im regelmäßigen Wech- Wir aber machten uns landfein und sahen sel dicht hintereinander laufenden großen mit freudiger Erwartung dem Essen in einem Wellen, die 2. dämpft ihren Ehrgeiz, die dritte schwedischen Gasthause entgegen. Wir freu- bringt sie zum Stehen. Dann aber folgen einige ten uns, dass der Koch einmal entlastet wurde, kleinere Wellen; der Wind hat der „Edith“ Mut denn er pflegte bei der Zubereitung des Bordes- gemacht, sie ist zwar weit abgefallen, aber nun sen gräulich zu fluchen und alle mussten sich nimmt sie wieder Fahrt auf und geht an den ängstlich hüten, in den Kreis seiner geheilig- Wind. Und dann wiederholt sich das Spiel mit ten Kochtöpfe zu treten. Wir fürchteten, dass den drei hohen Wellen in ermüdender Regel- die Langmut unserer Schutzgötter bei solchem mäßigkeit. Um 9h a.m. hatten wir diese Form Fluchen doch mal ein Ende nehmen würde und der Fortbewegung satt. Wir rechneten uns aus, wollten ihre Geduld nicht länger auf die Probe dass wir bei durchstehendem Winde im besten stellen. Falle in 5 Tagen die südliche Einsegelung nach 58 | Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“

Schon lange hatte uns Zurück ging es zur Stadt; die Schatten der Vor- die Großschot Sorge ge- zeit wichen dem Licht der Straßenlampen, und macht, sie musste ersetzt dann wieder ließ eine Ruine, von Efeu umspon- werden; der Erste ging nen, im Mondlicht mit seinen scharfen Schat- also mit dem Schiffsjun- ten die Geschichte der Stadt in uns lebendig gen als erster an Land werden, dass wir die Gegenwart vergaßen. Es zum Schiffshändler um war spät, als wir an Bord kamen, der Sonn- die neue Schot zu kau- abend sollte der Besichtigung der Stadt gewid- fen. Hier muss ich der met werden. Einrichtung der Schiffs- händler ein Loblied sin- Wir kletterten in einigen Ruinen herum, stie- gen. In düsteren Kellern gen umher auf die Türme der Domkirche und hausen sie zumeist, aber genossen den herrlichen Rundblick über die diese Keller bergen al- Stadt, wir gingen erneut zum Galgenberg und les, was der Seefahrer weiter nach Norden zum Pavillon des „Vereins braucht. Unerschöpflich badender Freunde“. Wir tranken abends Schwe- sind sie, vom Schäkel denpunsch, tanzten und freundeten uns mit angefangen bis zur gro- einigen Schweden an, die wir mit an Bord nah- ßen Trosse, und dann men. Hier wäre der Erste fast verloren gegan- Proviant aller Art, Brot, gen. Er nahm die Fühlung mit einer schönen Butter, Konserven, Spi- auf, die ihm, des Deutschen nur wenig kundig, ritus, Petroleum, kurz immer wieder versicherte: „Ich liebe sehr die es gibt nichts auf dieser deutschen Matrosen.“ Welt, was so ein Mann nicht hätte oder in kur- Wir waren an Bord froh, dass wir den Schwe- zer Zeit besorgte. den ein Beispiel deutscher Gastfreundschaft geben konnten, da wir in manchen Jahren Das Essen im Stadshotellet war riesig und dau- nach dem Krieg die schwedische Gastfreund- erte lange. Dass es teuer war, sei nebenbei be- schaft kennen gelernt hatten. Der Erfolg un- merkt. Für das leibliche Wohl war gesorgt. Jetzt serer Bemühungen sprach für uns. Kurz bevor waren wir in der rechten Stimmung, in vollen unsere Gäste schieden (5h a.m.), passierte ein Zügen die Schönheit der Stadt in uns aufzu- niedlicher Trall. Unser Leichtmatrose hatte sich nehmen. Die Bilder, die wir sahen, werden uns einen Splitter eingerissen und der eine unse- allen unvergesslich (sein) bleiben. In der Dun- rer Gäste, ein Arzt, fragte auf englisch, ob er kelheit suchten wir dann, und fanden ihn auch, helfen könne. Der Leichtmatrose war erstens den Galgenberg im Norden der Stadt, von dem Jurist, zweitens Humanist, er war also nicht aus man, wie Baedeker schreibt, beim Mond- verpflichtet, englisch zu können. Er wollte sa- schein einen „großartig ernsten Blick“ auf die gen: „Nicht nötig, Gott wird schon helfen“, das Stadt und das Meer hat. Wir hatten Mond- wollte er gewiss. Aber rauskam: „God help you, schein und fanden zu unserer Beruhigung, dass Englishman.“ Und dieser Segenswunsch hatte Baedeker Recht hat; der nackte, gewachsene seine Berechtigung. Der Arzt brauchte wirklich Stein, der überall zutage tritt, und das dunkle Hilfe, um nach Hause zu kommen. Gewirr der Feldabhänge erhöhte noch die ge- spenstische Wirkung der 3 hohen senkrechten Sonntag, den 9. August Galgensteine, zwischen denen, von krächzen- 11.25h a.m. ab Wisby, Wind SW-W 3, also wie- den Raben umkreist, so mancher Verbrecher der mal kreuzen; 3h p.m. hatte der Wind so im Winde geschaukelt hat, weithin sichtbar, zugelegt, dass wir reffen mussten, 11.15h p.m. eine Warnung für Bösewichter und ein Zeichen Ölands Norra Udde auf Westenkurs quer ab. kraftvoll selbstbewussten Gerechtigkeitssinnes der blühenden Hansestadt. Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“ | 59

Montag, den 10. August Donnerstag, den 13. August 7.45h a.m. Jungfruen quer ab; wir grüßen Dich, 3.40h a.m. Anker auf vor Skäggenäs. Der Wind stolze, unnahbare Jungfru, aber solange wie hatte Einsehen. Er ging nach Norden und schob wir müssen, wollen wir Dich gar nicht sehen. uns an Kalmar vorbei. Noch einmal nahmen wir Bei Südwind und gegen den Strom kreuzen wir das Bild des stattlichen Schlosses in uns auf, unverdrossen. 12 h.m. waren wir 2 sm südlich Feuerschiff Ut- 9h p.m. in Borgholm Hafen zu Anker. grunden. Dann setzte die Flaute ein, der Wind sprang um und wir taten, was wir immer getan, Dienstag, den 11. August wir kreuzten. Ausflug zu der gewaltigen Schlossruine. 8h p.m. gin der Wind auf West, 9h p.m. hat- Mittwoch, den 12. August ten wir den Yttre Stengrund quer ab, 12 h a.m. Schralen des Windes und Fallen des Wassers (1 scheint Blz. Tonne Utlängan in der Kimm. m) hatten „Edith“ im Hafen auf Grund gesetzt. Das Losbringen mit Anker und Spinnakerbaum Freitag, den 14. August wurde allseitig als eine gesunde Übung ange- Die Nacht bis 4h a.m. versetzt uns der Strom sehen. 12.05h p.m. verlassen wir Borgholm und bei fast völliger Flaute weit nach Osten, die kreuzen unverdrossen den Kalmarsund auf. Zeit bis 8 h a.m. wird mit Kreuzschlägen östlich und südlich Utlängan lieblich ausgefüllt. 1.15h 7.40h p.m. gehen wir mit loser Schot und ganz p.m. haben wir die Ansegelungstonne Karlskro- langsamer Fahrt in die Bucht von Skäggenäs na. Dort wollten wir hin. Wir wollten, aber die und etwa 2 Kabellängen von Land auf 6 m Tiefe vor Anker. Dieser Abend war der stimmungs- vollste der ganzen Fahrt.

Die Sonne war hinter den düsteren Tannenwip- feln des Festlandes verschwunden, der Wind ganz eingeschlafen und der blasse Abend- himmel spiegelte sich im glatten Wasser. Auf schnellen Booten ruderten Knaben und junge Mädchen von dem nahen Bad Refsudden zu uns heraus. Gnaden Herr Koch waren gnädig, er überließ sich der fremden Schönheit und bald gab er dem durch stimmungsvolle Lieder Aus- schwedische Kriegsmacht wollte nicht. Einige druck. Weich schwammen die Töne des Wolga- Forts schossen nach Scheiben, denen wir vor- liedes über das Wasser, und andere Lieder folg- sichtig aus dem Wege gingen. Wir hatten seit ten. Der Beifall, den er von der schwedischen dem Weltkrieg von Granaten genug. Wir mo- Jugend erntete, war wohlverdient. Es gelang geln uns an die Einfahrt heran, da wird diese uns durch Radebrechen in allen germanischen durch große Nebeltöpfe von Land aus verne- Sprachen, den Schwedenmädchen verständlich belt, und nun bleibt wirklich nichts als beizu- zu machen, dass wir nun von ihnen ein schwe- drehen und zu versuchen, den nächsten Hafen disches Lied hören möchten. anzulaufen, das ist Ronneby. Eine schwedische Pinass schießt aus dem Nebel hinter uns her; sie Und nun sangen sie schwedische Volkslieder macht unsere Nationale aus und dreht wieder von ergreifender Schlichtheit und Innigkeit, bis bei. Wir kreuzen unverdrossen gegen Strömung die späte Abendstunde sie nach Hause rief. Im- und Westwind und runden endlich 8h p.m. mer schwächer hörten wir das letzte Lied, das Gasfeten, die Ansteuerungschäre von Ronneby. sie sangen, und das melodische Plätschern der Riemen, während ihr Boot schon längst von der Die Fahrt durch die Schären vor Ronneby ge- Dunkelheit verschluckt war. hört mit zu den schönsten Eindrücken von die- 60 | Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“

ser Reise. Immer mehr sahen das liebliche Bild eines Waldstädtchens verschwinden im Dun- mit reicher Industrie und reichlichem Verkehr, keln die Einzelheiten. und hinter dem Walde im Süden grüßte uns die Schwarz heben sich blaue See. Wir kletterten weiter in den Felsen überall die Schären, hie und suchten den Wasserfall, der bei der Stadt und da von Bäumen sein soll. Aber bald gaben wir das Suchen auf. spärlich bewachsen, aus Es zog uns in ein Kaffeehaus. dem Wasser, aber die Leitfeuer sind gut aus- Und so kam es, dass wir fast das Schönste in zumachen und 10h p.m. Ronneby nicht gesehen hätten. Aber der Ge- machen wir in Ronneby danke an den Wasserfall lässt uns keine Ruhe. Hafen am Kai fest. Noch Wir erfragen mit Mühe den Weg, 5 Minuten erscheint uns alles un- soll es bis zu ihm sein, und plötzlich haben wir wirklich, denn rings ihn vor uns mitten in der Stadt. Hier standen um das Wasser stre- wir lange, im Schauen versunken, und immer cken schweigend ernste wieder gestanden wir uns, wie peinlich es für Fichten ihre Kronen in uns hätte sein müssen, wenn wir dies Schau- den Nachthimmel und spiel nicht genossen hätten. Es war Sonnabend, nur bei genauem Hin- und das mag wohl so manches erklären, aber sehen können wir auch schöner wird es darum nicht. die Masten anderer Wir sahen hier im Laufe des Nachmittags etwa Schiffe erkennen. Von 8 völlig betrunkene Arbeiter, betrunken, wie Karö winkt freundli- man in Greifswald, das nach der liebevollen cherweise Lichterschein Bezeichnung des Herrn Breitscheidt oder Th. zu uns herüber. Gnaden Wolff die Schnapsuniversität des deutschen Herr Koch und der Erste Nordens ist, nur selten betrunkene Leute sieht. pullen rüber, um Zigaretten zu besorgen, nach denen die Mannschaft schmachtet. Sie hören Noch eine Lehre nahmen wir mit. Es genügt, von der Insel eine Ziehharmonika, die Weisen wenn man im eigenem Lande im Sinne der des Hambo spielt, dazwischen fröhliches Mäd- Überbrückung des Klassenhasses wirkt. chenlachen und scherzende Männerstimmen. Wir hatten an den Anschlagssäulen gelesen, Auf dem Landungssteg steht ein Bursche, der dass im Volkspark ein großes Fest wäre mit Tanz, immer wieder den Hambo spielt, und in der das schien uns das Gegebene. Dort gingen wir dunklen Sommernacht drängen sich auf sch- abends hin. Etwas wunderten wir uns über die malem Steg einige Paare nach diesen Weisen. rote Fahne, die über dem Park im Abendwinde Freundlich geben sie Auskunft. Im Pavillon gibt wehte, aber warum nicht? es Bier und Zigaretten. Im Volkspark sahen wir das verfehlte unseres Sonnabend, den 15. August Unternehmens ein und gingen in das große, Als erstes der Besuch beim Schiffshändler, glänzend eingerichtete Kurhaus, in dem mit fei- Trinkwasser muss vom Wasserboot übernom- erlichem Ball das Tennisturnier mehrerer Städte men werden, da im Hafen kein Brunnen vor- der Landschaft Blekinge beschlossen wurde. handen ist. Dann folgt großes Malen und Beta- keln, und nach dem Essen machen wir mit dem Hier lernten wir mehrere deutschsprechende Dampfer einen Ausflug nach Ronneby selbst. Schwedinnen kennen, denen wir versprachen am nächsten Tag wieder nach Ronneby zu Wir wussten, dass Ronneby eine schöne Stadt kommen. Aber auf Versprechungen von See- sei, aber unsere Erwartungen wurden übertrof- leuten kann man so wenig geben, wie auf Ver- fen. Wir kletterten zum Wasserturm herauf, der sprechungen des Wetters. Beides bestätigte der auf hohem, kahlen Fels die Stadt überragt, und folgende: Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“ | 61

Sonntag, den 16. August Montag, den 17.August 8.50h a.m. segelten wir von Ronneby ab. Dies- Die typischen Schönwetterwolken hatten uns mal sahen wir die Schären in strahlendem Son- Sturm und Regen gebracht, aber Svaneke ist nenschein. 10.15h a.m. hatten wir Gaufeten, ein so ödes Nest, ein solcher bloody place, dass Wind W 3, Kurs Christiansö. Die Mädchen in wir trotz WNW 6 Segel setzten und versuchten Ronneby konnten auf uns warten und einse- 10h a.m.. unter der Nordküste von Bornholm hen, dass Versprechen und Halten nicht dassel- Allinge zu erreichen. Wir hatten 3 Ringe wegge- be ist. Und nun zum Wetter. dreht, aber der Wind lag zu bis 7, wir mussten Schooner und Fock bergen. Unser Kampf ge- Ich widerstehe der Versuchung, in wohlgesetz- gen Wind und Seegang wurde aussichtslos; als ten Worten professorale Weisheit zu preisen; alles gründlich nass war und die Kajüte rich- ich lasse die Tatsachen sprechen. Unser Profes- tig schwamm, drehten wir bei, verholten uns sor, 2 ter Steuermann, demonstrierte um 12h in den Innenhafen von Svaneke und fluchten die typischen Schönwetterwolken; er zeigte dem Winde und dem Schicksal. Ein deutscher wie diese immer dem Verlauf der Landes fol- Kapitän, der mit seinem Schooner im Hafen gen und über dem Wasser schroff abschneiden. lag, meinte uns zu trösten, wenn er erklärte, bis Wetteraussichten: die besten. Freitag bliebe das Wetter so. Schöne Aussich- ten! Kapitän und Steuermann mussten Freitag 1h p.m. WSW 3. Barometer 762 fallend. Und bereits ihren Dienst antreten, der Leichtmatrose nun kommt der 2.Teil seiner Betrachtung über musste an diesem Tage bereits zu Hause, weit in Versprechungen und das Wetter. Hinterpommern sein, und in Wieck erwartete der Führer der nächsten Fahrt die Rückkehr der Der Wind legt immer mehr zu 3h p.m. drehen „Edith“ zum Mittwoch. wir bei in Stärke 5 zwei Ringe weg und in brausender Fahrt laufen wir kurz SSW. Es wird Trotz Fluchens und Schimpfens pfiff der Sturm kalt und recht ungemütlich. Von schönem Wet- nachts in der Takelage sein höhnisches Lied ter keine Spur mehr. und kalte Regenböen setzten am Dienstag sein Werk fort. 6h p.m. haben wir Christiansö können aber die Anseglungsbaken nicht ausmachen und Mittwoch, den 19. August entschließen uns vorbeizulaufen, zumal hoher war im Wetter keine Änderung zu beobachten, Seegang und fehlende Spezialkarten nicht ge- ein Telegramm wurde nach Wieck geschickt statten, näher an die Insel, um die ein Kranz und weiter geknurrt. In freundlicher Hilfsbe- schäumender Gischt steht, heranzugehen. Wir reitschaft spleißte unser deutscher Kapitän lassen Christiansö zu Luv und beschließen an das Steuerbordbackstag ‑ dem alten war die der Nordostküste von Bornholm unterzukrie- Kreuzerei am Montag nicht bekommen ‑ und chen. Wir kommen immer mehr in den Schutz ergeben und stumpfsinnig hockte alles in der der Küsten und sind um 11h p.m. vor Svaneke. Kajüte. Hier waren, wie wir später erfuhren, die Hafen- feuer verändert, und so kam es, dass wir die Da um 2h p.m. ging der Wind nach Norden, Hafeneinfahrt nicht gleich fanden, sondern 2.30h legten wir bereits von der Mole ab, zu- uns vor der Hafenmauer mit loser Schot und nächst noch 2 Reffs. Wind NNO, es wurde im- ganz langsamer Fahrt fast auf die Steine ge- mer flauer, die Reffs ausgeschüttet, alle Ober- setzt hätten. segel aufgebracht, und dann kam die Flaute, schlaff hingen die Segel und immer noch sahen Freundliche Zurufe von Land warnten uns wir das Elend des Svaneke, bis gegen Abend rechtzeitig, wir gingen vor Anker, machten mit eine leichte Brise uns weiter südlich setzte. dem Beiboot die Einfahrt aus, segelten dahin und verholten uns dann in der Hafen. 12h a.m. Schiffsort 2 sm südöstlich Due Odde. 62 | Bericht über die Auslandsfahrt der „Edith“

Donnerstag, den 20. August rauschen lassen, so dass sie für immer belehrt Die Due Odde ließ uns nicht mehr los. Wir lagen sind wie ein Ballon geborgen werden muss. die ganze Nacht an derselben Stelle. Wir rühr- Zu Wasser ging er, dank der aufmerksamen ten uns am Tage nicht vom Fleck. Verzweifelt Ruderführung des Ersten trotzdem nicht. Der spielten einige Skat, bis sie blödsinnig davon Leichtmatrose Müller wurde anschließend auf waren. Abends noch dasselbe Bild. Due Odde Beschluss des Matrosenrates und einer hohen kannten wir nun. Schiffsleitung zum Vollmatrosen befördert; der Streich mit dem Ballon wurde ihm verziehen. Freitag, den 21.August Seine aufgerissenen Handflächen schienen In dieser Nacht waren wir etwas vorwärts ge- Strafe genug. kommen, um 6h a.m. befanden wir uns 4 sm. südlich von Due Odde. Es zeigte sich jetzt aber 2.30h p.m. liegen wir im Hafen Wieck am Lie- auch, wie überstürzt wir Svaneke verlassen geplatz der „Edith“ und konnten am Abend das hatten. Am Donnerstag Mittag war unser Brot Boot, das wir in der Flaute gemalt und gelackt ausgegangen, abends die letzten Vorräte sorg- hatten, in strahlender Schönheit dem Takel- fältig verteilt worden, und als einziges Gericht meister übergeben, der gestand, in so gutem für Freitag hatte Gnaden Koch eine Suppe aus Zustand sei die „Edith“ noch nie von einer grö- Mehl, Tomaten in Büchse und den Resten der ßeren Fahrt zurückgekehrt. Erbssuppe vom Tage vorher. Diese wurde am 12h verabreicht.

Der Wind hatte sich besonnen, aus OSO. mit Stärke 1 brachte er uns nachmittags 4h bis Rönne, wo wir die Vorräte ergänzten und 8h p.m. wieder ausliefen. Kurs Adlergrund ‑ zum Landtief. Wir waren zu sehr verbittert gewesen, um noch ein Auge für die Schönheiten der Insel und das nette Städtchen Rönne zu haben. Wir wollten bloß essen und nach Hause.

Sonnabend, den 22. August Um 12h a.m. übergibt der Kapitän das erste und letzte Mal auf dieser Reise dem 2.Steuer- menn die Hundewache und zeigt ihm zugleich den Schein von Adlergrund Feuerschiff. 5h a.m. Dauer der Fahrt: 20 Tage wird Adlergrund passiert und Kapitän und Ers- Etmal: 700 sm ter lassen sich nicht nehmen höchst eigenhän- dig den Ballon und sämtliche Obersegel aufzu- (aus dem Nachlass von Professor Otto Reinkober bringen, sodass die „Edith“ bei auffrischendem übergeben vom Schwiegersohn Erhard Dornquast, Backstagswinde mit guter Fahrt dem Landtief übertragen von Töns Föste) zuläuft. 5h ist das Landtief erreicht. Im Bod- den wird den in Wieck wartenden Führer der neuen Fahrt zuliebe der Ballon stehen gelassen, obgleich es einer hohen Schifferversammlung gegenüber nicht zu verantworten ist, da der Wind bei gut 4 noch stetig zulegt.

Vor Salzboden wird der Ballon geborgen, nicht ohne dass die beiden Matrosen sich zum Ab- schied das Fall und die Schot durch die Hände Riga-Reise der STOLTERA im Jahre 1972 | 63

Riga‑Reise der STOLTERA im Jahre 1972

Endlich, einen Tag vor dem geplanten Start, traf sie per Eilboten ein, die Reiseliste mit Genehmi- gung der ersten Auslandsfahrt nach Riga, einer Delegationsreise zur Teilnahme an den „Regat- ten der Freundschaft“ in der Rigaer Bucht. Fünf Yachten aus der DDR sollten daran teilnehmen, der „Berliner Bär“, die beiden Rostocker Yach- ten „Universitas“ und „Rostock“, die „Wappen von Wolgast“ und die „Stoltera“ aus Greifs- wald. Schon seit Wochen liefen unsere Vor- bereitungen, wurde die Ausrüstung der Yacht vervollkommnet, alle Segel durchgesehen und Staupläne für eine etwa dreiwöchige Fahrt er- stellt. Wieviel Proviant muss und k a n n man bunkern, wenn man sich auf eine mehrwöchige Selbstversorgung einstellt? Kann jedem Crew- mitglied pro Bordtag eine Flasche Bier zuge- standen werden, das wären für drei Wochen Mannschaft auf der 12,50 m langen und 2,50 allein 105 Flaschen, Dosenbier war nicht ver- m breiten A&R‑Yacht mit scharf geschnittenen fügbar und Instantbier noch nicht erfunden. Bug und spitz auslaufenden Heck begrenzt. Als Die Liste der zu verstauenden Positionen war alles verstaut und auch der letzte Platz in der lang, aber der Stauraum für eine fünfköpfige Bilge mit irgendwelchen Konserven gefüllt war, 64 | Riga-Reise der STOLTERA im Jahre 1972

polnische Küste bei Rozewie. Der abendliche Himmel zog sich zu, Wetterleuchten und fernes Grummeln kündigten aufziehende Gewitter an. Wir wechselten das Vorsegel und refften das Groß. Anfangs trauten wir unseren Augen nicht, als wir nachts zwischen den einzelnen. Blitzeinschlägen am Horizont im Masttop eine sich verstärkende kugelförmige Leuchterschei- nung wahrnahmen; zwar hatten wir schon von Elmsfeuern in den Mastspitzen und Rahen von Windjammern gehört oder gelesen, das unmit- telbare Erleben beeindruckte uns jedoch sehr. Mitten auf der Ostsee, umgeben von einer noch fernen Gewitterszenerie war die Stimmung an Bord angespannt. Im Morgengrauen kam die polnische Küste in Sicht, mit dem Glas konnte man die Wanderdünen von Leba ausmachen, die nächtlichen Gewitter hatten sich uns nicht genähert. Querab vom Leuchtturm Rozewie nahmen wir Kurs auf den Hafen von Klaipeda, der Zwischenstation der Delegationsreise sein sollte, um Verbindung zu litauischen Segelclubs zu knüpfen. Gegen Mittag des 4.8. nahm der Wind immer mehr zu und steigerte sich WNW 7‑8, und es baute sich eine mächtige See auf mit in der westlichen Ostsee nicht gekannten Wellenhö- hen. Die Sturmfock wurde gesetzt und in das Groß 14 Ringe eingedreht. Das etwas alters- schwache Schneckenreff hielt dem Winddruck jedoch nicht stand, rauschte aus und brachte mussten wir erkennen, daß der Wasserpass bei uns in dem starken Seegang in prekäre Situati- der Frühjahrsüberholung 10 cm höher hätte onen. Das aus Platzgründen auf dem Vorschiff angesetzt werden müssen. Am 1. August 1972 festgelaschte Rettungsfloß ‑ eigentlich für die erwarteten wir gegen Mittag die Beamtem Berufsschifffahrt gedacht ‑ riss sich samt Hal- der Zoll‑ und Grenzbehörde aus Stralsund, die nach dem Ausklarieren unser Ablegemanöver verfolgten. In der Dänischen Wiek warfen wir noch einmal Anker, die Kirchturmspitzen von St. Marien und des Doms St. Nikolai in Peilung und überprüften die Deviationstabelle unseres Kompasses. Auf unser wichtigstes Navigations- mittel sollte unbedingt Verlass sein. Über die Landtiefrinne verließen wir die heimatlichen Gewässer und gingen bei mäßigem Südost auf ENE‑Kurs. Am Nachmittag des 2.8. setzten wir in Sichtweite des Leuchtturms Due Odde im Südosten Bornholms unseren Kurs ab auf die Riga-Reise der STOLTERA im Jahre 1972 | 65 terungen los und musste achtern festgezurrt Ein Jahr später war die „Germania VI“ auch in werden. Unter diesen Bedingungen war bei Greifswald‑Wieck zu bewundern, als der große auflandigem Wind an ein Anlaufen Klaipedas Förderer der Stadt und Universität Greifswald nicht zu denken. Als dann auch noch die Lenz- seiner vorpommerschen Heimat einen Besuch pumpe unbrauchbar wurde, sahen wir uns zu abstattete. einem Kurswechsel auf die Danziger Bucht ver- Erst als die große und moderne A&R‑Yacht anlasst. Am 5.8. passierten wir frühmorgens die „Germania“ den Hafen wieder verlassen hat- Tonne 11 HEL und liefen nach wenigen Kreuz- te, ging anstelle des „Adenauers“ für die klei- schlägen ‑ der Wind hatte sich inzwischen be- nere und ältere 50 m2 A&R‑Yacht „Stoltera“ , ruhigt ‑ gegen 07.00 Uhr in den Yachthafen Baujahr 1938, die DDR‑Flagge am Signalmast von Gdynia ein. hoch. 17 Jahre später erübrigte diese Politik solchen Flaggenwechsel. Am Morgen des 6.8. setzten wir bei leichten östlichen Winden unsere Rei- se nach Riga fort. Das Gebot, unbedingt den 12 sm‑Abstand zur sowjetischen Küste ein- zuhalten, andererseits die geringe Reichweite der Leuchtfeuer ließen für die Navigation nur die Wahl, den gesegelten Kurs zu koppeln. Für die Wachen hieß das, ständig Kurs zu halten und regelmäßig zu loggen. Als wir bei unse-

Die polnischen Segler der dort ansässigen Yachtclubs halfen uns bei der Reparatur der aufgetretenen Schäden. Verwundert waren wir über die schwarz‑rot‑goldene Gastflagge im Signalmast ‑ ohne „Hammer u. Zirkel“. Der Hafenkapitän wies auf eine stattliche hellgrü- ne Yawl, es war die „Germania VI“, mit der der Bevollmächtigte der Krupp‑Stiftung, Berthold

ren Kreuzschlägen der 12-sm‑Zone dann doch wohl etwas zu nahe gekommen waren, tauchte plötzlich aus dem Dunst ein riesiges Kriegsschiff quer vor uns auf, der Schiffslänge nach könnte es ein Kreuzer gewesen sein. Wir gingen sofort auf den anderen Bug. Mit einem kleinen Tran- sistorradio empfingen wir auf der Grenzwelle Funksignale, die wir den Häfen Liepaja und Ventspils zuordneten und somit eine Kreuzpei- Beitz 1972 erstmals im Zuge der neuen Ostpo- lung erlaubten. Nach der 500. gesegelten See- litik der damaligen Bundesregierung den polni- meile kam das Kommando „Besanschot an“ und schen Hafen angelaufen hatte. wir ließen uns den Koem gut schmecken, wir, 66 | Riga-Reise der STOLTERA im Jahre 1972

das waren der HNO‑Kliniker H. Baumann, der getag, den 11.8. war der Start zur 1. Etappe über Schauspieler und spätere Zahnarzt E. Lubahn, 120 sm angesetzt, einer Nachtregatta rund um der Augenarzt U. Münzer, der Physiker H. Otto die inmitten der Bucht gelegene Insel Ruhnu und der Chemiker C.‑E. Völcker. Als am 9.8., zum Fischerdorf Salacgriva an der Ostseite der 02.00 Uhr voraus das Blinkfeuer des Irbens- Bucht. Der Start erfolgte um 20.00 Uhr vor der kij‑Feuerschiffs am Eingang der Irbenstraße zur Daugava‑Mündung. Wohl kaum jemand ahn- Rigaer Bucht in Sicht kam, erfüllte es uns mit te ‑ auch der Veranstalter zeigte sich nachher Stolz, dass unser Koppelkurs ab Tonne „HEL“ überrascht ‑, dass in dieser Nacht ein Sturmtief nur ca. 3 sm Versatz aufwies. Etwa zwei Stun- mit bis zu 11 Bft. über die Rigaer Bucht ziehen den später sahen wir plötzlich einen grellen würde. Als wir im Morgengrauen die Position Lichtstrahl auf uns gerichtet, über Megaphon des Zielschiffes erreichten, hatte sich dieses, wurde auf russisch angefragt: Wer, woher, wo- ein 24 m‑Fischkutter wegen des Sturms in den hin, wieviel Personen an Bord? - dann ging das Hafen verzogen. Nur schwach war ein Richt- Licht aus, und wir konnten weitersegeln, von feuer zu erkennen, die Einfahrt zum Fischerei- dem Kontrollschiff selbst haben wir im Dun- hafen Salacgriva, die wir als 1. Schiff in unserer keln kaum etwas ausmachen können. Der Wind Vermessungsklasse III und erste ausländische frischte auf und gegen Mitternacht passierten Yacht aller Klassen passierten. Die lettischen wir die Molenköpfe der Daugava‑Mündung. Bis Segler freuten sich sehr über unseren Erfolg, zum Ziel, dem Yachtclub „Morjak“ unmittelbar neben dem Passagierkai im Zentrum Rigas be- nötigten wir dann aber mangels eines Hilfsmo- tors noch mehrere Stunden, bis wir bei wenig Wind und auslaufendem Strom um 7.00 Uhr MEZ in Riga festmachten. Ungeduldig erwarte- ten uns schon die Pass‑ und Zollkontrolle, auch einem visuellen Gesundheitscheck mußten wir uns unterziehen. Die Uhren wurden zwei Stun- den vorgestellt, d.h. auf osteuropäische Zeit einreguliert. Wir hatten kaum Gelegenheit, uns „frisch“ zu machen, da wurden die an den den die erste deutsche Yacht in ihrem Revier Regatten teilnehmenden ausländischen Yacht- nach dem Kriege errungen hatte hat und über- crews, die ausnahmslos schon früher eingetrof- reichten uns schon wenige Stunden nach unse- fen waren ‑ wir waren mit unserer Yacht schon rer Ankunft ein Kuchenblech mit einem großen überfällig ‑, zu einer Stadtrundfahrt gebeten. frisch gebackenen Rosinenkuchen. Abends gab Völlig übermüdet entschlossen wir uns dennoch es im Ort ein offizielles Treffen, u.a. wurde eine zur Teilnahme, haben aber an diesem Tag von hervorragende Fischsuppe gereicht. Riga nichts mitbekommen. Schon für den Fol- Am nächsten Tag ging es bei 4‑5 Windstär- Riga-Reise der STOLTERA im Jahre 1972 | 67

wittern, im Top zeigten sich wieder Elmsfeuer. Mit gerefften Segeln legten wir die 1000ste Seemeile zurück, das Skipperkommando „Be- sanschot an“ fiel jedoch aus. Nicht verheißungsvoll für uns war die Vorher- sage des Seewetterberichts, Starkwinde aus SW, der Richtung, die unserem Generalkurs ent- sprach. Deshalb gingen wir auf Westkurs, um möglichst bald unter den Schutz des schwedi- schen Festlands zu kommen und segelten auf die Nordspitze Gotlands zu. Der „Berliner Bär“ schien auf südlichen Kurs zu gehen. Überrascht waren wir jedoch, die „Blaubeere“ (Pseudonym für den blaurumpffarbenen „Bären“) wieder vor uns zu haben, nachdem wir das Salvorev vor der kleinen Insel Farö an der Nordspitze Got- lands umlaufen hatten. „Einen Motor müßte man haben“ - war die Meinung an Bord, dann hätten auch wir den engen Farösund zwischen der Insel Gotland und Farö nutzen und die Rau- kare, bizarre Korallenkalkfelsen, an den Ufern von Farö aus der Nähe betrachten können. ken auf der 2. Etappe zurück nach Riga, mit Am 17.8. hatten wir vormittags eine Position einem 1. Platz war uns der Gesamtsieg in der 10 sm östlich Ölands norra udde erreicht. Wir IOR‑Klasse III sicher, in der IOR‑Klasse I gewann die „Universitas“ der Uni Rostock. Die Yacht „Rostock“ war bei der Sturmregatta am Vortag auf ein Steinriff geraten und konnte erst nach der Schadensreparatur die Heimreise antreten. Nur wenig Zeit blieb uns zur Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der hanseatisch geprägten Altstadt. Die Domkirche, die prachtvollen mit- telalterlichen Speicherbauten, der Herder‑Platz mit dem Denkmal des deutschen Aufklärers und Philosophen, der hier lehrte, nachmittags ein kurzer Ausflug zum herrlich gelegenen Strandbad Jurmala an der Daugava-Mündung. Am Abend des 14.8., nach der Siegerehrung verabschiedeten uns die lettischen Segler mit einem kleinen improvisierten Feuerwerk recht herzlich. Der „Berliner Bär“ schleppte die „Stol- tera“ bis zur Daugava‑Mündung und mit Voll- zeug ging es bei SSE 3‑4 mit 7 kn Fahrt in die Nacht hinein. Gegen 10.00 Uhr des nächsten Tages passierten wir den Leuchtturm Kolka, das Kontrollschiff in der Irbenstraße winkte uns vorbei und bald lag die Gotlandsee vor uns. Sie empfing uns in der Nacht zum 16.8. mitGe- 68 | Riga-Reise der STOLTERA im Jahre 1972

beschlossen, durch den Kalmarsund zu segeln, Am 19.8. legten wir frühmorgens 04.15 Uhr in der eine weniger bewegte See erwarten ließ als Borgholm ab, denn berufliche Zwänge erfor- das Seegebiet östlich der Insel Öland. Bei WSW derten unsere Rückkehr bis zum nächsten Tag, 4‑5 liefen wir in den Kalmarsund ein, an Steu- einem Sonntag. Um 07.45 Uhr durchliefen wir erbord vorbei an der Felseninsel Bla Jungfrun. die neu erbaute Kalmarsundbrücke, ein impo- Gegen Abend nahm der Wind zu, leider mit santes Bauwerk, kurz darauf vorbei an Schloss einer Drehung auf SSW, so dass Kreuzschläge Kalmar. Abends Utklippan, nachts kamen die gegen die sich im schmaler werdenden Sund Feuer von Christiansoe und Hammerodde auf verstärkende Strömung unausbleiblich waren. Bornholm in Sicht. Die „Stoltera“ machte bei Ein reger werdender Schiffsverkehr, eine Ver- NNW 4 7‑8 kn Fahrt. Gegen 10.00 Uhr des 20.8. schlechterung der Sicht und ein schwächelnder tauchte an der Kimm die Halbinsel Bord‑Akku, der die Positionslampen nur noch auf, um 13.15 Uhr machten wir in Saßnitz zur glimmen ließ, zwangen uns, einen Hafen an- Pass‑ und Zollkontrolle fest. Um 16.00 Uhr zulaufen. Ohne Detail‑Kartenmaterial an Bord legten wir wieder ab, bei NW 5 war das Nord- schien uns Borgholm auf Öland als Nothafen perd schnell erreicht, 18.30 Uhr Landtiefrinne, geeignet. Kurz nach Mitternacht passierte die 19.45 Uhr Tonne Greifswald, 20.25 Uhr mach- „Stoltera“ die Hafenmole, doch etwa 2 Boots- ten wir an unserem Liegeplatz in Wieck fest. längen von der Pier entfernt, saßen wir fest; Eine ereignisreiche Seereise über 20 Tage mit also Schlauchboot klar machen, eine Leinen- einer gesegelten Gesamtdistanz von 1422 sm verbindung schaffen, bis wir um 01.00 Uhr des einschließlich einer erfolgreichen Regattateil- 18.8. neben einem kleinen hölzernen Fracht- nahme hatte ihr Ende gefunden. segler festmachten. Durchnässt und ermüdet nach vier Tagen auf See müssen wir auf den Carl‑Eduard Völcker schwedischen Eigner und seine Frau wohl ei- nen ziemlich bemitleidenswerten Eindruck ge- macht haben, denn sie bereiteten uns gleich eine Thermoskanne mit heißem Tee, den wir dankbar herunterschlürften. Noch in der Nacht wurde unser Bord‑Akkumulator zum Aufladen abgeholt, mangels Devisen konnten wir die Dienstleistung allerdings nur „flüssig“ beglei- chen. Am Tage einige kleinere Reparaturarbei- ten, ein Spaziergang durch die Inselhauptstadt Borgholm und zur nahe gelegenen Schlossrui- ne, gegen 17.00 Uhr wurde der Akku gebracht, dann hieß es ausschlafen! 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee | 69

tag beginnt man keine Seereise! Die „PRINCESS“ ist nun für die nächsten Monate unser Zuhause. Es ist herrliches Wetter, aber noch ganz schön kalt und die Eisheiligen kommen erst noch!! Zum Eingewöhnen segeln wir erst einmal nach Seedorf. Unsere Freunde kommen auch dorthin und wir veranstalten noch eine Abschiedsparty.

Montag, 08.05., geht es dann weiter bei wun- derschönem Wetter, aber wie gesagt noch sehr kalt. Durch das Landtief müssen wir kreuzen, laufen bis und sind einziger Gastlieger Der 2. Törn zum im Hafen. Dienstag wandern wir zur Stubben- kammer und weiter nach und erfreuen nördlichsten Punkt uns an der schönen frühlingsfrischen Land- schaft. Man kann nicht immer nur segeln und der Ostsee an Bord sitzen, man muss sich auch bewegen. Der erste Langzeittörn der Und so eine Waldwanderung tut richtig gut. SY „PRINCESS“ Sommer 2006 Wir haben uns sowieso vorgenommen, bei die- ser Reise ohne den früher üblichen Zeitdruck nicht nur das Segeln zu genießen, sondern Bei unserem Törn 1999 nach Haparanda glaub- auch mehr Zeit an Land zu verbringen, denn es ten wir, den nördlichsten Punkt der Ostsee er- gibt soviel zu entdecken und zu erleben. Und reicht zu haben. Aber das erwies sich als falsch. damit beginnen wir schon hier! Es gibt noch einen nördlicheren Punkt – Töre- Mittwoch, 10.05., legen wir ab bei nördlichem hamn. 1999 reichte die Zeit (6 Wochen) nicht Wind mit Ziel Lange Ort auf Hiddensee. Das aus, diesen Punkt noch zu besuchen. Wasser hat 6° 0C, es ist hundekalt, aber die Sonne wärmt mit der Zeit doch ein bisschen. In diesem Jahr können wir segeln ohne Zeit- Wir sind mit- druck, denn Jutta, meine Frau und Mitseglerin, tags das einzige hat ihre aktive Arbeitsphase beendet. Und was Schiff im Hafen. liegt näher als sich noch einmal den nördlichs- Auch hier legen ten Punkt der Ostsee als Reiseziel vorzuneh- wir einen Hafen- men. tag ein, besuchen Nun haben wir aber nicht den direkten Weg alte Freunde auf gewählt, sondern, da wir ja unabhängig sind, der Insel und ge- wollen wir Schweden auch einmal von West nießen das noch nach Ost durchfahren. Die Ost-West-Route ziemlich leere durch Göta- und Trollhättekanal absolvierten „söte Lännecken“. wir schon einmal vor sechs Jahren. Freitag, 11.05., Heute legen wir 07.00 Uhr ab Unsere „PRINCESS“, eine HANSE 331, ist in und bei W-SW 3-4 geht es über den „Teich“ gutem Zustand und auch gut ausgerüstet, zu- nach Skanör. Es ist ein herrlicher Segeltag und sätzlich mit einem Drucker fürs Notebook, um wir sind 17.30 Uhr endlich wieder in Schwe- schöne Fotos gleich ausdrucken zu können, und den. Jutta hatte noch ihre Sprachkenntnisse einer sich selbst ausrichtenden Satellitenan- etwas aufgefrischt und brennt nun darauf, sie tenne, denn auf die Fußballweltmeisterschaft auch anzuwenden. Da für die nächsten Tage wollen wir nicht ganz verzichten. Starkwind angesagt ist, fahren wir gleich am Sonnabend, 12.05., weiter nach Limhamn. Der Wir gehen Freitagabend, den 05. Mai an Bord. Wind dreht von W auf NW, lässt aber nach und Gestartet wird Sonnabend, denn an einem Frei- wir müssen durch die Öresundbrücke mit einem 70 | 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee

Gegenstrom von bis zu 2,3 kn kämpfen! Müs- die wichtigsten Fakten. Von den Fährgesell- sen den Motor zu Hilfe nehmen. Das Hafenkon- schaften, die sich in den Hallen präsentieren, tor ist noch nicht besetzt und wir bezahlen die bekommen wir Freikarten für die Fähre nach Liegegebühr im Hafenkiosk. Dänemark, die wir auch gleich nutzen. Einmal Wie vorhergesagt beginnt es Sonntag aus NW gratis zum Bummeln und Kaffeetrinken nach zu stürmen und die Wanten heulen. Wir fahren Helsingör! Da vergisst man selbst das schlechte mit dem Bus nach Malmö. Auf dem Bahnhof Wetter. erleben wir unsere erste Überraschung: Eine An den nächsten Tagen verfolgen wir die Ber- deutsche Fahne vor einem Bäcker – es ist eine gung eines Fischkutters im Yachthafen, der Filiale der Bäckerei Mudrick aus Baabe auf Rü- an einem Schwimmsteg angebunden war und gen! Wir trinken hier natürlich einen Kaffee, diesen mit unter Wasser gezogen hatte. Dieses essen deutschen Kuchen und erzählen mit der Unternehmen dauert drei Tage und erfordert Verkäuferin. Sie wechselt sich mit einer Kolle- mehrere Tauchgänge des Tauchers, ehe man gin im 14-tägigen Rhythmus ab. Und wie ist den Kahn mit Hilfe von Fässern, in die Luft ge- es mit der Sprache? Einen Kurs hat sie nicht pumpt wurde, an die Oberfläche befördert. besucht. Aber die Kasse zeigt die wichtigsten Das Barometer fällt in den Keller – 987, steigt schwedischen Bezeichnungen an und ansons- steil an, fällt wieder. Starkwindwarnungen für ten „learning by doing“! Übrigens werden jeden Skagerrak, Kattegatt, Belte und Sund…..So geht Morgen frische Brötchen, Brot und Kuchen von es Tag für Tag. Wir erkunden indes per pedes Baabe nach Malmö gebracht! die Umgebung von Helsingborg. In der Stadt Auch die nächsten Tage ist es mehr als unge- grüßt uns mittlerweile jeder Pflasterstein! mütlich, Wind feucht und hundekalt. Nachts Endlich, am Sonnabend, den 27.05., legen wir mummeln wir uns noch zusätzlich in zwei wieder ab. Über Falkenberg, und Varberg segeln Decken. Am nächsten Tag flüchten wir wieder wir nach Göteborg. Ein schwedisches Segler- nach Malmö und sehen uns u. a. auch den „Tur- ehepaar in Varberg freut sich sehr, als wir ihnen ning Torso“ an, das höchste Bauwerk Schwe- noch einige Insidertipps für ihren Törn in den dens, das 190 m hoch und um 90° gedreht ist Greifswalder Bodden geben. und 54 Stockwerke enthält. Man sollte denken, dass es Ende Mai eigent- Dienstag, 16.05. „Am Tag, als der Regen kam…“ lich schon angenehm warm sein sollte. Weit schreibt Werner in sein Tagebuch ein. Es weht gefehlt! Donnerstag, 30.05., sind morgens ein kalter Wind und es regnet fast ununterbro- 06.45 Uhr nur 7° C im Cockpit. Ob wir wohl chen den ganzen Tag. noch mal aus dem „Nordpol - look“ rauskom- Mittwoch, 17.05. Der Wettergott hat unser men? Der Wind nimmt zu, natürlich von vorn Flehen erhört und beschert uns eine Lücke, die und kurz vor Göteborg haben wir „Weltunter- wir nutzen, um nach Helsingborg zu segeln. gangstimmung“ – kohlrabenschwarzer Himmel Wir kommen uns vor wie Arved Fuchs, dick ein- und Regen, dass man nichts mehr erkennen gemummelt, denn 7° C Wasser- und 8°C Luft- kann. Wir legen aber dann doch wohlbehal- temperatur sind noch recht „eisheilig“. ten in Göteborg–Långedrag an. Wir haben uns Über die nächsten 10 Tage kann man nur den einige schöne Tag über Pfingsten in Göteborg Kopf schütteln und fragen: Was haben wir ver- gemacht, denn wir wollen durch den Göta Älv brochen? Es stürmt aus nördlichen Richtungen, und Trollhättekanal zum Vänern und flussauf- meist noch mit Regen verbunden und weiter- wärts fahren bei einem Gegenwind von 6-7 Bf hin ziemlich kalt. Da wir ja eigentlich Zeit ha- und 2,5 kn Strom von vorn ist nicht so lustig. ben, wollen wir nun auch nicht gerade bei dem Dienstag, 06.06., – dem schwedischen Na- Wetter gegenan prügeln. Aber eine so lange tionaltag - haben wir den Wind immer noch Zeit haben wir natürlich nicht eingeplant. von vorn, aber nicht mehr so stürmisch, dazu In der ersten Woche findet der Tag des offenen Sonnenschein und so laufen wir 06.40 Uhr aus. Hafens statt und wir nutzen diese Gelegenheit. 14.00 Uhr erreichen wir in Lilla Edet die erste Busse fahren zum und durch das Hafengelän- Schleuse. Nun beginnt wieder das „Abenteuer de und eine Reiseführerin informiert uns über Schleusen“. 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee | 71

In den vergangenen sechs Jahren ein bisschen bringt uns gut voran. Wir laufen nach Spiken. aus der Übung gekommen erwischt es uns in Hier gibt es herrlichen Fisch in allen Variati- der ersten Schleuse kalt. Wir sind alleine in der onen. Außerdem machen wir einen schönen Kammer und können beim Hineinfahren nur Spaziergang zu Schloss Läckö. mit dem Bug die Leiter erreichen zum Festhal- Dann geht es über Mariestad weiter nach ten, das Heck treibt aufgrund der beim Schleu- Sjötorp, dem Beginn des Götakanals. Hier sen einsetzenden Strömung ab. Als wir oben muss man vor Eintritt in den Kanal bezahlen, ankommen, fragt uns der Schleusenwärter, ob und zwar für unser Schiff 4300 SEK, das sind wir wohl wieder zurück wollen! Allgemeines ca. 477 Euro. Ein stolzer Preis! Man bekommt Gelächter! Eigentlich ist das Schleusen in den eine so genannte Erlebniskarte. Diese berech- großen Kammern problemlos, wenn man das tigt, neben einigen Rabatten in einzelnen Re- Boot an Bug und Heck durch Fassen der Leitern staurants und Shops, zur kostenlosen Benut- und der Haken in den Schleusenwänden mit zung aller Serviceeinrichtungen (WC, Dusche, Leinen bzw. Bootshaken während der Schleu- Waschmaschine) und zum gebührfreien Liegen sung am Platz hält. in den Kanalhäfen für jeweils fünf Tage. Aber Die nächsten fünf großen Schleusen im Troll- wer macht das schon? Wir bezahlen die Kan- hättekanal meistern wir, obwohl immer alleine algebühr und übernachten aber in Sjötorp ne- in der Kammer, ohne Schwierigkeiten. Aber es dre vor der ersten Schleuse, das kostet 100 SEK, ist schon ein eigenartiges Gefühl als „kleines“ da dieser Hafen noch nicht zum Kanal gehört! 10m–Schiff in so einer großen Kammer, die für Eigentor!!! Nach einem ausgiebigen Spazier- Frachtschiffe konzipiert ist, allein zu schleusen. gang mit Schleusenbesichtigung bereiten wir das Schiff für das Schleusen vor. Richtig abfen- Übernachtet haben wir in Åkersvass, im Vorha- dern, vorn eine Rolle anbringen, damit die Vor- fen einer alten Schleusentreppe. Hier ist es sehr leine nach achtern auf die Winsch umgelenkt schön ruhig und man kann die alten Schleu- werden kann. senbauwerke besichtigen. Dienstag, 13.06., Ein Tag, der besser nicht sein Mittwoch, 07.06., wieder nur 6° C, aber sonst kann für den Beginn unseres zweiten Schleu- schöner Himmel und ein bisschen Nebel in der senabenteuers in diesem Jahr: Wie schon seit Flussniederung. Wir laufen um 06.45 Uhr aus, Tagen blauer Himmel und wenig Wind. Wir um die Schleusentreppe zu bezwingen. Geht laufen 09.00 Uhr in die erste Schleuse ein und diesmal ganz leicht. Vor der vierten Schleuse werden von zwei netten jungen Mädchen be- muss bezahlt werden. Jutta löhnt 730 SEK, das grüßt, die uns auch gleich die Leinen abnehmen. sind 130 mehr als im Jahr 2000. Gegen 11.00 Und schon geht es aufwärts. Bei den nächsten Uhr passieren wir Vänersborg und segeln wie- Schleusen muss Jutta immer vor der Schleuse der bis zu dem kleinen Seglerhafen Sunnanå mit den Leinen abspringen, was sie aber ganz umgeben von herrlicher Natur an der Westseite prima macht. Nach den ersten 8 Schleusen des Vännern. Am nächsten Morgen ist Wind- machen wir Schluss, es ist einfach zu warm im stille und wir bleiben hier, packen die Fahrrä- Kanal, in der Kajüte sind 30° C und draußen der aus und fahren in den nächsten Ort nach 29. In Lyrestad liegen wir an der Gästepier und Mellerud. Im Tourist Büro fragen wir unsere verbringen den Nachmittag entsprechend dem e-mails ab und verschicken wieder einige Grü- Wetter mit Sonnen, Baden, Eiskaffee trinken ße. In fast allen Tourist Büros hat man 15 min und kurzen Spaziergängen. kostenlosen Zugang zum Internet. Das haben Am nächsten Tag ist der Himmel bedeckt, es ist wir immer genutzt! nicht ganz so warm. Da geht es leichter durch Freitag, 09.06., gleicht der See auch einem die 11 Schleusen, die wir uns vorgenommen Spiegel. Also machen wir unseren Fernseher haben. 14.00 Uhr sind wir in Vassbacken an der scharf und sehen uns das Eröffnungsspiel der Brücke fest. Nun haben wir nur noch 20 cm Fußball - WM an. zu steigen, dann geht es wieder abwärts. Wir Sonnabend, 10.06., fahren wir weiter bei leich- liegen hier 91,60 m über dem Meeressspiegel. tem Wind. Aber unsere große Genua mit 50m² Es ist ein sehr schöner Platz und es gibt eini- 72 | 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee

ges anzusehen. Deshalb verweilen wir hier ein gibt es nur einen Hafenkiosk, wir müssen aber paar Tage. Wir fahren mit den Fahrrädern nach einen größeren Einkauf starten. Moholm, nach Töreboda und setzen dort mit Unser nächster Hafen ist Mellanfjärden. Bei der kleinsten Fähre Schwedens (eine Seilfähre) 6 Bf legen wir an. Es ist immer gut, wenn es über und erleben eine Schulabschlussfeier mit. dann beim ersten Mal klappt – und es hat In Jonsboda lernen wir Dorothea und Gernot geklappt! Wir machen noch eine Wanderung kennen. Beide kommen aus Sachsen-Anhalt, durch den Ort und viele Bilder von der schönen sind nach Schweden ausgewandert wegen Landschaft. Jutta schwatzt mit einem Schwe- Arbeitslosigkeit und betreiben nun ein kleines den, der Hollywoodschaukeln mit kardanisch Café im Götakanal. aufgehängtem Tisch baut und uns gleich ein Das Abwärtsschleusen ist ja ein Kinderspiel. Nur Exemplar verkaufen will. Leider viel zu groß der Kanal hat so seine Tücken. An der engsten zum Transportieren auf einem Segelboot. Nach Stelle soll man ein Hornsignal geben, damit der einem Plausch mit unseren netten Nachbarn Gegenverkehr gewarnt wird und wartet. Haben geht ein schöner Tag zu Ende. wir auch gemacht, aber als wir mittendrin sind Am nächsten Morgen segeln wir bei gutem tutet ein Dampfer! Ich kann nur noch Gas ge- Wind nach Härnösand. Hier beginnen die be- ben, um schnell durch die enge Stelle zu kom- rühmten Höga Kusten, die zum Weltkulturerbe men. Wir haben es gerade so geschafft. gehören. Der Hafen ist entsprechend voll, aber Auf dem Vättern können wir wieder segeln bis wir fädeln uns noch zwischen einem Finnen zur Kanalmetropole Motala. Hier besuchen wir und einem Schweden ein. Dies ist gar nicht so u. a. das Kanalmuseum und die Grabstelle des einfach, denn es läuft ein starker Strom und Kanalerbauers Baltzar von Platen. der Wind kommt aus derselben Richtung. Der nächste Höhepunkt ist die Schleusentreppe Hier in Härnösand erleben wir im Hotel gegen- Berg. Hier feiern wir Mittsommer. Wir besuchen über im Sessel sitzend zusammen mit unseren Linköping mit seinem berühmten und sehr in- Nachbarn das Finale der Fußballweltmeister- teressanten Museumsteil „Gamla stan“. schaft. Die Dame von der Rezeption serviert Dann geht es weiter bis Söderköping, auch eine uns sogar Kaffee, Tee und Kekse! interessante Stadt, die es zu erkunden gilt. Am Dienstag, 11.07., fahren wir in Richtung Am Donnerstag, 20.06., verlassen wir den Ka- Höga Kusten–Brücke, um noch einige Bilder nal. Die 16 Tage im Götakanal waren ein Erleb- zu machen, und dann weiter durch die Schä- nis und trotz „nur Motorfahrt“ nie langweilig. renberge bis Norrfällsviken, einem kleinen geschützten Hafen in einer Bucht. Der kleine Aber nun sind wir wieder auf See und können Ort mit den hübschen roten Fischerhäusern frei segeln. Die Reise geht über die idyllische am Hang (heute meist als Urlaubsunterkunft Schäreninsel Snedskär im Arkösund und Ny- genutzt) ist eine Augenweide. Wir besuchen näshamn nach Norrtälje. Hier bleiben wir einen das kleine von der EU beim Aufbau geförderte Tag und erkunden die schöne kleine Stadt. Museum und genießen in der Fischgaststätte Mittwoch, 05.07., laufen wir 06.45 Uhr aus. Lei- unser Abendbrot. der ist wenig Wind und es geht nur sehr lang- Am nächsten Morgen beim Auslaufen kommt sam vorwärts. Wir passieren 13.40 Uhr den 60. ein Schwede auf den Steg gelaufen und Breitengrad und entschließen uns aufgrund der warnt uns vor zu viel Wind. Hier in der Bucht ruhigen Wetterlage, die Nacht durch zu segeln. ist nichts davon zu merken. Wir binden zwei Anfangs geht es auch ganz gut, aber später Reffs ein und segeln im Innenfahrwasser nach baut sich bei zunehmendem O-SO-Wind eine Örnsköldsvik. Aber auch innen ist es zeitwei- ganz schöne Welle auf, so dass an Schlaf nicht se ganz schön ruppig. Der Hafen ist brechend mehr zu denken ist. Wir kommen gut durch die voll und wir müssen vor dem Hafen am Steg Söder Kvarken und stehen Mitternacht drei sm liegen, glücklicherweise aber in einer Box. Am vor dem 61. Breitengrad. Nach dem Wetter- nächsten Morgen viel Wind und Regen, also bericht am Morgen laufen wir noch 15 sm an Hafentag. Am Nachmittag klart es auf und Hölick vorbei weiter nach Hudiksvall. In Hölick steigen wir auf den Varvberget und haben ei- 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee | 73 nen tollen Blick auf die Höga Kusten. An den und weist uns ein. Küche mit allen elektrischen Hängen befinden sich fünf Skisprungschanzen. Geräten, Internet, Dusche, Waschmaschine im Der Auslauf ist mit Matten belegt und führt Vereinsklubhaus und nur 40 SEK pro Nacht in teilweise bis in die Stadt. Ein imposantes Bild. die Vereinskasse. Wir haben das Gefühl, je wei- Es gibt auch einen Sessellift „für Lauffaule“. Wir ter wir nach Norden kommen, umso aufmerk- genießen lieber die frische Luft beim Auf- und samer, freundlicher und aufgeschlossener wer- Abstieg durch den Wald. den die Menschen. Sie freuen sich, dass wir den Über Husum, wo wir ein Boot aus Greifswald Weg in ihren abgelegenen Hafen gefunden ha- treffen, laufen wir in die Västra Kvarken bis ben. Am nächsten Morgen bin ich ganz schön an die Nordspitze von Holmön. Auch in dem müde, nach den 16 Stunden gestern ging es ja kleinen Hafen Byviken erleben wir wieder Na- noch lange nicht in die Koje. Das Barometer tur pur. Wir machen einen Spaziergang um die fällt steil nach unten – 16 Strich seit gestern, Spitze der Insel. Es ist kaum zu beschreiben, wie es gibt Windwarnung und wir bleiben Wetter schön es hier ist. bedingt zwei Tage hier in Kåge und genießen Aber lange verweilen können wir nicht, wir die Gastfreundlichkeit. wollen ja noch bis an den nördlichsten Punkt Am Mittwoch, 19.07., laufen wir 05.40 Uhr der Ostsee. Das ist noch ein weiter Weg und so aus und frühstücken wieder unterwegs. Es ist wird es morgen wieder ein langer Tag. Segeln vom Feinsten. Nur die Wege durch die Wir legen 05.30 Uhr ab, frühstücken auf See Steine (habe noch nie so viele Steine gesehen und passieren 09.01 Uhr den 64. Breitengrad. wie hier) stellen doch ganz schöne Ansprüche Unter der Küste laufen fünf Segler nach Süden, an unsere Navigationskünste. Die Tonnen und nach Norden sind wir alleine unterwegs. Pricken sind sehr sparsam verteilt, wir müssen Zum Schluss ist es noch ein komplizierter Weg öfter ganz schön suchen bis wir die passende durch die Steine. Doch es hat sich gelohnt, wir Pricke haben, da das Licht so stark blendet. erreichen nach 16 Stunden auf See einen ru- 18.00 Uhr sind wir aber dann im Stadthafen higen sicheren Hafen - Kåge, in dem wir trotz von Luleå fest. Auch diese Stadt bietet einiges, später Stunde ganz herzlich empfangen wer- das man sich ansehen und erleben sollte. den. Ein freundlicher Mann winkt uns an den Am Freitag, 21.07., kommt das Finale. Wir wol- besten Platz mit Strom und Wasser am Steg len heute nach Törehamn! Wir laufen wieder 74 | 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee

zeitig (05.45 Uhr) aus, bei NO 3 müssen wir viel Unser Nachbarehepaar kommt aus Werder kreuzen und erreichen 12.45 Uhr die berühm- und das Schiff, die KALISTO, liegt in Kröslin. So te gelbe Tonne in Törehamn, den nördlichsten haben wir eine Menge zu erzählen. Nach dem Punkt der Ostsee bei 65° 54,07 N und 22° 39,00 Abendbrot stoßen wir auf Törehamn an und E, also 8 sm nördlicher als Haparanda. klönen. Es wird die ganze Nacht nicht dunkel. Ich fahre langsam an die Tonne heran, Jutta Am nächsten Morgen, noch ein wenig müde, entert sie, holt ein Formular aus dem Brief- fahren wir weiter nach Haparanda. Seit unse- kasten heraus, füllt es aus und legt es wieder rem letzten Besuch 1999 hat sich hier nicht viel zurück. Ich photographiere und halte mit der verändert. Der Gästesteg wurde ein wenig ver- Videokamera den historischen Augenblick fest. längert, es ist am Hafen noch ein Campingplatz Mal sehen, ob wir das angekündigte Zertifikat entstanden und der Dusch- und Saunaraum im bekommen. (Anm.: Wir bekamen es ein Jahr „gelben Haus“ wurde modernisiert. Wir besich- später!) Dann fahren wir langsam in den Ha- tigen alles und finden auch unseren Bootswim- fen, denn es ist hier sehr flach. Ein Schiff liegt pel wieder, den wir 1999 hier angehängt haben. schon im Hafen an Steg und der Skipper hilft Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus nach uns beim Anlegen, denn es ist hier doch alles Haparanda Stadt und wandern auch in den fin- schon sehr marode. Die sanitären Anlagen und nischen Teil Tornio hinüber. Wieder zurück in das Hafenkontor sind geschlossen. Es sieht alles Haparandahamn besichtigen wir noch das klei- ne Fischereimuseum auf der Mole.

Montag, 24.07. Nun beginnt der Rückweg. Wir laufen 97 sm direkt durch bis Kåge und legen dort 22.45 Uhr im Hafen an. Wieder ein langer Tag – über 17 Stunden auf dem Wasser. Wir er- leben aber während der Fahrt das tolle Schau- spiel der abendlichen Himmelsfärbungen. Man meint, der Himmel brennt im Westen dafür fin- det man im Osten zarte Pastelltöne. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, unter einem solchen Himmel auf dem Wasser zu sein. Unsere Fotos werden für Außenstehende vielleicht kitschig erscheinen, aber es ist die Wirklichkeit. Dagegen ein trauriger Augenblick bei 65° 04,24 N und 22° 09,21 E, als wir eine tote Robbe im Wasser treibend entdecken. Von Kåge geht es weiter nach Ratan, einem kleinen Ort mit einer großen Geschichte: Am 20. August 1809 drei Uhr nachmittags sehr verlassen aus und es scheint sich keiner verwandelte sich Ratan in ein Schlachtfeld. mehr darum zu kümmern. Gleich hinter dem Russen unter General Nikolaj Kamenskij und Hafen befindet sich aber ein Campingplatz, Schweden unter General Gustav Wachtmeister wo man sanitären Service findet. Wir packen lieferten sich bei Ratan eine Schlacht, die in nach einem Informationsgespräch mit unseren die Geschichte als „Affäre von Ratan“ einging Nachbarn die Fahrräder aus und fahren in den und die die letzte auf schwedischem Boden Ort. Haben schon schönere Orte gesehen auf war. Außerdem befinden sich auf Ratanskär unserer Reise! Aber es ist eben etwas Beson- die älteste Bake und die berühmten Wasser- deres, wenn man den nördlichsten Hafen er- standsmarken aus dem 18. Jahrhundert. Ein reicht hat, dann ist alles andere Nebensache. Mareograph verfolgt das Sinken des Meeres- Natürlich muss Jutta am nördlichsten Punkt piegels bzw. das Wachsen des Landes (pro Jahr der Ostsee baden! ca. 8 mm). 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee | 75

Von Ratan fahren wir über Holmsund-Pa- also die LiMa aus und bringen sie persönlich zur tholmsviken (südlich von Umeå), Husum und Kontrolle in die Werkstatt. Die Beschaffung von Härnösand nach Sundsvall. Sundsvall ist eine Ersatz für die wahrscheinlich defekten Dioden sehr schöne Stadt, die seit Beginn dieses Som- dauert zwei Tage. Wir erkunden inzwischen die mers eine neue Marina besitzt, die den alten Umgebung von Mariehamn mit dem Fahrrad. viel zu kleinen Gästehafen abgelöst hat. Trotz neuer Dioden funktioniert die LiMa nicht. Noch sind Toiletten, Duschen und Waschma- Wir müssen nun über das Wochenende war- schine in einem provisorischen Container un- ten, ehe das Ersatzgerät geliefert wird, da eine tergebracht, jedoch soll die Marina im nächs- vorhandene LiMa nicht in den Motor passt. Am ten Jahr fertig sein. Wir bleiben noch einen Tag Montag holen wir die neue LiMa ab, bauen sie hier und fahren dann weiter über Hölick und ein und oh Wunder – sie arbeitet! Die vergan- Norrsundet nach Grisslehamn. Bei Hölick tref- genen 8 Tage war Bilderbuchwetter und Diens- fen wir auf über 20 Robben, die uns neugierig tag, wo wir nun endlich weiter wollen, stürmt beäugen und ein Stück des Weges begleiten. und regnet es! Das kompensiert den Gedanken an die tote Mittwoch, 16.08., fahren wir dann aber weiter Robbe, die wir weiter nördlich sahen. bei 5 Bf aus Südost bis Süd. Über die Ålandsee Der Hafen von Grisslehamn hat sich etwas ist es eine schnelle Reise und wir können mal verändert, man kann jetzt auch an der Hotel- wieder nicht genug kriegen und laufen durch brücke als Nichthotelgast liegen. Hier sehen bis Bullandö – 68 sm. Natürlich müssen wir wir das erste Mal in diesem Jahr mit Algen ver- zum Schluss wieder kreuzen, wie kann es an- schmutztes Wasser, dicke grüngelbe Brühe! Wir ders sein. 05.10 Uhr aus- und 18.45 eingelau- wandern abends noch zu dem anderen Hafen, fen – wieder ein langer Tag. aber es wird hier schon wieder ziemlich schnell Am nächsten Morgen will ich erst im Hafen dunkel. Die hellen Nächte sind vorbei – scha- bleiben, aber wir müssen weiter, unsere Freun- de. Die Nächte werden von Tag zu Tag wieder de in Västervik warten schon lange auf uns. Die dunkler und länger. Es geht um so schneller, je Voraussetzungen sind nicht die besten, SW 4-5, weiter wir nach Süden kommen. dann 5 Bf. Also hartes Kreuzen angesagt und Montag, 07.08., laufen wir 06.45 Uhr aus bei der Wind dreht auch noch immer mit, wenn das Südwind. Wir wollen aber nicht wieder kreu- Fahrwasser abbiegt. Wo man eigentlich schön zen, wenn es auch anders geht. So entschei- anliegen könnte, geht das Kreuzen weiter. den wir nach dem Frühstück statt an der Küste Mit uns laufen noch vier Segler südwärts, aber entlang zu kreuzen nach Mariehamn zu segeln. ca. 100 kommen uns entgegen. 17.40 Uhr sind Es ist ein wunderschönes Segeln und 14.50 Uhr wir in Nynäshamn fest. Am nächsten Morgen sind wir da. Beim Anlegen mit dem Volvo, zwei fahren wir mit dem Zug nach Stockholm, das Meter vor der Brücke, gibt es plötzlich einen ist besser als kreuzen. Wir lassen die Stadt mit Piepton und die Lichtmaschine gibt ihren Geist ihrem bunten Treiben auf uns einwirken und auf. Nach dem Anlegen untersuche ich erst ein- gehen am Abend noch schön essen. mal, ob der Riemen kaputt oder locker ist. Das Am nächsten Tag geht es weiter nach Sneds- konnte ich mir zwar nicht vorstellen, aber man kär und dann nach Västervik. Der Hafen ist fast weiß ja nie. Äußerlich ist aber alles in Ordnung. leer, wir haben einen guten Platz und gehen Also rufen wir am nächsten Morgen bei der gleich los zum Boot von Gunilla und Hugge. Es Volvowerkstatt an. (Jutta besteht den „techni- gibt ja so viel zu erzählen und wir haben zwei schen Schwedischtest“). Ein Monteur kann erst Tage gefeiert. Mit unserem „Borddrucker“ pro- am Donnerstag kommen, aber heute ist Diens- duzieren wir gleich Bilder, die wir zum Abschied tag! Nun ist Mariehamn eine schöne Stadt und übergeben. Das war eine tolle Überraschung. man kann sich die Zeit mit dem Besuch von Weiter geht es dann über Oskarshamn, Bor- vielen interessanten Museen einschließlich der gholm und Kalmar nach Kristianopel. Der Ha- „POMMERN“ und Spaziergängen usw. vertrei- fen hat ein neues Sanitärgebäude bekommen. ben, aber ohne Klarheit über den Zustand der Mein Bruder holt uns ab und wir verbringen Lichtmaschine habe ich keine Ruhe. Wir bauen den Rest des Tages auf seinem Grundstück 76 | 2. Törn zum nördlichsten Punkt der Ostsee

Sonntag, 27.08. Karlskrona ist unser nächstes Das Wetter ist einmalig schön und wir drehen Ziel. Das Wetter wird jetzt doch unbeständiger noch eine große Boddenrunde, um unser Hei- und es kündigt sich Sturm an. (In Deutschland matrevier wieder in Augenschein zu nehmen. haben sie ja im Gegensatz zu uns hier schon Einige Tonnen haben sich verändert im Land- seit Wochen schlechtes Wetter) Karlskrona ist tief und an Palmer Ort. Nach 36 sm sind wir eine geschichtsträchtige Stadt und man kann wieder in Seedorf, dem ersten Gasthafen am hier ruhig ein paar Tage bleiben. Wetter be- Beginn unserer Tour. Wir radeln am nächsten dingt werden es auch ein paar Tage! Aber wir Tag noch einmal über nach Baabe an unternehmen viel, besuchen einige Museen, den Strand, gehen baden und besuchen auch waschen noch mal Wäsche und schlagen nicht den Bäcker Mudrick, essen an der Promenade nur die Zeit tot. Mittag, fahren weiter zum Hafenbollwerk und Am Freitag, den 01.09. kreuzen wir dann nach setzen mit der Fähre über nach Moritzdorf. Auf Simrishamn bei ziemlich ekligem Wellengang. der Moritzburg genießen wir bei Kaffee den Hier liegen schon etliche Schiffe, die wegen des herrlichen Ausblick, dann geht es zurück nach Wetters nicht weiter kamen. An diesem Wo- Seedorf. Ein schöner Tag auf Rügen ehe wir am chenende findet das „Simrishamns Trollinng“ 14.09. Seedorf um 09.30 Uhr verlassen, um un- statt und es liegen Massen von Motorbooten seren langen Sommertörn zu beenden. mit vielen Angeln ausgerüstet aus Dänemark Jutta segelt bei wunderschönem Wetter mit und Schweden im Hafen, die am Wettkampf wehmütigem Gesicht die „PRINCESS“ nach teilnehmen. Hause. In Wieck hat uns Jürgen empfangen. Wir packen unsere Fahrräder aus und kämp- Die Heimat hat uns wieder! fen uns bei 6 Bf von vorn bis Glimmigehus. An manchem Berg müssen wir schieben. Über 2546 sm liegen im Kielwasser der „PRINCESS“ Skillinge, wo wir im Hamnkrog gut zu Mittag in diesem Segelsommer. Abgesehen von Wet- essen, fahren wir dann zurück. ter bedingten Hafentagen und der Wartezeit Am Sonntag ist in Simrishamn Wahlkampf. Der auf eine neue Lichtmaschine (insgesamt 38 unterscheidet sich nicht wesentlich von dem in Tage), an denen wir aber nicht Trübsal geblasen Deutschland. haben, sondern uns viel angesehen und auch Wir sitzen 5 Tage hier fest, ehe wir weiter nach viele nette Leute kennen gelernt haben, war es Hasle auf Bornholm segeln, um dort auch wie- ein sehr schöner Sommer. der drei Tage zu liegen. Ursprünglich wollten Die Fahrt durch den Götakanal von West nach wir noch nach Hiddensee, aber der Wind ist Ost ist nicht so anspruchsvoll bzw. arbeitsin- dagegen! Wir unternehmen eine Fahrt nach tensiv wie die Ost-West-Querung, da man hier Rønne, eine nach Allinge, so wird die Zeit nicht mehr ab- als aufwärts schleust. Kanalfahrten lang. Auf Bornholm sind wir ja auch schon so bedeuten aber auch wesentlich mehr Motor- gut wie zu Hause. Aber wenn das Wetter nicht stunden als bei einem „normalen“ Segeltörn. mitspielt, muss man eben warten. Nun heißt es, sich wieder an das „zivile“ Leben, Wir fahren am 10.09. von Hasle weiter in den den deutschen Alltag gewöhnen. Jutta fällt das Bodden nach Gager. Auch Gager hat sich seit besonders schwer. Aber wir haben den nächs- dem letzten Jahr verändert. Vor der neuen ten langen Sommer schon wieder vor Augen Lachsräucherei gibt es jetzt Schwimmstege mit und beginnen gleich mit der Planung. Bojen für 40 Schiffe. Auch hier erkunden wir per Fahrrad die Umgebung, fahren über Lobbe Werner u. Jutta Loose nach Göhren zum Kaffee trinken, dann nach Oktober 2006 Thiessow zum Hafen (Mittag, natürlich Fisch im Hafenrestaurant). Anschließend Strandgang mit Bad. Gegen 18.00 Uhr sind wir wieder an Bord. Und zum Abschluss essen wir fürstlich in der Lachsmanufaktur Abendbrot, schließlich ist es ja fast das Ende unseres Langzeittörns. Indigos Reise nach Bergen | 77

So gerüstet, starteten wir am 8. Juni in Wieck und beendeten die Reise am 10. Juli am glei- chen Ort. In dieser Zeit legten wir 1401 sm zurück und machten in 18 Häfen fest. Nun im Einzelnen. In drei kurzen Etappen erreichten wir die Hä- fen Lohme, Falsterbo-Kanal, und Helsingborg. Dann folgte der erste große Schlag mit gut 250 sm nach Mandal. Kattegatt und Skagerrak hatten für uns Winde von W nach SE und zu- rück auf SW mit 3-7 Beaufort bereit, so dass uns eine stürmische und schnelle Überfahrt beschert wurde. INDIGOs Reise Im wunderschönen Naturhafen Mandal leg- ten wir einen Landtag ein, um die Umgebung nach Bergen zu erkunden und Schiff und Ausrüstung zu trocknen. Norwegens Fjorde waren immer einer meiner Nach der Passage des Kap Lindesnes entschlos- stillen Seglerträume und im Sommer 2005 soll- sen wir uns auf Grund günstiger Windvorher- ten sie sich erfüllen. Dass wir dabei den Stander sagen bis Haugesund zu segeln, um dann mit des ASV zu Greifswald bis in Norwegens Kul- nur einem Zwischenstop in Siggjarvåg Bergen turhauptstadt Bergen tragen konnten, war uns zu erreichen. Diese Entscheidung war im Nach- eine besondere Freude. Wir, das waren: hinein wichtig für das Gelingen der Reise. Wä- ren wir in das Ryfylkegebiet oder in den Har- Gunter Hofmann dangerfjord eingebogen, die Landschaft hätte Arktis Willfried Beulich uns so gefangengenommen, dass wir unser Ziel Dr. Jürgen Drenckhan wohl nicht erreicht hätten. Hansi Wussow Bergen empfing uns mit großem Bahnhof, Kö- nig Harald lief (zufällig) mit seiner Staatsyacht

Für das neue „Seegebiet“ rüsteten wir Indigo aus und wurde noch von der 3-Mastbark Stats- mit ca. 50 zusätzlichen Seekarten für die nor- raad Lehmkuhl begleitet. Dann zeigte sich Ber- wegische Küste und dem Standardwerk „100 gen nicht mehr ganz so freundlich, es regnete Häfen in Norwegen“ aus. Außerdem stauten 3 Tage fast unterbrochen. Selbstverständlich wir alle wichtigen Dinge für 5 Wochen Verpfle- besichtigten wir Bergen vom Aussichtspunkt gung. Fløyen und das Bryggen-Viertel. Der Abend en- dete mit dem Besuch von Herrn Schuster und 78 | Indigos Reise nach Bergen

einer Fachsimpelei zu seinem Buch „100 Häfen in Norwegen“. Eine Touristentour mit Bergen- und Flåmbahn sowie Fähre und Bus über Myrdal, Flåm, Gu- dvangen, Stalheim und Voss führte uns durch eine traumhafte schneebedeckte Bergwelt zum Kjosfossen und durch die beeindruckende Landschaft an Aurlands- und Nærøyfjord. Da das Wetter in Bergen sich nicht bessern wollte, segelten wir durch den Lokksund in den Hardangerfjord nach Uskedalen und nach Sun- Selbstverständlich fuhren wir auch mit Indigo unter den Preikestolen und bis an die engste Stelle des Fjordes. Immerhin steigen die Berge im Lysefjord bis fast 1000m steil an. In Stavanger legten wir einen Kurzaufenthalt ein und segelten dann bis Farsund, einem sehr idyllisch gelegenem Hafen in der Nähe von Kap Lista. Wie uns erzählt wurde, soll es früher in dieser Gegend Piratenschlupfwinkel gegeben haben. Unter sachkundiger Führung einer in Norwegen lebenden Deutschen erkundeten wir den Leuchtturm Lista und die Umgebung. Farsund war unser letzte Hafen in Norwegen. ndal am Maurangerfjord. Hier wagten wir den Dann ging es mit einem 136-sm-Schlag nach Aufstieg zum Bondhus-See und zum Bondhus- Skagen. Hier fand gerade ein großes Hafenfest Gletscher, einer Zunge des Folgefonn. Der statt. Der Besuch des Leuchtturms und die der Aufstieg vom See zum Gletscher war für mit Grenze zwischen Kattegatt und Skagerrak wa- Regenschirmen ausgerüstete Flachländer bei ren selbstverständlich. leichtem Nieselregen nicht ganz ohne. Mit den Stationen Mårup auf Samsø, Agersø Gerne wären wir noch tiefer in den Hardan- am Großen Belt, Stubbeköping am Grønsund gerfjord gesegelt, aber und Stralsund beendeten wir unsere Norwe- es gab für uns noch ein genreise. anderes großes Ziel, den Die Eindrücke der grandiosen norwegischen Lysefjord mit seinem Fjordlandschaft aus der Seglerperspektive trägt berühmten Preikesto- jeder von uns nun für immer in sich. len. Nach Zwischen- stop in Mosterhamn Hans-Joachim Wussow segelten wir durch das wunderschöne Ryfylke- Gebiet nach Forsand am Eingang des Lysefjords. Die Wanderfreudigen unter uns bezwangen den steilen und steinigen Aufstieg in einem 3,5-stündigen Marsch und konnten das herr- liche Bergpanorama und den türkisfarbenen Lysefjord vom Preikestolen aus bewundern. Haparanda-Törn der INDIGO | |79 79

Haparanda-Törn der INDIGO vom 31.05. bis 30.06.2007

Gründe, um nach Haparanda zu segeln

Als nördlichster Hafen der Ostsee hat H. 1.dieselbe magische Anziehungskraft wie der nördlichste Hafen der einstigen DDR- Kuhle im Wiecker Bodden.

Mal in H. gewesen zu sein, macht sich 2.gut - zumindest in der Seglerwelt. In meiner persönlichen Segelagenda kann ich jedenfalls das Thema als erledigt abhaken.

Mitsommerzeit – fast nur Tag. Noch ca. 3.60 km bis zum Polarkreis. Man fährt garantiert in den Sommer Ein Langstreckentest für das Schiff mit 4.(Kontinentalhoch, Russenhoch, Balten- 8.allem Drum und Dran. hoch, Ostseehoch, Schwedenhoch, Skandina- vienhoch). Eine schöne Herausforderung für Lang- 9.streckensegler mit wenig Zeit. ASV-Vereinseigenes Schiff muß dort 5.gewesen sein, bevor der ASV Greifswald Einfacher oder doppelter Entfer- 100 Jahre alt wird. 10. nungsradius um Greifswald – Vor- stoß in den Aktionsradius der Wikinger. Nautische Seekarten u.a. haben wir 6.ausreichend, zumindest für die Ostsee bis zu den Alandinseln. Nun haben wir den Rest Haparanda – hin und zurück – INDIGO lief wie bis H. (faßs) oder wissen wo wir sie ausborgen am Schnürchen. Nach 1056 Seemeilen straffen können. Segelns und ab und zu auch unter Motor haben wir am 14. Tag im Klubraum vom Haparanda- INDIGO befand sich 2007 im technischen er Seglerverein bei viel Grillfleisch und Wodka 7.Bestzustand wie seit langem nicht vorher. unseren ASV-Stander unter die Decke gehängt. 80 | Haparanda-Törn der INDIGO

Einen Tag später wurde an der Gelben Tonne ihre Last beförderten. in Törehamn, der nördlichsten Wendestelle Das Schönste – die Tage wurden immer länger. im Bottnischen Meerbusen, angelegt und das In Haparanda ging die Sonne um 23:13 Uhr un- Formular ausgefüllt, in den Briefkasten auf der ter und um 01:13 Uhr wieder auf. Das Abendrot Tonne gesteckt - nun harren wir der behörd- ging fließend über ins Morgenrot. Nur noch 60 lichen Bestätigung für unseren Ehrgeiz. km bis zum Polarkreis. Für die Heimfahrt drehte Bei vorwiegend moderaten Winden aus nörd- wie auf Bestellung der Wind und blies uns nun lichen Richtungen war es zur Hinfahrt recht aus südlichen bis südwestlichen Richtungen kalt auf dem Wasser. An Land dagegen türm- wieder entgegen. ten hochsommerliche Temperaturen Gewit- terwolken auf. Wir sahen dagegen auf 360° Rund 2235 Seemeilen waren wir insgesamt Rundblick nur Luftspiegelungen - mit Städten unterwegs. Zum ersten Mal wurde Brot auf außerhalb der sonst möglichen Sichtweite ge- der INDIGO gebacken. 13 mal machten wir in legen und große Containerschiffe, die kieloben Häfen fest - unter anderen in Oulu in Finn- Haparanda-Törn der INDIGO | 81 land, weil einer nach Hause fliegen mußte und INDIGO war auf der ganzen Reise für unsere zwei neue eingeflogen wurden, in Trysunda Launen, Wünsche, Ansprüche und Anforde- auf gleichnamiger Insel und an einem Felsen rungen zu haben. Notstand gab´s lediglich bei im Ulvonsund im Gebiet der Hohen Küste zwi- Genever, zeitweise bei Bier und dauerhaft bei schen Örnskoldsvik und Sundsvall in Schweden, Rotwein. Die Mannschaft - mit Gerhard Dall- einer atemberaubenden, verschwenderisch mann, fast 81-jährig, einst Segler im Greifswal- vielfältigen Fjordlandschaft mit Bergen bis der Yachtclub, Günter vom ASV Kiel, 300 m Höhe. In den Alandinseln machten wir Andrea Hagenguth vom ASV Greifswald zu Lü- auf der Hinreise in Käringsund auf Eckerö und beck, Ottfried Thümmel, Segler aus alten Zeiten heimwärts in Bomarsund und natürlich auch in der Greifswalder HSG und heute in Karlsruhe Mariehamn halt, damit für Ottfried endlich ein lebend und Hannes Hahne von der Studenten- Traum in Erfüllung gehen konnte - die Besich- abteilung des ASV zu Greifswald - hat hart auf tigung der Viermastbark „Pommern“. Wir legten und unter Deck gearbeitet, um ihrem Schiffer in Visby auf Gotland an und gönnten uns einen Ingolf Buchheim alles recht zu machen. ca. 200 km langen Trip per Mietwagen über die Insel bis ans nördlichste Ende der Insel Farö. Ingolf Buchheim Südlich der Mittelbank, so zwischen den Inseln Öland und Bornholm, wetterten wir für 2 Tage einen „schönen“ Sturm ab, mit Spitzen von 52 kn Windgeschwindigkeit. Beim Einstieg einer Welle in die Plicht löste die Rettungsweste vom Rudergänger automatisch „Aufblasen“ aus. Als sich alles beruhigt hatte, krochen wir „Zum Sachen trocknen und Reparieren“ für einige Stunden in Torhamn, nördlich von Utklippan, unter. 82 | Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden

Praktikumsplatz in Stornoway von Mitte No- vember 02 bis Mitte Januar 03. Ich hatte dort eine großartige und beeindruckende Zeit. Die Landschaft war atemberaubend - selbst im un- wirtlichen schottischen Winter. Gute Freunde kamen mich besuchen und mei- ne Freundin Steffi. Und als wir am Neujahrstag 2003 den Quiraing erklettert hatten, sagte sie zu mir: „ Hier ist es so schön. Könnten wir nicht mal HIERHER SEGELN?“ Meine Antwort kam prompt: „SPINNST DU?“ „Naja - wenn wir „Hanseat“ besser ausrüsten Mit HANSEAT würden...?“ „....HMMMPFFFF...! Esistzu- weitundzugefährlichundzukompliziertunddau- zu den äußeren ertvielzulangundisteinfachverrückt undund- Hebriden und...... und überhaupt!“ Dreieinhalb Jahre später, „Eines Tages,“ sagte er „das verspreche ich am 02. Juni stehen wir, frisch verheiratet, vor dir auch wenn du von Versprechungen nichts „Hanseat“. Ein Glück! Das Sprayhood ist noch hältst, eines Tages segeln wir zusammen zu rechtzeitig fertig geworden! Der Segelma- den äußeren Hebriden. Nur du und ich.“ cher muß eine Nachtschicht eingelegt haben.

Auf Steffis vorsichtige Anfrage einen Tag vor McDuff „Der Keltische Ring“ Abfahrt, wie weit das Sprayhood sei, kam die Gegenfrage: „Welche Farbe wolltet Ihr doch gleich?“. Das Boot liegt so tief im Wasser, dass der Wasserpaß gut zwei Zentimeter unter der Zeilen, die anstecken, die faszinieren können. Wasseroberfläche liegt. Kein Wunder bei den Ein Versprechen, das auch wir uns gegeben - Massen an Vorräten und Ausrüstung, die wir und gehalten haben. in den letzten Tagen gebunkert haben. Kisten- Aber zurück zum Anfang. Es begann im Jahre weise Mineralwasser, Bier, Wein, Schnaps, Kon- 2000 im September. Ich lag mit einem Bein- serven, Klamotten, Beiboot, Außenbordmotor, bruch im Klinikum, als mir ein Kommilitone das Rettungsinsel, Bücher, Seekarten etc. Buch „Der Keltische Ring“ schenkte. „Ich dach- Nachdem wir den letzten Frischproviant ver- te, Du interessierst Dich fürs Segeln, da könnte staut, noch zwei 10-l-Kanister Diesel von der das doch passen...“ - so sagte er. Ich habe das Tankstelle geholt und Frischwasser gebunkert Buch schlicht inhaliert! haben, binden wir um 21.30 h feierlich los. Drei Jahre später, ich hatte inzwischen eine Kaum jemand schenkt „Hanseat“, unserer Ba- liebe Freundin gefunden, beschloß ich, in das varia 30, Beachtung, als wir aus dem Hafen- Land des „Keltischen Rings“ zu reisen, um dort becken tuckern - schließlich könnten wir an einen Teil meines PJ als Medizinstudent abzu- diesem Pfingstwochenende genauso gut auf leisten. Leider erhielt ich aus Schottland und dem Weg nach Lauterbach sein oder nur zum Irland nur Absagen. Auf einem Verbandsakti- Ankerplatz bei Ludwigsburg. Unsere Geleitboo- ventreffen erfuhr ich von einem Kieler ASVer, te des ASV sind zum größten Teil wohl schon in dass er in Stornoway auf der nördlichsten In- Stralsund angekommen. Arne müsste mit sei- sel der äußeren Hebriden famuliert hatte und ner „Luv“ und seiner dreiköpfigen Crew noch dass es dort auch PJler gegeben hatte. Zwei irgendwo im Strelasund unterwegs sein. Da uns Anrufe und ein Fax später hatte ich meinen nur ein leichter Wind aus dem Sund entgegen- Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden | 83 kommt, beschließen wir, die Maschine erstmal Also sammeln wir am Abend unsere Kräfte für laufen zu lassen - und tun dies auch für den den Sprung nach Dänemark. Am Pfingstmon- Rest des Tages. Gegen Mitternacht sichten wir tag um 12.00 h geht’s los. Leider erwartet uns den Nachzügler im Bereich der Glewitzer Fähre. draußen eine Dünung aus West und schwacher Um 02.15 h erreichen wir die Deviner Bucht, Wind schräg von vorne. Mit sagenhaften 2 Kn. von der aus die Ziegelgrabenbrücke in Stral- dümpeln wir allmählich nach Norden. Obwohl sund bereits zu sehen ist. Dort legen wir uns es ein sonniger Tag ist, tragen wir Ölzeug, Ski- mit „Luv“ an unserer Seite vor Anker. Wir berei- unterwäsche, Schals und Mützen wegen der ten noch für alle Grog und Kakao mit Schuß, da Kälte. In der Ferne ziehen mehrere schwere wir ziemlich durchgefroren sind. Gewitter durch - eines davon dürfte den Stre- lasund in ein Inferno verwandeln. Wir hoffen, Am nächsten Morgen dass unsere Freunde es noch rechtzeitig bis sprüht mir Nieselregen ins Gesicht, als ich an nach Hause geschafft haben - und dass uns Deck gehe- schon ein kleiner Vorgeschmack nicht noch eines davon erwischt. auf den „Scottish Mist“? Um 09.00 h gehen wir mit „Luv“ im Schlepp durch die Brücke und Gegen Abend treffen den Rest der ASV- Flottilie: Indigo, Di- hat sich alles wieder beruhigt und wir ziehen abolo, Swing, Stubber und ein Folkeboot. Mehr mit ca. 3-4 kn. dem Öresund entgegen. Wir tei- können wir in dem Riesenpulk wartender Yach- len uns die Wachen ein, montieren die Streck- ten nicht erkennen. Von einer Pier sammeln taue und passieren nach nur kurzer Dunkelheit wir Steffis Trauzeugin, Babs, auf, die uns bis bei Sonnenaufgang Mön. Zwar wollen wir Hiddensee Gesellschaft leisten wird. Wir legen zügig vorankommen - aber den Öresund bei hinter der Brücke an der Pier an und widmen Nacht wollen wir uns nicht gleich am Anfang uns einem ausgiebigen Frühstück zu zehnt in antun. Also entscheiden wir uns, am Abend, unserem Salon mit den Crews von „Luv“ und nach Dragör zu gehen - bezeichnenderweise „Stubber“ (Raum ist in der kleinsten Hütte). der Ausgangshafen des „Keltischen Ringes“. Später rauschen wir bei 5-6 Bft aus W nach Kurz vor der Einfahrt taucht der Paravan der Vitte auf Hiddensee. Als wir gegen 15.00 h dort Schleppangel auf - gibt’s heut frischen Fisch festmachen, brennt bei einigen Crews bereits zum Abendessen? Ein Lachs! Klar bei Pfanne! Es der Grill. Wir schließen uns an und genießen gibt gebratene Lachskoteletts. Wirklich span- noch einmal das Gefühl, in vertrauter Runde zu nend ist der Hafen nicht - außer dass wir bei sitzen, da uns jetzt für fast drei Monate kein einem Spaziergang Björn Larssons altes Folke- bekanntes Gesicht mehr begegnen wird. Umso boot entdecken - die „Skum“. Er hat zumindest gespannter sind wir allerdings, was für Men- Spuren hinterlassen. Am nächsten Tag kom- schen wir in dieser selbst gewählten Einsamkeit men wir bei mitlaufendem Strom gut voran. begegnen werden, die uns jetzt bevorsteht, und Wenn möglich, wollen wir Gilleleje erreichen, welche Motive sie dorthin getrieben hatten. doch daraus wird nichts! Vor Helsingör benutzt Am Pfingstsonntag machen wir noch mit den Steffi die Maschine, um einer Fähre auszuwei- anderen einen Rundgang um den Dornbusch, chen - und sie geht nach nicht einmal 2 Mi- und nachdem sich die ASV-Flotte in Rich- nuten einfach aus! Ich stürze mich mit dem tung Stralsund aus unserem Blick verloren hat, Werkzeugkasten auf sie - die Maschine! Sie sind wir allein. Ein verrückter Gedanke, für die lässt sich zwar wieder in Gang bringen, doch nächsten 2 1/2 Monate absolute Narrenfreiheit oberhalb 1500 U/min ist nach spätestens einer zu haben. Genauso gut könnten wir spontan Minute Schluss. Laut Hafenhandbuch gibt es in umdrehen und uns in der nördlichen Ostsee Helsingör, dem nächstgelegenen Hafen, einen herumdrücken - es wäre völlig egal. Aber unser Reparaturservice - nichts wie hin. Wir wollen Ziel steht fest. Wir wollen nach Schottland und die Maschine in Ordnung bringen lassen, solan- das möglichst zügig. ge uns noch ein dichtes Netz von Werkstätten 84 | Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden

zur Verfügung steht. Nach der Ankunft stellen Am Montag morgen wir zufrieden fest, daß es sich sogar um einen steht schließlich ein blonder, stämmiger, öl- Volvo-Service handelt. Donnerstag früh stehe verschmierter dänischer Dieselschrauber mit ich im Laden, beschreibe unser Problem, unsere Jeanslatzhose vor „Hanseat“. Er ersetzt eine bisher ergriffenen Maßnahmen und bitte da- Einspritzdüse, repariert das defekte Gewinde rum, dass sich ein Mechaniker den Motor an- der Entlüftungsschraube und wir können nach schauen möge. „We have no Time - too much Begleichen einer etwas schmerzhaften Rech- work“ lautet die Antwort. Man gibt uns einige nung, die wir vorsichtshalber lieber nicht in Tips und wir laborieren noch den ganzen Tag Euro umrechnen mögen, gegen Mittag in Rich- herum, tauschen diese Dichtung und jenen Fil- tung Hals im Limfjord auslaufen. Der Seewet- ter - jedoch ohne Erfolg. Wir haben über zwei terbericht treibt uns zu Eile, denn wir haben Monate Zeit, so daß wir uns diesen einen Tag gegen Abend mit 5 Bft. Aus NW zu rechnen- Zwangspause ruhig leisten können. Am nächs- und genau da müssen wir hin. Der Schlag übers ten Tag wird der Mechaniker sicher Zeit für uns Kattegatt zeigt uns die Ostsee noch einmal haben- so glauben wir. von ihrer besten Seite. Mit 4-5 Kn ziehen wir bei strahlendem Sonnenschein dahin und ge- Auch am nächsten Tag nießen die Vorzüge unseres Autopiloten . Als ist vom VP-„Service“ keine Hilfe zu bekom- wir gegen 20 h Grenaa erreichen, schlägt der men- und das am Freitag! Inzwischen haben Wind um. Zu Beginn von Steffis Wache, gegen wir in wachsender Verzweiflung nach ca. 30mal 22 h legen wir das 2. Reff ein und knüppeln Entlüften nicht weniger als drei Entlüftungs- gegenan. Meine Freiwache währt nur bis 01 schrauben abgebrochen, das zugehörige Ge- h. Viel Verkehr und der bei kurzer, steiler See winde ausgenudelt, die Förderpumpe aus- und überforderte Autopilot machen es erforderlich, eingebaut, sowie 2 Zewa-Rollen verbraucht, dass ich den gemütlich warmen Schlafsack ver- um die ca. 1,5 Liter Diesel wieder aus der Bilge lasse. Der Leuchtturm Hals ist zwar schon seit zu entfernen etc. Mangels Ersatzentlüftungs- Stunden in Sicht, aber wir kommen ihm selbst chrauben hat der Motor seinen Betrieb inzwi- nach zweistündigem Gebolze kaum näher! Ein schen ganz eingestellt. Das ganze Schiff stinkt Blick in die Karte zeigt, dass wir aus dem Limf- nach Diesel – und dann noch diese elende jord etwa 2 Knoten Strom gegenan haben. Kei- Gammelei! Am Wochenende ist an Hilfe schon ne Chance, das unter Segeln zu schaffen, also gar nicht zu denken, so daß wir uns schließlich Maschine an - und bei 1500 U/min schwächelt unter Segel auf den Weg nach Gilleleje machen, sie schon wieder! Das Grundproblem ist also wo es noch echte dänische Dieselschrauber ge- immer noch nicht beseitigt. So kreuzen wir ben soll. Die schmucken schwarzen Uniformen unter Maschine und Segeln und schaffen so und die sauberen Fingernägel der Mechaniker zumindest eine Annäherung von 1,5 Kn über in Helsingör hätten uns schon eher eine War- Grund. Als am Eingang zum Fjord der Seegang nung sein müssen. Unsere erste Schleppbuddel nachlässt, können wir auf die Segel verzichten geht somit für das Schleppen aus dem Hafen und direkten Kurs nehmen. drauf. Nach anfangs gutem Südwind schläft Nachmittags um 15 h laufen wir schließlich dieser bald darauf ein und wir schleppen uns ziemlich geschafft in Hals ein und machen mit dem Dinghy längsseits und dem 3-PS- längsseits an der Hafenmauer vor der Box ei- Außenborder um Mitternacht und bei völliger nes Oldtimers fest. Wir essen noch ein Krab- Flaute nach Gilleleje. Da wir das Wochenende benbrötchen und fallen so, wie wir auf den verständlicherweise noch warten müssen, be- Salonbänken sitzen, in tiefe Bewusstlosigkeit gutachten wir die „Stornoway“ das neue Schiff - in vollen Klamotten. Wie soll das nur auf Björn Larssons, das ebenfalls in Gilleleje liegt. der Nordsee werden, wenn wir mal wegen so ein „bisschen“ Gegenanknüppeln eine Nacht keinen Schlaf bekommen? Als wir um 19.30 Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden | 85 h wieder zu uns kommen, hat sich unser Lie- halb des Tonnenstriches liegt, zum Fahrwasser geplatz verändert. Eigenartig! Das Stromkabel dazu - müssen wir da rum?!“ Ein vor uns im führte doch nach vorn zur Steckdose - jetzt ist Tonnenstrich laufendes Boot gibt uns durch die Dose fast hinter uns. Der Oldtimer, dessen plötzliches Aufstoppen und Hektik an Bord die Box wir im Tran blockiert hatten, ist weg. Man Antwort: Jawohl - wir müssen wohl um die hat uns verholt, ohne dass wir etwas davon Tonne herum! gemerkt hatten. Wahrscheinlich hat man uns durch die offenen(!) Luken gesehen, gerufen Am nächsten Tag und geklopft - und hat uns nicht wachbekom- gehen wir um 08 h Anker auf. Wir wollen Zeit men. Da es uns nicht empfehlenswert erscheint, aufholen, die wir mit der Reparatur verschenkt im Dunkeln durch den Limfjord zu fahren, und haben. Da der Wind im Laufe des Tages wieder der Wind morgen ohnehin auf Ost drehen soll, auf SW dreht, müssen wir ab nachmittags wie- bleiben wir noch die Nacht und brechen nach der unter Maschine laufen. Augen für die sich einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Vor- jetzt zeigende, deutlich schönere Landschaft mittag auf. haben wir nicht. Wir wollen nach Thyborön, um auf den Absprung zu warten - so schnell wie Platt vor dem Laken möglich. An der letzten Brücke vor der Seen- und mit 1,5 Kn mitlaufendem Strom geht es landschaft begegnen wir noch einem Seehund, nach Aalborg, wo wir gerade rechtzeitig für die der uns neugierig beäugt. Im letzten Abendlich Brückenöffnungszeit kommen und einen Blick erkennen wir gerade noch die Skyline von Thy- auf die berühmte „Spritfabrikker“, die Heimat borön: Fabrikschlote! Und kurz bevor wir den des „Jubi“ erhaschen. Der Limfjord entbehrt Hafen erreichen, riechen wir sie auch schon. bis hierher jeglicher landschaftlicher Reize, für Das kann ja heiter werden! Unter Thyborön die er so oft gepriesen wird. Industrieanlagen, hatte ich mir zwar einen großen Fischereihafen Kräne und Öllager prägen das Bild. Erst als wir vorgestellt, aber keinen Industriekoloss! Björn am Abend unseren Ankerplatz erreichen, ist die Larsson hat über diesen Hafen auch nur über Umgebung etwas beschaulicher und erinnert sich brechende Wellen an Steinmolen geschrie- etwas an das Hiddenseefahrwasser. Und noch ben, über den Rest hat er sich ausgeschwiegen. etwas erinnert uns daran - „Verdammt - wird Wir wissen jetzt auch, warum! Da für Yachten das hier flach!“ „Sind wir denn noch drin?“ nur ein kleiner Teil des Hafenbeckens freigehal- „Wo ist denn die nächste Tonne?“ „Gehört ten wird, legen wir uns ins Päckchen neben eine diese Gefahrentonne, die da ca.100 m außer- große Englische Yacht, die am Tag zuvor über 86 | Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden

die Nordsee gekommen war. Sie waren wegen Mann mit dem Kopf. Der Diesel sei nur für Fi- Flaute fast den ganzen Weg unter Maschine scherboote. Ich erzähle von unserer bevorste- gelaufen. Der erste mittelfristige Seewetterbe- henden Nordseequerung und dass unser Tank richt, den wir jetzt täglich zweimal über RTTY nur halbvoll sei und dass wir uns auf ein ausrei- abrufen, sagt zwar für die nächsten vier Tage chendes Angebot an Diesel in Thyborön einge- günstiges Wetter voraus, doch wünsche ich mir stellt hätten. Der Mann bittet mich zu warten ein Zeitfenster von fünf Tagen, was sich nach- und führt ein Telefongespräch. Dann fahren träglich als etwas übertrieben herausstellen wir im Pickup zu einem Tankschiff. Er legt ein sollte. Also ist zunächst wieder einmal Gam- Papier in die Tankuhr ein und füllt Diesel vom meln angesagt. Nutztank des Schiffes in den eigenen Tank um. Dann holt er leere Hydraulikölkanister und be- Da es in Thyborön füllt diese mit insgesamt etwa 50 Litern und bereits einen Tidenhub von sage und schreibe wir verladen sie auf den Pickup. Endlich ka- 40 cm gibt, beginnen wir, mit Kreidestrichen an piere ich: Der Diesel ist subventioniert - daher der Kaimauer die Berechnung der Tiden einmal auch die grüne Färbung! Er kann ihn mir nicht in der Praxis zu üben, was in den Wintermona- so ohne weiteres verkaufen. Also zweigt er bei ten auf dem Trockenen einfach nicht gelingen der Betankung des eigenen Schiffes etwas ab wollte. Hier, die Kontrolle an der Kaimauer vor - und ich wundere mich noch über den güns- Augen, gelingt es anstandslos. Die „Attraktion“ tigen Preis! Nachdem wir insgesamt 150 Liter von Thyborön ist eine Bunkeranlage aus dem Diesel an Bord haben, bezahle ich, drücke dem 2. Weltkrieg, die sich über einen Küstenstrei- Mann noch eine Flasche Trollinger in die Hand fen von etwa zwei Kilometern erstreckt. Auch und das Treibstoffproblem ist gelöst. Auch acht das „Rettungsmuseum“ ist schnell besichtigt, Tage Gammelei gehen einmal zu Ende. so dass uns nach zwei Tagen auswärtiger Un- Nachdem einige Tiefs nebst Ausläufer und Trö- terhaltung nur noch unsere Bücher und DVDs gen durchgezogen sind, ist eine Wetterberuhi- bleiben. Bücher können einen auch in einem gung in Sicht. Sofort rufe ich den Wetterdienst hässlichen Hafen gut von der trostlosen Um- Hamburg an und bestelle einen individuellen gebung ablenken. Als jedoch der Wind auf SW Streckenwetterbericht für den nächsten Mor- dreht, liegen wir in Lee einer Proteinfabrik. Der gen per Fax in eine Art Kiosk. Gestank kriecht zu uns in die Koje und weckt Am Abend ist unsere Stimmung irgendwo zwi- uns früh um 05 h - und bleibt uns mehrere schen berauscht, feierlich und besorgt. Wird es Tage erhalten! In jedem Hafen gibt sie- die klargehen? 350 sm freier Seeraum liegen vor „Müllecke“, jenen Ort, an dem sich sämtliche uns - mindestens drei Tage. Kein Hafen, kein schwimmfähigen Abfälle des Hafens, vom Wind Ankerplatz zum verduften, wenn es hart wird. getrieben, versammeln. Dieser Haufen aus Öl, Um 10 h laufen wir aus. Der Mann von der Plastiktüten, PE-Flaschen, Joghurtbechern, Seetankstelle winkt uns zu. Es steht noch eine Fischkadavern und ähnlich begehrenswerten Dühnung aus SW, die durch den auslaufenden Dingen, hat sich zu allem Überfluß ausgerech- Strom kurz und hackig wird, das verliert sich net unsere Ecke ausgesucht, was das Bild ab- jedoch mit zunehmender Distanz zur Küste. soluter Trostlosigkeit abrundet. Als sich dann Um 14 h ist Thyborön, hoffentlich für immer, auch noch am Wochenende die Jugend am hinter der Kimm verschwunden. Da wir min- Hafen trifft, um sich gegenseitig ihre frisierten destens 4 kn. Fahrt machen wollen, zum Se- Mopeds vorzuführen, ist es auch mit der Ruhe geln aber zuwenig Wind ist, laufen wir unter vorbei. Nie wieder Thyborön, soviel ist sicher! Maschine. Sportliches Dümpeln können wir Als weiteres Problem stellt sich die Beschaffung in der Dänischen Wiek betreiben - hier gilt es von Treibstoff heraus, der ja in einem Fischerei- anzukommen. Die Nacht verläuft ohne beson- hafen ausreichend vorhanden sein sollte. Auf dere Vorkommnisse, am nächsten Tag sind wir Nachfrage an einer Seetankstelle schüttelt der wieder unter Segeln, putzmunter und genießen Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden | 87 den Sonnenschein bei Tee, Keksen und Pfeife an Deck. So kann es bleiben! Am Nachmittag nähert sich ein größeres Motorboot mit blauem Rumpf und dem „Union Jack“ am Heck. Es sieht wie ein Zollboot oder die Küstenwache aus. Mir fällt ein, dass man weder Pflanzenteile noch irgendwelche Fleischprodukte nach Großbri- tannien einführen darf. Dabei fällt mein Blick auf die ersten grünen Blättchen unserer kei- menden Kresse und meine Gedanken wandern weiter zu unseren unzähligen Fleischkonserven sowie den beiden im Salon frei hängenden rie- sigen Salamis. Das Motorboot, das mir auf den zweiten Blick für ein behördliches Fahrzeug so weit draußen doch zu klein erscheint, fährt einen weiten Bogen um uns herum und ent- schwindet am Horizont. Abends brist es auf 5 Bft aus N auf. Während ihrer Wache legt Steffi das 2. Reff ein, da der Wind weiter zunimmt. Als ich um 02h an Deck erscheine, ist es reich- lich ungemütlich geworden. Um uns herum man versteht mich! Wir können zwar nicht leuchtet roter Feuerschein von den Ölplattfor- alles verstehen, was uns gesagt wird und ich men- irgendwie unwirklich. Ganz allmählich muß mehrfach nachfragen, doch am Ende geht nimmt der Wind wieder ab- Schlaf ist wieder alles seinen Gang und wir sind um 23 h in Pe- möglich. Wetterinformationen haben wir seit terhead fest. Leider können wir dieses Ereignis dem Auslaufen keine mehr bekommen. Der nicht an Land begießen, da der Hafen mit Sta- Seewetterbericht des Deutschlandfunks er- cheldraht abgezäunt ist. Also fließt der Whisky streckt sich nicht bis ins Seegebiet Cromarty im Salon! Nach einem Tag Pause erkundige ich und weder die Schottische Küstenwache noch mich wegen der Weiterfahrt bei einer Yacht, Navtex sind in Reichweite. Daher können wir die eine Schottische und eine Schweize Flagge uns die ungemütliche Nacht nicht erklären. trägt, nach der richtigen Tide, um nach Norden Steffi schlägt vor, statt nach Fraserbourg, den zu segeln - und werde prompt mit Steffi zum Kurs auf Peterhead abzusetzen, da Fraserbourg Whisky eingeladen. Unsere Gastgeber sind Hans sich als schottisches „Thyborön“ herausstellen aus der Schweiz und Alfi aus Schottland. Auch könnte- und von großen Fischereihäfen haben sie wollen am folgenden Tag in den Firth lau- wir vorerst genug. fen und empfehlen uns einen Hafen, der laut Seehandbuch zu flach für uns ist. Dies bezieht Um 13 h entschwindet sich aber nur auf das Einlaufen - tief genug ist die letzte Ölplattform unseren Blicken. Delphi- der Hafen schon. Wir können ihn nur 2 h vor ne spielen um uns im Wasser und wirken als bis 2 h nach HW anlaufen. Als wichtigsten Tip zuverlässiger Stimmungsaufheller. Endlich er- rät er uns: “Always ask the locals!“ Das wer- spähen wir im Abenddunst Rattray Head! Die den wir beherzigen! Am nächsten Tag laufen schottische Küste ist in Sicht. Um 22 h stehen wir noch lange parallel, bis sie nach White- wir vor Peterhead. Es wird noch einmal span- hills verschwinden, während wir einen großen nend. Alle einlaufenden Fahrzeuge müssen sich Sprung nach Lossiemouth machen wollen. Wir per UKW anmelden. Ich habe allerdings noch kommen gerade noch rechtzeitig 1 1/2h nach nie die Sendetaste unserer Anlage betätigt. Mit HW, um noch einlaufen zu können. Kaum sind etwas Schweiß auf der Stirn tue ich es - und wir bei 3 m Tiefe im Hafen fest, als das Wasser 88 | Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden

schnell soweit sinkt, bis wir gerade noch 30 cm naus versandet ist. Kurz nach Mitternacht sind unter dem Kiel haben. Auch wenn der Ort den wir im Hafen „Longman Yacht Haven“ fest. Was Anschein eines idyllischen Fischerdorfes macht, uns passiert wäre, wenn wir nicht auf den Sand so ist es damit vorbei, als der erste Militärjet in aufgepasst hätten, demonstriert uns am nächs- etwa 300 m den Hafen überfliegt- diesem Ma- ten Morgen ein Holländer, der zwischen Rinne növer folgen noch etwa 40 weitere, bis um 21 h und Baken hoch und trocken auf der Seite liegt. schließlich Ruhe einkehrt. Da wir beim Einlau- Nach dem Besuch eines Waschsalons und dem fen im Hafen viele Krebskörbe sehen, mache ich Kauf von Lebensmitteln und Ausrüstung legen mich am nächsten Tag auf den Weg, um zwei wir um 15 h ab, um in den Kaledonischen Ka- Taschenkrebse für unterwegs zu bekommen. nal eingeschleust zu werden. Unter der Brücke Der erste schottische Fischer, dem ich begegne vor der Hafeneinfahrt bietet sich uns Ostsee- schenkt mir zwei. Sie passen kaum beide in die seglern ein besonderes Schauspiel: Eddies. Bei Pütz, die ich ins Cockpit stelle, um schnell noch Einlaufendem Strom von etwa 2 kn und Wind im Dorf Remoulade zu kaufen. Der Umgang von 7 Bft gegenan steht hier eine See von 30 mit Taschenkrebsen war mir schon als Kind von cm - und jede einzelne Welle bricht sich. Das Reisen nach Frankreich vertraut- Steffi dage- Wasser scheint geradezu zu kochen. Irgendwie gen fühlt sich unbehaglich, als sie plötzlich al- sind wir froh, als wir den Kanal erreichen und lein mit den Biestern im Cockpit konfrontiert in der Schleuse liegen. Auch das Schleusen er- ist - zudem unternimmt einer von beiden noch weist sich als unproblematisch, innerhalb von einen Fluchtversuch! Als ich kurz darauf ohne nur zwei Stufen haben wir uns aufeinander Remoulade wiederkomme, fange ich den einen eingespielt. Krebs wieder ein und wir müssen auch schon auslaufen, da sich das Zeitfenster um HW he- In der nächsten Schleuse klopft man uns auf die Schulter: “You Ger- mans are going to win the Worldchampion- ship!“ „Ach richtig“ es ist ja WM. Haben wir völlig vergessen. Nur während der sieben Tage Kanalfahrt bewegt uns ab und zu die Frage: „Werden wir Weltmeister - oder wird die Nati- onalelf versagen?“ Wir geben uns einen Ruck und gehen abends in den Pub zum Fußballgu- cken. Der Pub ist im 1. Stock und wirkt eher wie ein großes Wohnzimmer. Hier kommen wir mit der Crew der „Augusta“ aus Hamburg ins Gespräch und verbringen einen netten Abend im Pub und an Bord. Wir erfahren von einem verschwiegenen Ankerplatz im Loch Ness, der hinter einer kleinen Insel liegt - Cherry Island rum bald schließt. Wir haben viel Zeit, die Fort - ein Geheimtipp! Erst früh um 03 h fallen wir Georg Narrows zu erreichen, eine Meerenge vor in die Koje. Entsprechend spät kommen wir Inverness, da wir dort erst um 22 h mitlaufen- erst spät am nächsten Tag aus den Federn und den Strom erwarten können. Vorher begleiten schaffen erst die Schleuse um 14 h. Ursprüng- uns Schulen von bis zu 20 Delfinen, die mit lich wollten wir die „Augusta“ im Loch Ness bei „Hanseat“ sogar auf Tuchfühlung gehen. Als Cherry Island treffen - das ist aber nicht mehr wir um Punkt 22 h die Enge Erreichen, kippt zu schaffen. Außerdem weht der Wind aus Ost, der Strom und trägt uns bis Inverness. Kurz so dass mir ein Ankerplatz am Ostufer deutlich vor der Hafeneinfahrt müssen wir noch einmal lieber ist. Entgegen der Warnungen von Steffis aufpassen, da die Rinne bis über die Baken hi- Mutter ankern wir über Nacht im Loch. Das Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden | 89

Wasser sieht hier tatsächlich schwarz aus, was Am nächsten Tag an den vielen Schwebteilchen im Moorwasser machen wir Halt bei Invergarry Castle - die liegt - und das Echolot zeigt unergründliche Ruine selbst ist abgesperrt wegen Einsturzge- Tiefen. Als wir Loch Ness entlangfahren und fahr. Sicher alles nur Tarnung, damit das von uns die Düsternis förmlich überfallen will, Björn Larsson beschriebene Separatistennest hören wir plötzlich einen Dudelsack! O.K. Wir nicht entdeckt wird. Am Abend liegen wir in sind verrückt geworden! Lass uns irgendwo an- Banavie, vor den 8 Schleusen, die Neptune’s legen und Whisky trinken - vielleicht werden Staircase bilden. Am Abend gehen wir ins Pub, wir dann wieder normal! Aber der Piper ist klar um „unsere“ Jungs im Viertelfinale anzufeuern. und deutlich zu hören. Und dann habe ich ihn Wir registrieren, dass die Schotten das Spiel mit im Glas. Oben am Hang an einer Landstraße viel Wohlwollen für die Deutsche Mannschaft steht ein Piper völlig allein in der Gegend und verfolgen - zu bejubeln gibt es für uns am Ende spielt - das kann einem auch nur in Schottland bekanntermaßen nichts! Da geht man extra ins passieren! Pub und dann fliegt die eigene Mannschaft bei der WM raus.

Tags darauf wird geschleust - achtmal hinter- einander. Was am Anfang neu und spannend war, wird allmählich etwas lästig, zumal es bei der Talfahrt nicht viel Neues zu bestaunen gibt, und man jedes Mal, wenn man sich die Um- gebung anschauen möchte, wieder im Schacht versinkt. Unten angekommen, machten wir an einem alten Schlepper fest und tüftelten be- reits an der Route für morgen, um uns wieder an die Gezeiten zu gewöhnen. Nachdem wir Diesel gebunkert haben, legen wir uns nach Passieren der letzten Schleuse an einen Steg zum Frühstücken und machen uns auf den Weg nach Dunstaffnage Bay. Wir Gegen Mittag laufen zunächst Loch Linnhe entlang, zur von erreichen wir Fort Augustus mit mehreren Steffi berechneten Zeit durch die Corran Nar- Schleusen und - den geheimen Ankerplatz hin- rows nach Lismore Island. Unterwegs sichten ter Cherry Island, das vor lauter Booten kaum wir das als Castle Aaaargh! bekannte Stalker zu erkennen ist. Soviel also zum Geheimtip. Castle aus dem Phyton-Film. Das Festmachen Während des Schleusens kommen mehrere Bus- in Dunstaffnage Bay gestaltet sich wegen ei- ladungen mit Touristen, die uns so interessiert ner kreisförmigen Strömung im Hafen schwie- zuschauen, dass die Schleusenwärter sie vom rig, aber wir genießen den Comfort eines Rand des Schleusenbeckens scheuchen müssen. Schwimmsteges, solange wir ihn noch haben. Es fehlt nur noch ein Schild: „Do not feed the Am nächsten Morgen haben wir kein Bargeld animals!“. Noch zwei Schleusen und eine Brü- mehr - und der nächste Geldautomat ist in cke, dann ist Feierabend. Der Kanal hat nach 18 Oban. Für den Bus reicht es noch, also fahren h geschlossen. Wir liegen einsam und allein vor wir nach Oban, holen Geld, gehen ins Kino, be- einer Schleuse mitten in den Highlands. sichtigen die Destillerie und kommen abends Das Wetter ist für schottische Verhältnisse mit wieder. Ein weiterer Pausentag wird genutzt, 17° C äußerst warm- die Schotten sprechen um das Castle Dunstaffnage zu besichtigen von einer Hitzewelle, von Midges werden wir und um unerlaubterweise Wäsche zu waschen. bisher verschont. Als wir am Abend die Liegegebühr begleichen, 90 | Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden

erleben wir zwei Überraschungen: 1. Der Ha- hält. Um uns herum verpatzte Ankermanöver, fenmeister war 32 Jahre als Soldat in Herford, gefährlich nah aneinander schwojende Boote, Steffis Heimatstadt, kennt dort jede Straße und Briten, Holländer, Franzosen und Amerikaner. spricht fließend deutsch. 2. Er verlangt in flie- Deutsche Boote haben wir seit dem Kanal kei- ßendem Deutsch für drei Übernachtungen 54 ne mehr gesichtet. Abends gehe ich mit dem Pfund! Dinghy an Land, um das WM-Finale zu sehen. Da uns das Segelzentrum dann doch nicht so Morgens laufen wir in den beeindruckt, segeln wir am nächsten Morgen Sound of Mull ein, los, runden bei zunehmendem Wind aus SW um nach Tobermory zu kommen, was das Se- Ardnamuchan Point und setzen Kurs auf die gelzentrum in Schottland sein soll. Bei durch- Hebrideninseln Rhum und Canna ab. Letztlich wachsenem Wetter kommen wir gut voran, entscheiden wir uns für Canna, da sie als ei- passieren einen kleinen Eddy und schließen ner der besten Ankerplätze an der Westküste uns einem ganzen Pulk von Yachten an, die es gilt und in Rhum vor Fallböen bei Starkwind offensichtlich in denselben Hafen zieht. Außer gewarnt wird. Außerdem, so das Handbuch, dass der Hafen voll und die Häuser bunt sind, sei Canna bekannt für seine „...white sandy ist nichts besonderes zu entdecken. Wir ma- beaches...“ Als wir bei SW 6-7 zwischen beiden chen dreist an einer privaten Mooring fest und Inseln durchfahren, um zu unserem Ankerplatz hoffen, dass kein Besitzer kommt, und dass sie zu gelangen, sichten wir noch einen 3-4 m lan- gen Delfin dicht am Boot, der aber keinen sehr verspielten Eindruck macht. Er scheint auch keine Luft holen zu müssen wie seine Kamera- den aus der Nordsee und sein Kopf ist nicht so rundlich sondern eher kantig und flach - und seine Schwanzflosse steht senkrecht im Wasser. Der erste Hai, den wir in freier Wildbahn zu Ge- sicht bekommen! In der Bucht von Canna liegen bereits 6 Boo- te vor Anker und wir müssen tief in die Bucht hinein, um noch Platz zu finden. Als wir etwas später den Seewetterbericht empfangen, wird uns beiden mulmig: SW5-6 möglicherweise Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden | 91

8-9 Bft! Sofort wird der Ankeralarm des Echo- nach W - und mal wieder piept ein Ankeralarm lotes und der GPS-Alarm geschärft. Wir legen - und diesmal ist er echt! Auf dem GPS- Bild- uns angezogen im Schlafsack in den Salon. Alle schirm zieht „Hanseat“ eine Linie hinter sich paar Minuten piept ein blinder Ankeralarm her, der Anker schliert! Noch bevor irgendeine los, während draußen das Inferno herein- Maßnahme ergriffen ist, hat der Anker wieder bricht. „Hanseat“ ruckt, das Rigg vibriert und gefasst. Steffi, die nach meinem Warnruf nach jault, wie wir es noch nie gehört haben. Im- oben geeilt ist, bleibt noch einen Moment im mer wieder plagt uns die Frage: hält das der Cockpit, während ich mich wieder hinlege. In Anker? Er hält. Als um 05 h der Wind weniger diesem Moment beginnt auf dem Südteil der wird, schlafen wir wie die Steine. Nachmittags Insel ein markerschütterndes Heulen und Jau- setzen wir mit dem Beiboot an Land über und len, was aus der dortigen Kirche zu kommen schauen uns etwas um. Wir entdecken einen scheint. Es hört sich an, als wären sämtliche Tearoom, der leider geschlossen ist, eine Art schottischen Geister dort eingeschlossen. Da Campingplatz, ein Postamt in einem Garten- es noch etwas dämmrig ist, wirkt das Szenario schuppen und - eine Phonebox! Da es auf der noch unheimlicher. Erst bei Helligkeit stellt sich Insel kein Funknetz gibt, rufe ich sofort Ulrich als Urheber ein Seehund heraus, der vor der an, einen Freund, der diesen Teil der Reise von Kirche am Strand liegt. Deutschland aus verfolgt und überwacht. Die „white sandy beaches“ finden wir nach etwa ei- Als letztes Boot ner Stunde Fußweg - und es ist nur einer, nicht verlassen wir gegen 12 h die Bucht, nachdem einmal groß. Zurück an Bord, erfahren wir im wir den Anker aus einem Riesenklumpen See- Wetterbericht, dass auch die kommende Nacht tang herausgepuhlt haben und nehmen Kurs alles andere als ruhig wird. Die Nacht verläuft auf die Isle of Skye. Da der Wind noch immer exakt wie jene zuvor. Wir wundern uns, ob die mit 7 Bft. Bläst, laufen wir erst nur unter Fock, Crews auf den anderen Booten sich genauso in dann z. T. vor Topp und Takel in Richtung Loch die Hosen machen wie wir. Überhaupt, fällt uns Dunvegan. Da die Insel Skye im Sommer voller auf, sooft wir an Deck kommen, um nach dem rechten zu sehen, nie bekommen wir an Bord der anderen Boote jemanden zu Gesicht. Wahr- scheinlich ist das Wetter hier normal und die Leute kümmern sich nicht mehr drum. Um 05 h nimmt der Wind wieder ab und dreht etwas 92 | Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden

Touristen ist, bevorzugen wir einen Ankerplatz zwischen zwei Inseln, die seit 150 Jahren nicht mehr bewohnt sind. Dort gibt es nur Schafe und Ruinen von „Blackhouses“ und einem Main House, dem einzigen ehemals mehrstöckigen Gebäude auf der Insel. Im Handbuch steht, dass im Mainhouse vor 300 Jahren zwei Fami- lien auf heimtückische Weise von einem Groß- grundbesitzer ausgelöscht worden sind, da er ihr Land auch noch besitzen wollte. Als Steffi im Dunkeln noch mal an Deck geht, glaubt sie Licht in der Ruine zu sehen. Sehr schnell ver- schwindet sie in die Koje... Mit dem Beiboot ge- hen wir am nächsten Morgen an Land. Was in Deutschland undenkbar wäre - hier ist es ganz normal - wir betreten und erkunden eine un- bewohnte Insel und sind hier ganz alleine. Zu- hause hätte uns längst ein gelbes „Eulenschild“ mit der Aufschrift “Naturschutzgebiet - Alles verboten!“, oder ein eifriger Naturschützer des Strandes verwiesen. Irgendwie sind die Briten zu beneiden.

Wir durchstreifen die Insel, picknicken unterwegs mit Oatcakes und Cheddar, und fühlen uns Columbus nahe. Die Als wir am nächsten Tag aufbrechen, Nachteile solcher Abgeschiedenheit bade ich um unser „Ziel“ anzusteuern, zeigt sich das am nächsten Morgen im wahrsten Sinne des Wetter von seiner besten Seite. Sonnenschein Wortes aus. Seit Dunstaffnage Bay hatten wir und leichter Wind vermitteln das Gefühl, in der keine Dusche mehr gesehen. Während Steffi Dänischen Südsee unterwegs zu sein - nur die die Körperreinigung mit einer Schüssel war- schroffen Felsen der Äußeren Hebriden mögen men Wassers vollzieht, erledige ich das mit nicht recht dazu passen. Auch zwingt uns ein Seewasserseife und der Badeleiter außenbords. Gegenstrom im North Minch zeitweise die Ma- Als ich später noch eine Runde allein über die schine zu benutzen, da wir es sonst bis Storno- Insel mache, höre ich unser Nebelhorn und eile way nicht schaffen würden. Ein Blick zurück zu zurück zum Beiboot - es gibt wohl ein Problem Isle of Skye lässt im Fernglas deutlich den Qui- an Bord. Während meiner Abwesenheit hat der raing erkennen - jene Felsformation, wo vor 3 Wind gedreht und „Hanseat“ schwojt gefähr- 1/2 Jahren die Idee von dieser Reise geboren lich nahe an einem Felsen, während Steffi ihn wurde. Als wir den uns wohlbekannten Hafen bereits unter Maschine von diesem Hindernis erreichen, müssen wir ins Päckchen gehen, da freihält. Es nützt nichts - der Anker muß ver- ein „Maritime Festival“ als auch das von uns legt werden. Da es schon beim ersten Manöver erhoffte „Hebridian Celtic Festival“ viele Boote schwierig war, einen geeigneten Platz zu fin- angelockt hat. Am nächsten Tag sind wir das den, müssen wir diesmal den Anker von „Akka“ innerste Boot eines neuen Päckchens gewor- Lehmann als Reitgewicht abfieren, um unseren den. Neben uns liegt ein Franzose aus St. Malo Mangel an Kette auszugleichen. So können wir und außen ein Norweger. Der Schottische Ha- noch eine zweite Nacht bei „unserer“ Insel ver- fenmeister erscheint und möchte Länge, Breite bringen. und Namen der Boote wissen. Aufgrund des Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden | 93 starken schottischen Akzents versteht ihn der sind wir auf seine “Mirrie Dancer“ eingeladen: Franzose nicht und erzählt ihm mit für Schotti- „...for coffee/tea...“, wie es auf seiner sehr nob- sche Ohren vermutlich ebenso schwer ver- len Einladungskarte heißt. Wir lernen die bei- ständlichem Kauderwelsch vom Wetter, das den näher kennen und der Coffee/Tea verwan- während seiner Reise herrschte. Wie so oft in delt sich schnell in 12 Jahre alte Getränke solchen Situationen im Päckchen ist nicht nur schottischen Ursprungs. „Wenn sich die Leute Springtide von gut 3,5 m sondern auch noch von den Orkneys mit Shetlandern treffen,“ so Starkwind angekündigt. Es werden alle Fender erzählt der Mitte 70-jährige ehemalige Schul- ausgebracht, die wir haben, eine am Kai her- leiter, „dann trinken sie erstmal eine Flasche umliegende Planke wird als zusätzliches Fen- Whisky - to calibrate the language“. Er ent- derbrett montiert und der außen liegende Nor- puppt sich als geborener Geschichtenerzähler weger gibt uns noch zwei seiner Fender dazu. und es wird ein Abend für viele lange und Wir können „Hanseat“ also nicht lange allein spannende Geschichten. Wir sind wieder ein- lassen, freuen uns aber, ausreichend lange Fest- mal erstaunt, wie einfach das Segeln riesige macher dabei zu haben. Unsere Einkäufe müs- Generationsunterschiede und Sprachbarrieren sen wir am Tampen zu „Hanseat“ hinunterlas- einfach verschwinden lässt. Da er schon seit 30 sen und das Anbordgehen wird alle 6 h zu einer Jahren in Schottland segelt, fragen wir ihn, ob Kletterpartie über von Algen glitschige Balken. er uns Tipps für die Passage des „Pentland Firth“ Mit einem Mietwagen machen wir einen kur- geben kann. Der „Pentland Firth“ ist eine Meer- zen Ausflug zu den „Calanish Stones“, einem enge zwischen Schottland und den Orkneys, Steinkreis, in dessen Nähe wir eine kleine die für sehr starke Gezeitenströme berüchtigt Strickwerkstatt kennen. Dort decken wir uns ist. Sein Tip lautet: „Do me a favour - don’t do mit warmen Pullovern aus Harris-Wolle ein, aus it!” Also decken wir uns mit Seekarten für die der sonst der berühmte Harris-Tweed herge- Orkneys ein und werden uns durch die Inseln stellt wird. Am Abend besorgen wir uns Karten schlängeln, da hier die Strömung nicht ganz so für das Festival und genießen die Mixtur aus stark sein soll, wie im Firth. Als wir am Tag vor keltisch-traditioneller Musik und Pop in vollen der Abfahrt das Seehandbuch studieren, um Zügen. Das böse Erwachen kommt jedoch in uns mit den kommenden Schwierigkeiten ver- der Nacht, als ich gegen 03 h aufstehe, um die traut zu machen, kommen uns doch leise Be- Festmacher zu kontrollieren. „Hanseat“ hat sich denken. Der erste Satz des Kapitels lautet: „ The an den Leinen aufgehängt. Dabei wurden durch north coast of Scotland is not a place for the die Springs die schützenden Fender angehoben faint- hearted and inexperienced!” Na gut - so und der nackte Rumpf liegt jetzt auf dem Holz ganz ahnungslos sind wir jetzt nicht mehr- au- des Kais! Autsch! Ich hätte 1 h früher aufstehen ßerdem werden wir die „Mirrie Dancer“ in der müssen, um den großflächigen Kratzer im Gel- Nähe haben, die an diesem Tag denselben Kurs coat zu verhindern. Hinterher ist man immer segelt. Da Stornoway Wendepunkt und Ziel un- schlauer. Und ein weiteres Problem haben wir serer Reise gewesen ist, legen wir wehmütig am noch: Um für die Rückfahrt einen kürzeren nächsten Morgen gemeinsam mit Kjell und Jo- Sprung nach Norwegen machen zu können, runn, den Norwegern, ab, im Wissen, jetzt wie- haben wir von Inverness aus norwegische See- der nach Hause zu segeln. Laut Seewetterbe- karten nach Stornoway bestellt- und die sind richt soll es leichten bis mäßigen Wind aus SE nicht da. Als wir im Supermarkt den Skipper geben und fogpatches - Nebelfelder. Zunächst der außenliegenden norwegischen Yacht mit kommen wir bei Strom mit und den prophezei- seiner Frau treffen, sprechen wir ihn an - und ten 3 Bft. gut voran, was sich jedoch ändert, als können unser Glück im Unglück kaum fassen. gegen Mittag fast bleierne Flaute herrscht. Da Er kommt aus Nordnorwegen, will dorthin zu- wir unsere Freunde dennoch am Horizont ent- rück und benötigt daher seine Karten für den schwinden sehen, starten auch wir den Motor, Süden nicht und wird sie uns ausleihen. Abends da wir 140 sm zu bewältigen haben. Am Nach- 94 | Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden

mittag können wir wieder die Segel benutzen, zwei Wege zwischen den Inseln nach Kirkwall. doch wir müssen jetzt hoch am Wind laufen, Nachdem wir die Breite der Einfahrten, die um die Einfahrt nach Kirkwall erreichen zu Stärke der zu erwartenden Strömungen und können. Im aufkommenden Nebel können wir die Zahl der gefährlichen Steine abgeglichen noch Cape Wrath entdecken und werden dabei haben, entscheiden wir uns, durch die nördli- von der Atlantikdühnung auf- und niederge- che, breitere Einfahrt nach Kirkwall zu laufen. hoben wie in einem Fahrstuhl. Die einzelnen Dennoch kreuzen wir noch gut 1 1/2 Stunden Seen sind wegen ihrer Länge von etwa 50 m unter zweimal gerefftem Groß und Maschine kaum zu erkennen. Als wir gegen 03.00 h das vor der Einfahrt, bis der Strom kippt und uns zweite Reff einlegen müssen, beginne ich den Weg ins Innere der Orkneys freimacht. ernsthaft, am britischen Met-Office zu zwei- Während ich mich bemühe, „Hanseat“ so opti- feln. Was soll man von Vorhersagen wie: SE mal wie möglich gegenan zu steuern, liest Stef- 3-4, möglicherweise 5-6, vielleicht auch zeit- fi jede Minute unsere Position ab und überprüft weise 7-8 halten?! Mittlerweile bin ich mir si- unsere Route auf Hindernisse. Wie ein lebendi- cher: Das britische Met-Office hat wahrschein- ger Kartenplotter dirigiert sie mich um Felsen lich nicht nur die Spanische Armada auf dem und Eddies immer weiter nach Luv, was mit zu- Gewissen - es hat durch ungenaue Vorhersagen nehmendem Strom von hinten auch immer den Weg Großbritanniens zur Seemacht wohl besser gelingt. Am frühen Nachmittag schwen- überhaupt erst ermöglicht! Wir stecken jeden- ken wir auf die Zielgerade ein: Südkurs zwi- falls bei 7 Bft. von vorn in einem riesigen fog- schen zwei Skerries durch und bis 17.00 h gera- patch, der ganz Schottland einzuhüllen scheint. deaus. Als wir, wie im Traum, den Hafen Kirkwall Mehr als eine Bootslänge ist rundherum nicht erreichen, beginnt es sich dort zu regen. Viele zu sehen. Also gehe ich unter Deck und bastle Gesichter wenden sich uns zu und es kommt mit den Funkspruch zurecht: „Securité...securi- Bewegung in die Leute in der nagelneuen Ma- té...securité...this is SY Hanseat...“ Nachdem ich rina. Acht Segler versammeln sich an der Pier, die Sprechtaste logelassen habe, höre ich abge- genau an der Stelle, auf die wir zulaufen. Viele hackt eine Antwort der „Mirrie Dancer“, kann Hände fassen nach unseren Leinen und machen aber keinen Kontakt aufnehmen. Als es wieder sie fest. Allmählich wird uns klar: Wer um diese hell wird, versuche ich, mich während Steffis Zeit hier ankommt, kann nur aus Stornoway Wache kurz hinzulegen, wenigstens um wieder gekommen sein. Und den Reiseverlauf konnte warm zu werden. Sie protestiert zwar, sie wür- wohl jeder an unseren Gesichtern ablesen. Viel- de allein im Cockpit einschlafen, aber ich muß leicht hat auch der eine oder andere mein Ge- ausruhen, da uns noch die Passage durch die spräch mit Kirkwall Harbour mitgehört, als ich Inseln bevorsteht - dafür muss ich wieder fit anfragte, ob es bei 6 Bft. Wind gegen die Strö- sein. Als ich eine halbe Stunde später wieder im mung empfehlenswert sei, in den Westray Firth Cockpit auftauche, finde ich Steffi, die Wange einzulaufen. an die Großschot gelehnt, schlafend. Es führen Mit „Hanseat“ zu den äußeren Hebriden | 95

Bevor wir Richtung Dusche taumeln, Strömung, doch als diese sich mit dem Abstand deckt uns der freundliche Hafenmeister noch zur Küste verliert, ist es auch mit dem Wind mit einem Stapel Broschüren ein. Anschließend vorbei. Es bleibt nichts anderes übrig: Die Ma- stärken wir uns mit Fish& Chips und genehmi- schine muss laufen - und das tut sie mit nur gen uns einen ausgiebigen Anleger. Kurz bevor kurzer Unterbrechung bis Norwegen. Also wird ich bewusstlos in die Koje falle, treffe ich noch für die Freiwache das Ohropax ausgepackt und Kjell von der „Mirrie Dancer“, die schräg gegen- vorbei geht es an bizarr erleuchteten Ölplatt- über am Steg liegt.. Er hatte draußen meinen formen. Es ist verboten, sich ihnen auf weni- Securité-Spruch gehört und mich gerufen, aber ger als 500 m zu nähern, so dass wir nervös keinen Kontakt bekommen. „Good to see you werden, als wir zwei Exemplare dicht an dicht in harbour“ ist sein Kommentar zur Überfahrt genau voraus ausmachen. Dazwischen ist nie von Stornoway. Er hat sich mit seinem RADAR und nimmer genug Platz für zwei mal 500 m. durch die südliche Einfahrt getastet und liegt Aber je dichter wir den Ungetümen kommen, schon seit Stunden hier. desto weiter rücken sie auseinander, und am Wir verbringen noch ein paar Tage und Abende Ende haben wir 5 sm auf jeder Seite Platz. Die mit Kjell und Jorunn an Bord und im Segelclub gewaltigen Ausmaße dieser Anlagen kann man Kirkwall. Beim Anblick der bequemen Sessel auf See nur erahnen. Am Morgen des über- und der mächtigen Bar kommt etwas Neid auf, nächsten Tages sichte ich gegen Ende meiner als ich an unseren sterilen Seminarraum im Wache die ersten Schären Norwegens. Ich er- Bootshaus und den etwas spartanischen Kom- wische genau den richtigen Augenblick kurz munikationsraum in der Bootshalle denke. vor dem Verlöschen der Leuchtfeuer, um in den Am zweiten Tag in Kirkwall erweist sich Kjell als Egersund einzubiegen. Steffi lasse ich schlafen, Fremdenführer, der uns mit einem gemieteten bis ich kurz vor dem anvisierten Liegeplatz bin. Auto die Insel mit ihren Sehenswürdigkeiten Es ist 05.00 h früh als wir uns nach den Du- zeigt. Wir schlendern durch kleine Fischerdör- schen umsehen und feststellen, dass allein das fer, kriechen mit Taschenlampen in alten, un- Betreten der Duschräume norwegische Mün- terirdischen Keltengräbern umher und erfahren zen erfordert, die wir natürlich nicht haben. alles über die Wracks von Scapa Flow. Durch Nachfrage in einem Hotel erfahren wir den Standort des nächsten Geldautomaten, Am 24.07., und lassen den Tag mit Waschen, Duschen und knapp vier Wochen bevor wir zuhause sein Erholung vorüberziehen. Da der Hafen von be- müssen, lassen wir in gedrückter Stimmung waldeten Hügeln umgeben ist, liegt der Duft Schottland und die Orkneys hinter uns. Unsere von Kiefernharz in der Luft und zum ersten Mal norwegischen Freunde sind schon am Tag zuvor auf unserer Reise fällt uns auf, dass Sommer is zu den Shetlands aufgebrochen, während wir t- und dass wegen der vielen Wollpullover und sämtliche Supermärkte nach typisch Britischen der Skiunterwäsche und der Mützen kein Platz Lebensmitteln geplündert haben. Am Ende ist für leichte Sommerkleidung gewesen ist- und die Vorschiffskoje voll mit Twinings Tee, riesi- das bei 28° C! gen Walker’s Chipstüten in den sonderbarsten Geschmacksrichtungen, Oatcakes, Shortbread, Jan Evermann Pudding, Custard, Marmite, Brown- und HP- Sauce.

Kurz vor der Abfahrt bei E-laufendem Strom gehen wir noch einmal Fish & Chips essen und benutzen dieses eine Mal auch die Essigflasche. Um 19.00h bekom- men wir noch ordentlich Rückenwind durch die 96 | Crew des ASV gewinnt bei der Warnemünder Woche

werden, so dass die zweite Wettfahrt deutlich an die „SchwuppDiWupp“ ging. Der Abend Crew des stand ganz entgegen der sonst üblichen Dis- kussionen um die Wettfahrten, im Zeichen Greifswalder ASV des Fußballs. Doch die Veranstalter hatten mit Videoleinwänden gut vorgesorgt, so dass man gewinnt bei der sich nicht zwischen Fußball und Seglerparty entscheiden musste und bis zum nächsten Mor- Warnemünder gen gefeiert werden konnte. Leicht verkatert ging es am Sonntag Morgen zur dritten Wett- Woche fahrt auf die Bahn. Diese musste aufgrund des schwachen Windes zunächst abgebrochen wer- Nach der recht erfolgreichen Regattateilnahme den. Nach einem zweiten sehr guten Start lag am heißen Schlag in Neuhof ging es auf direk- die „SchwuppDiWupp“ lange Zeit in Führung, tem Weg weiter zur Warnemünder Woche. Für doch eine Winddrehung und die unterschätzte die Crew um den Steuermann Christian Zschie- Strömung an der letzten Tonne brachte die di- sche sind die Pokalregatten vor Warnemünde rekten Konkurrenten auf den Titel noch einmal in jedem Jahr der Höhepunkt der Saison. Zur heran. Knapp konnte der Stralsunder Hannes Crew gehörten Julia Nonn, Gunther Rahmlow, Luther auf seinem „Boxenluder“ einer ebenfalls Lars Lifson und Andy Buchheim. Knapp 30 baugleichen X-79 aus Stralsund vorbeiziehen. Crews kämpften vor der Silhouette von Warne- Die Platzierung im Dritten Rennen reichte je- münde um die Titel bei den Pokalregatten der doch um die Pokalregatten für die „Schwupp- Seekreuzerklassen. Bei idealen Bedingungen, DiWupp“ zu entscheiden. Der Sieg bei der 69. Sonnenschein und 3 Windstärken errang die Warnemünder Woche war bereits der 4. in Fol- Crew am Sonnabend einen zweiten und einen ge. Warnemünde ist ein tolles aber auch an- ersten Platz in den ersten beiden Wettfahrten. spruchsvolles Regattarevier. Wir werden wohl Während im ersten Rennen noch dem Riem- auch im nächsten Jahr wiederkommen, um den ser Boot „Esprit“ knapp der Vortritt gelassen Titel zu verteidigen und hoffen, dass vielleicht werden musste, erkämpfte sich die Crew der ein paar mehr Boote aus dem Verein zu dieser „SchwuppDiWupp“ in der zweiten Wettfahrt schönen Veranstaltung antreten. bei auffrischendem Wind einen großen Vor- sprung. Dieser konnte bis zum Ziel gehalten Christian Zschiesche Eine Reise durch den südschwedischen Schärengarten | 97

er schien direkt von den Steinen umgeben. Also erst haben wir freies Wasser und einen neuen Weg nach Ekenäs gesucht. Die zweite Ansteuerung war breiter und deshalb leichter zu finden. Dank Danikas ausgezeichneter Ara- Eine Reise durch den bisch-Kenntnisse bekamen wir nach einer lan- gen Wanderung in den Ort, den besten Kebab südschwedischen Schwedens - scheint wie bei uns ein National- gericht geworden zu sein. Die Wahl der nächs- Schärengarten 2006 ten Reiseziele fiel schwer. Beim Blick in den Reiseführer wurde schnell klar, dass die verblei- 25 Tage Segeln standen uns bevor. Wir hatten benden 14 Tage nicht reichen würden allen In- es ja so gewollt. Das Schiff lag so tief, dass nur seln einen Besuch abzustatten. Durch eine bei noch zwei der drei roten Streifen zu sehen wa- Bedarf für Segler öffnende Brücke ging es wei- ren. Aber im Urlaub sollte es uns ja an nichts ter nach Aspö-Drottingsskär, einer Karlskrona fehlen. Und die Klamotten für zeitweise 6 Per- vorgelagerten Festungsinsel. Hier konnte Chris- sonen und 3 Wochen Tour mussten ja schließ- tian seinen größten Erfolg verbuchen, indem er lich auch irgendwo verstaut werden. dem Hafenmeister mit seinem radebrechenden So starteten wir, das waren Danika, Maria, Englisch ganze 5 Minuten in dem Glauben las- Frank und Christian am 23.07. gen Sassnitz. In sen konnte, er hätte es mit einem Dänen zu knapp 5 Tagen mussten wir in Karlshamm sein, tun. Nach seiner Frage nach dem Heimathafen wo uns Alex und Heike erwarten würden, die ging das Gespräch allerdings in einem fließen- nur 10 Tage Urlaub bekommen hatten und uns den und fast akzentfreien Deutsch weiter. Der deshalb auch früher wieder verlassen muss- Hafenmeister war in seinem „richtigen“ Leben ten. Von Sassnitz ging’s bei 6 Bft. und schönen Dozent an der Uni von Lund und mehrmals in Wellen nach Kaseberga und von dort immer Greifswald gewesen. an der Küste entlang Richtung Norden zum Unter den Kanonen der Festungsanlage vor- Schwedischen Schärengarten, dem Ziel unserer bei ging es am nächsten Morgen wieder auf Reise. In Karlshamn stiegen wie verabredet Alex die Ostsee und bei beschaulichen 1 - 2 Wind- und Heike zu und so war die Crew auf unserem stärken nach Utklippan. Das frühe Aufstehen kleinen Schiff vollzählig. Von hier segelten wir sollte sich gelohnt haben. Nachdem uns keiner nach Hanö und Tärnö, wo wir einen Tag zum der „freundlichen deutschen Segler“ längsseits Feiern blieben, weil Chrischi seinen Geburtstag haben wollte, fanden wir einen Platz zwischen wieder einmal so günstig gelegt hatte, dass ihm zwei hochbordigen Zweimastern, die nicht alle Mitsegler Geschenke überreichen mussten. müde wurden zu betonen, dass sie am folgen- Auf Hanö hatten wir zwei Reiseführer für die den Tag zeitig ablegen würden und wir deshalb Schären erworben, welche uns nun wertvolle nicht zu dicht zwischen ihnen liegen sollten, Tipps in Ergänzung zu den schwedischen See- unsere Leinen nicht über oder unter die ihren karten gaben. Von Tärnö sollte uns unser Reise vertäuen sollten usw.. Doch bald hatten sie sich durch die schwedischen Schären ca. 20 Meilen beruhigt, bzw. andere „Gegner“ ausgemacht, weiter westwärts nach Ekenäs-Rönneby brin- denn es folgten weitere Schiffe. Irgendwann gen, doch schon die Ansteuerung der ersten war das kleine Hafenbecken voll, so dass man Tonne gestaltete sich schwieriger als gedacht. wirklich von der einen auf die andere Seite hät- Die bei 5 Bft. aus Südwest lang über die Ost- te gehen können. Pünktlich zum Sonnenunter- see anrollenden Wellen brachen mit beindru- gang legte sich ein Rostocker Zweimast-Scho- ckend hochspritzenden Gischtfahnen an den ner in die Einfahrt und verschloss den Hafen. vielen kleinen und größeren Steinen. Von der Selten haben wir das Hafenkino so genossen Tonne und damit dem richtigen Weg durch die wie an diesem Nachmittag. Unsere Bordwand Schären war erst mal nicht viel zu sehen, bzw. blieb trotz des freundlich ausgebrachten Fen- 98 | Eine Reise durch den südschwedischen Schärengarten

ders übrigens frei - nicht viele Schweden haben Höhe der Molen. Nach einem Tag Warten auf so kleine „Schiffe“... Wetterbesserung segelten wir nach Ystad im- Von Utklippan ging es über Torhamm zurück in mer unter Land und bei deutlich besseren Be- die Schären und von nun an wieder gen Wes- dingungen als der Wetterbericht verhieß. Der ten. Vorbei an der Hästholmen. Im Reiseführer Hafen war voll mit Seglern, die gen Westen stand zu lesen, dass hier ganze Kriegsschiffe wollten, aber bei angesagten 8 Bft. aus West im Felsen verschwänden. Dementsprechend nicht nach Hause kamen. Erst am nächsten hatten wir große Höhlen erwartet, die aber Morgen sollte es etwas besser werden. Nach ei- nirgends zu erblicken waren. Erst im Marine- nem kurzen Rundgang durch das kleine Städt- museum in Karslkrona sollte die Aufklärung chen legten wir uns früh schlafen. folgen. Dorthin segelten wir nach Zwischen- Um 6 Uhr starteten wir mit einigen anderen stopps und Inselwanderungen auf Svenön und Seglern Richtung Sassnitz, bei anfangs mode- Tjurkö Karlskrona. Extra für uns wurde so eine raten 4 Windstärken. Die Gedanken zum Wech- Art Fischerfest veranstaltet. Im Marinemuseum seln von der Fock auf die Genua, nur weil uns zeigte sich, dass die Schweden es verstanden, eine Hallberg Rassy überholte, waren mit der ihre Kriegsschiffe mit Tarnnetzen wie Felsen ersten Wolkenfront schnell vergessen. Schnell aussehen zu lassen, so dass sie wirklich „im Fel- folgte nach dem ersten Reff das zweite, danach sen verschwanden“. In Karlskrona verabschie- wechselten wir auf die Sturmfock. Mit Lifebelt deten sich Danika, Heike und Alex und prompt und Schwimmweste fest ans Schiff gekoppelt wurde uns am nächsten Tag auf Hasslö, wie zur zählten wir langsam die Meilen runter, Rich- Belohnung, der erste Strandtag beschert. Nur tung Rügen. Kurz vor Rügen bargen wir sogar das Wasser - kalt... noch das Großsegel. Trotzdem ging es mit 6,5 kn Weiter ging’s nach Tjärö, der schönsten Insel im Fahrt weiter. Nur gut, das dies keine Kreuz war. Schärengarten, die wir besucht hatten. In einer Der Schlag nach Westen vom Vortag machte schönen Bucht am Steg umgeben von Felsen... sich doppelt und dreifach bezahlt. Am nächsten Morgen ging es bei straffen Nach 25 Tagen und ca. 450 sm landeten wir Nordwest zurück nach Simrishamm. Der Wet- wohlbehalten und mit vielen schönen Eindrü- terbericht und die schwarze Front hinter uns cken im Gepäck wieder in Wieck und hätten verhießen nichts Gutes. Aber wir schafften es nach kurzem Wäschewaschen und Nachbun- von oben und unten trocken hinter die meter- kern gleich weitersegeln können... dicken Mauern des Hafens. Bei Oststurm muss hier ganz schön was los sein, bei der Dicke und Christian Zschiesche Anekdoten aus der Geschichte des ASV | 99

Anekdoten mich ein erfreuliches Zeichen von Zivilcourage und Mut, die Anweisungen der Staatsmacht zu aus der Geschichte missachten. Es wurde eine herrliche Reise von mehr als 300 sm und bedauerlicherweise auch des ASV meine letzte Seereise bis zur Wende, denn die Behörden wiederholten dieses Versehen nicht. Wie ich 1972 zu meiner letzten Fortan gehörte ich zu den Segelkameraden, die Seeregatta vor der Wende kam unter der Gesetzgebung der DDR an der Spor- tausübung behindert wurden. Mein Schipper PM stand in der DDR für Papiere des Pass- und hatte dies längst vergessen, aber mich erfreut Meldewesens. Mit einem PM 19 (Sammelrei- es noch heute und meine „glückliche“ Teilnah- sevisum) durfte man die Hoheitsgewässer der me an der Seeregatta 1972 lässt die Aussage DDR verlassen und auch zu besonderen Anläs- zu, dass die DDR eine durch Schlamperei gemil- sen nach Polen oder in die Sowjetunion segeln. derte Diktatur war. Ein PM 18 war die Voraussetzung zum Befah- ren der Segelgebiete in der 3-Meilen-Zone. PM Willfried Beulich genannt „Arktis“ 15 war der übliche Personalausweis. Dies extra- polierten die Segler spaßig zum „PM 1, der Ge- Was ist „Abheymeln“ und nehmigung zum Händewaschen in einer Schüs- woher kommt der Begriff? sel“. PM 19 und PM 18 mussten jährlich neu beantragt werden. Nicht alle Anträge wurden Wenn sie von „Abheymeln“ sprechen, so mei- genehmigt, so dass die Zahl der Seesegler ein- nen Greifswalder ASVer eine mehr oder weni- geengt und die Zusammenstellung von Besat- ger freundschaftliche Trennung von „gelieb- zungen erschwert wurde. Gelegentlich wurden ten“ Gegenständen. Inhaltlich kommt es dem erteilte Genehmigungen durch den Abschnitts- „über den Jordan jagen“ oder „in die Kollekte bevollmächtigten der Volkspolizei (ABV) wieder hauen“ nahe. Woher kommt nun dieser Be- eingezogen. So ging es mir 1972, als ich zur Be- griff und wie ist er entstanden. Ein „Googlen“ satzung der neu erworbenen „Stoltera“ für die führt nicht wirklich weiter. Nachforschungen DDR-Meisterschaft im Seesegeln gehörte. Die ergaben, dass er bei den „Activitas“ der HSG Mannschaft überführte das Schiff bereits nach in den frühen 70er Jahren auftauchte. Es fällt Warnemünde und war für mich unerreichbar, auf, dass der Wortstamm einen Namen enthält. als der ABV an meiner Wohnungstür klingel- Sicher nachweisbar ist, dass ein Gerhard Hey- te und ohne Erklärung und Kommentar mein mel damals in der HSG segelte. Und er segelte PM 18 einzog. Der Seesack war fertig gepackt die Ostseewoche 1972 bei mir auf der frisch und ich hatte keine Möglichkeit, meine Segel- erstandenen „Stoltera“. kameraden zu benachrichtigen. Wutentbrannt Die Ostseewoche begann mit den Dreiecken reiste ich mit meiner Seeausrüstung nach vor Warnemünde und Gerd führte als 6. Mann Warnemünde. Zusammen mit der Mannschaft mehr theoretisch elektronische Betrachtungen suchten wir zunächst ohne viel Hoffnung einen bei diesen eher ruppigen Rennen aus. Heu- Ausweg. Den fand der Schiffer Siegi auf fol- te kann man sagen, dass er auch hier an der gende Weise: Die Behörden hatten zwar mein Grundlage seiner Arbeit zur Vorbereitung und PM 18 zurückgefordert, aber nicht beachtet, Unterstützung der DDR-Olympiasegler auf der dass ich auf der PM 19-Mannschaftsliste stand. „Mutafo“ vor Tallinn bastelte. Die „Mutafo“ ist, Während der Dreiecksregatten musste ich an wie die „Ernst-Moritz-Arndt“, ein in Polen ge- Land bleiben. Beim Ausklarieren zur großen bauter Eintonner, der von Peter Ahrendt nach Seeregatta „Rund Bornholm“ missachtete der Tallinn gesegelt wurde. Sie führte Messungen Schiffsführer Siegi Wussow den Willen der Be- zu Strömung und Wind vor Tallinn aus. Peter hörden und klarierte mich mit sicherem Auftre- Ahrendt war 1972 auch auf der „Stoltera“. ten trotz möglicher Konsequenzen mit aus. Für Seine intensive theoretische Arbeit beding- 100 | Anekdoten aus der Geschichte des ASV

te, dass Gerd gelegentlich bei Manövern an Die unmusikalische Kellnerin Preventern und Schoten im Wege stand. Dies blieb ihm nicht verborgen und er teilte uns Es war zu der Zeit, als die Boddenetappen gera- nach den Dreiecken beim Frühstücken mit, dass de „erfunden“ worden waren. Am zweiten Tag er vor der Seeregatta von Warnemünde rund ging die Regatta von Wieck aus nach Gager. Bornholm und zurück abheuern werde, um uns Und da die Kneipe in Gager überfordert war, nicht weiter zu behindern. Meine Besatzung wanderten wir über den Berg nach Groß Zicker. schwieg betreten und ich hatte das Wort. Mit dabei war auch „unser“ Alwin. Alwin war „Nun“, so habe ich sicher angefangen, „eine sehr musikalisch, spielte im Universitätsorches- Seewettfahrt über ca. 300 sm ist ein hartes ter die erste Geige, war Professor der Medizin Rennen und Holzyachten wie die ‚Stoltera´ und damals Chef der Hautklinik. In der Kneipe muss man lenz halten“. Ich habe sicher darauf in Groß Zicker war es auch schon recht voll, hingewiesen, dass Dietchen Dyck während der aber wir fanden dann doch noch in einer Ecke Ostseewoche 1961 die westliche Ostsee durch einen Tisch. Es wurde gesungen, es wurde Bier den „Dingo“ gepumpt hat und er letztlich das bestellt, so viel auf den Tisch passte. Alwin trank Schiff nicht lenz halten konnte, so dass ich dann von mehreren Gläsern etwas ab, um sie zu stim- mit der Pütz die Bilge leeren musste. Auch auf dem alten „Stubber“ und der „Ariadne“ vor dem men und begleitete unser Singen, indem er mit Epoxydbezug ist mir der Kampf gegen Wasser einem Löffel die Gläser zum Klingen brachte. Es in der Bilge in Erinnerung. Und daher lieber war die perfekte Begleitung und wir fanden es Gerd, habe ich dich zum Pumpen angeheuert.“ großartig. Die Kellnerin war leider nicht musi- Und Gerd blieb an Bord und pumpte in meinen kalisch. Mit den Worten „Sie sind ja betrunken“ Wachen von Bornholm nach Warnemünde zu- nahm sie Alwin den Löffel weg und schubste rück gegen einen West bis Südwest 4 – 5. ihn unsanft auf seinen Stuhl zurück. Sicher war es die Hundewache, meine beiden Segelkameraden hatten ihre Kapuzen tief im Töns Föste Gesicht, es war nass und regnerisch und der Südwest machte uns vor Esper Ort zu schaf- fen. Die Pausen zwischen dem Pumpen wur- den kürzer und bei jedem Neuanfang musste die Pumpe angegossen werden. Hierzu nahm Gerd eine blaue Plastetasse und holte Wasser von Außenbord in Lee. Wir segelten schon die dritte Stunde, es graute bereits und wieder musste Gerd Wasser von Außenbord holen. Diesmal holte die „Stoltera“ stark über, die Welle machte Gerds Arm nass und behielt die Tasse. „Ist sie weg“? war meine Frage an den betretenen Gerd und seine Kapuze nickte nach unten. Unser dritte Mann, „Arthur“ war es, rief in die Kajüte: „Helga, die blaue Tasse ist „ab- geheymelt“, Gerd braucht eine neue!“ Genau so hat es sich zugetragen und dies belegt, dass „Activitas“ selbst unter widrigen Umständen kreativ sind und es gibt keinen besseren Platz zur Veröffentlichung dieser Begebenheit, als unser Jubiläumsheft zum 100sten Geburtstag des ASV zu Greifswald.

Siegfried Wussow Yachtregister | 101

Yachtregister (Stand: 2008)

Name der Yacht Typ Eigner Heimathafen

ARIADNE 6,5 KR-Kreuzer A. Freund/Dr. Jilg Greifswald-Wieck CHRILU Hanse 311 C. Lubs Greifswald-Wieck DIABOLO J 24 I. Buchheim Greifswald-Wieck DEJAVU Hiddensee H. Oster Greifswald-Wieck DORETTA Eigenbau Dr. Schrade/H. Fardun Greifswald-Wieck HANSEAT Bavaria 31 J. Evermann Greifswald-Wieck HAVING Niederl.Flachboot Dr. Brachmann Greifswald-Wieck HEAO Princess H. Burkert Greifswald-Wieck INDIGO one off ASV Greifswald-Wieck ISLA Etap 22 Prof. Dr. Nawka Greifswald-Wieck JOSEFINE H-Boot T. Benz Greifswald-Wieck KAMING Stress Dr. Föste Greifswald-Wieck KANETI Hiddensee V. Stiesch Greifswald-Wieck KNECHTSAND Drachen E. Seidel Greifswald-Wieck LISELUND Hanse 291 Dr. Voigt Greifswald-Wieck LUNA Folkeboot H. Benz Greifswald-Wieck LUV Hiddensee (mod) A. Scholz Greifswald-Wieck MEDEA Hanse 291 K. Rahmlow Greifswald-Wieck NAJADE Hiddensee Dr. Zöllner Greifswald-Wieck NORDSTERN Eigenbau K.H. Hõdicke Greifswald-Wieck OLD LADY Zeesboot Dr. Jahr Greifswald-Wieck OVERDOSE Helmsman 751 F. Reißland Greifswald-Wieck PAGELSHART Desty B W. Beulich Greifswald-Wieck PASSAT 5-KR-Kreuzer R. Krüger Greifswald-Wieck PETIT TRI Trimaran R. Nagel Greifswald-Wieck PRINCESS Hanse 331 W. Loose Greifswald-Wieck RUGIA Hiddensee Dr. Wussow Greifswald-Wieck SAIL AWAY Hiddensee (mod) J. Ahrens Greifswald-Wieck SCANIA Finn Express 83 E. Benz Greifswald-Wieck SCHWUPPDIWUPP X 79 ASV Greifswald-Wieck SEEFALKE Novara Dr. Drenckhan Greifswald-Wieck STUBBER Hiddensee ASV Greifswald-Wieck SWING Hiddensee F. Schmölling Greifswald-Wieck TANGAROA Hanse 370 P. Charisius Greifswald-Wieck THETIS Hiddensee ASV Greifswald-Wieck TIBA Hiddensee U. Riedel Greifswald-Wieck TINA Friendship 22 F. Kohl Greifswald-Wieck UNA Hiddensee Dr. Elze Greifswald-Wieck VELA Hiddensee (mod) R. Brandt Greifswald-Wieck WENDEHALS Malteserkreuzer A. Thümmel Greifswald-Wieck XENEA Princess M. Weber Greifswald-Wieck 102 |

Akademischer Seglerverein zu Greifswald e.V. 1908 - 2008