Derricks Härtester Fall

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Derricks Härtester Fall Öffentlich-rechtliche Gesetz &Moral Kommissare marburger hefte zur medien- wissenschaft Gesetz & Moral Öffentlich-rechtliche Kommissare Augen-Blick 30 Marburg 1999 AUGEN-BLICK MARBURGER HEFTE ZUR MEDIENWISSENSCHAFT Eine Veröffentlichung des Instituts für Neuere deutsche Literatur und Medien im Fachbereich 09 der Philipps-Universität-Marburg Heft 30 Dezember 1999 Herausgegeben von Jürgen Felix Günter Giesenfeld Heinz-B. Heller Knut Hickethier Thomas Koebner Karl Prümm Wilhelm Solms Guntram Vogt Redaktion: Günter Giesenfeld Redaktionsanschrift: Institut für Neuere deutsche Literatur und Medien Wilhelm-Röpke-Straße 6A, 35039 Marburg, Tel. 06421/284657 Verlag: Schüren-Presseverlag, Deutschhausstraße 31, 35037 Marburg Einzelheft DM 10,- (ÖS 73/SFr 10,-); Jahresabonnement (2 Hefte) DM 20,- (ÖS 146/SFr 19,-) Bestellungen an den Verlag. Anzeigenverwaltung: Schüren Presseverlag © Schüren Presseverlag, alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Uli Prugger, Gruppe GUT Druck: Difo-Druck, Bamberg ISSN 0179-2555 ISBN 3-89472-040-9 Inhaltsverzeichnis Vorwort...........................................................................................5 Markus Burbach Fiktionen staatlicher Exekutive Die ZDF-Kommissare in ihrer Zeit ..........................................7 Andreas Quetsch Der Mensch und die Moral: Oberinspektor Derricks härtester Fall.....................................25 Alle Derrick-Folgen .....................................................................73 Doris Rosenstein Marianne Buchmüller ermittelt. Zum Debüt der ersten Tatort-Kommissarin ...........................79 Literaturhinweise........................................................................110 Illustrationen: Alle Bilder wurden direkt den Filmen entnommen. Nachtrag zum letzten Heft: Im letzten Heft war wegen einer Druckfile-Verwechslung das Autorenver­ zeichnis unvollständig. Wir bitten die Betroffenen sowie unsere Leser und Leserinnen um Entschuldigung und tragen ihre Namen hier nach: Ranja Gaafar, geb. 1977 in Marburg, Abitur 1996, dann Studium in Marburg: Neuere deutsche Literatur und Medien sowie Anglistik. Derzeit Studienaufenthalt in England. Peter Münz. geb. 1974 in Bergisch-Gladbach. Abitur 1994 in Montabaur. Seit Oktober 1995 Studium an der Philipps-Universität Marburg: Geschichte, Medienwissenschaften und Anglistik Veröffentlichungen im Rahmen eines Praktikums bei einem regionalen TV-Sender zu regionalen Themen im Bereich von Politik und Kultur. Thorsten Wagner, geb. 1971 in Wetzlar, Studium seit 1995 Anglistik, Politik und Medienwissen­ schaft in Marburg. Auslandssemester in Cambridge. Tätigkeit als freier Mitarbeiter in der Presse. Schreibt derzeit an einer Magisterarbeit über E.M. Forster. Zu den Autorinnen und Autoren dieses Heftes: Markus Burbach, geb. 1967, Studium der Neueren Deutschen Literatur und Medien in Marburg; 1997 wiss. Mitarbeiter am Teilprojekt B13 „Fernsehserie“, seit 1998 am Teilprojekt B 12 „Fern­ sehspiel“ des DFG-Sonderforschungsbereichs 240 „Bildschirmmedien“ Andreas Quetsch, geb. 1969, Studium der Neueren Deutschen Literatur und Medien in Marburg, 1993-99 freier Mitarbeiter beim Hessischen Rundfunk, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Freier Autor (u.a. Süddeutsche Zeitung), seit 1999 freier Drehbuchautor. Doris Rosenstein, geb. 1941, Studium der Germanistik und Kunst an der Universität-GH Siegen, Promotion über die Romane Irmgard Keuns, seit 1997 wiss. Mitarbeiterin am Teilprojekt B13 „Fernsehserie“. 1999 Habilitation (kumulativ mit medien- und literaturwissenschaftlichen Schriften). 5 Vorwort Zehn Monate nach dem offiziellen Start des bundesdeutschen Fernsehens (NWDR, 25.12.1952) und noch vor der ersten Folge von Unsere Nachbarn heute abend - Familie Schblermann begann am 5.10.1953 die erste deutsche Kriminalserie: Der Polizeibericht meldet. Die in der Zusammenarbeit mit der Hamburger Kripo entstandenen Episoden stützten sich auf reale Fälle, und der Kriminaldirektor Breuer bat die Zuschauer um ihre Mithilfe. Sowohl die Schblermanns als auch der Polizeibericht bezogen sich unmittelbar auf die so­ ziale Realität der bundesdeutschen Gesellschaft und der Menschen in diesem Land. Und sie sind die Prototypen der zwei Seriengenres, die die meisten deut­ schen Fernsehserien der folgenden fast 50 Jahre beeinflussen werden: Famili­ enserie und Krimiserie. Als originärer Bestandteil des Fernsehprogramms wird die Krimiserie zu einem den Programmfluß mitstrukturierenden Angebot. So wie mit der Tages­ schau der Abend der Zuschauer beginnt (die Küche ist aufgeräumt, die Kinder sind im Bett), so beginnt mit dem Freitag-Krimi im ZDF das Wochenende, das wiederum mit dem Tatort am Sonntagabend ausklingt. Und immer wieder ent­ brennt die Diskussion, ob denn die Handlung „realistisch“ war. Doch nicht nur im deutschen Fernsehprogramm ist der deutsche Krimi nicht mehr wegzudenken, sondern weltweit finden Derrick und Der Alte begeisterte Zuschauer. Und erneut wird darüber nachgedacht, welches Bild von „uns Deut­ schen“ denn mit diesen Filmen vermittelt wird, gerade so, als seien Stephan Derrick und Harry Klein die wichtigsten Botschafter unserer Nation. Jenseits aller Polemik und ohne Derrick & Co. als „Kult“ zu betrachten, al­ so entgegen der in Tagespresse, Fanzines, Kompendien oder Homepages ge­ führten Auseinandersetzung mit deutschen Fernsehkrimiserien, lohnt der wis­ senschaftlich-analytische Blick auf dieses fernsehspezifische Genre, da es über seinen steten Bezug auf die gesellschaftliche Wirklichkeit Auskünfte über die Befindlichkeiten der Gesellschaft, über vermittelte Moralvorstellungen und Gruppenstereotype geben kann und durch die Offenlegung seiner weitgehend konventionalisierten fiktionalen Strategie deutlich wird, daß hinter den Krimi­ geschichten weniger die soziale Realität als vielmehr ein Autor steckt. Und dennoch: Die Identifikationsfiguren der Serienkrimis der öffentlich­ rechtlichen Fernsehanstalten, die Kommissare bzw. ab Ende der 70er Jahre die Kommissarinnen, lösen ihre Fälle auf der Grundlage des realen bundesdeut­ schen Gesetzes und stellen in seinem Sinne Recht und Ordnung wieder her. 6 Augen­Blick 30: Gesetz & Moral Daran ändert auch die manchmal in den Krimis zu beobachtende implizierte Kritik am Beamtenapparat „Polizei“ nichts, denn ein System, das Ermittler vom Schlage Schimanski zuläßt und in den eigenen Reihen Zweifel und kriti­ sche Distanz duldet, kann nicht durchweg kontrolliert repressiv sein. Nur In­ stitutionen, die sich ihrer sicher sind, können sich nach außen präsentierte in­ terne Zweifler leisten. Damit kommt die Stärke des politischen Systems, auf das sich die fiktionalen Geschichten beziehen, auch in den Krimis zum Aus­ druck, die bei oberflächlicher Betrachtung als kritisch erscheinen. In diesem Sinne leisten öffentlich-rechtliche Krimiserien, insbesondere die der „Vor-Schimi-Ära“ und der Zeit vor dem Dualen System, einen Beitrag zur Stabilität des bundesrepublikanischen Gesellschaftssystems. Diese „political correctness“ ist manchmal diesen Serien nicht von Beginn an eigen, sondern wird erst nach massiver Kritik der dargestellten Institutionen der Exekutive und Judikative hergestellt. In diesen Momenten, in denen selbst fiktionale Ge­ schichten einer Kritik unterzogen werden, als stellten sie wahre Begebenheiten dar und seien das Abbild realer Zustände, wird deutlich, daß auch das öffent­ lich-rechtliche Fernsehen eines nicht ist: politisch unabhängig. Markus Burbach 7 Markus Burbach Fiktionen staatlicher Exekutive Die ZDF-Kommissare in ihrer Zeit Als am 16. Oktober 1998 die erfolgreiche ZDF-Krimiserie Derrick mit der Folge Das Abschiedsgeschenk zu Ende ging und Horst Tappert alias Oberin­ spektor Stephan Derrick mit hochgeschlagenem Trenchcoatkragen in der Dun­ kelheit einer Münchner Straße verschwand, wurde noch einmal in der Bild­ komposition und der Lichtsetzung deutlich, in welcher Tradition diese Serie stand. In den Kriminalserien der frühen Fernsehjahre war die zum Schatten transformierte Figur des Kommissars vor einer spärlich beleuchteten Häuserflucht ein gängiges Bild sowohl für die Gefahr, der der Ermittler ausgesetzt ist, als auch für dessen Willen, sich dem Bösen mit Entschlossenheit entgegenzustellen und es zu bekämpfen, wo immer es lauern mag. Diese Bildeinstellung kann als bei­ spielhaft für die Kontinuitäten des deut­ Letzte Einstellung der letzten Derrick-Folge DasA bschiedsgeschenk vom 16.10.1998. schen Fernsehkrimis gesehen werden, denn es handelt sich in der letzten Der­ rick-Folge nicht etwa um ein filmisches Zitat, sondern um die Anwendung eines für Krimis üblichen Stilmittels, das bild­ lich den einsamen Ermittler in einer un­ durchschaubaren Umgebung zeigt, die zu erhellen er herausgefordert ist. Im Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland waren Kriminalserien von KommissarAFreytagAim Vorspann der Beginn an feste Programmbestandteile. gleichnamigen Serie des Hessischen Rund­ Doch die westdeutschen Kommissar- funks (1963-1966). 8 Augen­Blick 30: Gesetz & Moral Krimis, deren formgebenden Merkmale sich nach und nach herausbildeten und in der Serie Derrick kulminieren sollten, entstanden erst ab Mitte der sechziger Jahre und erhalten schließlich durch Herbert Reineckers Der Kommissar eine dramaturgische Konzeption, die für drei Jahrzehnte den Freitagabend-Krimi des ZDF bestimmen sollte. Diese spezifisch deutsche Form des Genres Fernsehkrimiserie kann als „Subgenre Kommissar-Krimi“ bezeichnet werden, deren Handlung sich um den Kriminalbeamten entfaltet, auch wenn dieser nicht immer Mittelpunkt des Ge­ schehens oder Identifikationsfigur ist. Die zentrale Figur,
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