Schwierige Farbenspiele Ab Seite 3

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Schwierige Farbenspiele Ab Seite 3 www.apb-tutzing.de | ISSN 1864-5488 | Ausgabe 04-2017 AKADEMIE-REPORT AKADEMIE FÜR POLITISCHE BILDUNG TUTZING JAHRE 1957 – 2017 Schwerpunktthema: Analyse der Bundestagswahl Schwierige Farbenspiele ab Seite 3 Vision Europa 2030 Hörbar glaubwürdig Denken am See Trotz Erfolgsgeschichte sieht Die zentrale Frage bei den Tut- Wie sollen Aus- und Weiterbil- sich die europäische Idee zinger Radiotagen: Wie können dung an die durch Digitalisie- zunehmend Skepsis und Relevanz und Glaubwürdigkeit rung veränderte Arbeitswelt Gleichgültigkeit gegenüber. des Radios im digitalen Zeital- angepasst werden? Reichen Prominenter Gastredner: ter angesichts neuer Konkur- Reformen oder brauchen wir EU-Kommissar Oettinger. renten gesichert werden? eine Bildungsrevolution? ab Seite 11 Seite 18 Seite 23 INHALT Blick über den See Inhalt Die Bundestagswahl war lehr- reich: Es hat Konsequenzen, BUNDESTAGSWAHL wenn eine Demokratie sich zur 3 Tektonische Verschiebungen „Zweidritteldemokratie“ entwi- 4 Tops und Flops der Werbekampagnen ckelt und es den Volksparteien 5 Künstliche „Horse-Race“-Dynamik nicht mehr gelingt, die „einfa- gegen Langeweile chen Leute“ anzusprechen und 6 Verlierer unter sich vor allem mit ihnen zu sprechen. 7 Vom Niedergang der Volksparteien Dieser Teil der Wählerschaft ist 9 Politische Führung und davon überzeugt, dass „die da die Mühen der Ebene oben“ sich nicht für ihr Schick- EUROPA sal interessieren und Politik sich 11 Identität – Krise – Zukunft auf ihr Leben nicht auswirkt – zumindest nicht positiv. Der 12 Europa vor dem Neuanfang? Selbstausschluss dieses Drittels hätte uns vermutlich auch 14 Vision 2030 für Europa weiterhin nicht allzu sehr interessiert, wenn uns nicht die Bundestagswahl eine Lehre erteilt hätte: Ein Teil dieser Nicht- MEDIEN wähler lässt sich durchaus mobilisieren. 15 Rattenfänger und Seelenfischer im Netz 16 Spannende Einblicke Und sie lassen sich ausgerechnet durch ein Thema mobili- in die Zukunft des Journalismus sieren, das den kosmopolitisch eingestellten Mitgliedern der 18 13. Tutzinger Radiotage: Hörbar glaubwürdig Mittelschicht, und damit denjenigen, die von der Globalisie- rung profitieren, besonders ans Herz gewachsen ist – durch WIRTSCHAFT die Grenzfrage. Damit ist ausnahmsweise nicht die sogenann- 20 Zehn Jahre nach dem großen Crash te Obergrenze gemeint, sondern ein Konflikt, der inzwischen BILDUNG viele Gesellschaften erfasst hat: Nämlich die Auseinanderset- 23 Die Evolution des Bildungssystems zung darüber, wie offen die Grenzen der Nationalstaaten für KULTUR Güter, Kapital, Arbeitssuchende oder Flüchtlinge sein sollen 17 Bavarabica bei der Tutzinger Kulturnacht und auf wie viele nationale Kompetenzen man im Gegenzug 24 Am Rand der Gesellschaft für ein friedliches Miteinander in Europa und der Welt zu ver- zichten bereit ist. Eine von vielen Herausforderungen, vor die SOZIALPOLITIK dieser neue gesellschaftliche Konflikt nicht nur die Parteien 25 Migration und Integration als stellt, besteht darin, dass solche Identitätsfragen sich nicht Dauerbrenner der politischen Bildung allein durch sozialpolitische Wohltaten abfedern lassen. Und ETHIK auch noch so gut gemeinte Ausführungen über die Vorzüge 26 Der neue Tutzinger Diskurs im Doppelpack des europäischen Friedensprojektes werden bei denjenigen, INTERNATIONALE POLITIK die sich von den Parteien ökonomisch, diskursiv und kulturell 27 Vertrauensverlust in den im Stich gelassen fühlen, kaum ankommen. transatlantischen Beziehungen POLITIKWISSENSCHAFT Ob und wie es gelingt, diesen neuen Konflikt zu befrieden, 29 Zur Lage der Nation wird nicht nur das bundesdeutsche Parteiensystem prägen. Sachliche Analysen und kontroverse Debatten werden wichti- ZEITGESCHICHTE ger denn je. 30 Mörderische Zusammenarbeit 32 1917 – ein Epochenjahr der Weltgeschichte Mit herzlichen Grüßen AKADEMIE INTERN 14 Impressum Ihre 33 „Eingeschlagenen Kurs erfolgreich weiter verfolgen“ 33 Starnberger Landkreislauf 33 Wechsel im Vorstand des Förderkreises 34 Neuerscheinungen 35 Medienspiegel Prof. Dr. Ursula Münch 37 Termine Direktorin der Akademie für Politische Bildung 38 Personalverzeichnis 40 Namen – Nachrichten © Titelfoto: weinstock / pixabay CCO 2 AKADEMIE-REPORT | 04-2017 BUNDESTAGSWAHL | SCHWERPUNKT © INFRATEST DIMAP Tektonische Verschiebungen Das für viele Beobachter sagte der Meinungsforscher. Der SPD habe es ange- sichts ihrer vierjährigen Mitregierung an Glaubwürdig- überraschende Ergebnis der keit gefehlt. Auch der offen zu Tage getretene Konflikt Bundestagswahl vom 24. September der Unionsparteien in der Zuwanderungspolitik habe zu Stimmenverlusten geführt. und seine Analyse bestimmten die schon traditionelle Nachwahl-Tagung Jamaika im Osten ohne Mehrheit zusammen mit der Deutschen Bei gestiegener Wahlbeteiligung (von 71,5 auf 76,2 Prozent) verloren beide Volksparteien zusammen 13,8 Vereinigung für Parlamentsfragen. Prozent und kamen damit gemeinsam auf den histori- schen Tiefstand von 53,4 Prozent. Ihr Absturz in Ost- VON EINER AMBIVALENTEN GRUNDSTIM- und Westdeutschland läuft parallel. In Ostdeutschland MUNG während des Wahlkampfes sprach Nico Sie- hat die mögliche zukünftige Jamaika-Koalition nicht gel von infratest dimap. Obwohl eine Mehrheit der Be- einmal eine Mehrheit. Siegel sieht im Niedergang der völkerung die wirtschaftliche Lage positiv einschätzt Volksparteien im europäischen Vergleich eine Normali- und das Thema Arbeitslosigkeit an Bedeutung ver- tät und warnte vor „Hyperdramatisierung“. Die Zukunft liert, haben es die Bun- der Alternative für Deutschland (AfD) sei unsicher. An- desregierung und die gesichts möglicher Spaltungstendenzen sieht der Ber- Koalitionsparteien nicht liner Wahlforscher die Gefahr einer „neuen Rechten“. geschafft, diese positive Stimmung in Stimmen Keine Wechselstimmung für sich umzusetzen. Ebenfalls eine Mehrheit Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie in Al- artikulierte gleichzeitig lensbach beobachtete seit Anfang 2016 eine „lauwar- Angst, Sorgen und Un- me Zuversicht“, die bis zum Wahltag konstant blieb. behagen angesichts der Immerhin 46 Prozent der Bevölkerung sahen hoff- Flüchtlingssituation: „Es nungsvoll in die Zukunft und das Flüchtlingsthema gab eine Abkopplung habe zunehmend an Bedeutung verloren. Eine aus- zwischen den Eliten geprägte Wechselstimmung konnte man aus den Al- Nico Siegel: „Der SPD fehlt es und dem Volk und einen an Glaubwürdigkeit.“ lensbacher Daten nicht herauslesen. Die Deutschen Nährboden für Protest“, © Meyer / Schröder (APB) wollten der Wahl 2017 nicht das Prädikat einer „Schick- 04-2017 | AKADEMIE-REPORT 3 SCHWERPUNKT | BUNDESTAGSWAHL salswahl“ umhängen. Jung vom Meinungsforschungsinstitut GMS. Und die Und obwohl die Zustim- SPD habe mit der sozialen Gerechtigkeit kein relevan- mungswerte der Bun- tes und interessantes, sondern ein Randgruppenthe- deskanzlerin seit Febru- ma getroffen. Die relativ große Gewissheit über den ar 2017 anstiegen und Wahlausgang („Merkel bleibt auf jeden Fall Kanzle- die Unzufriedenen im rin“) habe bei vielen Wählern die Neigung zu Ument- Lande weniger wurden, scheidungen erhöht. Auch die ungeklärte Führungs- kam es zu den großen frage in der Union bei der Flüchtlingsthematik habe Verlusten der Unions- viele ihrer Wähler zur AfD getrieben. parteien – in Bayern für Michael Schröder die CSU sogar minus Thomas Petersen beobachtete 10,5 Prozent (von 49,3 eine „lauwarme Zuversicht“. auf 38,8 Prozent). Die Gründe für dieses über- raschende Ergebnis sieht Petersen in einem „Anti-Eli- ten-Klima“, das die AfD für ihre Erfolge braucht und dem allgemeinen Verfall des Ansehens der Politiker. Außerdem habe das Flüchtlingsthema im August und September 2017 wieder rasant an Bedeutung gewon- nen: „Entgegen der tatsächlichen objektiven Lage. Es muss also an der Berichterstattung darüber und an den Journalisten liegen“, sagte Petersen. „Die Wohlfühlkampagne der Bundesregierung und der CDU hat nicht getragen. Damit traf man nicht die reale Gefühlslage der Bevölkerung“, sagte Helmut © STUTTMANN Tops und Flops der Werbekampagnen MATTHIAS STORATH hat mit seiner Berliner Wer- Kurzbotschaften und zum Teil auch kleiner Schrift: „Die beagentur HEIMAT die Werbung für den Bundes- Leute mussten zum Lesen stehen bleiben und sie blie- tagswahlkampf der FDP konzipiert und ist dabei für ben auch stehen.“ So wurde denn auch Analoges für politische Kommunikation („ein Schafottgeschäft“) social media und online-Kanäle interessant gemacht. ganz neue Wege gegangen. Sein Problem: Die Par- Die gesamte Kampagne war auf den Spitzenkandida- tei war die letzten vier ten abgestellt. Dafür eignete sich auch der Wahlkampf Jahre nicht im Bundes- in Nordrhein-Westfalen als erfolgreicher Probelauf sehr tag vertreten und hat- gut. Am Ende stand der Wiedereinzug in den Bundes- te so keine bundeswei- tag mit 10,7 Prozent und 80 Abgeordneten. te Aufmerksamkeit und Kommunikationsplatt- Weniger erfolgreich verlief die CDU-Kampagne, die form. Seine Rezepte: von der Hamburger Agentur Jung von Matt entwor- „Die Kampagne wird ra- fen wurde. Christian Gast erläuterte, dass man auf dikal digital. Wir führen die Verschmelzung von Land, Partei und Kanzlerin ge- keinen Wahlkampf, son- setzt hatte. Ohne inhaltlich auf politische Details und dern eine Marke. Und Themen einzugehen („ohne Tiefe und Kanten“), soll- wir wollten Agilität statt te das Konzept das Bauchgefühl der Menschen an- Matthias Storath: „Politische ‚Jour fixe‘, die Todeszo- Kommunikation ist ein Schafott- sprechen: Uns geht es gut, bleiben wir dabei. Gast ne der Kommunikation.“ geschäft.“ gab zu, dass man mit der Konzentration auf die letz- ten sechs Wochen
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