Der dokumentarische Propagandafilm im Nationalsozialismus

am Beispiel von Leni Riefenstahls Triumph des Willens

und Olympia

zur didaktischen Umsetzung

in Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer

eingereicht von

Sandra Köhle

bei Univ.-Doz. Mag. Dr. Horst Schreiber

Fakultät für Geisteswissenschaften

der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Innsbruck 2015 Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Vorwort 8 1.2 Forschungsstand 10 1.3 Forschungsfragen 12 1.4 Aufbau 13

TEIL A

Historischer Kontext

2. Grundzüge nationalsozialistischer Filmpolitik

2.1 Die Verstaatlichung des Filmwesens 14 2.2 Film als Leitmedium im NS-Staat 20 2.2.1 Ziel der Massenerziehung zur „Volksgemeinschaft“ 24 2.2.2 Stellenwert und Merkmale dokumentarischer 26 Propagandafilme Leni Riefenstahls 2.2.3 Propaganda in „unpolitischen“ Spielfilmen 28 u.a. am Beispiel von Hart Veilans Jud Süß

3. und ihr Aufstieg zur NS-Regisseurin

3.1 Riefenstahls Kurzbiographie bis 1932 32 3.1.1 Riefenstahls Zugang zur NS-Elite 43 3.1.1.1 Hitler als Förderer der „Reichsfilmregisseurin“ 46 ab 1932 am Beispiel von Sieg des Glaubens Teil B

Filmbeispiele für dokumentarische Propagandafilme

Filmbeispiel I: Triumph des Willens (Parteitagsfilm)

1. Allgemeine Informationen zum Film 1.1 Auftraggeber und beabsichtigte Wirkung des Films 50 1.2 Zur Entstehung des Films 53 2. Realitätsbezug – Dokumentar- oder Propagandafilm? 64 2.1 Wirkliche Realität vs. faschistische Pseudorealität 66 nach Siegfried Kracauer 3. Riefenstahls Deutung von Triumph des Willens 68

Filmbeispiel II: Olympia. Fest der Völker / Fest der Schönheit (Dokumentarfilme) 1. Allgemeine Informationen zu den Filmen 1.1 Auftraggeber und beabsichtigte Wirkung der Filme 71 1.2 Zur Entstehung der Filme 75 2. Realitätsbezug – Dokumentar- oder Propagandafilme? 82 3. Riefenstahls Deutung von „Olympia“ 84

Analytische Zusammenfassung von Teil B

1. Riefenstahls Innovationen in der Filmästhetik 84

am Beispiel von Triumph des Willens und Olympia

1.1 Strategien der Emotionalisierung in der Filmtechnik nach Kristina 87 Oberwinter

2. Symbol Riefenstahl im Film und NS-Staat 89 Teil C

Der Fall der NS-Regisseurin

4. Leni Riefenstahl ab 1940/41 und nach Kriegsende

4.1 Tiefland als Beispiel für eine bizarre Produktionsgeschichte 92 4.2 Riefenstahls Umgang mit der NS-Zeit 96 4.3 Entnazifizierungsprozess 104 4.4 Riefenstahl umstritten bis zuletzt 108 4.4.1 Riefenstahl und die Nuba 113 4.4.1.1 Faschistisches Männerbild 114 4.5 Biographische Ergänzungen 116

Teil D

Didaktische Umsetzung im Geschichtsunterricht

5. Der Dokumentar- und Propagandafilm als Bildungsmittel und Vermittlungsform

5.1 Der Propagandafilm im Unterricht 117 5.2 Methodische Überlegungen zur Vermittlungsform Dokumentar- 117 Propagandafilm 5.2.1 Methoden zur Versprachlichung von Eindrücken und Emotionen 120 5.2.2 Analytisch orientierte und filmdidaktische Methode 120 5.3 Was sollen die SchülerInnen nach der Unterrichtseinheit können? 121 5.4 Materialübersicht über die politikdidaktische und filmanalytische 122 Erschließung der Propagandafilme Riefenstahls 5.5 Reflexion Unterrichtseinheit 132

6. Bibliographie

6.1 Audiovisuelle Quellen 136 6.2 Forschungsliteratur 136 6.3 Zeitschriften- und Zeitungsartikel 142 6.4 Internetquellen 145

7. Anhang

7.1 Riefenstahls Filmographie 146 7.1.1 Riefenstahl als Schauspielerin 150 7.1.2 Riefenstahl als Regisseurin 150 7.1.3 Riefenstahls „Kulturfilme“ 152 7.2 Liste Filmsequenzen Triumph des Willens und Olympia I & II 154 1. Einleitung

1.1. Vorwort

Dem Medium Film wird heute, wie vor 70 Jahren, eine besondere Bedeutung zugemessen – unabhängig davon, ob Spiel-, Dokumentar-, oder Propagandafilm, trägt der Film eine Intention und Wirkungskraft in sich, von der sowohl die heutige Geschichtsdidaktik weiß, als auch vor wenigen Jahrzehnten das Propagandaministerium der Nationalsozialisten wusste. Aus diesem Grund setzten sie alles daran, aus einer pluralistischen Filmwirtschaft einen zentral steuerbaren Propagandaapparat zu machen, der vom Drehbuch bis zu den Kinos im Sinne des Nationalsozialismus stand. Das NS- Regime versprach sich durch den Einfluss auf die Psyche der Menschen eine systemstabilisierende Macht, die sowohl innerhalb, als auch außerhalb des Machtzentrums wirkte.1 „Dokumentarfilme“ wurden als Propagandamittel besonders wichtig, da es die Nazis darauf anlegten, inszenierte Bilder als authentisch und faktisch auszuweisen, um ihre politische Macht zu stärken. Dass die Bilder aufgrund von diversen Manipulationstechniken, wie Kontextverschiebungen, veränderten Chronologien, Schnittkorrekturen und gezieltem Einsatz von Musik, kein Abbild der Realität, sondern ein propagandistisches Scheinbild war, wurde jahrelang erfolgreich verschleiert.2

Vom eigenen Filmschaffen des Propagandaministeriums enttäuscht, stützte sich das Regime auf das Können einer Frau – Leni Riefenstahl. Als Meisterin des Films und der Propaganda bewies Riefenstahl unvergleichbares Talent, mit dem sie neue Maßstäbe in der Filmkunst setzte und sich in besonderem Ausmaß für den NS-Staat einsetzte. Dafür trat sie in den frühen 30er-Jahren an die Stelle der Filmemacher des NS-Propagandaministeriums und jener Künstler, die bald nach der Machtergreifung Hitlers ins Exil flüchten mussten, weil sie von den neuen Machthabern des diktatorischen Regimes in die Arbeitslosigkeit getrieben und außer Landes verwiesen wurden.

Riefenstahl erkannte ihre Aufstiegschancen und zögerte nicht, aufwendige Filmprojekte anzunehmen und im Namen des Regimes auszuführen. Insofern bedeutete für Riefenstahl Hitlers Machtantritt eine glorreiche Zukunft und Karriere, mit der sie noch ein Jahr zuvor nicht rechnete. Ihre Kooperation mit Hitler und dem Nationalsozialismus resultierte zu Beginn wohl zum größten Teil aus der Möglichkeiten des künstlerischen Schaffens, der Anerkennung und der eigenen

1 Vgl. Zimmermann, Peter/Kay Hoffmann: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Drittes Reich 1933-1945. Bnd. 3, Stuttgart 2005, 195.

2 Vgl. Zimmermann/Hoffmann, 2005, 348.

8 Karrierechancen. Das „neue Deutschland„ sollte auch ihr endlich den gebührenden Platz einräumen – Riefenstahl wollte an die Spitze des deutschen Filmschaffens und des gesellschaftlichen Lebens des NS-Regimes. Die Nazis hingegen, wollten einzigartige Propagandaarbeit gewährleisten und sich mit bekannten Namen schmücken.3

Ihre Propagandafilme, Sieg des Glaubens (1933), Triumph des Willens (1935), Tag der Freiheit – Unsere Wehrmacht (1935) und Olympia I & II (1936, 1938) sind als Inbegriff faschistischer Selbstdarstellung zu verstehen und bis heute umstritten. Retrospektiv muss man sich die Frage stellen, ob die hitzigen Diskussionen um Riefenstahl in den letzten Jahrzehnten überhaupt in diesem Ausmaß geführt worden wären, wenn sie in ihrem langen Leben von 101 Jahren die Rolle der „Unschuldigen“ bzw. „Unbelehrbaren“ nicht derart konsequent durchgezogen hätte, wie sie es tat. Jens Jesse kommentiert ihren Todestag mit den Worten „Riefenstahl werde „{m}ehr noch als durch ihre avancierte Filmästhetik {…} als Monument des Starrsinns und der Uneinsichtigkeit im Gedächtnis der Menschheit bleiben.“4 Ihre Begabung bleibt unumstritten, allerdings auch, dass sie mit ihren propagandistischen Filmen die faschistische Selbstdarstellung ihres Idols Adolf Hitler glorifizierte, ihre Verantwortung aber nie sehen wollte.

Aus der Perspektive der politischen Bildung im Geschichtsunterricht bieten Riefenstahls Filme wertvolle Einblicke in politische Intentionen und Propagandavorhaben der NS-Führung – daraus ergibt sich für SchülerInnen die Herausforderung, die Botschaft des Filmes zu erkennen und zu analysieren auf welche Weise diese vermittelt bzw. welche Aspekte bewusst ausgeblendet wurden. Dies setzt die Kenntnis grundlegender Methoden und Arbeitstechniken voraus, die eine lebensnahe Auseinandersetzung mit politischen Themen und dargebotenen Informationen ermöglichen soll. Die Kompetenzen, die die Arbeit mit Propagandafilmen vermitteln will, reichen von der kritischen Filmbildung, die den Film als objektives Medium entmythologisieren, bis zum souveränen und kritischen Umgang mit Medien.5

3 Vgl. Trimborn, Jürgen: Riefenstahl. Eine deutsche Karriere. Biographie. 2002, 162-164.

4 Zit. n. Fink, Wilhelm: Riefenstahl revisited. München 2009, 9.

5 Vgl. Straßner, Veit: Filme im Politikunterricht. Wie man Filme professionell aufbereitet, das filmanalytische Potenzial entdeckt und Lernprozesse anregt – mit zehn Beispielen. Schwalbach 2013, 10-19.

9 1.2. Forschungsstand

Mit dem 100. Geburtstag Leni Riefenstahls stieg erneut das wissenschaftliche Interesse an der ehemaligen NS-Regisseurin - allein in Deutschland wurden innerhalb kurzer Zeit drei Monographien publiziert, von denen zwei auch ins Englische übersetzt wurden. Darunter die Autoren Rainer Rother mit Leni Riefenstahl: Die Verführung des Talents und Jürgen Trimborns Riefenstahl: Eine Karriere. Die genannten Autoren leisteten mit ihren Werken wertvolle Beiträge zur internationalen Riefenstahlforschung, die sich u.a. dadurch auszeichnen, dass ihre Herangehensweise an Riefenstahls Leben und Werk verglichen mit z.B. Susan Sontags Stellungnahme, distanzierter und abgeklärter ist.6

Aktuelle Forschungen beziehen sich immer wieder auf historische und politische Diskussionen und zahlreiche Artikel direkt aus der Nachkriegszeit und den späten 1970er Jahren, in denen man das Zeigen der Propagandafilme des „Dritten Reiches“, wie während der Kurzfilmtage in Oberhausen im Jahr 1965, diskutierte. Man begann erstmals mit dem Erstellen von Filmprotokollen und der Analyse von einzelnen Filmsequenzen7 – die Presse reagierte mit Ablehnung. KritikerInnen empfanden das Zeigen der Filme als voreilig und unüberlegt - ihrer Meinung nach, war die Zeit der Auseinandersetzung mit diesem Thema noch nicht gekommen.

Abgesehen vom immer noch aktiven Aufführungsverbot von Propagandafilmen8 in den 90er-Jahren kamen weiterhin Stimmen auf, die eine Tabuisierung der nationalsozialistischen Propaganda sogar befürworteten, weil das Filmmaterial ihrer Meinung nach, nach wie vor Emotionen in den

9 Menschen wecken und teilweise schmerzhafte Erinnerungen auslösen konnte.

Das Forschungsinteresse an Riefenstahl und ihren Werken ließ dennoch nicht nach – weiterhin erschienen wissenschaftliche Arbeiten, die sich neuen Aspekten der nationalsozialistischen Propaganda und dem Medium Film im „Dritten Reich“ widmeten. Zu nennen ist z.B. Martin Loiperdinger, der mit seinem Werk die Forschungslage in den 80er Jahren veränderte – zum ersten Mal griff ein Wissenschaftler auch die Frage nach der Wirkungskraft der Filme und der NS-Osthetik

6 Vgl. Fink, 2009, 7.

7 Vgl. Grimm, Andrea: Triumph der Bilder. Visuelle Beeinflussungsstrategien im Propagandafilm „Triumph des Willens“ (1935) von Leni Riefenstahl (Dissertation). Wien 2006, 6 f.

8 Vgl. Grimm, 2006, 9.

9 Vgl. Grimm, 2006, 9.

10 auf.10 Als wichtige Ergänzung veröffentlichte Kristina Oberwinter im Jahr 2006 ihren wissenschaftlichen Beitrag über Triumph des Willens, in dem sie erneut auf die ästhetische Inszenierung nationalsozialistischer Herrschaft und auf die Macht der Emotionen über Bilder eingeht.

Aktueller den je ist das Medium Film in der Geschichtsdidaktik und die Relevanz der Riefenstahl- Filme Triumph des Willens und Olympia im Unterricht: Beide Filme zeigen trügerische Bilder von einer homogenen „Volksgemeinschaft“ und einer einheitlichen Linie zwischen Partei und Führung - Riefenstahl gelang es mit ihren Filmen die Massen für das Regime zu begeistern und sie dahingehend zu mobilisieren, die Ideologie des Regimes zu der eigenen zu machen. Die Brutalität und Unmenschlichkeit wurde dabei völlig ausgeblendet - „der Trug des Schönen“ ins beste Licht gerückt. Riefenstahls Filme sind Musterbeispiele für grandiose Propagandaarbeit im filmischen Bereich und Zeugnisse der Selbstdarstellung der Nationalsozialisten, die bislang im Unterricht kaum Platz fanden - wohingegen kaum eine Dokumentation über die NS-Zeit ohne Riefenstahls Bilder auskommt.

Außerdem ist die Übernahme der Thematik in die Zentralmatura für die Fächer Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, aber auch für Deutsch oder Ethik, aktueller den je. Zuweilen noch etwas eingeschränkt auf rhetorische Aspekte gibt es zahlreiche Unterrichtsvorschläge zu der bekannten Sportpalast-Rede von J. Goebbels, die zur Veranschaulichung von Propagandamittel dienen soll, sowie zur Filmanalyse von Veit Harlans Jud Süß.

10 Vgl. Nowotny, Peter: Leni Riefenstahls Triumph des Willens. Zur Kritik dokumentarischer Filmarbeit im NS- Faschismus. In: Arbeitshefte zur Medientheorie und Medienpraxis. Bd. 3. Dortmund 1981. 13-15.

11 1.3 Forschungsfragen

Teil A

1. Mit welcher Absicht förderte das NS-Regime die Kunstform Film?

2. Welchen Stellenwert hatten die Person Leni Riefenstahl und ihre Propagandafilme im NS-Staat?

3. Welche Merkmale weisen politische und unpolitische Propagandafilme auf?

Teil B

1. Welche Grundprinzipien der NS-Propaganda und NS-Osthetik erzielten Riefenstahls Filme Triumph des Willens und Olympia?

2. Entsprechen die Filmbilder der wirklichen Realität zur Zeit des Hitler-Regimes, oder kann man von einer faschistischen Pseudorealität sprechen?

3. Welche Wirkungskraft ging von den Filmen aus?

3. Wie rezipiert die NS-Regisseurin ihre eigenen Propagandawerke?

Teil C

1. Wie ging Leni Riefenstahl nach 1945 mit ihrer Zugehörigkeit zum Dritten Reich um?

2. Wie ging die Gesellschaft nach 1945 mit ihrer vermeidlichen „Unschuld“ und ihrem Filmerbe um?

3. Wie ging es für Riefenstahl nach Kriegsende weiter?

Teil D

1. Wie können Propagandafilme im Unterricht umgesetzt werden?

12 1.4 Aufbau

Teil A erläutert die historischen Gegebenheiten kurz vor und zur Zeit des Nationalsozialismus, die für die Themenentwicklung relevant sind. Der Fokus liegt auf der Verstaatlichung des Filmwesens zu einem zentral steuerbaren Propagandaapparat und dem Medium Film im NS-Staat. Weiteres gibt dieser Teil der Arbeit einen tiefen Einblick in die Propagandaziele des Regimes, Erläuterungen zum Stellenwert von Leni Riefenstahls Propagandafilme, sowie zum unpolitischen Spielfilm Jud Süß von Hart Veilan.

Punkt 3 dient der vertiefenden Einführung in das Thema, in dem die relevantesten Daten über Leni Riefenstahls Biographie aufgegriffen werden, um nachvollziehbar zu machen, wie es zum Aufstieg innerhalb des Dritten Reiches kommen konnte und warum Hitler bereits seit 1932 als Förderer der Reichsfilmregisseurin gilt.

Teil B stellt mit den Filmbeispielen für dokumentarische Propaganda am Filmbeispiel I: Triumph des Willens (Parteitagsfilm) und Filmbeispiel II: Olympia. Fest der Völker / Fest der Schönheit (Dokumentarfilme) den Schwerpunkt der Arbeit dar. Dabei werden jeweils relevante Aspekte, wie Auftraggeber, beabsichtigte Intention, Filmentstehung, Realitätsbezug und Deutungsmöglichkeit beleuchtet. Eine analytische Zusammenfassung beider Filmbeispiele folgt anhand einer Ausführung über Riefenstahls Innovationen in der Filmästhetik und ihrer Symbolkraft im NS-Staat.

Teil C legt einerseits Riefenstahls Leben und Wirken ab 1940/41 und nach Kriegsende dar und setzt sich andererseits mit ihrem Entnazifizierungsprozess und Umgang mit der NS-Zeit auseinander. Im Zuge dessen wird ihre Umstrittenheit bis an ihr Lebensende diskutiert und ein kritischer Blick auf ihre Karriere als Fotografin geworfen.

Teil D widmet sich der didaktischen Umsetzung im Fach Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, insbesondere dem Dokumentar- und Propagandafilm als Bildungsmittel und Vermittlungsform. Methodische Überlegungen, ein konkreter Unterrichtsvorschlag und Materialien schließen das Thema ab.

13 TEIL A Historischer Kontext

2. Grundzüge nationalsozialistischer Filmpolitik

2.1 Die Verstaatlichung des Filmwesens

Juristisch betrachtet, beruhte Hitlers Macht auf einem einzigen Gesetz. Es wurde Anfang des Jahres 1933 verkündet und eingesetzt, um einen Staat wie Weimar zu zerstören.11 Mit dem Ermächtigungsgesetz gelang es Hitler und der NSDAP, in der er bereits seit 1921 Parteivorsitzender war, im Staatsapparat, alle parlamentarischen Gremien zu entkräften.12 Der Reichstag erteilte der Regierung das Recht, selbst die Rolle der Legislative zu übernehmen, auch wenn dies bedeutete, dass die Reichsverfassung selbst geändert wird. Alle Parteien bis auf die NSDAP wurden aufgelöst, die Gewerkschaften zerschlagen, der Rechtsstaat durch die Reichstagsbrandverordnung ausgesetzt, die parlamentarische Demokratie beseitigt und damit alle Macht zentralisiert. 13

Gleichschaltung der Filmpolitik

Das Nazi-Regime plante eine ähnliche in der Filmpolitik. Die Etablierung von Filminstitutionen und einer strikt parteiamtlichen Besetzung im gesamten Filmsektor sollte einen staatlichen Propaganda-Apparat schaffen, der nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet und zentral steuerbar macht. Die suggestive Kraft des Films und das modernste Massenmedium dieser Zeit wurde unmittelbar nach der Machtübernahme zum wichtigsten Instrument der Propaganda. Kein anderer Kulturbereich wurde vom Regime in der Weise gefördert und bis in die letzten Tage der Diktatur aufrecht erhalten.14

Die angestrebte Gleichschaltung gelang aber tatsächlich in weit geringerem Ausmaß, als die NSDAP anstrebte und vielfach behauptete. Da sich sowohl Omter, als auch Funktionäre durch ein

11 Vgl. http://www.zeit.de/1953/12/der-mythos-des-ermaechtigungsgesetzes, {23.10.2014}.

12 Vgl. Broszat, Martin: Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der Weimarer Republik, 5. Aufl., München, 1994, ISBN 3423045167.

13 Vgl. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hitlers-ermaechtigungsgesetz-die-grosse-vollmacht-12123561.html {23.10.2014}.

14 Vgl. Bernd, Kleinhaus: Ein Volk, ein Reich, ein Kino, Lichtspiel in der braunen Provinz. Köln 2003, 8.

14 massives Konkurrenzverhältnis auszeichneten, standen sie sich gegenseitig mehr im Weg, als dass sie sich unterstützen. Trotz der polykratischen Machtverhältnisse im jungen NS-Staat und den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, kam es in Deutschland zu einer rasanten Entwicklung der Filmindustrie.15

Filmkreditbank und Reichsfilmkammer als Grundlage der Verstaatlichung des Filmwesens

Anfang der 30er Jahre wurde von den Großbanken ein Prozess in Gang gesetzt, der die Zentralisierung der Entscheidungen in der Filmwirtschaft und die künftige NS- Gleichschaltungspolitik erst ermöglichte.16 Die allgemeine Depression, ausgelöst durch den New Yorker Börsencrash 1929, führte auch in der Filmindustrie zu einer ökonomisch äußerst angespannten Situation: Großkonzerne betrieben hemmungslose Verschuldungspolitik für kostspielige Filmprojekte, wobei kleine Kinos am Existenzminimum standen. 17 Seit Ende 1929 wuchs sich die Krise zur Katastrophe aus.

Die Satire „Man braucht kein Geld“18 stellt aus der Sicht der Filmwissenschaften ein Selbstporträt der 30er Jahre dar, das ein Bild über die Zusammenbrüche, Aufkäufe von ganzen Unternehmen und die Schließung von zahlreichen Kinos zeichnet.19 Lediglich vier großen Firmen, die Ufa, die Terra, die Emelka und die Deulig beherrschten den Markt bereits zu 45% und bauten ihre Stellung weiter aus. Die Ufa erwies sich dabei als riesige Krake, die ihre Arme in alle Bereiche des Filmwesens ausstreckte, sich immer weitere Unternehmen einverleibte und den institutionellen Rahmen der Filmindustrie enger steckte.20

Unter dem Vorwand mittelständische Filmunternehmer vor den mächtigen Konzernen schützen zu wollen und unabhängige Filmproduktionen weiterhin zu unterstützen, gründete das NS-Regime 1933 die Filmkreditbank und schuf sich damit eine wirtschaftliche Basis, die ihnen eine zentrale Machtposition verschaffte. Ohne eine positive Beurteilung durch das „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda", welches bereits sechs Wochen nach Hitlers Ernennung zum

15 Vgl. Zimmermann, Peter/Hoffmann, Kay: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Drittes Reich 1933-1945. Bnd. 3, Stuttgart, 2005, 93-95.

16 Vgl. Kleinhaus, 2003, 17.

17 Vgl. Kleinhaus, 2003, 21.

18 Anm. Spielfilm „Man braucht kein Geld“. Regie: Carl Boese. Deutschland 1931.

19 Vgl. Kleinhaus, 2003, 13.

20 Vgl. Kleinhaus, 2003, 17.

15 Reichskanzler gegründet wurde, konnten Filmschaffende im Deutschen Reich keine Kredite für Filmprojekte mehr bekommen.21 Bereits im selben Jahr war jedoch die Tendenz des Regimes, ebenfalls die Interessen der mächtigen Konzerne in der Filmbranche zu fördern, unabweisbar.22

Die Filmkreditbank verfügte über ein Stammkapital von 200 000 Reichsmark, welches sich aus Einlagen der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und Commerz- und Privatbank mit insgesamt 60 000 Reichsmark, der staatlichen Reichskredit-Gesellschaft AG mit 20 000 Reichsmark und dem überlegenen Anteil der „Ufa“ (Universum-Film AG) von 120 000 Reichsmark, zusammensetzte.23

Die Grundidee für das Zusammenspiel mehrerer Kapitalgeber legte bereits die SPIO (Spitzenorganisation der Deutschen Filmindustrie), die im Gegenzug deren Risiko übernahm. Dem Regime kam diese Zusammenarbeit gerade recht, da die Staatskasse somit unbelastet blieb. 24

Was Anfang 1933 noch nach einem gemeinsamen Entscheidungsbefugnis und einer gemeinsamen Organisation aussah, änderte sich bereits im August 1933 dahingehend, dass die gesamten Geschäftsanteile an die Reichsfilmkammer übertragen wurden. Da die RFK der Reichskulturkammer und dem Propagandaminister, sowie RFK-Präsidenten Joseph Geobbels selbst unterstellt wurde, übertrug man dem Staat auf diesem Weg auch eine umfassende Durchdringung und Kontrolle des Filmwesens, sowohl auf politischer, als auch auf personeller Ebene.25

Für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Einflussnahme auf die Filmindustrie beauftragte den Mittelsmann, Finanzexperten und 1937 zum „Reichsbeauftragten für die deutsche Filmwirtschaft“ ernannten, a.D. Dr. h.c. Max Winkler.26 Er leitete, die dem Propagandaministerium unterstellte Treuhandgesellschaft, genannt „Cautio“, die als privates Unternehmen getarnt, de facto aber in staatlichem Auftrag schleichend die Aktienmehrheit über die deutschen Filmunternehmen erwarb. Nach dem ersten verdeckten Aufkauf der Muttergesellschaft Intertobis, die bis dahin noch im Besitz von holländischen Banken war und heimlich in „deutsche Hände“ gebracht werden konnte, war die Richtung zur Verstaatlichung der Filmwirtschaft

21 Vgl. http://www.filmportal.de/thema/die-verdeckte-verstaatlichung, {20.12.2014}.

22 Vgl. Hanser, Carl: Die Ufa-Story. Geschichte eines Filmkonzerns. München/Tokio 2005, 260 f.

23 Vgl. Kullmann, Max: Die Entwicklung des deutschen Lichtspieltheaters. Nürnberg 1935, 78.

24 Vgl. Spiker, Jürgen: Film und Kapital. Berlin 1975, 96 f.

25 Vgl. Otto, Daniel: Der Bürgermeister und der Filmkonzern. Gleichschaltung und Verstaatlichung der deutschen Filmindustrie am Beispiel der Tobis AG. In: Distelmeyer, Jan: Tonfilmfrieden/Tonfilmkrieg. Die Geschichte der Tobis vom Technik-Syndikat zum Staatskonzern. München 2003, 107-125.

26 Vgl. Winfried, Lerg: Max Winkler, der Finanztechniker der Gleichschaltung. In: ZV+ZV. 60 Jg. (1963). Nr. 13, München 1980, 610–612.

16 vorgegeben und die ersten Schritte der Gleichschaltung bereits gegangen. 1942 wurden die übrigen großen Firmen, wie u.a. Terra, Tobis, Bavaria, Berlin-Film, Wien-Film, Prag-Film, Continental- und Mars-Film zum staatlichen Monopolkonzern, unter der Ufa Film GmbH zusammengefasst, um die Wahrnehmung der deutschen Filminteressen zu wahren.27

Die oberste Leitung der Abteilung V (Film) wurde des Öfteren ausgetauscht - der Ufa- Generaldirektor Ludwig Klitzsch trat allerdings auf eigenen Wunsch zurück, da ihn die Position des Spitzenmanagers durch Winkler auch weitgehend entmachtete.28 Die Treuhandgesellschaft wurde dem Propagandaministerium zwar nicht eingegliedert, trotzdem wurde die Abteilung V zum wirkungsvollen Lenkungsinstrument des Propagandaministers Joseph Goebbels.29

Selbst an der Besetzung des Aufsichtsrates der Filmkammer wird das Vorhaben der totalen Gleichschaltung unbestreitbar: für das Propagandaministerium, Staatssekretär Walter Funk, Filmabteilungsleiter Arnold Raether, sowie Ufa-Mitbegründer und Vertreter der Deutschen Bank Johannes Kiehl.30

Über einen Bescheid entschied weiteres die Abteilung V, die für Lichtspielgesetz, Filmwirtschaft, Filmwesen im Ausland, Filmwochenschauen und Filmdramaturgie Verantwortung trugen, sowie die Reichsfilmdramaturgen im Propagandaministerium.31

Damit ein Antrag überhaupt bearbeitet wurde, mussten bestimmte Unterlagen vorgelegt werden: Drehbuch, Besetzungsliste, urheberrechtliche Unbedenklichkeit, exakte Kalkulation, Verleihvertrag und Nachweis der Mitgliedschaft aller Beteiligten in der Reichsfilmkammer. 32

Anfang 1934 mussten die genannten Unterlagen noch verpflichtend vorgelegt werden, später hieß es dann „auf freiwilliger Basis“, wobei die Bewertung des Projektantrages eng an die Finanzierung und Realisierung gekoppelt war. Offiziell hieß es, dass dies nur geschehen soll, damit rechtzeitig erkannt werden kann, wenn ein Projekt dem Geist der Zeit zuwiderläuft. De facto hatten sich die Zuständigen die Möglichkeit verschafft, Berufsverbote gegen jüdische Filmkünstler, Techniker, Regisseure und Kinobetreiber auszusprechen und die „Arisierung“ des deutschen Filmschaffens

27 Vgl. Zimmermann/Hoffmann, 2005, 93-95.

28 Vgl. Bock, Hans-Michael/Töteberg, Michael: Das Ufa-Buch. 1992, 200–203.

29 Vgl. Zimmermann/Hoffmann, 2005, 93-95.

30 Vgl. Kreimeier, 1992, 259 ff.

31 Vgl. http://www.filmportal.de/thema/die-verdeckte-verstaatlichung, {19.12.2014}.

32 Vgl. Becker, Wolfgangr: Film und Herrschaft. Berlin 1973, 35.

17 voranzutreiben. Die Verstaatlichung verschärfte ihnen auch den Zugriff auf ausländische Filmfirmen, in denen jüdische Mitarbeiter tätig waren.33

Mit sogenannten „Entjudungsaktionen“ wurde „Nichtariern“ die Beschäftigung im öffentlichen Dienst verboten und damit entzog man tausenden Filmschaffenden auch ihre Existenzgrundlage.34 Dadurch wurden KünstlerInnen gezwungen Deutschland zu verlassen – wer jedoch nicht rechtzeitig ins Exil floh, wurde später von den Nazis mit dem Tod bestraft.35

Das Regime jedoch konnte diesbezüglich auch seine zynische Flexibilität zeigen und seine Zustimmung zu einer Ausnahme aussprechen, wenn einzelne Juden als SchauspielerInnen, Regisseure oder Kinobetreiber unverzichtbar schienen. Reinhold Schünzel war so eine Ausnahme - als „Halbjude“ durfte er von 1933 bis 1937 mit einer Sondergenehmigung arbeiteten, um als Filmkünstler und Devisenbringer den deutschen Film exportfähig zu halten.36

Lichtspielgesetz 1934

Mit wenigen Ausnahmen mussten fortan Filme und Filmreklame, die öffentlich ausgestrahlt werden sollten, der Zensurbehörde vorgelegt und rigider staatlicher Kontrolle unterzogen werden. Filme aus der Weimarer Republik oder der Zeit des Kaiserreichs waren davon keineswegs ausgenommen. Zur Regelung und Kontrolle der Produktion und Distribution von Filmen legte das Regime am 16. Februar 1934 die juristische Grundlage in Form des „Reichslichtspielgesetzes“ fest, das dem Lichtspielgesetz von 1920 entsprach, in einigen Punkten, wie u.a. „Verletzung des nationalsozialistischen Empfindens, des sittlichen Empfindens und dem künstlerischen Empfindens“, Verschärfungen beinhaltete.37

„Eine Flut von Vorschriften regelte die Gestaltung der Außenfassaden, die Werbung in den Anschlagkästen vor dem Kino und sogar die Eintrittspreise. Die Kinobetreiber wurden verpflichtet ihre Räume für Parteiveranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Hakenkreuzbeflaggung und Führerbilder gehörten bald zum gewohnten Bild der Kinos wie sonst nur bei öffentlichen Gebäuden. Dafür wurden sie jetzt sprachlich zu

33 Vgl. Becker, 1973, 35.

34 Vgl. Spiker, Jürgen: Film und Kapital. Tübigen 1991, 12.

35 Vgl. http://www.filmportal.de/thema/lichtspielgesetz-1934, {19.12.2014}.

36 Vgl. Kleinhaus, 2003, 8.

37 Vgl. Kleinhaus, 2003, 9.

18 „Lichtspieltheatern“ aufgewertet, und den Kinobetreibern schmeichelte man mit Bezeichnungen wie „Führer zum guten Film“ oder „Intendant eines Volkstheaters.“38

Weiteres mussten nun nach §1 auch Spielfilmprojekte der Filmprüfstelle zur Begutachtung vorgelegt werden. §4 regelte die Vorführung von Filmen zu wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken in öffentlich anerkannten Bildungs- und Forschungsanstalten - wofür man zwar keine Zulassung durch die amtliche Prüfstelle beantragen musste, aber man dennoch ein gesondertes Zertifikat der „Reichsstelle für den Unterrichtsfilm“39 benötigte, die 1940 in „Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht“ unbenannt wurde. Die Reichsstelle unter der Leitung von Kurt Gauger galt als wichtiges Instrument zur Gleichschaltung des deutschen Schul- und Ausbildungswesen.40

Prädikate und Zensur

Die amtliche Prüfstelle war zudem für die Prädikatisierung der Filme zuständig (§8). Wo sich die Prädikatisierung anfangs noch auf „staatspolitisch (besonders) wertvoll“ bis „künstlerisch volksbildend“ oder „kulturell (besonders) wertvoll“ beschränkte, erweiterten die Prüfstelle das System der Prädikatisierung immer weiter. Als höchste Auszeichnung kam im Krieg das Prädikat „Film der Nation“ (Gruppe I) hinzu, die Leni Riefenstahl 1936 für ihren dokumentarischen Propagandafilm „Olympia“ erhielt. Gruppe II entsprach „Staatspolitisch wertvoll, künstlerisch wertvoll und kulturell wertvoll“, wohingegen Gruppe III der Kategorie „Jugendwert und Lehrfilm“ entsprach.41

1933 wurde Goebbels die gesetzliche Vollmacht erteilt, unabhängig von den Zensurbehörden Filme zu verbieten, Prädikatisierungen zu revidieren und in Filmproduktionsabläufe einzugreifen. Goebbels verbot durch einen Erlass weiteres auch individuelle Filmbewertungen. Sogenannte „Filmbetrachtungen“ wurden ausschließlich von regimetreuen Filmbeobachtern verfasst und publiziert.42 Dem selbsternannten „Schirmherrn des deutschen Films“ unterstanden zwar zahlreiche

38 Zit. n. Kleinhaus, 2003, 10.

39 Vgl. Zimmermann/Hoffmann, 2005, 82.

40 Vgl. Kühn, Michael: Unterrichtsfilm im Nationalsozialismus. Die Arbeit der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm.Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. Mammendorf/Obb. 1998, ISBN 3-929168-21-9.

41 Vgl. http://www.filmportal.de/thema/verbote-zensur-und-praedikate-im-ns-staat, {27.12.2014}.

42 Vgl. Zimmermann/Hoffmann, 2005, 83.

19 Omter, jedoch musste er sich selbst ständig gegen Hitler, Reichsmarschall Herman Göring und später auch gegen Leni Riefenstahl behaupten.43

2.2 Film als Leitmedium im NS-Staat

Innerhalb weniger Jahre ist es dem NS-Regime gelungen, aus einer pluralistischen und privatwirtschaftlich organisierten Filmwirtschaft einen zentralgesteuerten Propagandaapparat zu schaffen, der vom Drehbuch bis zum Verleih an die Kinos jedes Detail kontrollierten und bestimmen konnte. Hinsichtlich des gänzlichen Zugriffs auf die Filmwirtschaft und die damit gewonnene Medienmacht ist der Erfolg der Verstaatlichung durch das NS-Regime ein historisch bemerkenswertes Phänomen. Dennoch kann man sich fragen, was der Film als Medium bei den ZuschauerInnen bewirkte, oder ob er tatsächlich die systemstabilisierende Wirkung zeigte, auf die das NS-Regime setzte. Weiteres kann man sich fragen, ob die unterschiedlichen Filmgenres das Vorhaben unterstützten, ein Volk von mehr als 60 Millionen Individuen zu einer gleich geschalteten „Volksgemeinschaft“ zu machen.44

Propagandaminister Goebbels als Kenner des Films, wie er sich selbst nannte, hatte an der Effektivität des Mediums keinerlei Zweifel.45 Mit der Annahme, dass Filme unbeschränkte Macht auf die Psyche der Menschen haben, stand Goebbels nicht alleine. NS-Propagandisten bauten darauf, dass der Film primär auf das Optische und Gefühlsmäßige, also nicht auf das Intellektuelle einwirkte und somit auch massenpsychologisch und propagandistisch von besonders eindringlicher und nachhaltiger Wirkung sei.46

Man war sich beispielsweise sicher, dass Komödien, ein durch den Krieg verursachtes Stimmungstief der Bevölkerung, verbessern konnte. Gleichzeitig nahm man an, dass historische Filme zur Verinnerlichung des Führerprinzips beitragen können und antirussische Filme Hass und

43 Vgl. http://www.filmportal.de/thema/verbote-zensur-und-praedikate-im-ns-staat, {27.12.2014}.

44 Vgl. Kleinhaus, 2003, 195.

45 Zit. n. Moeller, Felix: Der Filmminister, Goebbels und der Film im Dritten Reich. Berlin 1998, 57.

46 Vgl. Brandt, Hans-Jürgen: NS-Filmtheorie und dokumentarische Praxis: Hippler, Noldan, Junghans. Niemeyer, Tübingen 1987, 164 ff.

20 den Kampfwillen stärken. Selbst Unterhaltungsfilme galten als staatspolitisch wichtig, wenn nicht kriegsentscheidend.

„Dokumentarfilme“ rein hetzerischer Natur, wie Feldzug in Polen (1940), das antisemitische Machwerk Jud Süß (1940), oder propagandistische Unterhaltungsfilme wie Wunschkonzert (1940) sowie tendenziöse Spielfilmportraits wie Großer Deutscher oder Friedrich Schiller (1940) und Carl Peters (1941), galten als NS-Filmarbeit par excellence.47 Goebbels war fest entschlossen, man müsse im Besitz dieses Führungsmittels bleiben, damit der Krieg gewonnen werden kann.48 Dahinter steckte die Erkenntnis, dass eine Diktatur sich nicht darauf beschränken konnte, nur ein Machtzentrum in der Hauptstadt zu installieren. Sie musste das ganze Volk in Griff bekommen - dazu zählten alle sozialen Schichten und alle geographischen Regionen. Dies bedeutete, dass das NS-Regime darauf angewiesen war, ständig und überall Präsenz zu zeigen.49

Dieses enorme Vertrauen in die Wirkung von Filmen basierte auf der Annahme, dass die Bevölkerung ein rein passives Objekt ist, die weder über einen eigenen Willen noch über ein kritisches Urteilsvermögen verfügt. Davon ging auch Adolf Hitler aus, der seine ZuhörerInnen für eine dumpfe, emotionale Masse hielt, die er beliebig lenken und steuern kann. Doch ganz so dumpf, wofür das NS-Regime ihr Volk hielt, war es nicht. Waren die Filme nämlich zu weit von der Stimmung in der Bevölkerung entfernt, sanken auch die BesucherInnenzahlen schnell.50 Umgekehrt konnten Filme große Wirkung erzielen, deren Handlung und Besetzung der Erfahrungswelt der ZuschauerInnen glich, oder an ihre Erfahrungswelt anknüpfte. Alfred Rosenberg, selbsternannter Chefideologe der NSDAP bekräftigte dies:

„Man muss sich darüber im klaren sein, dass durch die Erfindung von Filmvorführungen in Kinos in des Menschen Hand ein Werkzeug gelegt ist, das zielbewußt benützt, Millionen Herzen nach einer Richtung hin schlagen lassen könnte.“51

47 Vgl. http://www.filmportal.de/thema/film-und-filmschaffende-unter-dem-hakenkreuz, {26.12.2014}.

48 Vgl. Fröhlich, Elke: Joseph Goebbels und sein Tagebuch. Zu den handschriftlichen Aufzeichnungen von 1924 bis 1941. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 35 (1987), Heft 4, 489–522.

49 Vgl. Kleinhaus, 2003, 8.

50 Vgl. Kleinhaus, 2003, 197.

51 Zit. n. Kleinhaus, 2003, 197 f.

21 Von den Anfängen bis zum Ende

Rosenbergs Aussage ist die erste parteiamtliche Bekenntnis zum Medium Film, welches die NSDAP noch vor 1933 grundsätzlich verdammte und mit der „Anordnung“ über Neuzulassung von Lichtspieltheatern und gewerblichen Wandervorführern“ vom 4. September 1934 grundsätzlich auch verbot.52 Öffentlich begründet wurde diese Zulassungssperre mit den ökonomischen Bedürfnissen vorhandener Kinobetreiber, deren wirtschaftliche Existenz gesichert werden sollte. Ein ruinöser Konkurrenzkampf, wie er in der Spätzeit der Weimarer Republik die Regel war, sollte vermieden werden. Die eigentliche Absicht freilich war eine andere. Im Kampf um WählerInnenstimmen verstanden es die NS-Propagandisten, mit Filmen auch unpolitische Menschen zu erreichen, die NS-Veranstaltungen nicht besuchten. Weil es anfangs jedoch an Geld und qualifizierten Filmleuten fehlte, war die Filmarbeit der NSDAP zunächst amateurhaft. Einzelne Parteiaktivisten filmten NS-Aufmärsche und präsentierten die Aufnahmen parteiintern. 53

Bei der Machtübernahme allerdings, verfügte die NSDAP bereits über eine funktionierende Infrastruktur und praktisch unbegrenzte Geldmittel, durch die professionell hergestellte Filme produziert werden konnten. Die Aufgabe der Parteifilmarbeit war es u.a. Filmpropaganda vom Zentrum in die Kinos auf dem Land zu bringen. Massenkundgebungen und Straßenversammlungen wurden am Land kaum abgehalten und Rundfunkansprachen oder Zeitungen waren rar.

Zu den spektakulärsten Inszenierungen gehörten die Freilichtaufführungen von Filmen, verpackt in einem nationalsozialistischen Rahmenprogramm, zu dem nationale Lieder, Marschmusik und eine Ansprache des Führers gehörten. Damit konnte das NS-Regime sich und ihre Weltanschauung medial in die abgelegensten Regionen des Reiches multiplizieren und aus dem fernen Diktator Hitler der „Führer“ werden. Die Überlegenheit der „arischen Rasse“ oder die unbezwingbare Kraft des entschlossenen Willens wurde im Kino zur fühlbaren Wirklichkeit.

Der Film bot dafür die besten Voraussetzungen: Mit 5 000 bestehenden Kinos im ganzen Reich konnten Produktionen flächendeckend verbreitet werden. Der Film war schon deswegen das ideale Instrument einer zentral gesteuerten ideologischen Gleichschaltung.

52 Vgl. Kleinhaus, 2003, 29.

53 Vgl. Kleinhaus, 2003, S 158 f.

22 Selbst während des Krieges als Millionen Menschen in den deutschen Vernichtungslagern auf brutalste Weise getötet wurden, produzierte die Filmindustrie weiterhin Filme. 54 Filmwissenschaftlerin Sabine Hake erläutert:

"Die Anzahl der verkauften Eintrittskarten schnellte von 624 Millionen im Jahre 1939 auf 1,117 Milliarden im Jahre 1943. In den frühen 1940er Jahren hatten nur die Vereinigten Staaten mehr Vorführorte als das Dritte Reich mit seinen beinah 8600 Kinos in Deutschland und den besetzten Ländern und Gebieten.“55

Der Film blieb bis zum Ende das Leitmedium im NS-Staat: Am 17. April 1945 rief Propagandaminister Joseph Goebbels seine engsten Mitarbeiter zur täglichen 11- Uhr-Konferenz zusammen. Obwohl das Ende des „Dritten Reiches“ nur noch eine Frage von wenigen Wochen sein konnte, was Goebbels auch wusste, appellierte er an seine Gefolgschaft:

„Meine Herren, in hundert Jahren wird man einen schönen Farbfilm über die schrecklichen Tage zeigen, die wir durchleben. Möchten Sie nicht in diesem Film eine Rolle spielen? Halten Sie jetzt durch, damit die Zuschauer nicht johlen und pfeifen, wenn Sie auf der Leinwand erscheinen.“56

Der Untergang der NS-Diktatur in den Trümmern eines zerstörten Landes als Farbfilm hört sich wie eine zynische Bemerkung an tatsächlich war sie aber bitterernst gemeint. Goebbels Ansicht nach sollte das Ende eine große Inszenierung für die Nachwelt werden, ein filmisches Heldenepos, in dem der Minister uns seine Anhänger als letzte aufrechte Getreue ihres Führers der Nachwelt in Erinnerung bleiben. Stärker als die kommende Aufdeckung nationalsozialistischer Verbrechen, so das Kalkül, werde auf Dauer die Macht der Bilder sein.57

54 Vgl. Kleinhaus, 2003, 9.

55 Zit. n. Hake, Sabine: Film in Deutschland: Geschichte und Geschichten seit 1895. 2004, 284.

56 Zit. n. Kleinhaus, 2003, 7.

57 Vgl. Mierendorff, Carlo: Hätte ich das Kino!! Frankfurt a. M. 1989, 15.

23 2.2.1 Ziel der Massenerziehung zur „Volksgemeinschaft“

Das NS-Regime baute auf eine weitere Macht: „Die Volksgemeinschaft“. Hans Mommson erklärt „die Volksgemeinschaft“ als ein elementares politisches Ziel der Nationalsozialisten. Weiteres erklärt Mommson, dass hinter dem propagandistischen Begriff eine vorgespielte soziale Integration steht, wofür insbesondere die bürgerliche Mittelschicht eine starke ideologische Anfälligkeit gezeigt hat. Die ehemalige BDM-Funktionärin Melitta Maschmann nannte nach dem Krieg der Öffentlichkeit ihren für ihr Engagement beim BDM:58

„Wenn ich den Gründen nachforsche, die es mir verlockend machten, in die Hitler- Jugend einzutreten, so stoße ich auch auf diesen: Ich wollte aus meinem kindlichen, engen Leben heraus und wollte mich an etwas binden, das groß und wesentlich war. Dieses Verlangen teilte ich mit unzähligen Altersgenossen.“59

Der Prozess der gesellschaftlichen Umwälzung zu einer „Volksgemeinschaft“ wurde von Gleichheitsversprechen, ökonomischer Bereicherung und symbolische Anerkennung getragen. Was dahinter stand, waren allerdings terroristische Dimensionen wie diktatorischer Zwang, Konzentrationslager und die Geheime Staatspolizei. Diese gehörten zum nationalsozialistischen Konzept, das auf die Formierung einer ideologisch homogenen, sozial angepassten, leistungsorientierten und hierarchisch gegliederten Gesellschaft zielte. Angeblich Ungeartete wurden mit dem Hintergrund dieser antisemitischen Politik schlichtweg ausgemerzt. 60

Das Ziel war es ein großdeutsches Reich zu schaffen, in dem es keine Juden, Roma und Sinti, politische Gegner, aber auch Behinderte, Obdachlose oder Homosexuelle gab.

Damit es gelang eine „erbbiologisch wertvolle“ und „rassereine“ Gesellschaft herzustellen, mussten zahllose staatliche Maßnahmen ergriffen werden, die Millionen aus der „Volksgemeinschaft“ ausschlossen. Der Begriff der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ beinhaltet Inklusion ebenso wie Exklusion.

Die alltägliche Exklusionspraxis veränderte die Gesellschaft selbst. Bürokratische Diskriminierung, gesetzlichen Bestimmung, Entrechtung jüdischer Deutscher zu Staatsbürgern minderen Rechts, wie

58 Vgl. Mommsen, Theodor: Volksgemeinschaft. In: Lexikon zur Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert. München 1974, 830.

59 Zit. n. http://www.bpb.de/izpb/137211/volksgemeinschaft?p=all, {30.12.2014}.

60 Vgl. Wildt, Michael: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung, Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 19191 bis 1939. Hamburg 2007, 12.

24 gewalttätige, anti-jüdische Aktionen, transformierten die deutsche Nation in eine aggressive, rassistische „Volksgemeinschaft“.61 Diese ließ sich freilich viel leichter in den Großstädten etablieren, wo polizeiliche Mittel und Parteiorgane präsenter waren als auf dem Land. Dennoch wurden jüdische Menschen auch außerhalb der Städte von der „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen, so galten jüdische Nachbarn als „Volksfeinde“ und als „rassische Gegner des deutschen Volkes“.62 Das Volk wurde dazu aufgefordert soziale Distanz zu NachbarInnen herzustellen, Solidarität oder Empathie mit den Verfolgten zu stigmatisieren und Jüdinnen für rechtlos zu erklären. Hielten dagegen nicht-jüdische Deutsche den Kontakt zu jüdischen FreundInnen, NachbarInnen, Kaufleute, etc. wurden sie als „VolksverräterInnen“ angeprangert und ausgeschlossen. Damit geht einher, welche emotionale und existentielle Not und Gefahr die Umwandlung der Gesellschaft in eine „Volksgemeinschaft“ im Alltag bedeutete.

Das NS-Regime hat einiges versucht eine homogene „Volksgemeinschaft“ herzustellen - in Wahrheit wurden soziale Unterschiede nie aufgehoben. Auch die Darstellung im dokumentarischen Propagandafilm Triumph des Willens der NS-Regisseurin Leni Riefenstahl darf nicht als eine Quelle der Konstitution der deutschen Gesellschaft im Nationalsozialismus gedeutet werden, sondern als das Resultat einer ideologischen Inszenierung mit propagandistischer Wirkung.

Riefenstahl inszenierte die „Volksgemeinschaft“ in Triumph des Willens in erster Linie durch Großaufnahmen von Gesichtern - alle gesund, hell, blond und „arisch“, keine BrillenträgerInnen oder dunkelhaarige Menschen werden gezeigt. Mit Gewissheit - die Auswahl des Filmmaterials repräsentiert nicht zufälligerweise das Schönheitsideal der staatlich propagierten Rassenideologie. Ein weiteres Idealbild repräsentieren die inszenierten Aussagen der Arbeitsmänner der unterschiedlichen Landsmannschaften, die vor der Kamera ihr Ursprungsgebiet nennen und sich schließlich mit dem deutschen Volk und mit der deutschen Nation identifizieren: 63

“Kamerad, woher stammst du? Aus Friesland – Aus Bayern – vom Kaiserstuhl – aus Pommern – und aus Königsberg – aus Schlesien – von der Waterkant – vom Schwarzwald – aus Dresden – von der Donau – vom Rhein – und von der Saar! Ein Volk! Ein Führer! Ein Reich! Deutschland!“64

61 Vgl. Wildt, 2007, 13.

62 Vgl. Bajohr, Frank: „Volksgemeinschaft“ von außen betrachtet. Gemeinschaftsutopien und soziale Praxis in Berichten ausländischer Diplomaten und des sozialdemokratischen Exils 1933-45. In Von Reeken, Dietmar/Thießen, Malte: Volksgemeinschaft als soziale Praxis, Neue Forschungen zur NS-Gesellschaft vor Ort. Paderborn, München, Wien, Zürich, 2013, 79 f.

63 Vgl. Stiasny, Philipp: Vom Himmel hoch. Adolf Hitler und die „Volksgemeinschaft“. In: „Triumph des Willens“. In: Thamer, Hans-Ulrich/Erpel, Simone: Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen. Berlin 2011, 86 f.

64 Stiasny, 2011, 257.

25 Diese einheitliche Gesellschaft hat es de facto nie gegeben.

2.2.2 Stellenwert und Merkmale dokumentarischer Propagandafilme Leni Riefenstahls

Propagandaminister Joseph Goebbels hatte in den frühen 30iger Jahren vor allem eine Aufgabe: Die Führerpersönlichkeit Hitler aufzubauen - nichts sollte dabei dem Zufall überlassen werden. Mit Hitler sollte eine Macht dauerhaft installiert werden, die politische Entscheidungen legitimiert und eine Struktur vorgibt, in der „der Führer“ und „die Volksgemeinschaft“ von einer gemeinsamen Identität sprechen.65 Hinter dokumentarischen Filmen des NS-Regimes standen systematische Propagandavorhaben zur politischen Sinnstiftung, Meinungs- und Wahrnehmungslenkung und zu einer einschlägigen Wert- und Symbolproduktion.66 Die NS-Propaganda beabsichtigte es Erkenntnisse zu manipulieren und Sichtweisen nach nationalsozialistischen Vorstellungen zu formen. Den Propagandisten fehlte es hinsichtlich dessen nicht an Innovationen und manipulativen Techniken - die Methoden waren vielfältig: durch Kontextverschiebungen wurden Tatsachen verfälscht - durch veränderte Chronologien Kausalbeziehungen verdreht, durch verbale Korrekturen die visuelle Wahrheit gebeugt, durch Musik Bilder aufgewertet und mit visierten Stimmungen belegt.67 Die NS-Propaganda schreckte nicht davor zurück Unbewiesenes starr zu behaupten, Scheintatsachen zu verbreiten, zu emotionalisieren, Situationen ausschließlich einseitig darzustellen und die bewusste Ausgrenzung anderer zu fordern und damit die bewusste Konstruktion von Feinbilder zu schaffen. Um möglichst ästhetisch zu politisieren, setzte Goebbels verstärkt das Medium Film ein, mit dem sowohl in den urbanen, als auch in ruralen Teilen des Reiches für „den Führer“ und nationalsozialistischen Ideologien geworben werden konnte.

Geordert wurden Propagandafilme nicht nur von der NSDAP - Auftraggeber gab es reichlich: verschiedenste Omter und Abteilungen von Partei, Staat und Wehrmacht, wie auch das „Rassenpolitische Amt“ und der Führer selbst. Anfänglich konnten die verschiedenen Filmprojekte noch weitgehend eigenverantwortlich durchgeführt werden, mit der Zeit mussten sowohl

65 Vgl. Lange, Dirk: Historisch-politische Didaktik. Zur Begründung historisch-politischen Lernens. Schwalbach 2004, 46–51.

66 Vgl. Pelinka, Anton: Grundzüge der Politikwissenschaft. Wien/Köln/Weimar 2000, 21 f.

67 Vgl. „Ein filmisches Epos deutschen Heldentums“:Wochenschau und Dokumentarfilm als Propagandamittel, 347. In: Moeller, Felix: Der Filmminister, Goebbels und der Film im Dritten Reich, Berlin 1998.

26 Filmkonzepte als auch Regisseure vom Hauptamt der Reichspropagandaleitung der NSDAP (Abteilung V) und Goebbels genehmigt werden. Mit einer Ausnahme: Leni Riefenstahl.68 Scheinbar vertraute man auf ihre nationalsozialistischer Ader und ihr Talent Kunst und Politik regimenah zusammenzuführen.

Ihr Name ist unmittelbar mit dem Filmschaffen der Nationalsozialisten verbunden. Selbst gegen den Widerstand der Reichspropagandaleitung und ohne ein Mitglied der NSDAP zu sein, bekam die junge Schauspielerin und talentierte Regisseurin auf ausdrücklichen Befehl Hitlers die „künstlerische Gestaltung“ für mehrere „Dokumentarfilme“.69 Dazu zählte ihr erster dokumentarische Propagandafilm Der Sieg des Glaubens (1933), in dem sie künstlerisch beeindruckend den Reichsparteitag in Nürnberg inszenierte. In weiterer Folge Triumph des Willens, (1935) eine pompöse Inszenierung des NSDAP-Parteitags, welchen Riefenstahl selbst, als ihren einzigen politischen Film ansieht. Nachfolgend drehte sie ihre Meisterdokumentationen Olympia I – Fest der Völker (1936) und Olympia II – Fest der Schönheit (1938) – eine pazifistische Verblendung des Sportereignisses und der politischen Geschehnisse im Deutschen Reich.70

Riefenstahl selbst sagte dem Fachmagazin „Cahier du Cinema“:

„Ich habe vorbehaltlos beobachtet. „Triumph des Willens“ enthält nicht eine einzige nachinszenierte Szene, alles ist wahr und enthaltet keinen tendenziösen Kommentar. Dieser Film ist reine Geschichte. Er spiegelt die historische Wende des Jahres 1943. Es ist deswegen ein Dokumentarfilm. Kein Propagandafilm.“71

Tatsächlich hat Riefenstahl mit Dokumentaraufnahmen gearbeitet, diese aber durch Dramatisierung des Geschehens, bewusste Konstruktion von Bilddialogen und Einbau nachinszenierter Szenen verändert. Die Bezeichnung „Dokumentarfilm“ diente wohl taktischen Gründen - Riefenstahl selbst nannte ihr Filme „Zeitfilme“ oder „heroische Filme der Tatsachen“, die Presse nannte sie oftmals „heroische Reportagefilme“.72

68 Vgl. Kinkel, Lutz: Die Scheinwerferin. Leni Riefenstahl und das „Dritte Reich“. Hamburg/Wien 2002, 99.

69 Vgl. Zimmermann, Peter/ Hoffmann, Kay: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Band 3 'Drittes Reich' 1933- 1945. 75 f.

70 Vgl. Zimmermann/Hoffmann, 2005, 75 f.

71 Zit. n. Kinkel, 2002, 96.

72 Vgl. Kinkel, 2002, 97.

27 An der Bezeichnung feilte man, da gab es Spielraum. Wohingegen es weniger Spielraum in der Wirkungsgeschichte gab: Kennt man ihre Filme, sowie die Produktionsgeschichten und darüber hinaus die Wirkung der Filme, liegt offen, dass Riefenstahl von Hitler und dem Nationalsozialismus begeistert war und auch andere dafür begeistern wollte. Wenn sie selbst ihre Filme als „heroische Filme der Tatsachen“ bezeichnet, dann kann man wohl auch von einer Tatsache sprechen, dass sie mit ihren Filmen üble Propaganda für ein Regime betrieb, das für das schrecklichste Verbrechen der Menschheit verantwortlich ist.

2.2.3 Propaganda in „unpolitischen“ Spielfilmen u.a. am Beispiel von Hart Veilans „Jud Süß“

Einige Regisseure, wie u.a. Rabenalt Arthur argumentierten dafür, dass es einen großen Bereich des „unpolitischen Films“ im Dritten Reich gab. Seine Argumentation stellt offensichtlich den Versuch dar, seine eigenen Werke zu entlasten und als „ideologiefrei“ auszulegen. De facto kann man aber die überwiegenden Filme zwischen 1933 und 1945 als ideologisch, nationalistisch und antisemitisch bezeichnen. Dazu gehören auch Rabenalts Filme73 und die Filme vieler anderer, die gar keine überzeugten Nazis zu sein brauchten, aber dennoch bereitwillig das produzierten was man in diesen Jahren sehen wollte.

Der Anteil von eindeutig propagandistischen Streifen beschränkte sich im Spielfilmbereich auf 14 Prozent: u.a. Hans Steinhoff mit Hitlerjunge Quex (1933), Herr Roosevelt plaudert (1943), Das Sowjet Paradies (1942), Feuertaufe (1940), Feldzug in Polen (1940) sowie Sieg im Westen (1941).

War Goebbels die Propaganda eines Films zu plakativ hatte er unbeschränkte Eingriffsmöglichkeiten und schon bald wussten die Filmemacher worauf es dem Propagandaminister ankam. Goebbels selbst drückte es wie folgt aus:

„Nicht das ist die beste Propaganda, bei der die eigentlichen Elemente der Propaganda immer sichtbar zutage treten, sondern das ist die beste Propaganda, die sozusagen unsichtbar wirkt, das ganze öffentliche Leben durchdringt, ohne dass das öffentliche Leben überhaupt von der Initiative der Propaganda irgendeine Kenntnis hat.“ 74

73 Anm. u.a. ...reitet für Deutschland 1940/41, Sportlerdrama.

74 Zit. n. Barkhausen, Hans: Filmpropaganda für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Hildesheim 1982, S 263-290.

28 Obwohl der Begriff des „unpolitischen Films“ im Teilbereich der Kultur und Gesellschaft, d.h. „in politikfreier Privatsphäre“ seine Berechtigung fand, verfolgten „unpolitische“ Filme dennoch immer eine eminent ideologische Funktion, wie Goebbels offen darlegte:

„Auch Unterhaltung kann zuweilen die Aufgabe haben, ein Volk für seinen Lebenskampf auszustatten, ihm die in dem dramatischen Geschehen des Tages notwendige Erbauung, Unterhaltung und Entspannung zu geben. Das aber bloß nebenbei! {…}“75

Nur weil ein Film sich überwiegend mit dem Privatleben der Menschen beschäftigte und die Politik außenvor ließ, konnte man ja noch lange nicht davon sprechen, dass der Film ideologiefrei oder gar oppositiv war. Tatsächlich vertraten die Filmemacher mit der Darstellung des Privatlebens kleinbürgerliche Werte, Ordnung und Konformität. Festzuhalten gilt allerdings, dass es innerhalb der NS-Gesellschaft ein weites Spektrum von ideologischen Haltungen gab, die sich wiederum in den Filmen spiegelten - von Subversion in Form von Widerstand war allerdings nicht die Rede.

Für den absoluten Tiefpunkt von Propaganda in Spielfilmen sorgte Fritz Hipplers Film Der ewige Jude, einer Mischung aus Dokumentaraufnahmen und Spielfilmszenen. Der SS-Hauptsturmführer und später zum Reichsfilmindentant ernannte Filmemacher, beabsichtigte mit seinem Film gegen die jüdische Bevölkerung zu hetzen.

„In der übelsten Passage zeigte Fritz Hippler, Aufnahmen von fiependen Ratten und ließ den Sprecher dazu sagen, diese Tiere würden Krankheit und Vernichtung verbreiten, seien hinterlistig, feige und grausam „nicht anders als die Juden.“76

Kurz nach der lokalen Uraufführung im polnischen Lodz liquidierten die Nazis in den umliegenden Ghettos 200 000 Juden.77

Bekannt als talentiertester Spielfilmregisseur war Veit Harlan, der 1940 den antisemitischen Film Jud Süß herausbrachte. Harlan stand Hippler nichts hinterher, was die Bösartigkeit und Menschenverachtung, gegenüber allem was als nicht „arisch“ galt, anbelangte.

75 Zit. n. Albrecht, Clemens: Goebbels, Rede vom 15. Februar 1941. München 1979, 76-77.

76 Zit. n. Kinkel, 2002, 99.

77 Vgl. Kinkel, 2002, 99 f.

29 Das Feinbild, das Veit Harlan mit Jud Süß schuf, entsprach exakt Hitlers Bild der Juden im 18. Jahrhundert, wie Hitler in Mein Kampf erläuterte:78

„Seine Wucherzinsen erregen endlich Widerstand, seine zunehmende sonstige Frechheit aber Empörung, sein Reichtum Neid. Seine blutsaugerische Tyrannei wird so groß, daß es zu Ausschreitungen gegen ihn kommt. In Zeiten bitterster Not bricht endlich die Wut gegen ihn aus, und die ausgeplünderten und zugrunde gerichteten Massen greifen zur Selbsthilfe, um sich der Gottesgeißel zu erwehren. Sie haben ihn im Laufe einiger Jahrhunderte kennengelernt und empfinden schon sein bloßes Dasein als gleiche Not wie die Pest. In dem Maße, in dem die Macht der Fürsten zu steigen beginnt, drängt er sich immer näher an diese heran. Er bettelt um „Freibriefe“ und „Privilegien“, die er von den stets in Finanznöten befindlichen Herren gegen entsprechende Bezahlung gerne erhält. So führt seine Umgarnung der Fürsten zu deren Verderben. Der Jude weiß ihr Ende genau und sucht es nach Möglichkeit zu beschleunigen. Er selber fördert ihre ewige Finanznot, indem er sie den wahren Aufgaben immer mehr entfremdet, in übelster Schmeichelei umkriecht, zu Lastern anleitet und sich dadurch immer unentbehrlicher macht. Seine Gewandtheit, besser Skrupellosigkeit in allen Geldangelegenheiten versteht es, immer neue Mittel aus den ausgeplünderten Untertanen herauszupressen, ja herauszuschinden. So hat jeder Hof seine „Hofjuden“- wie die Scheusale heißen, die das liebe Volk bis zur Verzweiflung quälen.79

Veit Harlan behauptete in seinen Memoiren, dass sein Film keineswegs so angelegt war, dass er die Menschen auf die Seite der Antisemiten rief. Vor den Dreharbeiten des Films hatte sich der Regisseur allerdings jedoch wie folgt geäußert:

„Ich zeige das Urjudentum, wie es damals war und wie es sich heute noch ganz rein in dem einstigen Polen erhalten hat. Im Gegensatz zu diesen Urjudentum steht nun der Jud Süß, der elegante Finanzberater des Hofes, der schlaue Politiker, kurz der getarnte Jude.“80

Die beiden Feinbilder stimmen exakt überein. Dies bestätigte auch der Erfolg von Jud Süß, der den Höhepunkt der antisemitischen Filmpropaganda der NS-Zeit darstellte. Harlans Produktion wurde von zwanzig Millionen KinobesucherInnen gesehen und spielte 6,2 Millionen Mark ein – man kann

78 Vgl. Knopp, Daniel: NS-Filmpropaganda. Wunschbild und Feindbild in Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ und Veit Harlans „Jud Süß“, Marburg 2004, 55.

79 Zit. n. Cadars, Pierre/Courtade, Francis: Geschichte des Films im Dritten Reich. München 1975, 186.

80 Zit. n. Knopp, 2004, 56.

30 also von einem der größten kommerziellen Erfolge während des Krieges sprechen. „Jud Süß“ bekam von der amtlichen Prüfstelle zur Prädikatisierung der Filme die Prädikate: „staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll“ und „jugendwert“.81

Die propagandistische Wirkung von „Jud Süß“ sei selten so einheitlich gewesen, behauptete die Abteilung V, für Film. Diverse „Filmbetrachtungen“ rezipierten den Film:

„Die realistischen Darstellungen abscheuerregender Episoden seien zwar ungewöhnlich für die Kinobesucher, dennoch überzeuge der Film durch seine künstlerisch Überzeugung und Spannung, die den Zuschauer nicht loslässt. Man wolle den Film der Jugend nicht vorzuführen, da man sich der außerordentlich starken psychologischen Nachwirkung bewusst ist.“82

Nach den Vorführungen des Films kam es häufig zu offenen Demonstrationen gegen JüdInnen. So kam es z.B. in Berlin zu Ausrufen wie „Vertreibt die Juden vom Kurfürstendamm! Raus mit den letzten Juden aus Deutschland!“83

„Die Vorgänge auf der Leinwand wirken derart lebensecht, daß das Publikum ständig zu Äußerungen und Ausrufen hingerissen wird – ein Zeichen dafür, daß auch die Schulungsarbeit der Partei über die Judenfrage ihre Früchte getragen hat. „Saujud dreckiger!“, „elender Judenbengel“ sind gerade von Frauen oft zu hören {…}, die Vertreibung der Juden und die Hinrichtung des „Süß“ wird mit großer Genugtuung und Befreiung aufgenommen: „Geschieht ihm recht, dem Drecksjud, aufgehängt gehören sie alle!“84

Wie Hipplers Film Der ewige Jude wurde auch Jud Süß im Osten der „arischen“ Bevölkerung vorgeführt, wenn eine Aussiedelung oder Liquidation im Ghetto bevorstand. Am 30.9.1940 ordnete Himmler eine Vorführung des Filmes vor der gesamten SS und dem Wachpersonal der Konzentrationslager an. Während des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt gab SS-Rottenführer Stefan Baretzki zu, dass die LagerinsassInnen nach der Filmvorführung misshandelt worden seien.85

81 Vgl. Knopp, 2004, 56 f.

82 Zit. n. Knopp, 2004, 79.

83 Vgl. Leiser, Erwin: „Deutschland erwache“. Propaganda im Film des Dritten Reiches. Hamburg 1968, 68.

84 Zit. n. Wulf, Joseph: Theater und Film im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh 1974, 137.

85 Vgl. Cadars/Courtade, 1975, 187.

31 „Jud Süß“ gehört zu einer Reihe von NS-Filmen, die aufgrund ihrer extremen propagandistischen Wirkung verboten wurden.

3. Leni Riefenstahl und ihr Aufstieg zur NS-Regisseurin

3.1 Riefenstahls Kurzbiographie bis 1932

Familie

Alfred Riefenstahl war der Vater von Leni Riefenstahl und Installateurmeister aus einer Handwerksfamilie. Er wurde 1878 in der Landeshauptstadt Deutschlands geboren. Im Berlin der Jahrhundertwende florierte die Wirtschaft und es herrschte eine allgemeine Aufbruchsstimmung, die auch Alfred Riefenstahl mitriss. Er etablierte sich als Kaufmann und entwuchs dem Handwerksmilieu. Von seiner Tochter Leni wurde er als groß, kräftig, blond und blauäugig beschrieben - zeitgenössische Fotos zeigen einen gut-gekleideten und Respekt-einflößenden Mann. Charakterlich wird er von ihr als lebensfroh und temperamentvoll, aber auch als sehr jähzornig beschrieben.86

Ihre Mutter, Bertha Scherlach, wurde 1880 im polnischen Woclawick als Tochter deutscher Eltern geboren. Wie auch ihre Tochter hatte Bertha Scherlach den großen Traum Schauspielerin zu werden - musste diesen jedoch durch ihre Heirat mit Alfred Riefenstahl gänzlich aufgeben. Die Beziehung zwischen Alfred und Bertha Riefenstahl war eine schwierige, aber für die damalige Zeit keine untypische. Auf der einen Seite stand ein Mann, der auf seine Autorität bestand und auf der anderen Seite eine widerspruchslose Frau, die sich entsprechend der Wilhelminischen Gesellschaftsregeln dem Mann unterzuordnen hatte. 1902 erwartete Bertha Scherlach die Geburt von Helene Amalia Riefenstahl. „Leni“, wie man sie von Kindesbeinen an nannte, wurde auch zu ihrem Künstlernamen.87

86 Vgl. Trimborn, Jürgen: Riefenstahl. Eine deutsche Karriere. Biographie. Berlin 2002, 22.

87 Vgl. Trimborn, 2002, 22 f.

32 Kindheit

Leni Riefenstahl erlebte eine wohl-behütete Kindheit, frei von materiellen Sorgen. Alfred Riefenstahl hatte es zu einem gewissen Wohlstand gebracht und erwartete im Gegenzug für das gute Leben, das er seiner Familie bot, Respekt, Disziplin und Gehorsam. Schon die geringsten Störungen seines Tagesablaufs brachten ihn zur Raserei. Leni Riefenstahl wurde bei geringstem Vergehen von ihm verprügelt, gedemütigt, eingesperrt oder mit wochenlangem Schweigen bestraft. 88 Sie litt unter der Gefühlskälte ihres Vaters und versuchte ihm ihre ganze Kindheit lang einen Liebesbeweis abzuringen – mit zunehmenden Alter gab sie den Kampf um die väterliche Liebe auf. Bertha Riefenstahl befand sich als Mutter und Ehefrau ständig zwischen zwei Fronten - obwohl sie ihre Tochter liebte, musst sie zu ihrem Mann stehen.89

1905 bekam Leni Riefenstahl einen Bruder, namens Heinz. Die Geschwister genossen die Abwesenheit des Vaters, ebenso auch die Mutter. Nach außen repräsentierten die Riefenstahls jedoch eine glücklich Familie, die keine Spannungen und Probleme hatte. Eine herzliche Verbindung bestand in Wahrheit nur zwischen dem Geschwisterpaar.90

Jugend und junges Erwachsenenalter Karriereschritte zur Tänzerin

Seit Leni Riefenstahls Jugend war es für sie eine unverzichtbare Notwendigkeit viel Zeit in der Natur zu verbringen, weshalb sie froh über die Entscheidung ihrer Eltern war, nach Rauchfangswerder aufs Land zu ziehen, womit sie auch auf die Bequemlichkeit der Stadt verzichteten. Das in der Kindheit erlebte Naturidyll und das Bedürfnis sich von der Welt zurückziehen, wurde zu Riefenstahls unverzichtbaren Kraftquellen. Ihr Vater baute ihr ein kleines Bretterhaus im Garten, wo sie oft Tage alleine verbrachte.91

Riefenstahl absolvierte ihren Realschulabschluss auf einer reinen Mädchenschule. 1918 änderte sich das Deutschland, in dem die Protestantin aufgewachsen war, dramatisch. Der Erste Weltkrieg brach aus, damit ging das Ende des Kaiserreichs einher und die Weimarer Republik „drohte“ dem Volk.

88 Vgl. Riefenstahl, Leni: Memoiren. München 1987, 152.

89 Vgl. Trimborn, 2002, 26.

90 Vgl. Trimborn, 2002, 27.

91 Vgl. Trimborn, 2002, 28 f.

33 Die Stimmung im gesamten Reich war politisch aufgeheizt und kriegsbejaend. Doch der Krieg zeigte schon bald massive Auswirkungen auf das Alltagsleben der Menschen. 1918 galt der Krieg für die Deutschen als verloren, in den Berliner Straßen tobte ein blutiger Bürgerkrieg. Die 16- jährige Leni Riefenstahl nahm die Auswirkungen der Unruhen nur am Rande war.92 In ihren Memoiren steht der Kommentar:

„Daß der Weltkrieg inzwischen beendet war, daß wir ihn verloren hatten, daß eine Revolution stattfand, es keinen Kaiser und keinen König mehr gab, dies alles erlebte ich nur wie im Nebel. Mein Bewußtsein kreiste um eine kleine winzige Welt.“93

Riefenstahl überredete ihren Vater dazu, sie auf eine staatliche Kunstgewerbeschule zu schicken, wo sie sich der Malerei widmete und gleichzeitig Zeit für Gymnastik und Sport hatte. Bereits lange bevor die Körperertüchtigung und der Sport zur Ideologie erhoben wurden, entwickelte die junge Riefenstahl einen regelrechten Fanatismus für den Körperkult, dem sie im Theater sowie im Film begegnete. Sie nannte die Rollen der Bösen, als die faszinierendsten Rollen, zu denen sie sich auch am meisten hingezogen fühle. Je öfter sie Vorstellungen besuchte, desto dringender wurde ihr Bedürfnis selbst auf der Bühne zu stehen. In den Augen ihres Vaters waren Schauspieler, insbesondere Schauspielerinnen, aber „Halbseiende“, die einer „Halbwelt“ angehören, weshalb er eine Schauspielkarriere für seine Tochter für indiskutabel hielt. Riefenstahl meldete sich wider ihres Vaters Entscheidung für einen Ballettkurs an. Und wie sich herausstellte schien der Tanzunterricht das ideale Medium für Riefenstahl zu sein, so konnte sie ihr sportliche Begeisterung mir ihren künstlerischen Interessen verbinden. Außerdem hatte sie sich in den Kopf gesetzt zu einer Generation junger Tänzerinnen zu gehören, die sich mit avantgardistischer Tanzkunst einen Namen machen wollten. Die Zeit dazu war geradezu perfekt, denn unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg herrschte nicht nur in Deutschland reges Interesse am Tanz, als zeitgemäße Ausdrucksform.94

Trotz ihres Enthusiasmus stand es um ihre Karrieremöglichkeiten im klassischen Ballett aufgrund ihres hohen Einstiegalters und des Widerstandes ihres Vaters nicht gut. Riefenstahl blieb aber hartnäckig und trainierte während ihrer gesamten Ausbildungszeit zur Sekretärin (1919-1923) heimlich weiter. Sie wurde von Eugenie Eduardowa, der russischen Tänzerin aus St. Petersburg, die

92 Zit. n. Trimborn, 2002, 30 f.

93 Speer, Albert: Spandauer Tagebücher. Frankfurt a. M./Berlin 1997, 128.

94 Vgl. Trimborn, 2002, 36 ff.

34 1920 nach Berlin immigrierte und in Schöneberg eine der renommiertesten Berliner Tanzschulen russischer Balletttechnik eröffnete, unterrichtet.95

Nachdem Leni Riefenstahl 1923, mit einundzwanzig Jahren, ihr Elternhaus verließ, erklärte sich ihr Vater auch mit den Schauspielträumen seiner Tochter einverstanden. Dies eröffnete Riefenstahl neue Welten – durch die gewonnene Freiheit konnte sie sich nun einerseits voll der Tanzkunst widmen und andererseits auch der Männerwelt, die ihr bislang durch die Prüderie des Elternhauses, verboten blieb.96 In ihren Memoiren berichtet sie von einer ganzen Reihe von „glühenden Verehrern“, die sie allerdings immer abwies. Unter ihnen befand sich auch Henry Sokal, der in ihrem weiteren Leben noch eine wichtige Rolle spielen sollte. Sokal arbeitete für die Österreichische Kreditanstalt in Innsbruck und galt als erfolgreicher Bankier. Während eines gemeinsamen Urlaubs im Sommer 1923 verliebte sich Sokal in Riefenstahl und bat am Ende ihrer Reise um ihre Hand an, was Riefenstahl aber ablehnte. Sokal ließ nicht nach und sicherte sich seine Position in ihrem Leben zunächst als Gönner, der ihre Karriere finanziell unterstützte. Seite an Seite verbrachten sie die Jahre von 1926 bis 1933 in einer Doppelwohnung in Berlin, bis Henry Sokal 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft Deutschland verlassen musste. Riefenstahl beteuerte stets, dass es sich um eine rein platonische Beziehung handelte, die sich nie zu einer Liebesbeziehung entwickelte, nichtmal zeitweise.97

1923 lernte Riefenstahl einen weiteren Mann kennen, der sie für ihr Leben prägte: Otto Froitzheim. Auf ihn fiel ihre Wahl für ihre ersten großen Erfahrungen, die sie jedoch schwer enttäuschten. Ihren Memoiren zu entnehmen, steckte Froitzheim ihr nach vollzogenem Akt das eventuell notwendige Geld für eine Abtreibung zu und komplimentierte sie aus seiner Wohnung. Schockiert von diesem Ereignis schrieb sie ihm einen Brief, in dem sie ihre Empfindungen schilderte. Überraschenderweise gefiel das Froitzheim und es kam zu einer Annäherung, sogar bis zu einer Verlobung, der eine zweijährige Beziehung folgte.98

Im selben Jahr feierte Riefenstahl schließlich ihr langersehntes Bühnendepüt in München, dem weitere Auftritte in ihrer Heimatstadt Berlin folgten. Max Reinhardt engagierte Riefenstahl für

95 Vgl. http://www.berlin.de/2013/portraets/ausgewaehlte-portraets/eduardowa-eugenia-platonowna {20.01.2015}.

Anm. Eduardowa folgte 1938 ihrem jüdischen Lebensgefährten Joseph Lewitan nach Paris ins Exil. Nach verschiedenen Stationen ließen sich die beiden 1947 schließlich in New York nieder, wo sie jedoch, persönlich gebrochen, nicht mehr an ihren Berliner Erfolg anknüpfen konnte.

96 Vgl. Trimborn, 2002, 42.

97 Vgl. Trimborn, 2002, 43 f.

98 Vgl. Trimborn, 2002, 45 f.

35 einige Soloauftritte in seinem weltberühmten Deutschen Theater, was ihr viel Ruhm verschaffte. Es kam zu einer Tournee in Deutschland, u.a. in Berlin, Frankfurt am Main, , Düsseldorf und Zürich, Prag sowie Innsbruck. Pro Auftritt wurde ihr eine beachtliche Gage von 500 bis 1000 Goldmark bezahlt.99

Die Kritiken, anlässlich der Tournee waren größtenteils enthusiastisch und stellten Riefenstahl als das „neue große Talent“ dar. Franz Servaes schrieb am 29. Oktober 1923 in der Berliner Zeitung „Der Tag“:

„Die Linie deutscher Tänzerinnen setzt sich fort in Leni Riefenstahl. Steigert sich noch bis zu akrobathaft federnder Gelenkigkeit. {…} Leni Riefenstahl höchstes Künstlertum quillt aus ihrer Innerlichkeit. Aus ihrer lyrischen Beseeltheit; aus ihrer leidenschaftlichen Hingegebenheit. Sie geht ganz in der Empfindung des Musikstückes auf. {…} Das Publikum des Blüthnersaales raste.“100

Doch es gab auch andere Stimmen, die Riefenstahl ein beschränktes Ausdrucksvermögen nachsagten und meinten, dass es ihr an notwendigem künstlerischem Geschick fehle. Sie selbst neigte nicht zur Selbstkritik und blendete negative Stimmen anderer aus. Ihrer Wahrnehmung nach, erlebte sie einen unbeschreiblichen Erfolg bei Publikum und Presse.101 Umso schwerer traf es Riefenstahl, dass eine schwere Knieverletzung ihre tänzerische Bühnenkarriere bereits nach einem halben Jahr beendete.102

Noch Jahrzehnte später beharrte sie trotz ihrer kurzen Karriere darauf einen noch nie dagewesenen Erfolg erzielt zu haben. Diese Darstellung war für sie vor allem deshalb wichtig, da sie nach 1945 unter dem Verdacht stand, erst durch ihre Verbindung zu Hitler berühmt geworden zu sein. In ihren Memoiren hielt sie fest, schon lange vor Hitler ein „Star“ gewesen zu sein.103

99 Vgl. Trimborn, 2002, 51.

100 Zit. n. Riefenstahl, Leni: Memoiren. München 1987, 62.

101 Vgl. Trimborn, 2002, 54.

102 Vgl. Trimborn, 2002, 51.

103 Vgl. Rother, Rainer: Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents. Berlin 2000, 29.

36 Vom Tanz zur Schauspielkarriere

Ihr Begegnung mit dem Film fand 1925 statt, als der berühmte Filmproduzent Erich Pommer ihr die weibliche Hauptrolle in Pietro der Korsar (1925) für eine Gage von 30 000 Reichsmark anbot. Sie lehnte das großzügige Angebot jedoch ab, in der Hoffnung doch noch an ihrer Tanzkarriere weiterarbeiten zu können.104 Bald schon musste Riefenstahl einsehen, dass sie die Hoffnung aufgeben muss. Im Film fand sie schnell eine neues Betätigungsfeld, in dem sie landesweite Popularität erzielen konnte und hohe Gagen bekam – weshalb ihr der Abschied vom Tanz vermutlich nicht ganz so schwer fiel. Schon bald fiel die junge Tänzerin in die Hände von .105

Arnold Fanck war ein promovierter Geologe und hatte sich seit Beginn der zwanziger Jahre der Produktion von dokumentarischen Naturfilmen im Hochgebirgsmilieu verschrieben. Der Bergfilm stellte in den zwanziger Jahren ein erfolgreiches Filmgenre dar, das untrennbar von Fancks Namen wurde. Fanck wurde zu einem der erfolgreichsten Regisseure der Weimarer Republik, der dafür bekannt wurde Kameramänner und Techniker zu gefragten Fachleuten auszubilden – darunter z.B. Hans Schneeberger, Sepp Allgeier und Richard Angst.106

Harry Sokal arrangierte ein Treffen zwischen Riefenstahl und Fanck, der für seinen neuen Film Der heilige Berg (1926) die Rolle der Tänzerin besetzen wollte. Auf Empfehlung des Schauspielers und Henry Sokals bot Fanck Riefenstahl tatsächlich die weibliche Hauptrolle an. Warum sich Fanck von Anfang an so interessiert zeigte, wurde nicht eindeutig geklärt – die Rolle des Finanziers Henry Sokals, der sich mit fünfundzwanzig Prozent an den Produktionskosten beteiligte, dürfte jedoch nicht irrelevant gewesen sein.107 Sokal gab Riefenstahl zuliebe seine Karriere im Bankwesen auf und kaufte 1925 Arnold Fancks Berg- und Sportfilm GmbH, um die Firma gemeinsam mit der Ufa zu sanieren. Hinter dem Angebot, das er Riefenstahl machte, stand vermutlich die Absicht, mit der finanziellen Unterstützung Sokals die eigene Karriere zu retten. Riefenstahl zeigte sich 1933 nicht besonders dankbar, denn der jüdische Förderer ihrer Karriere

104 Vgl. Trimborn, 2002, 58.

105 Vgl. Trimborn, 2002, 58.

106 Vgl. Trimborn, 2002, 66.

107 Vgl. Trimborn, 2002, 68 f.

37 wurde ihr unbequem. Die wahren Umstände ihres Weges zum Film waren ihrer Darstellung nach, daher ausschließlich auf ihre eigenes „unbändiges Wollen“ zurückzuführen.108

Fanck engagierte also Riefenstahl, die gegen seine waghalsigen Dreharbeiten unter extremen Bedingungen im Hochgebirge keinen Widerstand leistete. Oft drehten sie in eisiger Kälte tage- und wochenlang – Riefenstahl bewies, dass sie in der männerdominierten Filmwelt mithalten konnte. Riefenstahl wird als die erste weibliche Darstellerin beschrieben, die bereit war unter den gefährlichsten Bedingungen zu drehen, die man sich vorstellen konnte. Sie schreckte z.B. nicht davor zurück, sich von einer Lawine verschütten zu lassen, oder sich an Gletscherspalten abzuseilen. Um den körperlichen Anforderungen gewachsen zu sein, ließ Riefenstahl ihre Knieverletzung operieren. Der Eingriff war geglückt und der gemeinsamen Arbeit stand nichts mehr im Wege. Die Eröffnungssequenz des Filmes konnte also mit einer Großaufnahme Diotimas109 und ihrem „Tanz an das Meer“, den Riefenstahl eigens für die Zweidimensionalität des Mediums Film anpasste, beginnen – so wie es sich Regisseur Arnold Fanck wollte.110

Als der Film im Dezember 1926 erschien, schieden sich die Geister über die Schauspielerin erneut. Einige feierten Riefenstahl als die „größte Darstellerin des Films“, andere sagten ihr nach, schauspielerisch nichts bieten zu können, unvorteilhaft auszusehen und nichts anderes zu tun als „herumzuhopsen“. Der Filmkritiker Siegfried Kracauer schrieb am 4. März 1927 in der „Frankfurter Zeitung“, dass der Film eine gigantische Komposition aus Körperkultur-Phantasien, Sonnentrottelei und kosmischen Geschwögen sei, der einem pathologischem Fall gleiche. Dennoch: das Publik liebte Riefenstahl und der Erfolg des Films legte den Grundstein für Riefenstahls Karriere als Schauspielerin und die weiteren fünf Engagements in Fancks Filmen. Ihr Name wurde eng mit dem Genre Bergfilm verbunden und das Rollenklischee der Frau aufgerüttelt. Riefenstahl stellte meist eine mutige, selbstbewusste Frau und Bergsteigerin dar, die sich in der Männerwelt zu helfen wusste.111

Die weiteren Filmprojekte Der große Sprung (1927), Die Vetsera (1928), Die weiße Hölle vom Piz Palü (1929), Stürme über dem Mont Blanc (1930), Der weiße Rausch (1931), SOS Eisberg (1933) ,112 führten zu intensiven Beziehungen zwischen den Filmbeteiligten – Affären nicht

108 Vgl. Riefenstahl, 1987, 78.

109 Anm. Diotimas ist eine Figur in Platons Dialog Symposion, in dem die Gesprächsteilnehmer die Natur des Eros erörtern. Sie wird dort als weise Frau aus Mantineia in Arkadien vorgestellt.

110 Vgl. Trimborn, 2002, 73.

111 Vgl. Trimborn, 2002, 75.

112 Vgl. Trimborn, 2002, 76.

38 ausgeschlossen. Arnold Fanck und Luis Trenker stritten sich um die Gunst Riefenstahls, wobei diese sich für eine kurzweilige Affäre mit Trenker entschied und Fanck abwies. Dass dies zu enormen Spannungen in der Filmcrew führte, liegt nahe. Die Affäre war von kurzer Dauer, denn Riefenstahl ließ sich schon bald darauf auf eine Liebesbeziehung mit dem aus Tirol stammenden Hans Schneeberger ein.113 Die Beziehung hielt zwei Jahre lang und Riefenstahl erklärte Schneeberger, als die Liebe ihres Lebens. Umso enttäuschter war sie, als er sie für eine andere Frau verlies. Riefenstahl hielt in ihren Memoiren fest:

„Nie wieder, das schwor ich mir, nie wieder wollte ich einen Mann so lieben.“114

Von der Liebe enttäuscht, genoss Riefenstahl das Lob und die Anerkennung ihrer Fans umso mehr. Aus ihr war in kurzer Zeit ein populärer Filmstar geworden - neben Marlene Dietrich war Riefenstahl das neue Gesicht im Kino. Zu verdanken war der Erfolg ihrem Gönner Sokal und ihrem Regisseur Fanck, dem Kracauer oft präfaschistische Konzepte vorwarf, die einen direkten Bezug zwischen dem Gebirgskult der zwanziger Jahre und dem Hitlerkult im Dritten Reich herzustellen versuchten. Auch die Tatsache, dass Fancks ehemaliger Schüler Trenker mit seinen „Blut-und- Boden“-Filmen im Dritten Reich, sowie Riefenstahl mit ihren Propagandafilmen zur Elite des deutschen Filmes gehörten, ließ Kracauer darauf schließen, dass die in den Bergfilm dargestellten Weltentwürfe mit der späteren nationalsozialistischen Selbstinszenierung zusammenpassen würden.115 Tatsächlich kann sich der Mensch in allen Filmen Fancks nur durch sportliche und moralische Haltungen Extremsituationen überleben – der Ansatz ist stark darwinistisch und in gefährlicher Nähe des von den Nationalsozialisten propagierten „Übermenschen“. Als späterer Bewunderer Hitlers, überzeugter Deutschnationaler und Antisemit, war Arnold Fanck nicht der unpolitische Filmemacher, als den er sich nach 1945 darstellte, auch wenn zu seinem Freundeskreis durchaus auch Juden zählten.116

Leni Riefenstahl war also jahrelang unter der Obhut jenes Regisseurs, dessen Werke von den Nationalsozialisten als urdeutsche Filme gefeierten wurde. Neuere Literatur hingegen sieht es als Überbewertung den „Bergfilm“ ausschließlich als präfaschistisches Machwerk anzusehen.117

113 Vgl. Trimborn, 2002, 78 f.

114 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 98.

115 Vgl. Brandlmeier, Thomas: Sinngezeichen und Gedankenbilder. Vier Abschnitte zu Arnold Fanck. In: Horak, Christopher: Berge, Licht und Traum. München 1997, 77.

116 Vgl. Trimborn, 2002, 100.

117 Vgl. Trimborn, 2002, 98-101.

39 Regisseurin

Regiedebüt Das blaue Licht

Riefenstahl lernte von den Dreharbeiten mit Arnold Fanck Regie- und Kameraführung, Schnitttechniken, Arbeit mit verschiedenen Brennweiten und Wirkung unterschiedlicher Farbfilter und Objektive. Fanck vertraute ihr teilweise sogar die Kameraführung von Stürme über dem Montblanc (1930) an. Nach dem Abdreh zog sie Bilanz:

„Ich habe die Kamera studiert, die Objektive, ich kenne das Bildmaterial und die Filter. Ich habe Filme geschnitten und ahne, wie sich neue Wirkungen erreichen lassen. {…}“118

Ihre Wertschätzung gegenüber ihrem Lehrmeister war jedoch äußerst gering – sie habe allenfalls unbewusst ein bisschen etwas mitbekommen, beteuerte sie in einem Interview mit Herman Weigel.119 Riefenstahl entdeckte die Faszination Bilder zu formen und erprobte ihre Kunst mit ihrem Regiedebüt Das blaue Licht, in dessen Produktion sie die Rolle der Produzentin, Regisseurin, Drehbuchautorin, Cutterin und Hauptdarstellerin zugleich einnahm. Riefenstahl wurde zur ersten Filmregisseurin Deutschlands - selbst im europäischen Ausland waren nur wenige Frauen in diesem Beruf aktiv.

Den Stoff für ihren ersten Film bot ihr die Novelle Bergkristall120von Renker Gustav. In Riefenstahls Auslegung der Geschichte wird das Naturgeschöpf namens Junta, die eine geheimnisvolle Grotte glitzernder Bergkristalle hütet, in den Mittelpunkt einer märchenhaften Geschichte in Bergen gestellt. Das Märchen wird durch die Off-Stimme eines Erzählers eingeleitet und durch das Schließen des Märchenbuches beendet.

Riefenstahl hoffte auf die Unterstützung von Fanck, doch dieser versuchte ihr das Projekt auszureden - Missgunst und Eifersucht spielten dabei wohl auch eine Rolle. Riefenstahl ließ sich nicht davon abbringen, weshalb sie sich an ihren ehemaligen Partner Hans Schneeberger wandte, den sie für die Kameraführung engagierte. Matthias Wiemann sollte neben ihr in der Hauptrolle die zweite Hauptrolle übernehmen. Den ungarischen Filmtheoretiker und Drehbuchautor Béla Balázs und den Autor Carl Mayer gewann sie zur Ausarbeitung des Drehbuchs. Alle Mitarbeiter erklärten

118 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 137 f.

119 Vgl. Trimborn, 2002, 103.

120 Anm. Renker, Gustav: Bergkristall, Basel 1930.

40 sich bereit zunächst auf das Honorar zu verzichten. Wenn der Film den gewünschten Erfolg erzielte, würden alle ihr Honorar im Nachhinein bekommen, das versprach ihnen Riefenstahl.121

Trotz der anfänglichen Finanzierungsschwierigkeiten gelang es Riefenstahl das Startbudget aufzutreiben. 20 000 Reichsmark Honorar vom letzten Film Der weiße Rausch und 20 000 Reichsmark aus der Verpfändung ihrer Wohnungseinrichtung – Riefenstahl investierte ihre gesamtes Hab und Gut in Das blaue Licht und gründete als 28-jährige die Firma Leni Riefenstahl Studio- Film. Im Mai 1931 erklärte sich Henry Sokal als Co-Produzent zu fungieren.122

Riefenstahl und Schneeberger entschieden sich für den Drehort für das kleine Dorf Foroglio im Tessin und für die Dolomiten als Drehort für die Kletterszenen. Die herben und strengen Gesichter der StatistInnen und KleindarstellerInnen fand Riefenstahl in den Bauern aus dem Sarntal bei Bozen.

Als alle Vorbereitungen getroffen waren, sollten im Juni 1931 die Dreharbeiten beginnen. Das fünfköpfige Filmteam wurde jedoch auf dem Weg von Innsbruck nach Italien, in Bozen vom italienischen Zoll aufgefordert Zollgebühren und Kaution für die technischen Geräte zu bezahlen. Riefenstahl konnte die Gebühr nicht entrichten und wandte sich in ihrer Verzweiflung telegraphisch an Mussolini123:

„Mit Dankbarkeit und Stolz erinnernd, daß ihre Exzellenz zur Kenntnis bringen, daß wir nach Italien gekommen sind, um einen Film zu machen, der als Thema eine alpine Legende hat, und möchten uns an ihre Exzellenz wenden und sie bitten, uns in einer schwierigen Situation zu helfen. Der Zoll von Trient will uns nicht mit unserer Filmausrüstung passieren lassen, obwohl wir die Dreherlaubnis von den italienischen Behörden haben. Der erhobene Zoll wie auch der Zeitverlust könnten den ganzen Film gefährden, der den Glanz der Naturschönheiten Italiens in die ganze Welt tragen könnte. {…} Leni Riefenstahl und Arnold Fanck, Madonna di Campiglio.“124

Sechs Stunden nach ihrer Anfrage erhielt Riefenstahl den handschriftlichen Vermerk Mussolinis in den Händen:

121 Vgl. Kinkel, 2002, 26.

122 Vgl. Kinkel, 2002, 27 ff.

123 Vgl. Riefenstahl, 1987, 144.

124 Zit. n. Kinkel, 2002, 30.

41 „ Seine Exzellenz der Regierungschef spricht seine Zustimmung aus“.125

Die nachfolgenden Wochen und Monate verbrachte das Team in den Bergen zum Dreh des Stummfilmes, der vor allem schöne Bilder zeigen sollte. Das „schöne“ Bild hatte für Riefenstahl absolute Priorität, dafür arbeitete sie fanatisch, ignorierte Kosten und Belastungsgrenzern ihrer Mitarbeiter. Fanck und Sokal waren von den Ergebnissen beeindruckt, woraufhin weitere 60 000 Reichsmark flossen, die die ohnehin leere Kasse wieder auffüllten. Balázs Aufgabe war es inhaltlichen Lücken zu schließen und Koregie zu führen. Im Wissen, dass die Nationalsozialisten bereits an Popularität gewonnen haben, ließ Balázs es sich nicht nehmen, dem Drehbuch eine subtile kapitalismuskritische Note zu geben. Balázs ließ die Dorfbewohner Juntas Grotte plündern, womit die Natur ausgebeutet und ein tödliches Drama ausgelöst wurde. Riefenstahl gefiel der Wandel der Geschichte, da sie von den Geldgebern der Filmindustrie nichts hielt. Die Zusammenarbeit und Chemie zwischen Balázs und Riefenstahl entwickelte sich sehr gut, sodass er sie Ende 1931 einlud mit ihm in die Sowjetunion zu emigrieren. Riefenstahl lehnte ab. 126

Bald darauf präsentiere Riefenstahl ihre erste Version des Films dem Aafa-Verleih, mit dem Sokal zusammenarbeitete. Zu ihrer Enttäuschung fanden sie den Film langweilig und zu lang. Daraufhin erlitt Riefenstahl zwei Nervenzusammenbrüche und musste Fanck darum bitten, den Film erneut zu schneiden. 1932 wurde der Stummfilm dann in den Kinos gezeigt, erreichte aber zunächst keinen großen Erfolg, auch die Kritiken waren widersprüchlich. Die einen nannten den Film eine „einmalige Filmdichtung“ und den „besten Film des Jahres“, andere verrissen ihn mit „der Film und die Legende seien nur von ungefähr“, dabei verkündete der Film die aufstrebenden Werte dieser Zeit: Blut und Boden, Vaterland, Tapferkeit, Treue und Natur. Die Künstlerin fühlte sich von den jüdischen Kritikern verrissen und missverstanden – letzten Endes sah sie auch ihre Karriere in Gefahr. Den jüdischen Kritikern schrieb sie auch den ausbleibenden Erfolg des Filmes zu, der Riefenstahl zum Jahreswechsel 1931/1932 in ernsthafte finanzielle Nöte brachte. Sie suchte nach Orientierung und Halt und las Hitlers Hetzschrift Mein Kampf. Hitlers Ausführungen entfachten bei Riefenstahl tiefe Begeisterung – besonders gefiel ihr die scheinbaren Parallelen zwischen dem „Retter“ Adolf Hitler und sich selbst, da er sich wie Riefenstahl, als ewig missverstandenes Genie darstellte, das gegen alle Widerstände doch nur für die gute Sache kämpft.127

125 Zit. n. Kinkel, 2002, 30.

126 Vgl. Ralmon, John: Béla Balázs in German Exile. London 1977, 12-19. In: Jung, Uli/Schatzberg, Walter: Filmkultur zur Zeit der Weimarer Republik. Beiträge zu einer internationalen Konferenz vom 15. bis 18. Juni in Luxemburg. London/New York/Paris 1992.

127 Vgl. Kinkel, 2002, 33-39.

42 Hitler sah Das blaue Licht 1938 und war vom Können der jungen Regisseurin begeistert. Durch die Premiere im Nazi-Deutschland wurde dem Film Das blaue Licht die Anerkennung zuteil, die sich Riefenstahl für ihr Debüt gewünscht hatte. Dass sie dafür den Namen Béla Balázs strich und somit auch seinen wesentlichen Beitrag zum Film verleugnete, schien Riefenstahl nicht weiter zu kümmern. Sie ermächtigte den Herausgeber des Hetzblattes Der Stürmer , die Forderung Balász nach seinem versprochenen Honorar, aus der Welt zu schaffen. Riefenstahl wusste schon bald die neue politische Situation und ihre Nähe zu den braunen Machthabern zu ihren Gunsten zu nutzen.128

3.1.1 Riefenstahls Zugang zur NS-Elite

Riefenstahl zeigte bis 1932 keine besondere Haltung oder Interesse für Politik. Die programmatische Schrift Mein Kampf, beinhaltet Hitlers irrationale Geschichtsauffassung, einen deutsch-tümelnden Pathos und ein massives Maß an Aggressivität, was bei Riefenstahl eine gewisse politische Motivation hinterließ, die sie auch dazu bewegte, die Veranstaltung der Nationalsozialisten im Berliner Sportpalast am 27. Februar 1932 zu besuchen, bei der sie Hitler sprechen hörte. Der Sportpalast in der Potsdamer Straße wurde mit 25 000 Menschen übervoll. Marschmusik und rhythmische Sprechchöre bereiteten Hitlers Auftritt vor. Was folgte, war Hitlers erste Rede als Kandidat für das Amt des Reichspräsidenten gegen Präsident Paul von Hindenburg, in der er siegessicher verkündete, dass er die „Schmach des Versailler Vertrags“ rächen, sowie der herrschenden Arbeitslosigkeit und dem Elend abhelfen will. Hitlers Rhetorik begeisterte Riefenstahl, sie verfolgte seine Rede mit großer Bewunderung:129

„Mir war, als ob sich die Erdoberfläche vor mir ausbreitete – wie eine Halbkugel, die sich plötzlich in der Mitte spaltet, aus der ein ungeheurer Wasserstrahl herausgeschleudert wurde, so gewaltig, daß er den Himmel berührte und die Erde erschütterte – kein Zweifel, ich war infiziert!130

128 Vgl. Trimborn, 2002, 119-122.

129 Vgl. Domarus, Max: Hitler. Reden und Proklamationen 1932-1945. München 1962, 141.

130 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 152.

43 Riefenstahl setzte sich fortan intensiv mit nationalsozialistischem Gedankengut auseinander und verfolgte nun auch die Wahlergebnisse für die NSDAP in den unterschiedlichen Ländern des Reichs. Viele Spekulationen kreisten später darüber, wie ausgerechnet die Frau, die sich konstant als unpolitische Person reklamierte, so großes Interesse für Hitler aufbringen konnte. Doch diese Reaktion stand wohl für den Großteil der deutschen Gesellschaft, die die ständig wechselnden Regierungen satt hatten und den bevorstehenden Zusammenbruch der Weimarer Republik nutzen wollten, um sich ein besseres Leben zu erkämpfen.131 Drei Monate nach Hitlers Rede im Sportpalast, schrieb Leni Riefenstahl einen Brief an ihn, den sie in ihren Memoiren festhielt: 132

„Sehr geehrter Herr Hitler, vor kurzer Zeit habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine politische Versammlung besucht. Sie hielten eine Rede im Sportpalast. Ich muß gestehen, daß Sie und der Enthusiasmus der Zuhörer mich beeindruckt haben. Mein Wunsch wäre, Sie persönlich kennenzulernen. {…} Eine Antwort von ihnen würde mich sehr freuen. Es grüßt Sie vielmals Ihre, Leni Riefenstahl“133

Hitler war hocherfreut Riefenstahl kennenzulernen – er bewunderte sie bereits seit Jahren als Darstellerin in Bergfilmen, weshalb er sich nicht lang bitten ließ, sie an der Nordsee im engsten Kreise zu treffen, weil Riefenstahl im Anschluss Dreharbeiten in Grönland zugesagt hatte. Das Gespräch drehte sich nach Riefenstahls Aussagen um Filmerfahrungen und ihre weiteren Pläne, wobei Hitler gesagt haben soll, dass er sie engagieren will, wenn die Nationalsozialisten endlich an die Macht sein werden. Als Riefenstahl fünf Monate nach dem Treffen mit Hitler von den Dreharbeiten in Grönland zurückkam, bat sie Hitler um ein Treffen, das noch im Herbst 1932 stattfand, bei dem sie auch Joseph Goebbels und Herman Göring kennenlernte. Fortan wurde Riefenstahl immer häufiger zu Festen, offiziellen Empfängen hoher Nazi-Funktionäre und privaten Treffen mit Hitler eingeladen. Ebenfalls gastierte sie im Hotel Kaiserhof, das zu dieser Zeit als Kommandozentrale der NSDAP und als Hitlers Berliner Residenz galt.134

Um sich nicht selbst im Wege zu stehen, musste sich Riefenstahl zu diesem Zeitpunkt von ihren jüdischen „Freunden“, wie Henry Sokal, Josef von Steinberg und Manfred Georg distanzieren.

131 Vgl. Trimborn, 2002, 128.

132 Anm. Der originale Brief ist als Quelle nicht auffindbar, dafür aber die Version in Riefenstahls Memoiren, wie sie den Brief dargestellt haben möchte.

133 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 154 f.

134 Vgl. Fromm, Bella: Als Hitler mir die Hand küßte. Reinbeck 1994, 55.

44 Dennoch lernte Riefenstahl schnell ihre Gesinnung nicht allzu lautstark von sich zu geben, wie sie es auch in ihrem 1933 veröffentlichten autobiographischen Buch Kampf in Schnee und Eis nicht tat. Dass sie im Buch ihre Begeisterung für den Nationalsozialismus und Hitler zurückhielt, lag allein daran, dass ihre Filmanekdoten in der liberaldemokratischen Illustrierten Tempo des jüdischen Ullstein Verlages erschienen. Tatsächlich war Riefenstahl im Jahr 1932 schon eng mit den NS- Funktionären verbunden - nach der Machtergreifung hatte sie derartige Kompromisse nicht mehr nötig.135

Wie nah die Beziehung zwischen Riefenstahl und der NS-Elite bereits vor der Machtergreifung war, zeigt die Einladung vom 6. November 1932 zum gemeinsamen Wahlabend in Goebbels Privaträumlichkeiten. An diesem Abend wurde bekannt, dass die NSDAP gegenüber dem vorangegangen Juli zwei Millionen Stimmen und damit 34 Reichstagssitze verlor. Riefenstahl hielt fest, dass sie Hitler wie nie niedergeschlagen und aufgelöst vorgefunden hatte.136

Die NSDAP hatte ihre innerparteiliche Krise dennoch überraschend schnell überwunden - Hitler bekam Loyalitätsbekundungen aus allen Teilen Deutschlands und wurde widererwarten im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Riefenstahl behauptete in ihren Memoiren:

„Nachdem Hitler an der Macht war, wollte ich keine Verbindung mehr mit ihm haben.“137

Weiteres erläuterte sie, ihre Haltung zur Hitler sei ambivalent gewesen: Von seiner Person und seinem Auftreten sei sie fasziniert gewesen, mit seinem Plan, die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland zu bekämpfen,hätte er sie gewonnen, aber seine rassistischen Ideen habe sie ohne Einschränkung abgelehnt. Aus diesem Grund hätte sie auch nie Mitglied der NSDAP werden können. Die „dämonische Suggestion“ Hitlers und seine „beschwörenden“ Worte hätten sie angezogen. Seine Forderung, Gemeinnutz vor Eigenschutz zu stellen, hätte sie im Innersten getroffen und beschämt.138

Goebbels Fotos und Tagebucheintragungen sprechen jedoch für das Gegenteil, dass sich der private Kontakt zwischen Riefenstahl und Hitler nach der Machtergreifung nämlich intensiviert haben soll. Riefenstahl erhielt zahlreiche Einladungen in seinen Berghof am Obersalzberg und in seine Berliner Privatwohnung in der Reichskanzlei. Sie revanchierte sich zwar mit Einladungen in ihre Atelierwohnung in der Hindenburgstraße, wobei Hitler aber bald auf die Treffen in ihrer

135 Vgl. Kinkel, 2002, 42.

136 Vgl. Trimborn, 2002, 135.

137 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 212.

138 Vgl. Lensen, Claudia: Riefenstahl. Leben und Werk. Berlin 1999, 50 f.

45 Privatwohnung verzichten musste, um kein Aufsehen zu erregen. Bei gemeinsame Opern- und Kinobesuchen, sowie offiziellen Empfängen durfte ihn Riefenstahl aber weiterhin begleiten.

Am engsten soll der Kontakt 1933 gewesen sein, als Riefenstahl mit dem Dreh des ersten der drei Parteitagsfilme Der Sieg des Glaubens begann. Riefenstahl sei mehrmals wöchentlich bei Hitler zu Arbeitstreffen eingeladen worden, bei denen über Projekte gesprochen und zu Abend gegessen wurde. Der Öffentlichkeit blieb es nicht verborgen, dass Leni Riefenstahl um den „Führer“ warb, manche sahen sie sogar als eine der potentiellen Heiratskanditatinnen und trauten sich trotz angedrohter Strafen Witze über Riefenstahl zu machen. Carl Zuckmayer nannte Riefenstahl in seinem Geheimreport „Reichsgletscherspalte“. Immerhin verzichtete Riefenstahl Hitler zu Liebe auf Make-up und körperbetonte Kleidung - es gelang ihr aber trotz ihrer Bemühungen nicht, eine tiefergehende Bindung zu Hitler, der als gefühlsarm und beziehungsgestört beschrieben wurde, aufzubauen. Dass Riefenstahl Hitlers Geliebte war, ist unwahrscheinlich. Hitler selbst beschrieb Riefenstahl schlicht als seine „kinematographische Artgenossin“. Ohnehin verschaffte er ihr durch seine Unterstützung eine äußerst komfortable Sonderstellung im Dritten Reich und ein unglaubliches Prestige, weshalb sie wiederkehrende Gerüchte nie widerlegte, sondern viel mehr für ihre Stellung nutzte.139

Ab 1934 soll der Kontakt abgenommen haben, um den Gerüchten aus dem In- und Ausland entgegenzuwirken, freundschaftlich soll es dennoch geblieben sein. Ab Oktober 1939 begegneten sich Hitler und Riefenstahl aufgrund des fortschreitenden Krieges nur noch selten.140

3.1.1.1 Hitler als FErderer der „Reichsfilmregisseurin“ ab 1932 am Beispiel von Sieg des Glaubens

In beruflicher Hinsicht ergänzten sich der Diktator und die Regisseurin bestens. Hitler war enttäuscht von der Filmarbeit seiner Parteigenossen, Riefenstahl hingegen enttäuscht von der Filmindustrie - Hitler hatte die Macht ihr Staatsaufträge zu verschaffen, und sie besaß den nötigen Ehrgeiz diese anzunehmen. Weil die Reichspropagandaleitung eine eigene Filmabteilung verwaltete, stieß Hitlers „Führerbefehl“ Leni Riefenstahl, die kein Mitglied der NSDAP war, den neuen Filmauftrag zu übergeben, auf Unmut und Kompetenzgerangel in der Abteilung V. Formell

139 Vgl. Trimborn, 2002, 143-150.

140 Vgl. Trimborn, 2002, 137 f.

46 sollte Arnold Raether, der Chef der Filmabteilung, die Oberaufsicht über die Dreharbeiten behalten. Riefenstahl legte im Juli 1933 ein Manuskript für den dokumentarischen Propagandafilm Sieg des Glaubens vor, der den V. Reichsparteitag der NSDAP (1933) zu dokumentieren plante.141

Die Reichsparteitage wurden in der fränkischen Stadt Nürnberg abgehalten und dauerten vom 30. August bis zum 3. September 1933. Die Folge der Sequenzen wurde von Riefenstahl festgelegt und montiert: beginnend mit der Straßenszene und der Ankunft der Politiker und ausländischen Diplomaten, sowie Hitlers Landung auf dem Flugplatz, seine Fahrt in die Stadt und die Begegnung mit Amtswaltern der Partei auf dem Zeppelinfeld, bishin zur Rede Hitlers anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der NS-Bewegung.142 Das Bildmaterial, gedreht von Sepp Allgeier, Franz Weihmayr und Walter Frentz und geschnitten von Leni Riefenstahl, zeigt eine monumentale Inszenierung marschierender Kolonnen, Hitler-Reden, Marschmusik, Totenfeiern und „Sieg-Heil“- Rufen. Wie sich versteht, waren die NS-Parteitage keine Diskussionsforen, wie man sie aus demokratischen Parteien kennt.143

Die Reportage enthält auch Zufälliges und Ungeordnetes und ist wohl kein Dokument ausgereifter Selbstinszenierung der NSDAP. Momentaufnahmen zeigen, wie die NS-Elite noch mit der „perfekten“ Selbstdarstellung zu kämpfen hatte: Hitler hat mit einer Haarsträhne zu kämpfen oder gibt achtlos die Blumen eines kleinen Mädchens weiter; Göring marschiert stramm an Hilter vorbei, als dieser ihm die Hand reichen will; der Film zeigt leere Stuhlreihen und Zaungäste – und dennoch diente der dokumentarische Propagandafilm den Nazis bereits dazu nach der Machtergreifung weiter für die neuen „Staatsmänner“ zu werben.144

In den Augen Hitlers und Goebbels hatte Riefensthal einen „schönen“ Film gedreht, der im Dezember 1944 seine Premiere feierte. Für die 31-jährige war dies ein großer persönlicher Triumph – Riefenstahl bekam unumschränkte Anerkennung von der NS-Staatsspitze selbst. Wenig später wurde der Film in Folge des Röhm Putsches vorerst aber wieder zurückgezogen.145 Nahezu sämtliche Kopien des Films wurden 1943 im Auftrag von Hitler vernichtet, ausschließlich das

141 Vgl. Lensen, 1999, 52 f.

142 Anm. Sequenzaufzählung bezieht sich nur auf den Anfang und Schluss des Films.

143 Vgl. Dalichow, Bärbel: „... Verweile doch, du bist so schön ...“. Berlin 1999, 223.

144 Vgl. Dalichow, Bärbel: „... Verweile doch, du bist so schön ...“. Berlin 1999, 224 f.

145 Vgl. Dalichow, 1999, 225.

Anm. 1933 ist Röhm noch neben Hilter zu sehen. Am 30. Juni 1934 richtete die Führung der NSDAP ein Blutbad unter den eigenen Anhängern an, dem ca. 1000 Personen zum Opfer fielen.

47 Original-Negativ verblieb bei Riefenstahl, welches in den 80er Jahren in der DDR wieder auftauchte.146 Riefenstahl kooperierte mit dem Vorhaben Hitlers bereitwillig.

Hitler war von Riefenstahls Professionalität überzeugt und sah in ihr auch weiterhin seine Favoritin für künftige Parteifilme, die die nationalsozialistische Bewegung filmisch-ästethisch darstellen sollten. Im Hintergrund wurde jedoch versucht, ihre durch Hitler geförderte Stellung als Filmschaffende im NS-Staat zu erschüttern. Man sagte ihr eine „jüdische“ Mutter nach, demzufolge sie selbst „halbjüdisch“ gewesen sein sollte. Die Recherche und erbrachten Nachweise ihrer Abstammung ergaben jedoch den Bescheid, dass Leni Riefenstahl „väterlicherseits bis zu den Urgroßeltern, mütterlicherseits bis zu den Großeltern mit evangelischer Religion verzeichnet sei, sodass die arische Abstammung außer Zweifel stehe.147

In ihren Memoiren empört sich Riefenstahl über die „Machenschaften“ hoher Parteifunktionäre des Propagandaministeriums gegen ihre Person: Goebbels drangsalierte sie scheinbar immer wieder als rachsüchtiger, abgewiesener Liebhaber, die Funktionärsfrauen unterstellten ihr Hitlers Mätresse zu sein, Heß drohte, die Denunziationen von SA-Leuten gegen sie zu verwenden und Hitler bestand dennoch darauf, den Film fertigzustellen, der aus ihrer Sicht insgesamt zwar unbedeutend war, aber bei dem sie immerhin das Filmschneiden lernte. Und das ziemlich erfolgreich: der Film wurde circa 80 Mal vervielfacht, spielte 60 000 Reichsmark ein und zog 20 Millionen BesucherInnen in die städtischen Kinos. Dass die Anzahl der BesucherInnen so hoch war, lag einerseits daran, dass die Partei Nachtvorstellungen und Sonntagsmatineen zum Teil kostenlos oder zu verbilligten Preisen anbot, als auch daran, dass man 32 000 SchülerInnen dazu verpflichtete den Film zu sehen.148

Nach ihrem erfolgreichen Regiedebüt mit dem Parteitagsfilm Sieg des Glaubens musste sich Riefenstahl vor niemanden mehr fürchten. Sie hatte ihre Zweifler größtenteils durch ihr Talent und Können überzeugt.149 Vielmehr gab es zunehmend Menschen, die sich vor ihrer Bereitschaft zu Denunziationen in Acht nehmen mussten, wie u.a. Ingo Schünemann, der eine Zusammenarbeit mit ihr ablehnte und sie ihn deshalb in Schwierigkeiten brachte. Die Aufträge des Führers seien undurchführbar, wenn sich noch mehr Mitarbeiter der Auffassung des Herrn Schünemann anschließen würden, meinte Riefenstahl offenkundig.150

146 Vgl. Trimborn, 2002, 194.

147 Vgl. Lensen, 1999, 55 f.

148 Vgl. Lensen, 1999, 59.

149 Vgl. Riefenstahl, 1987, 191 f.

150 Vgl. Kinkel, 2002, 64.

48 Eine ihrer Überlebensstrategien in der männerdominanten Welt, in der sie agierte, war es, sich selbst wie ein Mann zu behaupten. Dazu gehörte auch Machtgerangel und Konkurrenzkampf – wobei Hitler auf Riefenstahls Seite war. Goebbels seine Haltung zur Riefenstahl war ambivalent, was auch seine Tagebucheintragungen bezeugen. Manche Einträge deuten darauf hin, dass er Riefenstahl los werden wollte, weil sie ihm ein Dorn im Auge war, andere Einträge belegen seine Zuneigung zu ihr und sein Vertrauen in sie als Regisseurin. Sowohl Hitler als auch Goebbels wollten, dass sie auch die nächsten Filme für das NS-Regime macht. Riefenstahl selbst plante nicht einen weiteren Parteitagsfilm zu drehen, weil sie einerseits mit dem Ergebnis nicht zufrieden war und sie andererseits der nervenaufreibende Kampf gegen die Parteifunktionäre entmutigte, wovon sie in ihren Vorträgen im Oxford University German Club jedoch nichts erzählte.151 Hitler bestand trotz des Widerstandes darauf, dass Riefenstahl auch mit dem neuen Parteitagsfilm beauftragt wird:

„Der Film über den Reichsparteitag wird von Fräulein Riefenstahl gemacht, und nicht von den Filmleuten aus der Partei – das ist mein Befehl.“152

Damit war die Entscheidung für den zweiten Parteitagsfilm getroffen, obwohl Riefenstahl selbst bereits Vorbereitungen für ihren Spielfilm Tiefland traf. Die schriftliche Anordnung Hitlers nahm ihr den Wind für eigene Projekte vorläufig aus den Segeln, womit sie sich dem Auftrag einen neuen, glanzvollen „Staatsfilm“ zu drehen widmete und wohl noch nicht ahnte, dass sie mit dem Filmprojekt Triumph des Willens endgültig Teil des mörderischen Regimes wurde. Eine „Sonderbevollmächtigung der Reichsleitung der NSDAP“ und eine eigene Organisationsbasis „die Geschäftsstelle der Reichsparteitagfilms“, die beide der Reichspropagandaleitung im Machtgefüge übergeordnet waren, verhalfen ihr zu einer Position, in der sie frei und ungestört arbeiten konnte.153

151 Vgl. Loiperdinger, Martin/Culbert, David: Leni Riefenstahl, the SA and the Nazi Party Rally Films, Nuremberg 1933-1934: 'Sieg des Glaubens' and 'Triumph des Willens'. In: Historical Journal of Film and Television, 8/1/1988, 36.

152 Zit. n. Reichel, Peter: Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus. München/Wien 1991, 116.

153 Vgl. Loiperdinger, 1988, 36 f.

49 TEIL B Filmbeispiele für dokumentarische Propagandafilme

Filmbeispiel I: Triumph des Willens (Parteitagsfilm)

Vorbemerkungen

Riefenstahl konservierte mit ihrem Parteitagsfilm Triumph des Willens die Inszenierung des Massenpotentials der NSDAP während der Reichsparteitage, die ein Bild der Einheit und Stärke darzustellen beabsichtigten. Rituale stilisieren und übersteigen in formalisierter Zuspitzung die Bedeutungsinhalte – in diesem Sinne ist der Parteitagsfilm als Kunstprodukt einer Inszenierung und als idealisierte Version eines idealistischen Opferrituals zu verstehen. Gleichzeitig ist Triumph des Willens auch die Darstellung nationalsozialistischer Maxime wie der Mobilisierung, Opferbereitschaft und Entindividualisierung.154

Triumph des Willens ist zweifellos eine Quelle für faschistische Osthetik - der Ausdruck den sich der Faschismus verleitete, wird allerdings oft vorschnell mit dem Faschismus selbst verwechselt, was zur Folge hat, dass der Erfolg nationalsozialistischer Propaganda oft überschätzt wird. Von großer Bedeutung ist Riefenstahls Triumph des Willens dennoch: weder vorher noch nachher ist die NS-Elite, allen voran Adolf Hitler, derart stilisiert dargestellt worden. Die NS-Regisseurin gestaltete eine zeitgeschichtliche Quelle der geplanten Selbstinszenierung des Regimes und der sorgfältig inszenierten Staatsöffentlichkeit, die durch ein prekäres Verhältnis von Schein und Sein gekennzeichnet ist.155 Triumph des Willens – Hitlers Film.

1. Allgemeine Informationen zum Film

1.1 Auftraggeber und beabsichtigte Wirkung des Films

154 Vgl. Loiperdinger, Martin: Der Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ von Leni Reifenstahl. ,,… und Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören.“ München 1897, 1-4.

155 Vgl. Loiperdinger, 1897, 43 f.

50 Der Auftrag für den Parteitagsfilm war parteioffiziellen Charakters: Riefenstahl erhielt den Auftrag von Adolf Hitler persönlich. Ihre Funktion als „Sonderbevollmächtigte“ geht aus dem Protokoll der Ufa-Vorstandssitzung vom 28. August 1934 hervor:156

„Der Vorstand genehmigt den Abschluß eines Verleihvertrages mit Leni Riefenstahl als Sonderbevollmächtigte der Reichsleitung der NSDAP für den Film „Reichsparteitag 1934“ mit etwa 2400m für das deutsche Verleihgebiet mit zeitlich unbegrenzter Monopoldauer, auch Schmalfilm. (…) Die künstlerische Leitung des Films liegt bei Fräulein Riefenstahl, die hierzu vom Führer im Namen der Reichsleitung der NSDAP beauftragt wurde gemäß Brief vom 19.4.1934. Laut Brief vom gleichen Tag stehen Fräulein Riefenstahl bis zu RM 300 000.- aus der Parteikasse zur Verfügung. Mit dem Vertrieb des Films durch die Ufa hat sich der Führer einverstanden erklärt.“157

Inoffiziell entschied Hitler im April 1934, bereits 2 Monate vor dem Röhm-Putsch, dass Riefenstahl nach dem konfliktreichen Zustandekommen des Films Sieg des Glaubens erneut eine Möglichkeit geboten werden sollte, einen weiteren Film für das Regime zu drehen. Um Konflikte zwischen Riefenstahl und der Abteilung Film der NSDAP von vornherein zu vermeiden, wurde eigens eine „Geschäftsstelle für den Reichsparteitagsfilm der NSDAP“ geschaffen, die unter der Leitung von Riefenstahl stehen sollte – als Produzent des Films galt die NSDAP, den Titel Triumph des Willens legte Hitler fest. In ihren Memoiren beteuert sie, dass sie den Auftrag nie annehmen wollte und über ihren Kopf hinweg entschieden wurde – tatsächlich dürfte die Entscheidung allerdings zumindest mit ihrer Zustimmung gefallen worden sein, in der Hoffnung mit den neuerrungenen Freiheiten den „perfekten“ Parteitagsfilm zu drehen, der ihr 1933 noch nicht gelungen war.158

Der zweite Parteitagsfilm hatte ganz bestimmte Ziele: Mit dem Film Triumph des Willens sollte ein endgültiges, zentrales und repräsentatives Dokument entstehen, das Hitlers „Triumph“ bezeugt und für die Ewigkeit archiviert. Tatsächlich erreichte die NS-Regisseurin Riefenstahl dieses Ziel – sie schuf ein „Denkmal der Bewegung“159 mit der Botschaft der Gleichsetzung Hitlers mit Deutschland. Hitlers Stellvertreter, Rudolf Heß, verlautbarte selbige Botschaft am Parteitag:

156 Vgl. Loiperdinger, 1987, 45.

157 Zit. n. Bundesarchiv R109/1029b, Niederschrift Nr. 1021. In: Loiperdinger, 1897, 45.

158 Vgl. Trimborn, 2002, 198 f.

159 Anm. Völkischer Beobachter, 29.3.1935.

51 „Sie sind Deutschland. Wenn Sie handeln, handelt die Nation, wenn Sie richten, richtet das Volk. {…} Hitler ist Deutschland, wie Deutschland Hitler ist.“160

Hingegen der Schwächen in der Stilisierung des „Führers“ in Sieg des Glaubens perfektionierte Riefenstahl Hitler in Triumph des Willens zu einem unantastbaren und übermenschlichen Idol. Der Parteitagsfilm wurde zu einer Hommage an den „Führer“ - ein Film, der seine überaus nazistischen Allmachtsphantasien pries und Hitler so zeigte, wie er gesehen werden wollte. Einen Film dieser Art gab es vor Riefenstahl nicht und es wurde auch nach Triumph des Willens kein weiterer Film mehr über Hitler oder das NS-Regime in Auftrag gegeben. Der Film wurde zum Drehpunkt in Riefenstahls Leben. Sie beabsichtigte ihren Platz im Dritten Reich endgültig zu sichern und ihren Status unantastbar zu machen – beides gelang ihr. Riefenstahl regierte als NS-Regisseurin in einer männerdominierten Filmwelt und schuf durch ihre „künstlerische“ Gestaltung niederträchtigste NS- Propaganda, die weit mehr war als Dokumentation.161

Exposition Adolf Hitlers

Die Wirkungskraft des Filmes sollte vor allem durch die Person Hitler erzielt werden. Vor den Augen der ganzen Welt sollte seine neue Position und Macht demonstriert werden. In Nürnberg sollte den Menschen klar werden, dass es sich beim Nationalsozialismus um keine vorübergehende Macht handelt – denn fortan gab es keine Alternative zu Adolf Hitler und seinem Regime mehr. Die überwältigende Mehrheit von 38 Millionen Menschen hatte bei der Volksbefragung vom 19. August 1934 mit „Ja“ zu Hitlers Politik und seiner uneingeschränkten Führungsrolle gestimmt. 4,5 Millionen stimmten mit „Nein“. Nach dem Tode Hindenburgs ernannte sich Hitler selbst zum „Führer und Reichskanzler“, womit er am vorläufigen Gipfel seiner Macht und Popularität angelangt war und sich nun seinen krankhaften Ideen für das „Tausendjährige Reich“ widmete. Seine Gegner ließ er unschädlich machen oder gar ausschalten. Die Ermordung von Röhm und die faktische Entmachtung der SA – ein Riss im Gefüge der Bewegung, den Triumph des Willens gut machen sollte. Riefenstahl unterstrich diesen Willen zur Geschlossenheit mit ihren Aufnahmen von quasireligiösen Ritualen, wie z.B. als das Lied von Horst-Wessel erklang und Hitler jeden einzelnen der SA- und SS-Standarten mit der „Blutfahne der Bewegung“162 berührte. Riefenstahls Motive bezogen sich also einerseits auf den „Führer“ und andererseits auf die Partei und das Volk – im

160 Zit. n. Trimborn, 2002, 201.

161 Vgl. Trimborn, 2002, 199 f.

162 Anm. Fahne getränkt mit Blut der 1923 bei Hitlers Putschversuch getöteten Mitkämpfer.

52 Sinne von „Ein Volk – Ein Reich – Ein Führer“. Die Filmbotschaft in Triumph des Willens verdeutlicht, dass die eigene Identität nur noch durch die Identifikation mit dem „Führer“ möglich war.163

Triumph des Willens als historisches Dokument – ein Beleg dafür, dass das „Dritte Reich“ viel stärker auf die Faszination der Person Hitlers als auf die Anziehungskraft seiner politischen Ideen gegründet war. Hitler, der die Massen bändigte, formierte und disziplinierte – das Hauptaugenmerk des Films lag auf dem „Führer“, dem „Heilsbringer“, dem das Volk in Gefolgsschaftstreue gegenüberstand.164

1.2 Zur Entstehung des Films

Vorbemerkungen

Der Reichsparteitag dauerte vom 3. - 10. September 1934 zum ersten Mal eine ganze Woche. Circa eine Million Menschen waren an dem Massenspektakel involviert; eine halbe Million Parteimitglieder und 200 000 Gäste wurden nach Nürnberg eingeladen, 300 000 Menschen zählte die Stadt selbst an EinwohnerInnen, der Rest erschloss sich aus ausländischen Gästen, Diplomaten und PressevertreterInnen. Die Journalistin Bella Fromm hielt ihren Eindruck dieses Spektakels fest:

„Die Unverschämte und betrügerische Übertreibung, die bei der Feier des Nürnberger Parteitags vorherrscht, das Prahlen, die Propaganda, ließen die Ausländer aus dem Staunen nicht herauskommen. Diese Massenversammlung ist ein starkes, betäubendes Gift. Nicht alle Ausländer sind imstande, bei diesem überwältigenden Schaugepränge einen klaren Kopf zu behalten. {…} Der Nürnberger Parteitag ist eine wohlberechnete, sorgfältig eingeübte Schau, seine psychologische Wirkung auf die Masse ist geradezu erschütternd. Die wenigen, die von der Hypnose nicht ergriffen waren, fanden die Ausbrüche hysterischen Entzückens bei Frauen geradezu abstoßend.“165

163 Vgl. Trimborn, 2002, 200-203.

164 Vgl. Trimborn, 2002, 203.

165 Zit. n. Fromm, 1993, 206.

53 Im Vorfeld zu den Dreharbeiten in Nürnberg

Ruttmanns Prolog

Während der Vorbereitungen für den Dreh und auch noch kurz nach dem Parteitag spielte Walter Ruttmann166, der berühmteste und international gefeierte Dokumentarfilmemacher der Weimarer Republik, keine unwesentliche Rolle neben Riefenstahl. Ruttmann sollte einen Prolog für den Film gestalten, während Riefenstahl den Hauptfilm drehen wollte. Nach 1945 beharrte Riefenstahl darauf, dass sie den Auftrag für Triumph des Willens niemals annehmen und sie deshalb Hitler Ruttmann als Regisseur aufdrängen wollte, um sich selbst dem Auftrag entziehen zu können. 1972 äußerte sie sich in einem Interview wie folgt:

„Als ich später den Dokumentarfilm Triumph des Willens machen sollte, wollte ich, daß Ruttmann ihn macht. Einmal, weil ich ihn für geeignet hielt, während ich mir diese schwere Arbeit nicht zutraute, auch nicht zutrauen konnte; ich wußte gar nicht, daß ich wo was kann.“167

Da Riefenstahl zu diesem Zeitpunkt bereits Sieg des Glaubens gedreht hatte, die Erfordernisse eines Dokumentarfilms genau kannte und von Anfang an bestimmt war, dass Ruttmann ausschließlich für den Prolog zuständig sein sollte, ist diese Aussage schlichtweg gelogen. Ruttmanns Aufgabe beschränkte sich auf den Prolog, in dem er wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit der NSDAP nachstellte und an deren Ende Riefenstahls Bilder des Parteitages als die „Krönung eines langen Passionswegs“168 wirken sollten. Der „Film-Kurier“ vom 30. August 1934 schrieb:

„Der Film wird nicht allein ein Dokument für den Reichsparteitag 1934 sein, sondern gleichzeitig die Geschichte der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung schildern.“169

Der Prolog von Triumph des Willens wurde inhaltlich äußerst komplex geplant:

„Dieses Vorspiel soll kaleidoskopartig die Geschichte eines Zeitraumes von 20 Jahren, seit 1914 abwickeln. Es fängt mit einem Flug des Führers an einem herrlichen September-Tage

166 Anm. Ruttmann galt zuvor als kommunistisch orientierter Filmemacher; er scheute sich aber nicht nach 1933 mit einer Reihe von Dokumentarfilmen zum Propagandisten der deutschen Rüstungsindustrie und des nationalsozialistischen Eroberungskrieges zu machen.

167 Anm. Interview mit Leni Riefenstahl mit Herman Weigel. In: Filmkritik. 16. Jg.- August 1972, 396.

168 Zit. n. Trimborn, 2002, 205.

169 Vgl. Film-Kurier, 30.8.1934, 1.

54 zum Reichsparteitag 1934 an. Während des Fluges ziehen 20 Jahre deutschen Schicksals von den Augen des Führers vorüber: Die Vision des Weltkrieges, Versailles, die Geißel der Arbeitslosigkeit, Bilder erschütternden Elends. {…} Die Ansätze der Bewegung sind überall zu spüren. Aber die Etappen des Leidens ist noch nicht aufgehalten. Inflation, die Ereignisse vor der Feldherrnhalle, die Festung Landsberg erscheinen als weitere Etappen der Entwicklung. Es folgt die Periode des schweren Kampfes. Auf dem Tisch der Festungszelle, in der Hitler seine Landsberger Zeit verbringen mußte, wird das erste beschriebene Blatt zu dem Buch 'Mein Kamp' sichtbar. {…} Machtvoll kommt die Bewegung zum Durchbruch und schreitet langsam, aber stetig von Sieg zu Sieg. Der eiserne Wille des Führers und seiner Getreuen triumphieren, bis der Triumph des Willens unserem Vaterland und unserem Volke den Weg wieder freigemacht hat zu neuem Aufstieg.“170

Tatsächlich fiel die Umsetzung um einiges dezenter aus – davon abgesehen wurde der Prolog, dessen Produktionskosten sich auf circa 100 000 Reichsmark beliefen und ein Drittel des Gesamtbudgets ausmachten, nicht verwendet. Riefenstahl behauptete nach dem Krieg, dass Ruttmanns Prolog nicht zu Triumph des Willens passte und dass sie ihn deshalb nicht brauchen konnte. Unwahrscheinlich ist es jedoch, dass sie als künstlerische, sowie organisatorische Leitung vorab keinen Einblick in das Drehbuch des Prolog hatte und nicht bereits vor Drehbeginn ihr Einverständnis dafür gab. Riefenstahl sah bestimmt einen Vorteil darin, den Ruhm nicht mit Ruttmann teilen zu müssen – andererseits war Hitler am 6. Dezember 1934 im Schneideraum, was auch darauf schließen lassen könnte, dass er Ruttmanns Prolog untersagte. Schließlich sollte Hitler im Mittelpunkt stehen und nicht die „Bewegung“ oder die „Kampfzeit der Bewegung“, bei der die Rolle der SA und Ernst Röhms nicht unerwähnt bleiben konnte. Es liegt nahe, dass es Hitlers Entscheidung war Ruttmanns Prolog nicht zu verwenden. Damit wäre Riefenstahls spätere Aussage, dass Hitler keinerlei Einfluss auf die Gestaltung des Filmes hatte, falsch.171

Riefenstahls Filmcrew

Noch bevor Riefenstahl selbst nach Nürnberg fuhr, ließ sie ihr Team Vorort bereits mit den Vorbereitungen für den Dreh beginnen. Sie hingegen begab sich auf die Jagd: Riefenstahl wollte nur die besten Kameraleute und Techniker Deutschlands – und um diese zu bekommen, nutzte sie das

170 Zit. n. Trimborn, 2002, 206.

171 Vgl. Trimborn, 2002, 205 ff.

55 Druckmittel im „Auftrag des Führers“ zu arbeiten und schreckte nicht davor zurück, Personen auszuliefern, die sich weigerten mit ihr zu arbeiten. Ingo Schünemann versuchte sie zur Mitarbeit zu zwingen und brachte ihn damit in ernsthafte Schwierigkeiten. Ein moralischer Tiefpunkt Riefenstahls - Schünemann konnte sie dennoch nicht gewinnen. In ihren Memoiren bleibt er gänzlich unerwähnt.172

Riefenstahl stand insgesamt eine Filmcrew von circa 170 Mitarbeitern zur Verfügung, die allesamt unter ihrem Kommando standen. 36 Kameraleute, 17 Mitarbeiter der Wochenschau, 17 Beleuchter, 10 Techniker, 9 Mitarbeiter für Luftaufnahmen, 26 Fahrer, 2 Standfotografen und 2 Sekretärinnen. Aus der Partei stammten 4 Arbeitsdienstmänner und 37 Wachen, die sich aus der SS, der SA und den Feldjägern rekrutierten. Allesamt mussten während der Zeit der Aufnahmen SA-Uniformen tragen, um in die feierlichen Filmbilder zu passen. Auch Riefenstahl trug eine Art Uniform – einen weißen Mantel mit einer Armbinde, auf der groß „Film“ stand.173

Der Parteitag 1934 nur für Riefenstahls Kamera?

Obwohl in den Nachkriegszeiten immer wieder behauptet wurde, dass die Parteitage 1934 nur für Riefenstahls Kamera inszeniert wurden, ist dem entgegen zu bringen, dass auch die folgenden Parteitage pompös und über alle Maße feierlich gestaltet wurden und diese Behauptung vermutlich nicht stimmt. Was hingegen unbestreitbar ist, ist die Tatsache, dass die Vorbereitungen für den Film Hand in Hand mit den Planungen für die Parteitage durchgeführt wurden. Die Aufgabe diese Großveranstaltung so zu filmen, das im Nachhinein eine perfekte Bilderfolge gestaltet werden konnte, bedurfte wohl der Notwendigkeit einer detaillierten Absprache mit Riefenstahl. 174

Technische Vorbereitungen

Um verschiedene Blickwinkel des selben Szenarios einfangen zu können, ließ Riefenstahl auf dem Parteitagsgelände an allen strategisch wichtigen Punkten „Filmtürme“ installieren. Dazu gehörten Kameras, Tonapparaturen, riesige Scheinwerfer und Schienen rund um Hitlers Rednertribüne. Mittels einer Sondergenehmigung ließ sie an einem 38 Meter hohen Fahnenmasten einen kleinen, elektrisch betriebenen Aufzug anbringen, von dem aus sie mit der Handkamera das Geschehen aus

172 Vgl. Trimborn, 2002, 210 ff.

173 Vgl. Trimborn, 2002, 212.

174 Vgl. Trimborn, 2002, 211.

56 der Vogelperspektive einfangen konnte. Weiteres verlangte sie ihren Kameraleuten einiges an Experimentierbereitschaft ab, um mit innovativen Aufnahmentechniken neue Perspektiven zu gewinnen, u.a. gab es Rollschuhtraining für ihr Kamerateam, um mit einer Handkamera gute Bewegungsbilder zu erhalten. Außerdem ließ sie Spezialfahrräder nach dem Vorbild der alten Hochräder anfertigen, damit sich die Kameraleute problemlos auch durch Menschenblöcke bewegen konnten. Ebenfalls ließ sie an einer Straßenbahn einen Gerätewagen montieren, der als fahrendes Podest für Filmaufnahmen diente. Riefenstahl machte sich zum Ziel, möglichst dynamische Aufnahmen zu drehen, um ebenfalls dynamisch-lebendige Bildwirkungen montieren und erzielen zu können. Um dies im Vorfeld planen zu können, fuhr sie mit ihrem Chefkameramann Sepp Allgeier durch die Straßen Nürnbergs und die Parteitagsanlagen, um zu sehen wo die einzelnen Kameras postiert werden sollten.175 Die Vorbereitungen für die Filmarbeiten am Parteitag waren so aufsehenerregend, dass sogar die Presse regelmäßig darüber berichtete:

„Riefenstahl bei der Arbeit – Höchstleistungen der Technik – die 40 besten deutschen Operateure am Werk – 60 000 Meter Film.“176

Umsetzung

Circa zwei Wochen vor dem „Reichsparteitag der Einheit und Stärke“ reiste Riefenstahl und der Rest ihres Teams in Nürnberg an. Gauleiter Julius Streicher organisierte eine leerstehende Villa am Nürnberger Schlageter Platz inklusive Inventar. Noch bevor am 4. September 1934 die 7-tägigen Dreharbeiten mit der Ankunft Hitlers in Nürnberg begannen, klärte Riefenstahl mit Hitler und Speer den Veranstaltungsplan des Parteitags ab und besprach mit der Stadtverwaltung die Kamerastandpunkte auf den Dächern, Balkonen und Wohnungsfenstern.177 Innerhalb ihres Teams begann sie generalstabsmäßig damit Aufträge zu erteilen – die 32-jährige Riefenstahl als einzige Frau unter den vielen Männern wusste sich dennoch durchzusetzen. Die BZ am Mittag berichtete am 4.9.1934 ihren Eindruck von Riefenstahls Art zu delegieren:

„Es geht lebhaft zu bei diesen Regiebesprechungen. Leni Riefenstahl steigt auf einen Stuhl, die fehlende Klingel wird durch lautes Klappern mit einer Bierflasche ersetzt, und dann

175 Vgl. Trimborn, 2002, 210 f.

176 Zit. n. Kinkel, 2002, 73.

177 Vgl. Kinkel, 2002, 71.

57 verkündet sie ihren Organisationsplan für heute. Sie versteht es, sich auch gegen dröhnendes Lachen und das lauteste Gemurmel durchzusetzen.“178

Ihr Team war für den Parteitag bestens vorbereitet – das gigantische Nazi-Treffen konnte beginnen. An Hitlers Seite wurde Leni Riefenstahl bereits am ersten Drehtag anerkennend von den Massen umjubelt – immer wieder erklang: „Leni, Leni!“179

Trotz der umfangreichen Vorbereitungen liefen die Dreharbeiten nicht ohne Pannen ab – das wohl größte Missgeschick war, dass sich Riefenstahl indirekt selbst Filmverbot auferlegte, indem auf ihr Drängen hin sich die SA streng an den Auftrag hielt, niemanden auf die „Straße des Führers“ zu lassen, der gerade mit dem Chef des Stabes Lutze und dem Reichsführer der SS Himmler für den historischen Gang zur Gefallenen-Ehrung chauffiert wurde. Die SA führte ihren Auftrag konsequent aus und ließ auch Riefenstahls Filmwagen nicht durch, von dem aus sie das Ereignis filmen wollte - viele andere Aufnahmen ließen sich retten, diese aber nicht.180

Noch während der Drehtage ließ sie das Material täglich zur Kopieranstalt Geyer schicken und entwicklen, um die Aufnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls nachzudrehen, wie z.B. bei der Rede von Julius Streicher nötig war. Er wiederholte für Riefenstahl die Rede im Studio. Am 10. September schloss das Filmteam die letzten Dreharbeiten ab. Das Ergebnis: Filmmaterial im Umfang von 130 000 Meter Zelluloid und 80 Stunden Film, gedreht von Riefenstahls Kameramännern und den Teams der Wochenschauen der Ufa, Tobis-Melo, Fox und Paramount.181

Schnitt

Nicht umsonst wurde Riefenstahl „Zeremonienmeisterin“ genannt – Hitler ließ ihr völlig freie Hand was die künstlerische Gestaltung von Triumph des Willens anbelangte. Für den Schnitt des Filmmaterials zog sich Riefenstahl mit einigen ihrer Mitarbeitern und Helferinnen in die Kopierwerkstatt der Geyer-Werke in Berlin Neukölln zurück – wo sie auch die nächsten sechs Monate blieb. Allein für die erste Sichtung des Materials brauchte Riefenstahl 81 Stunden – und erst im Anschluss begann die schwierige Aufgabe der Materialauswahl und des Schnitts. Natürlich standen ihr SchnittassistentInnen, wie Erna Peters, Guzzi und Otto Lantschner sowie Walter Prager 178 Vgl. Kinkel, 2002, 73.

179 Vgl. Trimborn, 2002, 213.

180 Vgl. Kinkel, 2002, 75.

181 Vgl. Kinkel, 2002, 75.

58 zur Verfügung – Riefenstahl lies ihnen aber keinen Raum zur Mitarbeit, dafür war sie zu selbstbestimmt und besessen von der Idee des perfekten Schnitts. Wie auch in Sieg des Glaubens hielt sie sich nicht an die reale Abfolge des Geschehens, sondern schuf mit dem Schnitt des Materials ihre eigene Dramaturgie.182 Die Richtlinien dafür, erläuterte sie selbst:

„Die Gestaltungslinie fordert, daß man instinktiv, getragen von dem realen Erlebnis Nürnbergs, den einheitlichen Weg findet, der den Film so gestaltet, daß er den Hörer und Zuschauer von Akt zu Akt, von Eindruck zu Eindruck überwältigend emporreißt. Ich suche die innere Dramatik solcher Nachgestaltung. Sie ist da. Sie wird sich auf das Volk übertragen, sobald das Filmmaterial von Nürnberg geformt ist, sobald sich Rede und Sentenz, Massenbild und Köpfe, Märsche und Musiken, Bilder von Nürnbergs Nacht und Morgen so sinfonisch steigern, daß sie dem Sinn von Nürnberg gerecht werden.“183

Die musikalische Umrahmung von Herbert Windts sollte den „tänzerischen und sinfonischen“ Rhythmus“184 des Filmes noch steigern und als Verbindung- und Übergangselement zwischen den einzelnen Bildern fungieren. Der O-Ton erwies sich als unbrauchbar, weshalb der musikalische Beitrag Windts zur Gänze neu eingespielt werden musste. Um eine perfekte Synchronität von Bild und Ton herstellen zu können, dirigierte sie das Orchester selbst, weil nur sie den Rhythmus des Filmschnitts kannte.185

Für die Zeit des Filmschnitts lebte Riefenstahl völlig von der Öffentlichkeit zurückgezogen – über Fortschritte bei der Arbeit berichteten Tages- und Filmzeitungen immer wieder, vor allem um das Interesse der Öffentlichkeit am Film aufrechtzuerhalten und auf die Premiere neugierig zu machen. Erst am 1. Februar 1935 meldete die Presse, dass der Film fertig war – Hitlers Besuch im Schneideraum ergab nicht die kleinste Veränderung – Riefenstahl leistete in den Augen Hitlers erneut hervorragende Arbeit. Zwei Stunden Film der ebenfalls mit einem Prolog beginnt und Hitler zu einer Legende machen sollte.

182 Vgl. Trimborn, 2002, 216.

183 Zit. n. Riefenstahl, Leni: Hinter den Kulissen des Reichsparteitagfilms. München 1935, 28.

184 Anm. Der Terminus „wie ein Sinfonie“ weißt in direkter Weise auf die Schnitttechnik des Kompilationsfilms: Berlin. Die Sinfonie der Großstadt von Walter Ruttmann hin.

185 Vgl. Trimborn, 2002, 216.

59 Die Intention der Verfilmung zur Führerlegende anhand eines Szenenquerschnitts

Dramaturgisch gesehen dominiert Adolf Hitler den gesamten Parteitagsfilm – circa ein Drittel der Filmbilder beansprucht seine Person, ein Drittel seine Reden und zwei Drittel der Gesamtredezeit fällt auf ihn. Die gesamte Filmregie richtet sich nach Hitler aus: mit der sogenannten Schnitt- Gegenschnitt-Technik intendierte Riefenstahl die Präsenz des „Führers“ über seine reale Anwesenheit hinaus. Diesen Eindruck bewirkt eine filmische Handlungsführung, die beim Zuschauer/der Zuschauerin immer die Gespanntheit auf das Erscheinen des „Führers“ weckt und diese damit noch steigert, dass die Person Adolf Hitler durch den extensiven Einsatz von Nah- und Großaufnahmen zum leinwandherrschenden Akteur des Parteitags wird.

„Noch nie haben wir das Gesicht unseres Führers so nah gesehen, noch nie haben wir in seinen Zügen so forschen dürfen, noch nie haben wir soviel in seinen Augen gelesen.“186

Die Skizzierung der Auftritte und Abgänge Hitlers spielen mit der Erwartung der ZuschauerInnen „Wir wollen den Führer sehen“ und zieht sich daher durch den gesamten Film. Beginnend mit dem Flug über den Wolken ist Hitler zwar nicht zu sehen, aber trotzdem unmittelbar präsent. Der Zuschauer/die Zuschauerin assoziiert Hitler im Flugzeug, obwohl die Kamera über den Wolken und der Stadt Nürnberg schwebt. Riefenstahl beabsichtigt mit der subjektiven Kameraführung, beim Zuschauer/in der Zuschauerin die Assoziation zu wecken, direkt neben Hitler im Cockpit zu sitzen. Durch einen Kamerawechsel wird die Erwartung Hitler zu sehen, aber wieder gebrochen, womit dramaturgisch ein neues Spannungsfeld geschaffen wurde. Die anschließende Einfahrt der „Führers“ nach Nürnberg gestattet dem Zuschauer/der Zuschauerin wieder die suggerierte Nähe zum Zuschauer/zur Zuschauerin, indem die Kamera direkt aus dem Auto hinter Hitlers Mercedes filmt.187 In der folgenden Sequenz wird Hitler während eines Standkonzertes am Fenster stehend in der Halbtotale bis Totale gezeigt, um gleich anschließend erneut dem Blickfeld des Zuschauer/der Zuschauerin entzogen zu werden. Beim morgendlichen Rundgang durch die Stadt Nürnberg und durch die Zeltlager blieb Hitler nicht sichtbar, bis er erst wieder eine Abordnung Trachtenmädchen, sowie einen Stoßtrupp der Deutschen Arbeitsfront begrüßte. Das Einsteigen in eine Limousine verabschiedet ihn erneut. Ausgereizt wird die Erwartungshaltung des Zuschauers/der Zuschauerin

186 Anm. Demandowski, 1935.

187 Vgl. Loiperdinger, 1987, 68 ff.

60 erst bei der Eröffnung des Parteitagskongresses in der Luitpoldhalle: Heß spricht Hitler bereits mit „Mein Führer!“ an, doch dieser ist noch nicht mal zu sehen. Erst als Heß ihn das zweite mal mit „Mein Führer!“ tituliert, wurde Hitler gleichzeitig in einer Nahaufnahme gezeigt. Er selbst spricht aber bei der Eröffnungsveranstaltung nicht – die von Riefenstahl festgelegte Dramaturgie ließ zuerst Wagner, Rosenberg, Dietrich, Todt, Reinhardt, Darré, Streicher, Ley, Frank, Goebbels und Hierl sprechen - die Redeausschnitte hatte Riefenstahl von Aufnahmen an den Sondertagungen des Parteikongresses. Auf die einmontierten Großaufnahmen folgt – wie schon lange erwartet – der „Führer“ mit den Begrüßungsworten seiner kurzen Rede an die 52 000 Männer vom Freiwilligen Arbeitsdienst „Heil, Arbeitsmänner!“ Es folgt die nächtliche SA-Veranstaltung, ohne Hitler. Damit sind 40 Minuten des Filmes bereits vergangen, in denen mit der Erwartungshaltung des Zuschauers/der Zuschauerin ihren „Führer“ zu sehen gespielt wird. Durch diesen dramaturgischen Kunstgriff spannt die Dramaturgie des Filmes eine Reihe von ineinandergreifenden Handlungsbögen. Durch das ständige Warten entsteht beim Zuschauer/der Zuschauerin jene Spannung, die die nationalsozialistische Publizistik mit dem Topos „in freudiger Erwartung des Führers“ umschreibt. Weil es aber nie zur vollen Erwartungserfüllung kommt, baut sich immer wieder ein neuer Spannungsbogen auf, der sich im verzögerten Auftritt des „Führers“ aber wiederum nur scheinbar erfüllt. Dies geschieht in der Szene des Appells der Hitlerjugend aber ein letztes Mal: Trommelwirbel, Pfeifermusik, Hitlerjungen recken die Hälse oder sitzen auf den Schultern der Kameraden, der rechte Arm wird zum Hitlergruß gestreckt und Hitler tritt auf die Bühne des Stadions. Ein dramaturgischer Wendepunkt in der Darstellung des „Führers“: Hitler ist da und von nun an bleibt er auf im Bild präsent. Ohne Verzögerungseffekt erscheint er und bleibt die ganze Sequenz über in der Nahaufnahme im Bild188 – während er die auf der Schlusstagung des Parteikongresses seine „Historische Rede“ hielt, in der seine Unterscheidung zwischen Volk und Partei bekannt gab:

„Es wird stets nur ein Teil eines Volkes aus wirklich aktiven Kämpfern bestehen. Von ihnen wir mehr gefordert als von den Millionen der übrigen Volksgenossen. Für sie genügt nicht die bloße Ablegung des Bekenntnisses ´Ich glaube!´, sondern der Schwur ´Ich kämpfe!´ „189

Bloße Begeisterung war zu wenig, dafür waren die Erwartungen an die Mitglieder der Partei zu hoch. Daher musste die Kundgabe ihrer Treue in einem möglichst feierlichen politischen Akt

188 Vgl. Loiperdinger, 1987, 70 ff.

189 Zit. n. Loiperdinger, 1987, 79.

61 stattfinden und niemand anderer als Hitler selbst sollte in Mittelpunkt des Geschehens stehen. 190 Alle anderen Akteure des Parteitags wurden aus dem Bild gedrängt – Hitler, dem alleinigen und einzigen „Führer von Volk und Partei, Staat und Nation“, gehörte die Parteierzählung Triumph des Willens, die Riefenstahl auf ein Happy-End hin reduzierte und inszenierte.191

Mit ihrer bis dahin noch sehr seltenen Schnitttechnik erreichte Riefenstahl einen besonders suggestiven Effekt. Die Gegenschnitte der Gesichter von jungen Frauen und Männern erzielen den Eindruck eines innigen und erotisierten Verhältnisses zwischen dem Volk und dem über ihnen stehenden Führer. Keineswegs handelt es sich aber um die Darstellung von auserwählten Individuen, sondern vielmehr um Prototypen, die die Zuneigung des ganzen Volkes zu Hitler symbolisieren sollen. Eine regelrechte Obszönität wird erst aus heutiger Betrachtung offensichtlich. Durch die Stilisierung der Aufnahmen und die suggestive Montage der einzelnen Sequenzen kann man nicht davon sprechen, dass die Verfilmung des Reichsparteitages ein reiner Dokumentarfilm ist – Triumph des Willens geht weit über eine Dokumentation der Ereignisse hinaus.192

Premiere

Am 28. März 1935 wurde die langerwartete Premiere von Triumph des Willens gefeiert. Der Rahmen dafür wurde pompös gestaltet – es wurden 30 000 Reichsmark investiert, um den Ufa- Palast in Berlin zu bewerben und durch Zusatzumbauten zum richtigen Ort für die bedeutende Vorstellung des „Hitlerfilmes“ zu machen. Der Umbau der Fassade des Premierenkinos kostete allein schon 8 000 Reichsmark, nur damit aus einer sechs Meter hohen Fassade eine zehn Meter hohe Fassade wurde, auf der überdimensionale Hakenkreuzfahnen und ein acht mal neun Meter großer Reichsadler für die Premiere montiert werden konnte.193

Riefenstahl wurde gefeiert. Hitler übergab Riefenstahl hochoffiziell einen Fliederblumenstrauß – ein Akt der Anerkennung. Auch die Presse lies sie hochleben:

190 Vgl. Loiperdinger, 1987, 79.

191 Vgl. Loiperdinger, 1987, 76.

192 Vgl. Trimborn, 2002, 218 f.

193 Vgl. Trimborn, 2002, 221 f.

62 „Symphonie des deutschen Willens“, „nationales Dokument“, „einmaliges Erlebnis in einmaliger Gestaltung“, „Die Seele des Nationalsozialismus wird in diesem Film lebendig“.194

Riefenstahls Triumph des Willens brach in vielen Kinos Deutschlands die BesucherInnenrekorde – allein in Berlin besuchten innerhalb von zwanzig Tagen mehr als 100 000 Menschen ihren Film. Bis Mai 1935 ist der Film beinahe in jeder Kinostadt des Deutschen Reiches angelaufen, darunter auch Provinzaufführungen. Das Propagandaministerium hatte darauf geachtet, dass möglichst viele Vorführungen am 20. April stattfanden – so tat man den Geburtstag des „Führers“ nochmals besonders hervor. In einigen Gemeinden legte man die Vorführung von Triumph des Willens sogar auf den Tag des Osterfestes, womit die Partei in ein offenes Konkurrenzverhältnis mit den christlichen Osterbräuchen trat.195 Damit Triumph des Willens mit seinen herausragenden politischen und kulturellen Ereignissen im Mittelpunkt eines jeden/einer jeden Kinoerlebnisses wurde, verbot Goebbels jegliches Beiprogramm zu zeigen. Weiteres durften keine Privatfilme öffentlich oder halb-öffentlich gezeigt werden, die Bilder vom Parteitag dokumentieren. Riefenstahls Aufnahmen wurden so zum einzigen Zeugnis des „Parteitags der Einheit und Stärke“.

Goebbels überreichte Riefenstahl am 25. Juni 1935 den Nationalen Filmpreis – darüber hinaus, gewann sie eine Reihe ausländischer Preise, wie z.B. den Preis für den besten ausländischen Dokumentarfilm auf dem Internationalen Festival in Venedig und den Großen Preis der Pariser Weltausstellung im Jahre 1937. Kritische Stimmen hat es schon in 30-er Jahren gegeben – viele sahen den Film nicht als reinen Dokumentarfilm, sondern erkannten Propagandaeffekte.

Bereits im Sommer 1935 wurde Kopien des Filmes dem Verleih der Gaufilmstellen übergeben und von Filmfahrzeugen in die abgelegensten Dörfer gebracht. Ab dem folgenden Jahr gehörte der Film einerseits bereits zum festen Programm der Filmvorführungen bei der „Hitlerjugend“ und andererseits wurde er über das Erziehungs- und Propagandaministerium in Schulen vorgeführt. LehrerInnen bekamen den Auftrag das Filmerlebnis im Unterricht zu vertiefen.196

1938 wurde der Film erneut von aktueller Bedeutung: Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, feierte Reifenstahl erneut ausverkaufte Kinosäle, dieses mal u.a. in Wien. 1939 wurde der Film auch im „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ gezeigt - nach dem Überfall auf Polen im September 1939 fand der Film auch in hoher Kopienzahl Anklang im neuen

194 Zit. n. Demandowsky: „Der Reichsparteitagsfilm – Ein einmaliges Ereignis in einmaliger Gestaltung“. In: Völkische Beobachter, 30.3.1935 1/7.12.134, 2.

195 Vgl. Kleinhaus, 2003, 124.

196 Vgl. Kleinhaus, 2003, 124.

63 „Generalgouvernement“, wo er als Propagandafilm die Aufgabe hatte die Stärke und Überlegenheit Deutschlands zu verkünden.197

2. Realitätsbezug – Dokumentar- oder Propagandafilm?

Es gab schon lange vor Kriegsende kritische Stimmen gegen Riefenstahl und ihre Filmarbeit – in Paris kam es sogar zu Protesten, als sie die Goldmedaille entgegennahm. Der Grund für die heftige Kritik war nicht ihr filmisches Können, sondern ihre propagandistischen Absichten vor dem Hintergrund, dass sie auf den weiterverbreiteten Irrglauben an die Faktizität der als dokumentarisch ausgewiesenen Bilder bauen konnte.198 Nach Kriegsende musste sich Riefenstahl stellen und ihr Film Triumph des Willens wurde u.a. bezüglich seines Genres heftig diskutiert. Die Ermittlungen, ob der Film als Dokumentar- oder als Propagandafilm einzustufen sei, ergibt zumeist das gegenteilige Ergebnis, hinsichtlich Riefenstahls Definition ihres scheinbar „reinen Dokumentarfilms“.

Vilem Flussers Analyse vom Realitätsbezug der Wochenschauen und Filme ergibt auch eine interessante Ansicht für den dokumentarischen Propagandafilm Triumph des Willens, indem er den Unterschied zwischen Darstellung und Vorstellung wie folgt definiert:

„Bei der Darstellung wird – wenn auch nur mittelbar, nämlich mittels eines Films – die Wirklichkeit empfangen. Bei der Vorstellung vermittelt der Film nicht die Wirklichkeit, sondern eine Fiktion, welche auf die Wirklichkeit deutet. Dieser Unterschied lässt sich auch folgendermaßen formulieren: Bei der Darstellung kommt die Wirklichkeit zum Vorschein bei der Vorstellung hingegen kommen Symbole zum Vorschein, welche die Wirklichkeit nur vertreten.“199

Eine objektive Abbildung kann es insofern nicht geben, als das die Wirklichkeit eine subjektive Interpretation des Betrachters/der Betrachterin ist. Eine absolut realitätsgetreue Wirklichkeitsabbildung ist selbst bei „neutralen“ Dokumentarfilmen kaum möglich, auch wenn dem

197 Vgl. Trimborn, 2002, 224.

198 Vgl. Felix Moeller: Der Filmminister, Goebbels und der Film im Dritten Reich, Herschel Verlag, Berlin 1998, 347.

199 Zit. n. Grimm, Andrea: Triumph der Bilder, Wien 2006, 98.

64 Filmemacher/der Filmemacherin durchaus eine realistische Annäherung an die Wirklichkeit gelingen kann.200 Allerdings beabsichtigte Riefenstahl keine „neutrale“ Darstellung des Parteitags.

Teilt man die Ansicht des Filmhistorikers Georg Seeßlen, ist die nach den Kriegsjahren häufig diskutierte Frage nach Riefenstahls Filmgenre damit zu beantworten, dass Riefenstahl keine Dokumentarfilme sondern Antidokumentarfilme drehte, deren Ziel es war, die Wirklichkeit mit ihrem umfassenden Stilisierungstechniken zu vernichten und damit das mediale Selbstbild des nationalsozialistischen Staates zu gestalten.201 Ihre Kompositionen kann man als eine militärisch entindiviudalisierte Massenchoreografie bezeichnen, die durch das Wecken von Emotionen und den Appell an die Instinkte den KinobesucherInnen unterschwellig und brillant Propaganda einflüsterte.202 Riefenstahls Hang zum Pathos, ihr Desinteresse am menschlichen Subjekt und ihre Stilisierungen des Körpers bis hin zum Ideal traf sich mit den Körperpanzer-Fantasien des deutschen Faschismus. Riefenstahls Fetischisierung des Schönen und Gesunden ging dacour mit dem unkontrollierbaren Geflecht staatlicher, halbstaatlicher und parteiamtlicher, privater Produktionen im Dritten Reich. Goebbels wollte in Filmen nur das Positive und Gute zeigen, nicht aber das Düstere oder – die Realität.203

Das Ziel ihrer künstlerischen Gestaltung war Riefenstahls Meinung nach: „das Bild vielleicht noch etwas stärker wirken zu lassen, als ein Wirklichkeit schon war“ 204 – da es ihrem Verständnis nach die Aufgabe eines Künstlers/einer Künstlerin ist, nicht bloß das Ereignis wiederzugeben, sondern die Botschaft der Veranstaltung deutlich hervorzuheben.205 Und genau das war ihr mit Triumph des Willens gelungen.

Nach 1945 behauptete Riefenstahl immer wieder, dass der Film rein dokumentarisch oder historisch sei – damit nimmt sie die Haltung gewollter Naivität ein, durch die sie versucht ihr Verantwortung loszuwerden und ihren Beitrag auf einen rein künstlerischen zu reduzieren. Selbstverständlich ist Triumph des Willens in der Tat auch dokumentarisch – diese Tatsache besagt jedoch wenig, da auch Dokumentarfilme zugleich Propagandafilme sein können. Dennoch macht es wenig Sinn sich mit

200 Vgl. Rother, 2000, 71-73.

201 Vgl. Kleinhaus, 2003, 18.

202 Vgl. Felix Moeller: Der Filmminister, Goebbels und der Film im Dritten Reich, Herschel Verlag, Berlin 1998, 347.

203 Vgl. Kleinhaus, 2003, 18 f.

204 Vgl. Riefenstahl, Leni: Wie der Film vom Reichsparteitag entsteht – Eine Unterredung mit Leni Riefenstahl. In: Magdeburger Tageszeitung vom 13.1.1935.

205 Vgl. Riefenstahl, Leni: Über Wesen und Gestaltung des dokumentarischen Films. In: Der Deutsche Film. Zeitschrift für Filmkunst und Filmwirtschaft. Berlin 1941, 19.

65 der Frage auseinanderzusetzen, ob Triumph des Willens ein Dokumentar- oder Propagandafilm ist, da beide prinzipiell Verschiedenes bezeichnen. Als reiner Propagandafilm wäre Triumph des Willens in seiner Eigenart nicht zu begreifen und wenn sie nicht etwas Dokumentiertes stilisieren würde, dann hätte wohl die Wirkung des Filmes nicht dergleichen erzielt werden können.206

2.1 Wirkliche Realität vs. faschistische Pseudorealität nach Siegfried Kracauer

Mit Kracauer geht einer der bedeutendsten deutschen Filmkritiker der Weimarer Republik und Begründer der Filmtheorie ins Exil. Kracauer, auch Geschichtsphilosoph, machte es zu seiner Mission, in Filmen versteckte soziale Vorstellungen und Ideologien zu enthüllen und dadurch ihren Einfluss zu brechen. Eine seiner ersten Arbeiten aus dem Exil in New York widmet Kracauer der Propaganda und dem Nazifilm.207 Nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Filmerbe des „Dritten Reiches“ kommt er zum Schluss, dass es die Nationalsozialisten darauf anlegten die Realität auszublenden.208 Loiperdinger schreibt, dass der geniale Trick faschistischer Propaganda darin besteht, die Realität dort vorzutäuschen, wo sie in Wirklichkeit gar nicht ist. 209 Kracauer bestätigte diese These und sieht Triumph des Willens als bestes Beispiel dafür, dass ein „Konflikt mit der Realität“210 ausgetragen wurde. Er geht davon aus, dass das nationalsozialistische System als Ganzes eine Leere in sich trug, die es zu füllen versuchte. Damit dies gelang, griffen sie die „wirkliche Realität“211 auf, manipulierten sie mit Elementen faschistischer Propaganda und schufen damit eine „faschistische Pseudorealität“212.

Aus Kracauers Untersuchung von Triumph des Willens geht die Erklärung der Dynamik und die Strategien der faschistischen Filmpropaganda hervor:

„Diese inszenierte Show, die die physischen Energien von Hunderttausenden lenkte, unterschied sich von einem gigantischen Durchschnittsspektakel nur darin, dass sie vorgab, ein Ausdruck des wirklichen Daseins des Volkes zu sein (... ) Die Nazis fälschten die Realität

206 Vgl. Rother, Rainer: Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents. Berlin 2000, 75 f.

207 Vgl. Koch, Gertrud: Siegfried Kracauer. Zur Einführung. 1996 Hamburg, 102 f.

208 Vgl. Kracauer Siegfried, Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. 1984 Frankfurt a/M, 350.

209 Vgl. Loiperdinger, 1987, 34.

210 Zit. n. Kracauer, 1984, 352.

211 Zit. n. Kracauer, 1984, 352.

212 Zit. n. Kracauer, 1984, 352.

66 wie Potemkin; statt der Pappe benutzten sie jedoch das Leben selbst, um ihre imaginären Dörfer zu errichten“. (…) aus dem wirklichen Leben der Menschen wurde eine gefälschte Realität aufgebaut, die für die genuine ausgegeben wurde. Dabei spielten Ästhetik, Stilisierung und künstlerische Gestaltung eine tragende Rolle .“213

Kracauer entriss der inszenierten faschistischen Pseudorealität des Films Triumph des Willens seine Maske und enthüllte die Intention der Regisseurin Riefenstahl, die physische Realität der Bilder, verfälscht oder verändert darzustellen. Dabei sei die Kamera-Realität und das Rohmaterial der Parteitage bewusst manipuliert worden – ebenfalls wurde auf das entscheidende Kriterium des ästhetischen Wertes für einen realen Film verzichtet worden.214 Riefenstahl versuchte nicht, bedeutungslosen Arrangements von Aufnahmen die Realität zu entlocken, sondern erstickte jede wirkliche Bedeutung im Keim. Nichts wurde bei der Tarnung dieses Vorhabens vernachlässigt, um den Eindruck zu verstärken, dass durch unverfälschtes Filmmaterial die Realität selbst über die Leinwand lief. Triumph des Willens enthält Einstellungen und Szenen, die rein photographisch gar nicht besonders gelungen sind, aber dennoch nicht herausgeschnitten wurden, um die Authentizität des Films als ganzen zu bezeugen und dadurch die Verwirrung von Wahrhaftigkeit und Wahrheit zu forcieren.215

Die totalitäre Propaganda versuchte eine Realität zu ersetzen, die auf der Anerkennung individueller Werte basierte. Da die Nazis auf Totalität zielten, mussten sie das Bild der Realität zerstören – Überreste der Erinnerung durften nicht toleriert werden. Der Parteitag sowie der Film, der ihn „dokumentierte“ hatte die Absicht den physischen und psychischen Zustand aller Beteiligten zu beeinflussen, nichts wurde dem Zufall überlassen – wie das Buch über den Reichsparteitag bezeugt. Die Naziführer gaben vor, im Namen Deutschlands zu handeln – doch was sie tatsächlich taten, versteckten sie hinter einem erschreckenden Schauspiel und einer schillernden Pseudorealität. 216

213 Zit. n. Kracauer, 1984, 352.

214 Vgl. Monaco, James: Film verstehen, Das Lexikon. Hamburg 2000, 409.

215 Vgl. Kracauer, 1984, 363.

216 Vgl. Kracauer, 1984, 372-377.

67 3. Riefenstahls Deutung von Triumph des Willens

Riefenstahl selbst wollte den eindeutig propagandistischen Charakter des Filmes nicht sehen. In einem Interview aus den 80er Jahren äußerte sie sich zu den Vorwürfen mit Triumph des Willens ein „Monster“ geschaffen zu haben, das den Nazis diente, wie folgt:

“Gewiss kann Triumph des Willens propagandistisch eingesetzt werden, wie so mancher andere Film auch, aber er wurde nicht als Propagandafilm hergestellt. Der Film ist ein Dokument. Er wurde innerhalb von 6 Tagen aufgenommen, und was er zeigt, hat sich in Bild und Wort so abgespielt. Nichts ist gestellt worden. Wenn ich einen Propagandafilm hätte machen wollen, so wäre zumindest ein Sprecher nötig gewesen, der einzelne Geschehnisse besonders heraushebt. Aber der Film hat keinen Sprecher. Ich habe nichts herausgehoben, sondern lediglich ein Ereignis dokumentiert“217

Ihren Worten zu Folge sah sie Triumph des Willens als künstlerischen Dokumentarfilm, wie auch Sieg des Glaubens und Tag der Freiheit, als die beiden anderen Teile ihrer Trilogie. Ihrer Meinung nach verlangt das Genre Dokumentarfilm, dass ein bestimmtes Ereignis dokumentiert wird und die Regisseurin den eigentlichen Sinn des Ereignisses aufzuspüren und durch künstlerische Gestaltung hervorzuheben hat. Propagandistische Absichten sieht Riefenstahl an ihrer eigenen Arbeit nicht – schließlich bezeichnet sie ihren Film als „heroischen Film der Tatsachen“.218 1965 gab Riefenstahl ein Interview für den Sender CBC, der Journalist fragte sie ob sie den nach wie vor nicht erkennen würde, dass Triumph des Willens ein Propagandafilm ist, worauf sie antworte:

„If I would see the film today after we know everything what happened I would say yes – in these time 1934 natural no, because in this time a propagandafilm must have a commandator yes, {…}I have only filmed what I have seen and I have spoken nothing.“219

Riefenstahl sah Triumph des Willens als autonome Kunst und auch als ihren eigenen Triumph über die Tücken des Materials, der Technik, der eigenen Gemütsbewegungen und vor allem aber über die Wirklichkeit von Geschichte und Gegenwart. Am Ende triumphierte sie sogar über die Nachwelt, in die das hohe Alter sie noch hineinragen ließ, von der sie sich aber zu keinem Zugeständnis, gar

217 Zit. n. Griesebner, Paul. Die Inszenierung des Realen oder die Dramaturgie der Propagandafilme der Leni Riefenstahl. Wien 1933, 29.

218 Vgl. Riefenstahl, Leni: Hinter den Kulissen, Wien 1935. 28.

219aZit.http://www.cbc.ca/player/Digital+Archives/War+and+Conflict/Second+World+War/Propaganda+in+WWII/ID/1407865783 {14.3.2014}.

68 Eingeständnis von Schuld und Verstrickung zwingen ließ - selbst zarteste Relativierungen, schüchterne Vorbehalte, eine moralisch zweifelnde Geste waren ihr unverständlich.220

220 Vgl. www.zeit.de/2003/38/Riefenstahl, {4.3.2014}.

69 Filmbeispiel II: Olympia. Fest der Völker / Fest der Schönheit

Vorbemerkungen

Die Parteitage in Nürnberg sind als choreographisch inszenierte, demonstrative Massenveranstaltung zu verstehen, die erzielen wollte, dass sich das Volk gegenüber dem „Führer“ beseelt und verpflichtet fühlt. Betont wurde die Verpflichtung das „neue Deutschland“ mitzuschaffen. Olympia hingegen feierte bereits ein bestehendes Gemeinschaftsgefühl, in dem Unterordnung scheinbar keine Rolle mehr spielte – vielmehr schien es bereits eine glückliche Übereinstimmung zwischen dem „Führer“ und dem Volk im „neuen Deutschland“ zu geben. Beide Konstruktionen basieren auf radikaler Ausgrenzung und Verfolgung jener, die der „Volksgemeinschaft“ nicht angehörten: Juden, Roma und Sinti, Oppositionelle, Homosexuelle, Kranke, Schwache und viele andere. Sowohl die Parteitage als auch ihre Verfilmung enthalten klare Feindbilder – die Olympischen Spiele und Riefenstahls Verfilmung verschweigen hingegen diese Ausgrenzung.221

Die Olympiade 1936 war ein Meisterwerk der Propaganda, der die Menschen aus dem In- und Ausland en masse verfielen – jeder Wettkampf, jedes Fest und jede Ansprache sprühte nur so von Friedfertigkeit, Weltoffenheit und Fairness. Der amerikanische Journalist Saul Friedländer berichtete für die liberale Zeitschrift The Nation:

„Besucher, die zur Olympiade nach Deutschland kamen, fanden ein Reich vor, das mächtig, ordentlich und zufrieden aussah. (…) Man sieht nicht, wie jüdische Köpfe abgeschlagen oder auch nur gehörig geprügelt werden.“222

Die beschämende Wirklichkeit wurde temporär unsichtbar gemacht: Reichsportführer Hans von Tschammer hatte pro forma zwei halbjüdische Sportler zu den Wettkämpfen aufstellen lassen, Goebbels unterwies der Presse sich rassistisch zu äußern, antisemitische Schilder verschwanden aus den Schaufenstern der Geschäfte und vor öffentlichen Plätzen, auch das Hetzblatt Der Stürmer erschien für die kurze Zeit nicht.223 Diese vorübergehende Lockerung der antisemitischen Hetze gehörte zum schönen Schein der Veranstaltung, den Riefenstahl auch in ihren Olympia-Filmen

221 Vgl. Rother, 2000, 98 f.

222 Zit. n. Friedländer, Saul: Das Dritte Reich und die Juden. München 1998, 198.

223 Vgl. Kinkel, 2002, 124.

70 inszenierte.224 Die Filmproduktion steht auch für die Glanzzeit der NS-Regisseurin - Olympia sollte ihr Film werden.225 Riefenstahl hatte es zu diesem Zeitpunkt an die Spitze geschafft.

1. Allgemeine Informationen zum Film

1.1 Auftraggeber und beabsichtigte Wirkung des Films

Austragungsort Berlin

Die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Olympischen Spiele Hakenkreuzfahnen den Weg zum Stadion rahmten, konnte das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht ahnen, als es 1931 entschied die Spiele in Berlin abzuhalten. Man wollte ein Zeichen setzen, welches bewies, dass man bereit war, Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg wieder als vollwertiges Mitglied der Völkergemeinschaft anzuerkennen.226 Für die Vorbereitung und Durchführung wurde bereits im selben Jahr ein deutsches Organisationsteam beauftragt – an der Spitze Theodor Lewald und Carl Diem.227 Lewald musste nach dem Judenboykott am 1. April das von ihm gegründete Organisationskomitee (OK) verlassen, Diem wurde 1935 ebenfalls faktisch entmachtet, obwohl er sich offen zu den Nationalsozialisten bekannte.228

Die Nationalsozialisten begriffen rasch, dass mit der Olympiade auch ein frischer Wind in der Wirtschaft wehte und sich die Chance bot, für das „neue Deutschland“ im In- und Ausland zu werben – deshalb erhöhte Hitler seinen finanziellen Beitrag von 5,5 auf 42 Millionen Reichsmark. Die beträchtliche Unterstützung der Spiele durch Parteigelder und die Kontrolle über die Berichterstattung durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda verhalfen den Nazis zu immer mehr Einfluss rund um die Spiele. Hinter dem Symbol der Olympischen Ringe zeichnete sich das Hakenkreuz als Symbol der „arischen Rasse“ ab.229

224 Vgl. Trimborn, 2002, 240.

225 Vgl. Kinkel, 2002, 107.

226 Vgl. Trimborn, 2002, 238.

227 Vgl. Kinkel, 2002, 107 f.

228 Vgl. Graham, Cooper: Leni Riefenstahl und Olympia. London 1992, 16.

229 Vgl. Kinkel, 2002, 108.

71 Protest gegen den Austragungsort der Spiele in Berlin gab es von Intellektuellen, KünstlerInnen und SportlerInnen auf der ganzen Welt. Der Präsident der Amateur Athletic Union of the United Staates (AAU) Jeremiah Mahoney wollte mit seinem Verband die Spiele boykottieren – auch Frankreich und Großbritannien zögerten. Mahoney schrieb 1935 an die IOC:

„Das olympische Prinzip, das im Reich des Sports die vollkommene Gleichheit aller Rassen und Bekenntnisse anerkennt, steht im direkten Gegensatz zu der Nazi-Ideologie, deren Eckstein das Dogma von der Rassenungleichheit ist. (…) Ehe das Nazi-Regime nicht zu Ende gegangen ist, wird das amerikanische Volk keinen Grund zu der Annahme haben, daß der Sportgeist, dem die Olympischen Spiele gewidmet sind, seinen Ausdruck in Deutschland finden kann.“230

Eine manipulierte Abstimmung des amerikanischen Verbandes entschied im Dezember 1935 aber dennoch ihre Teilnahme, was dazu führte, dass auch die anderen Länder nachgaben.

Der Auftrag

Zunächst verhandelte Luis Trenker mit dem Präsidenten der Reichsfilmkammer über den Film 231, etliche andere Bewerbungen wurden auch eingereicht – doch Hitler erteilte Leni Riefenstahl im August 1935 offiziell den Auftrag zur Verfilmung der Olympiade. Unausgesprochen war bereits vorher bekannt, dass Riefenstahl die Aufträge für die Verfilmung der Winterolympiade in Garmisch-Partenkirchen im Februar 1936, sowie die Dokumentation der Sommerolympiade in Berlin bekommen wird.232 Ein weiterer Rückschlag für die Abteilung Film der Reichspropagandaleitung, die sich beweisen wollte.Weil Riefenstahl aber noch mit dem Schnitt des Wehrmachtfilms Tag der Freiheit zu tun hatte, gab sie die Verfilmung der Winterolympiade an Hans Weidemann und die Abteilung V ab.233

Der Vertrag zwischen ihr und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda hielt fest, dass die Gesamtleitung und Regie bei Leni Riefenstahl lagen und sie für die künstlerische Gestaltung und die organisatorische Durchführung allein verantwortlich war. Nach 1945 behauptete sie, dass der Film ein Auftragswerk der IOC war und durch keinerlei Unterstützung der Partei 230 Zit. n. Ueberhorst, Horst: Spiele unterm Hakenkreuz. Berlin 1986, 8.

231 Vgl. Trenker, Luis: Alles gut gegangen. Geschichten aus meinem Leben. Hamburg 1965, 324 f.

232 Vgl. Trimborn, 2002, 241.

233 Vgl. Kinkel, 2002, 110 f.

72 entstanden sei.234 Der Grund dafür war der Versuch die Vorfinanzierung des Films durch den NS- Staat zu verschleiern, weshalb Riefenstahl in der nationalsozialistische Presse ebenfalls als unabhängige Produzentin dargestellt wurde.235 Unbestreitbar, gelogen.

Finanzierung

Goebbels notierte am 5. Oktober 1995 in seinem Tagebuch: „Mit Leni Riefenstahl ihren Olympiadefilm durchgesprochen. Eine Frau, die weiß was sie will. (…) Filmangelegenheiten erledigt“236 Die Finanzierung der Olympia-Filme wurde zuvor intern geklärt – das Reichsministerium für Finanzen überwies dem Propagandaministerium 1,5 Millionen Reismark, darin enthalten waren 250 000 Reichsmark als Honorar für die Regisseurin Riefenstahl.237 Offiziell galt sie als Gesellschafterin des Unternehmens Olympiade-Film GmbH, allerdings mit der Absicht die Tarngesellschaft nach Herstellung der Filme aufzulösen.238 Um die Täuschung glaubhaft zu machen, investierte Leni Riefenstahl 18 000 Reichsmark, Heinz Riefenstahl 2 000 Reichsmark. Bis zur Fertigstellung der Olympia-Filme, die Auslandsversionen, Kurzfilme und Synchronfassungen inbegriffen, betrugen sich die Kosten für die Filmproduktion auf 2 831 355,41 Reichsmark. Nach Abzug aller Kosten blieb ein Gewinn von 91 123,20 Reichsmark. Riefenstahls Honorar wurde aufgrund des Filmerfolgs um 100 000 Reichsmark, auf insgesamt 350 000 Reichsmark erhöht – die Produktionsfirma Anfang 1939 aber liquidiert.239 Weiteres wurde Riefenstahl rückwirkend vom Mai 1938 ein monatliches Honorar von 5 000 Reichsmark bewilligt, die ihre Auslandsreisen entschädigen sollten – insgesamt wurden ihr also weitere 99 000 Reichsmark zugesprochen.240

Ab März 1939 wurde Riefenstahl mit 20 % am Reingewinn der Filme beteiligt – obwohl diese vertraglich als Eigentum des Reiches festgehalten wurden.241

234 Vgl. Rother, 2000, 102 f.

235 Vgl. Trimborn, 2002, 241.

236 Vgl. Moeller, 1998, 523.

237 Vgl. Kinkel, 2002, 112 f.

238 Vgl. Leiser, Erwin: Deutschland, erwache!. Propaganda im Film des Dritten Reiches. Berlin 1986, 128.

239 Vgl. Rother, 2000, 104.

240 Vgl. Rother, 2000, 104 f.

241 Vgl. Rother, 2000, 105.

73 Politische Bedeutung eines „unpolitischen“ Films

Olympia stellt die Wettkämpfe ohne übertriebene nationalistische Akzente auf beeindruckende Weise dar – ein gelungenes Werk nationalsozialistischer Propaganda mit dem Ziel alles zu vermeiden, was dem „neuen Deutschland“ schaden könnte. Die Intention der Machthaber war es der Welt ein friedliebendes, nicht fremdenfeindliches Deutschland vorzutäuschen und gleichzeitig eine nationalsozialistische Botschaft zu senden.242

Prolog und Eröffnungsfeier von Olympia werden von der Huldigung Deutschlands und Hitlers bestimmt. Die Darstellung der deutschen SportlerInnen im ersten Teil des Films legt es darauf an, die scheinbare Verbindung des „Führers“ mit seinem Volk zu demonstrieren.243

Der durchsichtigste Punkt nationalsozialistischer Typisierung sind aus den Kommentaren der Rundfunkreporter herauszuhören, die immer wieder von Rassen und Nationen sprechen. Beim Marathonlauf kommentiert der Reporter: Geschlossen kämpft Finnlands Streitmacht um den Anschluss zur Spitze. Drei Läufer, ein Land, ein Wille - beim Brustschwimmen: „der Kampf Deutschland – Japan entbrannt!“, im Kraulwettbewerb: „kämpfen die schnellsten Schwimmer Europas und Amerikas gegen die Front der Japaner“, im 800-Meter-Rennen: „zwei schwarze Läufer gegen die Stärksten der weißen Rasse!“244

Der Filmschnitt beabsichtigt ein vereintes Bild der NS-Prominenz Hitler, Göring und Goebbels mit deutschen SportlerInnen, genauso wie den Versuch ein privates Hitlerbild zu porträtieren.245

Bei näherer Betrachtung von Olympia werden dennoch politische Aspekte offensichtlich. Der Prolog stellt eine symbolische Vorgeschichte aus nationalsozialistischer Perspektive dar: Riefenstahl ließ eine Kamera über Modelllandschaften schweben, Zwischenüberschriften identifizieren Staaten, Hauptstädte erscheinen in Modellen, Fahnen definieren Nationen – als es zu Deutschland kommt, erscheint das Hakenkreuzsymbol, eine Großaufnahme Hitlers und eine Stadionaufnahme, die den „deutschen Gruß“ zeigt. Die Montage dieser Sequenz stellt Deutschland und Hitler als Ausgangspunkt der Olympischen Spiele dar – ein klareres politisches Statement war kaum möglich.246 Gerade deshalb ist der Prolog auch der nationalsozialistischste Teil des gesamten Filmes.

242 Vgl. Rother, 2000, 106.

243 Vgl. Rother, 2000, 108.

244 Vgl. Rother, 2000, 108 f.

245 Vgl. Rother, 2000, 109 f.

246 Vgl. Rother, 2000, 110.

74 Insgesamt ist Olympia ein Teil einer umfangreichen Medienberichterstattung eines großen Propagandaplans, der eine bedeutende Rolle trug. Der Film ist eine Meisterleistung der Täuschung, wenn man bedenkt, dass die Ideologie der Nationalsozialisten mit den Olympischen Spielen unvereinbar zu sein schien, wurde dennoch die Idee der Rassentoleranz, Konfessionstoleranz und das Streben nach Verständigung durch den Film vermittelt wird. Die gezielte Propaganda wie die Olympischen Spiele von 1936 sind als Machtkalkül Hitlers zu verstehen.247

1.2 Zur Entstehung des Films

Vorbemerkungen

Die Dreharbeiten umfassten einerseits Aufnahmen, die bereits vorab gefilmt wurden, sowie die Veranstaltungstage der Olympischen Sommerspiele (XI. Olympiade) vom 1. bis 16. August 1936. Es nahmen 49 Nationen und 3961 Athleten an insgesamt 129 Wettkämpfen in 19 Sportarten teil.

Im Vorfeld zu den Dreharbeiten in Berlin

Prolog

Riefenstahl engagierte Willy Zielke als selbstständigen Ko-Regisseur der den Prolog für den Film drehen und selbstständig montieren sollte. Zielke hielt sich an die vertraglich geregelten Vereinbarungen und lieferte Riefenstahl im Januar 1937 den fertigen Prolog in zwei Fassungen, die seinen Vorschlag des Schnitts und den mit Riefenstahl besprochenen Schnitt umfasste, ab. Der Grund dafür, dass Riefenstahl Zielke für den Prolog verantwortlich wissen wollte, lässt Raum für Spekulationen offen, vermutlich wollte Riefenstahl aber aufgrund der vorkommenden Nacktszenen mit Zielkes Namen auf Nummer Sicher gehen, um nicht selbst in Verruf zu geraten, falls es zu einer Zensur käme. Trotz der fertigen Prologe verwendete Riefenstahl Zielkes Fassungen nur als Rohmaterial und gestaltete ihre eigene Schnittfassung. Zielke erlitt aufgrund dieser Demütigung einen Nervenzusammenbruch, weshalb er in ein Sanatorium eingewiesen wurde.248 Er wurde in den folgenden sieben Jahren von Anstalt zu Anstalt überwiesen und nach eigenen Angaben sogar

247 Vgl. Heidenreich/Neitzel, 2010, 235 f.

248 Vgl. Trimborn, 2002, 251.

75 zwangssterilisiert.249 Riefenstahl gab zu Protokoll, dass Zielkes Verhalten von Beginn an auffällig war. Im weiteren Verlauf diagnostizierte man einen besonders schweren Fall von Schizophrenie. 1944 brauchte Riefenstahl Zielke für die Dreharbeiten von Tiefland, weshalb sie ihn aus der Anstalt holen ließ. Zielke erklärte sich selbst wohl begründeter weise als Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und bezeichnete Riefenstahl als eine gefährliche Frau, die sein Potential skrupellos ausnutzte. Riefenstahl wehrte hingegen jegliche Vorwürfe seinerseits ab und sah sich selbst, als gütige Mäzenin, die ihn in schweren Zeiten unterstützte. Obwohl es im Verlauf ihrer Karriere weitere ähnliche Fälle gab, konnten Zielkes Anschuldigen nicht verifiziert werden. 250

Riefenstahls Filmcrew

Zur Dokumentation des Sportereignisses stand Riefenstahl ein beachtliches Team von dreihundert MitarbeiterInnen zur Verfügung, das sich aus erstklassigen Kameramännern, wie u.a.Willy Zielke, Hans Ertl, Walter Frentz, Wilfried Basse, Wolf Hart, Walter Hege, Guzzi Lantschner und Leo de Laforgue, sowie aus Operateuren der Wochenschauen, Beleuchtern, Fahrern, Kurieren und Materialentwicklern zusammensetzte. Untergebracht wurde das gesamte Filmteam, darunter auch Riefenstahl und ihre Sekretärin, im Schloss Ruhwald an der Spandauer Chaussee, das man eigens für das Team zu einem luxuriösen Quartier ausgebaut hatte. Die noble Herberge umfasste ein Bettenlager, Schneideräume, Vorführräume, Dunkelkammer, Cafeteria und Besprechungsräume. Am Filmgelände ließ Riefenstahl ihre Arbeitsräume und die Kopieranstalt optimieren. 251

Hierarchisch war Riefenstahl ihrem MitarbeiterInnenstab überlegen – Vorschläge für das Filmmanuskript und die nötigen technischen Vorbereitungen, um die 160 Sportwettkämpfe optimal einzufangen, wurden von ihr angenommen und gründlich geprüft.252

Technische Vorbereitungen

Die hohen Ansprüche der NS-Regisseurin und die besonderen Bedingungen der Olympiade erforderten Experimente mit Nacht-, Schlechtwetter- und Tageslichtaufnahmen – Riefenstahl wollte ihr Team für alle Eventualitäten vorbereitet wissen. Der Aufwand war beträchtlich: im Stadion

249 Vgl. Zielke, Willy: Kurze Beschreibung meiner Freiheitsberaubung im Dritten Reich. München 1988, 8.

250 Vgl. Trimborn, 2002, 250-254.

251 Vgl. Kinkel, 2002, 124.

252 Vgl. Trimborn, 2002, 244 f.

76 wurden eigens für Schwenkaufnahmen und neue Perspektiven Türme und Gruben für Kameras gebaut; für Luftaufnahmen wurden Fesselballons und Zeppeline wie u.a. das Luftschiff Hindenburg gebucht; für bewegte Aufnahmen installierte man Schienen und Katapulte.253 Für besondere Aufnahmen setzte Riefenstahl Filmexperten ein, die sie während ihrer Zusammenarbeit mit Fanck kennenlernte. Auch der Einsatz von Hand- und Schmalfilmkameras erzielte flexiblere Aufnahmen. Insgesamt konnten unter dem Einsatz vieler technischer Innovationen, wie u.a. Unterwasseraufnahmen, Bilder aufgenommen werden, die in der Sportberichterstattung völlig neue Maßstäbe setzten. Berechnungen ergaben das Ausmaß von 15 000 Meter Film, das täglich entwickelt wurde, um eventuell nicht gelungene Aufnahmen erneut aufnehmen zu können.254

Umsetzung

Riefenstahls Inszenierung des mystisch wirkenden Prologs führt in das antike Griechenland: makellose Körper, viele davon nackt, die von bewegender Musik begleitet ihre sportliche Disziplin in aller Grazilität ausführen. Ausgewählte AthletInnen werden durch idealisierte Darstellungstechniken zu Prototypen des gesunden, starken und kraftstrotzenden Menschen stilisiert. Die in Zeitlupe dargestellten Bewegungen der SportlerInnen scheinen in einen fließenden, oftmals sogar tänzerisch wirkenden Zusammenspiel mit Herbert Windts Musik zu geschehen.255 Alte Ruinen der klassischen Olympia-Stätten in Griechenland tauchen aus Nebelschwaden hervor, während griechische Tempel, Achilles, Aphrodite, Medusa und Zeus erscheinen und schließlich der makellose Körper des Diskuswerfers Anatol Dbriansky256 aus dem Körper einer Statue erwacht. Riefenstahl montiert Bilder von Tempeltänzerinnen, die sich in den Flammen des Olympischen Feuers im modernen Berlin auflösen und schafft damit eine Brücke zwischen der Antike und der Neuzeit. Dieses Vorhaben kostete Riefenstahl viel Geld und Zeit, die Belastungsgrenzen ihrer Mitarbeiter ignorierte sie.257

IOC-Präsident Henri de Baillet-Latour sprach im Zuge der näherrückenden Eröffnungsfeier strenge Worte mit Hitler, der mit der Unterstützung Goebbels die Olympischen Spiele längst schon zu NS- Werbeveranstaltungszwecken zu nutzen wusste:

253 Vgl. Trimborn, 2002, 244 ff.

254 Vgl. Trimborn, 2002, 247.

255 Vgl. Trimborn, 2002, 247.

256 Anm. Riefenstahl nahm Anatol Dobriansky mit nach Berlin, um die Szene notfalls nachinszenieren zu können.

257 Vgl. Kinkel, 2002, 126.

77 „Mit besonderer Gewissenhaftigkeit wird das IOC darauf achten, daß die Spiele zu keinerlei politischer Propaganda mißbraucht werden. Ferner bitte ich Sie, zu beachten, daß Sie bei der Eröffnung lediglich einen Satz zu sprechen haben.“258

Am 1. August 1936 um 17.03 Uhr wurden die Spiele von Hitler eröffnet – die Mannschaften marschierten im Stadion ein - Riefenstahl stand auf der Ehrentribüne neben Hitler, Baillet-Latour, Goebbels, Lewald und Göring.259

Nach der minutiös-geplanten Eröffnung stand die Regisseurin nur mehr im Aktionsfeld und entwickelte eine ungeheure Arbeitsdynamik. Die Gesellschaftreporterin Bella Fromm schreibt in ihrem Bericht:

„Leni Riefenstahl ist die offizielle Photographin. Sie trägt eine lange graue Flanellhose und eine Art Jockeymütze und fällt überall unangenehm auf. Sie suchte sich den Anschein unermüdlicher Wirksamkeit zu geben und unterstreicht auf diese Weise ihre Wichtigkeit.“260

Riefenstahl zeigte sich unermüdlich, dennoch konnte sie nicht verhindern, dass nicht alle Aufnahmen reibungslos klappten. Die Dynamik der Spiele machte dies wohl auch unmöglich, was Riefenstahl nicht akzeptieren wollte.261 Als einer ihrer Kameramänner bereits mehrmals von seinem Platz verweisen wurde, drehte Riefenstahl durch und rief dem Kampfrichter zu:

„Wenn Sie es wagen, meinen Kameramann vom Platz zu werfen, werde ich Sie an den Ohren zur Führerloge schleifen, Sie Schwein.“262

Der Kampfrichter legte Beschwerde gegen sie ein und Riefenstahl musste sich entschuldigen. Auch unter den eigenen Technikern und Teams der Wochenschauen machte sich Unmut über Riefenstahl breit und obwohl sogar die ausländische Presse darüber berichtete, kam sie jedoch nie in ernsthafte Schwierigkeiten. Zu dieser Zeit gehörte sie selbst bereits zur NS-Prominenz.263 Diese Stellung nutzte sie für sich und den Gewinn von einzigartigem Bildmaterial.

258 Zit. n. Ueberhorst, Horst: Spiele unterm Hakenkreuz. Berlin 1986, 31 f.

259 Vgl. Kinkel, 2002, 128.

260 Zit. n. Fromm, 1993, 249.

261 Vgl. Kinkel, 2002, 129.

262 Zit. n. Graham, 1992, 93.

263 Vgl. Kinkel, 2002, 130 f.

78 Am 16. August 1936 war der Olympiade ihr offizielles Ende und die Erfolge der Deutschen beachtlich: 33 Goldmedaillen, 26 Silbermedaillen und 30 Bronzemedaillen – diesen Erfolg führten die Nazis einmalig in der inoffiziellen Nationenwertung an und feierten ihn in Presse und Film. 264

Schnitt

Im November 1936 begann Riefenstahl mit dem Schnitt von circa 400 000 Meter Filmaufnahmen, die einer Laufzeit von 250 Stunden entsprachen. Sie brauchte vier Monate zur Sichtung des Materials und 18 Monate für den Schnitt des zweiteiligen Films, der durchwegs ihrer eigenen und nicht der realen Chronologie der Ereignisse folgt. Natürlich hätte sie Unterstützung für diese Aufgaben bekommen, diese lehnte sie aber ab.265

Man könnte sich vorstellen, dass das Interesse der Bevölkerung nach der langen Schnittzeit verloren ging – doch das wusste das Propagandaministerium zu verhindern, indem regelmäßig über den Stand der Produktion berichtet wurde. Die Regisseurin beauftragte ihre Olympia-Film GmbH damit einen Werkfilm zu gestalten, der als Vorgeschmack auf den Olympia-Film fungieren sollte. 1937 entstand also das Werk Rund um die Olympischen Spiele, das sogar auf der Weltausstellung in Paris präsentiert und mit dem Großen Preis der Internationalen Jury ausgezeichnet wurde. Riefenstahl hatte ihr Ziel erreicht – Olympia I & II wurden nach der Kostprobe noch gespannter erwartet.266

Das Material das Riefenstahl nicht für Olympia verwendete, verwertete sie für neun kurze Sportlehrfilme. Darunter befand sie meist Material von der Vorbereitung zur Olympiade und von den Wettkämpfen selbst, welches zum Grundstock eines Sportfilmarchivs wurde.267

Filmische Schwerpunkte beider Filmteile

In Fest der Völker, der den ersten Teil des zweiteiligen Films darstellt, wendet sich Riefenstahl der Leichtathletik zu, die u.a. die Disziplinen Lauf, Diskuswurf, Hammerwerfen und Hochsprung umfasst und als abschließenden Höhepunkt den Marathonlauf zeigt. Die Montage der einzelnen Szenen umfasst sowohl Aufnahmen, die während der Wettkämpfe entstanden sind, als auch Bilder, die Riefenstahl bereits beim Training gefilmt hatte - Großaufnahmen, wie man sie in Fest der

264 Vgl. Kinkel, 2002, 133.

265 Vgl. Kinkel, 2002, 151.

266 Vgl. Trimborn, 2002, 260 ff.

267 Vgl. Trimborn, 2002, 262.

79 Völker sieht, hätten während der Spiele nicht aufgenommen werden können. Die Bildersequenzen sind eine Zusammenfügung von dokumentarischen und inszenierten Bildern – obwohl Riefenstahl abermals behauptete, dass die Bilder rein dokumentarischer Art sind, die während der Olympischen Spiele aufgenommen wurden. Vollends gelang es ihr unterstützt durch die Musik den inneren Zustand der AthletInnen darzustellen, auch ihre zunehmende Erschöpfung und Anstrengung den Sieg zu erreichen. Weiters legte Riefenstahl Wert darauf die jeweilige Charakteristika jeder vertretenen Sportart zu veranschaulichen und diese auch zu dramatisieren. Gelungen war ihr dieser Effekt durch beinahe spielfilmähnliche Sequenzen, die von angespannten und jubelnden Gesichtern von der Tribüne aus verfolgt werden und Kommentaren, die teils eigens für die Wettkämpfe gesprochen, teils von den Stadionsprecher und Rundfunkkommentatoren kamen.268 Die Dauer beläuft sich auf beachtliche 126 Minuten.

Im zweiten Teil des Films Fest der Schönheit stellt der Wettkampf beim Turmspringen den Höhepunkt dar: Riefenstahl verwendet dazu eine einzigartige Schnittdramaturgie, die Bilder aus den verschiedensten Perspektiven und Tempi zeigt.269 Durch die selbstkonstruierte Unterwasserkamera von Ertl gelang es Bilder von Wassersportspielen zu gewinnen, die es vorher so noch nicht gab. Bevor Riefenstahl zur Abschlussfeier schwenkte, portraitierte sie noch den Publikumsliebling Jesse Owens derart vorteilhaft und gelungen, dass dies außerordentlich spöttisch kommentiert wurde:270

„Dem Führer zeigt die Leni dann was deutsche Filmkunst alles kann - so sah er dann im Negativ, wie positiv der Neger lief.“271

Über der Berichterstattung der Sportveranstaltung stand die Intention der Darstellung Hitlers, als sympathischer Staatschef und Privatmann, der von seiner Loge aus Wettkämpfe anfeuert.272 Keines der Bilder ließ darauf schließen, dass Hitler zur selben Zeit seine Armee für einen hinterlistigen Angriffskrieg vorbereiten ließ und eigentlich strategisch an langfristigen Plänen arbeitete. 273

Der zweite Teil war mit nur 100 Minuten kürzer ausgefallen.

268 Vgl. Trimborn, 2002, 248.

269 Vgl. Trimborn, 2002, 249.

270 Vgl. Kinkel, 2002, 152.

271 Vgl. Hoffmann, Hilmar: Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit. Propaganda im NS-Film. Frankfurt a. M. 1988, 129.

272 Vgl. Kinkel, 2002, 151.

273 Vgl. Heidenreich/Neitzel, 2010, 236.

80 Premiere

Die langerwartete Premiere wurde auf Riefenstahls persönlichen Vorschlag hin für den 20. April 1938 festgelegt– wie bekannt, handelt es sich dabei um Hitlers Geburtstag - einen prestigeträchtigeren Termin konnte sie für ihren Film nicht bekommen. Die Tobis plante die Premiere zwar erst im Herbst, hatte aber keine Chance den Termin durchzusetzen. Hitler besuchte Anfang April u.a. die Landeshauptstadt Innsbruck, um im Zuge der bevorstehenden Wahlen, die ihn als „Führer Großdeutschlands“ bestätigen sollte, Stimmen zu sammeln. Nach einen kurzen Zusammentreffen von Riefenstahl und Hitler im Tiroler Hof wurde der Premierentermin nach Riefenstahls Wünschen festgelegt. Ob sie eigens dafür nach Innsbruck gereist war, blieb ungeklärt – denn es war nicht unüblich, dass so manche Prominente des „Altreichs“ zur Wahlkampftournee Hitlers nach Österreich anreisten.274 Riefenstahl ließ es sich auch nicht nehmen, um vor der Weltöffentlichkeit in der deutschen Presse mit einem „Ja für Hitler“ zu stimmen:

„Vor Jahren sagte der Führer einmal, wenn die Künstler wüßten, welche großen Aufgaben in einem schöneren Deutschland ihnen vorbehalten seinen, sie würden mit noch größerer Begeisterung zur Bewegung stoßen. Heute weiß es jeder Künstler, wie es jedem Volksgenossen klar geworden ist. (…) Der Schöpfer Großdeutschlands ist zugleich sein künstlerischster Mensch. (…) Die Wahl vom 10. April wird ein einminütiges Bekenntnis zu unserem Führer Adolf Hitler sein.“275

Mit dieser Aussage widerspricht sie sich selbst bzgl. ihrem Mythos der unpolitischen Künstlerin.

Wie bereits für Triumph des Willens wurde der Ufa-Palast zur Ehren der Welturaufführung umgestaltet – eingeladen wurde alles was unter den Nationalsozialisten Rang und Namen hatte, auch die Presse und internationale Zeitungen wurden bei der prunkvollen Premiere willkommen geheißen. Olympia wurde zum großen Erfolg – innerhalb von wenigen Wochen besuchten Millionen Deutsche die Vorstellung, die vier Millionen Reichsmark einspielte. 276

Olympia wurde zum besten Film des Jahres 1937/39 erklärt - er bekam zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Goldmedaille der Biennale in Venedig, den schwedischen Polarpreis, den Grand Prix der Pariser Weltausstellung und die höchste Auszeichnung im Filmbereich „den deutschen

274 Vgl. Trimborn, 2002, 263 ff.

275 Zit. n. Leni Riefenstahl in: Filmkurier, 9. 4. 1938.

276 Vgl. Trimborn, 2002, 266.

81 Filmpreis“277 - Riefenstahl wurde im In- und Ausland gefeiert. Besonders hervorgehoben wurde dabei ihr künstlerisches und technisches Können, aber auch ihr Idealismus – die Rede war von „einem Meisterwerk, einem Kunstwerk ersten Ranges, der herrlichste Sportfilm, der je hergestellt worden ist und das schönste Liebeslied, dass der Film dem Sport bieten konnte.“ Die Welt lag ihr zu Füßen, da konnten ihr die Demonstrationen vorerst nicht viel anhaben.278

Auf die Premiere in Berlin folgte eine monatelange Filmtournee durch insgesamt 19 Städte Europas und schließlich reiste sie auch nach Amerika, wo Riefenstahl repräsentative Zwecke für das Nazideutschland erfüllen sollte und zum Prestige des Regimes beitrug. Nach der Ermordung des deutschen Diplomaten Ernst Rath in Paris durch den Juden Herschel Grynszpan folgte eine irre deutschlandweite Weisung der NSDAP zur Zerstörung von Synagogen und Plünderung von Geschäften und die Stimmung Riefenstahl gegenüber schlug schlagartig um.279 In Deutschland hetzte Goebbels zur Rache auf, weshalb am 9. November 1938 im gesamten Reich die furchtbare und folgenreiche Pogromnacht folgte – Riefenstahl wurde daraufhin von amerikanischen Reportern zu einer Stellungsnahme gebeten – sie aber wehrte alles ab.280 Aufträge für den Verleih von Olympia in Amerika standen daher vorerst nicht in Aussicht - das wahnsinnige Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung schadete an diesem Punkt ihrer Karriere – Hollywood verschloss seine Türen und Tore.281

2. Realitätsbezug – Dokumentar- oder Propagandafilm?

Olympia wurde ebenfalls wie Triumph des Willens bereits vor Kriegsende, insbesondere aber nach 1945 unter die Lupe genommen. Kritische Stimmen gegen Riefenstahl´s Olympia-Filme gab vor allem aus den USA zu hören, wo es auch zu heftigen Protesten kam. Ohne Zweifel war ihr Film von hoher technischer und künstlerischer Qualität - der Grund für die Kritik waren erneut ihre propagandistischen Absichten und ihre nicht bestreitbarer Nähe zum NS-Regime. Erneut wurden

277 Vgl. Heidenreich/Neitzel, 2010, 249.

278 Vgl. Trimborn, 2002, 267.

279 Vgl. Trimborn, 2002, 268.

280 Vgl. Kinkel, 2002, 163.

281 Vgl. Kinkel, 2002, 164 f.

82 die Genren Dokumentar- und Propagandafilm heftig diskutiert und erneut wird die Frage aufgeworfen, welches Genre auf die Filme zutrifft.

In Olympia lässt Riefenstahl hauptsächlich ihre Kameraobjektive in Schönheit schwelgen, die Linse nimmt förmlich nichts anderes in Blick, was nicht den Ansprüchen der nationalsozialistischen Osthetik entsprach. Zur natürlichen Eleganz fügte die Regisseurin noch eine kunstvolle fotografische Note hinzu, die die unschöne psychische Anstrengung der AthletInnen etwas glätten sollte. Riefenstahls Verherrlichung des Schönen führt zur Osthetisierung von realen Situationen, die der Situation aber ihrer Realität beraubt. Das Mühevolle, Unschöne und Nichtperfekte wollte Reifenstahl gar nicht erst zulassen.282 „Realität interessiert mich nicht.“283 Alle aus ihrer subjektiven Wahrnehmung als unschön anzusehenden Menschen wollte sie nicht zeigen – das Bild der Wirklichkeit ist damit unwirklich, unreell – das Ergebnis ist ein schönes Bild der Lüge. Insgesamt ist es Riefenstahl mit Olympia erneut gelungen eine Übereinstimmung zwischen dem offiziellen Schönheitsideal der NS-Kunstpolitik und ihren Filmbildern zu treffen.284

In den Nachkriegsjahren wurde Riefenstahls Film als Musterfall einer Vereinnahmung des Sport für nationale Propagandazwecke angesehen. Festzuhalten ist allerdings, dass Riefenstahl schon vor der Produktion von Olympia von schönen und perfekten Körpern fasziniert war und die Verherrlichung des Osthetischen über die rassistischen Vorstellungen der Nazis hinausgeht – den „fremdrassigen“ Athleten Jesse Owens zeigte Riefenstahl gegen den Willen von Goebbels, der „nicht arischen“ AthletInnen möglichst wenig Raum im Film geben wollte. Dennoch und zweifellos stellte sie hauptsächlich den Körper im Sinne der NS-Rassenideologie dar.285

Auch Olympia kann keine politische und propagandafreie Unbedenklichkeit zugesprochen werden, auch wenn der Film zumindest seinerseits als „übernational“ angesehen wurde. Olympia hatte für den NS-Staat eine beachtliche Bedeutung – mit dessen Hilfe der Außenwelt ein falsches und verzerrtes Bild des nationalsozialistischen Deutschlands gezeigt wurde. Weiteres fiel dem NS-Staat durch das Filmwerk Riefenstahls Prestige zu, die ausschließlich auf das Können und den Ehrgeiz der Regisseurin zurückzuführen war.286

282 Vgl. Hoffmann, 1988, 151 f.

283 Zit. n. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8761533.html, {12.3.2015}.

284 Vgl. Hoffmann, 1988, 152 f.

285 Vgl. Trimborn, 2002, 270 f.

286 Vgl. Trimborn, 2002, 271.

83 3. Riefenstahls Deutung von Olympia

Dass Riefenstahl nach ihrer gefeierten Europatournee auf Ablehnung stieß, sah sie nicht als logische Konsequenz dafür, dass sie sich für das menschenverachtende Regime in Deutschland engagierte, sondern sie bezog die plötzliche Ablehnung ausschließlich auf ihre Person. Riefenstahl sah Olympia als unpolitischen und vom NS-Staat völlig unabhängigen Dokumentarfilm über die Olympischen Spiele des Jahres 1936. Sie beharrte auf die künstlerische und dokumentarische Ausrichtung des Films – jegliche Unterstellung propagandistischer Untertöne wies sie strikt zurück. Die Ablehnung von Olympia in den USA erschien ihr völlig rätselhaft. Zustimmung ihrer Ansicht, das Olympia ein internationaler und unpolitischer Film ist, sah Riefenstahl darin, dass sich außer der USA nur noch Großbritannien dem Boykott des Filmes anschloss – in vielen anderen Ländern der Welt lief der Film noch bis Kriegsausbruch mit großem Erfolg.287

In Riefenstahl´s Augen war ihr Film autonome Kunst, die im Nationalsozialismus nur die besten Produktionsbedingungen gefunden hatte – in dieser Ansicht ließ sie sich auch nicht beirren. In ihrer Rolle als Regisseurin des Films sah sie sich als Dienerin der reinen körperlichen Schönheit, als Märtyrerin einer Kunst, die nur mit bedingungsloser Hingabe herzustellen war.288

Analytische Zusammenfassung von TEIL B

1. Riefenstahls Innovationen in der Filmästhetik am Beispiel von Triumph des Willens und Olympia

Vorbemerkung

Riefenstahl schlug einen neuen Initiationsritus ein, in dem Gewalt hoch ästhetisiert wird und sich als positive, sich durchsetzende Kraft der Ordnung und Macht in „schöner“ Form präsentiert. Chaos, Angst, Leid und das historische Schicksal einer Nation wurde durch die Idee einer zeitlosen Gemeinschaft völlig verklärt. Die Masse, gegliedert und in Form gepresst, immer gerade auf dem 287 Vgl. Trimborn, 2002, 268 f.

288 Vgl. www.zeit.de/2003/38/Riefenstahl, {4.3.2014}.

84 Weg zu Sport- und Militärveranstaltungen – exponiert auf riesigen Spielflächen und mächtigen Treppen.289

Parteitage in Nürnberg

Zur gewaltigen Inszenierung der Parteitage in Nürnberg arbeitete Riefenstahl mit einem Spiel zwischen Totalen und Nahaufnahmen; Pars pro toto definiert die Technik, wenn Körper durch die Bildbegrenzung nur fragmentarisch dargestellt werden, d.h. man sieht vergrößerte Segmente einer Person, wie z.B. eine Kette an einer Hand, Beine oder Augen, die Person selber bleibt aber anonym. Riefenstahl´s Linse suchte in den Gesichtern der Menschen, die sie filmt, nicht nach individuellen Zügen, sondern nach einem Typ, eine sozial-biologische Hieroglyphe, eine Verkörperung der Zukunft, der Nation. Das Händereichen von Hitler und einem Mädchen, steht keineswegs für individuelles Interesse – es geht darum zu zeigen, dass Hitler der Jugend die Hand reicht. Auch Goebbels und Görings Gesichter werden expressiv und beinahe ohne Worte eingesetzt – ihre Gesichter standen ohnehin für Bedeutung. Diese Arbeitsweise erforderte den Einsatz von mehreren Kameras, Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven und gestellten Aufnahmen, die im Nachhinein erstellt wurden. Riefenstahl bestritt Nachstellungen immer vehement, in ihren Augen waren es Probeaufnahmen. Diese Drehmethode aus dem Spielfilm sollte den ZuschauerInnen eine möglichst „reale“ und symbolische Darstellung der Events bieten. An den „Führer“ selbst waren unzählige Symbole gebunden: Fahnen, Hakenkreuz, Horn, Trommel, Flugzeug, Massen, erhobene Hände. In Überblendungen und Doppelbelichtungen streckte sich Hitlers Hand über die Masse – als Symbol der Einigung des „Führers“ mit dem Volk. Die Fokussierung auf Sprechchöre, Singchöre und Marschkolonnen als Darstellung der totalen Beherrschbarkeit von Massen, Bewegung und Chaos lässt das Individuum zerfallen und in einer instrumentalisierten Großeinheit untergehen. Kracauer nennt es den „Schein der Reintegration“.290

Riefenstahl verändert in ihren dokumentarischen Propagandafilmen ständig die Kamerastandpunkte: links und rechts, oben und unten, mal gleitet oder fliegt sie über das Geschehen, oder filmt mit Hand- oder Standkamera. Damit ermöglicht sie eine besondere Dynamik und den Einblick in alle möglichen Sehperspektiven, der die Illusion eines Pan-Optikums vermitteln soll.291 Entblößt man die Technik und liegt die Konstruktion frei, darf zwar Riefenstahl

289 Vgl. Bulgakowa, Oksana: Leni Riefenstahl. Demontage eines Klischees. Berlin 1999. 134.

290 Vgl. Bulgakowa, 1999, 135 f.

291 Vgl. Bulgakowa, 1999, 141.

85 Montagekunst bewundert werden, das Event in seinen Standbildern zeigt nur eine langatmige Schau.

Olympiade

Auch in dieser Produktion lassen sich Elemente der Massenästhetik erkennen, besonders die Parallelisierung Mensch – Statue. So gelang es Riefenstahl durch die Schrägstellung der Aufnahmen der AthletInnenkörper, wie zum Leben erweckte Statuen wirken zu lassen: Der Diskuswerfer wird lebendig, auch die Najaden, die antike Ausdruckstänze vorführen. Ihre Silhouetten werden gegenbelichtet, um keine physiologischen Assoziationen zu provozieren. In den Nacktaufnahmen sind keine Körperhaare oder Genitalien zu sehen, nur Frauenbrüste waren zugelassen. Die nackten marmornen Körper der Götter werden durch die Kamera dynamisiert, in die mystische Beleuchtung mit Kunstnebel gehüllt und in Zeitlupe zerlegt. Damit schuf sie ein Bild, das stärker ist als das Abgebildete. Ihre Darstellungen gewinnen das Osthetische nicht durch Abstraktion, sondern durch die serielle Organisation des Konkreten, womit sie sich über die Wirklichkeit hinwegsetzt und sich ganz im Sinne der populären Kultur weigerte, ausschließlich das Vorhandene abzubilden. Was ihr dazu verhalf, waren neue technische Möglichkeiten und ausgefeilte Schnitttechniken im Medium Film.292

Die technische Modernität in Olympia zeigt sich u.a. in der Auflösung der Bilder. Es wird nicht die Wirklichkeit festgehalten – die inszenierte „Wirklichkeit“ wird durch Perspektive und Zeitlupe konstruiert. Die Erhöhung des Materials führt infolgedessen dazu, dass die Inszenierung mit der Dokumentation verschwimmt. Damit ist es für den Zuschauer/die Zuschauerin umso schwieriger zu differenzieren und den Film als Kunstprodukt anzusehen. Die Osthetik und Geschlossenheit der Bilder lässt ebenfalls wie die gesamte faschistische Inszenierung keine individuellen Interpretationen zu. Die Inszenierung ersetzt die Wirklichkeit und stellt sich selbst als das Eigentliche dar.293

Weitere Mythologien der Riefenstahlfilme lassen sich an weiteren zwei Elementen der populären Kultur erkennen: einerseits an der „kalten Osthetik“ von Körper und Masse und an der weiblichen Erotik-Phantasie, in der der männliche Körper zum Objekt wird und andererseits an der Verehrung des Über-Mannes Hitler. Hitler und die Masse als Sinnbild für die Vollkommenheit, das jeder/jede verstehen kann. Es wäre also nicht richtig zu behaupten, dass die Osthetik ihrer Filme Ideologie

292 Vgl. Bulgakowa, 1999, 141 ff.

293 Vgl. Bulgakowa, 1999, 143 ff.

86 produzierte, denn die Osthetik selbst ist durchdrungen von Ideologie. Die Filme beschreiben nicht den Faschismus, sie beschreiben den Raum des Faschismus, im dem Angst und Lust in einer monumentalen Bilderwelt aufgehoben sind und an deren Stelle „Schönheit“ und Gewalt getreten sind.294

1.1 Strategien der Emotionalisierung in der Filmtechnik nach Kristina Oberwinter

„Es kommt nicht darauf an, daß alles chronologisch richtig auf der Leinwand erscheinen soll. Die Gestaltungsrichtlinie fordert, daß man instinktiv {…} den Film so gestaltet, daß er den Hörer und Zuschauer von Akt zu Akt, von Eindruck zu Eindruck überwältigender emporreißt. {…}.295

Riefenstahl beabsichtigte ihre Dokumentarfilmtriologie von einer schlichten, rein informativen und filmischen Dokumentation der Ereignisse abzuheben – reale Begebenheit gefielen ihr nicht, anstelle dessen schuf sie neue Bilder, die zwar nicht der Realität entsprachen, aber ästhetisch ansprechender zu sein schienen. Dazu musste sie die Geschehnisse der Parteitage, sowie der Olympischen Spiele idealisiert inszenieren und durch den Schnitt filmisch erhöhen. Die Intention ihrer Gestaltung und Wirkungsabsicht bestand darin, dass sie jedem Zuschauer/jeder Zuschauerin das Gefühl vermitteln wollte, unmittelbar im Geschehen zu sein. KinobesucherInnen sollten dauerhaft ergriffen und begeistert sein, sie sollten gleichermaßen beeindruckt als eingeschüchtert werden, um bei ihnen langfristig eine stabile Zustimmung und Solidarität zu bewirken.296 Die Kameraführung sollte zu einer extremen Erlebnisdichte und von Musik begleitet zur dramaturgischen Überhöhung und Dynamisierung des Aufnahmematerials führen. Dadurch sollte es dem Zuschauer/der Zuschauerin unmöglich gemacht werden, sich von den auditiven und visuellem Gehalt einer Bildsequenz zu isolieren.297

294 Vgl. Bulgakowa, 1999, 203-207.

295 Zit. n. Riefenstahl, 1935, 28.

296 Vgl. Oberwinter, Kristina: Bewegende Bilder. Repräsentation und Produktion von Emotionen in Leni Riefenstahls Triumph des Willens. München/Berlin 2007, 155 f.

297 Vgl. Oberwinter, 2007, 167.

87 Der Einsatz von extremen und ungewöhnlichen Perspektiven und Bildräumen, Diagonalkompositionen und die geschickte Anordnung von Nah- und Großaufnahmen, Totalansichten, auch die Verwendung von Auf- und Untersichten machen ihre Filme zu Kunstwerken.298

Riefenstahl arbeitete gezielt daran suggestive Bilder zu gestalten, daher versuchte sie für den Zuschauer/die Zuschauerin ausreichend Identifikationsmöglichkeiten und Assoziationsmöglichkeiten zu schaffen – was ihr durch die Verknüpfung von distanzierten Bildern und emotional aufgeladenen Nahbildern auch gelungen ist.299

„ {…} die Blicke von Personen aufeinander und auf Objekte beziehen können. In einem ganz technisch formalen Sinne werden die Zuschauer also beständig dazu gebracht, mit den Augen eines anderen zu sehen und zu sehen, wie die Protagonisten sich wechselseitig sehen. Durch diese Subjektivierungsstrategie werden komplexere Gefühle von Figuren zueinander dem Zuschauer nahe gebracht.“300

Über räumlich-optische Perspektiven kann der Zuschauer/die Zuschauerin deren emotionale Situation nachvollziehen und erhält somit den Eindruck, selbst in der Handlung zu sein. Die Suggestion sowohl dem „Führer“ als auch den anderen ProtagonistInnen nahe zu sein hebt die Distanz zwischen der eigenen und der beobachteten Person auf. Dieses Stimmungsbild unterstützt die Regisseurin durch gezielte Lichtregie, Inszenierung von Schattenrissen und der Montage zu einer harmonischen Einheit des Ganzen - alles Störende wurde ausgeblendet.301

Durch den geschickten Einsatz von pathetischer Musik wird die Dramaturgie und der teils schnelle Bilderfluss hervorgehoben und NS-Symbole wie u.a. Fahnen und Gesten musikalisch markiert und mythologisiert. Der Effekt dieser Atmosphärenregie: emotionale Involvierung und intendierte Überwältigung des Zuschauers/der Zuschauerin bishin zur innigen Andacht.302

Riefenstahl verstand ihr Handwerk – ihre Filme sind Kunstwerke der Emotionalisierung.

298 Vgl. Oberwinter, 2007, 157 f.

299 Vgl. Oberwinter, 2007, 160.

300 Zit. n. Koch, Gertrud: Zu Tränen gerührt. Zur Erschütterung im Kino. In: Herding, Klaus/Stumpfhaus Bernhard: Pathos. Affekt. Gefühl. Die Emotionen in den Künsten. Berlin/New York, 161.

301 Vgl. Oberwinter, 2007, 164.

302 Vgl. Oberwinter, 2007, 170.

88 2. Symbol Riefenstahl im Film und NS-Staat

Zweifellos nahm Riefenstahl im nationalsozialistischen Deutschland als Künstlerin und Produzentin eine einzigartige Position ein, obwohl sie kein Mitglied der NSDAP war. Dem NS-Staat kam trotzdem Riefenstahls gesamtes Potential und Talent zu Gute – sie diente den Nazis indem sie ihre Fähigkeiten für sie einsetzte, ohne wie Harlan und viele andere aggressive Propagandafilme zu drehen. In der Filmindustrie blieb sie eine Einzelkämpferin und Außenseiterin, aber ihre einzigartige Stellung bei Hitler und ihr Beharrlichkeit halfen ihr die meisten ihrer Filmprojekte zu realisieren.303

Im NS-Staat hatte Riefenstahl außer ihrer Position als Filmemacherin eine weitere wichtige Aufgabe, die dem Nationalsozialismus diente. Als junge und schöne Frau eignete sie sich hervorragend dafür international ein positives Bild vom neuen „Hitlerdeutschland“ zu verbreiten – ihre Qualitäten als Person und Künstlerin zeichneten sich durch ein einnehmendes Wesen und einen eigenen Stil aus, was Riefenstahl interessant machte. Für sie sprach weiteres, dass sie nicht als verbiesterte Propagandistin auftrat, sondern überall einen sympathischen Eindruck hinterließ, der ihre Engagement als rein künstlerisch, persönlich und unparteiisch glaubwürdig machte. Der „Völkische Beobachter“ erwähnte ihren Einsatz als „Filmbotschafterin“ in England 1934 lobend – ihre Gespräche haben scheinbar mehr genützt als manche groß angelegte Bemühungen um das Verständnis des Auslandes zu gewinnen.304 Riefenstahl versprühte während ihrer Interviews in England soviel Enthusiasmus über die staatliche Filmförderung in Deutschland und Hitler, der die englische Presse beeindruckte. Eine bessere Wirkung hätte kein anderer aus der NS-Elite bewirken können.305 Dies gilt ebenfalls für ihre Europatour mit Olympia, der filmhistorisch zur Zeit des Nationalsozialismus zum Aushängeschild wurde – einen vergleichbareren Triumph konnte keine Pressekampagne jemals zuvor erzielen. Riefenstahls Film verzeichnet circa 80 Meldungen in internationalen Zeitungen, die jeweils auch darüber berichten, welche Häupter und Regierungschefs an der Filmvorführung teilnahmen – eine hervorragende Publicity für die NS-Elite. Die Filme selbst warben für das nationalsozialistische Deutschland durch Filmqualität, die durch Riefenstahls Bekundungen immer als „unpolitisch“ aufgefasste werden sollten. Riefenstahl beharrte auf dem „Unpolitischen“ der Filme wie auch das Genre „Dokumentarfilm“ - als sie sich bei der Ankunft in New York sofort zu den Pogromen im Deutschen Reich äußern sollte, zeigt sich ihr Bemühen, die

303 Vgl. Rother, 2000, 115.

304 Vgl. Film-Kurier vom 2. Mai 1934. In: Rother, 2000, 116.

305 Vgl. Fraser, John: An Ambassador for Nazi . In: Films und Filming, Jg. 2, Nr. 5. 1982, 12-14.

89 beschönigende Beschreibung ihrer eigenen Rolle, ihrer Funktion innerhalb des Systems notfalls auch bei offensichtliche Fakten die Augen zu verschließen.306

Die Bedeutung Riefenstahls hinsichtlich des nationalsozialistischen Films ist wesentlich – immerhin ging es weniger um den Inhalt, mehr jedoch um den Stil, der die Filme zu idealen Reklameschildern des „Dritten Reiches“ machte. Hymnische Kritiken feierten ihre Filme während der NS-Diktatur - eines der frühesten Zeugnisse ihrer Arbeitsweise war die Bezeichnung „Schule Riefenstahl“, das den deutschen Filmstil insgesamt beschreiben sollte. Den Begriff des „wahrhaft deutsche Films“, den es bis zu Riefenstahl gar nicht gab, galt als Gegenentwurf zur russischen Montagemethode der Stummfilmzeit und als deutsche Antwort auf Sergei Eisenstein. 307

Die enorme Bedeutung ihres Werks für die ästhetische Selbstvergewisserung der nationalsozialistischen Intelligenz wird aus der Wertschätzung der Zeitschrift „Der deutsche Film“, die ein Medium nationalsozialistischer Theoriediskussion über Film war, kenntlich. 308 Handfeste ideologische Interessen vereinten sich in der Politik dieser Zeitschrift mit der Betonung formaler Qualitäten, über Olympia schreiben sie:

„Großreportagen {…} eine völlig neue Monumentalform der Filmgestaltung. Die Regisseurin habe in dem sie den Rhythmus des realen Geschehens in einen filmischen Rhythmus übersetzte, das politische Erlebnis in Form eines künstlerischen Erlebnisses vermitteln. Sie hat eine neue Kunstgattung geschaffen.“309

Mit Riefenstahls Filmen ist ein neues Genre geboren worden: der heroische Reportagefilm, die über ein politisches Großereignis berichteten und ihm gleichermaßen einen so groß empfundenen sinnbildlichen Rahmen gaben. Riefenstahls Filme boten sich auch deshalb als bestes Beispiel für den „deutschen Film“, weil er dezidiert gegen den „literarischen Filme“ Stellung bezog, der überwiegend abgelehnt wurde.310 So sehr sie auch während der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund ihres Filmschaffens national und international gefeiert wurde, nach 1945 hatte sah sich die

306 Vgl. Rother, 2000, 118 f.

307 Vgl. Rother, 2000, 120.

308 Vgl. Rother, 2000, 121.

309 Vgl. Gressieker, Hermann: Leni Riefenstahl. In: Der deutsche Film, Heft 2, Jg. 1, 1936, 40 f.

310 Vgl. Rother, 2000, 122 f.

90 Künstlerin Riefenstahl gezwungen, sich und ihre „Kunstwerke“ gegenüber „falschen“ Einordnungen zu verteidigen.

91 TEIL C Der Fall der NS-Regisseurin

4. Leni Riefenstahl ab 1940/41 und nach Kriegsende

4.1 Tiefland als Beispiel für eine bizarre Produktionsgeschichte

Riefenstahls Spielfilm Tiefland war ebenfalls von politischer Bedeutung, die ganz Goebbels Vorstellungen des Genres entsprach, die er in der Künstlerschaft im November 1939 bei einer programmatischen Rede über das Kulturleben im Krieg erläuterte:

„In solchen Zeiten nun ist es um so notwendiger, daß die Staatsführung eifrig darum bemüht bleibt, hier rechtzeitig für Ausgleich zu sorgen und dem Volke gerade in so schweren Zeiten Entspannung und Erholung zu geben, auf die es heute mehr denn je Anspruch erheben kann. Ohne Optimismus ist kein Krieg zu gewinnen; er ist genauso wichtig wie die Kanonen und Gewehre.“311

Entspannung meinte Unterhaltung in Form von Komödien, Abenteuerfilmen, Liebesgeschichten, Melodramen. Riefenstahl plante ein schlichtes Berghirtendrama nach der gleichnamigen neoromantischen Oper von Eugen dÁlbert. Sie wollte Tiefland bereits 1934 drehen, gab das Projekt aber wegen finanziellen Startschwierigkeiten vorerst auf und widmete sich dem dokumentarischen Propagandafilm Triumph des Willens. Die Produktionsbedingungen für den Film waren ab 1940 auch deutlich besser als noch im Jahre 1934 - immerhin konnte sich Riefenstahl einerseits auf ihre prosperierende Firma stützen und bekam andererseits auch großzügige Unterstützung von Hitler und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Hitler gefiel das Konzept von Tiefland, da es seiner Unterscheidung von Herrenmenschen und Sklavenmenschen, sowie der Scheidung von Gut und Böse, entsprach.312 Durch seine Unterstützung waren Riefenstahl beinahe keine finanziellen Grenzen gesetzt, weshalb sie auch von Anfang an eine ausgedehnte Drehzeit von zwei Jahren veranschlagte, diese dann aber noch weitere Jahre verlängerte.313

Im Frühjahr 1940 begannen die Filmarbeiten für Tiefland: sie verpflichtete HauptdarstellerInnen, wie Bernhard Minetti, Aribert Wälscher und Maria Koppenhöfer; engagierte Koregisseur Georg

311 Zit. n. Goebbels, Joseph: Das Kulturleben im Kriege. Rede zur Jahrestagung der Reichskulturkammer und der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ vom 27.11.1939. In: Albrecht, Gerd: Der Film im 3. Reich, Karlsruhe 1979. 65-69.

312 Vgl. Trimborn, 2002, 320.

313 Vgl. Klinkel, 2002, 227 f.

92 Wilhelm Papst und Kameramann Albert Benitz; legte Goebbels ihr Drehbuch vor; drehte Außenaufnahmen in den Dolomiten und entschied sich für die spanischen Pyrenäen als Schauplatz. Weil es sich schwierig gestaltete Mensch und Filmmaterial durch das kriegsgeschüttelte Europa zu transportieren, ließ Riefenstahl im bayerischen Krünn bei Mittenwald ein komplettes spanisches Dorf nachbauen, inklusive Kastell, Kormühle und Dorfbrunnen. Weil die Bauten aber nicht nahe genug beieinander standen, um eine Totale mit den Bergen im Hintergrund zu filmen, ließ sie die Kulisse wieder abreißen und neu aufbauen. Der Umbau verschlang 500 000 Reichsmark (entspricht ca. 1,6 Mio. €) - Geld spielte aber weiterhin keine Rolle. In der Zwischenzeit suchte Riefenstahl „südländisch“ aussehende Menschen als Komparsen – im Lager Maxglan bei Salzburg fahndete sie nach Roma und Sinti.314

Maxglan war durch zwei Wachtürme und einen Stacheldrahtzaun gesichert, bewaffnete Streifen liefen rund um die Uhr Patrouille. Hinter den Absperrungen standen einige Baracken, in denen unter Sturmbannführer Anton Böhmer 250 Roma und Sinti Zwangsarbeit lebten.

Riefenstahl kam in Begleitung ins Lager und ließ sich von einem SS-Mann Roma und Sinti vorführen. Mit Daumen und Zeigefinger bildete Riefenstahl ein Fensterchen, durch das sie die Gesichter musterte. Auf Ersuchen der Riefenstahl-Film GmbH schickte Lagerleiter Böhmer am 4. Oktober 1940 die ersten vier Häftlinge nah Krünn; zwei Wochen später orderte sie 14 weitere Gefangene ans Filmset. Böhmer musste schriftlich versichern, dass die Häftlinge nicht „jüdisch versippt“ sind. In einem Schreiben der Leitung der Kriminalpolizeistelle Salzburgs, vom 19. Oktober 1940:

„Namensverzeichnis, der aus dem Zigeunerlager Leopoldskron bei Salzburg der Riefenstahl-Film GmbH., Berlin, Harzerstrasse 39, durch Vermittlung des Arbeitsamtes Salzburg zur Beschäftigung zugewiesener Zigeuner und Zigeunerkinder:

1. Winter, Ferdinand {…} 8. Hernzenberger, Rosa {…}

2. Krems, Leopoldine {…} 9. Herzenberger, Rudolf {…}

3. Krems, Anna {…} 10. Schöpf, Engelbert {…}

4. Amberger, Sophie {…} 11. Reiminius, Angela {…}

314 Vgl. Klinkel, 2002, 228 ff.

93 5. Reinhardt, Zäzilie {…} 12. Eberle, Josefa {…}

6. Kugler, Josefa {…} 13. Kugler, Kreszenz {…}

7. Lichtenberger, Joseph {…} 14. Anberger, Willi {…}

Es wird bestätigt, dass ausweislich der bisher durchgeführten Personenstandserhebungen die vorbezeichneten Zigeuner nicht jüdisch versippt sind.“315

Zwei Polizisten aus Salzburg wurden mit der ständigen Bewachung der KomparsInnen, die in Krünn in der Scheune eines anliegenden Hofes untergebraucht wurden, beauftragt. Dort wurden sie mit leichter Nahrung verpflegt, aber versperrt, sofern Riefenstahl sie gerade nicht für die Dreharbeiten brauchte. Dem Lager entkommen, machten die Menschen bereitwillig bei den Dreharbeiten mit, die häufig von extremen Witterungsverhältnissen geprägt waren.

Mit Abschluss der Außenaufnahmen musste die Sarntaler Bauern wieder auf ihre Höfe zurückkehren und die LagerinsassInnen ins Lager.316

Mit Wiederaufnahme der Dreharbeiten 1941 bediente sich Riefenstahl erneut an den NS-Verfolgten – abermals ließ sie Insassen aus dem Maxglan antreten. Sie orderte 68 Roma und Sinti für die Studioaufnahmen in den Babelsberger Filmstudios aus dem Lager Maxglan. Wie üblich ließ Riefenstahl ihre Komparsen nach den Dreharbeiten in die Lager zurückschicken, denn wenn der Führer fand, sie gehören dahin, dann gehörten sie auch dahin, soll Riefenstahl zum Filmpublizisten Curt Riess gesagt haben. Einen Lohn für ihre Statistenrollen bekamen sie nie – zwar zahlte die Riefenstahl-Film GmbH am 6. April 1943 eine „Sozialausgleichsabgabe“ an die Maxglan Lagerleitung aus, die Roma und Sinti waren aber bereits 3 Wochen vorher in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden.317

Riefenstahl bestritt nach dem Krieg vehement, das Lager jemals persönlich gesehen oder eine Ahnung davon gehabt zu haben, welch furchtbares Schicksal den Menschen dort widerfahren ist.318 Sie bezeichnete die Vorwürfe als Rufmord und bestand auf einen Prozess gegen Helmut Kindler,

315 Zit. n. Klamper, Elisabeth: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes in Wien. Dokument 66 /Dokument 68. New York/London 1991. 178 ff.

316 Vgl. Klinkel, 2002, 231 f.

317 Vgl. Klinkel, 2002, 232.

318 Vgl. Klinkel, 2002, 230.

94 der 1949 in der Illustrierten Revue auf die skandalöse Geschichte aufmerksam machte. Die elfstündige Hauptverhandlung sorgte für Skandale: Riefenstahl sprang bei der Aussage einer Zeugin, die als „Zigeunerin“ zwangsverpflichtet wurde, dass es ihr im KZ besser ging, als bei Riefenstahl am Filmset, immer wieder hysterisch auf und versuchte die Aussage zu widerlegen.

Der Großteil des Publikums war auf ihrer Seite, Reporter bezeichneten die Stimmung im Gerichtssaal als „Volksfeststimmung“ - was wohl auch daran lag, dass die deutsche Nachkriegsgesellschaft Roma und Sinti noch immer feindselig gegenüber war. Helmut Kindler wurde zu einer Geldstrafe von 600 Mark verurteilt.

Der Fall wurde in den 80er Jahren erneut aufgerollt. Nina Gladitz hatte in ihrem Dokumentarfilm Zeit des Schweigens und der Dunkelheit behauptet, dass Riefenstahl die „Zigeuner“ persönlich im Lager ausgesucht hat, sowie dass die Gefangenen zwangsverpflichtet und nicht entlohnt wurden – für Riefenstahl ein „unfassbares“ Urteil. Die Filmemacherin musste allerdings die Behauptung, dass Riefenstahl von den massenhaften Vernichtungen wusste, aus dem Dokumentarfilm rausschneiden.319

Die letzten Produktionsjahre von Tiefland

1942 hatte sie trotz kurzweiliger Finanzierungsschwierigkeiten bereits 90 Prozent der Aufnahmen abgeschlossen – für die restlichen Dreharbeiten in Spanien und Tirol wollte sich Riefenstahl und ihr Team Zeit lassen, denn solange die Produktion von Tiefland lief, war das gesamte Filmteam „unabkömmlich“ gestellt und die Männer mussten nicht an die Front. In ihrer Verzweiflung versuchte sie auch noch den Regisseur Arnold Fanck und seine Frau für die Fertigstellung des Filmes mit ins Team zu holen – ein Rettungsversuch, der ihr aber nicht gelang. Jede Verzögerung schützte das Leben des Teams, während im Osten Hitlers Vernichtungskrieg wütete, Millionen Soldaten, Zivilisten und Gefangene starben, in den Konzentrationslagern Hunderttausende Juden vergast wurden und Goebbels den „totalen Krieg“ ausrief.320

Als das Dritte Reich längst schon in Scherben lag, befand sich Riefenstahl in Tirol, wo sie Tiefland fertigstellen wollte.321

319 Vgl. Trimborn, 2002, 233-237.

320 Vgl. Klinkel, 2002, 240 f.

321 Vgl. Trimborn, 2002, 355.

95 Nach 1945 wurde das Filmmaterial von Tiefland beschlagnahmt und nach Paris gebracht. Erst 1952 gelang es ihr durch die Unterstützung hochgestellter französischer Politiker und Henri Langlois, den Leiter der Pariser Cinémathéque Francais, das Filmmaterial als „deutsches Eigentum“ von Paris nach Wien zu holen. So kam es schließlich erst am 12. Februar 1954 in Stuttgart zur Premiere von Tiefland, bevor der Film für Jahrzehnt im Privatarchiv Riefenstahls verschwand.322

4.2 Riefenstahls Umgang mit der NS-Zeit

Der Fall Riefenstahls

Der Zusammenbruch Hitlers „Tausendjährigen Reiches“ und der Sieg der Alliierten war auch für Riefenstahl ein Bruch im Leben – sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene. Die Männer, an deren Seite sie die letzen Jahre über geglänzt, gefeiert und gearbeitet hatte, waren nun tot, oder als Verbrecher gestellt worden. Dieses Verbrechen kostete Millionen Menschen ihr Leben – ein Verbrechen, von dem Riefenstahl nichts gewusst haben will.323

Als sie in Tirol die Nachricht erhielt, dass Hitler „im Kampf um die Reichshauptstadt gefallen sei“ - was de facto bedeutete, dass er Selbstmord beging, überfiel Riefenstahl tiefe Trauer, wie sie in in ihren Memoiren festhielt.324 Sie weinte sicher um Hitler, aber auch um sich selbst: Riefenstahl sah ihre Kariere gefährdet – wofür sie bisher gefeiert wurde, wurde sie von diesem Zeitpunkt an verurteilt – ihre moralischen Haltungen wurden angeklagt.

Erste Verhaftung und VerhEre

Im April 1945 wurde Riefenstahl von amerikanischen Soldaten in Kitzbühel verhaftet - somit hatte man zwar die Regisseurin gefunden, ihr Filmmaterial fand man nicht so schnell.325 Riefenstahl ergriff sofort die Möglichkeit ihre Filme nicht als Propagandafilme zu deklarieren, sondern sie zu

322 Vgl. Trimborn, 2002, 356-359.

323 Vgl. Trimborn, 2002, 381 f.

324 Vgl. Riefenstahl, 1987, 408.

325 Vgl. Trimborn, 2002, 385.

96 Dokumentarfilme zu erklären – sie sei ja eine Künstlerin, keine Politikerin. 326 Demnach entschied sie bereits (vor) 1945 wie sie ihre Filme „rechtfertigen“ wird, um möglichst gut davonzukommen. Von ihrer Darstellung ließ sie auch nicht ab, als amerikanische Soldaten sie in das Internierungslager für prominente Gefangene nach Dachau mitnahmen und verhörten. Die Verhöre umfassten Fragen über ihre Arbeit im „Dritten Reich“ und ihre Verbindungen zu Hitler und den NS- Funktionären, sowie Konfrontationen mit grausamen Tatsachen über das mörderische Regime, dem sie diente. Man legte ihr Bilder aus den befreiten Konzentrationslagern vor, die ihre „Traumwelt“ zerrissen und eine weitere Verdrängung unmöglich machten.327 Die Realität wollte Riefenstahl nicht kennen – mehrmals reagierte sie mit Schrei- und Weinkrämpfen, sodass die Verhöre immer wieder abgebrochen werden mussten.Riefenstahl erlitt mehrere Nervenzusammenbrüche und musste wegen Depressionen in einer psychiatrischen Anstalt behandelt werden.328 Ihr Zustand war zeitweise sehr kritisch, doch der Wille weiter zu leben war stärker. Damit ging einher, dass sie Teile ihres Gedächtnisses völlig verdrängen musste.329

Riefenstahls Umgang mit der NS-Elite

Riefenstahl war sich sicher, dass Hitler nicht für die Grausamkeiten verantwortlich war, die die Bilder dokumentierten, die ihr von den Alliierten vorgelegt wurden – dafür waren ihrer Meinung nach Goebbels, Borman und Himmler verantwortlich, nicht aber Hitler. Überhaupt erklärte sie Goebbels zur ihrem Intimfeind, weiteres bestritt sie jegliche persönliche Beziehungen mit anderen Parteifunktionären. Die Beziehung zwischen ihr und Adolf Hitler sei ausschließlich auf beruflicher Ebene gewesen und ihre Bekanntheit aber, sei nicht etwa auf das NS-Regime zurückzuführen, sondern auf ihre Karriere als Schauspielerin und Tänzerin.330

Der Abschlussbericht

Der Abschlussbericht des „German Intelligence Service“ vom 30. Mai 1945 hält fest, dass sich Riefenstahl bereits unmittelbar nach Kriegsende wesentliche Teile ihrer Legende festlegen musste,

326 Vgl. Schulberg, Budd: Nazi Pin-Up Girl. In: Saturday Evening Post. 30. 3. 1946.

327 Vgl. Klinkel, 2002, 260.

328 Vgl. Trimborn, 2002, 386.

329 Vgl. Müller, Ray: Riefenstahl, Leni. Die Macht der Bilder. 1993, 250.

330 Vgl. Trimborn, 2002, 387.

97 an denen sie festhielt. Dies lässt darauf schließen, dass sie sich doch bereits vor dem Untergang des „Dritten Reiches“ ihre Verteidigungsstrategie zurechtlegte. Weiteres steht im Bericht eine Einschätzung, die allerdings kritisch zu betrachten ist:

„Man mag Riefenstahls Äußerungen glauben oder nicht. Nichtsdestoweniger vermittelt sie einem den Eindruck von Aufrichtigkeit, und ihre Furcht, die sie angesichts des Regimes und seinem Führer zum Ausdruck bringt, erscheint ebenso aufrichtig. Es ist möglich, daß sie sich tatsächlich nicht bewußt geworden ist, was vor sich ging. Das war ihre Unterlassungssünde, die um so schlimmer erscheint, weil sie mehr als jede andere Person die Möglichkeit gehabt hätte, die Wahrheit zu erkennen. Sie ist ein Produkt der moralischen Korruption, die charakteristisch für das Regime war. Doch wäre es falsch, sie als eine ehrgeizige Frau zu betrachten, die sich wegen Ruhm und Wohlstand der erfolgreichen Sache der NSDAP angeschlossen hat. Sie ist sicherlich keine fanatische Nationalsozialisten, die ihre Seele an das Regime verkauft hat. Ihre Bewunderung für Hitler hat ihre Augen dafür verschlossen, was das Regime für Deutschland bedeutete. Seine schützende Hand sicherte ihre künstlerischen Aktivitäten, im Gegensatz zu deren so vieler anderer. Seine Hand bot ihr zudem Schutz vor den politischen Seilschaften und ließ sie eine Traumwelt errichten, in der sie mit „ihrer Kunst“ leben konnte. Dann und wann nur blitzte die Realität hinter diesem Traum hervor. Man mag ihr Verhalten, das nicht immer ohne Stärke und Charakter gewesen ist, setzt man es mit ihrem Mangel an moralischer Haltung in Verbindung, als nicht relevant betrachten. Jedoch eine Tatsache bleibt. Diese moralische Haltung entsprang offensichtlich nicht opportunistischen Motiven, sondern der Sehnsucht, ihren Traum, ihr Leben völlig der Kunst zu widmen, weiterträumen zu können. Wenn ihre Aussagen aufrichtig sind, hat sie niemals begriffen und tut es auch heute noch nicht, daß sie, indem sie ihr Leben der Kunst verschrieb, tatsächlich einem grausamen Regime Ausdruck verliehen hat und zu dessen Glorifizierung beitrug.“331

Die Entlastungserklärung

Trotz skeptischer Meinungen wurde sie am 3. Juni 1945 mit einer Entlastungserklärung aus der amerikanischen Untersuchungshaft entlassen und kehrte nach Kitzbühel zurück. Doch bereits vier Wochen danach wurde die Provinz Nordtirol unter französische Besatzung gestellt und Riefenstahls Entlastungserklärung wurde somit nutzlos – erneute Verhöre und eine Internierungshaft in

331 Vgl. Abschlussbericht der German Intelligence Service über die Vernehmung Leni Riefenstahl, Bl. 1.

98 Innsbruck folgten. Durch das Drängen von Bertha Riefenstahl, der Mutter von Leni, wurde sie nach einigen Wochen entlassen und konnte so vorerst nach Kitzbühel zurückkehren. Anfang August wurde Riefenstahl von der französischen Militärregierung angewiesen nach Königsfeld zu ziehen und sich wöchentlich bei der Polizei zu melden. Weiteres wurde zu diesem Zeitpunkt ihr gesamtes Eigentum, inklusive des Tiefland Filmes beschlagnahmt. Bis 1948 lebte sie unter ärmlichen Bedingungen gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Ehemann in Königsfeld. Von ihrem Ehemann ließ sie sich scheiden, als sie sich finanziell erholt hatte.332

Zweifel an Riefenstahls Darstellungen

Obwohl sie schon bald wieder frei war, waren die Nachkriegsjahre für Riefenstahl nicht unproblematisch: die Menschen wussten international von ihrer Sympathie für Hitler uns das NS- Regime. Filme, Fotos und Briefe bezeugten ihre Nähe zum „Führer“ des „Dritten Reiches“. Es half ihr auch nicht endlos zu beteuern, dass sie Hitlers rassistische Ansichten und Vorstellungen einer „arischen Rasse“, die er in Mein Kampf darlegte, nicht ernst nahm und auch keinesfalls seiner Ansicht gewesen sei:

„Seine rassistischen Ideen lehnte ich ohne Einschränkung ab, deshalb hätte ich auch nie in die NSDAP eintreten können, seine sozialistischen Ideen begrüßte ich. {…} Die Rassenlehre, so glaubten damals viele, sei nur eine Theorie und nichts als Wahlpropaganda.“333

Nach der Machtergreifung 1933 bzw. spätestens 1935 nach dem Erlass der „Nürnberger Rassengesetze“ müsste Riefenstahl begriffen haben, dass es Hitler mit seinen Vorhaben gnadenlos ernst meinte. Immerhin wurden auch Riefenstahls gute Bekannte Béla Balázs, Erich Maria Remarque, Eugen Spiro, Willy Jeackel, Lote Jacobi und Max Reinhardt außer Landes verwiesen.334 Bei aller Leichtgläubigkeit konnte sie doch nicht davon ausgehen, dass derart viele Menschen freiwillig und völlig ungezwungen Deutschland verlassen würden.

Am Ende des Dokumentarfilms Die Macht der Bilder aus dem Jahr 1933 sagt Riefenstahl:

„Immer erwarten sich die Leute von mir ein Schuldbekenntnis {…} Über meine Lippen ist nie ein antisemitisches Wort gekommen, auch nicht geschrieben. Ich war niemals

332 Vgl. Trimborn, 2002, 383-393.

333 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 153.

334 Vgl. Trimborn, 2002, 362-365.

99 antisemitisch, darum bin auch nicht in die Partei eingetreten. Also, wo liegt denn meine Schuld?“335

ZeitzeugInnen sahen Riefenstahl nicht als Frau, die den Antisemitismus der Nazis, der im Völkermord gipfelte, befürwortete – dennoch beschrieben sie Riefenstahl als einen Menschen, der von der Ausgrenzung gegen Juden und Jüdinnen zu profitieren wusste. Ihre Karriere im „Dritten Reich“ war zweifellos politisch, denn wie könnte Riefenstahl die Regisseurin für ein rassistisches und antisemitisches Regime sein, ohne deren Haltungen zumindest zu akzeptieren?336 Wie sich zeigte, braucht es auch nicht viel um den Antisemitismus in Riefenstahl zu wecken: langjährige Freundschaften mit jüdischen Menschen verloren für sie von heute auf morgen ihre Bedeutung. Mochte der Grund auch der sein, dass es sich ebenfalls um Juden handelte, die ihren Film Das blaue Licht in der Presse negativ bewerteten.337 Riefenstahls Aussage im Interview mit Filmkritiker Rudolf Arnheim bestätigt ihre klare Tendenz zum Antisemitismus:

„Wissen Sie, solange die Juden die Filmkritiker sind, werde ich niemals einen Erfolg haben. Aber passen Sie auf, bis Hitler ans Ruder kommt, dann wird sich alles ändern.“338

Arnheim und Sokol wussten, dass der Großteil der mittelständischen Bevölkerung zwar ähnliche oder gleiche Rassenvorurteile wie Riefenstahl hatte, sie distanzierten sich aber dennoch von ihr – wie auch der Filmkritiker Hans Feld, mit dem sie befreundet war.

Riefenstahls bisheriger Freundeskreis minimierte sich schlagartig - aber schon zählte der rigoroseste Judenhasser der Nazizeit, Julius Streicher, zu ihren engsten Freunden. Als Herausgeber der antisemitischen Wochenzeitung Der Stürmer dürfte Riefenstahl dann doch nicht so kritisch zum Rassenhass der Nazis eingestellt gewesen sein, wie sie bis ins hohe Alter behauptete. Privat wie beruflich, Riefenstahl und Streicher vertrugen sich hervorragend – weshalb Riefenstahl ihren neuen Freund auch darum bat, die Honorarforderungen von Béla Baláz verstummen zu lassen.339

335 Zit. n. Riefenstahl, Leni: Die Macht der Bilder. Zweites Deutsches Fernsehen. 1993.

336 Vgl. Trimborn, 2002, 363.

337 Vgl. Riefenstahl, Leni: Nie Antisemitin gewesen. Leserbrief. In: Der Spiegel, 8.11.1976.

338 Vgl. Trimborn, 2002, 365.

339 Vgl. Trimborn, 2002, 366-368.

100 Ein Brief vom 27. Juli 1937, in dem Julius Streicher nach einem Besuch in Riefenstahls Villa größte Hochachtung für seine „Leni“ zum Ausdruck brachte340, wurde der Regisseurin nach 1945 höchst unbequem, da sie doch dem „German Intelligence Service“ der US-Army beteuerte:

„Mit allen anderen Parteifunktionären hatte ich keinerlei Kontakt, ich sah sie nur gelegentlich bei offiziellen Veranstaltungen. Ich habe nie eine Einladung von einem Parteifunktionär erhalten, und wenn, ich hätte jede von ihnen zurückgewiesen.“341

De facto hielt Riefenstahl sogar noch Kontakt zu Streicher, nachdem er auf sein Landgut Pleikershof bei Fürth verbannt wurde, weil er „Gewinne“ aus der „Arisierung“ nicht ordnungsgemäß an das Reich abgeführt hatte.342

Als Streicher 1945 von US-Truppen verhaftet und am 1. Oktober 1946 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu Tode verurteilt wurde, konnte Riefenstahl nicht weiterhin behaupten, dass ihr Streichers Judenhass entgangen sei.343 In ihren Memoiren erwähnt sie ihn nur einziges Mal, indem sie ein Treffen schildert, bei dem sie ihn scheinbar nur kritisiert haben will.344

Riefenstahl behauptete felsenfest trotz ihres Kontaktes zu Hitler und Streicher nichts von der Judenverfolgung mitbekommen zu haben. Schwer vorzustellen, wenn man weiß, dass bereits am Parteitag 1933 von den „Judenfeinden“ die Rede war. Riefenstahl schnitt diesen Teil Hitlers Rede zwar nicht in den Film, kannte ihn aber mit Sicherheit.345 Streichers antisemitische Botschaft „Ein Volk, das nicht auf die Reinheit seiner Rasse achtet, geht zugrunde“ ist in Triumph des Willens nicht der einzige Hinweis darauf, dass Riefenstahl von den Absichten der Nazis wusste. Auch 1935 war sie in Nürnberg, als die „Rassengesetze“ verkündet wurden. Trotzdem behauptete sie, nicht wahrgenommen zu haben, was der jüdischen Bevölkerung in Deutschland angetan wurde – nach 1945 beteuerte sie:

340 Vgl. Trimborn, 2002, 369.

341 Zit. n. American Intelligence Report on Leni Riefenstahl from the 30. 05. 1945. Institut für Zeitgeschichte, München 1945, 3.

342 Vgl. Trimborn, 2002, 370.

343 Vgl. Trimborn, 2002, 370 f.

344Vgl. Riefenstahl, 1987, 209 f.

345 Vgl. Lensen, 1999, 67.

101 „ {…} es hat mich empört und beschämt, als ich im Herbst 1942, aus den Dolomiten kommend, in München das erste Mal sah, wie jüdische Menschen einen gelben Stern tragen mußten.“346

Wäre es nur das gewesen.

Als man sie 1938 in Amerika mit den Gräueltaten des Novemberpogroms konfrontierte, wehrte Riefenstahl alle Vorwürfe ab, ohne diese zu hinterfragen. Zu dieser Zeit kam es natürlich schon zu Gerüchten über die Verbrechen in den Lagern und über das Schicksal der deportierten Juden, die an Riefenstahl mit Sicherheit nicht vorübergegangen sind.347 Bernhard Grzimek, der für Tiefland arbeitete, erinnert sich an ein Gespräch mit ihr aus dem Jahre 1942, indem sie meinte, dass sie das Euthanasieprogramm der Nazis ablehne348 – die „Judenfrage“ bleibe jedoch eine eigenständige Meinung, nach dem Motte „Wer Jude ist, bestimme ich.“ Wenn aber jemand als Jude bestimmt wurde, scheute sich Riefenstahl nicht, vom gesellschaftlichen Vorurteil gegen diesen Menschen Gebrauch zu machen. Die antisemitische Definition des „bösen Juden“ diente ihr schließlich oft genug als Erklärung für ihre Misserfolge.349 Offensichtlich stellte sie bei Bedarf ihre eigenen Wünsche aber auch über die der Partei.350 So kam es auch zu einigen Rettungsversuchen in den 40er Jahren, in denen sie ihren Einfluss für ein paar von ihr ausgewählte Menschen geltend machte. Unter den Geretteten war u.a. die Frau ihres damaligen Freundes Ernst Jaeger, die sie aus dem Konzentrationslager holte.351 Offensichtlich hatte Riefenstahl doch eine Ahnung davon, was in den Konzentrationslagern passieren würde.

Die Tatsache, dass Leni Riefenstahl einerseits Teil der NS-Elite war, Propagandafilme für das NS- Regime drehte und generell eine wichtige Rolle im NS-Staat erfüllte und auf der anderen Seite einzelnen Verfolgten durch ihren Einfluss ihr Leben rettete, ist widersprüchlich. Die Dimensionen ihrer Handlungsintentionen ist kaum zu rekonstruieren oder nachzuvollziehen. Riefenstahl selbst berief sich auf keine ihre Rettungsaktionen in den Verfahren nach 1945 – taktisch gut oder schlecht - immerhin hätte sie damit bekräftigen können, dass sie nicht in allen Belangen mit dem Regime

346 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 295.

347 Vgl. Trimborn, 2002, 372.

348 Vgl. Grzimek, Bernhard: Auf den Mensch gekommen. Erfahrungen mit Leuten. Gütersloh 1974, 131.

349 Vgl. Klinkel, 2002, 255.

350 Vgl. Trimborn, 2002, 374 f.

351 Vgl. Jaeger, Ernst: Aktuelle Filmnachrichten der Allianz Film GmbH, Nr. 2 vom 20. 1. 1954, 6.

102 kooperierte, anderseits hätte ihre Bekennung zu den Hilfeleistungen auch ihren enormen Einfluss bewiesen und die Tatsache bekräftigt, dass sie von den Verbrechen in den Konzentrationslagern wusste.352 Doch weder ihr Einfluss im NS-Staat noch das Wissen darüber, was den Menschen angetan wurde, die nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehörten, hätte zu ihrem aufgebauten Image als „unpolitische“ Künstlerin gepasst. Nach 1945 wiederholte sie unentwegt „Ich war nie in meinem Leben ein Antisemit.“353 Ein schlechtes Gewissen bekam Riefenstahl nie – auch nicht als sie 1950 ihren langjährigen Freund, Financier und Verehrer Harry Sokol wiedersah, der ebenfalls Opfer Hitlers Rassenhass wurde. Sokol beschreibt seinen Eindruck des Wiedersehens mit Riefenstahl wie folgt:

„Als ich 1950 nach Deutschland zurückkam und sie in München traf, gewann ich schnell den Eindruck, daß sie immer noch traurig war, den Führer und das Tausendjährige Reich verloren zu haben. Ich verließ sie ohne ein weiteres Wort.“354

Obwohl sie sich ihrer Schuld keineswegs bewusst war, gehörte sie zu den Menschen, die sich vom Rassenwahn der Nazis mitreißen haben lassen, von ihm profitierten und ihn für richtig erklärten. Nach 1945 baute sie weiters die Rolle der „Unverstandenen“ auf, die sich ständig gegen „böse Anschuldigungen und Vorwürfe“ rüsten musste. Im hohem Alter bekannte sie:

„Hitler ist an seinem furchtbaren Antisemitismus untergegangen. Er war wie ein ganz toller Apfel, der allerdings wegen seines Judenhasses von innen verfault war.“355

352 Vgl. Trimborn, 2002, 374 f.

353 Zit. n. Interview mit Leni Riefenstahl: Wie war das wirklich mit Adolf Hitler? In: Bunte, Nr. 8/2000, 60.

354 Zit. n. Infield, Glen: The Fallen Film Goddess, Michigan 1976, 234.

355 Vgl. und zit. n Trimborn, 2002, 376 f.

103 4.3 Entnazifizierungsprozess

Vorbemerkung

Der 8. Mai 1945 gilt als der Tag der Kapitulation des Deutschen Reiches und als Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine genaue Vorstellung davon, wie die deutsche Nachkriegsgesellschaft aussehen sollte, hatten die Siegermächte zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Die erste Zielsetzung der Alliierten zum Aufbau eines demokratischen Nachkriegsdeutschland war folgende:

„Alle Mitglieder der nazistischen Partei, welche mehr als nominell an ihrer Tätigkeit teilgenommen haben, {…} sind aus den öffentlichen oder halböffentlichen Ämtern und von den verantwortlichen Posten in wichtigen Privatunternehmungen zu entfernen. Diese Personen müssen durch Personen ersetzt werden, welche nach ihren politischen und moralischen Eigenschaften fähig erscheinen, an der Entwicklung wahrhaft demokratischer Einrichtungen in Deutschland mitzuwirken.“356

Diese Entscheidung betraf einen weit-gefassten Kreis von Personen, die aufgrund ihres Ranges in der NSDAP oder ihrer Mitgliedschaft in untergeordneten Organisationen als mutmaßliche NS- VerbrecherInnen oder gefährliche NS-AktivistInnen galten und deshalb präventiv von jeglicher Einflussnahme ausgeschaltet werden sollten.357 Um eine Zahl zu nennen: Etwa 8,5 Millionen Deutsche waren Mitglieder der NSDAP gewesen und bildeten den Kern von Hitlers ParteigängerInnen.358

Um eine Flucht der Gefangenen auszuschließen, sollten die Betroffenen bis zum Abschluss ihres Entnazifizierungsverfahrens in einem Internierungslager festgehalten werden.359 Darauf einigten sich US-Präsident Harry S. Truman und der britische Premierminister Winston Churchill, sowie dessen Nachfolger Clement Attlee und der sowjetische Staatschef Josef Stalin auf der Konferenz

356 Vgl. Königseder, Angelika: Das Ende der NSDAP. Die Entnazifizierung. In: Benz, Wolfang: Wie wurde man Parteigenosse? Die NSDAP und ihre Mitglieder. Frankfurt a. M. 151.

357 Vgl. Schöck-Quinteros, Eva: Was verstehen wir Frauen auch von Politik? Entnazifizierung ganz normaler Frauen in Bremen (1945-1952). Bremen 2011, 14.

358 Vgl. http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39605/entnazifizierung-und-erziehung. 1{26. März 2015}.

359 Vgl. Vollnhals, Clemens: Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonene 1945-1949. München 1991, 237.

104 von Potsdam.360 Weiteres wurde festgelegt, dass Betroffenen die Möglichkeit hatten, gegen ihre Urteile Berufung einzulegen – dazu mussten schriftliche Stellungnahmen, Vorläufer der „Persilscheine - von politisch unbelasteten ZeugInnen erbracht werden. Als „Entschuldigte“ galten diejenigen, die nachweislich unter wirtschaftlichem oder moralischen Druck Parteimitglieder wurden, oder nachweisen konnten, dass sie Widerstand gegen das Regime leisteten. Ob schuldig oder nicht schuldig entschied letztendlich die Militärregierung.361

Die Richtlinien zur Beurteilung der Verantwortlichkeit und für gerechte Strafen erließ der Alliierte Kontrollrat in Berlin im Oktober 1946. Aktive NationalsozialistInnen, HelferInnen und NutznießerInnen des NS-Regimes wurden nach folgenden fünf Gruppen eingestuft: "1. Hauptschuldige, 2. Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer), 3. Minderbelastete (Bewährungsgruppe), 4. Mitläufer" und "5. Entlastete (Personen, die nachweisen könnten, dass sie nicht schuldig sind)".362

Die einzelnen Besatzungszonen führten die Prozedur der Entnazifizierung, die prinzipiell „gleich“ ablaufen sollte, auf sehr unterschiedliche Weisen durch. Zusammengefasst kann man sagen, dass sich die amerikanische Besatzungszone durch ihren moralischen und zugleich bürokratischen Rigorismus hervortat, die britische Besatzungszone die Säuberung weniger streng durchführte und dass es in der französischen Zone regionale Unterschiede und diverse Kurswechsel der Besatzungsmacht gab. In den beiden letztgenannten Zonen wurde der Säuberungsprozess mehr als pragmatische Angelegenheit betrachtet, bei der der Schwerpunkt darauf lag, die Eliten auszuwechseln.363 In der sowjetischen Besatzungszone hingegen wurde die Entnazifizierung am konsequentesten durchgeführt und am schnellsten abgeschlossen, da sie im Zusammenhang mit der "antifaschistisch-demokratischen Umwälzung" stand. Die Entfernung der ehemaligen NSDAP- Mitglieder aus allen wichtigen Stellungen war Bestandteil dieser politischen und sozialen Neustrukturierung, die unter dem Schlagwort "Auseinandersetzung zwischen der Arbeiterklasse und der Monopolbourgeoisie" die SED als bestimmende Kraft durchsetzen sollte.364

360 Vgl. Schöck-Quinteros, 2011, 13.

361 Vgl. Schöck-Quinteros, 2011, 16.

362 Vgl. http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39605/entnazifizierung-und-erziehung. 1. {26. März 2015}.

363 Vgl. Vollnhals 1991, 9-33.

364 Vgl. http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39605/entnazifizierung-und-erziehung. 2. {26. März 2015}.

105 Zur Bestrafung der Schuldigen wurden folgende Maßnahmen festgelegt: 1. Entlassung aus öffentlichen Verwaltungsämtern und Ausschluss von Tätigkeiten, die öffentliches Vertrauen erfordern; 2. zusätzliche Arbeits-, Sach- und Geldleistungen; 3. Kürzung der Versorgungsbezüge und Einschränkung bei der allgemeinen Versorgung, solange Mangel besteht; 4. Nichtgewährung der politischen Rechte einschließlich des Rechts auf Mitgliedschaft in Gewerkschafts- oder anderen Berufsvertretungen und in den antifaschistisch-demokratischen Parteien.

Trotz der festgelegten Richtlinien wurde sowohl in der West- als auch in der Ostzone Rücksicht auf TechnikerInnen, SpezialistInnen und ExpertInnen genommen, die als unentbehrlich für den Wiederaufbau galten.365 Unter dem Hakenkreuz, so hieß es, hatten die Menschen nur ihre Pflicht erfüllt. Die WissenschaftlerInnen betrieben Wissenschaft, die JuristInnen urteilten nach dem Gesetzbuch, auch die Soldaten befolgten nur Befehlen und KünstlerInnen lebten nur für die Kunst. Zumindest behauptete das jeder vor Gericht.366

Der ursprüngliche Wille die Deutschen umzuerziehen und zur Rechenschaft zu bitten, wurde aber schon bald von politischem Zweckdenken abgelöst. Letzten Endes blieb die Entnazifizierung Deutschlands eine Illusion.367

Riefenstahl im Entnazifizierungsprozess

Wie Millionen andere Deutsche musste sich auch die NS-Regisseurin nach 1945 einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Für Riefenstahl hing vom Ausgang des Verfahrens u.a. ab, ob die französischen Behörden ihr das Filmmaterial von Tiefland zurückerstatten muss bzw. ob sie als Filmemacherin überhaupt weiterarbeiten darf oder mit einem Berufsverbot bestraft wird. Riefenstahl wusste um ihre einzige Chance: Sie musste sich als „unpolitische Künstlerin“ verkaufen und die Privilegien, die sie durch das „Dritte Reich“ genossen hat herunterspielen bzw. verleugnen.368

365 Vgl. http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39605/entnazifizierung-und-erziehung 2. {26. März 2015}.

366 Vgl. Klinkel, 2002, 272.

367 Vgl. Trimborn, 2002, 399.

368 Vgl. Trimborn, 2002, 399.

106 Im Zeitraum von 1948 bis 1952 erklärten drei von vier Spruchkammerverfahren Riefenstahl als „vom Gesetz nicht betroffen“ - nur ein Verfahren stufte sie als „Mitläuferin“ ein. Allerdings ist bekannt, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine relevanten Dokumente, die Riefenstahls Aussagen widerlegen konnten, verfügbar waren und eidesstattliche Erklärungen durch Entlastungszeugen abgegeben wurden. Auch dass sie kein Mitglied der NSDAP oder einer der Unterorganisationen war, versprach ihr von Vornherein ein mildes Urteil. Das erste Entnazifizierungsverfahren lief für Riefenstahl gut.369 Die französische Militärregierung und die Presse beanstandeten jedoch das entlastende Urteil, weshalb sich Riefenstahl am 6. Juli 1949 einem zweiten Prozess zur politischen Säuberung unterziehen musste. Wenige Wochen vor dem Prozess veröffentlichte die Illustrierte Revue zum ersten Mal die Vorwürfe Riefenstahl habe „Filmsklaven“ aus dem Konzentrationslager geordert und zwangsverpflichtet, um zu verhindern, dass das Urteil wieder zu ihren Gunsten ausfällt. Und obwohl die stark belastenden Vorwürfe sowohl in der Öffentlichkeit als auch vor der Spruchkammer für einen Skandal sorgten, konnte sich Riefenstahl von allen Anschuldigungen geschickt freireden – Dokumente, wie etwa belastende Telegramme an Hitler erklärte sie zu Fälschungen. Wieder lautete das Urteil „nicht betroffen“. Erneut reagierte die Presse mit der Veröffentlichung von neuen Dokumenten, die ihre Schuld beweisen sollten – die französische Militärregierung erhob offiziell Einspruch. So kam es am 16. Dezember 1949 zu einem dritten Entnazifizierungsverfahren für Riefenstahl. Dieses Mal sah es etwas anders aus: Die Richter kamen zum Schluss, dass die Angeklagte zwar kein Mitglied der NSDAP war, aber dennoch für das Regime arbeitete – Riefenstahl wurde in Freiburg als „Mitläuferin“ eingestuft. 370 Durch dieses Urteil hatte sie jedoch keine besonderen Nachteile, damit konnte sie leben.

In weiterer Folge erhielt Riefenstahl nun die Erlaubnis von der französischen Militärregierung die Besatzungszone verlassen zu dürfen – Riefenstahl zog mit ihrer Mutter nach München. Ihre Villa blieb aber weiterhin beschlagnahmt, weil die Gerüchte nie entkräftet werden konnten, dass Hitler ihr das Anwesen als Belohnung für den Erfolg von Triumph des Willens schenkte. Um die Rechte am Anwesen wiederzuerlangen, lies sich Riefenstahl auf eine vierte und letzte Verhandlung ein. Erneut schlug die Presse zu und veröffentlichte Bilder, die Riefenstahl als Kriegsberichterstatterin und Zeugin eines Massakers an Juden in Konskie zeigten. Doch überraschenderweise ging auch dieser Prozess für Riefenstahl gut aus.371 In der Urteilsbegründung hieß es, dass sich Riefenstahl nie mit Politik beschäftigte, sie nicht mit Hitler befreundet war und ihre Filme nur unter Zwang

369 Vgl. Trimborn, 2002, 400 f.

370 Vgl. Trimborn, 2002, 401 f.

371 Vgl. Trimborn, 2002, 402 f.

107 entstanden sind. Dokumente die gegenteiliges Beweisen, seien Fälschungen. Auch ihre Beziehung zu Goebbels wurde verharmlost – so steht im Urteil geschrieben:

„Der niedrige Haß, mit dem Frau R. Von Goebbels und den Angehörigen des Propagandaministeriums verfolgt wurde, ist ein Beispiel dafür, daß sie nicht einmal in Parteikreisen als Propagandistin des „Dritten Reiches“ anerkannt wurde.“372

Weiteres wurde festgehalten, dass Riefenstahl bereits vor 1933 mehr verdiente als im „Dritten Reich“ und deshalb nicht als „Nutznießerin“ eingestuft werden kann.373 Damit bekam sie das Recht auf ihr Eigentum wieder. Riefenstahl verkaufte die Villa und investierte das Geld in die Fertigstellung von Tiefland. Einem neuen Leben in München stand nun eigentlich nichts mehr im Wege – außer die Gerüchte, die nicht verstummen wollten. Der Schatten ihrer Vergangenheit holte Riefenstahl immer wieder ein.374

4.4 Riefenstahl umstritten bis zuletzt

Der kollektive Freispruch segnete Riefenstahls Verdrängungslügen ab - ihre Darstellungen wurden von Amt zu Amt als „wahr“ erklärt – trotzdem stand ihre Karriere als Filmemacherin nach 1945 unter einem schlechten Stern. Kameraleute, Beleuchter und Techniker, auch Schauspieler, wie z.B. Heinz Rühmann und Hans Albers fanden schnell wieder Arbeit. Auch einige Regisseure, wie z.B. Josef von Baky und Wolfgang Liebeneiner drehten bald wieder Filme. Nur Veit Harlan konnte nicht so schnell wieder arbeiten - er wurde vom Hamburger Schwurgericht wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagt. Wenig später kam er allerdings wieder frei, weil nicht bewiesen werden konnte, dass aufgrund von Jud Süß jüdische Menschen zu Tode gekommen waren.375 Harlan drehte nach seinem Freispruch bis zu seinem Tode in den 60er Jahre weiterhin Filme. Doch Riefenstahl wurde trotz ihrer Freisprüche weitgehend gemieden - nicht nur von AuftraggeberInnen, auch von WeggefährtInnen und alten FreundInnen. Es gibt Stimmen, die sagen, dass ihr das gerecht geschah -

372 Zit. n. Klinkel, 2002, 268.

373 Vgl. Klinkel, 2002, 268.

374 Vgl. Trimborn, 2002, 403 f.

375 Vgl. Klinkel, 2002, 269 f.

108 die vielen Vorwürfe und Fragen nach ihren Verstrickungen mit dem „Dritten Reich“ waren durchaus berechtigt, vor allem, weil sie bis an ihr Lebensende keine Bereitschaft zeigte, sich ihrer Vergangenheit ehrlich zu stellen. Jeder Versuch die NS-Regisseurin mit der Wahrheit zu konfrontieren, stieß auf einen Panzer. Die Tatsache, dass die Verherrlichung der NS-Diktatur durch ihre Filme massiv zum Massenwahn eines Regimes beitrug, das für ein unvergleichbares Verbrechen an Menschen verantwortlich ist, hat Riefenstahl niemals nur als Möglichkeit in Betracht gezogen, auch die Frage nach Mitverantwortung stellte sie sich nie.376 Riefenstahl selektierte ihre Erinnerungen – sie ließ nur jene zu, die ihr Selbstbild einer unpolitischen Künstlerin erlaubte. Zweifellos betrog sie dabei nicht nur sich selbst.

Die Nachkriegszeit der ehemaligen NS-Regisseurin war geprägt von unzähligen Prozessen, die sie führen wollte, um „Gerüchte“ aus dem Weg zu räumen, die Rechte an ihren Filmen und Gewinnbeteiligung zu erstreiten und um ihre „Unschuld“ abermals bestätigen zu lassen.377 Zivilrechtliche Mittel sollten Veröffentlichungen von JournalistInnen, AutorInnen und FilmemacherInnen unterbinden, sofern sie Riefenstahls Ehre verletzten. Sobald erneut Stimmen gegen sie auftauchten, führte Riefenstahl wieder einen Prozess – es wurde für sie zur Notwendigkeit, sich gegen die ständigen Angriffe zur Wehr zu setzen.378 In ihren Memoiren schreibt sie:

„Fast alles, was die Presse über mich an Nachrichten bringt, ist aus der Luft gegriffen, nichts. Aber auch nichts entspricht den Tatsachen. Meine Feinde sind unsichtbar, namenlos, aber sie sind fruchtbar. Ich führe einen verzweifelten Kampf gegen meine Gegner, die mich um jeden Preis vernichten wollen. Aber ich muß diesen Kampf führen, wenn ich leben will.“379

Sie schien unfähig zu begreifen, dass ihre Arbeit für das NS-Regime eine moralische Verantwortung mit sich zog – jede Kritik prallte an ihr ab.

376 Vgl. Trimborn, 2002, 410.

377 Vgl. Trimborn, 2002, 410.

378 Vgl. Trimborn, 2002, 413 f.

379 Zit. n. Riefenstahl, 1987, 479.

109 Kritik am Profitwunsch durch Propagandafilme

Besonders empört zeigt sich die Presse durch Riefenstahls Wunsch auch noch nach 1945 Gewinne durch ihre Filme erzielen zu können. Die Berliner Morgenpost schrieb 1960:

„Leni Riefenstahl hat also den Film Mein Kampf gesehen. Sie ist nicht still nach Hause gegangen und hat sich geschämt. Sie hat sich ihrer glorreichen Stunden an der braunen Kamerakurbel erinnert – und hat kassiert. Schmutziges Geld.“380

Erst 1969 kam es zum Beschluss des Bundesgerichtshofs, dass Triumph des Willens nicht als Riefenstahls Eigentum gilt – die Filmrechte gehörten der Bundesrepublik Deutschland. 381 1974 gelang es ihr dennoch, für Triumph des Willens die gleichen Rechte wie für Olympia zu bekommen – das bedeutete, dass die Filme zwar als Bundeseigentum galten, die Bundesregierung und das Bundesinnenministerium aber nicht alleiniger Rechtsinhaber beider Filme waren. Dabei handelte es sich um eine geheime vertragliche Regelung mit der Firma Transit-Filmvertrieb GmbH, die Riefenstahl 70 Prozent der Gewinne sicherte. Rother erklärt den geheimen Vertrag gegen den Entschluss des Bundesgerichtshofs als politische Bequemlichkeit.382 Heikle Rechtsfragen gingen daher an Leni Riefenstahl-Film oder Transit-Film, die aus „Vertraulichkeit“ keine Auskunft geben konnten.383 De facto verdiente Riefenstahl lebenslang an ihren Propagandafilmen.

Gescheiterte Filmprojekte

Wie umstritten Riefenstahl bis an ihr Lebensende blieb, zeichnete sich auch in den 50er und 60er Jahren deutlich ab. Trotz ihrer Unbedenklichkeitserklärung konnte sie keine neuen Filmprojekte umsetzen – sie konnte keine Financiers oder KooperationspartnerInnen gewinnen. Unzählige Spielfilm- und Dokumentarfilmprojekte scheiterten oder blieben unvollständig. Den Grund dafür, sah Riefenstahl im gezielten Boykott gegen sie – in Wahrheit scheiterte die Regisseurin an sich selbst und den veränderten Produktionsbedingungen, denen sie in der Privatwirtschaft nun ausgesetzt war.384

380 Zit. n. Trimborn, 2002, 416.

381 Vgl. Trimborn, 2002, 418.

382 Vgl. Rother, 2000, 165.

383 Vgl. Trimborn, 2002, 418.

384 Vgl. Trimborn, 2002, 418 f.

110 Die schwarze Fracht, ein Filmprojekt über den Sklavenhandel zwischen Afrika und den südarabischen Ländern, lag Riefenstahl besonders am Herzen – überhaupt galt ihr Interesse ab den 50er Jahren hauptsächlich Afrika. Sie gewann Walter Traut als Koproduzenten, der allerdings nach wenigen Drehmonaten bereits wieder abgesprungen war, weil Riefenstahl das Budget überstrapazierte und das Kostenrisiko bei ihrer Arbeitsweise zu hoch wurde. Das Filmprojekt scheiterte – wie auch die folgenden Filmprojekte. So sehr sie sich auch bemühte, es wollte ihr kein Neubeginn in Deutschland gelingen, ihre Situation schien aussichtslos. So begab sich Riefenstahl auf Flucht vor ihrer Vergangenheit385 und Afrika wurde zum Konstrukt einer neuen Heimat, womit sich auch neue Möglichkeiten ergaben. George Rodger, der Fotograf von der Illustrierten Stern inspirierte sie mit seinem Bild eines Nuba-Stammesmitgliedes zu neuen Karrierechancen. 386

4.4.1 Riefenstahl und die Nuba

Vorbemerkung

Anfang der 60er Jahre gelang es Riefenstahl mit dem Stamm der Masakin-Qisar-Nuba in Kontakt zu treten. Da sie bereits mit Kameras, Belichtungsmessern und Unmengen an Filmmaterial im Gepäck in den Sudan reiste, fällt es auch schwer zu glauben, dass es pure Neugier war, die Riefenstahl lockte – sie witterte vermutlich eine neue Verdienstmöglichkeit. Schließlich verdiente George Rodger viel Geld mit seinen Fotografien.387

Nuba-Bilder als neue Karrierechance

Riefenstahl erreichte die Nuba-Berge zum ersten Mal 1962 – fasziniert von der Fremde, entschied sie mehrere Wochen zu bleiben, die Sprache zu lernen und den Menschen nahe zu kommen. Der Fotografin Riefenstahl gelang es relativ rasch eine Vertrauensbasis zu schaffen und hervorragende Bilder der Stammesmitglieder mit nach Deutschland zu bringen. Aus der Flucht in die Fremde entwickelte sich eine neue Heimat, die sie circa alle zwei Jahre für sechs bis sieben Monate

385 Vgl. Trimborn, 2002, 424-428.

386 Vgl. Trimborn, 2002, 428.

387 Vgl. Trimborn, 2002, 427.

111 besuchte. Eine Zeit lang wollte sie sich sogar ein Rundhaus kaufen und für immer dort mit dem Nuba-Stamm leben – sogar einen Grabplatz hatte sie sich schon gesichert. 1966/67 erschien ihre erste Fotostrecke über die Nuba.388 Die Bilder waren ein großer Erfolg und Riefenstahl erhielt vom sudanischen Staatspräsident Jaafar Mohammed an-Numeiri in Anerkennung ihrer Verdienste die Staatsbürgerschaft verliehen.389 Riefenstahl beteuerte zwar immer, dass sie aus reinem Interesse an den Menschen zurück in den Sudan kehrte – dennoch ermöglichten es ihr die Bilder der Nuba beruflich wieder Fuß zu fassen und als Fotografin durchzustarten. Den ersten Bildband African Kingdom gab der amerikanische Time-Life-Verlag heraus und machte damit große Gewinne – erst dann stieg Deutschland ein und veröffentlichte eine Fotostrecke im Stern unter dem Titel Leni Riefenstahl fotografiert die Nuba – Was noch nie ein Weißer sah. Darauf folgten zahlreiche Veröffentlichungen in verschiedenen Magazinen und Einladungen zu Dia-Vorträgen. 1975 erhielt sie für die „beste fotografische Leistung des Jahres“ die Goldmedaille des Art Directors Club Deutschlands. Ihre folgenden Sudan-Reisen waren vor allem eine Jagd nach neuen Bildern – der Erfolg des zweiten Bildbandes, der 1976 dem Stamm Nuba von Kau390 gewidmet war, wurde in allen wichtigen internationalen Magazinen gefeiert.391 Riefenstahls Fotos vom Nuba-Stamm waren vor allem aufgrund ihres einzigartigen „Hymnus an die Schönheit des menschliches Körpers“392 bekannt geworden.

Zeitgleich zu Riefenstahls 80. Geburtstag folgte den beiden Fotobüchern 1982 der Band Mein Afrika.393

Kritik

Während der erste Band mit Fotografien aus den Jahren 1962-1969 noch dokumentarisches und ethnografisches Interesse spiegelt, ist der zweite Band nur mehr eine Präsentation von „schönen Bildern“, die sich vor allem gut verkaufen ließen.394

388 Vgl. Trimborn, 2002, 429-432.

389 Vgl. Riefenstahl, 1987, 810.

390 Vgl. Riefenstahl, Leni: Die Nuba von Kau. München 1975.

391 Vgl. Trimborn, 2002, 428-432.

392 Zit. n. Trimborn, 2002, 433.

393 Vgl. Riefenstahl, Leni: Mein Afrika. München 1982.

394 Vgl. Trimborn, 2002, 434.

112 Im Bildband African Kingdom zeigt sie Normal- oder Weitwinkelbilder von der Erntearbeit, den traditionellen Rundhäusern, den Arbeitsgeräten, der Viehhaltung und Ernährung, von Musikinstrumenten und Ritualen, weiteres beschreibt sie die Bilder detailliert. 395 Selektiv ist die Auswahl der Informationen, die den Leser/die Leserin erreichen dennoch: Um zu suggerieren, dass die Nuba noch völlig unberührt leben, zeigt Riefenstahl keine Bilder von amtlichen Schulen, die die Nuba-Kinder aber bereits besuchten. Auch die Konflikte zwischen den Nuba-Bauern und den Nomadenstämmen, oder dem Bürgerkrieg, der 1,5 Millionen Sudanesen das Leben kostete, blieb unerwähnt.396 Riefenstahl interessierte sich nicht für die Realität. Für sie brach erst eine Welt zusammen, als sie nach fünf Jahren wieder in das Dorf reiste, in dem der erste Fotoband entstanden ist und sie ihre „edlen Wilden“, in modischen Kleidungsstücken und ohne Körperschmuck wiederfand. Deshalb sah sie sich gezwungen in entlegenere Gebiete der Nuba-Berge vorzudringen, um der westlichen Welt neue Bilder von „Wilden“ liefern zu können. 1974 traf sie auf die Nuba von Kau – unbekleidet, reich an traditionellen Bräuchen und Kulten. Nur hatte sie diese Mal nicht so viel Muse sich auf den Stamm einzulassen, sich ihnen zu nähern und ihr Vertrauen zu gewinnen. Wie im Rausch fotografierte sie z.B. einen Messerkampf, dem sie sich so weit näherte, dass sie sich selbst in Gefahr brachte. Sie ging immer mehr mit Rücksichtslosigkeit an die Stammesmitglieder heran, störte ihre Rituale und Zeremonien, sodass diese teilweise sogar abgebrochen wurden. Um dennoch an die Bilder ranzukommen, arbeitete sie nun mit Teleobjektiven, die die Nähe zum Stamm nur suggerieren, tatsächlich aber nicht bestand. Viele der Fotografien aus dem zweiten Band sind ohne das Einverständnis des Stammes entstanden, wurden aber 1975 in Magazinen weltweit veröffentlicht.397

Bei ihrem zweiten Besuch im entlegeneren Dorf erlebte sie wieder eine Enttäuschung – auch die Nuba von Kau hatten sich verändert. KritikerInnen sagen, dass Riefenstahl durch ihre Bilder zu Veränderungen beigetragen hat, die die alte Stammeskultur der Nuba nachhaltig gefährdeten. Riefenstahl wehrte jeden Vorwurf ab.398

Im Jahr 2000 reiste die nun bereits betagte Riefenstahl das letzte Mal in den Sudan – Ray Müller begleitete sie im Auftrag der Münchner Odeon-Film GmbH, um einen kurzen Dokumentarfilm über die Reise zu machen. Die herzliche Begrüßung des Stammes wurde jedoch von Schüssen und Mörsegranaten aus dem noch immer herrschenden Bürgerkrieg überschattet, weshalb sie den

395 Vgl. Riefenstahl, 1982.

396 Vgl. Trimborn, 2002, 435.

397 Vgl. Trimborn, 2002, 435-438.

398 Vgl. Trimborn, 2002, 438 ff.

113 Besuch umgehend abbrechen mussten. Sie flüchteten mit einem alten russischen Hubschrauber, der nach dem Start abstürzte, aber niemanden das Leben kostete.399 Der Traum von Afrika ging zu diesem Zeitpunkt für Riefenstahl zu Ende und dennoch zählt die Zeit in Afrika für sie zu der glücklichsten Zeit ihres Lebens, wie sie in ihren Memoiren schreibt.400

4.4.1.1 Faschistisches Männerbild

Die Bildbänder zeigen heroische, erotische Prototypen des „edlen Wilden“ in physischer Vollkommenheit – gesund, stark und schön.401 Die amerikanische Feministin und Filmemacherin Susan Sontag schrieb 1975 den legendären Artikel Faszinierender Faschismus zur Veröffentlichung des ersten Bildbandes. Darin kritisiert sie Riefenstahls ästhetisches Verständnis und erklärt die Nuba-Bände als ihren letzten Schritt zur Rehabilitation. Sontag vertrat die Meinung, dass die Bilder hinsichtlich ihrer ästhetischen Perfektion höchst kritisch zu betrachten sind, da sie wesentliche Merkmale faschistischer Osthetik aufweisen und somit auch an die Nazi-Ideologie erinnern. Zwischen den Darstellungen der Nuba und den NS-Männern bzw. dem faschistischen Männerbild allgemein gibt es Sontags Meinung nach eindeutige Parallelen. Riefenstahl zeigt weder alte, kranke oder behinderte Nuba – wie sie auch einst nur stramme, muskulöse und gesunde AthletInnenkörper abbildete. Der Fotografin ging es wiederum nur um die Propagierung des Schönen, Gesunden und Vitalen – wie in ihren Filmen zeigte sie nur das Schöne, nicht aber die das ganze Bild – die Realität. Sontags Kritik an den Fotobüchern stieß auf unterschiedliche RezipientInnenmeinungen, darunter auch auf welche, die Riefenstahls Bildern der Nuba nichts Negatives nachsagen wollten.402 Diese sahen wohl vorerst nur das Bild des schönen, kraftstrotzenden Nuba, nicht aber die Parallele zu ihrer Vergangenheit in einem Regime, das menschenunwürdige Ausgrenzungen vornahm.403 Riefenstahl selbst rechtfertigte ihre Bilder mit ihrem „persönlichem Schönheitsverständnis“, das nichts mit der Nazi-Ideologie zu tun habe – sie kommentierte:

399 Vgl. Trimborn, 2002, 444 f.

400 Vgl. Riefenstahl, 1987, 737.

401 Vgl. Trimborn, 2002, 446.

402 Vgl. Sontag, Susan: Faszinierender Faschismus. In: Elizabeth Hardwick: A Susan Sontag Reader. London 1983, 96-125.

403 Vgl. Trimborn, 2002, 455.

114 „Die sehen eben so aus. Ich hab´das vor der Afrika-Reise gar nicht gewußt. Man könnte die Nuba natürlich auch so aufnehmen, daß ihre Schönheit nicht zur Geltung kommt. Aber dazu bin ich nicht in der Lage.“404

Die Frage nach der Moral stellte sich Riefenstahl nicht – weder bzgl. der Propaganda, die sie für das „Dritte Reich“ machte, noch für die entkontextualisierte Darstellung des Nuba-Stammes.

Ewige Diskussion um Riefenstahl

Die Diskussion über Riefenstahls Nachkriegsarbeiten verstummten nicht. Die Tatsache, dass viele in Riefenstahl eine Künstlerin sahen, deren Arbeit nach 1945 nur eine Fortsetzung der Nazi- Ideologie war, war ein Grund dafür, warum es für Riefenstahl unmöglich war, sich von der Vergangenheit zu distanzieren und sich neu zu definieren. Ob es ihr trotz ihres Stiles und Schönheitsverständnisses gelungen wäre, weiß man nicht. Man kann aber mit Gewissheit sagen, dass Riefenstahl weit weg von einer wirklich moralischen Neuorientierung war – durch ihre ewigen Unschuldsbeteuerungen inszenierte sie sich selbst zu einer Symbolfigur der verdrängten Vergangenheit.405

Neben all den KritikerInnen gab es VerfechterInnen, die mit Riefenstahl wesentlich milder umgingen und sich für eine künstlerische Rehabilitation von ihr einsetzten. Doch weder das Bild der „Ewiggestrigen“ noch das Bild der „unpolitischen Künstlerin“ ist wirklich treffend – so einfach kann man es sich nicht machen. Dennoch zeigt eine nähere Beschäftigung mit ihrer Biographie, dass die Art und Weise, wie sie ihre Karriere im „Dritten Reich“ vorantrieb, welche Privilegien sie durch Hitler und das Regime genoss, welche Forderungen sie stellte und wie sie Menschen aus dem Weg räumen ließ, die ihr unbequem wurden, in höchstem Maße moralisch verurteilenswert und gewissenlos war. Ihre Begabung bleibt unumstritten, doch bedauernswerter Weise glorifizierte Riefenstahl mit ihren propagandistischen Filmen die faschistische Selbstdarstellung ihres Idols Adolf Hitler und nahm nie wirklich Distanz dazu.406

404 Zit. n. Trimborn, 2002, 448.

405 Vgl. Trimborn, 2002, 449-452.

406 Vgl. Trimborn, 2002, 449-455.

115 4.5 Biographische Ergänzungen

Nach ihrer letzten Reise in den Sudan und der Veröffentlichung der Nuba-Aufnahmen widmete sich die bereits betagte Riefenstahl in den 70er Jahren ihrer neuentdeckten Leidenschaft fürs Tauchen. Sie arbeitete an Techniken für „perfekte“ Unterwasseraufnahmen und publizierte 1978 ihren Fotoband Korallengärten mit Bildern aus tropischen Gewässern.

1982 wurden in der Fernsehdokumentation Zeit des Schweigens und der Dunkelheit im Westdeutschen Rundfunk (WDR) die Tiefland-Vorwürfe gegen die Regisseurin wieder aktuell. Aufgrund der Beweislage gelang es ihr nicht mehr sich gegen die Vorwürfe zu wehren. In den Medien wurde daraufhin eine breite Diskussion über ihre Rolle im Nationalsozialismus geführt.

1987 veröffentlichte Riefenstahl ihre Memoiren, in denen sie eine Komplizinnenenschaft mit dem NS-Regime unter Hinweis auf ihre rein künstlerische Motivation bei den Propagandafilmen abstreite. Die Publikation wurde in neun Sprachen übersetzt und wurde trotz heftiger Kritik ein großer Verkaufserfolg.

1990 erscheinten erneut Unterwasserfotografien - der Fotoband Wunder unter Wasser wurde veröffentlicht.

1992/93 wirkte Riefenstahl an der Filmbiographie Die Macht der Bilder über ihr eigenes Leben mit. Der Film wird u.a. im deutschen Fernsehen gezeigt und erhält beste Kritiken. Er wurde mit dem Fernseh-Oscar "Emmy" ausgezeichnet und im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt.

1996 führte das Kölner Schauspielhaus eine choreographierte Version ihrer Biographie auf.

1996/97 zeigte man in Mailand und Rom eine umfassende Werkschau von Riefenstahls Arbeiten.

1997 wurde Riefenstahl von der Filmvereinigung Cincecon eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk verliehen. Die umstrittene Ehrung wird von großem Applaus, aber auch deutlicher Ablehnung im Publikum begleitet.

1999 Eröffnung der Ausstellung über ihr Lebenswerk im Filmmuseum Potsdam.

Am 8. September 2003 starb Leni Riefenstahl in Pöcking am Starnberger See im Alter von 101 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Sie wurde in München begraben.

Quelle, aus der die biografischen Daten stammen:407

407 Vgl. http://www.dhm.de/lemo/biografie/leni-riefenstahl, {1.4.2015}.

116 Teil D Didaktische Umsetzung im Geschichtsunterricht

5. Der Dokumentar- und Propagandafilm als Bildungsmittel und Vermittlungsform

Die Analyse von Dokumentar- und Propagandafilmen bei denen es darum geht, den SchülerInnen (SuS) spezifische Informationen zu vermitteln, bietet für den Geschichtsunterricht bedeutende Möglichkeiten. Dafür bedarf es keiner umfangreichen Begründung. Der Film ist bekannt, als Medium, das Freude macht und meist ansprechender ist als Texte. Es ist ein ästhetisches Erlebnis, das SchülerInnen auf mehreren Ebenen ansprechen und berühren kann. Insbesondere dann, wenn ein Film zumindest den Eindruck erweckt, die Wirklichkeit möglichst objektiv abzubilden oder gar zu enthüllen. Er suggeriert damit einen höheren Wahrheitsgehalt, sowie einen höheren Grad an Authentizität und steigert damit das Interesse der SchülerInnen. Die starke Wirkung von Dokumentar- und Propagandafilmen wird vermutlich u.a. dadurch erreicht, dass das Bildmaterial aus Original- bzw. Archivaufnahmen stammt. Der Schwerpunkt des Dokumentar- und Propagandafilms wird allerdings durch Themen- und Materialauswahl sowie Gewichtung und Bewertung der präsentierten Fakten stark subjektiv. Kein Film ist frei von Fiktion und subjektiver Interpretation. Wird der Schwerpunkt der Filmanalyse in den Bereich der filmischen Gestaltung gelegt, sollten die gestalterischen Mittel erkannt werden können, mit denen die Realität manipuliert wiedergegeben wurde - die suggerierte Objektivität sollte hinterfragt und der Materialauswahl und -aufbereitung zugrundeliegende Intention geprüft werden.408

5.1 Der Propagandafilm im Unterricht

Der Propagandafilm bietet im Geschichtsunterricht ein besonderes Potenzial, da er klare politische Intentionen verfolgt. Propaganda ist nicht rational, sondern emotional und suggestiv– sie wirkt über unbewusste Mechanismen. Daher ist es wichtig, die Botschaft des

408 Vgl. Straßner, Veit: Filme im Politikunterricht. Wie man Filme professionell aufbereitet, das filmanalytische Potenzial entdeckt und Lernprozesse anregt – mit zehn Beispielen. Schwalbach 2013, 11 f.

117 Films herauszuarbeiten und die deren Ideologie zu identifizieren.409

Selektion, Akzentuierung und Kombination sind die drei Grundprinzipien der gestalterischen Bearbeitung dokumentarischen Filmmaterials. Die Manipulation ist bereits bei den Aufnahmen möglich - in weiterer Bearbeitung des Materials u.a. durch Schnitt, Onderungen der Sequenzabfolge, Vertonung und der Ergänzung von Kommentaren. Eine objektive Darstellung des Gegenstandes wird nur vorgetäuscht.410

Die Botschaft des Films ist neben dem inhaltlichen Handlungsablauf weiters von der Form, der filmischen Gestaltung, wie Montage, Perspektive, Kameraaktivität, Handlungsachsen, Beleuchtung, Toneinsatz, etc. abhängig. Die Aussagen an sich, entwickeln sich sukzessiv – Assoziationen, Gefühle und Stimmen werden meist erst im Filmverlauf evoziert und nicht zu jedem Zeitpunkt eindeutig entschlüsselt und wahrgenommen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll den Dokumentarfilm vor allem auf seine Wirkungskomplexität hin zu untersuchen411 und von der Vermittlung von fachspezifischen Kompetenzen abgesehen, den Aufbau einer kritischen Medienkompetenz als Unterrichtsziele durch den Einsatz von (Propaganda)-Filmen zu fokussieren. Die Vermittlung von Sach- und Orientierungswissen über politische und gesellschaftliche Phänomene ist ein wesentlicher Teil des politischen Lernens. Das Medium Film bietet Möglichkeiten, komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu veranschaulichen.412

5.2 Methodische Überlegungen zur Vermittlungsform Dokumentar- Propagandafilm

Die Arbeit mit Filmen im Unterricht erfolgt idealerweise auf zwei Ebenen: zum einen auf der Inhaltsebene und zum anderen auf der medien- und filmdidaktischen Ebene – beide haben politikdidaktische Relevanz, da die Untersuchung von Filmen mit politischem Inhalt selbst

409 Vgl. Straßner, 2013, 13.

410 Vgl. Silbermann, Alphons/Schaaf, Michael/Adam, Gerhard: Filmanalyse. Grundlagen – Methoden – Didaktik. München 1980, 116.

411 Vgl. Korte, Helmut/Faulstich, Werner: Filmanalyse interdisziplinär. Beiträge zu einem Symposium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Göttingen 1988, 170 f.

412 Vgl. Straßner, 2013, 16 ff.

118 Politikdidaktik ist. Die konkrete Methodik des Umgangs mit Filmen im Unterricht hängt von der jeweiligen Schwerpunktsetzung ab.413

Die Zielsetzung einen Propagandafilm auf höherer Ebene zu reflektieren, strebt es an, sowohl die Aussageintention des Films zu hinterfragen, als auch politische Tendenzen und Ideologien zu erkennen. Damit einher geht eine weitere Zielsetzung: der Aufbau bzw. die Erweiterung von Medienkompetenz, durch die die Wirkung des Films auf den/die BetrachterIn thematisiert werden kann. Die Filmanalyse und Untersuchung der Wirkung des Films stellt den methodische Schwerpunkt zur Zielsetzung dar – die filmanalytische Arbeit erfordert daher eine vertiefende Auseinandersetzung mit einzelnen Filmausschnitten bzw. Szenen.414 Es empfiehlt sich in einer Doppelstunde Sequenzen bis zu max. 50 Minuten zu zeigen.415 Sofern ausreichend Zeit besteht, z.b. bei Projekttagen, hat eine Ganzsichtung des Films/der Filme auch ihre Vorteile, da die gesamte Ausdrucksform als Gesamtkomposition zur Geltung kommt. Doch neben dem nachteiligen Zeitaufwand einer Ganzsichtung steht auch noch die Komplexität und Informationsfülle als enorme Herausforderung. Die Verwendung einzelner Szenen und Filmausschnitte hingegen bietet die Möglichkeit einer vertiefenden inhaltlichen und filmischen Auseinandersetzung, in der SchülerInnen einen detaillierten Blick in Schlüsselszenen werfen und diese analysieren können. 416 Um der Gefahr zu entgehen, dass SchülerInnen der Gesamtzusammenhang fehlt und sie das Gesehene nicht einordnen können, ist es zu empfehlen, im Vorfeld Hilfestellungen zum Film zu geben. Jedenfalls ist es wichtig deutlich zu machen, dass der Film ein Medium ist, mit dem im Unterricht gearbeitet wird und nicht zum „Konsum“ gedacht ist.417

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Klärung der affektiven Wirkung des Films, um die rationale Auseinandersetzung mit dem Film nicht zu überlagern. Filme haben ein besonders großes emotional-affektives Potenzial und eine enorme Wirkungskraft, daher ist es wichtig, dass sich SchülerInnen ihrer Emotionen bewusst werden und diese auch äußern. Methodisch kann dies durch spontane Oußerungen geschehen oder durch Fragen und Arbeitsaufträge. Wichtig ist es weiters, dass analysiert wird, wodurch diese Emotionen ausgelöst wurden.418

413 Vgl. Straßner, 2013, 19 f.

414 Vgl. Straßner, 2013, 20.

415 Vgl. Straßner, 2013, 25.

416 Vgl. Straßner, 2013, 20 f.

417 Vgl. Straßner, 2013, 25.

418 Vgl. Straßner, 2013, 21 ff.

119 Als Sozialform für die Filmanalyse wird der Wechsel von Plenums- und Kleingruppenarbeit empfohlen. Im Mittelpunkt der Plenumsarbeit soll dabei der Vortrag des Lehrenden, die Auswertung der Arbeitsergebnisse der Kleingruppen und die Rezeption des Analysefilms stehen. Beide Sozialformen sollten Bestandteil jedes Vermittlungsverfahrens im Bereich der Filmanalyse sein – deren Verhältnis sollte 30 % zu 70 % betragen.419

5.2.1 Methoden zur Versprachlichung von Eindrücken und Emotionen

Im Anschluss an die Sichtung der ausgewählten Filmsequenzen ist es sinnvoll, den SchülerInnen Raum für freie Meinungsäußerungen zu geben, in denen ungeleitet gewonnene Eindrücke geäußert werden können. Die Methode des „Blitzlichtes“ fordert jeden Schüler/jede Schülerin dazu auf einen Kommentar im Plenum zu teilen; ausführlichere Redebeiträge fordert die Methode „Plenumsgespräch“, durch die ebenfalls Emotionen und Eindrücke verbalisiert werden sollen. 420

5.2.2 Analytisch orientierte und filmdidaktische Methode

Zur vertiefenden Auseinandersetzung mit einem, oder auch zwei Filmen zum Vergleich, sind filmanalytische Arbeits- und Beobachtungsaufträge für die SchülerInnen unerlässlich – von Vorteil sind arbeitsteilige Aufträge, sodass die SchülerInnen nur wenige Aspekte im Auge behalten müssen und im Anschluss mit den anderen SuS teilen.421

419 Vgl. Silbermann/Schaaf/Adam, 1980, 122 f.

420 Vgl. Straßner, 2013, 27.

421 Vgl. Straßner, 2013, 27 ff.

120 5.3 Was sollen die SchülerInnen nach der Unterrichtseinheit kEnnen?

1. Wissen

Ziel 1 / Zum einen sollen die SchülerInnen nach der Unterrichtseinheit von 2 Stunden die NS- Filmpropaganda zeitlich einordnen und Propaganda als Begriff erklären können. Weiteres sollen die SchülerInnen die Bedeutung der Propaganda für den NS-Staat nach Hitlers Absichten und Goebbels Medienwahl „Film“ für Propaganda untersuchen und herausarbeiten.

Ziel 2 / Zum anderen sollen die SchülerInnen durch vertiefende Sichtung ausgewählter Filmsequenzen inhaltliches Wissen über die Propagandafilme Triumph des Willens und Olympia wiedergeben können.

Ziel 3 / Der Schwerpunkt der Unterrichtseinheit liegt in der vertiefenden Auseinandersetzung mit den Filmsequenzen, nach deren Sichtung die SchülerInnen Aspekte der NS-Filmpropaganda selbstständig analysieren kEnnen und deren manipulative Wirkung bewerten können.

Im Anschluss sollen die SuS den Umgang Riefenstahls mit ihrer NS-Zeit diskutiert werden.

2. Kompetenzen

Durch die intensive Beschäftigung mit den nationalsozialistischen Propagandafilmen Triumph des Willens und Olympia sollen SchülerInnen die historischen Quellen auf hEherer Ebene reflektieren können und sowohl die Aussageintention des Films hinterfragen, als auch politische Tendenzen und Ideologien erkennen. Durch die filmanalytische Arbeit soll die Medienkompetenz der SuS, hinsichtlich manipulativer Aspekte im Medium Film erweitert werden und eine Sensibilisierung stattfinden, die im Alltag ihre Wirkung zeigt.

121 5.4 Materialübersicht über die politikdidaktische und filmanalytische Erschließung der Propagandafilme Riefenstahls

1. Stundenbild für 2 Unterrichtseinheiten zu je 50 Minuten

2. Arbeitsblätter:

AB 1 a) aktuelle Definition Propaganda b) zum Propagandavorhaben von A. Hitler c) zur Medienwahl Film für NS-Propaganda von J. Goebbels

AB 2: zur kategorischen Filmanalyse (Leitfragen und Sehhilfen)

AB 3: Zitate von Riefenstahl

122 Kurzinformation zur Unterrichtsplanung

In dieser Unterrichtseinheit werden sich die SchülerInnen mit Leni Riefenstahl als Kunstschaffende und Propagandistin des „Dritten Reiches“ beschäftigen. Die Propagandafilme der NS-Regisseurin stehen im Mittelpunkt der Unterrichtseinheit.

Thema Der dokumentarische Propagandafilm im Nationalsozialismus am Beispiel von Leni Riefenstahls Triumph des Willens und Olympia

Fach Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung

Zielgruppe Gymnasium Unterstufe/Oberstufe/Erwachsenenbildung

Zeitumfang Min. 2 UE (UE ausbaubar)

Technische Computer mit Internetzugang, Beamer, Audioanlage Voraussetzung

Voraussetzungen keine Voraussetzungen notwendig,

außer Unterrichtssprache Deutsch bzw. Englisch; Basiswissen über den 2. Weltkrieg von Vorteil

123 1. Stundenbild

(für 2 Unterrichtseinheiten zu je 50 Minuten )

Zeit Inhalte Methoden Ziele Materialien

Was? Wie? Warum? Worauf muss ich achten?

3´ Begrüßung Mündlich, frontal Kontakt Tafelbild bzw. Folie mit herstellen „NS-Filmpropaganda“

7´ Einführung kurzes Ziel 1 Arbeitsblatt 1a) Brainstorming im Begriff „Propaganda“ erklären, NS- Definition „Propaganda“ Plenum

10´ Vertiefung: Lektüre & Aufgabe Einzelarbeit Ziel 1 Arbeitsblatt 1b, 1c

Bedeutung der Propaganda für den NS- ½ der Klasse Staat; Propagandastandarde laut Hitler arbeitet mit AB 1b und Goebbels Medienwahl „Film“ für ½ der Klasse Propaganda untersuchen und arbeitet mit AB 1c herausarbeiten.

5-10´ Reflexion: Plenum Ziel 1

Plenumsgespräch über Lektüreimpulse

3´ NS-Filmpropaganda zeitlich einordnen Mündlich, frontal Ziel 1 Folie mit wichtigsten Daten

5´ Input: Mündlich, frontal Neugierde Folie mit Bild der schaffen Regisseurin und Informationen über die Regisseurin Ziel 2 Filmplakaten Riefenstahl und wesentliches Inhaltliches über die Propagandafilme Triumph des Willens und Olympia

10´ Vertiefung: Ausschnitt des Ziel 2 Filmsequenz von Propagandafilms Triumph des Willens Sichtung ausgewählter Filmsequenzen online

(2 Ausschnitte zu je ca. 5 min)

Pause: Ende erster Einheit

124 5-10´ Reflexion mit Blitzlichtmethode Plenum Ziel 2 Jeder/Jede bekommt Raum um Eindrücke und Gedanken zu teilen. Besprechung der Inhalte der Filmsequenzen

20´ Vertiefung: Die Klasse wird in 4 Ziel 3 AB 2: (Leitfragen und Gruppen geteilt, die je Sehhilfen) Vertiefende Auseinandersetzung mit spezifische weiteren Filmsequenzen mit Hilfe der Beobachtungsaufgaben erhalten. kategorischen Filmanalyse

10´ Reflexion & Zusammenfassung: Plenum Ziel 3

SuS präsentieren der Klasse die Ergebnisse ihrer Beobachtungsaufgaben

10´ Diskussion: Plenum Ziel 3 Impuls-Zitate von Riefenstahl über den Umgang Riefenstahls mit ihrer NS-Zeit

125 Arbeitsblatt 1

1 a) aktuelle Definition „Propaganda“

Definitionen:

Propaganda (von lateinischen propagandae„weiter ausbreiten, ausbreiten, verbreiten“) bezeichnet einen absichtlichen und systematischen Versuch, öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zum Zwecke der Erzeugung einer vom Propagandisten erwünschten Reaktion zu steuern. Dies im Gegensatz zu Sichtweisen, welche durch Erfahrungen und Beobachtungen geformt werden.

(Wikipedia, 14. April 2015)

Propaganda ist die systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen .

(Duden, 14. April 2015)

1 b) Propagandamerkmale

Aufgabe zur Lektüre: Finden Sie heraus, was Hitler für wirkungsvolle Propaganda hält

„Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sich sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe umso tiefer zu stellen sein je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll. {…}

Je bescheidener dann ihr wissenschaftlicher Ballast ist, und je mehr sie ausschließlich auf das Fühlen der Masse Rücksicht nimmt, umso durchschlagender der Erfolg. Dieser aber ist der beste Beweis für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Propaganda und nicht die gelungene Befriedigung einiger Gelehrter oder ästhetischer Jünglinge.

Gerade darin liegt die Kunst der Propaganda, dass sie die gefühlsmäßige Vorstellung der großen Masse begreifend, in psychologisch richtiger Form den Weg der Aufmerksamkeit und weiter zum Herzen der breiten Masse findet. Dass dies von unseren Neunmalklugen nicht begriffen wird, beweist nur deren Denkfaulheit oder Einbildung.

Versteht man die Notwendigkeit der Einstellung der Werbekunst der Propaganda auf die breite Masse, so ergibt sich weiter schon daraus folgende Lehre: Es ist falsch, der Propaganda die Vielseitigkeit etwa des wissenschaftlichen Unterrichts geben zu wollen.

Die Aufnahmefähigkeit der großen Massen ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergesslichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und dies schlagartig so lange zu vertreten, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag. Sowie man diesen Grundsatz opfert und vielseitig werden will, wird man die Wirkung zum Zerflattern bringen, da die Menge den gebotenen Stoff weder zu verdauen noch zu behalten vermag. Damit aber wird das Ergebnis wieder abgeschwächt und endlich aufgehoben.“

(Hitler, Adolf: Mein Kampf. München 1936, 220-224, zitiert nach: B. Hey u.a.: Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Stuttgart 1992, 167 f.

126 1 c) zur Medienwahl Film für NS-Propaganda von J. Goebbels

Aufgabe zur Lektüre:

Untersuchen Sie, inwiefern der Film für Goebbels´ Propaganda ein adäquates Medium darstellt

{…} Der Film ist damit kein bloßes Unterhaltungsmittel, er ist ein Erziehungsmittel; und die, die ihn führen, scheuen sich heute auch gar nicht, zuzugestehen, daß er eine Tendenz zu besitzen habe, allerdings eine staatsmoralische Tendenz, die Tendenz ein Volk für die Durchsetzung seiner Lebensansprüche mit zu befähigen und zu erziehen. Das kann er auch im Wege der Unterhaltung manchmal machen. Auch Unterhaltung kann zuweilen die Aufgabe haben, ein Volk für seinen Lebenskampf auszustatten, ihm die in dem dramatischen Geschehen des Tages notwendige Erbauung, Unterhaltung und Entspannung zu gehen. Das aber bloß nebenbei! Das heißt: Der Film hat heute eine staatspolitische Funktion zu versehen. Er ist ein Erziehungsmittel des Volkes. Dieses Erziehungsmittel gehört – ob offen oder getarnt ist dabei ganz gleichgültig – in die Hände der Staatsführung, denn die Staatsführung ist vor allem verantwortlich für die Führung des Volkes, die Durchsetzung seines nationalen Schicksals und Interessenskampfes. {…}

Allerdings ist es dabei sehr ratsam, diese pädagogische Aufgabe zu verschleiern, sie nicht sichtbar zutage treten zu lassen, nach dem Grundsatz zu handeln, daß wir die Absicht nicht merken sollen, damit man nicht verstimmt wird. Das ist also die eigentlich große Kunst, zu erziehen, ohne mit dem Anspruch des Erziehers aufzutreten, daß sie zwar eine Erziehungsaufgabe vollführt, ohne daß das Objekt der Erziehung überhaupt merkt, daß er erzogen wird, wie ja die das überhaupt auch die eigentlich Aufgabe der Propaganda ist. {…}

Die Filmkunst ist keine Kunst für ein paar tausend Gebildete, sondern eine Kunst für das Volk, und zwar für das Volk bis zu seinem primitivsten Regungen. Er appelliert nicht an den Verstand, nicht an die Vernunft, sondern an den Instinkt. Er ist eine sinnliche Kunst insofern, als er in der Hauptsache das Auge durch {sic!} das Ohr anspricht, im elementarsten Sinne den menschlichen Organismus, d.h. also, er hat die Möglichkeit, in die Breite zu wirken und is zum letzten Mann im letzten Dorf vorzudringen.

(Rede anlässlich der Kriegstagung der Reichsfilmkammer am 15.02.1941 in Berlin; zitiert nach Arbeitsmaterial zum nationalsozialistischen Propagandafilm: JUD SÜSS. Herausgegeben von der Friedrich-Wilhelm-Maumau-Stiftung: Zusammenstellung und Text: Dr. Gerd Albrecht. CD-Rom, 41-46)

127 2. Arbeitsblätter zur kategorischen Filmanalyse

Aufgabe

Folgende Kategorien nach Straßner und Schultz sollen Ihnen helfen, zentrale Themen des Propagandafilm zu erfassen und ihre Hintergründe zu beleuchten. Schauen Sie die Filmausschnitte aus Triumph des Willens und Olympia an und betrachten Sie die Details. Machen Sie sich Notizen zu den einzelnen Punkten ihres Analyseauftrages.

1. Das dramaturgische System

Es wird eine Szenerie aufgebaut, in der sich die Personen bewegen. Im Dokumentarfilm ist diese Szenerie real.

Situationsanalyse

Haupt- und Unterkategorien MEgliche Erschließungs- oder Leitfragen

Beteiligte, AkteurInnen, Wer gehört zu den Beteiligten oder AkteurInnen? Wer handelt selbst, wer ist Betroffene von Aktionen Anderer betroffen?

- Personifizierung Stehen bestimmte einzelne Personen im Vordergrund? Warum?

- Interesse Welche Interessen verfolgen die Beteiligten?

- Ideologien und Welche Weltsichten, Wertvorstellungen und Vorstellungen einer politischen Ordnungsvorstellungen und gesellschaftlichen Ordnung motivieren das Handeln der Akteure?

- Macht Wem wird eine besondere Machtposition zugeschrieben?

- Gruppenauftreten Treten die Akteure individuell oder kollektiv auf? Teilen sie Weltsichten und Wertvorstellungen?

Bewertung und Urteilsbildung

Haupt- und Unterkategorien MEgliche Erschließungs- oder Leitfragen

Grundwerte/-rechte Sind die Ideologien mit dem Konzept der Menschenwürde vereinbar? Werden die Menschenrechte gewahrt?

- Freiheit Dienen die Maßnahmen der Herstellung möglichst umfassender Freiheit?

128 - Gerechtigkeit Spiegelt die Situation Gerechtigkeit?

- Gleichheit Besteht Gleichheit zwischen den Menschen?

Politische Werte/Rechte Wie sind die Aktionen vor dem Hintergrund zentraler politischer bzw. bürgerlicher Rechte und Werte zu beurteilen?

- Gemeinwohl Sind die Aktionen am Gemeinwohl orientiert? Oder stehen Partikularinteressen im Mittelpunkt?

- Partizipation Welche Möglichkeiten der aktiven politischen Teilhabe bieten sich? Für wen? Mit welchen Partizipationsformen?

- Legitimation Wie sind die Akteure, wie ihre Entscheidungen legitimiert?

2. Das fotografische System

Zur Erstellung eines Films wird die Szenerie beleuchtet und von einer Kamera mit bestimmter Einstellungsgröße aufgenommen.

Analyse der Bildebene: Gestaltung vor der Kamera

Haupt- und Unterkategorien MEgliche Erschließungs- oder Leitfragen

Präsenz im Bild Wie ist die spezifische Positionierung von Figuren und Gegenständen im Film zu deuten?

- Bildverhältnisse Wie ist das Verhältnis von dem, was oft und selten gezeigt wird?

Wie wirkt die Gewichtung innerhalb des Bildes?

- Figurenpositionen Wo im Bildraum werden die Haupt- und Nebenfiguren positioniert?

Lichtgestaltung Schafft das Licht im Film eine bestimmte Atmosphäre?

- Lichtkontrast Gibt es Hell-Dunkel-Unterschiede?

Ist eine Lichtsymbolik erkennbar?

Kameraperspektiven Wie stehen folgende Perspektiven im Verhältnis zueinander?

129 Normalperspektive, Unterperspektive, Oberperspektive

- Einstellungsgrößen Weit (Landschaftsausnahme), Totale (gesamte Szenerie), Halbtotale (Hausfront), Halbnah (Menschengruppe), Nah (Einzelperson), Groß (Porträt), Ganz-Groß (Gesicht), Detail (Auge).

- Einstellungsdauer Wie lange dauern einzelne Einstellungen circa?

3. Das musikalische System

Beim Ton im Film handelt es sich um gesprochene Sprache, Musik und Geräusche, die aufeinander abgestimmt sind und sich häufig überlappen.

Analyse der Tonebene:

Haupt- und Unterkategorien MEgliche Erschließungs- oder Leitfragen

Beziehung Bild und Ton In welcher Beziehung stehen Bild und Ton zueinander?

- Gesprochene Sprache Wie wird gesprochene Sprache eingesetzt und welche Funktion hat sie?

Wie ist die Sprechweise der Figuren?

Gibt es einen Kommentator/eine Kommentatorin?

- Geräusche Werden Geräusche verwendet? Welche Wirkung erzielen sie?

- Musik Wie und mit welcher Wirkung kommt Musik zum Einsatz?

130 AB 3: Zitate Riefenstahl

„Seine rassistischen Ideen lehnte ich ohne Einschränkung ab, deshalb hätte ich auch nie in die NSDAP eintreten können, seine sozialistischen Ideen begrüßte ich. {…} Die Rassenlehre, so glaubten damals viele, sei nur eine Theorie und nichts als Wahlpropaganda.“ (Zit. n. Riefenstahl, Leni: Memoiren, 1987, 153.)

„Mit allen anderen Parteifunktionären hatte ich keinerlei Kontakt, ich sah sie nur gelegentlich bei offiziellen Veranstaltungen. Ich habe nie eine Einladung von einem Parteifunktionär erhalten, und wenn, ich hätte jede von ihnen zurückgewiesen.“ (Zit. n. American Intelligence Report on Leni Riefenstahl from the 30. 05. 1945. Institut für Zeitgeschichte, München 1945, 3.)

„ {…} es hat mich empört und beschämt, als ich im Herbst 1942, aus den Dolomiten kommend, in München das erste Mal sah, wie jüdische Menschen einen gelben Stern tragen

mußten.“ (Zit. n. Riefenstahl, leni: Memoiren 1987, 295.)

„Immer erwarten sich die Leute von mir ein Schuldbekenntnis {…} Über meine Lippen ist nie ein antisemitisches Wort gekommen, auch nicht geschrieben. Ich war niemals antisemitisch, darum bin auch nicht in die Partei eingetreten. Also, wo liegt denn meine

Schuld?“422 (Zit. n. Riefenstahl, Leni: Die Macht der Bilder. Zweites Deutsches Fernsehen. 1993).

Fast alles, was die Presse über mich an Nachrichten bringt, ist aus der Luft gegriffen, nichts. Aber auch nichts entspricht den Tatsachen. Meine Feinde sind unsichtbar, namenlos, aber sie sind fruchtbar. Ich führe einen verzweifelten Kampf gegen meine Gegner, die mich um jeden Preis vernichten wollen. Aber ich muß diesen Kampf führen, wenn ich leben will.“ (Zit. n. Riefenstahl, Leni: 1987, 479.)

422 Zit. n. Riefenstahl, Leni: Die Macht der Bilder. Zweites Deutsches Fernsehen. 1993.

131 5.5 Reflexion Unterrichtseinheit

Die folgende Reflexion soll der Optimierung der geplanten Unterrichtseinheit dienen und basiert auf einer durchgeführten 2stündigen Unterrichtseinheit am Abendgymnasium Adolf-Pichler- Gymnasium. Dazu wird reflektiert, was bei der Planung in der Ausführung gut umgesetzt werden konnte bzw. was weniger gut umgesetzt werden konnte und warum.

Einführung

Die Planung sah vor, sich dem Beim Brainstorming nannten die SchülerInnen bereits Begriff „Propaganda“ durch ein wichtige und vielfältige Aspekte, die im direkten Brainstorming und mehrere Zusammenhang mit dem Begriff „Propaganda“ stehen. allgemeine Dadurch ließ sich ihr Zugang und Wissensstand zum Thema Definitionsmöglichkeiten zu ungefähr abschätzen und die Einführung flexibel nähern. umgestalten. Für den Fall, dass von den SuS kaum Schlagworte zum Thema gekommen wären, hätte ich die Einführung von meiner Seite aus input-reicher gestaltet – da die SuS aber bereits mit dem Begriff arbeiten konnten, war dies nicht notwendig. Die Zeit konnten wir anstelle dessen für Fragen nutzen und in Diskussion gehen.

Es hat sich bewährt ihnen verschiedenen Definitionen zum Begriff Propaganda, die jeweils unterschiedliche Aspekte ansprechen, anzubieten.

Insgesamt gelang durch die geplante Einführung ein interessanter Austausch und eine gute Arbeitsbasis.

Vertiefung I: Lektüre & Aufgabe

Teil I der Vertiefung sah eine Die Texte hatten eine gute Länge, d.h. sie waren nicht zu Auseinandersetzung mit einem lang und auch inhaltlich für die Arbeitsaufgabe gut gewählt. Auszug aus Hitlers „Mein Da die SuS aber bereits Vorwissen hatten, hätten die Texte Kampf“ und einem Auszug aus für diese Klasse evtl. auch länger sein können - die

132 einer Rede von Joseph Arbeitsaufgaben lösten sie leicht und schnell. Der Plan sah Goebbels vor – mit dem Ziel es vor, dass die Klasse geteilt wird und je eine der Vertiefung in das Thema. Arbeitsaufgabe gelöst wird – da die Klasse aber relativ klein war, entschied ich, dass alle SuS beide Arbeitsaufgaben lösen sollten und sie sich somit einen differenzierten Zugang zum Thema verschaffen konnten.

Reflexion

Plenumsgespräch über Der Austausch im Plenum war interessant und Lektüreimpulse wortmeldungsreich.

Input I

Zeitliche Einordnung der NS- Da ich nicht viel von einem fragengeleiteten Unterricht halte, Filmpropaganda; frontal denke ich, dass sich der kurze frontale Input über die zeitliche Einordnung der Filmpropaganda bewährte. Fragen von den SuS dazu habe ich aufgegriffen und versucht in die Diskussion einzubauen.

Input II

Informationen zu Leni Die Reduktion auf die wichtigsten biographischen Daten Riefenstahl und die über L. Riefenstahl und ihren Zugang zur NS-Elite ließen Parteitagstriologie & Olympia I mehr Zeit um über die Propagandafilme zu sprechen und & II; frontal durch PPP darüber zu diskutieren. Leider blieb keine Zeit um über die unterstützt Filmplakate zu sprechen – im Nachhinein sehe ich das als verlorene Chance, um einen weiteren Zugang zum Thema zu finden. Die Arbeit mit den Filmplakaten hätte die Unterrichtseinheit bereichert, allerdings wäre es in diesem zeitlichen Rahmen nur sehr begrenzt möglich gewesen.

Vertiefung II: Sichtung Filmsequenzen

Aufgabe der inhaltlichen Die ausgewählten Filmsequenzen veranschaulichen das Analyse Propagandavorhaben der Regisseurin, von daher sind sie gut gewählt; auch andere Ausschnitte bieten sich durchaus an;

133 beide Filmausschnitte könnte man auch nur zur Hälfte zeigen (d.h. jeweils 3-4 Minuten), da sich der Inhalt im Ausschnitt wiederholt; dem Feedback einer Schülerin entnehme ich und da bin ich völlig ihrer Meinung, dass es hilfreich wäre die Filmversion mit den Untertiteln zu wählen, da das Gesprochene (insbesondere bei den Reden) beim ersten Mal schwer zu verstehen ist.

Der Arbeitsauftrag zur inhaltlichen Analyse ist nicht auf der Ebene des Inhalts geblieben; auch Gestaltungselemente wurden genannt und Fragen gestellt – aufgrund der knapp bemessenen Zeit sollte der Arbeitsauftrag konkreter und evtl. auch schriftlich formuliert werden, da sonst mehrere Ebenen ineinander übergehen.

Reflexion mit Blitzlichtmethode

Die Methode eignet sich gut, da jeder/jede zu Wort kommt und mit seiner Wortmeldung etwas beitragen kann.

Vertiefung III: Sichtung Filmsequenzen

Vertiefende Auseinandersetzung Die ausgewählten Filmsequenzen eigneten sich zur Analyse; mit weiteren Filmsequenzen mit allerdings stellte sich heraus, dass die Arbeitsblätter zur Hilfe der kategorischen kategorischen Analyse nach Straßner und Schultz für den Filmanalyse Unterricht zu komplex und umfangreich sind. Diese Klasse konnte die zu behandelnden Punkte zwar ohne Probleme herauslesen – zur Optimierung der Unterrichtseinheit würde ich die Arbeitsblätter vereinfachen und zu jeder Kategorie der filmischen Analyse nur einzelne Fragen auswählen.

Reflexion

Die SuS konnten den Arbeitsauftrag für das erste Filmbeispiel lösen und die Ergebnisse der

134 Beobachtungsaufgaben im Plenum geteilt werden. Die Planung des zweiten Filmbeispieles musste ich leider ausfallen lassen, um die Diskussion nicht abzuwürgen.

Diskussion

Wesentliche Fragen konnten am Ende der Unterrichtseinheit noch aufgeworfen und ansatzweise diskutiert werden.

135 6. Bibliographie

6.1 Audiovisuelle Quellen

Riefenstahl, Leni

Triumph des Willens. 1934. (Youtube).

Riefenstahl, Leni

Olympia. Fest der Völker. Fest der Schönheit. 1936. (Youtube).

Müller, Ray

Riefenstahl, Leni. Die Macht der Bilder. 1993. (Youtube).

6.2 Forschungsliteratur

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Goebbels. Rede vom 15. Februar 1941. München 1979.

Barkhausen, Hans

Filmpropaganda für Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Hildesheim 1982.

Becker, Wolfgang

Film und Herrschaft. Berlin 1973.

Bock, Hans-Michael

Das Ufa-Buch. Zweitausendeins. Frankfurt 1992.

Brandt, Hans-Jürgen

NS-Filmtheorie und dokumentarische Praxis. Tübingen 1987.

136 Cadars, Pierre/Courtade, Francis

Geschichte des Films im Dritten Reich. München 1975.

Dalichow, Bärbel

Verweile doch, du bist so schön. Berlin 1999.

Domarus, Max

Hitler. Reden und Proklamationen 1932-1945. München 1962.

Friedländer, Saul

Das Dritte Reich und die Juden. München 1998.

Fink, Wilhelm

Riefenstahl revisited. München 2009.

Fromm, Bella

Als Hitler mir die Hand küsste. Berlin 1993.

Graham, Cooper

Leni Riefenstahl und Olympia. London 1992.

Grzimek, Bernhard

Auf den Mensch gekommen. Erfahrungen mit Leuten. Gütersloh 1974.

Grimm, Andrea

Triumph der Bilder. Visuelle Beeinflussungsstrategien im Propagandafilm „Triumph des Willens“ (1935) von Leni Riefenstahl (Dissertation). Wien 2006.

Hake, Sabine

Film in Deutschland: Geschichte und Geschichten seit 1895. Hamburg 2004.

137 Hanser, Carl

Die Ufa-Story. Geschichte eines Filmkonzerns. München 1996.

Heidenreich, Bernd/Neitzel, SEnke

Medien im Nationalsozialismus. Padernborn 2010.

Hoffmann, Hilmar

Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit. Propaganda im NS-Film. Frankfurt a. M. 1988.

Infield, Glen

The Fallen Film Goddess. Michigan 1976.

Jaeger, Ernst

Aktuelle Filmnachrichten der Allianz Film GmbH. Nr. 2. 20.1.1954.

Klamper, Elisabeth

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes in Wien. Dokument 66/68. New York/London 1991.

Kinkel, Lutz

Die Scheinwerferin. Leni Riefenstahl und das „Dritte Reich“. Hamburg/Wien 2002.

Kleinhaus, Bernd

Ein Volk, ein Reich, ein Kino, Lichtspiel in der braunen Provinz. Köln 2003.

Knopp, Daniel

NS-Filmpropaganda. Wunschbild und Feindbild in Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ und Veit Harlans „Jud Süß“. Marburg 2004.

138 Koch, Gertrud

Siegfried Kracauer. Zur Einführung. Hamburg 1996.

Korte, Helmut/Faulstich, Werner

Filmanalyse interdisziplinär. Beiträge zu einem Symposium an der Hochschule für Bildende

Künste Braunschweig. Göttingen 1988.

Kracauer Siegfried

Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. Frankfurt a. M. 1984.

Kullmann, Max

Die Entwicklung des deutschen Lichtspieltheaters. Nürnberg 1935.

Lange, Dirk

Historisch-politische Didaktik. Zur Begründung historisch-politischen Lernens. Schwalbach 2004.

Leiser, Erwin

„Deutschland erwache“. Propaganda im Film des Dritten Reiches. Hamburg 1968.

Lensen, Claudia

Riefenstahl. Leben und Werk. Berlin 1999.

Loiperdinger, Martin

Der Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ von Leni Reifenstahl. „… und Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören.“ München 1897.

Moeller, Felix

Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten Reich. Berlin 1998.

139 Nowotny, Peter

Leni Riefenstahls Triumph des Willens. Zur Kritik dokumentarischer Filmarbeit im NS- Faschismus. In: Arbeitshefte zur Medientheorie und Medienpraxis. Bd. 3. Dortmund 1981.

Oberwinter, Kristina

Bewegende Bilder. Repräsentation und Produktion von Emotionen in Leni Riefenstahls Triumph des Willens. München/Berlin 2007.

Pelinka, Anton

Grundzüge der Politikwissenschaft. Wien/Köln/Weimar 2000.

Reichel, Peter

Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus. München/Wien 1991.

Riefenstahl, Leni

Memoiren. München 1987.

Riefenstahl, Leni

Die Nuba von Kau. München 1975.

Riefenstahl, Leni

Hinter den Kulissen des Reichsparteitagfilms. München 1935.

Riefenstahl, Leni

Mein Afrika. München 1982.

Rother, Rainer

Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents. Berlin 2000.

140 Rürup, Reinhard

1936. Die Olympischen Spiele und der Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Berlin 1996.

Silbermann, Alphons/Schaaf, Michael/Adam, Gerhard

Filmanalyse. Grundlagen – Methoden – Didaktik. München 1980.

Speer, Albert

Spandauer Tagebücher. Frankfurt a. M./Berlin 1997.

Spiker, Jürgen

Film und Kapital. Berlin 1975.

SchEck-Quinteros, Eva

Was verstehen wir Frauen auch von Politik? Entnazifizierung ganz normaler Frauen in Bremen. Bremen 2011.

Straßner, Veit

Filme im Politikunterricht. Wie man Filme professionell aufbereitet, das filmanalytische Potenzial entdeckt und Lernprozesse anregt – mit zehn Beispielen. Schwalbach 2013

Trenker, Luis

Alles gut gegangen. Geschichten aus meinem Leben. Hamburg 1965.

Trimborn, Jürgen

Riefenstahl. Eine deutsche Karriere. Biographie. Berlin 2002.

Ueberhorst, Horst

Spiele unterm Hakenkreuz. Berlin 1986.

141 Vollnhals, Clemens

Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonene 1945-1949. München 1991.

Zielke, Willy

Kurze Beschreibung meiner Freiheitsberaubung im Dritten Reich. München 1988.

Zimmermann, Peter/Kay Hoffmann

Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Drittes Reich 1933-1945. Bnd. 3,

Stuttgart 2005.

6.3 Zeitschriften- und Zeitungsartikel

Bajohr, Frank

„Volksgemeinschaft“ von außen betrachtet. Gemeinschaftsutopien und soziale Praxis in Berichten ausländischer Diplomaten und des sozialdemokratischen Exils 1933-45. In: Von Reeken, Dietmar/ Thießen, Malte: Volksgemeinschaft als soziale Praxis. Neue Forschungen zur NS-Gesellschaft vor Ort. München/Wien/Zürich 2013.

Brandlmeier, Thomas

Sinngezeichen und Gedankenbilder. In: Horak, Christopher: Berge, Licht und Traum. München 1997.

Fröhlich, Elke: Joseph Goebbels und sein Tagebuch. Zu den handschriftlichen Aufzeichnungen von 1924 bis 1941. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 35. Nr. 4. 1987.

Goebbels, Joseph

Das Kulturleben im Kriege. Rede zur Jahrestagung der Reichskulturkammer und der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ vom 27.11.1939. In: Albrecht, Gerd: Der Film im 3. Reich. Karlsruhe 1979.

142 Film-Kurier

vom 2. Mai 1934. In: Rother. 2000.

Fraser, John

An Ambassador for . In: Films und Filming. Jg. 2, Nr. 5. 1982.

Koch, Gertrud

Zu Tränen gerührt. Zur Erschütterung im Kino. In: Herding, Klaus/Stumpfhaus Bernhard: Pathos.

Affekt. Gefühl. Die Emotionen in den Künsten. Berlin/New York 2004.

Leni Riefenstahl

Wie war das wirklich mit Adolf Hitler? In: Bunte. Nr. 8. 2000.

Institut für Zeitgeschichte

American Intelligence Report on Leni Riefenstahl from the 30.5.1945. München 1945.

Loiperdinger, Martin/Culbert, David

Leni Riefenstahl, the SA and the Nazi Party Rally Films. Nuremberg 1933-1934: 'Sieg des Glaubens' and Triumph des Willens'. In: Historical Journal of Film and Television. London 1988.

Lerg, Winfried

Max Winkler, der Finanztechniker der Gleichschaltung. In: ZV+ZV. 60 Jg. 1963. Nr. 13. München 1980.

KEnigseder, Angelika

Das Ende der NSDAP. Die Entnazifizierung. In: Benz, Wolfang: Wie wurde man Parteigenosse? Die

NSDAP und ihre Mitglieder. Frankfurt a. M. 1990.

143 Mommsen, Theodor

Volksgemeinschaft. In: Lexikon zur Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert. Opladen 1997.

Otto, Daniel

Der Bürgermeister und der Filmkonzern. Gleichschaltung und Verstaatlichung der deutschen Filmindustrie am Beispiel der Tobis AG. In: Distelmeyer, Jan: Tonfilmfrieden/Tonfilmkrieg. Die Geschichte der Tobis vom Technik-Syndikat zum Staatskonzern. München 2003.

Riefenstahl, Leni

„Wie der Film vom Reichsparteitag entsteht – Eine Unterredung mit Leni Riefenstahl“. In: Magdeburger Tageszeitung. 13.1.1935.

Riefenstahl, Leni

Nie Antisemitin gewesen. Leserbrief. In: Der Spiegel. 8.11.1976.

Stiasny, Philipp

Vom Himmel hoch. Adolf Hitler und die „Volksgemeinschaft“ in „Triumph des Willens“. In: Thamer, Hans-Ulrich/Erpel, Simone: Hitler und die Deutschen. Volksgemeinschaft und Verbrechen. Berlin 2011.

Sontag, Susan

Faszinierender Faschismus. In: Elizabeth Hardwick: A Susan Sontag Reader. London 1983.

Schulberg, Budd

Nazi Pin-Up Girl. In: Saturday Evening Post. 30.3.1946.

Broszat, Martin

Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der Weimarer Republik.

5. Auflage, ISBN 3-423-04516-7. München 1994.

144 6.4 Internetquellen

Der Mythos des Ermächtigungsgesetzes

www.zeit.de/1953/12/der-mythos-des-ermaechtigungsgesetzes

Hitlers Ermächtigungsgesetz „Die große Vollmacht“

www.faz.net/aktuell/feuilleton/hitlers-ermaechtigungsgesetz-die-grosse-vollmacht-12123561.html

NS-Tageszeitung "VElkischer Beobachter" zum Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933

www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/ermaechtigungsgesetz.html

Riefenstahls Deutung von Triumph des Willens

www.zeit.de/2003/38/Riefenstahl

Verstaatlichung des Filmwesens im NS-Staat

www.filmportal.de/thema/die-verdeckte-verstaatlichung

Lichtspielgesetz

www.filmportal.de/thema/lichtspielgesetz-1934

www.spiegel.de/spiegel/print/d-8761533.html

Volksgemeinschaft

www.bpb.de/izpb/137211/volksgemeinschaft?p=all

Interview mit Riefenstahl über Triumph des Willens www.cbc.ca/player/Digital+Archives/War+and+Conflict/Second+World+War/Propaganda+in+WWII/I D/1407865783

www. cle.ens-lyon.fr/allemand/film-w-hrend-diktatur-und-krieg 28898.kjspRH=CDL_ALL110000

145 Biographische Daten über Riefenstahl nach 1945

www.dhm.de/lemo/biografie/leni-riefenstahl

7. Anhang

7.1 Riefenstahls Filmographie

Die folgenden Daten sollen zum Überblick der Filmographie Riefenstahls dienen und schließen daher auch die wesentlichsten Daten jener Filme mit ein, in denen sie als Schauspielerin fungierte.

Die Quelle, aus der die folgenden filmographischen Daten stammen: 423

7.1.1 Riefenstahl als Schauspielerin

1925 Wege zur Kraft und Schönheit – Ein Film über moderne Körperkultur

Regie: Wilhelm Prager Produktionsfirma: Universum Film AG (Ufa) Musik: Giuseppe Becce Kamera: Friedrich Weinmann, Eugen Hrich, Friedrich Paullmann Darstellerinnen: u.a. La Jana, Eva Liebenberg, Leni Riefenstahl Uraufführung: 16.3.1925 in Berlin

423 Vgl. Trimborn, 2002, 568-573.

146 1926 Der heilige Berg – Ein Heldenlied aus ragender Höhenwelt Regie: Arnold Fanck

Produktionsfirma: Universum Film AG (Ufa) Musik: Edmund Meisel Kamera: Sepp Allgeier, Herlmar Lerski, Hans Schneeberger, Arnold Fanck, Albert Benitz Darstellerinnen: u.a. Luis Trenker, Leni Riefenstahl, Ernst Petersen, Frieda Richard Uraufführung: 17.12.1926 in Berlin Prädikat: volksbildend

1927 Der große Sprung – Eine unwahrscheinliche, aber bewegte Geschichte

Regie: Arnold Fank Produktionsfirma: Universum Film AG (Ufa) Kamera: Sepp Allgeier, Hans Schneeberger, Richard Angst, Albert Benitz Musik: Werner Richard Heymann DarstellerInnen: Luis Trenker, Leni Riefenstahl, Hans Schneeberger Uraufführung: 20.12.1927 in Berlin Prädikat: künstlerisch wertvoll

1928 Das Schicksal von Habsburg – Die Tragödie eines Kaiserreiches

Regie: Rudolf Raffé Produktionsfirma: Essem-Film Produktion GmbH., Berlin Kamera: Marius Holdt DarstellerInnen: u.a. Erna Morena, Fritz Spira, Leni Riefenstahl, Alfons Fryland Uraufführung: 16.11.1928 in Hamburg

147 1929 Die weiße Hölle vom Piz Palü

Regie: Arnold Fank, Gustav Wilhelm Pabst Produktionsfirma: H. R. Sokal Film GmbH., Berlin Kamera: Sepp Allgeier, Richard Angst, Hans Schneeberger Musik: Willy Schmidt-Genter, Giuseppe Beccce DarstellerInnen: u.a. Leni Riefenstahl, Gustav Diessl, Ernst Petersen, Uraufführung: 11.10.1929 in Wien Prädikat: künstlerisch wertvoll, volksbildend, Lehrfilm

1930 Stürme über dem Montblanc Regie: Arnold Fank Produktionsfirma: Aafa-Film AG der Tobis, Berlin Kamera: Sepp Allgeier, Hans Schneeberger, Richard Angst Musik: Werner Richard Heymann DarstellerInnen: u.a. Leni Riefenstahl, Sepp Rist, Ernst Udet, Mathias Wieman Uraufführung: 25.12.1939 in Dresden Prädikat: künstlerisch wertvoll, Lehrfilm

1931 Der weiße Rausch – Neue Wunder des Schneeschuhs

Regie: Arnold Fank Produktionsfirma: Aafa-Film AG der Tobis, Berlin Kamera: Sepp Allgeier, Hans Schneeberger, Richard Angst Musik: Werner Richard Heymann DarstellerInnen: u.a. Leni Riefenstahl, Sepp Rist, Ernst Udet, Mathias Wieman Uraufführung: 25.12.1939 in Dresden Prädikat: künstlerisch wertvoll, Lehrfilm

148 7.1.2 Riefenstahl als Regisseurin

1932 Das blaue Licht

Produktionsfirma: L.R.(=Leni Riefenstahl) - Studio-Film der Sokal-Film GmbH

Produktionsleitung: Walter Traut

Drehbuch: Béla Balázs, Leni Riefenstahl

Regie: Leni Riefenstahl unter Mitarbeit von Béla Balézs (im Vorspann ungenannt)

Kamera: Hans Schneeberger

Musik: Giuseppe Becce

DarstellerInnen: u.a. Leni Riefenstahl, Mathias Wieman, Max

Holzboer, Beni Führer, Martha Mair

Länge: 2344 m, 86 Minuten

Uraufführung: 24.3.1932 in Berlin

Wiederaufführung: 27.9.1938 in Berlin

Prädikat: künstlerisch wertvoll, jugend- und feiertagsfrei

Auszeichnung: Silbermedaille der Internationalen Filmkunstausstellung 1932 in Venedig

Zusatzinformation: Aufführung in London am 30.10.1932 im Rialto im Beisein von Leni Riefenstahl; 1938 und in der Kriegsaufführung wurden Béla Bálazs und Hans Schneeberger ausgespart, Leni Reifenstahl erschien als Urheberin des Films; 1951 stellte Leni Riefenstahl in Rom eine neue Schnitt- und Tonfassung her.

1933

S.O.S. Eisberg

149 Produktionsfirma: Deutsche Universal-Film AG (Ufa), Berlin

Produktionsleitung: Alfred Stern

Drehbuch: Arnold Fanck, Friedrich Wolf, Fritze Löwe, Ernst Sorge, Friedrich Kohner

Regie: Arnold Fanck, Hans Hinrich

Kamera: Hans Schneeberger, Richard Angst

Musik: Paul Dessau

DarstellerInnen: u.a. Leni Riefenstahl, Ernst Udet, Gustav Dießl, Max Holzboer, Sepp Rist

Länge: 2827 m, 103 Minuten

Uraufführung: 24.3.1932 in Berlin

Prädikat: künstlerisch wertvoll

1933

Sieg des Glaubens

Produktionsfirma: Propagandaministerium

Produktionsleitung: Arnold Raether (NSDAP)

Drehbuch: Leni Riefenstahl

Regie: Leni Riefenstahl

Kamera: Sepp Allgeier, Walter Frentz

Musik: Herbert Windt

DarstellerInnen: u.a. Joseph Goebbels, Hermann, Göring, Rudolf Heß, Heinrich Himmler, Adolf Hitler Ernst, Albert, Margarete Speer, Julius Streicher, Franz von Papen

150 Länge: ca. 1756 m, ca. 64 Minuten

Uraufführung: 2.12.1933

Prädikat: jugendfrei

Zusatzinformation: Der Film wurde vom Propagandaministerium über die Landesbildstellen verliehen. Seit Ende des Krieges ist von ihm keine Kopie mehr aufzutreiben. Möglich, dass sich in den Archiven der ehemaligen DDR oder ehemaligen SU noch eine befindet.

1935

Triumph des Willen

Produktionsfirma: Reichsparteitagsfilm der L.R. Studio-Film, Berlin; NSDAP-Geschäftsstelle für den Reichsparteitagfilm

Produktionsleitung: Leni Riefenstahl, Walter Traut, Walter Groskopf

Drehbuch: Leni Riefenstahl

Kamera: u.a. Sepp Allgeier, Walter Frentz

Musik: Herbert Windt

Länge: 3109 m, 114 Minuten

Uraufführung: 28.3.1935

Prädikat: staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll, volksbildend, Lehrfilm

Auszeichnungen: Nationaler Filmpreis 1934/35, Auszeichnung als bester ausländischer Dokumentarfilm auf dem Internationalen Filmfestival Venedig (Biennale) 1935 mit der Coppa dellÍstituto LUCE, Goldmedaille und großer Preis von Frankreich 1937 (Großer Preis der Pariser Weltausstellung)

151 7.1.3 Riefenstahl als Kulturfilm-Regisseurin

Während der Jahre 1939 bis 1944 produzierte Riefenstahl auch mehrere „Kulturfilme“. Es gab auch konkrete Pläne für nicht realisierte Filmprojekte, in denen Riefenstahl die Aufgaben der Regie, Drehbuch oder Produktionsleitung zu übernehmen plante. Der Vollständigkeit halber sollen sowohl ihre „Kulturfilme“, als auch ihre nicht realisierten Filmprojekte genannt werden:

„Kulturfilme“424

1939

Osterskitour in Tirol

Produktionsfirma: Olympia-Film GmbH, Berlin

Prädikat: künstlerisch wertvoll, volksbildend

Der Wurf im Sport – Betrachtungen für Freund des Sports

Produktionsfirma: Olympia-Film GmbH, Berlin

Prädikat: volksbildend, Lehrfilm

1940

Kraft und Schwung. Die Grundelemente des Turnens

Produktionsfirma: Olympia-Film GmbH, Berlin

Laufen

Produktionsfirma: Tobis-Filmkunst, Olympia-Film GmbH, Berlin

Prädikat: volksbildend, Lehrfilm

424 Vgl. Trimborn, 2002, 573 f.

152 Bergbauern

Produktionsfirma: Olympia-Film GmbH, Berlin

Prädikat: künstlerisch wertvoll, volksbildend, Lehrfilm

1942

Wildwasser. Dokumentarischer Spielfilm

Produktionsfirma: Olympia-Film GmbH, Berlin

Prädikat: künstlerisch wertvoll, volksbildend, Lehrfilm

1943

Schwimmen und Springen

Produktionsfirma: Olympia-Film GmbH, Berlin

Prädikat: volksbildend, Lehrfilm

Höchstes Glück auf Erde auf dem Rücken der Pferde

Produktionsfirma: Olympia-Film GmbH, Berlin

Prädikat: künstlerisch wertvoll, volksbildend, Lehrfilm

Josef Thorak – Werkstatt und Werk

Produktionsfirma: Kulturfilm-Institut Gmbh, Riefenstahls-Film GmbH, Berlin

Prädikat: kulturell wertvoll, volksbildend, anerkennenswert

1944

Arno Breker

153 Produktionsfirma: Riefenstahls-Film GmbH, Berlin

Prädikat: kulturell wertvoll, volksbildend

Nicht realisierte Filmprojekte bis 1950 425

1939 Penthesilea

1939 Dokumentarfilm über den Polenfeldzug

1939 Elenora Duse

1943 Van Gogh

1944 Der Führer baut seine Hauptstadt

1950 Die roten Teufel

7.2. Filmsequenzen des Propagandafilms Triumph des Willens von Leni Riefenstahl

1. Prolog in Form eines Textes

2. Hitlers Flug nach Nürnberg zum Reichsparteitag ab 3.40 min

3. Ankommen Hitlers am Flugplatz

4. Fahrt durch die Stadt Nürnberg

5. Hitler begrüsst die Masse von seinem Quartier aus. bis 9.10 min

6. SS-Marsch/Nachtszene

7. Flug über Nürnberg

8. Lageraufnahmen: junge Soldaten werden gesund und fröhlich dargestellt, sie waschen sich, kochen gemeinsam; Raufereien der Hitlerjugend

425 Vgl. Trimborn, 2002, 575.

154 9. Volksparade: Hitler schüttelt die Hände einzelner ZuschauerInnen und inspiziert einzelne SA- Männer, die in der Parade stehen.

10. Hitler fährt ab

11. Heß eröffnet 6. Parteitag ab 22:13-26:00)

12. Weitere Reden von Rosenberg, Dietrich, Tovz, Reinhardt, Darré, Streicher (ab 28:50 min), Ley, Frank, Goebbels, Hierl)

13. Hitler begrüsst die Arbeitsmänner (Trommelrythmus, chorisches Sprechen + Gesang) ab 31.11 min - 38.12 min)

14. Nachtszene ab 38.15 min

15. JH und BDM musizieren, Hitler kommt und spricht mit ihnen ab 38.16 min – 41.45 min

16. Wehrmachtsszene, Hitler hält Rede über den Staat ab 51.36 min - 1.01 min

17. Ganz zum Denkmal für die gefallenen Soldaten ab 1.02 min – 1.3.20 min

18. Massen marschieren ab 1.3.22 – 1.6.30

19. Treueschwur + Blutfahne aus dem 1. Weltkrieg (Kanonenschüsse) ab 1.06.30 min – 1.12.09

20. Fahrt durch die Stadt; Marsch bis zur Parteitagshalle

21. Hitlers Abschlussrede ab 1.30.45 – 1-41) Höhepunkt der Rede 1.37.15 min - 1.41.15 min

Filmsequenz zur inhaltlichen Analyse:

Szene 19: Treueschwur + Blutfahne aus dem 1. Weltkrieg ab 1.06.30 h – 1.12.09 h, ca. 6 min

Filmsequenz zur differenzierten Analyse:

Szenen 12-13: ab Redner Streicher (ab 28:50 min), Ley, Frank, Goebbels, Hierl

Hitler begrüsst die Arbeitsmänner (Trommelrythmus, chorisches Sprechen + Gesang) ab 31.11 min - 38.12 min, ca. 7 min

155 Filmsequenzen des Propagandafilms Olympia I - Fest der VElker von Leni Riefenstahl

1. Prolog (Brücke zur Antike) Tänzerinnen, Länder

2. Einzug in Berlin, Olympisches Feuer ab 14.36 min – 23.35 min

3. ErEffnung der Olympiade 23.25 min – 24.40 min

4. Diskuswerfen Männer und Frauen bis 30.16 min

5. Sperrwerfen bis 33.40 min

6. 80-Meter-Hürdenlauf ab 32.50 min

7. Hammerwerfen ab 34.10 min – 38.11 min

8. 100 Meter Ausscheidelauf mit dem amerikanischen Läufer Owens ab 38.12 min 42.19 min

9. Hochsprung Frauen ab 42.25 min

10. Kugelstoßen ab 48.20 min

11. 800-Meterlauf ab 51.55 min – 54.45 min

12. Dreisprung ab 54.47 min – 58.07 min

13. Weitsprung 58.05 – 1.00.30 min

14. 1500 Meterlauf 1.00.30 min – 1.05.00 min

15. Hochsprung Männer bis 1.11.20 min

16. 110 Hürdenlauf 1.11.21 min

17. Speerwurf 1.14.35 min

18. 10.000 Meterlauf 1.17.50 min – 1.23.40 min

19. Stabhochsprung 1.23.50 min – 1.33.34 min

20. Frauenstaffellauf von 1.33.55 min – 1.35.30 min

156 21. Männerstaffellauf ab 1.35.43 min

22. 400-Meter-Staffel ab 1.37.00 min – 1.40.20 min

23. Marathonlauf 1.40 min – 1.52 min

24. Abendgestaltung bis zum Ende

Filmsequenz zur inhaltlichen Analyse:

Szene 3 + 4: Eröffnung der Olympiade und Diskuswerfen Männer ab 23.25 min - 27.45 min, 4.20 min

Filmsequenz zur differenzierten Analyse:

Szene 12: 800-Meterlauf ab 51.55 min – 54.45 min, ca. 3 min

157 Filmsequenzen des Propagandafilms Olympia II- Fest der SchEnheit von Leni Riefenstahl

1. Prolog (Naturbilder, Training im Wald und Saunaaufnahmen, Morgentraining) bis 6.50 min

2. AthletInnen ziehen ins Stadion ein ab 6.51 min – 14.49 min

3. Olympia Regatta in Kiel ab 14.50 min – 20.30 min

4. Säbelfechten ab 20.40 min

5. Boxen ab 21.38 min – 23.50 min

6. Offizier-Wettkämpfe: Reiten, Schießen, Laufen ab 23.50 min – 32.15 min

7. Frauengymnastik ab 32.16 min – 33.33 min

8. Im Stadion: 10-Kamof bis 46.36 min

9. Hockey ab 46.37 min – 51 min

10. Endspiel olympisches Fußballtournee bis 54.03 min

11. 100 km Straßenrennen bis 58.10 min

12. Reiten 1.08.14 min

13. Paddeln 1.12.30 min

14. Kunstspringen 1.12.35 – 1.15.17 min

15. 200 m Brustschwimmen, 100 m Freischwimmen bis 1.19.50 min

16. 100 Freischwimmen Frauen ab 1.20-1.21.5 min

17. Springen 1.25.10 min

18. Abschluss der Spiele

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