Der dokumentarische Propagandafilm im Nationalsozialismus am Beispiel von Leni Riefenstahls Triumph des Willens und Olympia zur didaktischen Umsetzung in Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer <Mag.a phil.> eingereicht von Sandra Köhle bei Univ.-Doz. Mag. Dr. Horst Schreiber Fakultät für Geisteswissenschaften der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Innsbruck 2015 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1.1 Vorwort 8 1.2 Forschungsstand 10 1.3 Forschungsfragen 12 1.4 Aufbau 13 TEIL A Historischer Kontext 2. Grundzüge nationalsozialistischer Filmpolitik 2.1 Die Verstaatlichung des Filmwesens 14 2.2 Film als Leitmedium im NS-Staat 20 2.2.1 Ziel der Massenerziehung zur „Volksgemeinschaft“ 24 2.2.2 Stellenwert und Merkmale dokumentarischer 26 Propagandafilme Leni Riefenstahls 2.2.3 Propaganda in „unpolitischen“ Spielfilmen 28 u.a. am Beispiel von Hart Veilans Jud Süß 3. Leni Riefenstahl und ihr Aufstieg zur NS-Regisseurin 3.1 Riefenstahls Kurzbiographie bis 1932 32 3.1.1 Riefenstahls Zugang zur NS-Elite 43 3.1.1.1 Hitler als Förderer der „Reichsfilmregisseurin“ 46 ab 1932 am Beispiel von Sieg des Glaubens Teil B Filmbeispiele für dokumentarische Propagandafilme Filmbeispiel I: Triumph des Willens (Parteitagsfilm) 1. Allgemeine Informationen zum Film 1.1 Auftraggeber und beabsichtigte Wirkung des Films 50 1.2 Zur Entstehung des Films 53 2. Realitätsbezug – Dokumentar- oder Propagandafilm? 64 2.1 Wirkliche Realität vs. faschistische Pseudorealität 66 nach Siegfried Kracauer 3. Riefenstahls Deutung von Triumph des Willens 68 Filmbeispiel II: Olympia. Fest der Völker / Fest der Schönheit (Dokumentarfilme) 1. Allgemeine Informationen zu den Filmen 1.1 Auftraggeber und beabsichtigte Wirkung der Filme 71 1.2 Zur Entstehung der Filme 75 2. Realitätsbezug – Dokumentar- oder Propagandafilme? 82 3. Riefenstahls Deutung von „Olympia“ 84 Analytische Zusammenfassung von Teil B 1. Riefenstahls Innovationen in der Filmästhetik 84 am Beispiel von Triumph des Willens und Olympia 1.1 Strategien der Emotionalisierung in der Filmtechnik nach Kristina 87 Oberwinter 2. Symbol Riefenstahl im Film und NS-Staat 89 Teil C Der Fall der NS-Regisseurin 4. Leni Riefenstahl ab 1940/41 und nach Kriegsende 4.1 Tiefland als Beispiel für eine bizarre Produktionsgeschichte 92 4.2 Riefenstahls Umgang mit der NS-Zeit 96 4.3 Entnazifizierungsprozess 104 4.4 Riefenstahl umstritten bis zuletzt 108 4.4.1 Riefenstahl und die Nuba 113 4.4.1.1 Faschistisches Männerbild 114 4.5 Biographische Ergänzungen 116 Teil D Didaktische Umsetzung im Geschichtsunterricht 5. Der Dokumentar- und Propagandafilm als Bildungsmittel und Vermittlungsform 5.1 Der Propagandafilm im Unterricht 117 5.2 Methodische Überlegungen zur Vermittlungsform Dokumentar- 117 Propagandafilm 5.2.1 Methoden zur Versprachlichung von Eindrücken und Emotionen 120 5.2.2 Analytisch orientierte und filmdidaktische Methode 120 5.3 Was sollen die SchülerInnen nach der Unterrichtseinheit können? 121 5.4 Materialübersicht über die politikdidaktische und filmanalytische 122 Erschließung der Propagandafilme Riefenstahls 5.5 Reflexion Unterrichtseinheit 132 6. Bibliographie 6.1 Audiovisuelle Quellen 136 6.2 Forschungsliteratur 136 6.3 Zeitschriften- und Zeitungsartikel 142 6.4 Internetquellen 145 7. Anhang 7.1 Riefenstahls Filmographie 146 7.1.1 Riefenstahl als Schauspielerin 150 7.1.2 Riefenstahl als Regisseurin 150 7.1.3 Riefenstahls „Kulturfilme“ 152 7.2 Liste Filmsequenzen Triumph des Willens und Olympia I & II 154 1. Einleitung 1.1. Vorwort Dem Medium Film wird heute, wie vor 70 Jahren, eine besondere Bedeutung zugemessen – unabhängig davon, ob Spiel-, Dokumentar-, oder Propagandafilm, trägt der Film eine Intention und Wirkungskraft in sich, von der sowohl die heutige Geschichtsdidaktik weiß, als auch vor wenigen Jahrzehnten das Propagandaministerium der Nationalsozialisten wusste. Aus diesem Grund setzten sie alles daran, aus einer pluralistischen Filmwirtschaft einen zentral steuerbaren Propagandaapparat zu machen, der vom Drehbuch bis zu den Kinos im Sinne des Nationalsozialismus stand. Das NS- Regime versprach sich durch den Einfluss auf die Psyche der Menschen eine systemstabilisierende Macht, die sowohl innerhalb, als auch außerhalb des Machtzentrums wirkte.1 „Dokumentarfilme“ wurden als Propagandamittel besonders wichtig, da es die Nazis darauf anlegten, inszenierte Bilder als authentisch und faktisch auszuweisen, um ihre politische Macht zu stärken. Dass die Bilder aufgrund von diversen Manipulationstechniken, wie Kontextverschiebungen, veränderten Chronologien, Schnittkorrekturen und gezieltem Einsatz von Musik, kein Abbild der Realität, sondern ein propagandistisches Scheinbild war, wurde jahrelang erfolgreich verschleiert.2 Vom eigenen Filmschaffen des Propagandaministeriums enttäuscht, stützte sich das Regime auf das Können einer Frau – Leni Riefenstahl. Als Meisterin des Films und der Propaganda bewies Riefenstahl unvergleichbares Talent, mit dem sie neue Maßstäbe in der Filmkunst setzte und sich in besonderem Ausmaß für den NS-Staat einsetzte. Dafür trat sie in den frühen 30er-Jahren an die Stelle der Filmemacher des NS-Propagandaministeriums und jener Künstler, die bald nach der Machtergreifung Hitlers ins Exil flüchten mussten, weil sie von den neuen Machthabern des diktatorischen Regimes in die Arbeitslosigkeit getrieben und außer Landes verwiesen wurden. Riefenstahl erkannte ihre Aufstiegschancen und zögerte nicht, aufwendige Filmprojekte anzunehmen und im Namen des Regimes auszuführen. Insofern bedeutete für Riefenstahl Hitlers Machtantritt eine glorreiche Zukunft und Karriere, mit der sie noch ein Jahr zuvor nicht rechnete. Ihre Kooperation mit Hitler und dem Nationalsozialismus resultierte zu Beginn wohl zum größten Teil aus der Möglichkeiten des künstlerischen Schaffens, der Anerkennung und der eigenen 1 Vgl. Zimmermann, Peter/Kay Hoffmann: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Drittes Reich 1933-1945. Bnd. 3, Stuttgart 2005, 195. 2 Vgl. Zimmermann/Hoffmann, 2005, 348. 8 Karrierechancen. Das „neue Deutschland„ sollte auch ihr endlich den gebührenden Platz einräumen – Riefenstahl wollte an die Spitze des deutschen Filmschaffens und des gesellschaftlichen Lebens des NS-Regimes. Die Nazis hingegen, wollten einzigartige Propagandaarbeit gewährleisten und sich mit bekannten Namen schmücken.3 Ihre Propagandafilme, Sieg des Glaubens (1933), Triumph des Willens (1935), Tag der Freiheit – Unsere Wehrmacht (1935) und Olympia I & II (1936, 1938) sind als Inbegriff faschistischer Selbstdarstellung zu verstehen und bis heute umstritten. Retrospektiv muss man sich die Frage stellen, ob die hitzigen Diskussionen um Riefenstahl in den letzten Jahrzehnten überhaupt in diesem Ausmaß geführt worden wären, wenn sie in ihrem langen Leben von 101 Jahren die Rolle der „Unschuldigen“ bzw. „Unbelehrbaren“ nicht derart konsequent durchgezogen hätte, wie sie es tat. Jens Jesse kommentiert ihren Todestag mit den Worten „Riefenstahl werde „{m}ehr noch als durch ihre avancierte Filmästhetik {…} als Monument des Starrsinns und der Uneinsichtigkeit im Gedächtnis der Menschheit bleiben.“4 Ihre Begabung bleibt unumstritten, allerdings auch, dass sie mit ihren propagandistischen Filmen die faschistische Selbstdarstellung ihres Idols Adolf Hitler glorifizierte, ihre Verantwortung aber nie sehen wollte. Aus der Perspektive der politischen Bildung im Geschichtsunterricht bieten Riefenstahls Filme wertvolle Einblicke in politische Intentionen und Propagandavorhaben der NS-Führung – daraus ergibt sich für SchülerInnen die Herausforderung, die Botschaft des Filmes zu erkennen und zu analysieren auf welche Weise diese vermittelt bzw. welche Aspekte bewusst ausgeblendet wurden. Dies setzt die Kenntnis grundlegender Methoden und Arbeitstechniken voraus, die eine lebensnahe Auseinandersetzung mit politischen Themen und dargebotenen Informationen ermöglichen soll. Die Kompetenzen, die die Arbeit mit Propagandafilmen vermitteln will, reichen von der kritischen Filmbildung, die den Film als objektives Medium entmythologisieren, bis zum souveränen und kritischen Umgang mit Medien.5 3 Vgl. Trimborn, Jürgen: Riefenstahl. Eine deutsche Karriere. Biographie. Berlin 2002, 162-164. 4 Zit. n. Fink, Wilhelm: Riefenstahl revisited. München 2009, 9. 5 Vgl. Straßner, Veit: Filme im Politikunterricht. Wie man Filme professionell aufbereitet, das filmanalytische Potenzial entdeckt und Lernprozesse anregt – mit zehn Beispielen. Schwalbach 2013, 10-19. 9 1.2. Forschungsstand Mit dem 100. Geburtstag Leni Riefenstahls stieg erneut das wissenschaftliche Interesse an der ehemaligen NS-Regisseurin - allein in Deutschland wurden innerhalb kurzer Zeit drei Monographien publiziert, von denen zwei auch ins Englische übersetzt wurden. Darunter die Autoren Rainer Rother mit Leni Riefenstahl: Die Verführung des Talents und Jürgen Trimborns Riefenstahl: Eine Karriere. Die genannten Autoren leisteten mit ihren Werken wertvolle Beiträge zur internationalen Riefenstahlforschung, die sich u.a. dadurch auszeichnen, dass ihre Herangehensweise an Riefenstahls Leben und Werk verglichen mit z.B. Susan Sontags Stellungnahme, distanzierter und abgeklärter ist.6 Aktuelle Forschungen beziehen sich immer wieder auf historische und politische Diskussionen und zahlreiche Artikel direkt aus der Nachkriegszeit und den späten 1970er Jahren, in denen man das Zeigen der Propagandafilme des „Dritten Reiches“, wie während der Kurzfilmtage in Oberhausen im Jahr 1965, diskutierte. Man begann erstmals mit dem Erstellen
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