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Gutachten als Grundlage für ein Märkte- und Zentrenkonzept

für die Stadt Titisee-Neustadt

Berichtsentwurf

Teichstraße 14 • 79539 Lörrach • T 07621 91550-0 • F 07621 91550-29 Huckarder Straße 12 • 44147 Dortmund • T 0231 5450866 • F 0231 5450868 [email protected] • www.dr-acocella.de

Bearbeiter: Dr. rer. pol. D. Acocella Dipl.-Ing. I. Breuker Lörrach, 22.10.2009

INHALTSVERZEICHNIS:

1. EINLEITUNG 1

1.1 AUSGANGSLAGE UND AUFGABENSTELLUNG ...... 1 1.2 AUFBAU DES GUTACHTENS ...... 4 2. RAHMENBEDINGUNGEN DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG UND PLANUNGSRECHTLICHE VORGABEN 6

2.1 ALLGEMEINE TRENDS DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG ...... 6 2.1.1 Handelsendogene und -exogene Faktoren der Einzelhandelsentwicklung...... 7 2.1.2 Städtebauliche Wirkungen der Einzelhandelsentwicklung...... 10 2.2 MÄRKTE- UND ZENTRENKONZEPT ALS RÄUMLICHES STEUERUNGSINSTRUMENT FÜR DEN EINZELHANDEL...... 12 2.2.1 Planungsrechtlicher Rahmen des Einzelhandelskonzeptes...... 12 2.2.1.1 Zentraler Versorgungsbereich...... 13 2.2.1.2 Sortimentsliste...... 14 2.2.1.3 Steuerungsmöglichkeiten der kommunalen Planungsebene...... 14 2.2.2 Konsequenzen für das Genehmigungsverfahren...... 18 2.2.3 Fazit ...... 19 3. EINZELHANDELSSITUATION AUF GESAMTSTÄDTISCHER EBENE 21 3.1 METHODISCHES VORGEHEN - ERHEBUNG EINZELHANDELRELEVANTER DATEN ...... 21 3.1.1 Einzelhandelserhebung in Verbindung mit einer Befragung der Händler...... 21 3.1.1.1 Methodisches Vorgehen...... 21 3.1.1.2 Übersicht über die Beteiligung an der Einzelhändlerbefragung...... 23 3.1.2 Herkunftserfassung...... 24 3.1.3 Passantenbefragung...... 25 3.1.3.1 Methodisches Vorgehen: Befragungskonzept, -tage und -standorte...... 25 Befragungskonzept...... 26 3.1.3.2 Übersicht über die Beteiligung an der Passantenbefragung...... 28 3.2 GESAMTSTÄDTISCHE EINZELHANDELSSITUATION ...... 30 3.2.1 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes in der Gesamtstadt...... 30 3.2.2 Kundenherkunft, Einzugsgebiet, Verbleibquote und Konkurrenzorte...... 36 3.2.3 Beurteilung der Einzelhandelssituation aus Händlersicht...... 45 3.2.3.1 Stärken und Schwächen...... 46 3.2.3.2 Änderungsabsichten in den bestehenden Einzelhandelsbetrieben...... 50 3.2.4 Beurteilung gesamtstädtischer Faktoren aus Kundensicht...... 51 3.2.4.1 Image der Stadt Titisee-Neustadt...... 52 3.2.4.2 Verkehrsmittelwahl für die Anreise nach Titisee-Neustadt...... 55 4. ZENTRALE VERSORGUNGSBEREICHE IN TITISEE UND NEUSTADT - QUALIFIZIERUNG, ABGRENZUNG UND STRUKTUR 58 4.1 METHODISCHES VORGEHEN - ABGRENZUNG ZENTRALER VERSORGUNGSBEREICHE UND STÄDTEBAULICH-FUNKTIONALE BESTANDSAUFNAHME ...... 58

4.2 RÄUMLICH-FUNKTIONALE GLIEDERUNG DER STADT ...... 62

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4.3 ZENTRALER VERSORGUNGSBEREICH DES ORTSZENTRUMS VON TITISEE ...... 63 4.3.1 Räumlich-funktionale Struktur des Ortszentrums...... 63 4.3.2 Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches in Titisee...... 65 4.3.3 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes im zentralen Versorgungsbereich von Titisee...... 67 4.3.4 Beurteilung des Ortszentrums von Titisee aus Kundensicht...... 70 4.3.4.1 Stärken und Schwächen aus Kundensicht...... 70 4.3.4.2 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes im Ortszentrum aus Kundensicht...... 73 4.3.4.3 Einkaufsmotiv im Ortszentrum...... 76 4.3.4.4 Einkaufshäufigkeit und Aufenthaltsdauer im Ortszentrum...... 77 4.3.5 Städtebaulich-funktionale Stärken-Schwächen-Analyse...... 79 4.3.5.1 Stärken ...... 80 4.3.5.2 Schwächen...... 85 4.4 ZENTRALER VERSORGUNGSBEREICH DER INNENSTADT VON NEUSTADT...... 88 4.4.1 Räumlich-funktionale Struktur der Innenstadt von Neustadt...... 88 4.4.2 Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches in Neustadt...... 90 4.4.3 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes im zentralen Versorgungsbereich von Neustadt...... 92 4.4.4 Beurteilung der Innenstadt aus Kundensicht...... 94 4.4.4.1 Stärken und Schwächen in der Innenstadt aus Kundensicht...... 95 4.4.4.2 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes in der Innenstadt aus Kundensicht...... 98 4.4.4.3 Einkaufsmotiv in der Innenstadt...... 101 4.4.4.4 Einkaufshäufigkeit und Aufenthaltsdauer in der Innenstadt...... 102 4.4.4.5 Parkraumsituation in der Innenstadt...... 103 4.4.5 Städtebaulich-funktionale Stärken-Schwächen-Analyse...... 105 4.4.5.1 Stärken ...... 105 4.4.5.2 Schwächen...... 111 4.5 SONSTIGE BEDEUTSAME EINZELHANDELSSTANDORTE ...... 115 5. RÄUMLICHE EINZELHANDELSSTRUKTUR 120 5.1 RAUMSTRUKTURELLE VERTEILUNG DES EINZELHANDELSANGEBOTES ...... 120

5.2 BEURTEILUNG DES LEBENSMITTELANGEBOTES HINSICHTLICH DER RÄUMLICHEN NAHVERSORGUNGSSITUATION ...... 126 6. VORSCHLAG FÜR EINEN ZIELKATALOG DER EINZELHANDELSKONZEPTION 130 6.1 ERHALTUNG/ STÄRKUNG DER VERSORGUNGSFUNKTION ALS MITTELZENTRUM ...... 130

6.2 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER EINZELHANDELS-/ FUNKTIONSVIELFALT SOWIE DER ZENTRALITÄT IN DER NEUSTÄDTER INNENSTADT UND DEM ORTSZENTRUM VON TITISEE 131 6.3 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER KURZEN WEGE ("STADT DER KURZEN WEGE")...... 132

6.4 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER NAHVERSORGUNGSFUNKTION ...... 132 6.5 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER IDENTITÄT DER NEUSTÄDTER INNENSTADT UND DES ORTSZENTRUMS VON TITISEE ...... 133 6.6 SCHAFFUNG VON INVESTITIONSSICHERHEIT (NICHT RENDITESICHERHEIT) INSGESAMT..134

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6.7 SICHERUNG VON GEWERBEGEBIETEN FÜR HANDWERK UND PRODUZIERENDES GEWERBE ..134 7. PROGNOSE DES VERKAUFSFLÄCHENENTWICKLUNGSSPIELRAUMS 135 7.1 METHODISCHES VORGEHEN - PROGNOSE ...... 135 7.1.1 Prognose der Bevölkerungsentwicklung...... 136 7.1.2 Perspektiven für den Einzelhandel...... 137 7.1.3 Nachfrage: Annahmen zur Entwicklung und Kaufkraftpotenzial...... 138 7.1.4 Annahmen zur Entwicklung der Angebotsseite...... 139 7.2 PROGNOSEERGEBNISSE ...... 143 7.2.1 Verkaufsflächenpotenziale insgesamt...... 143 7.2.2 Verkaufsflächenpotenziale nach Zentrenrelevanz...... 146 8. MAßNAHMENKONZEPT ZUR STÄRKUNG DES EINZELHANDELS 151 8.1 VORSCHLAG FÜR EINE SORTIMENTSLISTE...... 152 8.1.1 Kriterien...... 152 8.1.2 Räumliche Verteilung der Sortimente in Titisee-Neustadt...... 153 8.1.3 Vorschlag für eine Sortimentsliste...... 156 8.2 GRUNDSÄTZE ZUR RÄUMLICHEN EINZELHANDELSENTWICKLUNG ...... 158 8.2.1 Umgang mit zentrenrelevantem Einzelhandel...... 158 8.2.2 Umgang mit nicht zentrenrelevantem Einzelhandel...... 160 8.3 RÄUMLICHE ENTWICKLUNGSOPTIONEN ...... 162 8.3.1 Räumliche Entwicklungsoptionen innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Titisee...... 164 8.3.2 Räumliche Entwicklungsoptionen innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Neustadt...... 167 8.3.3 Perspektivische Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches...... 171 8.3.4 Maßnahmenvorschläge zur Nahversorgung...... 172 8.3.5 Gewerbegebiete...... 175 8.4 MAßNAHMENVORSCHLÄGE STÄDTEBAU UND SONSTIGE MAßNAHMENVORSCHLÄGE...... 175 8.4.1 Städtebauliche und gestalterische Maßnahmenvorschläge für Neustadt...... 175 8.4.2 Ladenflächenmanagement...... 182 8.4.3 Weitere Maßnahmenvorschläge...... 184 8.5 VORGEHENSWEISE ZUR UMSETZUNG - VERFAHRENSVORSCHLAG ...... 189 8.5.1 Öffentliche Information...... 189 8.5.2 Festlegen einer Sortimentsliste...... 190 8.5.3 Festlegen von Gebieten, in denen alle Sortimente bzw. nur nicht zentrenrelevante Sortimente zulässig sein sollen - auch großflächig...... 190 8.5.4 Bauleitplanerische Umsetzung der Zielvorstellungen...... 193 8.6 ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG ...... 194 GLOSSAR 196 ANHANG 200

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TABELLENVERZEICHNIS: Tab. 1: Übersicht über die Beteiligung...... 23 Tab. 2: Einzelhandelsangebot Titisee-Neustadt 2008 und 1993 (HGZ)...... 31 Tab. 3: Einzelhandelsangebot in Titisee-Neustadt...... 32 Tab. 4: Einzelhandelsangebot im zentralen Versorgungsbereich des Ortszentrums von Titisee...... 68 Tab. 5: Einzelhandelsangebot im zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt von Neustadt...... 92 Tab. 6: Annahmen zu Nachfrageentwicklung und Kaufkraftpotenzial im Überblick...139

Tab. A - 1: Betriebe nach Größenklassen in der Stadt insgesamt: Anzahl und Verkaufsfläche...... 202 Tab. A - 2: Einzelhandelssituation: Umsatz, Kaufkraft (je in Mio. €) und Bindungsquoten...... 203 Tab. A - 3: Betriebe im zentralen Versorgungsbereich von Neustadt nach Größenklassen: Anzahl und Verkaufsflächen...... 204 Tab. A - 4: Betriebe im zentralen Versorgungsbereich von Titisee nach Größenklassen: Anzahl und Verkaufsflächen...... 204 Tab. A - 5: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Einzelhandelsangebot/ -auswahl...... 205 Tab. A - 6: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Sonstiges...... 205 Tab. A - 7: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Parkplätze...... 205 Tab. A - 8: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Atmosphäre/ Aufenthaltsqualität...... 206 Tab. A - 9: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Zusammenarbeit...... 206 Tab. A - 10: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Struktur/ Angebot Dienstleistungen...... 206 Tab. A - 11: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Erreichbarkeit/ Verkehr...... 207 Tab. A - 12: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Leerstand...... 207 Tab. A - 13: Einzelhandelssituation im zentralen Versorgungsbereich von Neustadt: Umsatz im zentralen Versorgungsbereich und Kaufkraft in der Gesamtstadt (je in Mio. €) sowie "unechte Bindungsquoten"...... 208 Tab. A - 14: Einzelhandelssituation im zentralen Versorgungsbereich von Titisee: Umsatz im zentralen Versorgungsbereich und Kaufkraft in der Gesamtstadt (je in Mio. €) sowie "unechte Bindungsquoten"...... 209 Tab. A - 15: Einzelhandelsangebot in Titisee-Neustadt nach Lage: Verkaufsfläche auf 25 qm gerundet...... 210 Tab. A - 16: Kaufkraftpotenzial nach Sortimenten 2015 und 2020 in Mio. €...... 211 Tab. A - 17: Verkaufsflächenpotenzial bis 2020 bei Status-quo-Prognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet...... 212 Tab. A - 18: Verkaufsflächenpotenzial bis 2020 bei Entwicklungsprognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet...... 213 Tab. A - 19: Verkaufsflächenpotenzial bis 2020 bei Wettbewerbsprognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet...... 214

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS: Abb. 1: Befragte nach Befragungstagen und Standort...... 29 Abb. 2: Alters- und geschlechtsspezifische Verteilung der Befragten...... 30 Abb. 3: Bindungsquoten in Titisee-Neustadt nach Sortimenten...... 33 Abb. 4: Bindungsquoten in Titisee-Neustadt nach Sortimenten ohne das rein touristische Angebot...... 36 Abb. 5: Umsatzherkunft Titisee-Neustadt...... 37 Abb. 6: Umsatzherkunft in den Stadtteilen Titisee und Neustadt...... 37 Abb. 7: Herkunft der im Rahmen der Herkunftserfassung erfassten Kunden aus Titisee-Neustadt...... 38 Abb. 8: Herkunft der im Rahmen der Passantenbefragung erfassten Kunden aus Titisee-Neustadt...... 39 Abb. 9: Tendenzielles Einzugsgebiet Stadt Titisee-Neustadt...... 40 Abb. 10: Verbleibquote Titisee-Neustadt...... 41 Abb. 11: Kaufkraftflüsse nach und aus Titisee-Neustadt...... 42 Abb. 12: Konkurrenzorte und weitere Einkaufsorte der befragten Passanten...... 43 Abb. 13: Einkaufsverhalten der Befragten in Bezug auf Freiburg i. Br...... 44 Abb. 14: Einkaufsverhalten der Befragten in Bezug auf weitere städtische Standorte...... 45 Abb. 15: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht...... 47 Abb. 16: Beurteilung des Themenfeldes "Struktur/ Angebot Einzelhandel" in Titisee-Neustadt aus Händlersicht...... 48 Abb. 17: Änderungsabsichten der Einzelhändler in Titisee-Neustadt: Betriebe und deren Verkaufsfläche...... 50 Abb. 18: Voraussichtliche Einzelhandelsentwicklung in Titise-Neustadt: Betriebszahl und Verkaufsflächen...... 51 Abb. 19: Passantenbefragung: Imagebewertung - nach Herkunft...... 53 Abb. 20: Gründe für die Wahl von Titisee-Neustadt als Urlaubsort...... 54 Abb. 21: Passantenbefragung: Besuchte Veranstaltungen in Titisee-Neustadt - nach Herkunft...... 55 Abb. 22: Verkehrsmittelwahl nach Titisee-Neustadt...... 56 Abb. 23: Bedeutung des PKW für den Einkauf in den Zentren von Titisee-Neustadt.....57 Abb. 24: Besuchsmotivation der Innenstadt von Neustadt und des Ortszentrums von Titisee...... 59 Abb. 25: Räumlich-funktionale Grobgliederung in Titisee-Neustadt...... 63 Abb. 26: "Unechte Bindungsquoten" zentraler Versorgungsbereich Titisee...... 69 Abb. 27: Stärken und Defizite in der Ortsmitte von Titisee aus Sicht der Passanten..71 Abb. 28: Beurteilung des Einzelhandelsangebots im Ortszentrum von Titisee durch die Passanten...... 74 Abb. 29: Aus Passantensicht fehlende Sortimente im Ortszentrum von Titisee...... 75 Abb. 30: Im Ortszentrum von Titisee gekaufte Sortimente...... 76 Abb. 31. Motivation für den Einkauf im Ortszentrum von Titisee...... 77 Abb. 32: Häufigkeit des Einkaufs im Ortszentrum von Titisee...... 78 Abb. 33: Aufenthaltsdauer im Ortszentrum von Titisee und in weiteren ausgewählten Städten...... 79

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Abb. 34: "Unechte Bindungsquoten" zentraler Versorgungsbereich Neustadt...... 93 Abb. 35: Stärken und Defizite in der Innenstadt von Neustadt aus Kundensicht - Passantenbefragung...... 95 Abb. 36: Bekanntheit der Innenstadt von Neustadt am Standort Titisee - Passantenbefragung...... 98 Abb. 37: Beurteilung des Einzelhandelsangebots in der Innenstadt von Neustadt - Passantenbefragung...... 99 Abb. 38: Aus Passantensicht fehlende Sortimente in der Innenstadt von Neustadt...100 Abb. 39: In der Innenstadt von Neustadt gekaufte Sortimente - Passantenbefragung100 Abb. 40: Motivation für den Einkauf in der Innenstadt von Neustadt...... 101 Abb. 41: Häufigkeit des Einkaufs in der Innenstadt von Neustadt...... 102 Abb. 42: Aufenthaltsdauer in der Innenstadt von Neustadt und weiteren ausgewählten Städten...... 103 Abb. 43: Einzelhandelskonzentrationen in Titisee-Neustadt...... 117 Abb. 44: Anzahl der Betriebe, Verkaufsflächen- und Umsatzanteile nach Standorttyp121 Abb. 45: Einzelhandelsstruktur in Titisee-Neustadt nach Standorttyp...... 122 Abb. 46: Betriebsgrößenklassen nach Standorttyp...... 123 Abb. 47: Umsatzentwicklung in den letzten drei Jahren nach Größenklassen...... 124 Abb. 48: Umsatzentwicklung in den letzten drei Jahren nach Standorttyp...... 125 Abb. 49: Einwohnerentwicklung in Titisee-Neustadt 1990 bis 2008 (tatsächliche Entwicklung) und 2005 bis 2025 (Prognosewerte)...... 137 Abb. 50: Bindungsquoten in Titisee-Neustadt nach Sortimenten im Ist-Zustand und 2020 bei einer Entwicklung entsprechend der Entwicklungsprognose...... 142 Abb. 51: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 - Angaben in qm...... 144 Abb. 52: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 im Bereich der nahversorgungsrelevanten Sortimente - Angaben in qm...... 148 Abb. 53: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 im Bereich der sonstigen zentrenrelevanten Sortimente - Angaben in qm...... 149 Abb. 54: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 im Bereich der nicht zentrenrelevanten Sortimente - Angaben in qm...... 150 Abb. 55: Verkaufsflächenverteilung üblicherweise zentrenrelevanter Sortimente nach Standorttyp...... 154 Abb. 56: Verkaufsflächenverteilung üblicherweise nicht zentrenrelevanter Sortimente nach Standporttyp...... 155 Abb. 57: Vorschlag für eine Sortimentsliste...... 157

KARTENVERZEICHNIS: Karte 1: Standorte Passantenbefragung...... 28 Karte 2: Einzelhandelsangebot im Ortszentrum von Titisee und angrenzenden Bereichen...... 64 Karte 3: Dienstleistungsangebot im Ortszentrum von Titisee und angrenzenden Bereichen...... 65 Karte 4: Vorschlag zur Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches im Ortszentrum von Titisee...... 66 Karte 5: Zentraler Versorgungsbereich Titisee - städtebaulich-funktionale Stärken..80

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Karte 6: Zentraler Versorgungsbereich Titisee - städtebaulich-funktionale Schwächen...... 85 Karte 7: Einzelhandelsangebot in der Innenstadt von Neustadt und angrenzenden Bereichen...... 89 Karte 8: Dienstleistungsangebot der Innenstadt von Neustadt und angrenzenden Bereichen...... 90 Karte 9: Vorschlag zur Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches der Innenstadt von Neustadt...... 91 Karte 10: Räumliche Parkraumsituation in der Innenstadt von Neustadt...... 104 Karte 11: Zentraler Versorgungsbereich Neustadt - städtebaulich-funktionale Stärken...... 105 Karte 12: Parkplätze und Bewirtschaftungstypen im Stadtkern von Neustadt...... 108 Karte 13: Zentraler Versorgungsbereich Neustadt - städtebaulich-funktionale Schwächen...... 111 Karte 14: (Lebensmittel-)Nahversorgungsangebot in der Stadt Titisee-Neustadt...127 Karte 15: Standortpotenziale innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Titisee...... 165 Karte 16: Standortpotenziale innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Neustadt...... 168 Karte 17: Perspektivische Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches in Neustadt (Gemeinderatsbeschluss)...... 172 Karte 18: Städtebaulich-gestalterische Maßnahmenvorschläge für Neustadt...... 176

FOTOVERZEICHNIS: Foto 1: Lebensmittelmarkt...... 81 Foto 2: Außengastronomie...... 81 Foto 3: Gestaltung Seestraße...... 83 Foto 4: Gestaltung Platzraum...... 83 Foto 5: Blick zum See...... 84 Foto 6: "Flaniermeile" Seestraße...... 84 Foto 7: Ladenzeile als baulicher Bruch...... 86 Foto 8: Stadtmobiliar...... 86 Foto 9: Außenbestuhlung (Negativbeispiel aus anderer Stadt)...... 87 Foto 10: Warenpräsentation (Negativbeispiel aus anderer Stadt)...... 87 Foto 11: Rathaus (Pfauenstraße)...... 107 Foto 12: Fachgeschäft (Adlerstraße)...... 107 Foto 13: Stadtbild Hirschenbuckel mit Blickachse Münster...... 109 Foto 14: kleinräumige Qualitäten (Bsp. Salzstraße, Ecke Hirschenbuckel)...... 109 Foto 15: kleinteiliger Leerstand (Hirschenbuckel)...... 113 Foto 16: Leerstand - ehm. Supermarkt (Scheuerlenstraße)...... 113 Foto 17: Eingangssituation Parkplatz...... 114 Foto 18: Straßenraumgestaltung Scheuerlenstraße...... 114 Foto 19: Verkehrsaufkommen (Hauptstraße)...... 115 Foto 20: heterogene Bebauung (Hauptstraße)...... 115 Foto 21: Einzelhandelskonzentration an der Donaueschinger Straße...... 116

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Foto 22: Einzelhandelskonzentration an der Freiburger Straße...... 116 Foto 23: Potenzialfläche Strandbad-/ Seestraße...... 166 Foto 24: Ideenskizze Potenzialfläche Strandbad-/ Seestraße...... 166 Foto 25: Potenzialfläche Kurbadstraße...... 169 Foto 26: Ideenskizze Potenzialfläche Kurbadstraße...... 169 Foto 27: Potenzialfläche Salzstraße - Blick Richtung Osten...... 170 Foto 28: Potenzialfläche Salzstraße - Blick Richtung Westen...... 170 Foto 29: Potenzialfläche Hauptstraße - Leerstände und heterogene Bebauung...... 171 Foto 30: Potenzialfläche Hauptstraße - Ideenskizze...... 171 Foto 31: Scheuerlenstraße...... 177 Foto 32: Ideenskizze: Gestaltung Scheuerlenstraße...... 177 Foto 33: Scheuerlenstraße, An der Kirche...... 178 Foto 34: Ideenskizze: Aufpflasterung Scheuerlenstraße/ An der Kirche...... 178 Foto 35: Ehm. Toilette - Hirschenbuckel...... 179 Foto 36: Ideenskizze Platzgestaltung am Hirschenbuckel...... 179 Foto 37: Hauptstraße - Fläche neben Adler Post...... 180 Foto 38: Ideenskizze - Platzgestaltung Hauptstraße...... 180 Foto 39: ehm. Edeka-Markt (Scheuerlenstraße)...... 180

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1. EINLEITUNG

1.1 AUSGANGSLAGE UND AUFGABENSTELLUNG

Die Stadt Titisee-Neustadt (rd. 11.800 Einwohner)1, im Landesentwicklungsplan als Mittelzentrum ausgewiesen2, liegt in der Region Südlicher Oberrhein und gehört zum Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Sie ist über die Bundesstraße 31 an das überörtliche Verkehrsnetz angeschlossen. Titisee-Neustadt besteht aus mehreren Stadt- bzw. Ortsteilen wobei die beiden größten Stadtteile Titisee und Neustadt prägend für die Gesamtstadt sind. Beide Stadtteile haben jedoch deutlich voneinander abgesetzte städtebauliche und funkti- onale Profile. Während Titisee stärker den touristischen Anspruch erfüllt, dient Neustadt eher als Versorgungsstandort im weitesten Sinne. Die räumliche Steuerung des Einzelhandels ist ein Instrument der Stadtentwicklung und muss auf die Gesamt- gemarkung bezogen werden, so dass selbst die schwerpunktmäßige Betrachtung von Neustadt, eine gesamtstädtisch angelegte Untersuchung bedarf.

Die Stadt Titisee-Neustadt steht, wie viele andere Städte auch, ökonomisch und strukturell sich ständig verändernden Rahmenbedingungen im Einzelhandel gegen- über. Gleichzeitig entstehen in den Siedlungebereichen der Städte immer wieder große Konversionsflächen: z.B. sollen Bahn-, Post- oder Telekomflächen sowie ehe- mals industriell genutzte Flächen neuen Nutzungen zugeführt werden. Dabei werden von den großflächigen Einzelhandelsanbietern, insbesondere den Lebensmitteldis- countern, in der Regel verkehrs- und kostengünstige Standorte in peripheren Lagen nachgefragt, die jedoch häufig mit den städtebaulichen Vorstellungen zur Entwick- lung zentraler Bereiche nicht oder nur eingeschränkt entsprechen. Daher sollten die Ziele der Stadtentwicklung der Stadt Titisee-Neustadt darin liegen, der zentral- örtlichen Funktion durch eine dementsprechende Ansiedlungspolitik gerecht zu wer- den, ohne dabei bestehende städtebauliche und funktionale Strukturen - insbeson- dere in den zentralen Bereichen von Titisee und Neustadt - in ihrer Entwicklungsfä- higkeit zu beeinträchtigen.

1 Einwohnerzahl des Statistischen Landesamtes, Stand 31.12.2008. 2 Landesentwicklungsplan 2002 Baden-Württemberg, Anhang zu 2.5 Zentrale Orte und Verflechtungsbe- reiche (insbes. S. A14).

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Die Einzelhandelsfunktion ist untrennbar mit den städtebaulichen Entwicklungsper- spektiven verbunden. Insbesondere der betriebliche Strukturwandel im Einzelhandel wirft - wie die Vergangenheit gezeigt hat - zunehmend auch städtebauliche Fragen auf: · Sind moderne Betriebsformen überhaupt in das städtebauliche Gefüge zu inte- grieren? · Welche Bedeutung kann, soll und wird der Einzelhandel für die Zentrenentwick- lung in Zukunft haben? · (Wie) kann die Einzelhandelsentwicklung die zentralörtliche Funktion von Titi- see-Neustadt auch in Zukunft stützen? usw.

Das planungsrechtliche Instrumentarium zur Steuerung des Einzelhandels im Sinne einer zentrenorientierten Stadtentwicklung steht bereits seit Jahren zur Verfügung und wurde durch den Gesetzgeber immer weiter entwickelt. In Baden-Württemberg sind zudem Einzelhandelskonzepte als Fachbeitrag bei Neuaufstellungen bzw. grund- legenden Aktualisierungen von Flächennutzungsplänen zu erstellen.

Ein auf diesem Gutachten basierendes Einzelhandelskonzept ist weitgehend auch als allgemeine städtebauliche Begründung im Sinne des § 1 (9) BauNVO verwendbar: "Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, daß nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zu- gelassen werden können."

Das Konzept mit seinen Inhalten erhält erst durch Beschluss des Gemeinderates als sonstiges informelles städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 (6) Satz 11 BauGB seine Wirkung. Damit können z.B. auf dieser Basis in Gebieten, die nach § 34 BauGB zu bewerten sind, einfache Steuerungsmöglichkeiten für den Einzel- handel nach § 9 (2a) BauGB geschaffen werden: "Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versor- gung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebau-

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ungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur aus- nahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhal- tenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vor- haben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorge- sehen sein."

Des Weiteren muss konstatiert werden, dass die Politik/ Verwaltung allein nur we- nige Möglichkeiten hat, die Einzelhandelsentwicklung in einer Stadt zu beeinflus- sen. Sie kann - wenn sie will - Einfluss nehmen auf die standort-, sortiments- und größenbezogene Einzelhandelsentwicklung und dieses auch nur bei Neuansiedlungen bzw. Umnutzungen. Darüber hinaus kann eine Stadt städtebauliche und infrastruktu- relle Angebote (z.B. Fußgängerzone, Parkplätze, öffentlicher Raum) machen. Auch wenn diese rahmensetzenden Möglichkeiten eine wesentliche Grundlage für eine po- sitive Einzelhandelsentwicklung und damit für eine positive städtebaulich-funktio- nale Entwicklung bilden, werden für das Umsetzen/ Ausfüllen dieser Ziele und Rah- menbedingungen andere Akteure gebraucht: · Nur wenn es dem bestehenden Einzelhandel in Titisee-Neustadt gelingt, sich ent- sprechend zu positionieren, wird dieser weiterhin Bestand haben. · Städtebaulich-funktionale Konzepte müssen z.T. von den privaten Hauseigentü- mern umgesetzt werden (z.B. Fassadengestaltung, Leerstandsmanagement). · Investoren müssen bereit sein, unter den vorgegebenen städtebaulich-funktiona- len Rahmenbedingungen zu investieren. Dies wird nur dann geschehen, wenn diese dauerhaft verlässlich sind. Insbesondere in den Zentren in Titisee und Neustadt müssen andere Akteure, z.B. die Gastronomen, in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, da gerade dieser Stadtbereich von einer städtebaulichen und funktionalen Vielfalt abhängig ist.

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In die Erarbeitung des Gutachtens wurde eine Arbeitsgruppe eingebunden, in der neben der Stadt (Bürgermeister, Stadtbaumeister, Wirtschaftsförderer), der Politik (Fraktionsvorsitzende der CDU, SPD und der Grünen) auch ortsansässige Händler und Gewerbetreibende (u.a. Vertreter der Zukunftswerkstatt Titisee-Neustadt) mitwirk- ten. Projektbegleitend wurden in vier Sitzungen u.a. die inhaltliche Vorgehens- weise, der Fragebogen für die Einzelhändler- und Passantenbefragung, die Prog- noseannahmen, Zwischenergebnisse sowie Maßnahmenvorschläge vorgestellt und diskutiert und - ggf. nach einer Ergänzung - als Grundlage zur weiteren Bearbeitung bestimmt.

1.2 AUFBAU DES GUTACHTENS

Zu Beginn des Gutachtens werden in Kap. 2 - auch zum Verständnis der Konflikt- situationen zwischen Einzelhandel und Städten - allgemeine Trends der Einzelhan- delsentwicklung erörtert und nach ihren Folgewirkung für die Stadtentwicklung nä- her beleuchtet, um anschließend die planungsrechtlichen Steuerungsmöglich- keiten darzustellen. Im Analyseteil des Gutachtens wird die Einzelhandelssituation auf gesamt- städtischer Ebene als auch raumstrukturell eingehend dargelegt und bewertet. Grundlage hierfür bilden insbesondere die Ergebnisse der Einzelhandelserhebung sowie der Händler- und Passantenbefragung. Neben der Darstellung und Bewertung der Ergebnisse der Ist-Analyse für die Gesamtstadt im Kap. 3 wird im Kap. 4 die Ist- Situation im Ortszentrum von Titisee bzw. in der Innenstadt von Neustadt erörtert. Hierbei werden auch Vorschläge zur Abgrenzung der zentralen Versorgungsbe- reiche in Titisee und Neustadt gemacht, die für eine städtebaulich motivierte, räumliche Lenkung des Einzelhandels eine essentielle Bedeutung haben. Ein be- sonderes Augenmerk wird - gestützt auf städtebaulich-funktionale Bestandsauf- nahmen - auf die Herausstellung der spezifischen Stärken und Schwäche dieser bei- den Einzelhandelslagen gelegt. Kapitel 5 enthält Angaben zur raumstrukturellen Ver- teilung des Einzelhandelsangebotes, die sich auf die gesamte Stadt beziehen, aber nach den verschiedenen Standorttypen ausdifferenziert sind. Auf der Ist-Analyse aufbauend wird erörtert, wie die künftige Einzelhandelsent- wicklung in der Stadt verlaufen kann und welcher, insbesondere von der Nachfrage- seite gedeckte Verkaufsflächenzuwachs, in Titisee-Neustadt zu erwarten ist. Neben

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dem Ausmaß des Verkaufsflächenzuwachses sind räumliche Entwicklungsmöglichkei- ten in der Stadt darzustellen. Auf der Grundlage dieser Arbeitsschritte werden im konzeptionellen Berichtsteil Maßnahmen abgeleitet. Dieser besteht im Wesentlichen aus dem Einzelhandels- konzept, beinhaltet aber auch städtebaulich-gestalterische Maßnahmenvorschläge sowie Maßnahmenvorschläge für weitere Akteure.

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2. RAHMENBEDINGUNGEN DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG UND PLANUNGSRECHTLICHE VORGABEN

Einleitend werden vergangene und in der Tendenz absehbare Trends der Einzel- handelsentwicklung unter planerischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten näher beleuchtet. Die Analyse der allgemeinen Einzelhandelsentwicklung ist bedeutsam, da an ihr die Folgen einer Genehmigung von Einzelhandel am "falschen Standort" ablesbar sind. Übertragen auf die Untersuchungskommune bedeutet dies, dass es einen Teil der Handelsentwicklung gibt, der nicht durch planerische Konzepte steuerbar ist und sein soll, z.B. die Betriebstypenentwicklung. Der steuerbare Bereich der Einzel- handelsentwicklung betrifft die Größenentwicklung und Standortbereitstellung. Eine Minimierung der negativen Folgen der Einzelhandelsentwicklung ist möglich, wenn diese nur an den städtebaulich für richtig befundenen Standorten stattfindet. Für diese - städtebaulich begründete - räumliche Lenkung der Einzelhandelsent- wicklung gibt es rechtlich zentrale Vorrausetzungen, die im Anschluss daran erör- tert werden.

2.1 ALLGEMEINE TRENDS DER EINZELHANDELSENTWICKLUNG

Die gesellschaftliche Aufgabe des Einzelhandels liegt in der Versorgung der Be- völkerung mit Gütern. In jeder Stadt bzw. Gemeinde (unabhängig von ihrer zentral- örtlichen Funktion) betrifft dies zunächst die Deckung der Grundversorgung insbe- sondere mit Lebensmitteln3. In einem Mittelzentrum wie Titisee-Neustadt erstreckt sich diese Aufgabe überdies auf die Versorgung mit Angeboten, die nicht in jeder Gemeinde in tragfähigen Ein- richtungen angeboten werden können, mithin neben der Grundversorgung mit Gü- tern des täglichen Bedarfs auch auf die Versorgung mit Gütern des mittel- und langfristigen Bedarfs. In diesen Bedarfsbereichen sollen dabei neben der eigenen Bevölkerung auch Einwohner im Mittelbereich4 versorgt werden.

3 Nach den Grundsätzen der Landesplanung Baden-Württemberg, die bei raumbedeutsamen Planungen in der planerischen Abwägung, insbesondere bei der Bauleitplanung, zu berücksichtigen sind, ist "eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen und eine wohnortnahe Ver- sorgung mit Gütern und Dienstleistungen anzustreben."; vgl. LEP 2002, Plansatz 1.2 (Grundsatz). 4 Zum Mittelbereich Titisee-Neustadt gehören neben der Stadt selbst Breitnau, Eisenbach, , Friedenweiler, , Lenzkirch, Löffingen, (vgl. Anhang zum LEP 2002 Baden- Württemberg, S. 95).

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Neben dieser eigentlichen Aufgabe des Einzelhandels erzeugt dieser in integrierten Lagen städtische Bedingungen wie Dichte, Frequenz und Mischung. Der Einzelhandel hat daher eine "stadtbildende Funktion": Städtisches Leben, urbane Attraktivität und Multifunktionalität sind ohne Einzelhandel nur schwer vorstellbar. Im Zuge des Strukturwandels und hier insbesondere der Suburbanisierung der Einzelhandels- standorte seit Mitte der siebziger Jahre wurde den Zentren jedoch viel von der stadtbildenden Kraft des Einzelhandels entzogen.

Auf Grund der Lösung des Einzelhandels von klassischen Standortfaktoren wie "Ein- wohnerdichte im Naheinzugsbereich" oder "hohe Passantendichte" - auch als Folge der Genehmigungspolitik der Baugenehmigungsbehörden - kam es zu einer Entwer- tung traditioneller Einkaufsstandorte und der auf diese Standorte gerichteten infrastrukturellen Einrichtungen. Durch die Ansiedlungspolitik der Kommunen im Außenbereich der Städte entwickelten sich neue, zum Teil erhebliche Nutzungskon- flikte (gewerbliche Nutzung, industrielle Nutzung, Sportstätten, Einzelhandels- nutzung) und ökologische Probleme (Verkehrsaufkommen, Landschaftsverbrauch, Flächenversiegelung). Um die stadtbildprägende Kraft des Einzelhandels aufrechtzuerhalten - und darüber hinaus die Nahversorgung der gesamten Bevölkerung (auch der weniger mobilen) zu sichern -, bedarf es deshalb der gezielten Lenkung der Einzelhandelsentwicklung.

2.1.1 Handelsendogene und -exogene Faktoren der Einzelhandelsentwicklung Die Entwicklung des Einzelhandels wird sowohl durch die Anbieter als auch durch die Nachfrager/ Konsumenten bestimmt.

Bedeutung handelsendogener Faktoren Veränderungen auf Anbieterseite (handelsendogene Faktoren) sind zum Einen die Konzeption von Betriebstypen (Tante-Emma-Laden, Supermarkt, Discounter, SB-Wa- renhaus etc.), die Standortdynamik oder die Sortimentspolitik der unterschiedlichen Anbieter: · Betriebstypenentwicklung: Die Betriebstypenentwicklung als Folge des stetigen Bestrebens der Handelskonzerne, Kostenstrukturen zu optimieren ist dabei ver- bunden mit einer Auffächerung des Niedrigpreisbereiches in Markendiscountern, Factory-Outlet, Sonderpostmärkte und traditionelle (Lebensmittel-)Discounter, ei-

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nem Anstieg der Verkaufsfläche und einer kontinuierlichen Abnahme der Fachge- schäfte. Problematisch ist dies vor allem, weil ein Großteil der neuen Betriebstypen häu- fig außerhalb gewachsener städtischer Strukturen angesiedelt wird und somit zur Auflösung der vorhandenen städtischen Funktionen und der Nutzungsvielfalt bei- tragen kann. Der aus betriebswirtschaftlichen Effizienzgründen erfolgte Anstieg der Verkaufsfläche je Betrieb erschwert häufig die Integration der neuen Be- triebstypen in die gewachsenen Strukturen der Zentren, wodurch die Multifunkti- onalität des Handels abhanden kommen kann. · Sortimentspolitik: Daneben verändern sich auch die einzelnen Betriebstypen selbst, z.B. im Hinblick auf ihr Warensortiment. Die klassische Branchenaufteilung bricht dadurch langsam auf, so dass mittlerweile nicht nur Warenhäuser als Mehrbranchenanbieter angesehen werden können. Baumärkte oder Lebensmittel- betriebe führen i.d.R. Randsortimente oder auf sog. Aktionsflächen Sortimente, die von der für diese (ursprünglichen) Betriebsarten üblichen Sortimentsstruktu- rierung erheblich abweichen. Diese Sortimente stehen oftmals in Konkurrenz zu den entsprechenden Angeboten der Innenstädte oder anderer zentraler Versor- gungsbereiche. · Neue Betriebsformen: Neben diesen Entwicklungen entstehen neue groß dimensionierte Betriebstypen wie Factory Outlet Center (FOC) und Urban Enter- tainment Center (UEC). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Betriebstypen angesichts der je erforderlichen Einzugsbereiche nur begrenzte Entwicklungspo- tenziale aufweisen. · Standortdynamik: Die Betriebstypendynamik führt - teilweise gemeinsam mit den Trends auf Seiten der Konsumenten - auch zu Neubewertungen von Standorten: Insbesondere werden autokundenorientierte Standorte und preisgünstige Grund- stücke vorgezogen. Die Funktionsmischung großflächiger Einzelhandelsstandorte an der Peripherie führt zu einer Erhöhung ihrer Standortattraktivität, insbeson- dere im Verhältnis zu Innenstädten, so dass sich für diese ein Entwicklungshemm- nis ergeben kann.

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Bedeutung handelsexogener Faktoren Zu den handelsexogenen Faktoren gehören vor allem nachfragebedingte Faktoren wie Einkommen, Mobilität sowie soziodemografische und rechtliche Rahmenbedin- gungen, welche die Einzelhandelsentwicklung entscheidend beeinflussen können: · Soziodemografische Entwicklung: Die Einwohnerzahl in Deutschland wird auf Grund der konstant niedrigen Geburtenrate trotz anhaltender Zuwanderungen aus dem Ausland langfristig abnehmen. Hinzu kommt, dass der Anteil der älteren Menschen kontinuierlich zunimmt. Diese Entwicklung hat für den Einzelhandel und damit auch für die Zentren eine wichtige Bedeutung, z.B. in Bezug auf den Bedarf an Kinderbekleidung und Spielwaren, die Erreichbarkeit von Nahversorgungsein- richtungen für ältere Menschen oder auch das Angebot an gesundheitsfördernden Artikeln. Eng mit dem Wandel der Altersstruktur ist die Veränderung der Haus- haltstypen verbunden. Die Anzahl der Haushalte steigt - auch im Verhältnis zur Bevölkerungszahl - in Deutschland kontinuierlich an, die Haushaltsgröße nimmt gleichzeitig ab, was sich an der deutlichen Zunahme von Single-Haushalten zeigt. Die Pluralisierung und Individualisierung der Lebens- und auch Wohnformen, wel- che u.a. zu einem veränderten Kaufverhalten führen, ist ein weiterer Trend, der bei anstehenden Planungen zur zukünftigen Einzelhandelsentwicklung berücksich- tigt werden muss. · Mobilität: Zunehmende Mobilität und Mobilitätsbereitschaft führen dazu, dass zumindest von einem Teil der Bevölkerung häufiger wohnortfernere Einzelhan- delsstandorte aufgesucht werden. Dies führt gleichzeitig zu einer Schwächung der Einzelhandelsstandorte in zentralen Lagen bis hin zum Wegfall der Nahversor- gung. · Einkommen: Die veränderten Kostenbelastungen bei privaten Haushalten (z.B. Wohn-/ Energiekosten) führen zu einem Rückgang des Anteils der einzelhandelsbe- zogenen Konsumausgaben am Einkommen, darüber hinaus erfolgt zunehmend eine Kopplung von Freizeitaktivitäten, Gastronomiebesuchen und Einkauf (Trend zum Erlebniseinkauf).

Betrachtet man die Wechselbeziehungen von handelsendogenen und handelsexogenen Faktoren, ist festzustellen, dass der Einzelhandel nicht vorrangig auf die Bedürf- nisse der Nachfrage reagiert, sondern dass die verschiedenen Entwicklungen im Einzelhandel primär durch diesen selbst verursacht/ bestimmt werden.

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"Die Versuche zu Werbeeinwirkungen auf Verbraucher nehmen dauernd an Umfang zu ... sie können nicht verpuffen, weil die Verbraucher grundsätzlich bereit sind, ihnen zu folgen".5

2.1.2 Städtebauliche Wirkungen der Einzelhandelsentwicklung Die Suburbanisierung der Handelsstandorte gefährdet die Rentabilität stadt- bzw. gemeindezentrenbezogener Entwicklungskonzepte sowie von Investitionen der öf- fentlichen Hand und der privaten Wirtschaft. Die fehlende wirtschaftliche Perspekti- ve führt zum Rückzug weiterer Einzelhandelsunternehmen aus den Innenstädten bzw. Ortszentren (und weiteren zentralen Bereichen).

Die aus betriebswirtschaftlichen Effizienzgründen für erforderlich erachtete Min- destverkaufsfläche steigt in allen Einzelhandelsbranchen an und erschwert in Kom- bination mit der vorherrschenden eingeschossigen Bauweise die Integration der Be- triebe in die gewachsenen Strukturen der Innenstädte und Ortszentren. Die Multi- funktionalität des Handels und die kleinteiligen Strukturen in den Kernbereichen drohen abhanden zu kommen.

Die städtische Verkehrssituation gerät in ein Spannungsfeld. Das Flächenwachstum im Handel reduziert die Möglichkeiten, die städtischen Funktionen Wohnen und Ver- sorgung zu mischen und damit das Individualverkehrsaufkommen zu reduzieren. Die schwindende Attraktivität der Innenstädte bzw. der Stadtbezirkszentren/ Stadtteil- zentren (und der sonstigen zentralen Bereiche) als Einkaufsorte hemmt die Bereit- schaft, in verbesserte innerstädtische ÖPNV-Konzepte zu investieren. Es ist die Aus- nahme, dass autokundenorientierte Einzelhandelsgroßbetriebe im Umland der Städte an öffentliche Verkehrsmittel angebunden werden (wollen). Die Größe des Einzugsgebietes des suburbanen Einzelhandels führt zu einem zusätzlichen Anstieg des Individualverkehrs.

Die wohnungsnahe Grundversorgung ist nicht mehr garantiert. Als Folge der (durch die Genehmigungspolitik zugelassenen) Suburbanisierung ziehen sich der Handel und andere Infrastruktureinrichtungen (z.B. Poststellen, Bankfilialen) aus

5 Ruberg, C.: Vom Verbraucher erzwungene Risiken des Einzelhandelsbetriebs, in: Behrens, K. C.: Der Standort der Handelsbetriebe, Köln/ Opladen, 1965.

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den Wohngebieten und dem ländlichen Raum zurück. Die durch den Konzentrations- prozess im Lebensmitteleinzelhandel ausgelöste Erhöhung der durchschnittlichen Betriebsgröße hat zur Folge, dass für Anbieter die Notwendigkeit entsteht, mit die- sen größeren Betriebseinheiten auch entsprechend höhere Umsätze zu erwirtschaf- ten. Damit vergrößert sich der notwendige Einzugsbereich jedes Betriebes. Der da- durch ausgelöste Verdrängungswettbewerb reduziert das Angebot zunehmend auf standort- und betriebstypenbezogen optimierte Betriebe: Eine fußläufige bzw. wohnortnahe Nahversorgung durch relativ kleinflächige Lebensmittelbetriebe in Wohnlagen ist wegen der Ausdünnung des Versorgungsnetzes häufig nicht mehr ge- währleistet. Die Entwicklung verläuft entgegen dem für die Nahversorgung wichti- gen Ziel einer "Stadt der kurzen Wege". Betroffen ist vor allem der mobilitätseinge- schränkte Teil der Bevölkerung. Mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen steigt so die Zahl potenziell unterversorgter Haushalte. Nahezu unabhängig von der Einwohnerzahl einer Kommune sind (neben Personen- gruppen ohne Auto und Familien mit nur einem Auto) gerade ältere Menschen in be- sonders hohem Maße von einer unzureichenden Nahversorgung betroffen. Zurück- zuführen ist dies u.a. auf · mangelnde finanzielle Möglichkeiten für den Besitz und die Nutzung eines Pkw für den Einkauf, · den noch immer überdurchschnittlich hohen Anteil von Personen, insbesondere Frauen, ohne Führerschein in dieser Altersgruppe sowie · auf die fehlenden gesundheitlichen/ körperlichen Voraussetzungen zum Führen ei- nes Pkw.

Der Flächenverbrauch der modernen Betriebstypen für großflächige, eingeschossi- ge Verkaufsräume und komfortable Pkw-Stellplatzanlagen sowie die Fokussierung dieser Betriebstypen auf motorisierte Konsumenten aus einem möglichst großen Einzugsgebiet führen zu zusätzlichen Umweltbelastungen.

Die aufgezeigten Probleme beeinträchtigen den innerstädtischen Einzelhandel im- mer häufiger. Dabei weisen die Einzelhändler auf die Abhängigkeit des Standortes Innenstadt von seiner Erreichbarkeit hin. Gleichzeitig muss sich der Handel der Konkurrenz optimal geplanter Shopping-Center mit guter Verkehrsanbindung, Fla- nierambiente, hochwertigen Anbietern und hohem Organisationsgrad (Werbung,

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Öffnungszeiten etc.) sowie mit Angeboten zur Freizeitgestaltung stellen. Dies er- fordert wiederum an innerstädtischen Standorten eine (bauliche) Aufwertung des Ambientes, z.B. durch Fußgängerzonen, und eine vielfältige Funktionsmischung, um einen innerstädtischen "Erlebnisraum" zu schaffen bzw. auszubauen.

2.2 MÄRKTE- UND ZENTRENKONZEPT ALS RÄUMLICHES STEUERUNGSINSTRUMENT FÜR DEN EINZELHANDEL

Das in der Folge dargestellte Märkte- und Zentrenkonzept mit seinen Steuerungs- elementen soll die Stadt Titisee-Neustadt in die Lage versetzen, die räumliche Ein- zelhandelssteuerung in der Stadt entsprechend der stadtentwicklungsplanerischen Zielsetzungen zu betreiben. Im Rahmen von (kommunalen) Einzelhandelskonzepten wird immer wieder die Frage gestellt, ob eine planerische räumliche Lenkung des Einzelhandels überhaupt recht- lich tragfähig möglich ist6. Im Grundsatz ist diese Frage geklärt, denn das ungere- gelte Marktgeschehen verursacht - wie im vorrangegangen Kapitel 2.1 skizziert - ne- gative Wirkungen auf raumordnerische und städtebauliche Zielsetzungen, die der Markt selbst nicht korrigiert bzw. korrigieren kann. Marktwirtschaftliche Einwände werden zwar immer wieder artikuliert, sind jedoch durch verschiedene Urteile ver- worfen worden7. Die Tatsache, dass Einzelhandelsansiedlungen unangemessen sein können, ergibt sich auf Grund des immer noch aktuellen städtebaulichen Leitbildes der "Europäischen Stadt" und vor allem aus dem Recht - und der Pflicht - jeder Stadt/ Gemeinde, die städtebauliche Ordnung und Entwicklung zu sichern8.

2.2.1 Planungsrechtlicher Rahmen des Einzelhandelskonzeptes

Die rechtlichen Vorgaben für den Einsatz eines Einzelhandelskonzeptes betreffen u.a. · die erforderliche Definition der zentralen Versorgungsbereiche, abgeleitet auf Basis einer Ist-Analyse und · die Anforderungen an die Ableitung einer Sortimentsliste.

6 Vgl. BVerwG: Beschluss vom 10.11.2004 Az. 4 BN 33/04. 7 Vgl. z.B. OVG NRW: Urteil vom 22.06.1998 Az. 7a D 108/96.NE. 8 Vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz: Urteil vom 21.06.2001 Az. 1 C 11806/00.OVG; BayVGH: Urteil vom 25.04.2002 Az. 2 CS 02.121. Die Pflicht für die Kommunen könnte sich letztlich aus dem § 1 (3) BauGB ergeben.

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2.2.1.1 Zentraler Versorgungsbereich Die städtebaulich begründete räumliche Steuerung des Einzelhandels ist seit langem möglich, wobei die (Einzelhandels-)Innenstadt eine besondere Rolle spielte. Durch das EAGBau 2004 und durch die Baurechtsnovelle 2007 sind die sogenannten "zentralen Versorgungsbereiche" in den Fokus der Begründung für eine städtebau- lich motivierte räumliche Lenkung gerückt worden. Sie stellen bei der Bauleit- planung zu berücksichtigende Belange da. So wurde in § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB die "Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche" festgeschrieben. Hier- nach können sich Gemeinden im Rahmen des gemeindenachbarlichen Abstimmungs- gebot gemäß § 2 Abs. 2 BauGB nun ausdrücklich auf Auswirkungen auf ihre zentrale Versorgungsbereiche berufen. Des Weiteren sind nach § 34 Abs. 3 BauGB bei Vor- haben im nicht beplanten Innenbereich schädliche Auswirkungen auf zentrale Ver- sorgungsbereiche auch außerhalb der näheren Umgebung zu beachten.

Nach dem derzeit jüngsten Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in dieser Sache, sind zentrale Versorgungsbereiche "räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt."9 Für den Einsatz eines Zentren- und Einzelhandelskonzeptes von Bedeutung ist dabei, dass auch eine planerische Abgrenzung vorgenommen werden kann, die nicht mit der Abgrenzung der Ist-Situation übereinstimmen muss10.

Nur wenn klar ist, welcher Bereich einer Stadt als zentraler Versorgungsbereich (früher (Einzelhandels-)Innenstadt) anzusehen ist, kann geprüft werden, ob dieser geschützt werden soll. Erst wenn diese räumliche Abgrenzung vorgenommen ist, ist der Nachweis zu erbringen, dass eine Sicherung und Weiterentwicklung der Innen- stadt erreichbar ist. Und nur auf diese Weise kann auch der planungsrechtliche Be- zug zum Ausschluss von Einzelhandel an anderen Standorten hergestellt werden.

9 BVerwG, Urteil vom 11.10.2007, Az.: 4 C 7.07. 10 "Zentrale Versorgungsbereiche [...] können sich sowohl aus planerischen Festlegungen als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben" (BVerwG, Urteil vom 11.10.07, Az. 4 C 7/07).

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2.2.1.2 Sortimentsliste Da nicht jeder Einzelhandel in den zentralen Versorgungsbereichen angesiedelt werden muss/ soll und umgekehrt bestimmte Einzelhandelsangebote in Gewerbege- bieten oder in überwiegend gewerblich genutzten Gebieten ausgeschlossen werden sollen, ist ein stadtentwicklungspolitischer und städtebaurechtlicher Rahmen für eine positive Einzelhandelsentwicklung in der gesamten Stadt, insbesondere in den Zentren von Titisee-Neustadt, zu schaffen. Entsprechend ist für die Stadt Titisee-Neustadt abzuleiten, welche Sortimente zent- renrelevant sind. Für die räumliche Lenkung der Einzelhandelsentwicklung ist zu be- achten, dass die Übertragung einer allgemeinen Sortimentsliste (beispielsweise aus dem Einzelhandelserlass Baden-Württemberg) rechtlich nicht ohne weiteres zulässig ist11. Dies entspricht der Maßgabe und den Erkenntnissen, nach denen das Büro Dr. Acocella (bis 31.07.03: AGENDA) seit seinem Bestehen (1993) arbeitet: "Diese Differenzierung zwischen innenstadt- bzw. innerorts bedeutsamen oder nicht bedeutsamen Branchen kann verständlicherweise nur konkret und nur im Einzelfall bestimmt werden ..."12. Als Grundlage ist dafür die Einzelhandelsstruktur zu analysieren.

2.2.1.3 Steuerungsmöglichkeiten der kommunalen Planungsebene Die Steuerungsmöglichkeiten der kommunalen Planungsebene sind insbesondere durch das BauGB und die BauNVO - also bundeseinheitlich - geregelt.

Durch die Aufstellung eines Flächennutzungsplanes werden erste räumliche Dar- stellungen für die Zulässigkeit von Einzelhandelseinrichtungen auf der kommunalen Ebene getroffen13, die in Bebauungsplänen (§ 9 BauGB) zu konkretisieren sind. Für die Flächen der Gebietskategorien W und G sind nur solche Bebauungspläne aus dem FNP zu entwickeln, in denen Einzelhandelsbetriebe zulässig sind, die keines SO bedürfen. Die konkrete planerische Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben in Bau- gebieten ergibt sich jedoch erst durch die Festsetzungen in Bebauungsplänen nach §§ 2 bis 9 BauNVO.

11 Vgl. dazu VGH Mannheim: Urteil vom 02.05.2005, Az. 8 S 1848/04, Rn 17 sowie unter Verweis hierauf Urteil vom 30.01.2006, Az. 3 S 1259/05, Rn 42. 12 Birk (1988), a.a.O., S. 288; bestätigt z.B. durch VGH Baden-Württemberg: Urteil vom 30.01.2006, Az. 3 S 1259/05. 13 Vgl. Baugesetzbuch (BauGB) (2007), § 5 Abs. 2 Satz 1.

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Die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes (§ 12 BauGB) kann in Einzelfällen eine steuernde Wirkung insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung eines geplanten Einzelhandelsvorhabens entfalten. Eine grundsätzliche, räumliche Steuerung des Einzelhandels ist jedoch auf dieser Basis nicht möglich, da der vorhabenbezogene Bebauungsplan eher reaktiv auf die potenzielle räumliche und inhaltliche Einzelhandelsentwicklung eingesetzt wird.

Mit Veränderungssperren nach § 14 BauGB und/ oder Zurückstellung von Bauge- suchen nach § 15 BauGB kann lediglich zeitlich begrenzt verhindert werden, dass planerisch ungewollte Entwicklungen eintreten. Des Weiteren können diese Instru- mente genutzt werden, um bauleitplanerische Verfahren entsprechend den städte- baulichen Zielen abzuschließen14. Mit Hilfe dieser Instrumente wird eine gegebene Situation im Ist-Zustand vorläufig gesichert, was letztlich jedoch eine Verhinde- rungswirkung - zumindest in Bezug auf ungewollte Entwicklungen im Plangebiet - entfaltet.

Im § 34 Absätze 1, 2 und 3 BauGB werden die Bedingungen für die Zulässigkeit von Nutzungen "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile", für die kein Be- bauungsplan nach § 30 Abs. 1 BauGB vorliegt, aufgeführt. Die Zulässigkeit von Einzelhandelsvorhaben in § 34-Gebieten richtet sich eben nicht nach den jeweils gültigen städtebaulichen Zielvorstellungen zur Einzel- handelsentwicklung in der Stadt, sondern danach, ob sich das Einzelhandelsvor- haben "nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grund- stücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, die Erschließung gesichert ist" und bezieht bei der Beurteilung der ne- gativen Wirkungen lediglich die "zentralen Versorgungsbereiche" ein, deren Schä- digung vermieden werden soll. Im Übrigen ist die Zulässigkeit eines Einzelhandels- vorhabens gegeben, wenn das Plangebiet einem der Baugebiete nach §§ 2 bis 9 BauNVO entspricht und das Vorhaben innerhalb dieser Gebiete zulässig wäre. Daher ist der § 34 BauGB kaum geeignet, eine im Sinne der jeweils gültigen städte- baulichen Zielvorstellungen wirksame, räumliche Steuerung der Einzelhandelsent- wicklung zu gewährleisten.

14 Vgl. OVG NRW, 1998, a.a.O., ebd.

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Nur mit Hilfe der Bauleitplanung (§§ 2 bis 9 BauNVO) kann eine reaktive in eine ak- tive Planung übergeleitet werden, woraus sich eine systematische, räumliche Steue- rung der Einzelhandelsentwicklung ergeben kann.

Im BauGB 2007 ist als zusätzliches planungsrechtliches Steuerungsinstrument § 9 Abs. 2a BauGB eingeführt worden. Danach ist es möglich, für im Zusammenhang be- baute Ortsteile in einem Bebauungsplan ohne Ausweisung von Baugebieten i.S. der Baunutzungsverordnung die Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB beschränken- de Festsetzungen namentlich zum Einzelhandel zu treffen, um zentrale Versorgungs- bereiche zu erhalten und zu entwickeln. Es werden hierdurch planerische Gestal- tungsmöglichkeiten geschaffen, die über die Zulässigkeitsregel des § 34 Abs. 3 BauGB (s.o.) hinaus gehen. Der Bebauungsplan kann dabei für die nach § 34 BauGB zu beurteilenden Gebiete insgesamt oder für Teile davon aufgestellt werden. Der Zweck muss auf die "Erhaltung oder Sicherung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden" gerichtet sein15.

In der öffentlichen Diskussion zur räumlichen Steuerung des Einzelhandels stehen vor allem Einzelhandelsbetriebe nach § 11 Abs. 3 BauNVO (großflächige Einzelhan- delsbetriebe) im Vordergrund; sehr viel Aufmerksamkeit und gerichtliche Auseinan- dersetzungen erzeugen insbesondere Fachmarktzentren und Factory Outlet Center. Dass diese großflächigen Einzelhandelsbetriebe reaktiv, also auf Grund eines kon- kreten Vorhabens nach Standort, Größe und Sortimenten gesteuert werden können, ist unstrittig16. Eine Stadt kann im Hinblick auf eine künftige Entwicklung vorab17 die räumliche Verortung der großflächigen Einzelhandelsbetriebe in ihrem Gebiet durch die Ausweisung von Sonderbauflächen für Einzelhandel im FNP nach § 5 BauGB vornehmen.

15 Vgl. Söfker, W.: Steuerungsinstrumente der Innenentwicklung für den Handel durch das EAG Bau und das BauGB 2007, Kurzfassung des Vortrags im 547/6. Kurs des Instituts für Städtebau Berlin "Städte- bau und Handel", Berlin 2007 16 Kopf, H.: Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten - Unter besonderer Be- rücksichtigung von Factory Outlet Centern, Berlin, 2002. 17 BVerwG: Beschluss vom 08.09.1999, Az. 4 BN 14.99.

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Darüber hinaus können aber auch Läden, nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe (Fachgeschäfte) und nicht großflächige Fachmärkte, die nicht nach § 11 Abs. 3 zu be- urteilen sind, städtebaulichen Zielsetzungen entgegen stehen, wenn sie in großer Zahl und mit zentrenrelevanten Sortimenten außerhalb der Innenstadt und/ oder außerhalb städtebaulich gewünschter Standorte in Baugebieten18 entstehen, in de- nen diese allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind19. Dies kann dazu führen, dass sich im Verlauf der Zeit Einzelhandelsagglomerationen mit nicht groß- flächigen Einzelhandelsbetrieben in Gewerbe- und Industriegebieten nach §§ 8 bzw. 9 BauNVO entwickeln. Solche Einzelhandelsstandorte waren zunächst auf Grund ihres Umfanges für die Entwicklung der Zentren unproblematisch und/ oder haben auf Grund der verfügbaren Gewerbegebietsflächen auch nicht zur Flächenverknap- pung geführt. Ähnliche Entwicklungen in Mischgebieten nach § 6 BauNVO können ebenfalls städtebaulich unerwünschte Folgewirkungen haben.

Zur Vermeidung dieser unerwünschten Entwicklungen hat der Verordnungsgeber die Möglichkeit einer Feingliederung durch § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO geschaffen: "Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzun- gen, die nach den §§ 2,4 bis 9 und 13 [BauNVO] allgemein zulässig sind, nicht zu- lässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die all- gemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt"20. "Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungs- plan bei Anwendung der Abs. 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen bauli- chen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur aus- nahmsweise zugelassen werden können"21. In GE- (§ 8 BauNVO), GI- (§ 9 BauNVO) und auch in MI-Gebieten (§ 6 BauNVO) kann der Einzelhandel insgesamt bzw. eine bestimmte Art von Einzelhandel, z.B. zentrenrele-

18 Die Baunutzungsverordnung definiert in den §§ 2 bis 9 abschließend Baugebietstypen. Eine planende Gemeinde kann darüber hinaus keine neuen Baugebietstypen "erfinden". Vgl. dazu BVerwG: Beschluss vom 27.07.1998, Az. 4 BN 31.98. 19 Birk (1988), a.a.O., S. 284. 20 BauNVO § 1 Abs. 5 i.d.F. vom 23.01.1990. 21 BauNVO § 1 Abs. 9 i.d.F. vom 23.01.1990.

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vante Sortimente, aus städtebaulichen Gründen ausgeschlossen werden22; eine darü- ber hinaus gehende differenzierte, sortimentsbezogene Verkaufsflächenfestlegung ist auf dieser Basis nicht möglich23. Eine städtebauliche Begründung ist z.B. die Ent- wicklung zentraler Versorgungsbereiche24 oder die Sicherung von Gewerbegebiets- flächen für Handwerk und Produzierendes Gewerbe25.

2.2.2 Konsequenzen für das Genehmigungsverfahren

Anhand der vorstehenden planungsrechtlichen Regelungsmöglichkeiten wird deutlich, dass die räumliche Steuerung des Einzelhandels auf kommunaler Ebene insbesondere davon abhängig ist, inwieweit die Stadt (Verwaltung und Politik) ihren weiten Ges- taltungsspielraum in der Frage nutzt, ob und in welchem Rahmen sie planerisch tä- tig wird26. Als Planungsgrundsatz kommt dabei dem § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB insbesondere Be- deutung für eine Bauleitplanung zu, durch welche vorhandene oder zu entwickelnde Versorgungsbereiche dadurch geschützt werden sollen, dass außerhalb solcher zent- raler Versorgungsbereiche Vorhaben, die diese beeinträchtigen könnten, nicht oder nur eingeschränkt verwirklicht werden können. Nach § 9 Abs. 2a BauGB ist ein städtebauliches Entwicklungskonzept i.S. des § 1 Abs. 6 Nr. 11, welches Aussagen über die vorhandenen und zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Stadt oder eines Stadtteils enthält, insbeson- dere zu berücksichtigen, da ein solches Konzept eine die Aufstellung des Bebau- ungsplans unterstützende Funktion hat; es sind nachvollziehbare Aussagen über die zentralen Versorgungsbereiche und ihre Schutzbedürftigkeit enthalten27.

22 Vgl. dazu z.B. BVerwG, Beschluss vom 27.07.1998, Az 4 BN 31/98 BVerwG, Beschluss vom 10.11.2004, Az 4 BN 33/04 Rn 6. 23 Vgl. Vogels, P. et al.: Auswirkungen großflächiger Einzelhandelsbetriebe, Stadtforschung aktuell, Bd. 69, Basel/ Boston/ Berlin, 1998, S. 289ff. 24 Vgl. z.B. Müller, M. Rechtliche Voraussetzungen für die Ansiedlung großflächiger Handelsbetriebe, in: Bundesarbeitsgemeinschaft für Mittel- und Großbetriebe: Standortfragen des Handels, Köln, 1992, S. 123. 25 Vgl. z.B. Söfker, W., in: Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg: Kommentar zum BauGB, Lose Blattsammlung, Stand: Nov. 1992, Rn. 103, 105a. 26 Vgl. z.B. OVG NRW: Urteil vom 22.06.1998 Az. 7a D 108/96.NE mit Hinweisen auf frühere Urteile des BVerwG. 27 Vgl. Söfker, W., 2007, a.a.O.

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Im Hinblick auf eine Umsetzung des Konzeptes bedeutet dies, dass bei Planvorhaben bzw. Ansiedlungs-/ Erweiterungsvorhaben nicht danach zu fragen ist, was derzeit planungsrechtlich möglich ist, sondern zuerst die Frage nach der städtebaulichen Zielsetzung zu beantworten ist. Aus der gegebenen planungsrechtlichen Situation am konkreten Standort und der städtebaulichen Zielsetzung leiten sich die erfor- derlichen/ möglichen planungsrechtlichen Schritte ab. Dies kann im Einzelnen be- deuten, dass bei einem erwünschten Ansiedlungsvorhaben die rechtlichen Voraus- setzungen zur Ansiedlung geschaffen werden müssen, oder bei einem unerwünschten Vorhaben die bisherige Zulässigkeit aufgehoben werden muss. Dies kann ohne kon- kreten Anlass, z.B. einen Bauantrag oder auf Grund eines solchen konkreten28 Planvorhabens erfolgen.

Zur Sicherung der städtebaulichen Zielsetzungen können bei Vorliegen eines Aufstellungsbeschlusses und einer hinreichend konkretisierten Zielformulierung29, die mit diesem Gutachten gegeben sein dürfte, die Sicherungsinstrumente wie z.B. Veränderungssperren nach § 14 BauGB und/ oder Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 BauGB zwar zeitlich begrenzt, aber doch wirksam verhindert werden, dass planerisch ungewollte Entwicklungen eintreten.

Maßgeblich für eine Erstbewertung eines Planvorhabens sind der Planstandort und die Zentren- bzw. Nahversorgungsrelevanz des Hauptsortimentes. Bezogen auf den Standort und seine einzelhandelsbezogenen Entwicklungsmög- lichkeiten werden in diesem Gutachten die entsprechenden Aussagen getroffen. Hinsichtlich der Sortimente wird eine ortsspezifische Liste vorgeschlagen, die die Gegebenheiten in Titisee-Neustadt und andererseits die aus Gutachtersicht stadtentwicklungsplanerisch sinnvollen Zielvorstellungen zur Entwicklung der Zentren berücksichtigt.

2.2.3 Fazit Abschließend ist festzuhalten, dass dieses Gutachten es ermöglicht, systematisch die Genehmigung von Einzelhandelsvorhaben entsprechend der städtebaulichen Ziel-

28 Vgl. dazu z.B. BVerwG, Beschluss vom 08.09.1999, Az. 4 BN 14/99 und OVG NRW, Urteil vom 11.03.2004, Az. 7a D 103/03.NE. 29 Vgl. dazu z.B. OVG NRW, Urteil vom 11.03.2004, Az. 7a D 103/03.NE.

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setzungen für die jeweiligen Planstandorte zu bewerten. Es stellt dar, an welchen Standorten grundsätzlich Einzelhandel zulässig sein soll bzw. wo welche planungs- rechtlichen Beschränkungen angestrebt werden sollen. Im Außenverhältnis dient dieses Gutachten auch dazu, die zentrenbezogenen Ziel- setzungen der Stadt Titisee-Neustadt im Rahmen von Beteiligungsverfahren z.B. nach § 2 (2) BauGB substantiell und umfänglich darzustellen, so dass damit mögli- chen Planungen außerhalb Titisee-Neustadt, die zentrenschädlich sein könnten, ent- sprechend umfangreich und umfassend begegnet werden kann. Voraussetzung ist al- lerdings, dass sich die Stadt Titisee-Neustadt selbst an ihr eigenes Konzept hält und keine Ansiedlungsentscheidungen trifft, die dazu geeignet sind, die eigenen Ziel- setzungen zu konterkarieren.

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3. EINZELHANDELSSITUATION AUF GESAMTSTÄDTISCHER EBENE

In diesem Kapitel wird auf Grundlage der Ergebnisse der Händler- und Passanten- befragung die Versorgungssituation in Titisee-Neustadt auf gesamtstädtischer Ebene dargestellt und bewertet. Ein Hauptaugenmerk wird dabei auf die Beurteilung der Einzelhandelszentralität von Titisee-Neustadt gelegt.

3.1 METHODISCHES VORGEHEN - ERHEBUNG EINZELHANDELRELEVANTER DATEN

Die Daten wurden im Rahmen einer Befragung aller Einzelhändler im gesamten Stadtgebiet von Titisee-Neustadt ermittelt. Neben der Einzelhändlerbefragung wurde parallel ebenfalls eine Passantenbefragung durchgeführt. Ergänzend zu den primär erhobenen Daten wurden sekundärstatistische Informatio- nen für die Analyse und Bewertung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt herangezogen. Auf diese wird jeweils an den entsprechenden Stellen im Gutachten hingewiesen.

3.1.1 Einzelhandelserhebung in Verbindung mit einer Befragung der Händler

3.1.1.1 Methodisches Vorgehen Für das vorliegende Gutachten wurde das Einzelhandelsangebot in Titisee-Neustadt auf der Basis einer Begehung mit gleichzeitiger Einzelhändlerbefragung im Oktober 2008 von wissenschaftlichen Mitarbeitern des Büros Dr. Acocella erfasst. Berück- sichtigt wurde dabei nicht nur der Einzelhandel i.e.S., sondern auch Apotheken und das Lebensmittelhandwerk (Bäcker, Metzger); ferner wurden Tankstellenshops eben- falls erhoben (allerdings nicht befragt), soweit diese überwiegend Sortimente wie der Einzelhandel im engeren Sinne - vor allem Nahrungs-/ Genussmittel - führen.30 Die Befragung dient zum einen der Erfassung betrieblicher Daten und zum anderen dazu, die Stimmungslage der Händler einzufangen. Die Befragung wurde flächendeckend im gesamten Stadtgebiet durchgeführt: Jede einzelne Straße wurde hierfür begangen bzw. durchfahren31. In jedem Einzelhan- delsbetrieb erfolgte die mündliche Kurzbefragung anhand eines Fragebogens (vgl.

30 Nicht erfasst wurde der Handel mit Kfz, Brenn-, Kraft- und Schmierstoffen. 31 Obwohl die Erhebung nach bestem Wissen und Gewissen erfolgte, ist es möglich, dass einzelne Ein- zelhandelsbetriebe dabei nicht aufgefunden werden konnten. Allerdings kann es sich bei diesen al- lenfalls um kleinere Betriebe handeln, so dass das Gesamtergebnis hiervon nicht wesentlich beein- flusst würde.

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Anhang), der zuvor in der projektbegleitenden Arbeitsgruppe abgestimmt worden war. Eine derartige Einzelhändlerbefragung liefert zum einen verlässlichere Daten über die derzeitige Situation, insbesondere über die derzeit erzielten Umsätze (die bei einer reinen Erhebung rechnerisch ermittelt werden müssen) und führt so er- fahrungsgemäß zu einer sehr hohen Akzeptanz der erhobenen Daten. Zum anderen ermöglicht die Befragung der Händler auch Informationen über die derzeitigen Kaufkraftströme nach Titisee-Neustadt. Weiter können auf diese Weise auch die Ein- stellungen der Händler zur Einzelhandelssituation in der Stadt erfasst werden. Da- bei ergeben sich i.d.R. auch "weiche" Erkenntnisse, die in der weiteren Arbeit von Bedeutung sein können. Und schließlich ist eine frühe Einbindung der örtlichen Ein- zelhändler auch als vertrauensbildende Maßnahme zu verstehen, die spätere Diskus- sionen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen erleichtert.

Die Befragung der Einzelhändler bezog sich auf folgende Aspekte: · Sortimente, · Verkaufsfläche insgesamt und je Sortiment, · Eigentumsverhältnisse und ggf. Miethöhe, · Anzahl der Beschäftigten, · Umsatz mit Endverbrauchern im Jahr 2007, · Umsatzentwicklung in den vergangenen drei Jahren, · Kundenherkunft nach prozentualem Umsatzanteil (Titisee-Neustadt, Dreisamtal, Hochschwarzwald, Landkreis Waldshut, Schwarzwald-Baar-Kreis, Sonstige), · Änderungsabsichten, · Einschätzung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt in Form einer offe- nen Frage

Die Erhebung der Verkaufsflächen in den einzelnen Geschäften erfolgte sortiments- genau: Die Betriebe wurden nicht entsprechend dem angebotenen Hauptsortiment insgesamt einer Branche zugerechnet (Schwerpunktprinzip), sondern jedes Sorti- ment wurde einzeln mit der zugehörigen Verkaufsfläche erfasst (z.B. in Supermärk- ten auch Drogeriewaren). Erst hierdurch ergibt sich ein realistisches Abbild der derzeitigen Situation im Einzelhandel, bei dem Ergänzungssortimente, denen im Einzelfall nur eine unterge-

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ordnete Rolle zukommt, die in der Summe jedoch von Bedeutung sein können, nicht unterschätzt werden. Darüber hinaus ist u.E. die Ableitung einer Sortimentsliste nur auf Grundlage einer derart differenzierten Erfassung des Bestandes möglich. Anhand der offen gestellten Frage zur Einschätzung der Einzelhandelssituation aus Händlersicht (es wurden keine Antwortkategorien vorgegeben) ist es möglich, zum einen die Stimmungslage der Einzelhändler und zum anderen die aus deren Sicht wichtigsten Problemfelder zu erfassen. Die Auswertung dieser Frage kann somit Hinweise auf mögliche Handlungsfelder geben.

Die Ergebnisse werden in der vorliegenden Untersuchung ausschließlich aggregiert dargestellt, da einzelbetriebliche Daten dem Datenschutz unterliegen.

3.1.1.2 Übersicht über die Beteiligung an der Einzelhändlerbefragung In Titisee-Neustadt wurden 160 Einzelhandelsbetriebe (inklusive Lebensmittelhand- werk, Apotheken und Tankstellenshops) erfasst. In den zwei Tankstellenshops wurde allerdings keine Befragung durchgeführt.

Tab. 1: Übersicht über die Beteiligung Teilaspekte der Befragung Betriebe Anteil Betriebe Anteil Verkaufsfläche keine Auskunft 17 11% 6% Auskunft 141 89% 94% ... zu Beschäftigten 124 78% 84% ... zur Verkaufsfläche 114 72% 82% ... zur Umsatz-Herkunft 112 71% 78% ... zum Umsatz 64 41% 39% ... zu Änderungsabsichten 123 78% 81% ... zur offenen Frage 126 80% 81% ... zur Umsatzentwicklung 113 72% 78% ... zu Eigentumsverhältnissen 125 79% 83% Einzelhandelsbetriebe1) 158 100% 100% 1) ohne Tankstellen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

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Knapp 90% der 158 befragten Einzelhändler gaben grundsätzlich Auskunft, 17 Händler verweigerten jegliche Auskunft. Eine höhere Beteiligungsbereitschaft wurde dabei im Stadtteil Neustadt konstatiert.32 · Vergleichsweise viele Händler in Titisee-Neustadt machten Angaben zum Umsatz. Eine Beteiligungsquote von 41% ist im Relation zu anderen Städten vergleich- barer Größenordung - üblicherweise geben rd. 20 bis 40% der Händler bei die- sem Teilaspekt Auskunft - als hoch einzuschätzen. Damit liegen für knapp zwei Fünftel der gesamten Verkaufsfläche in der Stadt Umsatzangaben vor. Der übrige Umsatz wurde auf der Grundlage eigener Erfahrungen und vorliegender Daten zur sortiments- und betreiberbezogenen Leistungsfähigkeit von Einzelhandels- betrieben rechnerisch ermittelt33. · Knapp drei Viertel der befragten Händler, deren Betriebe gut vier Fünftel der Gesamtverkaufsfläche der Stadt repräsentieren, machten Angaben zur Verkaufs- fläche ihres Betriebes. In Geschäften, in denen die Händler keine Angabe zu ihrer Verkaufsfläche machten, wurde diese von den Mitarbeitern des Büros Dr. Acocella erhoben.

Fazit Insgesamt liegt somit eine gute Datenbasis vor, um die Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt fundiert zu bewerten.

3.1.2 Herkunftserfassung Neben der Einzelhändlerbefragung (Frage nach der Umsatzherkunft) wurde eine Kun- denherkunftserhebung in den Einzelhandelsgeschäften (am "Point of Sale") zur Er- mittlung des Einzugsgebietes des Einzelhandels von Titisee-Neustadt durchgeführt. Die Erfassung erfolgte über Listen, in die sich jeder Kunde eintragen konnte. Die Listen wurden mit dem Einverständnis des jeweiligen Einzelhändlers im Rahmen der Einzelhändlerbefragung in den ortsansässigen Geschäften an der Kasse ausgelegt.

32 Zurückzuführen ist dies auf eine möglicherweise höhere Sensibilität der Neustädter Händler hin- sichtlich bestehender Strukturprobleme in ihrem Stadtteil, während am eher atypische Einzel- handelsstandort Titisee mit seinem touristischen Anspruch die Erwartungshaltung der Händler an den Nutzen eines Einzelhandelskonzept für ihren Stadtteil geringer ist. 33 Insbesondere Institut für Handelsforschung (IfH), Köln: Betriebsvergleich des Einzelhandels 2006 und frühere Jahrgänge; EHI: Handel aktuell 2008/ 2009 und frühere Jahrgänge.

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Die Erfassung erfolgte im Oktober/ November 2008. Insgesamt wurden von 49 Ein- zelhandelsbetrieben in Titisee-Neustadt solche Listen zurückgesandt, in die sich 6.780 Kunden eingetragen haben. Annähernd jede dritte Händler hat sich somit an der Herkunftserfassung beteiligt, so dass eine sehr gute Datenbasis vorliegt. Anhand der Ergebnisse kann das Einzugsgebiet zumindest tendenziell abgeleitet werden. Zwar sind nur eingeschränkt Aussagen über die absolute Herkunftsvertei- lung möglich, jedoch lässt sich näherungsweise bestimmen, wie sich die Kundschaft nach regionaler Herkunft zusammensetzt. In Abhängigkeit der Lage teilnehmender Betriebe können zudem Aussagen zum je- weiligen Einzugsgebiet der Einzelhandelsstandorte Titisee und Neustadt mit einer deutlich voneinander differierenden Zielgruppenorientierung herausgearbeitet werden.

3.1.3 Passantenbefragung

3.1.3.1 Methodisches Vorgehen: Befragungskonzept, -tage und -standorte Um weitere wichtige Erkenntnisse zur Stadt Titisee-Neustadt als Einzelhandels- standort zu erhalten, wurde eine Passantenbefragung durchgeführt. Diese dient ei- nerseits zur empirischen Absicherung vorhandener Auffassungen - z.B. der Händler - bzw. modellhaft abgebildeter Fakten und andererseits zur Objektivierung von oft interessengebundenen Diskussionen.

Auf Grund deutlich differierender städtebaulicher und funktionaler Profile der Stadtteile Neustadt und Titisee wurde jeweils ein Befragungsstandort im Ortszent- rum von Titisee bzw. in der Innenstadt von Neustadt installiert. Durch eine Befragung in der Innenstadt bzw. im Ortszentrum werden erfahrungsge- mäß auch Kunden, die üblicherweise an anderen Standorten einkaufen, erfasst: Diese kommen i.d.R. im Laufe einer Woche zur Wahrnehmung anderer Tätigkeiten, so dass diese durch eine Befragung in der Innenstadt bzw. im Ortszentrum ebenfalls erfasst werden.

Die Passantenbefragung dient u.a. der detaillierten Erfassung der Kaufkraftströme - woher kommen die Besucher und wie viel Geld geben sie aus34 -, der Untersuchung

34 Bei einer Händlerbefragung kann dieses nur grob geschätzt werden, während durch die Passanten- befragung ein schematisches Einzugsgebiet abgeleitet werden kann.

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des Kaufverhaltens, z.B. in Bezug auf Konkurrenzstandorte, des Images sowie kultu- reller, städtebaulicher und verkehrlicher Aspekte. Zudem gibt eine Befragung der Passanten Auskunft über die Kundenstruktur sowie die Besuchs- und Einkaufsmoti- vation. Diese Informationen über und von den Passanten sind von großer Bedeutung für den ansässigen Einzelhandel, denn diese sind die (potenziellen) Kunden. Durch die unterschiedlichen Befragungsstandorte in Titisee und Neustadt konnten die Gesichtspunkte auch ortsspezifisch für den jeweiligen Stadtteil ausgewertet oder die räumlichen Verflechtungen zwischen Titisee und Neustadt insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung des Tourismus für den Einzelhandel ermittelt werden. Der vorliegende Bericht enthält an verschiedenen Stellen, insbesondere in den Ka- piteln 4.3.4 und 4.4.4, die wesentlichen Ergebnisse der Passantenbefragung, teil- weise in Abbildungen und Karten dargestellt. Die ausführlichen Befragungser- gebnisse finden sich in tabellarischer Form im Anlagenband.

Befragungskonzept Die Passantenbefragung wurde mit dem CIS-Erhebungssystem durchgeführt: Die be- fragte Person beantwortet die Fragen anonym mit Hilfe eines Lichtstiftes auf einem Computerbildschirm. Ein Vorteil der computergestützten Befragung liegt in der Ano- nymität: Dadurch werden auch sensible Fragen beantwortet. Die Befragten wurden durch geschultes Personal in die Bedienung des Computers eingewiesen. Die Ant- worten werden automatisch in das integrierte Auswertungsprogramm eingespeist, so dass eine nachträgliche Veränderung der Antworten nicht möglich ist. Bei Fragen, bei denen die Reihenfolge der aufgeführten Antwortmöglichkeiten eine Beeinflussung des Ergebnisses bedeuten könnte, wurde diese Reihenfolge bei jeder befragten Person durch einen Zufallsgenerator neu bestimmt, so dass systematische Verzerrungen durch eine gleichbleibende Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten ausgeschlossen werden können.

Insgesamt bestand der Fragebogen aus 75 Fragen, die durch entsprechende Filter nicht allen Passanten gestellt wurden.

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Befragungstage Da das Einkaufsverhalten an den einzelnen Wochentagen unterschiedlich ist35, wurde die Passantenbefragung an folgenden Tagen durchgeführt: · Mittwoch, den 08.10.08 : "normaler Wochentag" · Donnerstag, den 09.10.08 : "normaler Wochentag" · Freitag, den 10.10.08 : "Versorgungseinkaufstag" · Samstag, den 11.10.08 : "Erlebniseinkaufstag"

Bei der getroffenen Auswahl der Erhebungstage wurde darauf geachtet, dass keine Sondereinflüsse, z.B. Veranstaltungen oder Feiertage bzw. Schulferien die Be- sucherstruktur verzerren.

Befragungsstandorte Um standortbezogen Defizite und Stärken herausarbeiten zu können, wurde die Be- fragung wurde sowohl in Titisee als auch in Neustadt durchgeführt: · Standort 1: Seestraße, Ecke Jägerstraße ("Titisee-Apotheke") · Standort 2: Hauptstraße, Ecke Hirschenbuckel ("Ihr Platz")

Der Befragungszeitraum war Mittwoch bis Freitag von 8 bis 18 Uhr und Samstag bis 16 Uhr.

35 Entsprechend den Ergebnissen der Passantenbefragung in Titisee-Neustadt gibt es für den Einkauf in der Innenstadt von Neustadt bzw. im Ortszentrum von Titisee zwar keinen eindeutigen bevor- zugten Einkaufstag: Am häufigsten gaben die Befragten an, unregelmäßig einzukaufen. Dennoch lässt sich eine Tendenz für den Freitag und den Samstag als Haupteinkaufstage erkennen (vgl. Anlagen- band, Frage 146).

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Karte 1: Standorte Passantenbefragung

"Ihr Platz"

"Titisee-Apotheke"

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

3.1.3.2 Übersicht über die Beteiligung an der Passantenbefragung Gesamtzahl der Befragten nach Tagen Bei der Passantenbefragung, die über die örtliche Presse angekündigt wurde, konnte - bezogen auf die Stadtgröße - eine gute Beteiligung konstatiert werden: An den vier Befragungstagen wurden rd. 700 Passanten befragt. Mit jeweils rd. 350 Be- fragten an den Standorten in Titisee und Neustadt liegt eine gute Datenbasis vor, um auch für differenzierte Auswertungen fundierte Ergebnisse zu erreichen. Von Mittwoch bis Freitag wurden in Titisee und Neustadt jeweils zwischen 86 und 100 Kunden befragt; am Samstag wurden auf Grund der geringeren Befragungsdauer rd. ein Drittel weniger Kunden in Neustadt befragt; an dem Standort im Ortszentrum von Titisee, das als Ausflugsziel insbesondere am Wochenende stark frequentiert wird, war die Beteiligung hingegen annähernd so hoch wie an den Wochentagen zu- vor.

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Abb. 1: Befragte nach Befragungstagen und Standort ∑ 195 ∑ 185 ∑ 186 ∑ 136 125 Titisee Neustadt 100

75 ∑ 702 Titisee: ∑ 355 Neustadt: ∑ 347 50 A n z a h l B e f r g te

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0 Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008

Soziodemografische Struktur der Befragten Um das Befragungsergebnis sachgerecht zu interpretieren, ist neben der Anzahl an Befragten auch deren Verteilung auf die Bevölkerungsgruppen (z.B. alters- und ge- schlechtsspezifisch) von Bedeutung. Dabei sollte die Struktur der Befragten zum Ei- nen die Besucherstruktur der Innenstadt von Neustadt bzw. des Ortszentrums von Titisee widerspiegeln, zum anderen Angehörige aller Altersgruppen enthalten.

Wie die nachfolgende Abbildung zeigt, beteiligten sich an der Befragung Passanten aus allen Altersgruppen. Unabhängig vom Befragungsstandort ist die am stärksten repräsentierte Altersgruppen zwischen 40 und 49 Jahren alt, gefolgt von den Gruppen 50 bis 59 Jahre und 30 bis 39 Jahre. In Titisee waren die Befragten im Durchschnitt etwas älter als in Neustadt; so sind die Altersgruppen zwischen 50 und 65 Jahre in Titisee deutlich stärker vertreten, während umgekehrt in Neustadt die Altersgruppen zwischen 15 und 39 Jahre signifikant höhere Anteilwerte aufweisen als in Titisee.

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Abb. 2: Alters- und geschlechtsspezifische Verteilung der Befragten

66 Jahre und älter Neustadt Titisee Titisee 60 - 65 Jahre 32%

50 - 59 Jahre 68%

40 - 49 Jahre Frauen Männer

30 - 39 Jahre

25 - 29 Jahre Neustadt

20 - 24 Jahre 41% 59% 15 - 19 Jahre

bis 14 Jahre Frauen Männer

Angaben in % 0 5 10 15 20 25 30

Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 270/ 280; 702 Befragte

Wie bei ähnlichen Passantenbefragungen in anderen Städten überwiegt auch in Titisee-Neustadt insgesamt der Anteil der Frauen bei der Befragung. Dies ist inso- fern sachgerecht, da Frauen in größerem Umfang das Einkaufsverhalten bestimmen als Männer. Demzufolge sind die standortbezogenen Unterschiede zwischen Neustadt - mit einem stärkeren Profil als Versorgungsstandort und einem folglich deutlich höheren Frauenanteil - und Titisee mit einem stärker touristischen Anspruch nicht überraschend.

3.2 GESAMTSTÄDTISCHE EINZELHANDELSSITUATION

3.2.1 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes in der Gesamtstadt Einzelhandelsangebot nach Betriebszahl, Verkaufsfläche und Umsatz Im Rahmen der Erhebung des Büros Dr. Acocella im Oktober 2008 wurden in Titisee- Neustadt 160 Einzelhandelsbetriebe (einschließlich Lebensmittelhandwerk, Apo- theken und Tankstellenshops) erfasst. Auf einer Gesamtverkaufsfläche von rd. 31.025 qm erzielten diese einen Umsatz von rd. 85,9 Mio. €.

30

Bleiben Lebensmittelhandwerk und Tankstellenshops unberücksichtigt ergibt sich im Vergleich zum Jahr 1993, dem Zeitpunkt der aktuellsten bundeseinheitlich durchge- führten Handels- und Gaststättenzählung (HGZ), eine deutliche Steigerung der Ver- kaufsfläche; Zuwächse sind auch bei der Anzahl der Betrieb wie auch bei der Ver- kaufsfläche zu konstatieren, wenn auch in geringerem Umfang. Die Entwicklung in Titisee-Neustadt seit 1993 zeigt im Vergleich zu anderen Städten ein typisches Bild. Analog zum bundesweiten Trend sind die Verkaufsflächen im Verhältnis zu den Betriebszahlen und Umsatz in Titisee-Neustadt überproportional gewachsen, was auf die Ansiedlung großer Einzelhandelsbetriebe in diesem Zeit- raum zurückgeführt werden kann. Dem bundesweiter Trend ebenfalls entsprechend ist der Umsatz je qm Verkaufs- fläche gesunken. Dieser Rückgang der durchschnittlichen Flächenleistung drückt u.a. den erheblichen betriebswirtschaftlichen Druck auf den Einzelhandel aus.

Tab. 2: Einzelhandelsangebot Titisee-Neustadt 2008 und 1993 (HGZ)

20081) HGZ 1993 Änderung Betriebe 137 96 + 43% VKF (qm) 2) 30.125 17.900 + 68% Umsatz (Mio. €) 81,1 64,6 + 26% 1) : ohne Lebensmittelhandwerk und Tankstellen 2) : Werte auf 25 qm gerundet Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; Statistisches Landesamt Baden-Württem- berg; Statistisches Bundesamt; EZB; eigene Berechnungen

Das gesamte Einzelhandelsangebot der ermittelten 160 Betriebe wird in Tab. 3 be- zogen auf Verkaufsfläche, Umsätze und Bindungsquote sowie nach Sortimenten differenziert darstellt. Bezogen auf die Verkaufsfläche und insbesondere den Um- satz stellen Nahrungs-/ Genussmittel die bedeutendste Sortimentsgruppe dar. Der zentralörtlichen Funktion entsprechend, übernimmt Titisee-Neustadt über seine eigene Bevölkerung hinaus die Versorgung für seinen Verflechtungsbereich - folg- lich ist der mittel- und langfristige Bedarfsbereich bezüglich Verkaufsfläche ähnlich stark ausgeprägt wie derjenige des kurzfristigen, obgleich hinsichtlich des Um- satzes dem kurzfristigen Bedarf die mit Abstand größte Bedeutung zukommt.

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Tab. 3: Einzelhandelsangebot in Titisee-Neustadt Verkaufsfläche Umsatz B indungsquote Sortimente in qm in Mio. € in % Nahrungs-/ Genussmittel 6.325 30,5 151 % Lebensmittelhandwerk 700 4,0 125 % Drogerie/ Parfümerie 1.400 4,7 170 % Apotheke 225 4,8 88 % PBS; Zeitungen/ Zeitschriften 325 1,2 112 % Blumen/ Zoo 1.125 1,5 177 % kurzfristiger Bedarf 10.075 46,6 139 % Bekleidung und Zubehör 4.050 7,9 132 % Schuhe, Lederwaren 975 2,9 221 % Sport/ Freizeit 1.050 2,5 269 % Spielwaren, Babyausstattung 650 0,8 60 % Bücher 300 0,8 61 % GPK/ Geschenke, Haushaltswaren/ Bestecke 2.825 3,8 459 % Haus-/ Heimtextilien 725 0,8 99 % mittelfristiger Bedarf 10.550 19,5 157 % Uhren/ Schmuck 625 3,1 519 % Foto/ Optik und Zubehör 400 1,5 138 % Unterhaltungselektronik/ Medien 375 1,3 35 % Elektro/ Leuchten 400 0,6 38 % Teppiche/ Bodenbeläge 250 0,4 99 % baumarkt-/ gartencenterspezifische Sortimente 4.200 3,0 67 % Möbel, Antiquitäten 3.700 6,7 200 % Sonstiges 475 3,2 123 % langfristiger Bedarf 10.400 19,8 112 %

Summe 31.025 85,9 135 % PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik Verkaufsfläche auf 25 qm gerundet; durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; Statistisches Landesamt Baden-Württem- berg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Die Einzelhandelsnachfrage errechnet sich aus der Einwohnerzahl der Stadt Titisee- Neustadt und der Kaufkraft je Einwohner, einem bundesdeutschen Durchschnitts- wert, der mit Hilfe entsprechender Kennziffern36 auf die gebietsspezifische Situa- tion angepasst wird. Die Relation des erzielten Umsatzes zur in der Stadt verfügbaren Kaufkraft ergibt lokale Bindungsquoten, die in der rechten Spalte der Tab. 3 als Werte dargestellt

36 BBE, Köln: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft 2008.

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sind. Diese zeigen an, ob und wie viel Kaufkraftzu- bzw. -abflüsse per Saldo in den jeweiligen Sortimentsbereichen zu verzeichnen sind. Eine Quote von mehr als 100% zeigt an, dass der in einer Stadt erzielte Umsatz die Kaufkraft der Einwohner der Stadt übersteigt und per Saldo Kaufkraftzuflüsse zu verzeichnen sind (d.h. Zuflüsse in die Stadt vermindert um Abflüsse aus der Stadt). Die folgende Abbildung ver- deutlicht die Ausprägung der Kaufkraftbindung durch das Einzelhandelsangebot in Titisee-Neustadt.

Abb. 3: Bindungsquoten in Titisee-Neustadt nach Sortimenten

Nahrungs-/ Genussmittel Lebensmittelhandwerk Drogerie/ Parfümerie Apotheke PBS/ Zeitungen, Zeitschriften Blumen/ Zoo Bekleidung und Zubehör Schuhe, Lederwaren Sport/ Freizeit Spielwaren, Babyausstattung Bücher GPK, Geschenke, Hausrat Haus- und Heimtextilien Uhren/ Schmuck Foto/ Optik Medien Elektro/ Leuchten Teppiche, Bodenbeläge baumarkt-/gartencenterspezif. Möbel, Antiquitäten Sonstiges

0% 50% 100%150%200%250%300%350%400%450%500% 550% PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE, Köln; Statistisches Landesamt Ba- den-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

In Titisee-Neustadt kann der Einzelhandel bei einer Bindungsquote37 von rd. 135% rechnerisch zusätzlich ein Drittel mehr als der in der Stadt verfügbaren Kaufkraft von rd. 63,5 Mio. € binden.

Für die jeweiligen Bedarfsbereiche (kurz-, mittel-, und langfristig) ergibt sich, wie in Abb. 3 ersichtlich, ein differenziertes Bild, wonach insbesondere für einzelne Sortimente des mittel- und langfristigen Bedarfsbereiches z.T. sehr hohe saldierte Kaufkraftzuflüsse festzustellen sind.

37 Bindungsquote = Einzelhandelsumsatz in Titisee-Neustadt / Einzelhandelskaufkraft in Titisee-Neu- stadt

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Im kurzfristigen Bedarfsbereich (in der Abbildung rot dargestellt) sollte jede Stadt eine möglichst vollständige rechnerische Versorgung ihrer eigenen Bevölke- rung gewährleisten. Das bedeutet, dass in diesem Bedarfsbereich Bindungsquoten von 100% erreicht werden sollten - in Titisee-Neustadt beträgt diese 139%. Rein rechnerisch und auf das ganze Stadtgebiet bezogen kann somit von einer Vollver- sorgungssituation gesprochen werden, vielmehr noch - die Versorgung geht deutlich über eine Eigenversorgung der Stadt hinaus. Bei differenzierter Betrachtung der unterschiedlichen Sortimente ergibt sich, dass · es in den für die Grundversorgung wesentlichen Sortimentsbereichen Nahrungs-/ Genussmittel, Lebensmittelhandwerk und Drogerie/ Parfümerie mit Bindungs- quoten von rd. 125% bis rd. 170% zu deutlichen Kaufkraftzuflüssen kommt, was bedeutet, dass in diesen Sortimentsbereichen das vorhandene Angebot über das Maß der Vollversorgung der eigenen Bevölkerung genutzt wird; · die höchste Bindungsquote des kurzfristigen Bedarfsbereichs bei der Sortimentsgruppe Blumen/ Zoo erreicht wird; · es lediglich in dem Sortiment Apotheke zu leichten Kaufkraftabflüssen kommt.

Insgesamt weist auch der mittelfristige Bedarfsbereich mit einer Bindungsquote von 157% deutliche Kaufkraftzuflüsse auf, wobei in den einzelnen Sortiments- gruppen signifikante Unterschiede in der Kaufkraftbindung deutlich werden: · Außergewöhnliche hohe Bindungsquoten können insbesondere in der Sortiments- gruppe GPK/ Geschenke/ Hausrat aber auch Sport/ Freizeit und Schuhe/ Leder- waren verzeichnet werden. Diese hohen Kaufkraftzuflüsse sind teilweise auf das touristisch ausgerichtete Angebot im Ortskern von Titisee zurückzuführen. · Im umsatzstarken Sortiment Bekleidung wird mit einer Bindungsquote von deut- lich über 100% ebenfalls eine Versorgungsfunktion erreicht, die über die Eigen- versorgung hinausgeht. · Hohe Kaufkraftabflüsse sind hingegen in der Sortimentsgruppe Spielwaren/ Babyausstattung sowie Bücher festzustellen, wobei letztere zumindest teilweise auf den Internethandel zurückzuführen sein könnte.

Im langfristigen Bedarfsbereich werden mit rd. 112% ebenfalls Kaufkraftzuflüsse verbucht. Diese sind insbesondere auf die hohen Bindungsquoten in den Sortiments- gruppen Uhren/ Schmuck aber auch Möbel/ Antiquitäten zurückzuführen. Hingegen

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versorgen sich knapp zwei Drittel der ortsansässigen Bevölkerung nicht durch das in Titisee-Neustadt vorhandene Angebot in den Sortimentsgruppen Medien und Elektro/ Leuchten.

Zwischenfazit Unter Berücksichtigung der zentralörtlichen Funktion als Mittelzentrum, der Stadt- größe und der relativ solitäre Lage im Hochschwarzwald mit Entfernungen von je- weils gut 30 Autokilometer bzw. eine halbe Stunde Fahrzeit zu dem Mittelzentrum bzw. dem Oberzentrum Freiburg i. Br. kann für die Gesamtstadt unter quantitativen Gesichtspunkten eine gute Versorgungssituation ermittelt wer- den. In den für die Grundversorgung bedeutsamen Sortimenten wird mit Ausnahme des Sortiments Apotheke eine über die eigene Stadt hinausgehende Versorgungsfunktion (z.B. für das Umland) wahrgenommen. Im Sortimentsbereich Nahrungs-/ Genuss- mittel, in dem jede Stadt in der Lage sein sollte, die eigene Bevölkerung voll zu ver- sorgen, kommt es zu relativ hohen Kaufkraftzuflüssen. Im mittel- und langfristigen Bedarfsbereich wird Titisee-Neustadt seiner mittel- zentralen Versorgungsfunktion für den Verflechtungsraum vorwiegend gerecht. Auf Grund der auch touristischen Zielgruppen- bzw. Angebotsausrichtung in Titisee werden in den Sortimenten GPK/ Geschenke/ Hausrat, Schuhe/ Lederwaren und Uhren/ Schmuck außergewöhnlich hohe Kaufkraftzuflüsse erzielt. In diesen Sorti- mentsgruppen ist daher eine Aussage über die tatsächliche Versorgungsfunktion für die eigene Bevölkerung und den Verflechtungsbereich nur eingeschränkt leistbar.

Um eine realitätsnähere Versorgungsfunktion zu ermitteln, die Titisee-Neustadt für sich und sein Umland ohne Berücksichtigung des rein touristischen Angebotes wahr- nimmt, wurden die Sortimentsgruppen Bekleidung, GPK/ Geschenke/ Hausrat, Schuhe/ Lederwaren und Uhren/ Schmuck nach entsprechenden atypischen Einzel- handelsangeboten gefiltert (z.B. Kuckucksuhren, Trachtenmode). Es wird unterstellt, dass derartige Angebote ausschließlich von Touristen gekauft werden. Wie in der folgenden Abbildung deutlich wird, verringern sich infolgedessen die Kaufkraftzuflüsse in den genannten Sortimentsgruppen. Festzustellen ist jedoch, dass lediglich in der Sortimentsgruppe Bekleidung und Zubehör leichte Kaufkraft-

35

abflüsse zu verzeichnen sind, während bei den sonstigen untersuchten Sortiments- gruppen auch die Versorgungsfunktion für das Umland deutlich wird.

Abb. 4: Bindungsquoten in Titisee-Neustadt nach Sortimenten ohne das rein touristische Ange- bot

Nahrungs-/ Genussmittel Lebensmittelhandwerk Drogerie/ Parfümerie Apotheke PBS/ Zeitungen, Zeitschriften Blumen/ Zoo Bekleidung und Zubehör Schuhe, Lederwaren Sport/ Freizeit Spielwaren, Babyausstattung Bücher GPK, Geschenke, Hausrat Haus- und Heimtextilien Uhren/ Schmuck Foto/ Optik Medien Elektro/ Leuchten Teppiche, Bodenbeläge baumarkt-/gartencenterspezif. Möbel, Antiquitäten Sonstiges

0% 50% 100%150%200%250%300%350%400%450%500%550%

PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE, Köln; Statistisches Landesamt Ba- den-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

3.2.2 Kundenherkunft, Einzugsgebiet, Verbleibquote und Konkurrenzorte Zur Vermeidung stadtentwicklungsplanerischer Fehleinschätzungen sowie zur Ab- schätzung von Risiken für den Einzelhandel sind Informationen über Kaufkraft- ströme in Titisee-Neustadt wichtig. Zur Ermittlung der Kundenherkunft konnte im Rahmen dieser Untersuchung auf folgende Quellen zurückgegriffen werden: Passan- tenbefragung, Einzelhändlerbefragung und Kundenherkunftserfassung.

Kundenherkunft Eine zuverlässige Möglichkeit zur Ermittlung von Kaufkraftströmen stellt die Be- fragung der Einzelhändler nach der Umsatzherkunft dar. Zwar erfassen immer noch zu wenige Einzelhändler systematisch die Herkunft ihrer Kunden, dennoch lässt sich näherungsweise eine Tendenz ermitteln, aus der sich Bandbreiten für die Umsatzherkunft und damit für den Einzugsbereich ermitteln lassen (vgl. Abb. 5).

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Abb. 5: Umsatzherkunft Titisee-Neustadt

Titisee-Neustadt 54 -59%

Hochschwarzwald 23 -25%

Dreisamtal 3 -4% Gesamtumsatz 85,9 Mio. € LK Schwarzwald-Baar-Kreis 2 -3%

LK Waldshut 1 -2%

Sonstige 10 -13%

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE Köln (2008); Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Der überwiegende Anteil des Umsatzes wird demnach aus dem Stadtgebiet selbst er- zielt. Weiterhin entfällt knapp ein Viertel des erzielten Umsatzes auf den Verflech- tungsbereich Hochschwarzwald, während Kunden aus dem Dreisamtal, dem Schwarz- wald-Baar-Kreis und dem Landkreis Waldshut eine vergleichsweise untergeordnete Rolle einnehmen. Immerhin gut ein Zehntel des Umsatzes wird mit Kunden aus sons- tigen Regionen in Deutschland, Europa und der Welt generiert. Dieses ist vor allem auf die überregionale touristische Ausrichtung des Standortes Titisee zurückzu- führen, wie folgende Abbildung verdeutlicht.

Abb. 6: Umsatzherkunft in den Stadtteilen Titisee und Neustadt Titisee Neustadt

Titisee-Neustadt 29 -32 % Titisee-Neustadt 60 -62%

Hochschwarzwald 9-11% Hochschwarzwald 26 -27%

Dreisamtal 5 -7% Dreisamtal 3 -4% Gesamtumsatz Gesamtumsatz 16,7 Mio. € 69,2 Mio. € LK Schwarzwald-Baar-Kreis 1 -2% LK Schwarzwald-Baar-Kreis 3 -4%

LK Waldshut 1 -2% LK Waldshut 1 -2%

Sonstige 49 -53% Sonstige 4 -5%

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE Köln (2008); Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Bei der standortdifferenzierten Umsatzherkunft zeigt sich, dass in Titisee lediglich knapp ein Drittel des Umsatzes aus Titisee-Neustadt selbst und etwas mehr als die Hälfte von Touristen stammt. Dieser hohe Umsatzanteil von außerhalb stellt auch ein

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Risiko für Titisee dar, da die Umsatzentwicklung der Einzelhändler von schwer be- einflussbare Größen (wie z.B. Entwicklungen/ Trends im Tourismus) abhängig ist. Im Stadtteil Neustadt, in dem ein deutlich höherer Einzelhandelsumsatz generiert wird, stellt sich ein umgekehrtes Bild dar: Der weit überwiegende Anteil des Um- satzes wird demnach aus dem Stadtgebiet selbst und dem Hochschwarzwald erzielt.

Die Ergebnisse der Händlerbefragung werden durch die Ergebnisse der Passanten- befragung und der Kundenherkunftserfassung im Wesentlichen bestätigt. Den Ergeb- nissen der standortdifferenzierten Kundenherkunftserfassung folgend stammen knapp 90% der Kunden in Neustadt aus Titisee-Neustadt, dem Hochschwarzwald und dem Dreisamtal. In Titisee kommt ein Anteil von gut 10% aus Titisee-Neustadt, dem Dreisamtal und dem Hochschwarzwald; die weiteren umliegenden Landkreise machen nur einen ge- ringen Anteil aus. Den Großteil der Kunden in Titisee repräsentieren - analog zu den Ergebnissen der Händlerbefragung - Touristen aus dem sonstigen Deutschland und dem Ausland. Die am stärksten vertretene Kundengruppe aus dem Ausland stellen dabei die Schweizer dar.

Abb. 7: Herkunft der im Rahmen der Herkunftserfassung erfassten Kunden aus Titisee-Neustadt

Neustadt

Titisee

Gesamtstadt

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Titisee-Neustadt Dreisamtal (inkl. Freiburg) Hochschwarzw. sonst. LK Breisgau-Hochschwarzw. LK Waldshut Schwarzwald-Baar-Kreis sonst. Deutschland Ausland Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008

38

Die Passantenbefragung mit einer etwas detaillierteren Auswertung stützt in der Tendenz die Ergebnisse der Händlerbefragung und der Herkunftserfassung, wenn- gleich der Anteil der Passanten aus Titisee-Neustadt höher und der Anteil derjeni- gen aus dem Ausland niedriger ausfällt. Möglicherweise hängt dies auch mit der Wohnfunktion zusammen, so dass die Passanten aus Titisee-Neustadt nicht als Kun- den auftraten, sondern eher zufällig (Nähe zur Wohnung) oder zum Aufsuchen von Dienstleistungen die jeweiligen Einzelhandelsstandorte aufgesucht haben. Zudem ist davon auszugehen, dass viele Touristen aus dem Ausland in Titisee, die im Rahmen der Herkunftserfassung und der Händlerbefragung miterfasst wurden, auf Grund der Sprachbarriere nicht an der Passantenbefragung teilgenommen haben.

Abb. 8: Herkunft der im Rahmen der Passantenbefragung erfassten Kunden aus Titisee-Neu- stadt

Neustadt

Titisee

Gesamtstadt

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Titisee-Neustadt sonst. LK Breisgau-Hochschw. LK Schwarzwald-Baar-Kreis LK Waldshut LK Lörrach LK Emmendingen Stadt Freiburg sonst. Deutschland Frankreich Schweiz anderes Land Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008

Einzugsgebiet Auf Grundlage der Herkunftserfassung wurde ein tendenzielles Einzugsgebiet des Einzelhandels von Titisee-Neustadt abgeleitet: Hierfür wurde jeweils die Zahl der insgesamt erfassten Kunden in Relation zu den Einwohnern der jeweiligen Kommu- nen gesetzt. In folgender Abb. 9 ist dieses Einzugsgebiet räumlich dargestellt.

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Abb. 9: Tendenzielles Einzugsgebiet Stadt Titisee-Neustadt

LK Emmendingen

Güten- bach St. Peter Schwarzwald-Baar-Kreis

Freiburg St.Märgen Eisenbach Breitnau Titisee- Neustadt Friedenw. LK Breisgau-HochschwarzwaldHinter- zarten Feldberg Lenzkirch Löffingen

Schluchsee Bonndorf

LK Lörrach LK Waldshut

Quelle: eigene Herkunftserfassung Oktober/ November 2008

Der Einzugsbereich des Mittelzentrums Titisee-Neustadt erstreckt sich hauptsäch- lich auf die unmittelbar angrenzenden Gemeinden zuzüglich Feldberg und Schluch- see im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Er korrespondiert somit mit dem von der Landesplanung zugewiesenen Mittelbereich38, für den die Stadt eine Versorgungsfunktion insbesondere im mittel- und langfristigen Bedarfsbereich übernimmt. Hierbei wird insbesondere eine starke Orientierung der Gemeinden Ei- senbach und Friedenweiler zum Mittelzentrum Titisee-Neustadt deutlich.

38 Zum Mittelbereich Titisee-Neustadt gehören neben der Stadt selbst Breitnau, Eisenbach, Feldberg, Friedenweiler, Hinterzarten, Lenzkirch, Löffingen, Schluchsee (vgl. S. Anhang zum LEP 2002 Baden- Württemberg), S. 95).

40

Verbleibquote Zusätzlich lässt sich aus den Angaben zur Kundenherkunft die Verbleibquote (vgl. Abb. 10) ableiten. Die Verbleibquote errechnet sich, indem der aus der Stadt Titi- see-Neustadt stammende Umsatz in Relation zur Kaufkraft in der Stadt gesetzt wird. Sie gibt damit den Teil der örtlichen Kaufkraft an, der durch den Einzelhandel in der Stadt Titisee-Neustadt gebunden werden kann. In Titisee-Neustadt können annähernd drei Viertel der vorhandenen Kaufkraft durch den örtlichen Handel gebunden werden - ein im Vergleich zu ähnlichen Untersuchun- gen in anderen Städten guter Wert. Dies hängt vorrangig mit dem hohen Anteil der nahversorgungsrelevanten Sortimente Nahrungs-/Genussmittel, Lebensmittelhand- werk, Drogerie und Apotheke an der Kaufkraft (rd. 50%) zusammen (vgl. Abb. 10, rechte Spalte). Auf Grund des quantitativ umfassenden nahversorgungsrelevanten Angebotes in Titisee-Neustadt und der siedlungsstrukturellen Lage der Stadt im Hochschwarzwald mit vergleichsweise weiten Entfernungen zu den nächsten Versor- gungsstandorten verbleibt dieser Teil der Kaufkraft größtenteils in der Stadt. Diese Quote scheint daher nur bedingt steigerungsfähig.

Abb. 10: Verbleibquote Titisee-Neustadt

Verbleibquote Kaufkraftanteil

100% 100%

25 -30% 12 Mio. € nicht zentrenrelevante

20 Mio. €

50% sonstige 50% zentrenrelevante

70 -75%

32 Mio. € Nahrungs-/ Genussmittel (inkl. LMHW), Drogerie, Apotheke 0% 0% Verbleib Abfluss Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

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Ein gutes Viertel der in Titisee-Neustadt vorhandenen Kaufkraft fließt in andere Gebiete ab. Dies entspricht in der Summe einem Abfluss der ortsansässigen Kauf- kraft in Höhe von rd. 15 Mio. € (vgl. Abb. 11). Der tatsächliche Kaufkraftzufluss39 mit rd. 40 Mio. € gleicht nicht nur die Kauf- kraftabflüsse aus, sondern macht knapp die Hälfte des gesamtstädtischen Umsatzes aus. Dies verdeutlicht auch die starke Abhängigkeit von Größen, die außerhalb des direkten Einflusses der Stadt Titisee-Neustadt liegen (z.B. Veränderungen in der Einzelhandelsstruktur von Nachbar- bzw. Konkurrenzorten, Dynamik auf dem Tourismusmarkt).

Abb. 11: Kaufkraftflüsse nach und aus Titisee-Neustadt Kaufkraftabflüsse Kaufkraftzuflüsse

Kaufkraft Titisee- 15 Mio. € ~ 40 Mio. € ~ Neustadt: rd. 63,5 Mio. €

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Konkurrenzorte Bezüglich der weiteren Einkaufs- bzw. Konkurrenzsorte zeigen die Ergebnisse der Passantenbefragung ein deutliches Bild - für mehr als ein Drittel der befragten Passanten ist das Oberzentrum Freiburg i. Br. neben Einzelhandelsstandorten in Titisee-Neustadt der beliebteste Einkaufsort. Differenziert nach Herkunft gab sogar jeder zweite aus Titisee-Neustadt bzw. aus dem Umland die Stadt Freiburg i. Br. als weiteren Einkaufsort an; mit deutlichem Abstand folgen Donaueschingen und Villingen-Schwenningen als weitere Städte. Auf Grund des hohen touristischen An- teils bei der Befragung nehmen in dieser Gruppe erwartungsgemäß auch andere,

39 Tatsächlicher Kaufkraftzufluss = Umsatz in Titisee-Neustadt minus in Titisee-Neustadt verbleibende Kaufkraft

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nicht näher differenzierte Orte in Deutschland eine wichtige Bedeutung ein; diese sind als Konkurrenzorte für Titisee-Neustadt jedoch ohne Bedeutung. Auffällig ist, dass hinter Freiburg mit den Einzelhandelskonzentrationen an der Freiburger Straße und der Donaueschinger Straße zwei Einzelhandelsstandorte innerhalb des Stadtgebietes von Titisee-Neustadt selbst liegen, die als regelmäßige Einkaufsorte neben dem Ortszentrum von Titisee und der Neustädter Innenstadt eine erhebliche Bedeutung für die eigenen Bewohner und die des Umlands ein- nehmen.

Abb. 12: Konkurrenzorte und weitere Einkaufsorte der befragten Passanten

nur in der OM Titisee / IS Neustadt in der OM Titisee/ IS Neustadt am Standort Donaueschinger Str. am Standort Freiburger Str. in Freiburg i. Br. in in Lörrach Titisee-Neustadt in Weil am Rhein Umland in Basel Touristen in Waldshut-Tiengen in Donaueschingen in Villingen-Schw./ Bad Dürrheim in anderen Orten in D in anderen Orten in CH in Orten in F im Versandhandel im Internet

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 182; 702 Befragte

Im Oberzentrum Freiburg i. Br. werden in besonders hohem Maß regelmäßig die zentrenprägenden Sortimente Bekleidung sowie Schuhe gekauft. Daneben wurden noch weitere zentrenrelevante Sortimente insbesondere des mittel-, aber auch des langfristigen Bedarfsbereiches (z.B. Haushaltswaren, EDV und Multimedia) genannt; nahversorgungsrelevante Sortimente nehmen hingegen eine vergleichsweise geringe Rolle ein.

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Abb. 13: Einkaufsverhalten der Befragten in Bezug auf Freiburg i. Br.

Nahrungs- Genussmittel 262 Befragte Tabak/Zeitschriften Drogerie/Parfümerie Reformhaus/Apotheke gesamt PBS / Bücher Blumen/Pflanzen/Zoo Bekleidung Damen Bekleidung Herren Bekleidung Kinder Schuhe Sportart. Spielwaren Haushaltswaren Heimtextilien Heimwerkerbedarf Lederwaren Uhren/Schmuck Foto Optik Unterhaltungselektronik EDV/Computer/Multimedia GPK Elektro, Leuchten Möbel, Antiquitäten Souvenirs/Geschenke Autozubehör Angaben in % 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 193; 262 Befragte

Die Einzelhandelsstandorte an der Donaueschinger und Freiburger Straße haben da- gegen insbesondere eine Bedeutung für die Versorgung mit nahversorgungsrele- vanten Sortimenten (insbesondere Nahrungs-/ Genussmitteln). Daneben werden diese Standorte regelmäßig auch zum Einkauf innenstadttypischer Sortimente wie Bekleidung oder Schuhe aufgesucht. Somit stellen diese Konkurrenzstandorte für das Ortszentrum von Titisee und insbesondere für die Innenstadt von Neustadt dar.

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Abb. 14: Einkaufsverhalten der Befragten in Bezug auf weitere städtische Standorte Donaueschinger Straße Freiburger Straße

Nahrungs- Genussmittel Nahrungs- Genussmittel Tabak/Zeitschriften Tabak/Zeitschriften Drogerie/Parfümerie 101 Befragte Drogerie/Parfümerie 194 Befragte Reformhaus/Apotheke Reformhaus/Apotheke PBS / Bücher PBS / Bücher Blumen/Pflanzen/Zoo Blumen/Pflanzen/Zoo Bekleidung Damen Bekleidung Damen Bekleidung Herren Bekleidung Herren Bekleidung Kinder Bekleidung Kinder Schuhe Schuhe Sportart. Sportart. Spielwaren Spielwaren Haushaltswaren Haushaltswaren Heimtextilien Heimtextilien Heimwerkerbedarf Heimwerkerbedarf Lederwaren Lederwaren Uhren/Schmuck Uhren/Schmuck Foto Foto Optik Optik Unterhaltungselektronik Unterhaltungselektronik EDV/Computer/Multimedia EDV/Computer/Multimedia GPK GPK Elektro, Leuchten Elektro, Leuchten Möbel, Antiquitäten Möbel, Antiquitäten Souvenirs/Geschenke Souvenirs/Geschenke Autozubehör Autozubehör Angaben in % 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Angaben in % 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Fragen 191 und 192; 101 bzw. 194 Befragte

Fazit Der Einzelhandel in Titisee-Neustadt ist stark von den unterschiedlichen Profilen der Einzelhandelslagen in Titisee und Neustadt geprägt: Während Neustadt fast aus- schließlich eine gesamtstädtische Versorgungsaufgabe der eigenen Bevölkerung aber auch des Umlandes (Hochschwarzwald) übernimmt, generiert Titisee einen Großteil seiner einzelhandelsbezogenen Umsätze mit Touristen. Die Wettbewerbssituation mit anderen Städten wird auf Grund der siedlungs- strukturellen Lage und der räumliche Nähe zum Oberzentrum Freiburg mit einem umfassenden und vielfältigen Angebot an mittel- und langfristige Bedarfsgüter kaum veränderbar sein. Vielmehr ist die innere Wettbewerbsstruktur zu beachten, da zwei bedeutende Einzelhandelskonzentrationen mit einem typisch innenstadt- relevanten Angebotsschwerpunkt im Stadtgebiet von Titisee-Neustadt selbst liegen und somit in Konkurrenz zu den Angeboten der Innenstadt von Neustadt (haupt- sächlich) und dem Ortszentrum von Titisee treten.

3.2.3 Beurteilung der Einzelhandelssituation aus Händlersicht Die Befragung soll den Händlern, neben der Erfassung wichtiger Einzelhandelsdaten, die Gelegenheit geben, ihre persönliche Meinung und Stimmungslage in die Analyse

45

einzubringen. Diese Aussagen sind von großer Wichtigkeit für eine umfassende Dar- stellung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt.

3.2.3.1 Stärken und Schwächen Die Einzelhändler wurden im Zuge der Befragung gebeten, sich in einer offen ge- stellten Frage40 (ohne vorgegebene Antwortmöglichkeit) zu positiven und negativen Aspekten im Hinblick auf die Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt zu äußern. Die Auskünfte der Einzelhändler wurden zu den in Abb. 15 dargestellten Themenbe- reichen zusammengefasst. Eine detaillierte Übersicht der Ergebnisse, in der die einzelnen Aspekte eines jeden Themenbereiches differenziert aufgezeigt werden, befindet sich im Anhang (vgl. Tab. A - 5ff.). Die Abbildung spiegelt die allgemeine Stimmungslage der Händler zum Befragungszeitpunkt wider und verschafft gleich- zeitig einen Überblick über aktuelle Themenschwerpunkte bei den Einzelhändlern in Titisee-Neustadt.

Für die Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass bei derartigen, offen gestellten Fragen i.d.R. negative Aussagen überwiegen. Dies ist vor allem dar- auf zurückzuführen, dass positive Sachverhalte häufig als selbstverständlich aufge- fasst werden, während negative Aspekte präsenter sind und daher spontaner geäu- ßert werden. Folgerichtig ist den positiven Angaben ein größeres Gewicht beizumessen. Trotz dieser Relativierung ist die Stimmungslage der Einzelhändler in Titisee-Neu- stadt auffallend negativ: Gut ein Drittel der Händler, die sich zu dieser Frage ge- äußert haben, fällt nichts Positives zur Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt ein. Demgegenüber sieht lediglich ein Bruchteil der Einzelhändler (3%) keine De- fizite. Diese strukturell negative Stimmungslage spiegelt sich in annähernd allen einzelnen Themenbereichen wider. Lediglich das Angebot an Dienstleistungen wird zu gleichen Anteilen negativ wie positiv bewertet. Hingegen werden Hauptfaktoren zur Beurteilung eines Einzelhandelsstandortes wie die Angebotsstruktur und die Aufenthaltsqualität überwiegend negativ eingeschätzt.

40 "Was finden Sie an der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt gut bzw. schlecht?"

46

Abb. 15: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht

Struktur/Angebot EH

Parkplätze

Aufenthaltsqualität

Zusammenarbeit EH/ EH, Stadt/ EH

Erreichbarkeit

Struktur/Angebot DL

Leerstände

Sonstiges

nichts Negatives

nichts Positives

0% 5% 10%15%20% 25%30%35%40%45%50%

positiv negativ sowohl als auch

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Aus der Befragung konnten insgesamt acht Themenbereiche abgeleitet werden, die nachfolgend nach Anzahl ihrer Nennungen differenziert aufgeführt werden. In dem am häufigsten thematisierten Bereich "Einzelhandelsangebot/ -struktur" überwiegen die negativen Äußerungen deutlich gegenüber positiven Aussagen. Hierbei wurden als konkrete Aspekte vor allem die nicht mehr gegebene Lebens- mittelversorgung in (der Innenstadt von) Neustadt und - eng damit verknüpft - die Verlagerung des Einzelhandels (an die Einzelhandelsstandorte Donaueschinger und Freiburger Straße) nach draußen bemängelt.

47

Abb. 16: Beurteilung des Themenfeldes "Struktur/ Angebot Einzelhandel" in Titisee-Neustadt aus Händlersicht

Fachgeschäfte

Auswahl

Angebot

Servicequalität

Anziehungspunkt in IS v. Neustadt

Sortimente

Preisniveau

Verdrängung der alteingessenen Geschäfte

Lebensmittelversorgung in Neustadt

Herrenbekleider fehlt

Haushaltswaren fehlen

Verlagerung des EH nach draußen

Sonstiges

0 5 10 15 20 25 30 35

positiv negativ

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008, nach Anzahl der Nennungen

Ähnlich wie in anderen Städten, in denen eine derartige Befragung durchgeführt wurde, wird der begleitende Faktor "Parkplätze" negativ beurteilt, wenngleich in Titisee-Neustadt der hohe Anteil an negativen Äußerungen diesbezüglich hervor- sticht. Hauptkritikpunkte sind dabei aus Sicht der Händler neben der zu geringen Anzahl der Parkmöglichkeiten auch die zu hohen Kosten und die Parkraumüber- wachung.

Rund ein Drittel der Händler sehen in der "Aufenthaltsqualität" in Titisee-Neu- stadt (und hierbei insbesondere in Neustadt) Defizite, während nur ein geringer Anteil der Händler dieses Themenfeld positiv bewertet. Als hauptsächlich negativ bewertete Aspekte in diesem Themenfeld wurden die fehlende Kundenfrequenz und das Stadtbild bzw. Flair (insbesondere der Innenstadt von Neustadt) genannt.

Auch zu dem Thema "Zusammenarbeit" hat sich die Mehrzahl der Händler negativ geäußert, wenn auch nicht in der Deutlichkeit wie bei den oben genannten Themen- feldern. Die Kritik bezog sich vor allem auf die Zusammenarbeit zwischen Stadt und

48

Einzelhandel. Die Zusammenarbeit zwischen den Händlern wurden hingegen zu gleichen Anteilen negativ wie positiv bewertet.

Im Unterschied zu den übrigen Themenfeldern wird der Bereich "Dienstleistungs- angebot/ -struktur" von den befragten Händlern ambivalent eingeschätzt. Während vor allem das bestehende Gastronomie- sowie Kultur- und Freizeitangebot in Titi- see-Neustadt überwiegend beanstandet wurden, wurden die soziale Infrastruktur und die Planungen zum "Badeparadies Schwarzwald" positiv beurteilt.

Das Thema "Erreichbarkeit" wird von den Händlern überwiegend beanstandet, wo- bei insbesondere die Verkehrsführung verbunden mit dem hohen Verkehrsauf- kommen auf der B31 und der Hauptstraße kritisiert wurde.

Auf Grund der hohen Anzahl an Nennungen wurde ein eigenes - fast ausschließlich negativ besetztes - Themenfeld "Leerstände" gebildet. Insbesondere die Leer- standssituation in Neustadt sehen viele Händler mit Sorge.

Auch im Bereich "Sonstiges", in dem Äußerungen zusammengefasst wurden, die auf Grund der geringen Anzahl der Nennungen keinen eigenständigen Themenbereich bilden, überwiegen die negative Äußerungen. Kritisiert wurde hier insbesondere das Verhalten der Kunden, die u.a. an den Standorten an der Freiburger und Donau- eschinger Straße außerhalb der Innenstadt einkaufen. Als Stärke wird hingegen der Tourismus hervorgehoben.

Fazit Verschiedene Problemfelder werden durch die Auswertung der offenen Frage er- sichtlich, die z.T. nur mittel- bis langfristig gelöst werden können. Hierzu gehört u.a. auch die Verdrängung von Einzelhandelsbetrieben der zentralen Lagen durch die nicht integrierten Standorte außerhalb der Zentren. Trotz der erwähnten Problemfelder stellt sich die Frage, ob die Situation in Titisee-Neustadt tatsächlich so problembehaftet ist, dass jedem dritten Händler nichts Positives zur Einzel- handelssituation vor Ort einfällt und die negativ aufgeführten Aspekte in der Deut- lichkeit mehrheitlich überwiegen.

49

3.2.3.2 Änderungsabsichten in den bestehenden Einzelhandelsbetrieben Durch die Tatsache, ob und welche Änderungsabsichten die befragten Einzelhändler anstreben, lassen sich weitere Rückschlüsse zur Einschätzung der Einzelhandelssitu- ation in Titisee-Neustadt ziehen. Insgesamt gab jeder vierte Einzelhändler an, dass Änderungen in seinem Geschäft geplant seien; dies entspricht einer Verkaufsfläche von rd. 2.050 qm.

Abb. 17: Änderungsabsichten der Einzelhändler in Titisee-Neustadt: Betriebe und deren Verkaufsfläche 28von 123 Antwortenden Rd. 2050 qm VKF

Inhaberwechsel Inhaberwechsel

Umstrukturierung Umstrukturierung Sortiment Sortiment

Renovierung, Renovierung, Modernisierung Modernisierung

Umzug Umzug

Erweiterung (z.T. Erweiterung (z.T. mit Umzug) mit Umzug)

Verkleinerung Verkleinerung

Schließung Schließung

0 3 6 9 12 15 0 200400 60080010001200 Anzahl qm Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

14 Händler äußerten in der Händlerbefragung Schließungsabsichten, wobei 3 kon- krete Absichten verfolgten und elf Händler angaben, ihren Betrieb eventuell schlie- ßen zu wollen. Schließungsabsichten wurden somit von vergleichsweise kleinen Be- trieben geäußert. Zuzüglich zu einer konkreten Verkleinerungsabsicht eines Betrie- bes ohne Flächenangabe bedeuten diese Änderungsabsichten insgesamt einen vor- hersehbaren Verkaufsflächenrückgang von bis zu rd. 1.125 qm. Der Großteil dieser Betriebe ist darüber hinaus in den Zentren (sechs im Ortszentrum von Titisee und acht in der Innenstadt von Neustadt) angesiedelt, was sich hier auch negativ auf die Standortattraktivität auswirken kann, sofern keine Neueröffnungen realisiert werden.

50

Diesem Verkaufsflächenrückgang stehen insgesamt sieben geplante Betriebserweite- rungen (einer davon ohne Flächenangabe) gegenüber, die einen Flächenzuwachs von bis zu rd. 200 qm erwarten lassen. Per Saldo würde dies einem Flächenrückgang von bis zu rd. 925 qm entsprechen.

Abb. 18: Voraussichtliche Einzelhandelsentwicklung in Titise-Neustadt: Betriebszahl und Ver- kaufsflächen

VKF-Zunahme 7 Betriebe (2 ohne VKF-Abnahme 15 Betriebe (1 ohne Flächenangabe), davon je 1 im ZVB Flächenangabe), davon 6 im ZVB Titisee bzw. ZVB Neustadt Titisee und 8 im ZVB Neustadt 600 pot. VKF-Abnahme 400 VKF-Abnahme pot. VKF-Zunahme 200 VKF-Zunahme 0

-200

-400

-600

-800

-1.000

-1.200 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Einschränkend ist anzumerken, dass nur die derzeit in Titisee-Neustadt ansässigen Einzelhandelsbetriebe in die Befragung einbezogen werden können und das aus die- sem Grund der Wert, der diesem Verkaufsflächenrückgang durch eventuelle Neuer- öffnungen oder Zuzüge aus anderen Bereichen nach Titisee-Neustadt gegenüber- steht, nicht beziffert werden kann.

3.2.4 Beurteilung gesamtstädtischer Faktoren aus Kundensicht Nachfolgend werden die gesamtstädtischen Ergebnisse der Passantenbefragung dar- gestellt und bewertet. Die Einschätzung der Einzelhandelssituation aus Kundensicht bezieht sich ausschließlich auf das jeweilige Zentrum in Titisee bzw. Neustadt und wird daher erst in diesem Zusammenhang dargestellt (vgl. Kap. 4.3.4 und Kap. 4.4.4).

51

3.2.4.1 Image der Stadt Titisee-Neustadt Das Image einer Stadt ist von besonderer Bedeutung für deren zukünftige Entwick- lung. Es setzt sich aus subjektiven Wahrnehmungen und z.T. auch aus Vorurteilen zu- sammen. Ein Image stellt damit eine gefilterte Repräsentation der städtischen Wirklichkeit dar und ist u.a. von großer Bedeutung für das Standortmarketing oder auch die Standortwahl von Einzelhandelsbetrieben.

Zunächst ist festzustellen, dass sich das Image bei der Befragung in Titisee-Neu- stadt nach Herkunft der Befragten z.T. deutlich unterscheidet. Es wird deutlich, dass insbesondere die Einheimischen von ihrer eigenen Stadt ein eher negatives Bild haben: Jeder zweite Einwohner aus Titisee-Neustadt bezeichnet seine Stadt als einen "verschlafenen Ort". Bei den Kunden aus dem Umland urteilt jeder dritte Be- fragte entsprechend. Die Touristen, die aus einer anderen Motivation heraus nach Titisee-Neustadt kommen (z.B. wegen der Schwarzwaldidylle, dem Titisee u.ä.) und als Kunden in Neustadt so gut wie gar nicht auftreten41, nennen neben "einer Stadt für Touristen" eher positiv besetzte Imagebilder (z.B. "eine idyllische Kleinstadt"). Auffällig ist, dass Titisee-Neustadt weder für Einheimische noch für Besucher eine attraktive Einkaufsstadt ist. In der Tendenz fällt die Außensicht auf Titisee-Neustadt insgesamt positiver aus als die Einschätzungen der befragten Einwohner von Titisee-Neustadt. Diese negative Eigensicht spiegelt sich - wie im späteren Teil des Gutachtens deutlich wird - in der gesamten Befragung wider.

41 Lediglich sieben Prozent der befragten Passanten kommen in Neustadt aus dem Ausland oder aus dem sonstigen Deutschland außerhalb der benachbarten Landkreise.

52

Abb. 19: Passantenbefragung: Imagebewertung - nach Herkunft

eine attraktive Einkaufsstadt Titisee-Neustadt

Umland eine idyllische Kleinstadt Touristen

eine ideale Wohnstadt

ein gesunder Kurort

ein verschlafener Ort

eine Stadt für Touristen

eine familienfreundliche Kleinstadt

Angaben in % 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008, Frage 220; 702 Befragte

Bedeutung des Tourismus Titisee-Neustadt ist für viele der Befragten mit dem Image einer "Stadt für Tou- risten" besetzt. Insbesondere wegen Titisee verfügt die Stadt über eine hohe tou- ristische Ausstrahlungskraft, die sich auch in einem auffällig hohen Anteil aus- wärtiger Kunden widerspiegelt (vgl. Kap. 3.2.2). Aus diesem Grund wurden Kunden, die ihren Urlaub in Titisee-Neustadt bzw. in der Umgebung verbringen, zu ver- schiedenen Aspekten des Tourismus befragt (vgl. Anlagenband zur Passantenbefra- gung, Fragen 81, 82, 83, 87). Danach bleibt rd. die Hälfte der Urlauber mindestens eine Woche in Titisee-Neu- stadt und Umgebung. Der Anteil der Kurzzeiturlauber (weniger als zwei Übernach- tungen) beträgt rd. ein Viertel. Während des Aufenthaltes wird dabei von rd. der Hälfte der Befragten das Hotel als Beherbergungsform bevorzugt. Viele Hotels be- finden sich dabei im Ortskern von Titisee und tragen daher auch zur Passantenfre- quenz im Zentrum bei. Die Gründe für die Wahl von Titisee-Neustadt als Urlaubsort sind dabei weniger auf die Attraktivität der Zentren von Titisee und Neustadt zurückzuführen, sondern stehen in engem Bezug zur Landschaft und Natur des Schwarzwalds.

53

Abb. 20: Gründe für die Wahl von Titisee-Neustadt als Urlaubsort

idealer Ausgangsort für Wanderungen

idealer Ausgangsort für Sportarten wie Radtouren, Mountainbiken, Golf etc.

idealer Ausgangsort für Ausflüge (Freiburg, Rheinfall, Bodensee, Basel)

Lage am See

ruhige, naturbelassene Täler

Gesundheitsurlaub und Wellnessangebote

attraktiver Ort/ attraktive Innenstadt

Ruhe/Erholung

Sonstiges

Nennungen 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 83; 163 Nennungen bei 87 Befragten

Veranstaltungen in Titisee-Neustadt Regelmäßig stattfindende Veranstaltungen und Events können einer positiven Imagebildung zweckdienlich sein, die Identifikation mit dem Wohnort stärken und Titisee-Neustadt über die Stadtgrenze hinaus bekannter machen. Im Rahmen der Passantenbefragung zeigt, dass der deutlich überwiegende Teil der Bewohner aus Titisee-Neustadt aber auch aus dem Umland das Angebot vor Ort bzw. im unmittel- baren Umfeld wahrnimmt. Besonders beliebt sind demnach der Weihnachtsmarkt, gefolgt von dem Seenachtsfest und dem Sommernachtsfest. Nur jeder zehnte Einwohner aus Titisee-Neustadt bzw. knapp jeder dritte Befragte aus dem Umland gab an, keine der aufgeführten Veranstaltungen zu besuchen.

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Abb. 21: Passantenbefragung: Besuchte Veranstaltungen in Titisee-Neustadt - nach Herkunft

Seenachtsfest

Sommernachtsfest

Titisee-Neustadt Hornschlittenrennen Umland Touristen Schwarzwälder Jazzsommer

Happy-Family-Club

Skispringen

Volkslauf

Weihnachtsmarkt

Brettlemarkt

verkaufsoffene Sonntage

keine

Angaben in % 0 10 20 30 40 50 60 70 Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 221; 1.474 Nennungen bei 702 Befragten

3.2.4.2 Verkehrsmittelwahl für die Anreise nach Titisee-Neustadt Bei der Verkehrsmittelwahl für eine Anreise der auswärtigen Besucher nach Titi- see-Neustadt zeigte sich deutlich die Bedeutung des Autos: Rd. 70% der Kunden aus dem Umland und rd. 76% der Touristen sind mit dem PKW als Selbst- oder Mitfahrer nach Titisee-Neustadt angereist. Dennoch weist die Befragung auch auf die Wichtig- keit des ÖPNV als Verkehrsmittel hin, wobei die Bahn, die mit zwei Bahnhöfen so- wohl Titisee als auch Neustadt an das überörtliche Schienenetz anschließt, im Ver- gleich zum Bus von höherer Bedeutung ist.

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Abb. 22: Verkehrsmittelwahl nach Titisee-Neustadt

Umland

Touristen

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Pkw (Selbstfahrer) Pkw (Mitfahrer) Motorrad/Mofa Bus Bahn Fahrrad Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 75; 365 Befragte

Für den Besuch der Innenstadt von Neustadt bzw. der Ortsmitte von Titisee spielt das Auto hingegen eine geringere Rolle. Der überwiegende Anteil der befragten Passanten kommt zu Fuß in die Innenstadt bzw. in die Ortsmitte (jeweils rd. 41%). Weitere rd. 10% wählen jeweils die öffentlichen Verkehrsmittel. Hervorzuheben ist in diesem Kontext, dass rd. 16% der befragten Passanten in Neu- stadt über keinen PKW im Haushalt verfügen. Berücksichtigt man zudem, dass in rd. 54% der Haushalte lediglich ein Auto und dieses z.T. nur eingeschränkt zur Ver- fügung steht (da es für Pendelbeziehungen, z.B. zum Arbeitsplatz, genutzt wird), wird die Bedeutung einer fußläufigen Nahversorgung wichtig. Diese wird im Rah- men der demographischen Entwicklung weiter zunehmen.

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Abb. 23: Bedeutung des PKW für den Einkauf in den Zentren von Titisee-Neustadt PKW pro Haushalt Häufigkeit des PKW-Gebrauchs für den Einkauf Titisee

10%

41% OM Titisee 49%

kein Pkw vorhanden 1 Pkw 2 Pkw und mehr IS Neustadt Neustadt

16% 30% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Pkw (Selbstfahrer) Pkw (Mitfahrer) Motorrad/Mofa 54% Bus Bahn Fahrrad zu Fuß Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 76 und Frage 250; 702 Befragte

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4. ZENTRALE VERSORGUNGSBEREICHE IN TITISEE UND NEUSTADT - QUALIFIZIERUNG, ABGRENZUNG UND STRUKTUR

Anschließend an die gesamtstädtische Betrachtungsebene werden nachfolgend die bedeutsamsten Einzelhandelsstandorte in Titisee-Neustadt eingehender erörtert. Nach einer räumlich-funktionalen Gliederung der Stadt werden zunächst die zentralen Versorgungsbereiche, welche eine essentielle Bedeutung für die räumli- chen Einzelhandelssteuerung besitzen, abgegrenzt. Die zentralen Versorgungsbe- reiche, namentlich der zentrale Versorgungsbereich der Innenstadt von Neustadt und des Ortszentrums von Titisee, werden zunächst rein quantitativ hinsichtlich ihres Einzelhandelsangebotes und ihrer Versorgungsfunktion vor dem Hintergrund der Einzelhandelsnachfrage beurteilt. Ebenso erfolgt eine qualitative Stärken- Schwächen-Analyse nach städtebaulich-funktionalen Gesichtspunkten. Weitere wichtige Erkenntnisse zu der Innenstadt von Neustadt und dem Ortszentrum von Titisee liefern die Ergebnisse der Passantenbefragung. Daneben gibt es im Stadtgebiet weitere bedeutsame Einzelhandelskonzentratio- nen, die ihrem Charakter nach keine zentralen Versorgungsbereiche sind. Diese werden in Bezug auf ihre ergänzende Versorgungsfunktion in Titisee-Neustadt er- örtert.

4.1 METHODISCHES VORGEHEN - ABGRENZUNG ZENTRALER VERSORGUNGSBEREICHE UND STÄDTEBAULICH-FUNKTIONALE BESTANDSAUFNAHME

Der Einzelhandel stellt für die Entwicklung der Innenstädte nach wie vor die Leit- funktion dar: Zahlreiche Untersuchungen des Büros Dr. Acocella mit mittlerweile über 25.000 Passanten in verschiedenen Städten unterschiedlicher Größe und regi- onaler Einbindung ergaben, dass Einkaufen und Bummeln als häufigstes Motiv für den Besuch einer Innenstadt bzw. eines Orts-/ Stadtteilzentrums genannt werden. Beides unterstreicht die Bedeutung des Einzelhandels für eine funktionsfähige In- nenstadt. Bei der Passantenbefragung in Titisee-Neustadt wurde dies tendenziell ebenfalls bestätigt, auch wenn die touristische Ausrichtung von Titisee zu teilweise normabweichenden Besuchsmotiven führt (vgl. Abb. 24).

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Abb. 24: Besuchsmotivation der Innenstadt von Neustadt und des Ortszentrums von Titisee

Urlaub in T.-N. bzw. Umgebung Tagestourist Tagung/ Geschäftsreise Kuraufenthalt Begleitperson von Kurgast wollte etwas einkaufen Wochenmarkt Behördenbesuch/ Verwaltung Gastronomiebesuch/ Café Arztbesuch/ Apotheke Titisee-Neustadt Banken/ Vers.; Steuerber./RA/ Notar Umland Reisebüro Touristen Frisör Schuh-Reparatur/ Schlüssel-Service Fitness-/ Sonnenstudio Kindergarten/ Schule etc. in der Nähe Arbeitsplatz in der Nähe wollte mich umsehen/ bummeln Besuch von Freunden, Verwandten Konzert/ sonst. Veranstaltung/ Theater anderer Grund

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Angaben in %

Quelle: eigene Passantenbefragungen Oktober 2008: Frage 80; 930 Nennungen bei 702 Befragten

Eine attraktive Innenstadt bzw. ein attraktives Ortszentrum wird jedoch nicht allein durch das Einzelhandelsangebot, sondern auch - wie in der oberen Abbildung deut- lich wird - durch den Funktionsmix sowie die städtebaulichen und verkehrlichen Be- dingungen geprägt und charakterisiert.

Die wichtigste planerische Aufgabe für die Sicherung der Funktionsfähigkeit einer Innenstadt bzw. eines Ortszentrums mit entsprechendem Funktionsmix und städte- baulichen Qualitäten stellt dabei die Abgrenzung der zentralen Versorgungsbe- reiche dar, mit der verschiedene Aspekte des Bau- und Planungsrechtes zusammen- hängen. Dabei muss eindeutig geklärt sein, welche Bereiche einer Stadt als zentrale Versor- gungsbereiche anzusehen sind, damit geprüft werden kann, in welcher Weise diese geschützt bzw. weiterentwickelt werden sollen und können. Die städtebaulich-

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funktionalen Anforderungen für die Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche er- geben sich aus dem entsprechenden Urteil des BVerwG42 (vgl. Kap. 2.2.1.1).

Kriterien zur Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche Zunächst einmal muss ein zentraler Versorgungsbereich eine integrierte Lage auf- weisen. Dies bedeutet, dass dieser städtebaulich und siedlungsstrukturell einge- bunden sein und einen unmittelbaren Bezug bzw. die Nähe zur Wohnbebauung auf- weisen muss, so dass auch für eingeschränkt mobile Bevölkerungsgruppen eine mög- lichst gute Erreichbarkeit - z.T. eine fußläufige Erreichbarkeit - gegeben ist. Daneben sollte eine gute verkehrliche Anbindung an das öffentliche Personennah- verkehrsnetz (bestmöglich auch in ein Fahrradwegenetz) gegeben sein.

Die Abgrenzung eines zentralen Versorgungsbereiches orientiert sich insbesondere an dem Bestand an Einzelhandelsbetrieben. Obgleich der Einzelhandel die Leitfunktion für ein Zentrum wahrnimmt, ist für die Qualifizierung eines Gebietes als zentralen Versorgungsbereich neben der Wohnfunktion das Angebot weiterer Nutzungen von erheblicher Bedeutung. Das Vorhandensein von - in der Regel publikumsorientierten - Dienstleistungsbetrieben ist des Weiteren für einen Funktionsmix im Zentrum von erheblicher Bedeutung. Neben einzelhandelsnahen Ladendienstleistern (z.B. Reinigung, Friseur, Reisebüro) gehören hierzu Bank- dienstleistungen und Postagenturen/ -filialen, medizinische Dienstleistungen (z.B. Allgemein- und Fachärzte, Physiotherapeuten) und öffentliche Einrichtungen mit gleichsam publikumsorientierter Wirkung (z.B. Bildungs-, Verwaltungs- und Kultur- einrichtungen). Ein weiterer wesentlicher Aspekt sind zudem Gastronomie- und auch Beherbergungsbetriebe. Bürodienstleistungen (Anwälte, Steuerberater, Versiche- rungsagenturen etc.) und sonstige Dienstleistungsangebote sind auf Grund ihrer ge- ringen Publikumsorientierung hingegen weniger von Bedeutung, können aber den Funktionsmix abrunden.

Ein zentraler Versorgungsbereich bedarf einer räumlich-funktionalen Konzent- ration an Versorgungsangeboten mit einer entsprechenden Dichte und Kompakt- heit, die im Zusammenhang erkennbar ist. Die räumliche Abgrenzung der Ränder derartiger Bereiche erfolgt dort, wo funktionale Brüche infolge anderer baulicher

42 Vgl. BVerwG, Urteil 10.11.2007, Az. 4C7/07.

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Nutzungen wie zusammenhängender Wohnbebauung oder Gewerbe/ Industrie auf- treten.

Neben funktionalen Kriterien müssen zur Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche auch städtebauliche Gegebenheiten berücksichtigt werden, um eine im Zusammen- hang erkennbare Agglomeration mit den Funktionen Versorgen, Einkaufen und Dienstleistungen zu identifizieren. Bei einer Ortsbegehung wurden daher folgende städtebauliche/ infrastrukturelle Zäsuren berücksichtigt: · verkehrliche Barrieren (Straßen, Bahnlinien), · natürliche Barrieren (z.B. Gewässer, Topographie, Grünzug,), · bauliche Barrieren (z.B. Wohngebäude, Bürokomplexe), · städtebauliche Brüche (z.B. Straßenraumgestaltung, Baustruktur)

Um den Vorraussetzungen nach Kompaktheit und Dichte Rechnung zu tragen, sind überdies städtebauliche Qualitäten aufzunehmen und zu beschreiben. Insbeson- dere die Gestaltung des öffentlichen Raums übernimmt je nach Qualität eine unter- stützende Wirkung für das Aufsuchen eines Zentrums, das Verweilen und letztlich für eine entsprechende Passantenfrequenz, die für das Funktionieren der Einzelhan- delslage eine unverzichtbare Vorrausetzung darstellt.

Die städtebaulich-funktionale Situation in der Innenstadt von Neustadt bzw. dem

Ortszentrum von Titisee wird anhand einer Stärken-Schwächen-Analyse im Rahmen einer Fotodokumentation dargestellt (vgl. Kap. 4.3.5und Kap. 4.4.5). Als Kriterien für die Stärken-Schwächen-Analyse dienen dabei nicht nur Belange des Einzelhandels und des Städtebaus; es werden, ebenfalls die funktionsbezogene Aufenthaltsqualität sowie die Innenstadt als Wohn-, Arbeits-, und Kulturstandort bewertet. Diese Stärken-Schwächen-Analyse bildet somit die wesentliche Basis für die Identi- fizierung räumlicher Entwicklungsmöglichkeiten für den Einzelhandel (vgl. Kap. 8.3) sowie für die städtebaulich-funktionalen und gestalterischen Entwicklungsansätze (vgl. Kap. 8.4).

61

4.2 RÄUMLICH-FUNKTIONALE GLIEDERUNG DER STADT

Vor dem Hintergrund der im vorangegangen Kapitel benannten Kriterien zur Ab- grenzung zentraler Versorgungsbereiche müssen zunächst die Bereiche identifiziert werden, in denen eine entsprechende Besatzdichte an Einzelhandelsbetrieben vor- herrscht. Daher wurde zunächst eine Grobanalyse der räumlich-funktionalen Struktur der Ge- samtstadt vorgenommen und entsprechende Cluster mit einer Dominanz an be- stimmten Nutzungsarten festgestellt. Neben Bereichen mit einer Konzentrationen an öffentlichen/ sozialen Einrichtungen (z.B. Heliosklinik an der Jostalstraße oder Schulen im Bereich der Wilhelm-Sutter-Straße), überwiegend gewerblich oder durch Sport- und Freizeitnutzung geprägte Bereiche (z.B. Gewerbestraße) wurden vier größere Einzelhandelsagglomerationen identifiziert.

Zwei Bereiche, einer im Ortszentrum von Titisee und einer in der Innenstadt von Neustadt entsprechen ihrem Charakter nach einem zentralen Versorgungsbereich. Daneben befinden sich an der Freiburger Straße und an der Donaueschinger Straße größere Einzelhandelskonzentrationen, die auf Grund ihrer autokundenorientierter Ausrichtung und Lage ohne direkten Bezug zu zusammenhängender Wohnbebauung städtebaulich nicht integrierte Standorte sind. Diese werden insbesondere auf ihre (ergänzende oder Konkurrenz-)Wirkung in Bezug auf die beiden gewachsenen Zent- ren untersucht. Neben Titisee und Neustadt sind in den weiteren Stadtteilen mit sehr geringen Einwohnerzahlen keine weiteren Einzelhandelsschwerpunkte mit einem größeren Angebot vorhanden.43

43 Lediglich Langenordnach (Hofladen) und Waldau (Raumausstatter und Bäcker) weisen einen minimalen Besatz auf.

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Abb. 25: Räumlich-funktionale Grobgliederung in Titisee-Neustadt Nutzungscluster

Einzelhandel

Wohnen Standort Freiburger Str. Gewerbe, Verkehrsinfrastruktur

Sport und Freizeit

Öffentl. Einrichtungen

Innenstadt Neustadt

Standort Donaueschinger Str.

Ortszentrum Titisee

Quelle: eigene Darstellung, Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

4.3 ZENTRALER VERSORGUNGSBEREICH DES ORTSZENTRUMS VON TITISEE

4.3.1 Räumlich-funktionale Struktur des Ortszentrums Im Folgenden wird als ein wesentliches Kriterium zur Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches in Titisee die räumliche Verteilung der Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe im Ortszentrum und dessen unmittelbaren Umfeld darge- stellt (vgl. Karte 2) und insbesondere hinsichtlich der Bestandsdichte erörtert.

Bei der Betrachtung der Karte wird die hohe Besatzdichte insbesondere im Kreu- zungsbereich der See-, Strandbad- und Jägerstraße deutlich. Der Einzelhandelsbe- satz entlang der Seestraße reicht - wenn auch mit abnehmender Bestandsdichte - bis zur Seebachstraße im Süden. Der Angebotsschwerpunkt liegt im mittelfristigen Bedarfsbereich (grün dargestellte Punkte) und ist überwiegend touristisch ausge- richtet. Auf der nördlichen Seite der Parkstraße ist am Bahnhof eine Konzentration

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von fünf Einzelhandelsbetrieben mit Angebotsschwerpunkten im kurz- und mittel- fristigen Bedarfsbereich zu konstatieren. Die Entfernung zur Seestraße beträgt rd. 200 Meter.

Karte 2: Einzelhandelsangebot im Ortszentrum von Titisee und angrenzenden Bereichen

Bestand Einzelhandel kurzfristiger Bedarf mittelfristiger Bedarf langfristiger Bedarf

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage Erhebung Oktober 2008, Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neu- stadt

Die räumliche Verteilung des Dienstleistungsangebotes entspricht in weiten Teilen dem Einzelhandelsbesatz, wobei die Dienstleistungsdichte insbesondere im Bereich der Seestraße etwas geringer ist. Hervorzuheben ist der hohe Anteil an gastrono- mischen Betrieben und Beherbergungsbetrieben (Hotels), die auf das touristische Profil von Titisee zurückzuführen sind. Zu einem Funktionsmix im Ortszentrum tra- gen zudem einzelhandelsnahe Dienstleistungen wie Kosmetikstudio, Friseur sowie zwei Banken bei, obgleich die Besatzdichte derartiger zentrentypischer Betriebe vergleichsweise gering ist.

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Zum Erhebungszeitpunkt wurden im Ortszentrum bzw. im unmittelbaren Umfeld keine leerstehenden Ladenlokale identifiziert.

Karte 3: Dienstleistungsangebot im Ortszentrum von Titisee und angrenzenden Bereichen Bestand Dienstleistungen Einzelhandelsnahe und Sonstige Gastronomie Medizinischer Bereich Banken, Wirtschaft, Recht Post Öffentliche Einrichtungen Leerstand

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage Erhebung Oktober 2008, Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neu- stadt

4.3.2 Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches in Titisee Auf Grundlage der Bestandsdichte sowie funktionaler und städtebaulicher Brüche bzw. Zäsuren wurde der zentrale Versorgungsbereich des Ortszentrums von Titisee abgegrenzt (vgl. Karte 4).

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Karte 4: Vorschlag zur Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches im Ortszentrum von Titisee

Bestand Einzelhandel/ Dienstleistungen

Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB (Hauptbereich) ca. 350 m ZVB (Ergänzung)

ca. 600 m

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Abgrenzung auf Grundlage Erhebung Oktober 2008; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neu- stadt

Der zentrale Versorgungsbereich erstreckt sich entsprechend dem gutachterlichen Vorschlag in annähernd linearer Nord-Süd-Ausdehnung entlang der Seestraße. Im Süden endet er kurz hinter der Seebachstraße; im Norden bildet die Parkstraße die Grenze. Zwei gegenüberliegende attraktiv gestaltete Platzbereiche an der Seestraße bilden hier eine deutliche Eingangssituation und grenzen sich somit von dem weite- ren Verlauf der Seestraße bzw. Parkstraße städtebaulich ab. Nicht zum zentralen Versorgungsbereich gezählt werden somit auch die Einzelhandelsbetriebe auf der nördlichen Seite der Parkstraße am Bahnhof, da eine eindeutige städtebaulich- funktionale Verbindung nicht gegeben ist. Neben der Seestraße umfasst der zentrale Versorgungsbereich in Titisee auch das Teilstück der Strandbadstraße bis zum Mooswaldweg im Westen sowie eine kleine Aufweitung im Bereich der Jägerstraße bis zum Lebensmittel-SB-Markt.

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Im Ganzen befindet sich die höchste städtebauliche Dichte und Qualität im Bereich der Seestraße, die südlich der Kreuzung Jäger-/ Strandbadstraße als Fußgängerzone ausgebaut ist und bis zum See eine hohe Passantenfrequenz aufweist. Die höchste funktionale Angebotsdichte ist insbesondere im Kreuzungsbereich See-/ Strandbad-/ Jägerstraße und dessen unmittelbaren Umfeld festzustellen. Südlich des Hermeshofweges nimmt die Besatzdichte ab. Aus diesem Grund wird der zentrale Versorgungsbereich in einen Hauptbereich und einen Ergänzungsbereich hierarchi- siert. Hiermit verbunden ist auch eine strategische Zielausrichtung für die künftige räumliche Einzelhandelsentwicklung, die innerhalb des zentralen Versorgungsberei- ches vordringlich auf den Hauptbereich und die in diesem lokalisierten Potenzial- flächen konzentriert sein sollte.

4.3.3 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes im zentralen Versorgungsbe- reich von Titisee Im zentralen Versorgungsbereich des Ortszentrums von Titisee befanden sich zum Befragungszeitpunkt 35 der insgesamt 160 Einzelhandelsbetriebe, womit gut ein Fünftel der in der Gesamtstadt ansässigen Betriebe innerhalb des zentralen Versor- gungsbereiches lokalisiert ist. Diese vereinen eine Verkaufsfläche von rd. 4.875 qm auf sich, was bezogen auf die gesamtstädtische Verkaufsfläche (31.025 qm) einen Anteil von 16% ausmacht. Auf dieser Fläche wird einzelhandelsbezogen mit rd. 12,9 Mio. € etwa 15 % des gesamtstädtischen Umsatzes erzielt. Vor dem Hintergrund der geringen Stadtteilgröße von lediglich knapp 2.100 Einwohner ist in Titisee ein ver- gleichsweise großes Angebot vorhanden, wodurch auch die Abhängigkeit von aus- wärtigen Kunden (Touristen) zum Ausdruck kommt.

In der folgenden Tabelle ist das Einzelhandelsangebot von dem zentralen Versor- gungsbereich in Titisee - soweit aus Datenschutzgründen möglich - nach Sortimen- ten differenziert dargestellt.

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Tab. 4: Einzelhandelsangebot im zentralen Versorgungsbereich des Ortszentrums von Titisee Verkaufsfläche Umsatz Sortimente in qm in Mio. € Nahrungs-/ Genussmittel, Lebensmittelhandwerk 675 3,0 sonstiger kurzfristiger Bedarf 125 1,1 kurzfristiger Bedarf 800 4,1 Bekleidung und Zubehör 1.175 2,8 Schuhe, Lederwaren, Sport/ Freizeit 325 0,9 Spielwaren, Babyausstattung, Bücher 300 0,3 GPK, Geschenke, Hausrat, Haus- und Heimtextilien 1.700 2,2 mittelfristiger Bedarf 3.475 6,1 Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik 525 2,7 Möbel, Antiquitäten 0 0,0 Sonstiger langfristiger Bedarf 50 0,0 langfristiger Bedarf 575 2,7

Summe 4.875 12,9 GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik Verkaufsfläche auf 25 qm gerundet; durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; Statistisches Landesamt Baden-Württem- berg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Im zentralen Versorgungsbereich in Titisee sind Angebote aus allen Bedarfsberei- chen vorhanden, wobei der mittelfristige und innenstadttypische Bedarfsbereich flächenmäßig deutlich überwiegt. In der sortimentsgruppenscharfen Betrachtung fallen die das flächenmäßig großen Angebote im mittelfristigen Bedarfsbereich an Glas/ Porzellan/ Keramik, Geschenke, Hausrat, Haus- und Heimtextilien sowie Beklei- dung und Zubehör und im langfristigen Bedarfsbereich an Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik auf. Diese Angebote sind zum Teil auch touristisch geprägt.

"Unechte Bindungsquote" In Kap. 3.2.1 wurde bereits festgestellt, dass Titisee-Neustadt mit einer Gesamtbin- dungsquote von rd. 135% als Mittelzentrum eine quantitativ gute Einzelhandelsaus- stattung aufweist und nach Sortimenten betrachtet seine zentralörtliche Versor- gungsfunktion überwiegend gut wahrnimmt. Die Beurteilung der Versorgungsfunktion des zentralen Versorgungsbereiches in Be- zug auf Titisee-Neustadt erfolgt mittels "unechter Bindungsquoten": Der Umsatz im zentralen Versorgungsbereich wird in Relation zur Kaufkraft der Gesamtstadt ge- setzt (vgl. auch Tab. A - 14 im Anhang).

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Abb. 26: "Unechte Bindungsquoten" zentraler Versorgungsbereich Titisee

Nahrungs-/ Genussmittel, Lebensmittelhandwerk sonst. kurzfristiger Bedarf Bekleidung und Zubehör Schuhe, Lederwaren, Sport/ Freizeit Spielwaren, Babyausstattung, Bücher GPK, Geschenke, Hausrat, Haus- und Heimtextilien Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik Medien, Elektro/ Leuchten, Sonstiges Bau-/ Gartenmarkt, Teppiche, Bodenbeläge Möbel, Antiquitäten 0% 25% 50% 75% 100% 125% 150% 175% 200% Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Die "unechte Bindungsquote" des zentralen Versorgungsbereiches des Ortszentrums beträgt rd. 20%, d.h. ein Fünftel der in Titisee-Neustadt vorhandenen Kaufkraft wird alleine durch das Einzelhandelsangebot im zentralen Versorgungsbereich in Titisee gebunden. Unter Berücksichtigung der Stadtgröße - lediglich 17% der Be- wohner der Gesamtstadt leben in Titisee - übernimmt der zentrale Versorgungsbe- reich somit rein quantitativ einen wichtigen Teil der Versorgungsfunktion.

Im kurzfristigen Bedarfsbereich sind diese "unechten Bindungsquote" wenig aus- sagekräftig: Hier kommt dem zentralen Versorgungsbereich von Titisee keine ge- samtstädtische Versorgungsfunktion zu. Vielmehr sollen vorrangig die im Ortszent- rum und dessen Umfeld lebenden Einwohner versorgt werden. Insgesamt liegt die Bindungsquote im kurzfristigen Bedarfsbereich bei 12%.

Im mittelfristigen Bedarfsbereich beträgt die Bindungsquote immerhin 50%, so- mit kann die Hälfte der vor Ort vorhandenen Kaufkraft im zentralen Versorgungsbe- reich gebunden werden. Vor allem die zentrenprägenden Sortimentsgruppe Glas/ Porzellan/ Keramik, Geschenke, Hausrat, Haus- und Heimtextilien mit einer starken touristischen Ausrichtung weist einen außergewöhnlich hohen Wert auf.

Analog dazu können auch für die zusammengefasste zentrenrelevante Sortiments- gruppe Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik auffällig hohe Kaufkraftzuflüsse konstatiert werden. In den weiteren üblicherweise nicht zentrenrelevanten Sortimenten des

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langfristigen Bedarfsbereiches liegt kein bzw. ein geringfügiges Angebot vor, was allerdings nicht überrascht.

Fazit Der zentrale Versorgungsbereich in Titisee leistet rein quantitativ einen wichtigen Beitrag zur gesamtstädtischen Versorgung. Insbesondere in den zentrenrelevanten Sortimentsgruppen um Geschenke, Bekleidung, Schuhe und Uhren/ Schmuck kann das bestehende Angebot einen hohen Teil der gesamtstädtischen Kaufkraft binden bzw. sogar sind deutliche Kaufkraftzuflüsse zu verbuchen. Die tatsächliche Versorgungs- funktion für die Bevölkerung in Titisee-Neustadt selbst muss auf Grund der touristi- schen Ausrichtung des Angebotes diesbezüglich jedoch relativiert werden.

4.3.4 Beurteilung des Ortszentrums von Titisee aus Kundensicht Neben den Händlern (bezüglich der Gesamtstadt) wurden auch die Passanten gebeten (bezüglich des Ortszentrums von Titisee und der Neustädter Innenstadt) die Einzel- handelssituation in Titisee-Neustadt zu bewerten, in dem sie zu unterschiedlichen Sachverhalten und Themenbereichen direkt befragt wurden. Daraus lassen sich - Anhalts- und Diskussionspunkte entwickeln, die im Verlauf eines Stadtentwicklungs- prozesses berücksichtigt werden sollten. Gleichzeitig können aus verschiedenen Fragen beispielsweise zur Einkaufsdauer, Besuchsmotivation, etc. indirekt Bewer- tungen zu den beiden Einzelhandelsstandorten in Titisee und Neustadt abgeleitet werden. Im Folgenden erfolgt die Darstellung und Bewertung der auf das Ortszent- rum von Titisee bezogenen Ergebnisse.

4.3.4.1 Stärken und Schwächen aus Kundensicht In Abb. 27 wird das Ergebnis der Frage nach den Stärken und Defiziten in der Orts- mitte von Titisee dargestellt. Die Bewertung der städtebaulichen und funktionalen Qualität durch die Kunden und Besucher fiel dabei insgesamt äußerst positiv aus. Lediglich rd. 10% der 355 Befragten sehen keine Stärken in der Ortsmitte von Titi- see, demgegenüber gaben rd. 41% der Befragten an, keine Defizite feststellen zu können. Dabei erfuhren das Ortszentrum selbst (Flair, Stadtbild, Aufenthaltsquali- tät, Erreichbarkeit etc.) und auch unterschiedliche innerstädtische Funktionen (Ein- zelhandelsangebot, Dienstleistungsangebot, Gastronomie, Kultur- und Freizeitange- bot etc.) in der Hauptsache große Zustimmung. Demgegenüber wurde lediglich die

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Parkraumsituation und das Behördenangebot überwiegend negativ beurteilt, wobei diesen Themenfeldern auf Grund der insgesamt geringen Anzahl an Nennungen eine vergleichsweise geringe Bedeutung aus Sicht der Kunden zukommt (vgl. dazu und folgend: Anlagenband zur Passantenbefragung, Fragen 156 bis 178).

In Bezug auf die äußerst positive Bewertung des Ortszentrums muss jedoch ein- schränkend auf die eher selektiven Wahrnehmung von Touristen hingewiesen wer- den, die in einer "Urlaubsstimmung" eine Bewertung vornehmen und in der Regel nur Teilräume des Ortszentrums sehen, so dass eventuelle Probleme im Ortszentrum nicht oder nur eingeschränkt wahrgenommen werden.

Abb. 27: Stärken und Defizite in der Ortsmitte von Titisee aus Sicht der Passanten

Parkraumsituation (Dauer, Gebühr, Anzahl, Überwachung)

Angebot an Gastronomie/Cafés

Kultur- und Freizeitangebot

Atmosphäre/Flair/Stadtbild

Stärken Einzelhandelsangebot Defizite Angebot an priv. Dienstleistungen

Behördenangebot

Erreichbarkeit

Familienfreundlichkeit

sehe keine Stärken

sehe keine Defizite

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 155 und 165; 904 Nennungen bei 355 Befragten

Die mit Abstand meisten positiven Nennungen entfielen auf den Bereich "Atmo- sphäre/ Flair/ Stadtbild", womit indirekt dem Ortszentrum eine hohe Aufenthalts- qualität zugesprochen wird. Als größte Stärke wird hierbei die Fußgängerzone be- nannt. Positiv werden zudem die Sauberkeit, das Grün/ die Grünanlagen und die attraktiven Plätze bzw. Aufenthaltsmöglichkeiten beurteilt.

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Bei der Bewertung des Gastronomieangebotes wurden vor allen Dingen die Cafés/ Eisdielen im Ortszentrum von Titisee positiv hervorgehoben, gefolgt von dem Ange- bot an Außengastronomie. Insgesamt unterstreichen diese Wertungen die oben ge- nannte hohe Aufenthaltsqualität im Ortszentrum.

Die Erreichbarkeit wurde ebenfalls überwiegend positiv beurteilt. Die Anbindung an das ÖPNV-Netz und an das überörtliche Straßennetz wurden dabei ebenso her- vorgehoben wie die Rad- und Fußwegeverbindungen.

Relativ häufig wurde auch die Familienfreundlichkeit genannt und dabei überwie- gend positiv eingeschätzt. Hierzu gab es keine weitere Einzelfragen.

Das im Ortszentrum vorhandene Kultur- und Freizeitangebot wurde in der allge- meinen Frage nach den Stärken und Schwächen mehrheitlich positiv bewertet. In der Bewertung von einzelnen Aspekten des Themenbereiches durch die Passanten relati- viert sich das positive Stimmungsbild. Nach Anzahl der Nennungen deutlich positiv besetzt ist das Angebot für 30- bis 60-Jährigen, während das Angebot für jüngere Erwachsene, Jugendliche und Kinder analog zu anderen kleineren Städten und Ge- meinden deutlich mehrheitlich als Defizit benannt wird.

Analog zu typischen Aussagen vergleichbarer Städte wird die Parkraumsituation im Ortszentrum überwiegend negativ bewertet. Die geringe Anzahl der Nennungen insgesamt zeigt jedoch im Ortszentrum von Titisee wichtigere Themenfelder als die Parkraumsituation auf. In der Bewertung von einzelnen Themenfeldern relativiert sich dieses negative Stimmungsbild zudem deutlich. In der Einzelauswertung wer- den lediglich die Anzahl kostenloser Parkplätze als Defizit benannt - ein Wunsch nach gebührenfreien Parkplätzen, der zwar immer wieder gerne artikuliert wird, zum Zwecke der Regulierung jedoch in der Regel unausweichlich ist. Mehr negative Nennungen als positive entfallen zudem auf die Parkraumüberwachung. Alle weite- ren Einzelaspekte des Themenfeldes werden hingegen mehrheitlich als Stärke be- nannt, darunter auch die für die Akzeptanz des Parkraumangebotes wesentlichen Punkte wie Anzahl der Parkplätze, die Nähe zu den Geschäften und die Beschilde- rung/ Auffindbarkeit.

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Die Grundaussage der Besucher ist damit positiv einzuordnen, vor allem, wenn die Aussagen der Einzelhändler (vgl. Kap. 3.2.3.1) und auch das sonst typische Verhalten in anderen Städten als Maßstab herangezogen werden.

Das Themenfeld Einzelhandelsangebot wird vergleichsweise selten als Stärke oder Schwäche benannt. Die geringe Bedeutung, die dem Themenfeld für das Ortszentrum von Titisee seitens der Passanten zukommt, ist zum Teil auch auf den hohen touris- tischen Besucheranteil im Ortszentrum von Titisee zurückzuführen, die andere Be- weggründe für das Aufsuchen des Ortszentrum als das "Einkaufen" haben (vgl. Kap. 4.1, insb. Abb. 24). Auf die einzelnen Themenbereiche zur Bewertung des Einzelhan- delsangebotes wird im nachfolgenden Kapitel näher eingegangen.

Für den Dienstleistungsbereich, auf denen vergleichsweise wenig Nennungen ent- fielen, wurden für alle abgefragten Merkmale mehrheitlich positive Bewertungen abgegeben; sie betrafen sowohl die privaten als auch die öffentlichen Dienst- leistungsangebote. Am häufigsten wurden die Öffnungszeiten, die Vielfalt/ das vor- handene Angebot und der Service als Stärken genannt.

In Bezug auf das Behördenangebot im Ortszentrum von Titisee, ein Themenfeld mit der deutlich geringsten Anzahl an Nennungen, vergaben die Befragten dagegen mehrheitlich negative Bewertungen. Insbesondere das vorhandene Angebot wurde mehrheitlich als Defizit gesehen.

4.3.4.2 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes im Ortszentrum aus Kundensicht Im Rahmen der Passantenbefragung wurde nach den Stärken und Defiziten des Einzelhandels im Ortszentrum von Titisee gefragt. Insgesamt haben 29 Passanten (von insgesamt 355 Befragten) angegeben, dass sie Stärken im Einzelhandelsangebot im Ortzentrum von Titisee sehen, wohingegen 21 Defizite innerhalb dieses Bereiches feststellten, so dass insgesamt die positive Sicht der Passanten überwiegt (vgl. Abb. 28).

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Abb. 28: Beurteilung des Einzelhandelsangebots im Ortszentrum von Titisee durch die Passan- ten

Fachgeschäfte

Stärken

Branchenzusammensetzung Defizite

Verkaufspersonal/Service/ Freundlichkeit/Kundenorientierung

Auswahl/Vielfalt

fehlende Sortimente

Warenpräsentation/ Schaufenstergestaltung

Preis-Leistungs-Verhältnis

Ladenöffnungszeiten

Nennungen 0 5 10 15

Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 160/ 174; 56 Nennungen bei 29 Befragten, die Stärken bzw. 43 Nennungen bei 21 Befragten, die Defizite im Einzelhandelsangebot im Orts- zentrum von Titisee sehen

Obgleich in der allgemeinen Frage das Einzelhandelsangebot mehrheitlich als Stärke bewertet wird, zeigt sich in den einzelne Themenbereichen44 ein deutlich differen- ziertes Bild. Von einer deutlichen Mehrheit werden interessanterweise45 die Laden- Öffnungszeiten positiv bewertet. Ebenso werden der Service, das Preis-Leistungs- verhältnis und die Warenpräsentation nach Anzahl der Nennungen überwiegend als Stärke benannt. Die Auswahl/ Vielfalt wurde zu gleichen Anteilen sowohl als Stärke als auch als Defizit beurteilt. Alle weiteren abgefragten Einzelaspekte wurden hin- gegen mehrheitlich als Defizite angesehen. Die meisten negativen Nennungen ent- fallen dabei auf den Bereich Fachgeschäfte und die Auswahl/ Vielfalt.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass im Ortszentrum Sortimente fehlen. Ange- sichts der starken Dominanz des touristisch geprägten Sektors (u.a. Geschenke) ist

44 Beim Vergleich mit den Bewertungen der Händler ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Händ- lern um eine offen gestellte Frage handelte, während den Passanten Antwortmöglichkeiten vorgege- ben wurden. Bei dieser Form der Befragung werden die Befragten eher auch auf die Stärken hinge- führt. 45 Diese werden in vergleichbaren Städten meist weniger stark bewertet.

74

diese Wahrnehmung nicht verwunderlich. Dabei wird in erster Linie das Fehlen von Sportartikel und Zubehör, Haushaltswaren und Heimwerkerbedarf beklagt (vgl. Abb. 29). Einschränkend muss bei der Beurteilung des Ergebnisses jedoch auf die abso- lute geringe Anzahl an Befragten (lediglich neun Befragte), denen Sortimente fehlen, hingewiesen werden.

Abb. 29: Aus Passantensicht fehlende Sortimente im Ortszentrum von Titisee

Nahrungs- und Genussmittel Tabak/Zeitschriften Drogerie/Parfümerie Reformhaus/Apotheke PBS/Bücher Blumen/Pflanzen/Zoo Bekleidung Damen Bekleidung Herren Bekleidung Kinder Schuhe Sportartikel, Zubehör Spielwaren Haushaltswaren Heimtextilien Heimwerkerbedarf Lederwaren Uhren/Schmuck Foto Optik OM Titisee Unterhaltungselektronik EDV/Computer/Multimedia Glas, Porzellan, Keramik Elektro, Leuchten Möbel, Antiquitäten Souvenirs/Geschenke Autozubehör 0 10 20 30 40 50 60 70 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 175; 52 Nennungen bei 9 Befragten, denen Sortimente im Einzelhandelsangebot im Ortszentrum von Titisee fehlen

In diesem Zusammenhang ist von Interesse, welche Sortimente die Passanten im Ortszentrum von Titisee üblicherweise einkaufen (vgl. Abb. 30).

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Abb. 30: Im Ortszentrum von Titisee gekaufte Sortimente

Nahrungs- und Genussmittel Tabak/Zeitschriften Drogerie/Parfümerie Reformhaus/Apotheke PBS/Bücher Blumen/Pflanzen/Zoo Bekleidung Damen Bekleidung Herren Bekleidung Kinder Schuhe Sportartikel, Zubehör Spielwaren Haushaltswaren OM Titisee Heimtextilien Heimwerkerbedarf Lederwaren Uhren/Schmuck Foto Optik Unterhaltungselektronik EDV/Computer/Multimedia Glas, Porzellan, Keramik Elektro, Leuchten Möbel, Antiquitäten Souvenirs/Geschenke Autozubehör

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 141; 311 Nennungen bei 160 Befragten, die be- reits mehrmals im Ortszentrum von Titisee eingekauft haben

Ein Schwerpunkt der Einkäufe liegt insbesondere im Bereich des kurzfristigen Be- darfs, hier vor allem im Sortimentsbereich Nahrungs-/ Genussmittel. Das Ergebnis zeigt, dass das Ortszentrum somit auch eine wichtige Nahversorgungsversorgungs- funktion besitzt, wozu neben anderen Betrieben vor allem der dort angesiedelten Lebensmittelmarkt beiträgt. Des Weiteren wird das Sortiment Souvenirs/ Geschenke vergleichsweise häufig nachgefragt. Dieses verdeutlicht einmal mehr die touristi- sche Ausrichtung des Angebotes. Weitere, auch innenstadtprägenden Angebote nehmen mangels Angebot eine relativ geringe Bedeutung ein.

4.3.4.3 Einkaufsmotiv im Ortszentrum Die Auswertung der Motive für den Einkauf im Ortszentrum von Titisee führt zu ei- nem im Vergleich zu anderen Städten ungewöhnlichen Ergebnis: Überspitzt formu- liert, gibt es kein Hauptmotiv. Gut Ein Drittel der Befragten, die schon einmal in Titisee eingekauft haben, sind nur rein zufällig zum Einkaufen gekommen. Aller- dings wird das Ergebnis durch den hohen Anteil an Touristen, die aus anderen Mo- tiven das Ortszentrum von Titisee aufgesucht haben, verzerrt. So beträgt der Anteil der Bewohner aus Titisee-Neustadt, die rein zufällig zum Einkaufen in das Ortszent-

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rum gekommen sind, lediglich rd. 8%, der Anteil derjenigen aus dem Umland bzw. aus sonstigen Gegenden hingegen 25% bzw. 39%. Für aus Titisee-Neustadt einkaufende Kunden waren insbesondere die Nähe zum Wohnort, die kurzen Wege sowie die gute Erreichbarkeit die Hauptmotive. Dies ver- deutlicht die Bedeutung der Wohnfunktion: Wer in der Nähe wohnt, kauft in der Re- gel auch in dieser ein. Durch den hohen Anteil Auswärtiger relativiert sich die Be- deutung der Themenfelder jedoch in der Gesamtbetrachtung. Die positive Atmo- sphäre und das Stadtbild tragen daneben ebenfalls zu einer Kaufentscheidung im Ortszentrum bei. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Investitionen in den Städte- bau letztlich auch eine Voraussetzung für eine ökonomisch erfolgreiche Innenstadt bzw. Ortszentrum sind.

Abb. 31. Motivation für den Einkauf im Ortszentrum von Titisee

rein zufällig Nähe zum Wohnort

Nähe zum Arbeitsort bzw. zur Ausbildungsstätte

gute Auswahl/gute Geschäfte OM Titisee gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gute/ausreichende Parkmöglichkeiten

attraktive Innen-/ Kernstadt Freunde/Verwandte wohnen in der Nähe

Atmosphäre/Stadtbild Laden-Öffnungszeiten

freundliches Verkaufspersonal/ guter Service

gute Erreichbarkeit

kurze Wege Wochenmarkt

Kopplung mit Besuch einer Dienstleistung Sonstiges

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 142; 580 Nennungen bei 268 Befragten, die mindestens heute schon im Ortszentrum von Titisee eingekauft haben

4.3.4.4 Einkaufshäufigkeit und Aufenthaltsdauer im Ortszentrum Die Häufigkeit des Einkaufs der Befragten im Ortszentrum definiert den - Stammkundenanteil. Ein hoher Stammkundenanteil stellt eine gute Basis für eine positive Einzelhandelsentwicklung dar, da es erfahrungsgemäß wesentlich aufwen- diger ist, neue Kunden zu gewinnen, als Stammkunden zu halten. Von den befragten Passanten besuchen knapp gut ein Fünftel das Ortszentrum mindestens einmal

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wöchentlich und können somit als Stammkunden bezeichnet werden. Dies ist im Ver- gleich zu anderen Städten ein unterdurchschnittlicher Wert, der aber wiederum durch den hohen touristischen Besucheranteil bedingt ist.

Abb. 32: Häufigkeit des Einkaufs im Ortszentrum von Titisee

OM Titisee

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

täglich mehrmals pro Woche einmal pro Woche zwei- bis dreimal pro Monat einmal pro Monat weniger als einmal pro Monat heute zum ersten Mal nie Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 140; 355 Befragte

Die Frage nach der Aufenthaltsdauer der Besucher zeigt im weitesten Sinne die quantifizierte Darstellung der subjektiven Einschätzung zur Attraktivität einer In- nenstadt bzw. des Ortszentrums. Analog gilt: Je länger sich die Besucher in einer Innenstadt aufhalten, desto positiver wird die Einschätzung zur Attraktivität sein. Erkennbar ist, dass mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 3,1 Stunden die Besucher in Titisee sich weitaus länger als in vergleichbaren Kommunen auf- halten. Der außergewöhnlich hohen Wert liegt dabei z.B. deutlich über dem eben- falls vom Tourismus geprägten Ravensburg. Die in Kap. 3.2.3.1 ausgewiesenen Werte zur Einschätzung der Aufenthaltsqualität (Stadtbild/ Flair/ Atmosphäre) korrespon- dieren in Titisee somit mit der Aufenthaltsdauer.

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Abb. 33: Aufenthaltsdauer im Ortszentrum von Titisee und in weiteren ausgewählten Städten Ø1,3 h Ø1,8 h Ø2,3 h Ø2,1 h Ø3,1 h 100

90

80

70

60

i n % 50

40

30

20

10

0 Geseke Achern Ravensburg Lörrach Titisee

bis 1 Stunde 1 - 2 Stunden 2 - 3 Stunden 1/2 Tag länger als 1/2 Tag

Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 88; 355 Befragte

Die Einkaufsdauer beträgt im Ortszentrum von Titisee jedoch lediglich 1,1 Stun- den, was ein in Relation zu anderen Kommunen leicht unterdurchschnittlicher Wert ist. Das relativ hohe Gefälle zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer deutet darauf hin, dass Einkaufen eine eher untergeordnete Rolle spielt. Neben dem Einkauf werden stattdessen andere Angebote wie beispielsweise Gastronomieangebote, tou- ristische Angebote wahrgenommen. Auch dies kann als Indikator für eine hohe Auf- enthaltsqualität und als Indiz dafür, dass sich die meisten Besucher auch über ihren Einkauf hinaus gerne im Ortszentrum aufhalten, herangezogen werden.

4.3.5 Städtebaulich-funktionale Stärken-Schwächen-Analyse Die Lage des Stadtteils Titisees im Naturpark Südschwarzwald, seine Bedeutung als heilklimatischer Kurort und als Ausgangspunkt für Wanderungen, die landschaftlich reizvolle Lage am Titisee sowie die vielfältigen Gastronomie- und Beherbergungs- angebote machen den Stadtteil Titisee zu einem touristischen Anziehungspunkt von überregionaler Ausstrahlung. Der am Nordufer des Titisees gelegene zentrale Ver- sorgungsbereich im Ortszentrum wird infolgedessen geprägt durch ein schwer- punktmäßig auf den touristischen Bedarf ausgerichtetes Angebot, das von entspre-

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chenden Behebungsangeboten, über Gastronomieangebote bis zu einzelhandelsrele- vanten Angeboten reicht.

Im Folgenden werden die Stärken und Schwächen des zentralen Versorgungsberei- ches dargestellt, fotografisch dokumentiert und unter städtebaulich-funktionalen Gesichtspunkten bewertet. Diese Ausführungen beziehen sich auf die zum Zeitpunkt der Bestandserhebung vorgefundene Situation.

4.3.5.1 Stärken In der folgenden Karte sind zunächst die Stärken als Übersicht dargestellt

Karte 5: Zentraler Versorgungsbereich Titisee - städtebaulich-funktionale Stärken Bestand Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB ZVB Ergänzung Lebensmittel-SB-Markt Gastronomie Blickbeziehung Fußgängerzone Platzraum mit Qualitäten Straßenraumgestaltung Eingangssituation

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

80

Funktionale Aspekte Im zentralen Versorgungsbereich ist ein überwiegend auf den touristischen Bedarf ausgerichtetes Einzelhandelsangebot vorhanden. Neben den Sortimenten Uhren und Schmuck und Geschenkartikel ist auch ein hoher Anteil an Bekleidung prägend für die Angebotsstruktur. Das Angebot ist stellenweise dem höheren Preissegment zuzuordnen. Der in der Jägerstraße angesiedelte Lebensmittelmarkt stellt hingegen einen wichtigen Beitrag zur (Lebensmittel-)Nahversorgung insbesondere für die Bewohner des Stadtteils dar. Das Lebensmittelangebot wird zudem ergänzt durch ein Obst- und Gemüsegeschäft und auf Regionalprodukte spezialisierte Lebensmittelfachgeschäfte, die jedoch weniger auf die lokale Bevölkerung als vielmehr auf den touristischen Bedarf ausgerichtet sind. Als weitere für die Grundversorgung bedeutsame Angebote sind eine Drogerie und eine Apotheke zu nennen.

Foto 1: Lebensmittelmarkt Foto 2: Außengastronomie

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Das wird ergänzt durch verschiedene einzelhandelsnahe Dienstleister, die auch die lokale Bevölkerung ansprechen. Bei den publikumsorientierten Dienstleistungen handelt es sich u.a. um Geldinstitute, Frisöre, Kosmetikstudios und medizinische Einrichtungen. Der zentrale Versorgungsbereich ist gekennzeichnet durch ein vielfältiges Gastro- nomieangebot, das seine höchste Dichte im Bereich der Seestraße zwischen Strandbad- und Parkstraße aufweist. Die Außensitzbereiche tragen vor allem im

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Sommer zu einer lebendigen Atmosphäre und zu der insgesamt hohen Aufenthalts- qualität bei. Zum Befragungszeitpunkt waren innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches keine Leerstände vorhanden, so dass sich insgesamt der Eindruck eines funktional intakten Zentrums vermittelte46. Bei den Betrieben im Ortszentrum handelt es sich fast ausschließlich um kleine bis mittelgroße Fachgeschäfte, die von Einheimischen geführt werden und dem Orts- zentrum eine gewisse Identität und ein individuelles Erscheinungsbild verleihen. Stellenweise gehören einem Eigentümer mehre Betriebe.

Städtebaulich-gestalterische und verkehrliche Aspekte Die Erreichbarkeit des Ortszentrums ist für verschiedene Verkehrsteilnehmer gut. Das Ortszentrum ist über die Neustädter Straße an das überörtliche Verkehrsnetz (B31) angebunden, so dass vergleichsweise direkte und schnelle Verbindungen zu Freiburg i. Br. im Westen oder den Stadtteil Neustadt und weiteren im Hoch- schwarzwald liegenden Kommunen im Osten bestehen. Die Erreichbarkeit mit dem Auto oder für Busreisegruppen ist durch Sammelpark- plätze - insbesondere an der Neustädter Straße und der Parkstraße in räumlicher Nähe zum zentralen Versorgungsbereiches - gegeben. Infolge der Ausgrenzung des ruhenden Verkehrs aus dem zentralen Versorgungsbereiches wird zudem der Park- suchverkehr im Ortszentrum eingeschränkt, was zu einer Erhöhung der Aufenthalt- qualität führt. Eine gute Erreichbarkeit des zentralen Versorgungsbereiches ist zudem mit dem ÖPNV gegeben. Der in rd. 300 Meter Entfernung zum zentralen Versorgungsbereich befindliche Bahnhof ist u.a. halbstündlich über die Höllentalbahn mit Freiburg i. Br. und stündlich mit Donaueschingen verbunden.

46 Allerdings haben im Rahmen der Befragung fünf Händler Schließungsabsichten geäußert (vgl. Kap. 3.2.3.2), so dass es kurz- bis mittelfristig in Teilbereichen strukturelle Veränderungen geben wird.

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Foto 3: Gestaltung Seestraße Foto 4: Gestaltung Platzraum

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Im Norden wird die Eingangssituation zum Geschäftszentrum durch die einset- zende ansprechende Straßenpflasterung, der Fahrbahnverengung sowie den gege- nüberliegenden breit dimensionierten und attraktiv gestalteten Platzbereichen städtebaulich eindeutig markiert. Ein weiterer großer, attraktiv und vielfältig nutzbarer Platzraum befindet sich weiter südlich am Ufer des Titisees. Die unterschiedlichen miteinander vernetzten Platzbereiche bieten zahlreiche Verweilmöglichkeiten beispielsweise durch öffent- liche Sitzmöglichkeiten oder aber durch kommerzielle Außenbestuhlung der Gastro- nomiebetriebe, die zu einer Belebung des Stadtraums beitragen. Insbesondere im Bereich der Fußgängerzone wird der zentrale Versorgungsbereich auch infolge der konzeptionell durchdachten Gestaltung des öffentlichen Raums den städtebaulichen Ansprüchen weitgehend gerecht. Die hohe Durchgängigkeit und die funktionsadäquate Dimensionierung der Fußgängerzone, eine durchgängige Pflaste- rung, eine differenzierte Begrünung (Beete, Baumpflanzung und Kübelpflanzen) so- wie öffentliche Sitzmöglichkeiten verleihen dem zentralen Versorgungsbereich in diesem Teilbereich die höchste Aufenthaltsqualität. Der See stellt ein wichtiges Orientierungs- und Identifikationsmerkmal dar und ist städtebaulich durch die Promenade eingebunden. Die als Fußgängerzone ausgebaute Seestraße lädt zum Flanieren entlang des Sees ein. Auf Grund mehrerer attraktiver Blickbeziehungen aber auch durch Freizeitangebote wie die Bootsvermietung wird der See erfahrbar und erlebbar. Aus der Angebotsstruktur und der gestalterischen Qualitäten sowie dem See als tou- ristisches Highlight resultiert im Bereich der Seestraße eine hohe Passanten- und

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Kundenfrequenz, die hauptsächlich geprägt ist durch Touristen, somit jedoch auch von der Jahreszeit abhängig ist

Foto 5: Blick zum See Foto 6: "Flaniermeile" Seestraße

Quelle: eigenes Foto Oktober2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Fazit Insgesamt wird die positive Beurteilung in Bezug auf Aufenthaltsqualität durch die Passanten (vgl. Kap. 4.3.4.1) im Rahmen der städtebaulich-funktionalen Bestands- aufnahme bestätigt. Die zurückliegenden Sanierungsmaßnahmen und die Umwidmung der Seestraße zur Fußgängerzone wirken sich positiv auf das Erscheinungsbild des zentralen Versorgungsbereiches aus. Unter funktionalen Gesichtspunkten ist der Lebensmittelmarkt hervorzuheben, der neben dem ansonsten überwiegend touristisch ausgerichtetem Angebot auch für die Bewohner des Stadtteils eine wichtige Versorgungsfunktion übernimmt.

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4.3.5.2 Schwächen In der folgenden Karte sind die Schwächen im Überblick dargestellt.

Karte 6: Zentraler Versorgungsbereich Titisee - städtebaulich-funktionale Schwächen

Bestand Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB ZVB Ergänzung Lineare Ausdehnung Bauliche Brüche Mindergenutzte Freiflächen/ fehlende Raumkanten

ca. 600 m

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

Funktionale Aspekte Die größte Schwäche im zentralen Versorgungsbereich ist der insgesamt schwache Branchenmix und die damit verbundene eingeschränkte Angebotsbreite und -tiefe. Der Angebotsschwerpunkt der meisten Geschäfte ist der touristische Bedarf (Ge- schenkartikel, Textilien, Schmuck). Insbesondere für die lokale Bevölkerung gibt es mit wenigen Ausnahme (insbesondere Lebensmittelmarkt, Obst- und Gemüsegeschäft, Apotheke und Drogerie) kaum adäquate Angebote. Zudem fällt der hohe Anteil an Hotels und vielmehr noch an Gastronomiebetrieben auf, die für die Passantenfrequenz innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches zwar förderlich sind, jedoch zu beachten ist, dass es auch bei Gastronomiebetrieben

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zu Tragfähigkeitsgrenzen kommen kann, so dass Leerstände in weniger attraktiven Lagen die Folge wären. Im Übrigen sollte es nicht dazu kommen, dass das Orts- zentrum von Titisee als Einzelhandelsstandort durch die Gastronomie überprägt wird und damit der Einzelhandel dauerhaft verdrängt wird. Dies birgt das Risiko einer funktionalen Verarmung des Ortszentrums. Das gilt ebenso für die eher klassischen Einzelhandelsbetriebe mit Angeboten, die auch der Versorgung der lo- kalen Bevölkerung dienen.

Städtebaulich-gestalterische Aspekte Die überwiegend offene und traufständige Bebauung ist nur teilweise historisch im "Schwarzwaldstil" geprägt; daneben gibt es einige ergänzende, zweckmäßige Nach- kriegsbauten, insbesondere im nördlichen Bereich, die einem homogenen Stadtbild abträglich sind. Bauliche Brüche stellen dabei insbesondere die eingeschossigen Ladenzeilen an der Strandbadstraße/ Ecke Seestraße, die mehrere Geschäfte beher- bergen, dar. Die Ladenzeilen werden der städtebaulichen Bedeutung eines Eckge- bäudes, das üblicherweise wichtige Orientierungsfunktion übernimmt oder Ein- gangssituationen prägt, nicht gerecht und stehen im Widerspruch zur mehrge- schossigen Umgebungsbebauung und der Gestaltung des öffentlichen Raums. Auch im südlichen Bereich des Ortszentrums (= Ergänzungsbereich des zentralen Versorgungsbereiches) sind entlang der Seestraße auf der nördlichen Seite keine klaren Raumkanten gegeben; die Freiflächen wirken mindergenutzt, so dass kein geschlossenes, harmonisches Ortsbild entsteht. Die attraktive Lage am See bleibt somit ungenutzt.

Foto 7: Ladenzeile als baulicher Bruch Foto 8: Stadtmobiliar

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

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Das Stadtmobiliar (insbesondere die Blumenkübel aus Waschbeton ohne Bepflan- zung) erschien zum Begehungszeitpunkt stellenweise erneuerungsbedürftig und müsste noch mehr in die Gestaltung des öffentlichen Raums konzeptionell eingebun- den sein. Stellenweise ist die Warenpräsentation durch oftmals überladen wirkende Ge- schäfte und die Schaufenstergestaltung nicht dem Bild eines kundenorientierten Ortszentrums angepasst. Überdies kommt es auf Grund von Außenständern oder Werbeschildern teilweise zu einer großen Ausweitung der Verkaufsfläche in den öffentlichen Raum, die damit nicht nur die Durchgängigkeit für Fußgänger sondern auch die ansonsten hohe Aufenthaltsqualität innerhalb dieser Bereiche beein- trächtigen. Die gastronomischen Außensitzbereiche, die neben ihrer funktionalen Aufgabe auch gestalterisch wirken, haben - wie im vorrangegangen Kapitel beschrieben - ei- nen großen Einfluss auf die Aufenthaltsqualität innerhalb des zentralen Versor- gungsbereichs. In einigen Teilbereichen ist die Bestuhlungsqualität allerdings mangelhaft und steht ebenfalls im Kontrast zu der hochwertigen Gestaltung des öffentlichen Raums. Dabei fehlt es z.T. sowohl an qualitativ hochwertigen Sitz- möbeln als auch an einem angepassten Sonnenschutz, stattdessen bestimmen stellenweise Plastikbestuhlung oder Sonnenschirme mit Werbung das Bild.

Foto 9: Außenbestuhlung (Negativbeispiel Foto 10: Warenpräsentation (Negativbeispiel aus anderer Stadt) aus anderer Stadt)

Quelle: eigenes Foto Quelle: eigenes Foto

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Fazit Die städtebaulich-funktionale Bestandsaufnahme verdeutlicht einmal mehr die vor- nehmlich auf den Tourismus ausgerichtete Struktur im zentralen Versorgungsbe- reich, die auch Risiken birgt. Es werden verschiedene Entwicklungspotenziale für das Ortszentrum evident, wobei neben der Stadt auch eine städtebauliche Verantwortung bei den Händlern (Waren- präsentation) und Gastronomen (Außenbestuhlung) liegt.

4.4 ZENTRALER VERSORGUNGSBEREICH DER INNENSTADT VON NEUSTADT

4.4.1 Räumlich-funktionale Struktur der Innenstadt von Neustadt Die räumliche Verteilung der Einzelhandelsbetriebe in der Innenstadt von Neustadt und den angrenzenden Bereichen ist in Karte 7 dargestellt. Deutlich wird hierbei die Konzentration der Einzelhandelsbetriebe entlang der Hauptstraße, Salzstraße, Pfauenstraße, Hirschenbuckel, Adlerstraße und Scheuerlenstraße. Die höchste Ein- zelhandelsdichte ist entlang der Hauptstraße westlich des Hirschenbuckels auf einer Länge von rd. 200 Metern festzustellen. Entlang der Pfauenstraße nimmt die Ange- botsdichte bei überwiegend nur einseitigem Besatz ab. Ein Angebotsschwerpunkt kann nicht eindeutig festgemacht werden, sondern vielmehr ein - bezogen auf das Hauptsortiment der einzelnen Betriebe - ausgewogenes Verhältnis an kurz, mittel-, langfristigen Bedarfsgütern.

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Karte 7: Einzelhandelsangebot in der Innenstadt von Neustadt und angrenzenden Bereichen

Bestand Einzelhandel

kurzfristiger Bedarf mittelfristiger Bedarf langfristiger Bedarf

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage Erhebung Oktober 2008, Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neu- stadt

In der folgenden Karte 8 ist das Dienstleistungsangebot in der Innenstadt von Titi- see-Neustadt sowie den angrenzenden Bereichen dargestellt. Die räumliche Verteilung des Dienstleistungsangebotes entspricht größtenteils der Verteilung des Einzelhandelsangebotes. Ein Schwerpunkt öffentlicher Einrichtungen befindet sich im Bereich der Pfauenstraße und Bei der Kirche (Polizei, Münster, Agentur für Arbeit, Rathaus, Stadtverwaltung). Eine Konzentration an Gastronomen ist im Hirschenbuckel festzustellen. Überdies ergänzen mehrere publikums- orientierte Dienstleistungen wie Banken, Friseure, Kosmetikstudios, Reisebüro den Einzelhandel funktional. Als negativ stellt sich der relativ hohe Anteil an leer- stehenden Ladenlokalen dar, die sich insbesondere im Bereich der Hauptstraße kon- zentrieren.

89

Karte 8: Dienstleistungsangebot der Innenstadt von Neustadt und angrenzenden Bereichen

Bestand Dienstleistungen Einzelhandelsnahe und Sonstige Gastronomie Medizinischer Bereich Banken, Wirtschaft, Recht Post Öffentliche Einrichtungen Leerstand

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage Erhebung Oktober 2008, Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neu- stadt

4.4.2 Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches in Neustadt Nachfolgende Karte 9 stellt die Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches der Innenstadt von Neustadt dar. Als Kriterien wurden neben der Bestandsdichte auch städtebauliche Kriterien herangezogen (vgl. Kap. 4.1).

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Karte 9: Vorschlag zur Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches der Innenstadt von Neu- stadt

Bestand Einzelhandel/ Dienstleistungen

Einzelhandel Dienstleistung ca. 600 m Leerstand ZVB (Hauptbereich) ZVB (Ergänzung)

ca. 500 m

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Abgrenzung auf Grundlage Erhebung Oktober 2008; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neu- stadt

Die Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches ist überwiegend funktional be- stimmt. Sie erstreckt sich entlang der Hauptstraße/ Pfauenstraße von der Wilhelm- Stahl-Straße im Osten auf einer Länge von rd. 600 Metern. Die südliche Ausdehnung reicht entlang des Hirschenbuckels bis zum neuen Sparkasse-Gebäude am Postplatz, die nördliche Ausdehnung annähernd bis zur Höhe der Wilhelmstraße. Innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches liegen zudem die Adlerstraße und die Salzstraße. Auf Grund der differenzierten funktionalen Struktur und städtebaulicher/ topo- graphischer Gegebenheiten gliedert sich der zentrale Versorgungsbereich analog zur Abgrenzung in Titisee in einen Hauptbereich und einen Ergänzungsbereich. Der Ergänzungsbereich umfasst das Teilstück der Pfauenstraße, die nur einen einseiti- gen Besatz, ein starkes Gefälle sowie eine vergleichsweise schwache Passantenfre- quenz aufweist.

91

4.4.3 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes im zentralen Versorgungsbe- reich von Neustadt Im abgegrenzten zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt von Neustadt befan- den sich zum Befragungszeitpunkt 59 Einzelhandelsbetriebe, die einen Umsatz von rd. 19 Mio. € erzielen. Damit ist etwas mehr als ein Drittel (rd. 37%) aller Betriebe in dem zentralen Versorgungsbereich Innenstadt angesiedelt. Diese vereinen eine Verkaufsfläche von rd. 5.925 qm auf sich, was bezogen auf die gesamtstädtische Verkaufsfläche jedoch lediglich einen Anteil von knapp einem Fünftel (rd. 19%) aus- macht und ein Indiz für eine insgesamt kleinteilige Betriebsstruktur darstellt. Die nachfolgende Tabelle stellt das Einzelhandelsangebot im zentralen Versorgungs- bereich differenziert dar, soweit dies aus Datenschutzgründen möglich ist.

Tab. 5: Einzelhandelsangebot im zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt von Neustadt Verkaufsfläche Umsatz Sortimente in qm in Mio. € Nahrungs-/ Genussmittel, Lebensmittelhandwerk 725 3,0 sonstiger kurzfristiger Bedarf 1.200 6,7 kurzfristiger Bedarf 1.925 9,7 Bekleidung und Zubehör 1.600 3,2 Schuhe, Lederwaren, Sport/ Freizeit 350 1,0 Spielwaren, Babyausstattung, Bücher 425 0,9 GPK, Geschenke, Hausrat, Haus- und Heimtextilien 500 0,6 mittelfristiger Bedarf 2.850 5,8 Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik 475 1,9 Medien, Elektro/ Leuchten, Bau-/ Gartenmarkt, Teppiche, Bodenbeläge, Sonstiges 675 1,6 Möbel, Antiquitäten 0 0 langfristiger Bedarf 1.150 3,5

Summe 5.925 19,0 GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik Verkaufsfläche auf 25 qm gerundet; durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; Statistisches Landesamt Baden-Württem- berg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Im zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt von Neustadt liegt der Angebots- schwerpunkt im mittelfristigen Bedarfsbereich. Der höchste Verkaufsflächenanteil entfällt auf das Sortiment Bekleidung und Zubehör, das demnach wie in vielen ande- ren Städten auch in Titisee-Neustadt das Leitsortiment der Innenstadt darstellt.

92

"Unechte Bindungsquote" Nachfolgend wird mittels "unechter Bindungsquoten" erörtert, welche Versorgungs- funktion der zentrale Versorgungsbereich in Neustadt erfüllt. Hierfür wird - wie zuvor beim zentralen Versorgungsbereich in Titisee (vgl. Kap. 4.3.3) - der im zent- ralen Versorgungsbereich von Neustadt getätigte Umsatz in Relation zur gesamt- städtischern Kaufkraft gesetzt (vgl. auch Tab. A - 13 im Anhang).

Abb. 34: "Unechte Bindungsquoten" zentraler Versorgungsbereich Neustadt

Nahrungs-/ Genussmittel, Lebensmittelhandwerk sonst. kurzfristiger Bedarf Bekleidung und Zubehör Schuhe, Lederwaren, Sport/ Freizeit Spielwaren, Babyausstattung, Bücher GPK, Geschenke, Hausrat, Haus- und Heimtextilien Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik Medien, Elektro/ Leuchten, Sonstiges Bau-/ Gartenmarkt, Teppiche, Bodenbeläge Möbel, Antiquitäten

0% 25% 50% 75% 100% 125% 150% Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Die "unechte Bindungsquote" des zentralen Versorgungsbereichs der Innenstadt von Neustadt beträgt rd. 30% und ist somit höher als in Titisee, wodurch auch die Ver- sorgungsfunktion von Neustadt im Gegensatz zu Titisee zum Ausdruck kommt. Nichtsdestotrotz ist der größere Teil der in der Stadt insgesamt erreichten Bin- dungsquote von rd. 135% auf Angebote außerhalb des zentralen Versorgungsbe- reichs zurückzuführen. Der Einzelhandel im zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt von Neustadt trägt auch unter Berücksichtigung der Stadtteilgröße - knapp drei Viertel der Bewohner der Gesamtstadt wohnen in Neustadt - somit nur partiell zur Versorgung von Titisee-Neustadt bei.

Im kurzfristigen Bedarfsbereich fällt vor dem Hintergrund der quantitativ sehr guten Versorgungssituation im Sortimentsbereich Nahrungs-/ Genussmittel in der Gesamtstadt und der gesamtstädtischen Bevölkerungsverteilung der geringe Beitrag des zentralen Versorgungsbereiches in Neustadt auf. Dies ist auf die räumliche Ver- teilung der entsprechenden Angebote zurückzuführen (vgl. auch Kap. 5.2).

93

In den meisten Sortimenten des mittelfristigen Bedarfsbereichs, also typischer zentrenrelevanter Sortimente, wird dagegen die Versorgungsfunktion des zentralen Versorgungsbereiches für die Gesamtstadt ersichtlich: Annähernd die Hälfte (46%) der gesamtstädtischen Kaufkraft im mittelfristigen Bedarfsbereich kann durch den im zentralen Versorgungsbereiches von Neustadt angesiedelten Einzelhandel gebun- den werden. Im Verhältnis zur gesamtstädtischen hohen Bindungsquote in diesem Bedarfsbereich von 157% (vgl. Kap. 3.2.1) fällt der Beitrag des zentralen Ver- sorgungsbereiches von Neustadt jedoch vergleichsweise gering aus. Die höchsten Bindungsquoten werden hierbei in den zentrenprägenden Sortimentsgruppen um Be- kleidung und Schuhe erzielt.

In dem in der Regel zentrenüblichen Sortiment des langfristigen Bedarfsbereichs Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik übernimmt der zentrale Versorgungsbereich eine wichtige Versorgungsfunktion für die Gesamtstadt: Das bestehende Angebot erzielt hierbei sogar höhere Umsätze, als an Kaufkraft in der Gesamtstadt vorhanden ist. In der zusammengefassten Gruppe Medien, Elektro/ Leuchten, Sonstige, die zum Teil auch üblicherweise zentrentypische Sortimente (Medien) beinhaltet, sind hingegen deutliche Kaufkraftabflüsse zu verzeichnen.

Fazit Der zentrale Versorgungsbereich in Neustadt übernimmt nur stellenweise wichtige Versorgungsfunktion für die Gesamtstadt (z.B. im Bereich Uhren/ Schmuck, Foto/ Optik). Auch wenn dem zentralen Versorgungsbereich im Bereich der nahversor- gungsrelevanten Sortimente keine gesamtstädtische Versorgungsfunktion zukommt, fällt dennoch der geringe Beitrag hinsichtlich der Sortimentsgruppe Nahrungs-/ Ge- nussmittel, Lebensmittelhandwerk auf.

4.4.4 Beurteilung der Innenstadt aus Kundensicht Analog zu Titisee wurden die Passanten auch in Neustadt gebeten, die Einzelhan- delssituation in der Innenstadt zu beurteilen, in dem sie zu unterschiedlichen Sach- verhalten und Themenbereichen direkt befragt wurden.

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4.4.4.1 Stärken und Schwächen in der Innenstadt aus Kundensicht Im Rahmen der Passantenbefragung wurde in einer direkten Frage nach den Stärken und Defiziten der Neustädter Innenstadt gefragt, die - neben tatsächlich bestehen- den funktionalen und städtebaulichen Schwächen - auch ein Imageproblem von Neu- stadt dokumentiert: Annähernd ein Drittel der insgesamt 347 Befragten gaben an, keine Stärken in der Neustädter Innenstadt zu sehen; nur rd. 7% sehen keine De- fizite. Die Bewertung der Innenstadt von Neustadt weist damit ein im Vergleich zum Ortszentrums deutlich konträres Stimmungsbild auf. Am häufigsten benannt und überwiegend negativ bewertet wurde das Themenfeld "Einzelhandelsangebot". Ebenfalls deutlich negativ beurteilt wurden die Themenfelder "At- mosphäre/Flair/Stadtbild" und die "Parkraumsituation". Mit dem Themenfeld Ein- zelhandel und der städtebaulichen Attraktivität der Innenstadt werden wichtige Faktoren, deren Zusammenspiel letztlich die Gesamtattraktivität einer Stadt be- stimmt, negativ beurteilt (vgl. dazu und folgend: Anlagenband zur Passantenbefra- gung, Fragen 156 bis 178).

Abb. 35: Stärken und Defizite in der Innenstadt von Neustadt aus Kundensicht - Passanten- befragung Parkraumsituation (Dauer, Gebühr, Anzahl, Überwachung)

Angebot an Gastronomie/Cafés Stärken Kultur- und Freizeitangebot Defizite

Atmosphäre/Flair/Stadtbild

Einzelhandelsangebot

Angebot an priv. Dienstleistungen

Behördenangebot

Erreichbarkeit

Familienfreundlichkeit

sehe keine Stärken

sehe keine Defizite

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 155 und 165; 1.398 Nennungen bei 347 Befrag- ten

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Das Einzelhandelsangebot wurde von mehr als der Hälfte der Passanten (56%) als Defizit benannt, im Vergleich dazu bezeichnete ein geringer Teil von 12% dieses als eine Stärke der Innenstadt. Die Bewertung der vorgegeben diesbezüglichen Aspekte werden im nächsten Kapitel näher erläutert.

Die Parkraumsituation stellt für die deutliche Mehrheit der befragten Passanten ebenfalls ein Defizit dar. Ausnahmslos alle Einzelaspekte werden dabei mit heraus- ragender Mehrheit als Schwächen benannt. Der Hauptkritikpunkt ist die (zu geringe) Anzahl kostenloser Parkplätze. Obgleich die Parkraumsituation in anderen unter- suchten Städte in der Regel ebenfalls meist sehr negativ bewertet wird, überrascht die derart deutliche Ausprägung in der Innenstadt von Neustadt. Aus diesem Grund wird in Kapitel 4.4.4.5 die Parkraumsituation genauer untersucht.

Die Atmosphäre/ das Stadtbild bezeichnet eine deutlich große Mehrheit der Passanten ebenfalls als Defizit. Als größte Schwächen werden die (fehlenden) att- raktiven Plätze /Aufenthaltsmöglichkeiten, das Stadtbild insgesamt und die Fuß- gängerzone bzw. das Fehlen einer größer zusammenhängenden Fußgängerzone be- nannt. Die Passanten zeichnen diesbezüglich somit ein deutlich negatives Bild der Innenstadt, das im Gegensatz zu der auffällig positiven Bewertung des Ortszentrums von Titisee steht.

Das Kultur- und Freizeitangebot wurde von gut einem Drittel der Passanten als Schwäche bezeichnet. In der Einzelfallbetrachtung fällt - nach Anzahl der Nennungen - vor allem die Kritik an dem entsprechenden Angebot für junge Erwachsene und Ju- gendliche auf47. Einzig das Kino nach wird positiv beurteilt.

Auch für das Gastronomieangebot vergeben die Befragten insgesamt überwiegend negative Bewertungen. Bezüglich der einzelnen themenbezogenen Fragen stellen insbesondere die bürgerliche Küche und die Außengastronomie Schwächen in der Innenstadt dar. Etwas mehr positive als negative Nennungen entfallen dagegen auf das Angebot an Cafés/ Eisdielen, die einen Beitrag zur Aufenthaltsqualität der

47 Dabei ist zu beachten, dass erfahrungsgemäß die jüngeren Menschen grundsätzlich eine größere Angebotsvielfalt wünschen, die allerdings überwiegend privatwirtschaftlich bereit zu stellen wäre und in der gewünschten Vielfalt in Neustadt nicht tragfähig ist.

96

Innenstadt beitragen können, da diese Gastronomie vor allem eine "Tageskund- schaft" bedient.

Dagegen wird ein positives Bild von der Erreichbarkeit der Innenstadt gezeichnet. Insgesamt am positivsten werden dagegen die Anbindung mit Bus und Bahn sowie die Rad- und Fußwegeverbindungen angesehen. In der differenzierten Bewertung dieser Erreichbarkeit sind überdies drei defizitäre Ansatzpunkte zu erkennen - dies betrifft die Straßenführung, die Barrierefreiheit und die ÖPNV-Taktung.

Noch positiver wurde das allgemeine Dienstleistungsangebot von den befragten Passanten bewertet. Dies trifft auch durchweg auf alle abgefragten Merkmale zu. Die meisten positiven Bewertungen entfallen dabei auf den Service/ Kunden- orientierung, gefolgt von dem Mix im Dienstleistungsangebot.

Das Behördenangebot ist nach Ansicht der Kunden ebenfalls eine Stärke der Innen- stadt. Hierbei wird nach Anzahl der Nennungen insbesondere die Vielfalt/ das vor- handenen Angebot als Stärke herausgestellt - u.a. ist die Stadtverwaltung in der In- nenstadt angesiedelt.

Die Familienfreundlichkeit der Innenstadt von Neustadt nimmt nach Anzahl der Nennungen eine vergleichsweise geringe Bedeutung ein; diese wird leicht negativ beurteilt.

Beurteilung der Innenstadt von Neustadt am Standort Titisee Im Rahmen der Passantenbefragung wurden auch die Kunden am Befragungsstandort in Titisee in einer direkten Frage nach den Stärken und Defiziten der Neustädter Innenstadt befragt. Bemerkenswert ist dabei, dass ein Großteil der Befragten die Innenstadt von Neustadt nicht kennt. Ungeachtet den Touristen fällt dabei insbeson- dere ins Gewicht, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten aus dem Umland noch nie in der Innenstadt von Neustadt gewesen ist und selbst 20% der Kunden aus Titisee-Neustadt kein Urteil zu dieser abgeben können. In der direkten Bewertung der Stärken und Schwächen durch die Befragten, welche die Innenstadt von Neustadt kennen, ergibt sich eine annähernd ähnlich negative Eigensicht der Bewohner aus Titisee-Neustadt wie am Befragungsstandort in Neu-

97

stadt. Hingegen fällt die Außenwahrnehmung der Innenstadt durch Touristen deut- lich positiver aus48.

Abb. 36: Bekanntheit der Innenstadt von Neustadt am Standort Titisee - Passantenbefragung

ja nein Titisee-Neustadt

Umland

Touristen

gesamt

Angaben in % 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 222; 355 Befragte in Titisee

4.4.4.2 Beurteilung des Einzelhandelsangebotes in der Innenstadt aus Kundensicht Auf das Themenfeld Einzelhandelsangebot entfielen während der Passantenbefra- gung in Neustadt die meisten Nennungen (vgl. Kap. 4.4.4.1); hierbei überwiegt ins- gesamt deutlich die negative Sicht der Passanten.

48 Von den als Touristen einzustufenden Befragten sehen 16% keine Stärken in der Innenstadt von Neu- stadt, rd. 24% jedoch keine Defizite. Als Stärke wird hierbei insbesondere das Gastronomieangebot hervorgehoben. Dagegen besitzt die Innenstadt von Neustadt für rd. 40% der Passanten aus Titisee- Neustadt keine Stärken und für nur rd. 19% keine Defizite. Die größten Schwächen sind aus ihrer Sicht analog zum Standort in Neustadt die Aspekte Atmosphäre/ Stadtbild, Parkraumsituation und Einzelhandelsangebot. (Vgl. Anlagenband zur Passantenbefragung, Frage 223 und 224)

98

Abb. 37: Beurteilung des Einzelhandelsangebots in der Innenstadt von Neustadt - Passantenbe- fragung

zu wenig Fachgeschäfte

Stärken

Branchenzusammensetzung Defizite

Verkaufspersonal/Service/ Freundlichkeit/Kundenorientierung

Auswahl/Vielfalt

fehlende Sortimente

Warenpräsentation/ Schaufenstergestaltung

Preis-Leistungs-Verhältnis

Ladenöffnungszeiten

Nennungen 0 20 40 60 80 100 120 140 160

Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 160/ 174; 88 Nennungen bei 42 Befragten, die Stärken bzw. 609 Nennungen bei 195 Befragten, die Defizite im Einzelhandelsangebot in der Innenstadt von Neustadt sehen

Das offensichtlich negative Bild setzt sich auch bei der differenzierten Betrachtung der einzelnen Themenfelder fort. Sehr negativ wurden insbesondere fehlende Fach- geschäfte, die Breite des Angebots und das Fehlen von Sortimenten bewertet.

Dabei wird besonders das Fehlen von Lebensmitteln beklagt, was angesichts des ge- ringen Angebotes im zentralen Versorgungsbereich nicht verwunderlich ist. Daneben fehlen einem Großteil der Befragten die Sortimente Herrenbekleidung, Spielwaren und Haushaltswaren (vgl. Abb. 38).

99

Abb. 38: Aus Passantensicht fehlende Sortimente in der Innenstadt von Neustadt Nahrungs- und Genussmittel Tabak/Zeitschriften Drogerie/Parfümerie Reformhaus/Apotheke IS Neustadt PBS/Bücher Blumen/Pflanzen/Zoo Bekleidung Damen Bekleidung Herren Bekleidung Kinder Schuhe Sportartikel, Zubehör Spielwaren Haushaltswaren Heimtextilien Heimwerkerbedarf Lederwaren Uhren/Schmuck Foto Optik Unterhaltungselektronik EDV/Computer/Multimedia Glas, Porzellan, Keramik Elektro, Leuchten Möbel, Antiquitäten Souvenirs/Geschenke Autozubehör

0 10 20 30 40 50 60 70 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008, Frage 175; 811 Nennungen bei 140 Befragten, denen Sortimente im Einzelhandelsangebot in der Innenstadt von Neustadt fehlen

In diesem Kontext wurde auch gefragt, welche Sortimente die Passanten in der Innenstadt üblicherweise einkaufen (vgl. Abb. 30).

Abb. 39: In der Innenstadt von Neustadt gekaufte Sortimente - Passantenbefragung

Nahrungs- und Genussmittel Tabak/Zeitschriften Drogerie/Parfümerie Reformhaus/Apotheke PBS/Bücher Blumen/Pflanzen/Zoo Bekleidung Damen Bekleidung Herren Bekleidung Kinder Schuhe Sportartikel, Zubehör Spielwaren Haushaltswaren IS Neustadt Heimtextilien Heimwerkerbedarf Lederwaren Uhren/Schmuck Foto Optik Unterhaltungselektronik EDV/Computer/Multimedia Glas, Porzellan, Keramik Elektro, Leuchten Möbel, Antiquitäten Souvenirs/Geschenke Autozubehör Angaben in % 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 141; 1.446 Nennungen bei 340 Befragten, die bereits mehrmals in der Innenstadt von Neustadt eingekauft haben

100

Ein Schwerpunkt der Einkäufe liegt insbesondere im Bereich des kurzfristigen Be- darfs, hier vor allem im Sortimentsbereich Drogerie/ Parfümerie, Nahrungs-/ Ge- nussmittel und Apotheke. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass das Sortiment Nahrungs-/ Genussmittel am zweithäufigsten in der Innenstadt gekauft, jedoch auch am häufigsten als fehlendes Sortiment genannt wird, zumal das Angebot an Nah- rungs-/ Genussmittel in der Innenstadt tatsächlich gering ist. Das Ergebnis zeigt, dass die Innenstadt somit auch eine Nahversorgungsversorgungsfunktion besitzt, wozu insbesondere die zahlreichen Betriebe des Lebensmittelhandwerks, die Lebensmittelfachgeschäfte und der Wochenmarkt beitragen. Neben dem Kauf nahversorgungsrelevanter Sortimente wird die Neustädter Innen- stadt auch für den Erwerb typischer innenstadtprägender Sortimente aufgesucht wie z.B. Damenbekleidung.

4.4.4.3 Einkaufsmotiv in der Innenstadt Hauptmotive für den Einkauf in der Innenstadt von Neustadt sind neben der Nähe zum Wohnort auch die kurzen Wege sowie die gute Erreichbarkeit. Dies macht die Wechselbeziehung zwischen Einkaufen und Wohnen deutlich. Wer in der Nähe wohnt, kauft in der Regel auch in dieser ein. Auch die Nähe zum Arbeitsort bzw. zur Aus- bildungsstätte trägt ebenfalls zu einer Kaufentscheidung in der Innenstadt bei.

Abb. 40: Motivation für den Einkauf in der Innenstadt von Neustadt

rein zufällig

Nähe zum Wohnort

Nähe zum Arbeitsort bzw. zur Ausbildungsstätte IS Neustadt gute Auswahl/gute Geschäfte

gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

gute/ausreichende Parkmöglichkeiten

attraktive Innen-/ Kernstadt

Freunde/Verwandte wohnen in der Nähe

Atmosphäre/Stadtbild

Laden-Öffnungszeiten

freundliches Verkaufspersonal/ guter Service

gute Erreichbarkeit

kurze Wege

Wochenmarkt

Kopplung mit Besuch einer Dienstleistung

Sonstiges

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Angaben in % Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008, Frage 142; Zielgruppe: 859 Nennungen bei 341 Be- fragten, die mindestens heute schon in der Innenstadt von Neustadt eingekauft haben

1 01

Eine gute Auswahl bzw. gute Geschäfte in der Innenstadt von Neustadt wurden hin- gegen lediglich von 6% der Befragten als Einkaufsmotiv benannt. Auch die niedrigen Werte in den Kategorien Laden-Öffnungszeiten und Preis-Leistungs-Verhältnis spie- geln die bereits in Kap. 4.4.3 angesprochenen Defizite im Einzelhandelsangebot in Neustadt wider. Fast keine Nennungen entfallen auf attraktive Innen-/ Kernstadt und Atmosphäre/ Stadtbild als Einkaufsmotive, die hingegen im Ortszentrum von Titisee eine Relevanz für die Kaufentscheidung haben (vgl. Kap. 4.3.4.3). Dies hängt mit der aus Sicht der Passanten insgesamt niedrigen Aufenthaltsqualität zusammen (vgl. Kap. 4.4.4.1).

4.4.4.4 Einkaufshäufigkeit und Aufenthaltsdauer in der Innenstadt Die Bindungswirkung einer Stadt zeigt sich in der Häufigkeit des Einkaufs. In der Innenstadt von Neustadt kaufen knapp drei Viertel der Befragten mindestens einmal pro Woche ein und können daher als Stammkunden bezeichnet werden. Diese sind in Neustadt - im Unterschied zu Titisee mit einem hohen touristischen Anteil - für die Einzelhändler die Basis. Die Sicherung der Stammkunden stellt somit eine sehr wichtige Aufgabe für Neustadt dar, denn es ist um ein Vielfaches aufwendiger, Neu- kunden zu gewinnen als Stammkunden zu halten. In der differenzierten Betrachtung fällt jedoch der geringe Anteil der Personen auf, die täglich in der Innenstadt von Neustadt einkaufen (lediglich knapp 12%). Dieses ist möglicherweise auf das ge- ringe nahversorgungsrelevante Angebot in der Innenstadt (z.B. Lebensmittelmarkt) zurückzuführen.

Abb. 41: Häufigkeit des Einkaufs in der Innenstadt von Neustadt

IS Neustadt

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

täglich mehrmals pro Woche einmal pro Woche zwei- bis dreimal pro Monat einmal pro Monat weniger als einmal pro Monat heute zum ersten Mal nie Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 140; 347 Befragte

102

Die geringe Aufenthaltsdauer von lediglich 1,8 Stunden ist zurückzuführen auf eine insgesamt geringe Angebotsvielfalt. Daneben ist diese aber auch ein Indiz für eine aus Sicht der Passanten geringen Aufenthaltsqualität in der Innenstadt von Neustadt, wie sie sich bereits in Kap. 4.4.4.1 zur Einschätzung des Aspektes Stadt- bild/ Flair/ Atmosphäre abzeichnete. Diese ist im Vergleich zu Untersuchungen in anderen Städten als unterdurchschnittlich zu bewerten und liegt deutlich unter dem Wert von Titisee. Die benötigte Einkaufsdauer ist mit 0,9 Stunden ebenfalls unterdurchschnittlich und niedriger als in Titisee.

Abb. 42: Aufenthaltsdauer in der Innenstadt von Neustadt und weiteren ausgewählten Städten Ø1,3 h Ø1,8 h Ø2,3 h Ø2,1 h Ø3,1 h Ø1,8 h 100

90

80

70

60

i n % 50

40

30

20

10

0 Geseke Achern Ravensburg Lörrach Titisee Neustadt

bis 1 Stunde 1 - 2 Stunden 2 - 3 Stunden 1/2 Tag länger als 1/2 Tag Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 88; 347 Befragte

4.4.4.5 Parkraumsituation in der Innenstadt Bei der Betrachtung der räumlichen Parkierungsverhalten wird deutlich, dass die Nähe zu den Geschäften von den Besuchern - unabhängig von der Herkunft - durch- aus geschätzt wird. Die gebührenpflichtigen und vergleichsweise kleinen Parkplätze "Münster" (40 Stellplätze) und "Narrenbrunnenplatz/ Postplatz" (65 Plätze) werden am häufigsten frequentiert, obwohl das "Parkhaus West" und der Parkplatz "Park & Ride Bahnhof" (165 Stellplätze) ein deutlich größeres Stellplatzangebot vorhalten, aber nur vergleichsweise selten angefahren werden.

1 03

Das "Missverhältnis" zwischen Stellplatzangebot und der jeweiligen Nachfrage deutet auf ein subjektiv wahrgenommenes Parkplatzdefizit hin und könnte ein Grund für die in Kap. 4.4.4.5 auffallend negativ bewertete Parkraumsituation in Neustadt sein.

Karte 10: Räumliche Parkraumsituation in der Innenstadt von Neustadt

Behördenzentrum 50 Plätze

Schillerstraße Parkhaus West 25 Plätze 128 Plätze, kostenpfl.

Friedhofstraße 60 Plätze Gutachstraße 60 Plätze Münster 40 Plätze, kostenpfl. Anzahl Nennungen 75 Narrenbrunnen/ Postplatz 65 Plätze, kostenpfl. Adolf-Kolping-Straße 25 55 Plätze 10

Park &RideBahnhof 165 Plätze

Titisee- Touristen Neustadt

Umland

Quelle: eigene Passantenbefragung Oktober 2008: Frage 265; 318 Nennungen bei 221 Befragten, die ihren PKW zum Einkauf in die Innenstadt nutzen

104

4.4.5 Städtebaulich-funktionale Stärken-Schwächen-Analyse Der zentrale Versorgungsbereich liegt in Hanglage nördlich der Gutach und ist cha- rakterisiert durch eine kleinteilige traditionelle Einzelhandelsstruktur. Im Gegen- satz zum zentralen Versorgungsbereich in Titisee, der vorrangig den touristischen Anspruch erfüllt, stellt der zentrale Versorgungsbereich in Neustadt ein klassisches Geschäftszentrum dar, das eine Versorgungsfunktion für die lokale Bevölkerung so- wie das Umland übernimmt. Nachfolgend werden die Stärken und Schwächen in der Neustädter Innenstadt nach städtebaulich-funktionalen Aspekten zusammenfassend erörtert und anhand von Fotos und Karten dokumentiert.

4.4.5.1 Stärken Die nachfolgende Karte gibt einen Überblick über die Stärken des zentralen Versor- gungsbereichs in Neustadt.

Karte 11: Zentraler Versorgungsbereich Neustadt - städtebaulich-funktionale Stärken

Bestand Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB ZVB Ergänzung Öffentliche Einrichtungen Öffentlicher Platz Kleinräumige Qualitäten Straßenraumgestaltung Städtebauliche Dominante

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

1 05

Funktionale Aspekte Der zentrale Versorgungsbereich weist ein vielfältiges und überwiegend innenstadttypisches Einzelhandelsangebot auf (Elektrofachgeschäft, Buchläden, Modegeschäfte, Lebensmittelhandwerk, Schuhgeschäfte, Bekleidungsgeschäfte etc.). und wird vorwiegend durch eine kleinteilige Betriebsstruktur geprägt. Bekleidung stellt eindeutig das Leitsortiment der Innenstadt dar. Daneben sind auch mehrere Betriebe mit einem nahversorgungsrelevanten Angebotsschwerpunkt (Bäckereien, Metzgereien, Drogeriemärkte oder Lebensmittelfachgeschäft) im zentralen Versor- gungsbereich angesiedelt. Die Angebotsqualität und das Preisniveau sind im mittle- ren Segment einzuordnen. Der Anteil an typischen Filialbetrieben ist vergleichsweise gering (u.a. Drogerie- markt, Bäckereien); es überwiegen stattdessen inhabergeführte Fachgeschäften, die der Innenstadt einen individuellen Charakter verleihen. Die Hauptstraße, Scheuerlenstraße und der Hirschenbuckel bilden die Hauptein- kaufsbereiche im zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt. Hier liegt ein ver- gleichsweise dichter Einzelhandels- und Dienstleistungsbesatz vor, während Wohn- funktionen überwiegend in den oberen Geschossen angesiedelt sind. Entsprechend der höchsten funktionalen Dichte kann in diesen Teilbereichen auch die höchste Passantenfrequenz konstatiert werden. Der Einzelhandel wird funktional durch den vielfältigen Bestand an Dienst- leistungsbetrieben (Banken, Friseure, Kosmetikstudios, Reisebüro etc.) ergänzt. Als besondere öffentliche Einrichtungen sind das Kino, das Rathaus und die Stadtver- waltung hervorzuheben. Daneben gibt es mehrere gastronomische Angebote (Imbisse und Restaurants), die allerdings nur stellenweise über qualitätsvolle Außensitzbe- reiche verfügen (z.B. im Hirschenbuckel). Durch die Vielfalt der unterschiedlichen Nutzungen ergeben sich wichtige zentrenprägende Kopplungseffekte, die zu einer Frequenzsteigerung und damit zu einer Belebung des zentralen Versorgungsbereichs der Innenstadt führen.

106

Foto 11: Rathaus (Pfauenstraße) Foto 12: Fachgeschäft (Adlerstraße)

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Der einmal wöchentlich (Samstags) stattfindende Wochenmarkt im Umfeld des Post- platzes fördert in Neustadt neben der Ergänzung des Nahversorgungsangebotes im zentralen Versorgungsbereich auch als Treffpunkt das soziale Miteinander innerhalb der Stadt. Bei der Betrachtung der Besuchsmotivation an den Markttagen in der Kernstadt wird dies deutlich: Immerhin rd. 21% der Befragten in Neustadt gaben am Samstag an, anlässlich des Marktes in die Innenstadt gekommen zu sein (vgl. Kap. 4.1, insb. Abb. 24). Die Standortlage erscheint jedoch durchaus diskussionswürdig erscheint, da der Markt u.a. auf Grund seiner (zudem unattraktiven) Randlage nur eingeschränkt Magnetfunktion für den innerstädtischen Einzelhandel insbesondere in der Oberstadt übernimmt.

Städtebaulich-gestalterische und verkehrliche Aspekte Die Erreichbarkeit des zentralen Versorgungsbereiches ist für alle Verkehrsteil- nehmer - mit Ausnahme des Fahrradverkehrs - gleichermaßen gegeben. Die Busan- bindung erfolgt durch eine in der Hauptstraße gelegenen Haltestelle; der Bahnhof befindet sich in rd. 200 Meter Entfernung südlich des zentralen Versorgungsberei- ches und bindet Neustadt an das überörtliche Schienennetz an. Durch die Lage an der L 156 ist der zentrale Versorgungsbereich unmittelbar an das überörtliche Ver- kehrsnetz angebunden. Trotz gegenteiliger Meinung mancher Händler und der Passanten ist die PKW- Erreichbarkeit und die Parkraumsituation rein quantitativ ebenfalls als gut zu be- werten. In der Neustädter Innenstadt befinden sich am Narrenbrunnen/ Postplatz und am Münster zwei Sammelparkplätze mit zusammen rd. 100 Stellplätzen. Darüber

1 07

hinaus befinden sich im direkten Umfeld weitere (z.T. größere) und augenscheinlich nicht voll ausgelastete Sammelparkplätze (z.B. Parkhaus West, Park & Ride Bahnhof, Adolf-Kolping-Straße, Friedhofstraße). Allerdings stellt die uneinheitliche Park- raumbewirtschaftung ein Manko dar, das möglicherweise auch ein Grund für ein subjektiv wahrgenommenes Parkraumdefizit ist (vgl. Kap. 4.4.4.5): Die Untersuchung ergab insgesamt fünf verschiedene Parksysteme, so dass für die PKW-Kunden Ver- lässlichkeit und Übersichtlichkeit nicht gegeben sind.

Karte 12: Parkplätze und Bewirtschaftungstypen im Stadtkern von Neustadt Bestand Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB ZVB Ergänzung

P Gebührenpfl. Parkplatz P Gebührenpfl. Parkplatz P ab 30min Parkdauer P Parkplatz mit Parkscheibe P 2 Std. Parkdauer und länger P P P Parkplatz mit Parkscheibe P Weniger als 2 Std. Parkdauer P Kostenloser Parkplatz

P P P P P P P Bahnhof P

P

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

Die im Rahmen der Stadtkernsanierung erfolgte Gestaltung des öffentlichen Raums ist ebenso positiv zu bewerten. In Verbindung mit der historischen, kleinteiligen Bebauung, die sich auch in einer funktionalen Kleinteiligkeit widerspiegelt sowie den topographischen Gegebenheiten trägt diese insbesondere in der Adlerstraße und am Hirschenbuckel zu einem attraktiven, homogen wirkenden Stadtbild bei. Die

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beiden Straßen sind wie auch die Salzstraße zudem verkehrsberuhigt, so dass im Teilbereich südlich der Hauptstraße eine insgesamt hohe Durchgängigkeit besteht, die mit der Gastronomie und den Platzbereichen zu einer gewissen Aufenthalts- qualität beiträgt. Daneben ist auch die Straßenraumgestaltung der Hauptstraße (straßenbegleiten- des Grün und Bäume, neuwertige Pflasterung) mit einer Trennung der Funktionen Gehweg, Parkbucht und Fahrbahn hervorzuheben. Die Gehwege sind größtenteils ausreichend breit gestaltet, im Bereich des zurückspringenden Rathauses zudem aufgeweitet und zu einem kleinen Platzraum ausgebildet. Weitere kleinräumige Aufenthaltsmöglichkeiten befinden sich in der Adlerstraße, am Hirschenbuckel/ Ecke Salzstraße und an der Scheuerlenstraße/ Ecke Hauptstraße, die wie vor dem Rathaus mit Kinderspielgeräten konzeptionell gestaltet und ein- heitlich ausgestattet sind. Des Weiteren befindet sich ein größerer Platzbereich am Postplatz im Süden des zentralen Versorgungsbereiches; dieser weist eine neuwer- tige Pflasterung, differenzierte Bepflanzung sowie mehrere öffentliche Sitzmöglich- keiten auf und ist flexibel nutzbar. Als Nachteil erweist sich jedoch die Platzfassung mit unmittelbarer Lage an der stark befahrenen Gutachstraße/ Wilhelm-Stahlstraße, die zu einer Beeinträchtigung der Aufenthaltsqualität führt. Das Neustädter Münster stellt das stadtbildprägende Bauwerk in Neustadt dar und besitzt eine identitätsstiftende Wirkung, dessen Potenzial noch stärker genutzt werden müsste. Es übernimmt zudem eine wichtige Orientierungsfunktion, insbe- sondere für die auf dessen Blickachse liegenden Straßen Hirschenbuckel und Haupt- straße.

Foto 13: Stadtbild Hirschenbuckel mit Blick- Foto 14: kleinräumige Qualitäten (Bsp. Salz- achse Münster straße, Ecke Hirschenbuckel)

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

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Fazit Insbesondere der Teilraum Hirschenbuckel und Adlerstraße verfügt über städtebaulich Qualitäten. Im Hinblick auf die überaus negative Eigensicht der Händler und der lokalen Bevölkerung müssen die Stärken viel offensiver auch seitens der Händler kommuniziert werden.

110

4.4.5.2 Schwächen In der folgenden Karte sind die Schwächen im Überblick dargestellt.

Karte 13: Zentraler Versorgungsbereich Neustadt - städtebaulich-funktionale Schwächen

Bestand Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB ZVB Ergänzung Lange Wege Ungünstige Topographie rd. 600 m Fehlende Querungshilfen Straßenraumgestaltung Barriere, Verkehrsaufkommen Beeinträchtigung Platzqualität Eingangssituation

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

Funktionale Aspekte Im zentralen Versorgungsbereich liegen vorwiegend kleinteilige Strukturen bzw. kleine Geschäftsräume vor. Es fehlen (großflächige) Betriebe mit starker Frequenz- bringerfunktion für den innerstädtischen Einzelhandel, um mit den in wenigen Mi- nuten erreichbaren Angeboten der autokundenorientierten, großflächigen (Filial- )Betriebe im Stadtgebiet (Donaueschinger Straße und Freiburger Straße) konkurrie- ren zu können. Lediglich eingeschränkte Frequenzbringerfunktion übernehmen die beiden Drogeriemärkte. Der neue Standort der Sparkasse, die in der Unterstadt am südlichen Rand des zentralen Versorgungsbereiches angesiedelt ist, erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls ungünstig.

1 11

Nach Wegfall des Supermarktes in der Scheuerlenstraße ist keine hinreichende Lebensmittelversorgung im zentralen Versorgungsgebiet mehr gegeben. Zudem ist damit auch ein wichtiger Frequenzbringer für den ansässigen Einzelhandel verloren gegangen. Die Nord-Süd- sowie die West-Ost-Längsausdehnung ist vor dem Hintergrund der Stadtgröße und den erschwerend hinzukommenden topographischen Gegebenheiten als grenzwertig einzustufen und steht einer größeren funktionalen Dichte mit einer entsprechenden Frequenz entgegen. Zum Zeitpunkt der Erhebung wurden insgesamt 13 Leerstände im oder unmittelbar an den zentralen Versorgungsbereich angrenzend identifiziert. Die Leerstände betreffen sowohl kleinere als auch größere Immobilien (z.B. ehm. öffentliches Toilettenhaus am Hirschenbuckel, Schwenkpassage in der Hauptstraße, ehm. Edeka- Markt in der Scheuerlenstraße). Oft geht ein Sanierungsbedarf einher, der die Vermietbarkeit der Ladenlokale in ihrem gegenwärtigen Zustand in Frage stellt (z.B. keine barrierefreien Eingänge, baulicher/ energetischer Zustand). Der höchste An- teil an leerstehenden Ladenlokalen konzentriert sich insbesondere im Bereich der Hauptstraße. Die hohe Leerstandsquote weist auf strukturelle und funktionale Män- gel hin und ist auch ein Hinweis dafür, dass der zentrale Versorgungsbereich in seiner jetzigen Konfiguration und Ausdehnung nicht (mehr) mit einer entsprechend funktionalen Dichte zu füllen ist. Die vorhandenen Leerstände werden zudem nicht zwischengenutzt sowie nur stellenweise "kaschiert" - eine Ausnahme ist hier die Schwenk-Passage - und rufen eine funktional wie städtebaulich-gestalterisch unbe- friedigende Gesamtssituation hervor. Dies kann zu weiteren negativen Ausstrah- lungseffekten auf das Umfeld (z.B. Hemmung des Investitionswillens der Eigentümer) führen und den Trading-Down-Prozess beschleunigen.

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Foto 15: kleinteiliger Leerstand (Hirschen- Foto 16: Leerstand - ehm. Supermarkt (Scheu- buckel) erlenstraße)

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Städtebaulich-gestalterische und verkehrliche Aspekte Ein Potenzial der Stadt Neustadt liegt in ihrer landschaftlich reizvollen Lage im Hochschwarzwald, das durch die überwiegend geschlossene Bebauung "verstellt" ist und auf Grund fehlender Blickbeziehungen nicht genutzt wird. Dem Geschäftszentrum bzw. dem zentralen Versorgungsbereich fehlen klar erkenn- bare Eingangssituationen. Einerseits ist dies durch die weite Streuung der Be- triebe entlang der Haupt- und Pfauenstraße bedingt, anderseits fehlen städtebau- lich-gestalterische Akzente. Insbesondere von Süden kommen wird das bestehende Potenzial zur Ausbildung einer städtebaulichen und funktionalen Eingangssituation ab dem Hirschenbuckel nicht ausreichend genutzt: So steht insbesondere die Frei- fläche zwischen Kurbad- und Gutachstraße (Narrenbrunnen) infolge der fehlenden bauliche Ausformung und der momentane Nutzung als Parkplatz einer innenstadtge- rechten repräsentativen Eingangssituation entgegen. Die Scheuerlenstraße weist eine mangelnde Gestaltung auf, die dem überwiegend attraktiven Gestaltungscharakter des öffentlichen Raums in der Hauptstraße oder dem Hirschenbuckel entgegensteht. Neben dem Mangel an Straßenbegleitgrün und einer alter Gehwegpflasterung fehlen Aufenthaltsmöglichkeiten, die insbesondere auf Grund des starken Gefälles für ältere oder körperlich behinderte Menschen eine wichtige Bedeutung besitzen. Eine unübersichtliche und auch für die Fußgänger (z.B. von dem Parkplatz am Münster kommend) gefährliche Querungssituation ergibt sich auch in der Scheuerlenstraße kurz hinter der Hauptstraße.

1 13

Foto 17: Eingangssituation Parkplatz Foto 18: Straßenraumgestaltung Scheuerlen- straße

Quelle: eigenes Foto Dezember 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Die L 156 (Hauptstraße und Pfauenstraße) übt auf Grund des sehr hohen Ver- kehrsaufkommens (u.a. auch Scherlastverkehr) eine Trennwirkung aus und ist einer hohen Durchgängigkeit und Verknüpfung der Ober- mit der Unterstadt abträglich. Hinzu kommen die hohen Lärm-/ Schadstoffemissionen, die zu einer Beeinträchti- gung der Aufenthaltsqualität führen. Die wenigen Querungsmöglichkeiten für Fuß- gänger erschweren eine Durchgängigkeit im zentralen Versorgungsbereich und eine Wahrnehmung des zentralen Versorgungsbereiches als einen zusammenhängenden Geschäftsbereich. Auch die straßenbegleitenden Parkplätze sowie das (stellenweise illegale) Parken auf den Gehwegen stören die Aufenthaltsqualität zusätzlich. Im Gegensatz zum attraktiven Stadtbild in der Unterstadt (Adlerstraße, Hirschen- buckel) wirkt der Stadtraum - trotz der Gestaltung des öffentlichen Raums - entlang der Hauptstraße durch die heterogene Bebauung ohne erkennbaren Bezug zuein- ander unruhig, uneinheitlich und folglich wenig identitätsstiftend. Verstärkt wird dieser Eindruck durch mehrere leerstehende Ladenlokale und einen Sanierungsbe- darf der Gebäude, die zugleich negativ auf die Umgebung ausstrahlen. Das Stadtmobiliar (Bänke) entlang der Hauptstraße ist überdies stellenweise er- neuerungsbedürftig.

114

Foto 19: Verkehrsaufkommen (Hauptstraße) Foto 20: heterogene Bebauung (Hauptstraße)

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Die Warenpräsentation (Inneneinrichtung/ Schaufenstergestaltung) der Einzel- handelsgeschäfte in Neustadt entspricht stellenweise (z.B. in der Hauptstraße und Scheuerlenstraße) nicht mehr heutigen Ansprüchen, wobei eine attraktive Waren- präsentation nicht nur für den jeweiligen Händler selbst, sondern für die Gesamt- situation unverzichtbar ist. Dies gilt auch für Außenständer und Werbeaufsteller: Teilweise wird der öffentliche Raum als Erweiterung der Verkaufsfläche genutzt, was nicht nur die Durchgängigkeit der einzelnen Bereiche beeinträchtigt sondern auch die Atmosphäre und Aufenthaltsqualität stört;

Fazit Entlang der Hauptstraße bestehen funktionale und städtebauliche Defizite. Die Leerstandsproblematik und die hohe Verkehrsbelastung, verbunden mit der niedrigen Aufenthaltsqualität in der Hauptstraße stellen dabei wesentliche Herausforderungen für die künftige Entwicklung der Neustädter Innenstadt dar.

4.5 SONSTIGE BEDEUTSAME EINZELHANDELSSTANDORTE

Neben den beiden zentralen Versorgungsbereichen befinden sich zwei weitere grö- ßere Einzelhandelsstandorte im Stadtgebiet von Titisee-Neustadt.

Der Einzelhandelsstandort an der Donaueschinger Straße mit einer Gesamtver- kaufsfläche von rd. 1.850 qm befindet sich westlich des zentrales Versorgungsberei- ches von Neustadt in rd. 500 Meter Entfernung zu diesem. Neben einem Lebens-

1 15

mitteldiscounter, einem Sonderpostenmarkt und einem Bekleidungsmarkt sind noch zwei Bäckereien am Standort im räumlichen Zusammenhang angesiedelt. Westlich in rd. 350 Meter Entfernung befindet sich an der Donaueschinger Straße noch ein weiterer Lebensmitteldiscounter, der jedoch nicht zur Einzelhandels- konzentration gezählt wird. Der Einzelhandelsschwerpunkt ist über die Donaueschinger Straße, welche als Lan- desstraße L 156 eine überörtliche Bedeutung besitzt, verkehrsgünstig erschlossen und vorrangig autokundenorientiert - abzulesen auch an den großzügig dimensio- nierten, den Geschäften vorgelagerten Kundenparkplätzen. Das Kennzeichen von Wohnbebauung im unmittelbaren Umfeld des Standortes fehlt. Zu den Wohngebäuden an der Stalterstraße und Donaueschinger Straße auf der gegenüberliegenden Stra- ßenseite besteht auf Grund der starke Barrierewirkung der stark frequentierten Landesstraße keine Anbindung. Eine fußläufige Erreichbarkeit zur Innenstadt von Neustadt entlang der Donaueschinger Straße ist auf Grund der Topographie in der Pfauenstraße, des Kreuzungsbereiches Donaueschinger Straße/ Pfauenstraße (ohne Querungshilfe) und letztlich wegen der Entfernung nur eingeschränkt gegeben. An- bindungen an das ÖPNV-Netz bzw. an das Fahrradwegenetz bestehen nicht. Somit handelt es sich um eine nicht integrierter Standortlage. Auf Grund der Entfernung und der Lage können keine Synergieeffekte für den zent- ralen Versorgungsbereich generiert werden - stattdessen stellt der Standort auf Grund seines zentrentypischen Angebotes einen Wettbewerber für die Innenstadt dar.

Foto 21: Einzelhandelskonzentration an der Foto 22: Einzelhandelskonzentration an der Donaueschinger Straße Freiburger Straße

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

116

Der Einzelhandelsstandort an der Freiburger Straße liegt am westlichen Sied- lungsrand von Neustadt und ist mit rd. 4.175 qm deutlich größer. Den Angebots- schwerpunkt bilden Nahrungs-/ Genussmittel - u.a. sind ein Lebensmitteldiscounter und ein Verbrauchermarkt angesiedelt -, daneben sind mit einem Schuh- und einem Bekleidungsgeschäft aber auch Betriebe mit einem Schwerpunkt im mittelfristigen und zentrentypischen Bedarfsbereich vorhanden. Der Standort ist ebenfalls über die L 156 verkehrsgünstig und autogerecht erschlos- sen und hat einen introvertierten Charakter. Die Umgebungsbebauung im Umfeld ist überwiegend gewerblich geprägt. Die stark frequentierte Freiburger Straße übt eine Trennwirkung für die auf der nördlichen Straßenseite gegenüberliegende Wohnbebauung an der Freiburger- bzw. Jostalstraße aus. Der Standort befindet sich ebenso in nicht integrierte Lage.

Nachfolgend wird die räumliche Verteilung der Verkaufsfläche auf die bedeu- tenden Einzelhandelsstandorte innerhalb des Stadtgebietes dargestellt und erör- tert (vgl. Abb. 43). Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Verkaufsfläche alleine lediglich ein Aspekt des Einzelhandelsangebotes umfasst: Unberücksichtigt bleiben dabei z.B. die Kundenfrequenz und die erzielten Umsätze.

Abb. 43: Einzelhandelskonzentrationen in Titisee-Neustadt

NI-Standort Verkaufsfläche in qm Freiburger Str.

7.500 5.000 ZVB Neustadt 2.500

0 langfr. Nahrung/ ZVB Titisee Bedarf Genuss

mittelfr. kurzfr. Bedarf Bedarf NI-Standort Donaueschinger Str.

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

1 17

Hinsichtlich der Verkaufsfläche stellt der zentrale Versorgungsbereich in Neu- stadt die größte Einzelhandelskonzentration innerhalb des Stadtgebietes dar: Rd. 19% der gesamtstädtischen Verkaufsfläche sind im abgegrenzten zentralen Versor- gungsbereich von Neustadt angesiedelt. Hierbei überwiegen die Angebote aus dem mittelfristigen Bedarfsbereich, wie dies in einer Innenstadt üblicherweise zu er- warten ist.

Bezogen auf die Verkaufsfläche bildet der zentrale Versorgungsbereich in Titi- see die zweitgrößte Einzelhandelskonzentration mit einem Anteil von rd. 16% an der gesamtstädtischen Verkaufsfläche. Dieser ist deutlich durch den zentren- typischen mittelfristigen Bedarfsbereich geprägt, während die übrigen Bedarfsbe- reiche proportional gering vertreten sind.

Der nicht integrierte Einzelhandelsstandort an der Freiburger Straße bildet die drittgrößte Einzelhandelskonzentration in Titisee-Neustadt mit einem Anteil an der Gesamtverkaufsfläche der Stadt von rd. 13%. Das Angebot ist überwiegend durch das Sortiment Nahrungs-/ Genussmittel geprägt. Daneben ist das Angebot auch durch mittelfristige und üblicherweise zentrenrelevante Bedarfsgüter (Schuhe, Be- kleidung) charakterisiert.

Der in räumlicher Nähe zum zentralen Versorgungsbereich der Neustädter Innen- stadt angesiedelte Standort an der Donaueschinger Straße ist überwiegend durch Nahrungs- Genussmittel und den mittelfristigen Bedarfsbereich geprägt. Der nicht integrierte Standort repräsentiert "nur" rd. 6% der gesamtstädtischen Verkaufs- fläche (mit dem Discounter rd. 9%); zusammen mit dem Einzelhandelsschwerpunkt an der Freiburger Straße summiert sich die Verkaufsfläche auf rd. 6.025 qm. Damit sind die beiden nicht integrierten Einzelhandelsstandorten mit einem zentrenrele- vanten Angebot flächenmäßig etwas größer als der zentrale Versorgungsbereich in Neustadt. Die Bedeutung der beiden Einzelhandelskonzentrationen spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Passantenbefragung wieder: Ein Viertel der Befragten aus Titisee- Neustadt gab an, den Einzelhandelsstandort an der Donaueschinger Straße zum Ein-

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kaufen regelmäßig aufzusuchen; für den Einzelhandelsschwerpunkt an der Frei- burger Straße beträgt der Anteil sogar knapp die Hälfte (vgl. Kap. 3.2.2, Abb. 12).

Fazit Die beiden in nicht integrierter Lage angesiedelten Einzelhandelsstandorte an der Freiburger und Donaueschinger Straße weisen ein großes Angebot nahversorgungs- und zentrenrelevanten Sortimenten auf. Unter Berücksichtigung der landes- und regionalplanerischen Zielsetzungen handelt es sich um nicht funktionsadäquate An- siedlungen, die innerhalb des Stadtgebietes Konkurrenzstandorte zum Angebot der beiden Zentren in Titisee und Neustadt darstellen.

1 19

5. RÄUMLICHE EINZELHANDELSSTRUKTUR

5.1 RAUMSTRUKTURELLE VERTEILUNG DES EINZELHANDELSANGEBOTES

Im Folgenden werden die bisher dargestellten Ergebnisse zur Einzelhandelssitua- tion differenziert nach Standorttyp der Betriebe aufgezeigt. Unterschieden werden in diesem Kontext die zentralen Versorgungsbereiche in Titisee und Neustadt, sonstige integrierte bzw. nicht integrierte Standorte49.

Betriebe, Verkaufsflächen- und Umsatzanteile nach Standorttyp Folgende Aussagen lassen sich aus Abb. 44 zusammenfassend ableiten: · Insgesamt sind rd. 86% aller Betriebe an integrierten Standorten im Stadtgebiet Titisee-Neustadt lokalisiert. Auf Grund ihrer insgesamt unterdurchschnittlichen Größen vereinen diese jedoch lediglich rd. 64% der gesamtstädtischen Ver- kaufsfläche auf sich. · Bezogen auf die Verkaufsfläche ist jedoch - auf Grund der deutlich überdurch- schnittlichen Verkaufsflächen je Betrieb - mehr als ein Drittel der Flächen (36%) an nicht integrierten Standorten angesiedelt. Der Verkaufsflächenanteil der beiden zentralen Versorgungsbereiche zusammen ist etwas geringer und liegt bei lediglich 35% · Die Verteilung des gesamtstädtischen Umsatzes auf die verschiedenen Standorttypen entspricht weitgehend der Verteilung der Verkaufsflächen. Allerdings verlieren die sonstigen integrierten Lagen hier infolge z.T. geringerer Flächenproduktivitäten gegenüber den nicht integrierten Lagen etwas an Bedeutung.

49 Bei sonstigen integrierten Lagen handelt es sich um funktional und städtebaulich integrierte Be- triebe Betriebe im Zusammenhang mit Wohnbebauung, in denen die Bestandsdichte für die Abgren- zung eines zentralen Versorgungsbereiches nicht ausreicht. Bei nicht integrierten Standorten fehlt ein städtebaulich-funktionaler Bezug zur Wohnbebauung. Beispiele hierfür sind die Einzelhandels- schwerpunkte an der Donaueschinger Straße und an der Freiburger Straße.

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Abb. 44: Anzahl der Betriebe, Verkaufsflächen- und Umsatzanteile nach Standorttyp Gesamtangebot zentrenrelevante Titisee-Neustadt Sortimente

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Betriebe VKF Umsatz VKF Umsatz

ZVB Neustadt ZVB Titisee sonstige integriert nicht integriert

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; Statistisches Landesamt Baden-Württem- berg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Die Ausführungen zum Angebot nach Standorttyp sind nicht unbedingt ein Hinweis auf eine nicht funktionsadäquate Verteilung. Entsprechend wurde eine differen- zierte Auswertung der üblicherweise zentrenrelevanten Sortimente vorge- nommen (vgl. Abb. 44, rechte Säulen). Im Ergebnis ist festzustellen, dass ein deutlicher Anteil des Umsatzes zentrenrele- vanter Sortimente (rd. 42%) nicht funktionsadäquat generiert wird, womit nicht un- erheblich auch Frequenz aus den zentralen Versorgungsbereichen in Titisee und Neustadt abgezogen wird.

Einzelhandelsstruktur in Titisee-Neustadt Wird die Verteilung des Einzelhandelsangebotes differenzierter betrachtet, ergibt sich die in der folgenden Abbildung dargestellte Einzelhandelsstruktur in Titisee- Neustadt (vgl. auch Tab. A - 15 im Anhang).

1 21

Abb. 45: Einzelhandelsstruktur in Titisee-Neustadt nach Standorttyp

4.500

4.000

3.500

3.000

2.500

i n qm 2.000

1.500

1.000

500

0 Nahrungs- und sonst. kurzfr. mittelfristiger langfristiger Genussmittel Bedarf Bedarf Bedarf

ZVB Neustadt ZVB Titisee sonstige integriert nicht integriert

Quelle: Einzelhändlerbefragung Oktober 2008, eigene räumliche Zuordnung

Die sortimentsbezogene Verteilung der Verkaufsfläche nach Standorttypen ist sehr unterschiedlich: · Der überwiegende Anteil der gesamtstädtischen Verkaufsfläche im Sortimentsbe- reich Nahrungs-/ Genussmittel (rd. 61%) ist demnach an nicht integrierten Standorten angesiedelt. · Die zentrentypischen Sortimente des mittelfristigen Bedarfsbereichs werden in Titisee-Neustadt zwar überwiegend in den zentralen Versorgungsbereichen an- geboten (rd. 60%). Rund 18% dieser Sortimente befindet sich hingegen - nicht funktionsadäquat - an nicht integrierten Standorten. · Im langfristigen Bedarfsbereich werden rd. 42% der entsprechenden Angebote an nicht integrierten Standorten angeboten. Da in diesem Bedarfsbereich auch üblicherweise nicht zentrenrelevante Sortimente enthalten sind, ist diese Ver- teilung als überwiegend funktionsadäquat zu bezeichnen.

Betriebsgrößenklassen nach Standorttyp Die Differenzierung der Einzelhandelsbetriebe nach Größenklassen verdeutlicht die häufig baulich bedingte Kleinteiligkeit der Einzelhandelsstruktur innerhalb der zentralen Versorgungsbereiche in Titisee und Neustadt im Vergleich zur Gesamt-

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stadt. Nahezu zwei Drittel aller in der in dem zentralen Versorgungsbereich der Neustädter Innenstadt ansässiger Betriebe verfügen lediglich über eine Verkaufs- fläche von bis zu 100 qm. Diese erreichen jedoch lediglich eine Anteil von rd. 37% der Verkaufsfläche im zentralen Versorgungsbereich. In Titisee weisen rd. 60% der Betriebe eine Verkaufsfläche von weniger als 100 qm auf; ihr Flächenanteil liegt so- gar nur bei rd. 25%. In der Gesamtstadt betragen die Werte hingegen rd. 62% bzw. 17%, was unter anderem auf das Vorhandensein von großflächigen Betrieben mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 qm zurückzuführen ist, die - obwohl nur in geringer Zahl vorhanden - fast ein Drittel (rd. 29%) der gesamtstädtischen Ver- kaufsfläche auf sich vereinen. In den zentralen Versorgungsbereichen fehlen derar- tige Betriebe.

Abb. 46: Betriebsgrößenklassen nach Standorttyp

100%

90%

80%

70%

60% > 800 qm 401 bis =< 800 qm 50% 201 bis =< 400 qm 40% 101 bis =< 200 qm 30% 51 bis =< 100 qm

20% =< 50 qm

10%

0% ZVB ZVB Titisee Gesamt ZVB ZVB Titisee Gesamt Neustadt Neustadt Betriebe Verkaufsfläche Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Ein kleinteilig strukturiertes Angebot verleiht Zentren ein individuelles Flair und trägt zur Identität und Vielfalt einer Stadt bei. Gleichzeitig besteht jedoch auch die Gefahr, dass sich auf diesen Flächengrößen auf Dauer, insbesondere für Einzel- handelsbetriebe in Mietobjekten, keine betriebswirtschaftlich rentablen Ergebnisse erwirtschaften lassen. Häufig sind gerade diese zumeist inhabergeführten Betriebe

1 23

von Nachfolgeproblemen betroffen und dadurch langfristig in ihrer Existenz gefähr- det. Gleichzeitig sind solche kleinen Betriebseinheiten meist auf größere bzw. großflächige Betriebe mit Frequenzbringerfunktion angewiesen, die in den zent- ralen Versorgungsbereichen in Titisee und Neustadt jedoch fehlen.

Umsatzentwicklung nach Größenklassen und Standorttyp Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Umsatzentwicklung der vergangenen drei Jahre differenziert nach Betriebsgrößen. Dabei gab je rd. ein Viertel der be- fragten Händler an, dass sich ihr Umsatz in den vergangenen drei Jahren erhöht habe, bzw. gleichgeblieben ist; dagegen hat sich bei rd. der Hälfte der Händler der Umsatz rückläufig entwickelt.

Abb. 47: Umsatzentwicklung in den letzten drei Jahren nach Größenklassen

=< 100 qm

101 bis =< 200 qm

201 bis =< 800 qm

> 800 qm

0% 20% 40% 60% 80% 100%

mehr als +15% 0 bis +15% unverändert 0 bis -15% mehr als -15%

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Bei einer größenbezogenen Betrachtung der Umsatzentwicklung der vergangenen drei Jahre ergibt sich, dass sich bei dem Großteil der Betriebe mit einer Verkaufs- fläche von mehr als 800 qm die Umsatzentwicklung am positivsten darstellt. Demge- genüber war die Umsatzentwicklung in kleineren Betrieben deutlich negativer. So verbuchen nur 16% der Betriebe mit Verkaufsflächen bis 100 qm eine positive Um-

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satzentwicklung in den letzten drei Jahren, während über die Hälfte (rd. 54%) Um- satzrückgänge zu verzeichnen hatten. Diese Entwicklung zeigt Gefahren auf, die mit einer - zumindest in Teilräumen - kleinteiligen Einzelhandelsstruktur verbunden sein können.

Nachfolgende Abb. 48 stellt die Umsatzentwicklung der Einzelhandelsbetriebe in Titisee-Neustadt in den letzten drei Jahren differenziert nach Standorttypen dar.

Abb. 48: Umsatzentwicklung in den letzten drei Jahren nach Standorttyp

ZVB Neustadt

ZVB Titisee

sonstige integriert

nicht integriert

Gesamt

0% 20% 40% 60% 80% 100%

mehr als +15% 0 bis +15% unverändert 0 bis -15% mehr als -15%

Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

In den zentralen Versorgungsbereichen in Titisee und Neustadt mit einer insgesamt kleinteiligen Betriebsstruktur verbuchte in den vergangenen drei Jahren ein Groß- teil der Betriebe Umsatzrückgänge. Hingegen vermeldeten nur weniger als ein Fünftel der Betriebe (rd. 13% bzw. 17% im zentralen Versorgungsbereich in Titisee bzw. in Neustadt) Umsatzzuwächse. Demgegenüber verzeichneten die Betriebe in sonstiger und in nicht integrierten La- gen eine deutlich positivere Entwicklung: So konnte annähernd die Hälfte der in den nicht integrierten Lagen angesiedelten Betriebe (rd. 46%) ihren Umsatz steigern; darunter befinden sich auch großflächige Betriebe, die - wie oben beschrieben - überwiegend Umsatzzuwächse verbuchten. Lediglich 38% der Händler gaben Umsatz- rückgänge an.

1 25

Fazit Im Ergebnis ist festzustellen, dass ein deutlicher Anteil des Umsatzes zentrenrele- vanter Sortimente nicht funktionsadäquat an städtebaulich nicht integrierten Standorten generiert wird, womit nicht unerheblich auch Frequenz aus den zent- ralen Versorgungsbereichen in Titisee und Neustadt abgezogen wird. Ein Indiz hierfür ist neben Anderen (z.B. die Leerstandssituation) eine insgesamt negative Umsatzentwicklung in den Zentren, die charakterisiert sind durch oft in- habergeführte Fachgeschäfte und kleinteilige Betriebsstrukturen. Betriebe in nicht integrierter Lage, mit einem stellenweise zentrentypischen Angebot und insgesamt größeren Betriebsstrukturen, verbuchten hingegen eine vergleichsweise positive Umsatzentwicklung.

5.2 BEURTEILUNG DES LEBENSMITTELANGEBOTES HINSICHTLICH DER RÄUMLICHEN NAHVERSORGUNGSSITUATION

Es wurde bereits festgestellt, dass im für die Nahversorgung besonders bedeut- samen Sortiment Nahrungs-/ Genussmittel der Einzelhandel der Stadt Titisee-Neu- stadt bei einer Bindungsquote von rd. 151% deutliche Kaufkraftzuflüsse aufweist - grundsätzlich ist somit eine Vollversorgungssituation für die Bevölkerung erkennbar (vgl. Kap. 3.2.1, insb. Abb. 3). Neben dem quantitativen Aspekt, wie er in den Bindungsquoten zum Ausdruck kommt, ist für die Beurteilung des Einzelhandelsangebotes jedoch, insbesondere im kurzfristigen Bedarfsbereich, auch die Frage nach dessen räumlicher Verteilung von Bedeutung. Dabei ist laut LEP "Auf eine wohnortnahe Grundversorgung mit Waren und Dienstleistungen des täglichen und häufig wiederkehrenden Bedarfs (ist) hinzuwirken."50 Im Folgenden wird daher der Frage nachgegangen, welcher Teil der Einwohner in der Stadt Titisee-Neustadt in der Lage wäre, ein entsprechendes Angebot auch zu Fuß zu erreichen. Bereits festgestellt wurde, dass ein Großteil des Angebotes im Sortimentsbereich Nahrungs-/ Genussmittel an nicht integrierten Standorten ohne Zusammenhang mit Wohnbebauung angesiedelt ist und somit eine fußläufige Nah- versorgung im eigentlichen Sinne erschwert (vgl. Kap. 5.1, insb. Abb. 45).

50 Vgl. LEP Baden-Württemberg 2002 Pansatz, 2.4.3.3.

126

Zur Verdeutlichung der Nahversorgungssituation im räumlichen Sinne sind daher in Karte 14 die in Titisee-Neustadt ansässigen Lebensmittelbetriebe dargestellt. Insgesamt können sechs Standorte von Lebensmittelbetrieben mit einem hinreichen- den Nahversorgungsangebot im Sortiment Nahrungs-/ Genussmittel und einer Ver- kaufsfläche von über 200 qm51 identifiziert werden, um die jeweils ein Kreis mit ei- nem Radius von 500 Metern gezogen wurde. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Bevölkerung, die in einer Entfernung von bis zu 500 Meter (Luftlinie) zu einem solchen Einzelhandelsbetrieb wohnt, sich durch diesen zu Fuß mit Lebens- mitteln versorgen kann. Im konkreten Fall beeinflussen topographische, infra- strukturelle und andere räumliche Aspekte die tatsächliche Zugänglichkeit.

Karte 14: (Lebensmittel-)Nahversorgungsangebot in der Stadt Titisee-Neustadt

Lebensmittel-Nahversorgung

Bäcker

Bio-/Naturkost

Metzger

Hofladen

LM-Fachgeschäft

LM-SB-Geschäft

LM-SB-Markt

Supermarkt

Discounter

Verbrauchermarkt

Getränkemarkt

Tankstelle

Drogerie

500 m Radius

Quelle: eigene Erhebung im Oktober 2008; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

Bei der kartografischen Darstellung zeigt sich, dass große Teile der Wohnsied- lungsbereiche in Titisee-Neustadt außerhalb der Nahversorgungsradien der Le- bensmittebetriebe liegen und eine somit eine fußläufige Nahversorgung nicht über- all gewährleistet ist.

51 In der Regel kann erst bei Lebensmittelbetrieben ab einer Verkaufsfläche von 200 qm davon ausge- gangen werden, dass das vorhandene Angebot die nahversorgungsspezifischen Bedarfe ausreichend abdeckt. Es ist jedoch nicht generell auszuschließen, dass auch kleinere Lebensmittelbetriebe eine wichtige Nahversorgungsfunktion für (zumindest temporär) immobile Menschen besitzen.

1 27

In Titisee übernimmt ein Lebensmittelmarkt die Nahversorgungsfunktion im o.g. Sinne und deckt einen Großteil des Wohnsiedlungsbereiches ab. Dieser innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches liegende Betrieb wird ergänzt um zwei Be- triebe des Lebensmittehandwerks, ein Obst- und Gemüsegeschäft, weitere Lebens- mittelfachgeschäfte mit einem spezialisierten Angebot sowie einen Getränkemarkt. Mit Ausnahme des Getränkemarkts befinden sich alle genannten Betriebe im zentra- len Versorgungsbereich von Titisee oder in sonstiger städtebaulich integrierter Lage und tragen daher zu einer fußläufigen Lebensmittel-Nahversorgung im eigent- lichen Sinne bei.

Im deutlich größeren Stadtteil Neustadt sind drei Lebensmitteldiscounter, ein Supermarkt und ein Verbrauchermarkt angesiedelt. Außer dem Supermarkt am Friedrich-Ebert-Platz befinden sich die weiteren Lebensmittelbetriebe in städte- baulich nicht integrierter Lage. Die überwiegend auf den Autokunden ausgerichte- ten Standorte erschweren daher eine fußläufige Nahversorgung der Bewohner mit Lebensmitteln, welche insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personengruppe von hoher Bedeutung ist. In Neustadt befindet sich daher ein beträchtlicher Teil des Kernortes, insbesondere die zentral gelegenen Wohnbereiche, außerhalb der 500- Meter-Nahversorgungsradien der Lebensmittelbetriebe. Erschwerend kommen in Neustadt die topographischen Gegebenheiten hinzu, die sich - wie bei den Dis- countern an der Donaueschinger Straße östlich des zentralen Versorgungsbereiches - verschärfend auf die Zeitdistanz auswirken. Darüber hinaus wird das Lebensmittelangebot des Stadtteils durch eine Vielzahl an Betrieben des Lebensmittelhandwerks, einen Getränkemarkt, mehreren Lebensmittel- fachgeschäften mit einem spezialisierten Angebot (u.a. Feinkost), zwei Tankstellen- shops und drei Drogeriemärkten mit einem Lebensmittelrandsortiment ergänzt. Zusätzlich findet jeden Samstag in der Unterstadt ein Wochenmarkt statt.

In den weiteren Stadtteilen Waldau und Langenordnach ist mit einer Bäckerei bzw. einem Hofladen nur eine rudimentäres Lebensmittelangebot vorhanden; die Stadt- teile Schwärzenbach und Rudenberg verfügen über keinerlei Angebote. In diesen vier Stadtteilen mit allerdings sehr geringen Einwohnerzahlen (zwischen 180 bis

128

380 Bewohner) ist somit keine hinreichende Lebensmittelversorgung gegeben, d.h. die Bewohner sind auf die Angebote in Titisee und Neustadt angewiesen.

Fazit Insgesamt zeigt sich in Titisee-Neustadt eine typische Charakteristik der nicht integrierten (und hauptsächlich autokundenorientierten) Standorten wie an der Donaueschinger und Freiburger Straße: Diese tragen zwar quantitativ in hohem Maße, räumlich betrachtet aber nur in geringem Maße zur Nahversorgung bei. Auch vor dem Hintergrund des Motorisierungsgrades insbesondere in Neustadt - rd. 16% der befragten Passanten verfügen über keinen PKW im Haushalt und in rd. 54% der Haushalte steht lediglich ein Auto und dieses z.T. nur eingeschränkt zur Verfügung (vgl. Kap. 3.2.4.2) - ist die räumliche Verteilung des Lebensmittelangebotes in Titi- see-Neustadt kritisch zu beurteilen.

1 29

6. VORSCHLAG FÜR EINEN ZIELKATALOG DER EINZELHANDELS- KONZEPTION

Das vorhandene Baurecht ermöglicht auf der Basis der Baunutzungsverordnung, die Einzelhandelsentwicklung in Titisee-Neustadt auf Grund städtebaulicher Ziel- setzungen räumlich zu steuern52. Auch wenn der neue § 34 (3) BauGB die Problematik ungewollter Entwicklungen in Innenbereichen reduziert, können die Kommunen da- bei nur reaktiv handeln. Für eine aktive Steuerung sind B-Pläne und die entspre- chenden Festsetzungen unerlässlich.

Voraussetzung für das Konzept zur räumlichen Lenkung des Einzelhandels bildet ein Zielsystem für die funktionale Entwicklung der Stadt insgesamt und den beiden Zentren in Titisee-Neustadt. Dabei hat die Erfahrung mit der Erarbeitung zahlrei- cher Gutachten als Grundlage für Einzelhandelskonzepte für verschiedene Städte und Gemeinden gezeigt, dass die Oberziele für die verschiedenen Kommunen weitgehend identisch sind.

Dementsprechend wird im Folgenden der Vorschlag für einen Zielkatalog vorgestellt, welcher der künftige Einzelhandelsentwicklung in Titisee-Neustadt zugrunde gelegt werden sollte. Gleichzeitig dienen diese Zielvorschläge als Grundlage für das planungsrechtlichen Konzept.

Als vorrangiges Ziel wird aus gutachterlicher Sicht die Erhaltung und Stärkung der Einzelhandels- und Funktionsvielfalt in den zentralen Versorgungsbereich gesehen.

6.1 ERHALTUNG/ STÄRKUNG DER VERSORGUNGSFUNKTION ALS MITTELZENTRUM Ein wichtiges Ziel liegt in der Erhaltung und Stärkung der durch die Landesplanung Baden-Württemberg zugewiesenen zentralörtlichen Funktion der Gesamtstadt. Titisee-Neustadt wird, über das gesamte Einzelhandelsangebot hinweg betrachtet, seiner mittelzentralen Funktion - per Saldo lassen sich Kaufkraftzuflüsse verzeich- nen - derzeit hinlänglich gerecht. Im kurzfristigen Bedarfsbereich liegt eine rech- nerische Vollversorgung und eine Grundversorgung somit rein quantitativ gewähr- leistet. In einigen z.T. zentrenprägenden Sortimenten (insbesondere Schuhe/ Le- derwaren, GPK, Geschenke, Hausrat, Sport/ Freizeit, Uhren/ Schmuck etc.) sind sehr

52 Vgl. dazu zusammenfassend Acocella, 2004, a.a.O., S. 56ff.

130

hohe Kaufkraftzuflüsse zu verzeichnen, die teilweise auf die touristische Anzie- hungskraft von Titisee zurückzuführen sind, aber auch die Versorgungsfunktion Titisee-Neustadts für den Mittelbereich deutlich machen. In anderen Sortimentsbe- reichen (Spielwaren/ Babyausstattung, Bücher, Medien, Elektro/ Leuchten, Bau- markt-/ gartencenterspezifische Sortimente) liegen dagegen teilweise erhebliche Kaufkraftabflüsse vor. Auf Grund der Siedlungsstruktur, der relativ solitären Lage als Mittelzentrum im Hochschwarzwald, der räumlichen Nähe zum Oberzentrum Freiburg und den damit verbundenen Verflechtungen liegt der Schwerpunkt auf der Erhaltung der durch die Landes- und Regionalplanung zugewiesenen mittelzentralen Versorgungsfunktion.

6.2 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER EINZELHANDELS-/ FUNKTIONSVIELFALT SOWIE DER ZENTRALITÄT IN DER NEUSTÄDTER INNENSTADT UND DEM ORTSZENTRUM VON TITISEE Neben der Zentralität - einer vorrangig quantitativen Komponente - soll auch die Vielfalt an Funktionen, die Mischung von Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastrono- mie, Kultur und Wohnen erhalten und ausgebaut werden. Daneben sollte der Einzel- handel von verschiedenen Betriebstypen geprägt sein, welche die eigene Identität der Innenstadt und des Ortszentrums formen. Die Passantenbefragung hat in Titisee eine im Vergleich zu anderen Städten ver- gleichsweise hohe Aufenthaltsdauer ergeben, die vorrangig auf die Attraktivität des Sees, aber auch auf vorhandene Kopplungsmöglichkeiten von Einzelhandel und Gastronomie zurückgeführt werden kann. In Neustadt dagegen ist die Aufenthalts- dauer im Vergleich zu anderen Städten unterdurchschnittlich - trotz einer erkenn- baren funktionalen Vielfalt und bestehenden Kopplungsmöglichkeiten von Einkaufen, Gastronomie, öffentlichen Einrichtungen und weiteren Dienstleistungen. Für die ge- ringe Verweildauer sind z.T. auch städtebauliche Defizite und strukturelle Probleme verantwortlich. Die funktionale Vielfalt sowohl bezüglich unterschiedlicher Branchen (z.B. Lebensmittel) wie auch hinsichtlich Betriebstypen (z.B. größere Be- triebsstrukturen) ist in beiden Zentren zu stärken. Das Ziel der Erhaltung und Stärkung der Einzelhandels-/ Funktionsvielfalt erfordert ein konzeptionelles Vorgehen anstatt einzelfallbezogener Entscheidungen.

1 31

6.3 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER KURZEN WEGE ("STADT DER KURZEN WEGE") Ein kompakter zentraler Versorgungsbereich mit kurzen Wegen ist eine wichtige Voraussetzung für Dichte und Frequenz und damit unabdingbar für die Entwicklung und das Entstehen lebendiger Räume. Weiterhin ist insbesondere für weniger mo- bile Bevölkerungsgruppen ist eine Stadt der kurzen Wege von wesentlicher Bedeu- tung, v.a. in Bezug auf die Nahversorgung. Zudem werden dadurch überflüssiger Verkehr weitgehend vermieden und die dadurch entstehenden Umweltbelastungen eingedämmt. Nach der Passantenbefragung bestehen für viele Bewohner aus Titisee-Neustadt kurze Wege in die Ortsmitte von Titisee bzw. in die Innenstadt von Neustadt: Immerhin die Hälfte der Bewohner aus Titisee-Neustadt sucht die Zentren zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf (vgl. Kap. 3.2.4.2). Damit ist eine wichtige Voraussetzung für lebendige Zentren gegeben. Ebenfalls wurde die Erreichbarkeit der Ortsmitte von Titisee und der Neustädter Innenstadt durch die Kunden insgesamt positiv be- urteilt; in der Einzelauswertung werden die Rad- und Fußwegeverbindungen sowie die Barrierefreiheit in der Neustädter Innenstadt von vielen befragten Passanten jedoch kritisiert (vgl. Kap. 4.4.4.1). Unter städtebaulich-funktionalen Gesichts- punkten ist die vorliegende Ausdehnung des zentralen Versorgungsbereiches in Neu- stadt inklusiv der Ergänzungsbereiches in seiner jetzigen Konfiguration - auch unter Berücksichtigung der topographischen Gegebenheiten - grenzwertig, um einen konstanten funktionalen Zusammenhang im Sinne einer kompakten Innenstadt zu ge- währleisten. Ziel für Titisee und Neustadt sollte daher die Erhaltung und Stärkung der Einzel- handelsfunktion in den zentralen Versorgungsbereichen sein, um für einen Großteil der Einwohner kurze Wege weiterhin zu gewährleisten.

6.4 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER NAHVERSORGUNGSFUNKTION Der Verkürzung der Wege dient auch einer flächendeckenden Versorgung mit Gütern des kurzfristigen Bedarfs (Nahversorgung), insbesondere im Bereich Nahrungs-/ Ge- nussmittel: Es soll eine wohnungsnahe Versorgung ermöglicht werden.

132

Insgesamt ist Titisee-Neustadt rein quantitativ betrachtet relativ gut mit nahver- sorgungsrelevanten Sortimenten53 versorgt. In der räumlichen Verteilung des Ange- bot zeigen sich jedoch auf Grund der räumlichen Angebotsverteilung Defizite, die hauptsächlich Neustadt betreffen (vgl. Kap. 5.2). Das Hauptaugenmerk ist daher auf die (langfristige) Erhaltung und Verbesserung der Nahversorgungssituation in Neu- stadt, insbesondere auf die räumliche Verteilung der Lebensmittelbetriebe und die im Hinblick auf die wohnortnahe Grundversorgung richtige Standortwahl bei mög- lichen Neuansiedlungen oder Verlagerungen, zu legen. Hierbei nimmt auch der Er- halt bzw. die Stärkung des zentralen Versorgungsbereiches der Innenstadt hinsicht- lich nahversorgungsrelevanter Angebote einen wichtigen Stellenwert ein.

6.5 ERHALTUNG UND STÄRKUNG DER IDENTITÄT DER NEUSTÄDTER INNENSTADT UND DES ORTSZENTRUMS VON TITISEE Die unverwechselbare Identität der Innenstadt bzw. des Ortszentrums wird durch verschiedenen Faktoren (Einzelhandels- und Dienstleistungsmix, Architektur etc.) geprägt, die es zu erhalten und zu stärken gilt. Vor allem im Hinblick auf den zu- nehmenden interkommunalen Wettbewerb ist die Entwicklung bzw. Stärkung eines klaren Profils von wesentlicher Bedeutung. Das äußere Erscheinungsbild (Städtebau und Architektur) der Innenstadt gewinnt angesichts der stetig zunehmenden Filiali- sierung im Handel und der damit verbundenen Uniformität der Waren- bzw. Ge- schäftspräsentation an Gewicht. Mit den städtebaulich-gestalterischen Qualitäten, dem See, der eine hohe touristi- sche Anziehungskraft ausübt und der Aufenthaltsqualität, die von Passanten und Händlern überwiegend positiv beurteilt wird, besitzt das Ortszentrum von Titisee wichtige Alleinstellungsmerkmale, von der es als Einzelhandelsstandort profitieren kann. Ziel sollte daher die Erhaltung der Identität des Ortszentrums sein. Die Neustädter Innenstadt weist hingegen städtebauliche und architektonische Defi- zite auf, die sich auch in einer überwiegend negativen Bewertung der Aufenthalts- qualität bzw. Atmosphäre aus Sicht der Kunden und Händler niederschlägt. Gleich- wohl können identitätsstiftende Punkte wie das Münster oder Teilbereiche (Hir- schenbuckel) kleinräumig identifiziert werden. Ziel sollte daher die Stärkung der Identität des Ortszentrums bzw. der Innenstadt von Neustadt sein.

53 Entsprechend der Anlage zum Einzelhandelserlass Baden-Württemberg 2001 werden Nahrungs-/ Genussmittel (inkl. Lebensmittelhandwerk) und Drogerie/ Parfümerie sowie Haushaltswaren als nah- versorgungsrelevant bezeichnet.

1 33

6.6 SCHAFFUNG VON INVESTITIONSSICHERHEIT (NICHT RENDITESICHERHEIT) INSGESAMT Jede potenzielle Investition ist in erheblichem Ausmaß von den Rahmenbedingungen abhängig, die z.T. von der jeweiligen Stadt geschaffen werden können. Dabei werden Investitionen wahrscheinlicher, wenn (politische) Risiken "ungerecht- fertigter Wettbewerbsvorteile" vermieden werden. Damit kann (und soll) jedoch keine Renditesicherheit erreicht werden: Im wettbewerblichen Wirtschaftssystem bleibt jede Investition mit unternehmerischen Risiken verbunden. Wenn also mit einem Einzelhandelskonzept ein Schutz der zentralen Versorgungsbe- reiche assoziiert wird, so nur in dem Sinne, dass diese vor "unfairem Wettbewerb" geschützt werden soll. Ansonsten hat das Planungsrecht wettbewerbsneutral zu sein. Eng damit verbunden ist die Entscheidungssicherheit für städtebaulich erwünschte Investitionen (z.B. Gebäudesanierung). Zur Förderung solcher Investitionen ist ebenfalls ein verlässlicher Rahmen erforderlich.

6.7 SICHERUNG VON GEWERBEGEBIETEN FÜR HANDWERK UND PRODUZIERENDES GEWERBE Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, die mit Hilfe des Baurechts geschaffenen Gewer- begebiete der eigentlichen Zielgruppe, nämlich dem Handwerk und dem produzie- renden Gewerbe vorzuhalten. Die Standortentscheidungen zur Erweiterung beste- hender Betriebe bzw. zur Investition der bestehenden Betriebe hängt häufig auch von den Perspektiven von flächenbezogenen Entwicklungsoptionen ab. Für Neuan- siedlungen ist es wichtig, möglichst zeitnah und kostengünstig Flächen zu bekom- men, die auch räumliche Entwicklungsoptionen enthalten. Insofern ist der Boden- preis ein Faktor, der dazu führen kann, dass physisch vorhandene Flächen aus Sicht der potenziellen Nutzer faktisch nicht vorhanden sind. Diese können häufig nicht mit den preislichen Angeboten des Einzelhandels für Grund und Boden mithalten.

134

7. PROGNOSE DES VERKAUFSFLÄCHENENTWICKLUNGSSPIELRAUMS

Das auf dem vorliegenden Gutachten basierende Einzelhandelskonzept soll die Basis für eine mittel- bis langfristige städtebaulich-funktionale Entwicklungskonzeption für den Einzelhandel in der Stadt Titisee-Neustadt darstellen: Die zukünftige Ent- wicklungs- und Funktionsfähigkeit der zentralen Versorgungsbereiche in Titisee und Neustadt hängt auch davon ab, ob, wie und wo weitere Einzelhandelsflächen ange- siedelt werden. Es ist deshalb notwendig, neben der Beschreibung der Ist-Situation mögliche quantitative und räumliche Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Zur Quantifizierung des Entwicklungsspielraumes wurde deshalb eine Verkaufsflächen- prognose durchgeführt. Die räumlichen Entwicklungsperspektiven werden in Kap. 8.3 beschrieben.

7.1 METHODISCHES VORGEHEN - PROGNOSE

Basis der Prognose bilden die Bevölkerungs- und Kaufkraftentwicklung. Für die Ermittlung der branchenspezifischen Potenziale waren die allgemeinen, branchenbezogenen Trends im Einzelhandel zu berücksichtigen. Diese basieren u.a. auf den absehbaren Trends der Einzelhandelsentwicklung (vgl. Kap. 2.1), der Veränderung der Bevölkerungsstruktur und dem erreichten Ausstattungsgrad der Be- völkerung mit einzelnen Gütern54.

Neben diesen nachfrageseitigen Determinanten sind allgemeine Entwicklungstrends im Einzelhandel sowie angebotsseitige Veränderungen zu berücksichtigen. Dafür ist entscheidend, ob und inwieweit die Position der Stadt Titisee-Neustadt im Hinblick auf ihr Einzelhandelsangebot gestärkt werden kann. Diese Positionierung der Stadt Titisee-Neustadt wiederum ist - zumindest teilweise - auch von der künftigen räumlichen Entwicklung abhängig.

Der Entwicklungsspielraum wurde aus diesen ökonomischen Berechnungen abgelei- tet. Die städtebaulich und funktional sinnvolle räumliche Verteilung dieser zusätz- lichen Verkaufsflächen hängt einerseits von den Zielen und Grundsätzen des Einzel- handelskonzepts (vgl. Kap. 6 und Kap. 8.2) und andererseits von den verfügbaren Flächen (vgl. Kap. 8.3) ab.

54 Vgl. z.B. EHI: Handel aktuell 2008/ 2009, Köln, S. 52.

1 35

Zur Darstellung der Prozesshaftigkeit der Entwicklungen wurden zwei Prognoseho- rizonte ausgewählt: Eine mittelfristige Perspektive bis zum Jahr 2015 sowie eine langfristige Prognose bis zum Jahr 2020. Wegen der Unsicherheiten, mit denen Prognosen behaftet sind, wurden verschiede- ne Szenarien erarbeitet, so dass sich als Prognoseergebnis ein Entwicklungskorri- dor ergibt, der die Prognoseunsicherheiten reduziert (vgl. Kap. 7.2.1).

Da Apotheken und Lebensmittelhandwerk hinsichtlich ihrer Umsatz- und Verkaufs- flächenentwicklung anderen Gesetzmäßigkeiten folgen, beschränkt sich die Prognose auf den Einzelhandel i.e.S.55.

7.1.1 Prognose der Bevölkerungsentwicklung Als Hintergrund für die Entwicklung der Nachfrageseite ist die Einwohnerentwick- lung seit 1990 von Bedeutung (vgl. Abb. 49): Diese wird charakterisiert durch eine wellenförmige Bevölkerungsentwicklung, die immer wieder durch Bevölkerungszu- und -abgänge gekennzeichnet ist.

Als Grundlage für die künftige Einwohnerentwicklung in Titisee-Neustadt wurde die in der folgenden Abbildung dargestellte Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes (mit Wanderungen) herangezogen.

55 D.h. ohne Lebensmittelhandwerk, Kfz, Brenn-, Kraft- und Schmierstoffe sowie Apotheken.

136

Abb. 49: Einwohnerentwicklung in Titisee-Neustadt 1990 bis 2008 (tatsächliche Entwicklung) und 2005 bis 2025 (Prognosewerte)

12300 12200 Einwohnerentwicklung

12100 Prognose (StaLa) 12000 11900 11800 11700 11600 11500 11400 11300

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

Um die Prognoseunsicherheiten, die mit zunehmender zeitlicher Distanz zunehmen, zu verdeutlichen, wurde für das Jahr 2015 eine Schwankungsbreite von +/- 100 und für das Jahr 2020 eine Schwankungsbreite von +/- 150 unterstellt. Darüber hinaus wurden die Prognosewerte auf 25 gerundet, um die Prognosegenauigkeit zu ver- deutlichen.

Für das Jahr 2015 ist in Titisee-Neustadt von einer Einwohnerzahl zwischen 11.700 und 11.900 Einwohner und bis 2020 mit rd. 11.550 und 11.850 Einwohnern und so- mit über den gesamten Betrachtungszeitraum gesehen von einem Bevölkerungsrück- gang auszugehen.

7.1.2 Perspektiven für den Einzelhandel Auch im Hinblick auf die Finanzkrise, die im Bearbeitungszeitraum des vorliegenden Gutachtens ihre ersten größeren Auswirkungen entfaltete, ist es derzeit äußerst schwierig, verlässliche Prognosen über die künftige Einzelhandelsentwicklung ab- zugeben. Gleichzeitig sollte jedoch berücksichtigt werden, dass auch in den vergan- genen Jahren der Einzelhandel vom damaligen Aufschwung nur teilweise profitieren konnte. Daher ist davon auszugehen, dass selbst bei wieder einsetzender Konjunk- turbelebung und einer Steigerung der Konsumausgaben dem Einzelhandels allenfalls

1 37

leichte Umsatzsteigerungen bevorstehen: Auch bei Zunahme des privaten Verbrauchs kann der Anteil einzelhandelsrelevanter Ausgaben weiter zurückgehen.

Trotz dieser insgesamt wenig positiven Vorzeichen darf nicht übersehen werden, dass die einzelnen Branchen von der Entwicklung in der Vergangenheit sehr unter- schiedlich betroffen waren: Zum Teil waren auch in den "mageren Jahren" reale Um- satzzuwächse zu verzeichnen.

7.1.3 Nachfrage: Annahmen zur Entwicklung und Kaufkraftpotenzial Für die Kaufkraftentwicklung wird in den Jahren bis 2010 ein jährlicher Zuwachs der einzelhandelsrelevanten Ausgaben56 je Einwohner um 0,5% bis 0,75% und für den übrigen Zeitraum bis zum Jahr 2020 um 0,25% bis 0,75% angenommen. In An- betracht der weitgehenden Stagnation im deutschen Einzelhandel seit 1993 ist ins- besondere die obere Variante als Hoffung anzusehen, dass dem Einzelhandel der "Ausbruch" aus dieser Entwicklung gelingen kann und mithin an einer eventuellen Konjunkturbelebung (wenn auch weiterhin unterdurchschnittlich) partizipieren kann.

Da jedoch übereinstimmend von allen Instituten eine weitere Abnahme des Anteils der Ausgaben im Einzelhandel an den Einkommen prognostiziert wird, sind die ge- troffenen Annahmen zur Entwicklung der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft gleich- bedeutend mit der Unterstellung eines über diesen Werten liegenden gesamtwirt- schaftlichen Wachstums.

Die Annahmen zur Entwicklung der Nachfrageseite und das sich daraus ergebende einzelhandelsrelevante Kaufkraftpotenzial in Titisee-Neustadt sind in der nachfol- genden Tabelle als Übersicht dargestellt.

56 Enthalten sind nur Ausgaben im Einzelhandel i.e.S., d.h. ohne Lebensmittelhandwerk, Kfz, Brenn-, Kraft- und Schmierstoffe sowie Apotheken.

138

Tab. 6: Annahmen zu Nachfrageentwicklung und Kaufkraftpotenzial im Überblick Kaufkraftentwicklung untere Variante obere Variante Einwohner 2015 11.700 11.900 Einwohner 2020 11.550 11.850 Kaufkraftzuwachs 2008 - 2010 (p.a.) 0,5% 0,75% Kaufkraftzuwachs 2010 - 2020 (p.a.) 0,25% 0,75% Kaufkraftzuwachs 2008 - 2015 2,3% 5,4% Kaufkraftzuwachs 2008 - 2020 insgesamt 3,6% 9,4% Kaufkraft/ Einw. (Titisee-Neustadt) 2008 4.612 € Kaufkraft / Einw. (Titisee-Neustadt) 2015 4.717 € 4.860 € Kaufkraft / Einw. (Titisee-Neustadt) 2020 4.776 € 5.045 € Kaufkraftpotenzial Titisee-Neustadt 2008 in Mio. € 54,9 Kaufkraftpotenzial Titisee-Neustadt 2015 in Mio. € 55,2 57,8 Änderung gegenüber 2008 0,6% 5,4% Kaufkraftpotenzial Titisee-Neustadt 2020 in Mio. € 55 60 Änderung gegenüber 2008 1% 9% Quelle: Stadt Titisee-Neustadt; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; BBE Köln; eigene Berech- nungen

Das Kaufkraftpotenzial liegt in Titisee-Neustadt im Jahr 2020 zwischen 55 und 60 Mio. €. Für die Ableitung des Kaufkraftpotenzials nach Sortimenten wurden vorhersehbare Verschiebungen in der Nachfragestruktur berücksichtigt. Dieses ist tabellarisch im Anhang dargestellt (vgl. Tab. A - 16ff.).

7.1.4 Annahmen zur Entwicklung der Angebotsseite Es wird davon ausgegangen, dass Kaufkraftveränderungen zu veränderten Umsätzen führen und diese Umsatzveränderungen wiederum Auswirkungen auf den Verkaufs- flächenzuwachs haben57. Der Zuwachs ergibt sich somit aus dem zukünftigen einzel- handelsrelevanten Kaufkraftpotenzial bzw. aus den Umsatzerwartungen im Einzel- handel zu den jeweiligen Prognosezeitpunkten.

57 Dies bedeutet, dass das ermittelte Flächenpotenzial aus einer Nachfragebetrachtung abgeleitet wird. Dass daneben auch angebotsseitig (z.B. durch Anstrengungen zur Vergrößerung des Einzugsbe- reichs, wie dies bei der Ansiedlung eines Magnetbetriebes erreicht werden könnte) zusätzlicher Flä- chenzuwachs entstehen kann, sei hier lediglich angemerkt.

1 39

Für die Ermittlung des aus dem Kaufkraftpotenzial abzuleitenden Flächenpotenzials wurden drei Prognosevarianten berechnet, die auch die Abhängigkeit der quantita- tiven Entwicklung vom Handeln in Titisee-Neustadt aufzeigen sollen:

Status-Quo-Prognose Die Status-quo-Prognose beschreibt eine Entwicklung anhand demografischer und wirtschaftlicher Faktoren unter Fortschreibung der bestehenden Rahmenbedingun- gen, d.h. die derzeit erreichten Bindungsquoten (vgl. 3.2.1) können gehalten wer- den58: Die Umsatzentwicklung folgt der Nachfrageentwicklung. Dies bedeutet, dass zusätzliche Einwohner Kaufgewohnheiten wie die derzeitigen Einwohner entwickeln. Diese Prognosevariante dient ausschließlich der Identifikation desjenigen Teils des Verkaufsflächenzuwachses, der auf Bevölkerungs- und Kaufkraftentwicklung zurück- zuführen ist. (Ohnehin ist diese Variante keinesfalls so zu verstehen, dass die ent- sprechende Entwicklung sozusagen "automatisch", ohne eigene Anstrengungen in Titisee-Neustadt erreicht würde: Nichtstun ist gleichbedeutend mit einem relativen Zurückfallen, da andere etwas tun werden. Auch das Halten der derzeitigen Kauf- kraftbindung erfordert Anstrengungen.)

Entwicklungsprognose - Entwicklungsspielräume vor dem Hintergrund der Ist- Situation Die Entwicklungsprognose beschreibt eine Entwicklung anhand demografischer und wirtschaftlicher Faktoren unter Annahme gezielter Maßnahmen zur Einzelhandels- entwicklung in Verbindung mit einer Steigerung der Bindungsquoten in den Sorti- mentsbereichen, wo sie derzeit unter bestimmten Zielwerten liegen. · Im kurzfristigen Bedarfsbereich sollte jede Stadt in der Lage sein, ihre Einwoh- ner selbst zu versorgen; dem würde eine Bindungsquote von 100% entsprechen. In Titisee-Neustadt wird derzeit im kurzfristigen Bedarfsbereich bereits eine Bindungsquote von 152% erreicht, im für die Nahversorgung besonders rele- vanten Sortiment Nahrungs-/ Genussmittel liegt die derzeitige Bindungsquote bei rd. 151%. Das Halten der sortimentsweise ermittelten Bindungsquoten wird hierbei für die Entwicklungsprognose als Ziel festgesetzt.

58 Dabei wurden die in den einzelnen Sortimentsbereichen tatsächlich erreichten Bindungsquoten zu- grunde gelegt, auch wenn diese aus Gründen des Datenschutzes für einige Sortimentsbereiche je- weils zusammenzufassen waren.

140

· Für den mittel- und langfristigen Bedarfsbereich wurden unter Berücksichtigung der zentralörtlichen Funktion von Titisee-Neustadt als Mittelzentrum, der Ein- wohnergröße, der Wettbewerbssituation - und hier im Speziellen die räumliche Nähe zum Oberzentrum Freiburg als auch die solitäre Lage im Hochschwarzwald - sowie der vorherrschenden Angebotssituation sortimentsgruppenscharf Ziel- bindungsquoten vereinbart. · Geringe Entwicklungsspielräume bestehen im mittelfristigen Bedarfsbereich bei den Sortimenten Spielwaren und Bücher mit derzeit hohen Kaufkraftabflüssen (Bindungsquoten von gegenwärtig rd. 60%); aber auch im Sortimentsbereich Haus- und Heimtextilien mit einer Bindungsquote von 99% erscheint ebenfalls eine leichte Erhöhung der Kaufkraftbindung realistisch. Im langfristigen Be- darfsbereich gilt dies für die (mehr oder weniger stark) durch Kaufkraftabflüsse gekennzeichneten Sortimentsbereiche Medien, Elektro/ Leuchten und Teppiche/ Bodenbeläge sowie für baumarkt-/ gartencenterspezifische Sortimente.

Dies bedeutet, dass in einigen Sortimentsbereichen Reaktionen des Angebotes auf "freie Nachfragepotenziale" unterstellt werden. In den weiteren Sortimentsgruppen mit aktuell bereits sehr hohen Bindungsquoten von z.T. deutlich mehr als 100% stellt die zukünftige Erhaltung der derzeitigen Bindungsquote die Zielformulierung dar. Abb. 50 zeigt die aktuellen und die im Jahr 2020 erreichten Bindungsquoten bei einer Entwicklung entsprechend der Entwicklungsprognose.

1 41

Abb. 50: Bindungsquoten in Titisee-Neustadt nach Sortimenten im Ist-Zustand und 2020 bei einer Entwicklung entsprechend der Entwicklungsprognose

Nahrungs-/ Genussmittel Drogerie/ Parfümerie PBS/ Zeitungen, Zeitschriften Blumen/ Zoo Bekleidung und Zubehör Schuhe, Lederwaren Sport/ Freizeit Spielwaren, Babyausstattung Bücher GPK, Geschenke, Hausrat Haus- und Heimtextilien Uhren/ Schmuck Foto/ Optik Medien Elektro/ Leuchten Teppiche, Bodenbeläge baumarkt-/gartencenterspezif. Möbel, Antiquitäten Sonstiges 0% 50% 100%150%200%250%300%350%400%450%500%550% Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE Köln (2008); Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

Wettbewerbsprognose Die Wettbewerbsprognose beschreibt eine Entwicklung anhand demografischer und wirtschaftlicher Faktoren bei ebenfalls ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Einzelhandelsentwicklung unter der Annahme ungünstiger, aber nicht vorher- sehbarer Entwicklungen der externen Rahmenbedingungen (insbesondere Änderun- gen in den Nachbarkommunen, aber auch politische Ereignisse o.ä.). Dabei wird von einem Rückgang der Kaufkraftbindung von 10% gegenüber dem bei der Entwick- lungsprognose erreichbaren Niveau ausgegangen.

Bei sämtlichen voranstehend beschriebenen Prognosevarianten wurde angenommen, dass die Flächenleistungen bei positiverer wirtschaftlicher Entwicklung (obere Va- riante) in den kommenden Jahren wieder geringfügig ansteigen werden59. Bei der unteren Variante ist hingegen kein Anstieg der Flächenleistungen zu erwarten.

In Hinblick auf die getroffenen Annahmen kann es nicht ausschließliches Ziel sein, quantitativ Selbstversorgung bzw. eine bestimmte Kaufkraftbindung zu erreichen.

59 Nach dem Rückgang der Flächenproduktivitäten in den vergangenen Jahren ist zu erwarten, dass bei positiver wirtschaftlicher Entwicklung - vor einer Ausweitung der Flächen - zunächst die Produkti- vitäten steigen werden.

142

Vielmehr wird die Leitfrage nach Ermittlung des Flächenspielraumes lauten, wo vor dem Hintergrund einer langfristigen Erhaltung und Steigerung der Attraktivität der

Zentren insbesondere zentrenrelevanter Einzelhandel angesiedelt werden sollte (vgl. Kap. 8.2f.).

Einschränkend ist zu bemerken, dass die Bindungsquoten nur gehalten bzw. gestei- gert werden können, wenn eine hohe Identifikation mit der Stadt bzw. dem jeweili- gen Zentrum und ein attraktives Angebot des Einzelhandels sowie ein insgesamt gu- ter Funktionsmix (auch hinsichtlich Dienstleistungen und Gastronomie) erreicht wird. Dies verdeutlicht die Abhängigkeit der Flächenpotenziale vom Handeln in der Stadt.

7.2 PROGNOSEERGEBNISSE

7.2.1 Verkaufsflächenpotenziale insgesamt Aus den branchendifferenzierten Kaufkraftprognosen und der sich daraus ergeben- den Umsatzentwicklung wurden, unter Berücksichtigung der Entwicklung der Flächen- produktivität, Verkaufsflächenpotenziale für Titisee-Neustadt prognostiziert.

Der Verkaufsflächenspielraum ergibt sich als Differenz von Potenzial und vorhan- dener Fläche und ist eine Netto-Größe60. Infolge · des Rückgangs der Einwohnerzahl, · des bei der Wettbewerbsprognose in einigen Sortimentsbereichen angenomme- nen Rückgangs der Kaufkraftbindung, · der zu erwartenden Verschiebungen in der Nachfragestruktur sowie · der in der oberen Variante angenommenen Steigerung der Flächenleistungen können sich in einzelnen Sortimenten rechnerisch auch negative Werte ergeben. Hier wurde unterstellt, dass diese nicht zu tatsächlichen Flächenabgängen, sondern zu einer geringeren Steigerung bzw. einem Rückgang der Flächenleistung führen werden.

60 In der Zwischenzeit, d.h. nach der Erhebung im Oktober 2008, auftretende Abgänge von Flächen, die nicht weiter mit Einzelhandel belegt sind, ergeben einen darüber hinausgehenden (Brutto-)Zuwachs.

1 43

Der auf diese Weise abgeleitete Entwicklungsspielraum ist insofern wettbewerbs- neutral, als davon ausgegangen werden kann, dass der bestehende Einzelhandel bei einer über den Prognosezeitraum verteilten Realisierung der zusätzlichen Ver- kaufsflächen keine Einbußen erfahren muss: Er ist auf nachfrageseitige Änderun- gen zurückzuführen.

Sofern bereits ein Angebot vorhanden ist - und dies ist in allen Sortimentsberei- chen der Fall - kann dieser Zuwachs auch durch Geschäftserweiterungen gedeckt werden.

Die folgende Abbildung zeigt die sich aus der Prognose ergebende mögliche Ver- kaufsflächenentwicklung (Verkaufsflächenpotenzial) in Titisee-Neustadt in den un- terschiedlichen Prognosevarianten. Zur Verdeutlichung möglicher Abweichungen wird dabei zusätzlich ein Entwicklungskorridor dargestellt, der sich dadurch ergibt, dass bei den Zuwächsen jeweils nochmals eine Abweichung von 10% bei den obers- ten bzw. untersten Werten in Ansatz gebracht wird.

Abb. 51: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 - Angaben in qm

39.000 Zuwachskorridor 2015: 0 –11% 37.000 2020: 0 –19% 35.000

33.000

31.000

29.000

27.000

25.000 2008 2015 2020

Korridor (+/- 10%) Status-quo-Prognose uV Entwicklungsprognose uV Wettbewerbsprognose uV Status-quo-Prognose oV Entwicklungsprognose oV Wettbewerbsprognose oV

Quelle: eigene Berechnung, Legendenerläuterung: uV (untere Variante), oV (obere Variante)

Unter den dargestellten Rahmenbedingungen ergibt sich bis zum Jahr 2015 für Titi- see-Neustadt unter Berücksichtigung des Entwicklungskorridors ein Verkaufs-

144

flächenpotenzial von 0 qm (in der unteren Variante der Wettbewerbsprognose) bis zu rd. 3.400 qm (in der oberen Variante der Entwicklungsprognose). Bis zum Jahr 2020 erhöht sich dieser Entwicklungsspielraum auf bis zu rd. 5.600 qm, wobei in der unteren Variante der Wettbewerbsprognose weiterhin kein Entwicklungsspiel- raum zu verzeichnen ist. Diese Ergebnisse entsprächen im Vergleich zur derzeitigen Verkaufsfläche (ohne Lebensmittelhandwerk und Apotheken) von rd. 30.100 qm einer Steigerung um rd. 0% bis rd. 19%. Diese Spannweite zeigt, welche Bedeutung die - zumindest zum Teil - im Einflussbe- reich der Stadt (einschließlich der Einzelhändler) liegenden Entwicklungen auf den potenziellen Flächenzuwachs haben.

Sollte der Einzelhandelsumsatz wegen nicht vorhersehbarer Entwicklungen der ex- ternen Rahmenbedingungen um 10% einbrechen (Wettbewerbsprognose), so redu- ziert sich der Verkaufsflächenzuwachs gegenüber der Entwicklungsprognose auf rd. rd. 0 qm bis 2.400 qm bis 2020 (vgl. Tab. A - 19 im Anhang)61.

Da sich die vorgenannten Werte aus einem reinen Rechenvorgang ergeben, sind diese auf ihre Plausibilität zu prüfen: Die bei der Entwicklungsprognose (aber auch bei der Wettbewerbsprognose) angenommenen Steigerungen der Kaufkraftbindung sind insbesondere bei den baumarkt-/ gartencenterspezifische Sortimenten als an- spruchsvoll anzusehen. In diesem Sortimentsbereich entsteht bis 2020 ein rechne- risches Verkaufsflächenpotenzial von rd. 250 qm bis rd. 2.500 qm. Damit entfällt in der oberen Variante der Entwicklungsprognose knapp die Hälfte des gesamten Flächenpotenzials allein auf dieses Sortiment. Bleibt dieser rechnerische Entwick- lungsspielraum unberücksichtigt, so reduziert sich das gesamte Entwicklungs- potenzial entsprechend.

Eine Ausweitung der Flächen über den prognostizierten Verkaufsflächenzuwachs hinaus ist nur dann ohne Verdrängung bestehenden Einzelhandels möglich, wenn diese die Attraktivität des Einzelhandels in der Stadt Titisee-Neustadt derart er-

61 Dass das Flächenpotenzial bei der Wettbewerbsprognose höher ist als bei der Status-quo-Prognose, ist darauf zurückzuführen, dass auch in diesem Szenario davon ausgegangen wird, dass in Titisee- Neustadt (sowohl von der Stadt als auch von den Einzelhändlern) Maßnahmen zur verbesserten Kauf- kraftbindung ergriffen werden.

1 45

höht, dass über die hier angenommenen künftigen Bindungsquoten hinaus weitere Kaufkraft in die Stadt Titisee-Neustadt gezogen werden kann.

Zu Beginn dieses Kapitels wurde angemerkt, dass Flächenabgänge den Brutto-Zu- wachs an Verkaufsflächen erhöhen. Aus den Antworten der Einzelhändler auf die Frage nach beabsichtigten Veränderungen (vgl. Kap. 3.2.3.2) ergeben sich Flächenab- gänge von bis zu rd. 1.125 qm. (Dem stehen geplante Verkaufsflächenzuwächse von rd. 200 qm gegenüber.)

Das Ergebnis der Prognose stellt lediglich einen Orientierungswert für die künf- tige Einzelhandelsentwicklung dar: Die abgeleiteten Werte stellen weder Ziele noch einen "Deckel" für die künftige Entwicklung des Einzelhandels dar. Außerdem erfor- dert die unterstellte Erhöhung der Bindungsquoten bei der Entwicklungs- aber auch der Wettbewerbsprognose eine Änderung von Kaufkraftströmen und stellt einen län- gerfristigen Prozess dar. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der prognostizierte Zuwachs im Laufe von gut einem Jahrzehnt entsteht und nicht in vollem Umfang zum jetzigen Zeitpunkt reali- siert werden kann. Ansonsten entsteht die Gefahr, dass die damit verbundene zu- sätzliche Konkurrenz - entgegen den für die Prognose getroffenen Annahmen - auch zu einer Verdrängung bestehenden Einzelhandels führen könnte.

Allerdings bedeutet die Realisierung eines konkreten Projektes regelmäßig (ab ei- ner bestimmten Größe) auch eine angebotsseitige Änderung: Durch die zunehmende Attraktivität des Einzelhandels kann davon ausgegangen werden, dass auch die Kauf- kraftzuflüsse nach Titisee-Neustadt steigen. Entsprechend kann bei Realisierung ei- nes neuen Projektes nicht einfach die neu realisierte Verkaufsfläche vom prognosti- zierten Flächenzuwachs abgezogen werden.

7.2.2 Verkaufsflächenpotenziale nach Zentrenrelevanz Die voranstehenden allgemeinen Prognosewerte sind nur bedingt von Interesse. We- sentlich bedeutsamer ist die Frage, an welchen Stellen räumlich mit dem Entstehen dieses potenziellen Flächenzuwachses zu rechnen ist (vgl. Kap. 8.2f.). Bei der räumlichen Verteilung des für die Stadt Titisee-Neustadt insgesamt ermit- telten Flächenpotenzials ist die Zielsetzung einer Funktionsstärkung der Innenstadt

146

und der Erhaltung der Nahversorgung zu berücksichtigen (vgl. Kap. 6). Entsprechend dieser Zielsetzung sollte an nicht integrierten Standorten künftig kein zentrenrele- vanter Einzelhandel (vgl. Kap. 8.1) mehr zugelassen werden (vgl. Kap. 8.2f.).

Um zu zeigen, an welchen Standorten das prognostizierte Flächenpotenzial entsteht, ist im Folgenden dargestellt, wie sich der rechnerische Entwicklungsspielraum über- schlägig auf die nahversorgungsrelevanten Sortimente (kurzfristiger Bedarf), die sonstigen zentrenrelevanten Sortimente (mittelfristiger und Teile des langfristigen Bedarfs) sowie auf die nicht zentrenrelevanten Sortimente verteilt (vgl. auch Tab. A - 17ff. im Anhang). Dabei sind wiederum Potenzialkorridore angegeben, die sich dadurch ergeben, dass bei den Zuwächsen jeweils nochmals eine Abweichung von 10% bei den obersten bzw. untersten Werten in Ansatz gebracht wird.

Nahversorgungsrelevante Sortimente Im Bereich der nahversorgungsrelevanten Sortimente, d.h. Sortimente des kurz- fristigen Bedarfsbereiches, entsteht - auf Grund des derzeitigen großen Angebotes - ein rechnerisches Verkaufsflächenpotenzial von lediglich rd. 0 qm bis rd. 550 qm bis zum Jahr 2020. Dies entspricht gegenüber der derzeitigen Verkaufsfläche von rd. 9.150 qm einer Steigerung von bis zu 6%. Dieser Zuwachs sollte möglichst wohnort- nah - sofern möglich in den zentralen Versorgungsbereichen - realisiert werden, so dass eine Verbesserung bzw. zumindest eine Sicherung der Nahversorgungssituation (vgl. Kap. 5.2) erfolgen kann.

1 47

Abb. 52: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 im Bereich der nahversorgungsrelevanten Sortimente - Angaben in qm 10.000 Zuwachskorridor 9.900 2015: 0 –4% 9.800 2020: 0 –6% 9.700 9.600 9.500 9.400 9.300 9.200 9.100 9.000 2008 2015 2020

Korridor (+/- 10%) Status-quo-Prognose uV Entwicklungsprognose uV Wettbewerbsprognose uV Status-quo-Prognose oV Entwicklungsprognose oV Wettbewerbsprognose oV

Quelle: eigene Berechnung, Legendenerläuterung: uV (untere Variante), oV (obere Variante)

Von dem o.g. Entwicklungsspielraum entfallen über den gesamten Prognosezeitraum von zwölf Jahren - unter Annahme optimaler Bedingungen bezogen auf Einwohner- entwicklung und Kaufkraftpotenzial - lediglich bis zu rd. 350 qm auf den Bereich Nahrungs-/ Genussmittel: Ein Flächenpotenzial in dieser geringen Größenordnung liegt dabei deutlich unter der Dimension eines neuen Lebensmittelmarkts, in der die großen Konzerne neue Betriebe realisieren möchten (vgl. hierzu Kap. 8.3.4). Das durchschnittliche jährliche Potenzial liegt bei nur rd. 25 qm.

Sonstige zentrenrelevante Sortimente Im Bereich der sonstigen zentrenrelevanten Sortimente entsteht ein Verkaufsflä- chenpotenzial von 0 qm bis maximal rd. 1.450 qm bis zum Jahr 2020. Dies entspricht gegenüber der derzeitigen Verkaufsfläche von rd. 11.950 qm einem Zuwachs von 0% bis zu 12%. Entsprechende Angebote sollten vorrangig in den zentralen Versorgungsbereichen untergebracht werden (vgl. Kap. 4.3.2 und 4.4.2).

Wird dieser Flächenentwicklungsspielraum mit der derzeitigen Verkaufsfläche in den zentralen Versorgungsbereich verglichen (knapp 10.800 qm; vgl. Kap. 5.1), so würde die ausschließliche Realisierung des gesamten entsprechenden Flächenpotenzials in

148

den zentralen Versorgungsbereichen im Höchstfall eine Erhöhung der dort vorhan- denen Verkaufsfläche um rd. ein Achtel bedeuten.

Abb. 53: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 im Bereich der sonstigen zentrenrelevanten Sortimente - Angaben in qm 14.000 Zuwachskorridor

13.500 2015: 0 –7% 2020: 0 –12% 13.000

12.500

12.000

11.500

11.000 2008 2015 2020

Korridor (+/- 10%) Status-quo-Prognose uV Entwicklungsprognose uV Wettbewerbsprognose uV Status-quo-Prognose oV Entwicklungsprognose oV Wettbewerbsprognose oV

Quelle: eigene Berechnung, Legendenerläuterung: uV (untere Variante), oV (obere Variante)

Nicht zentrenrelevante Sortimente Im Bereich der nicht zentrenrelevanten Sortimente (v.a. baumarkt-/ gartencen- terspez. Sortimente) ist ein Verkaufsflächenpotenzial von rd. 0 qm bis 3.600 qm bis zum Jahr 2020 zu erwarten. Dies entspricht gegenüber der derzeitigen Verkaufsflä- che einem Zuwachs von 0% bis zu 40%. Bei diesem Teil des Flächenzuwachses ist die räumliche Komponente von nachgeord- neter Bedeutung.

1 49

Abb. 54: Mögliche Verkaufsflächenentwicklung in Titisee-Neustadt bis 2020 im Bereich der nicht zentrenrelevanten Sortimente - Angaben in qm 13.000 Zuwachskorridor 12.500 2015: 0 –24% 12.000 2020: 0 –40% 11.500 11.000 10.500 10.000 9.500 9.000 8.500 8.000 2008 2015 2020 Korridor (+/- 10%) Status-quo-Prognose uV Entwicklungsprognose uV Wettbewerbsprognose uV Status-quo-Prognose oV Entwicklungsprognose oV Wettbewerbsprognose oV Quelle: eigene Berechnung, Legendenerläuterung: uV (untere Variante), oV (obere Variante)

Bei der Realisierung des Verkaufsflächenpotenzials sollte berücksichtigt werden, dass · die Prognosewerte lediglich Orientierungswerte darstellen, · Umsatzumverteilungen bei der Realisierung von deutlich mehr Verkaufsfläche möglich sind, · Ansiedlungen nahversorgungs- und zentrenrelevanter Angebote an städtebaulich "richtigen" Standorten erfolgen sollten und · eine kurzfristige Realisierung des gesamten bis 2020 ermittelten Verkaufs- flächenpotenzials vermieden werden sollte.

150

8. MAßNAHMENKONZEPT ZUR STÄRKUNG DES EINZELHANDELS

In diesem Arbeitsschritt wird ein entsprechendes planerisches Konzept erarbeitet, durch das eine räumliche Lenkung des Einzelhandels ermöglicht - und damit ein wichtiger Teil der Zentrenentwicklung langfristig gesichert - werden kann. Wichtiger Bestandteil dieses Konzeptes ist die Sortimentsliste, die nach der Zent- renrelevanz einzelner Sortimente unterscheidet. Diese wurde auf Grundlage der Be- standserfassung erstellt, wobei allgemeine Kriterien zur Einstufung von Sortimen- ten hinzugezogen wurden.

Auf Grundlage der dargestellten allgemeinen Trends der betrieblichen und räumli- chen Einzelhandelsentwicklung, der Ist-Situation sowie vor dem Hintergrund der Ziele, des abgeleiteten quantitativen Entwicklungspotenzials und der auf den Zielen basierenden Grundsätze zur räumlichen Einzelhandelsentwicklung werden räumliche Entwicklungsmöglichkeiten für die zentralen Versorgungsbereiche ab- geleitet. Diese sollen die spezifischen Erfordernisse des Einzelhandels berücksichti- gen und die dargestellten Ziele unterstützen. Neben den Entwicklungsmöglichkeiten für den zentralen Versorgungsbereich werden die Möglichkeiten einer Verbesserung der Nahversorgungssituation dargestellt.

Wenn nachgewiesen ist, dass es räumliche Entwicklungsmöglichkeiten für die beiden Zentren gibt, ist eine wesentliche Voraussetzung für das Verfolgen eines Einzelhan- delskonzeptes gegeben.

Erfahrungen aus anderen Städten und Gemeinden zeigen, dass die städtebauliche Attraktivität ein wichtiger Beitrag zur positiven Akzeptanz eines Standortes und damit Städtebau ein ökonomisch wichtiger Faktor ist. Mit der Stärken-Schwächen- Analyse (vgl. Kap. 4.3.5 und 4.4.5) liegen auch Bewertungen in Bezug auf die städte- bauliche Situation in den zentralen Versorgungsbereichen in Titisee und Neustadt vor, welche erste Hinweise auf entsprechende Maßnahmenansätze sind. Insofern werden im Kap. 8.3.1 konkrete städtebaulich-gestalterische Maßnahmenvor- schläge unterbreitet, die sich sowohl an die Stadt als auch an die Immobilieneigen- tümer richten. Auf Grund der festgestellten Leerstandsproblematik in Neustadt wird zudem ein Vorschlag für ein strukturiertes Vorgehen im Rahmen eines Laden- flächenmanagements gemacht.

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Da für die positive Entwicklung des Einzelhandels vor allem die Einzelhändler selbst verantwortlich sind, werden in einem weiteren Arbeitsschritt auch deren Möglichkeiten zur Verbesserung des Einzelhandelsstandortes Titisee-Neustadts dar- gelegt (vgl. Kap. 8.4.3). Im abschließenden Kapitel 8.3 werden Maßnahmen zur Aktivierung möglicher Flächenpotenziale aufgezeigt.

Ergänzend wird ein Verfahrensvorschlag unterbreitet, welcher ein verwaltungs- technisches und politisches Umsetzen des Planungskonzeptes ermöglicht. Auf Grund der Erfahrungen aus vergleichbaren Untersuchungen werden Formulierungen für bau- planungsrechtliche Festsetzungen in B-Plänen vorgeschlagen.

8.1 VORSCHLAG FÜR EINE SORTIMENTSLISTE

Im Rahmen der Grundsätze für die künftige räumliche Einzelhandelsentwicklung (vgl. Kap. 8.2) sind die Kategorien zentrenrelevante/ nicht zentrenrelevante Sortimente bedeutsam. Als Basis für die räumliche Beschränkung der Genehmigungsfähigkeit von Einzelhandelsvorhaben ist es notwendig, eine Sortimentsliste zu erstellen, wel- che nach zentrenrelevanten und nicht zentrenrelevanten Sortimenten unterschei- det62.

8.1.1 Kriterien Auf Grund zahlreicher Erfahrungen hat sich für die Zuordnung der Sortimente der folgende Kriterienkatalog herausgebildet: Zentrenrelevant sind Sortimente, die · täglich oder wöchentlich nachgefragt werden - kurzfristiger Bedarf; · eine bestimmte Funktion am Standort erfüllen - z.B. als Frequenzbringer; · vom Kunden gleich mitgenommen werden können ("Handtaschensortiment"); · einer zentralen Lage bedürfen, weil sie auf Frequenzbringer angewiesen sind; · Konkurrenz benötigen, um ein entsprechendes Absatzpotenzial zu erreichen; · für einen attraktiven Branchenmix notwendig sind; · in den zentralen Versorgungsbereichen am stärksten vertreten sind.

62 Vgl. VGH Baden-Württemberg: Urteil vom 30.01.06, AZ 3 S 1259/05; ferner bereits Birk (1988), a.a.O., S. 288.

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Nicht zentrenrelevant dagegen sind vor allem Sortimente, die · die zentralen Standorte nicht prägen; · auf Grund ihrer Größe und Beschaffenheit bzw. wegen der Notwendigkeit eines Pkw-Transports überwiegend an gewerblichen Standorten angeboten werden (z.B. Baustoffe); · auf Grund ihres hohen Flächenbedarfs nicht für zentrale Lagen geeignet sind (z.B. Möbel); · eine geringe Flächenproduktivität aufweisen.

Neben funktionalen Bedeutungen einzelner Sortimente wird auch die momentane räumliche Verteilung des Angebots in der Stadt herangezogen63. Es reicht nicht aus, die entsprechende Liste aus dem Einzelhandelserlass Baden-Württemberg zu über- nehmen. Damit ergibt sich, dass städtebaulich begründet auch solche Sortimente als zentrenrelevant eingestuft werden dürfen, die heute nicht mehr/ noch nicht in dem zentralen Versorgungsbereich zu finden sind: Solche Sortimente können an Stand- orten außerhalb mit dem Ziel ausgeschlossen werden, eventuelle Neuansiedlungen zwecks Steigerung oder Erhaltung der Attraktivität der Innenstadt zuzuführen64.

8.1.2 Räumliche Verteilung der Sortimente in Titisee-Neustadt Auf Grund der Bedeutung einer ortspezifischen Sortimentsliste wird nachfolgend die derzeitige räumliche Verteilung der in Titisee-Neustadt vorhandenen Sorti- mente dargestellt.

Verteilung üblicherweise zentrenrelevanter Sortimente Die nachfolgende Abb. 55 illustriert dabei die Verteilung üblicherweise zentren- relevanter Sortimente nach Standorttypen in Titisee-Neustadt. Dabei zeigt sich, dass Nahrungs-/ Genussmittel sowie Haushaltswaren/ Bestecke und Zeitungen/ Zeit- schriften überwiegend bzw. zu hohem Anteil in nicht integrierter Lage zu finden sind. Ansonsten befindet sich das Angebot der üblicherweise zentrenrelevanten Sortimente vornehmlich in integrierten Lagen, wenngleich auch die stellenweise

63 Der Einzelhandelserlass Baden-Württemberg regelt nicht abschließend, dass die dort im Anhang auf- geführten Sortimente ausschließlich entsprechend den örtlichen Gegebenheiten einzustufen sind; vgl. Ziff. 2.2.5: "In der jeweiligen Innenstadt nicht (mehr) vorhandene Sortimente sind dabei nicht automatisch nicht mehr zentrenrelevant." 64 BVerwG: Beschluss vom 10.11.2004, Az. 4 BN 33/04.

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hohen Anteile innenstadtprägender Sortimente wie beispielsweise Schuhe und Zu- behör oder nahversorgungsrelevanter Sortimente wie Drogeriewaren in nicht integrierter Lage auffallen.

Abb. 55: Verkaufsflächenverteilung üblicherweise zentrenrelevanter Sortimente nach Standort- typ

Arzneimittel Bastel- und Geschenkartikel Bekleidung aller Art (Schnitt-)Blumen Bücher IS Neustadt Computer, Kommunikationselektronik IS Titisee Drogeriewaren sonstige integriert Elektrokleingeräte nicht integriert Foto, Video Gardinen und Zubehör Glas, Porzellan, Keramik Haus-, Heimtextilien, Stoffe Haushaltswaren/ Bestecke Hörgeräte Kunstgewerbe/ Bilder und -rahmen Kurzwaren, Handarbeiten, Wolle Leder- und Kürschnerwaren Musikalien Nähmaschinen Nahrungs- und Genussmittel Optik Papier-, Schreibwaren, Schulbedarf Sanitätswaren Schuhe und Zubehör Spielwaren Sportartikel einschl. Sportgeräte Tonträger Uhren Unterhaltungselektronik und Zubehör Waffen, Jagdbedarf Zeitungen/ Zeitschriften Zooartikel 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Entgegen seiner rechnerischen Verteilung sollte das Sortiment Nahrungs-/ Ge- nussmittel in jedem Fall als zentrenrelevant eingestuft werden. Zur Erhaltung der Nahversorgung im eigentlichen Sinne ist das Angebot von Lebensmitteln unabding- bar. Darüber hinaus sind Lebensmittelanbieter auf Grund ihrer hohen Magnet- funktion vor allem für die Erhaltung und Stärkung der Versorgungsfunktion zent- raler Versorgungsbereiche von herausragender Bedeutung. Auch im Hinblick auf de- mografische Veränderungen (Erhöhung des Anteils alter Menschen) sind Nahrungs-/ Genussmittel auf integrierte Standorte zu beschränken. Im Übrigen wandeln sich die Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe angesichts der wechselnd angebotenen, meist zentrenrelevanten Aktionswaren zunehmend zu Kaufhäusern, was sich insbesondere bei einigen Lebensmitteldiscountern feststellen lässt. Auch deswegen ist grundsätz- lich eine Zentrenrelevanz für das Sortiment Nahrungs-/ Genussmittel, das über-

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wiegend in Lebensmittelbetrieben angeboten wird, gegeben. Aus diesen Gründen sollten Lebensmittel als zentrenrelevantes Sortiment ausgewiesen werden.

Die rechnerisch unklaren Sortimentsbereiche Haushaltswaren und Bestecke und Zeitungen/ Zeitschriften erfüllen die o.g. Kriterien für zentrenrelevante Sorti- mente grundsätzlich in hohem Maß und sollten daher entsprechend als zentrenrele- vant eingestuft werden.

Verteilung üblicherweise nicht zentrenrelevanter Sortimente Im Folgenden wird die Verkaufsflächenverteilung üblicherweise nicht zentrenrele- vanter Sortimente in Titisee-Neustadt abgebildet. Die räumliche Verteilung üblicherweise nicht zentrenrelevanter Sortimente geht nur teilweise konform mit der üblichen Zuordnung. So weichen die Sortimente Beleuch- tungskörper/Lampen, Bodenbeläge/ Teppiche/ Tapeten, Elektrogroßgeräte, Fahrrä- der und Zubehör, Farben und Lacke, Küchen (inkl. Einbaugeräte), Möbel, Pflanzen und Gefäße sowie Rollläden/ Markisen von der üblichen Verteilung ab bzw. sind nicht eindeutig zuzuordnen.

Abb. 56: Verkaufsflächenverteilung üblicherweise nicht zentrenrelevanter Sortimente nach Standporttyp

Bad-, Sanitäreinrichtungen und -zubehör

Bauelemente, Baustoffe

Beleuchtungskörper, Lampen

Beschläge, Eisenwaren

Bodenbeläge, Teppiche, Tapeten

Elektrogroßgeräte

Fahrräder und Zubehör motorisierte Fahrzeuge aller Art und Zubehör

Farben, Lacke

Gartenhäuser, -geräte, sonst. Gartenbedarf IS Neustadt IS Titisee Holz sonstige integriert Installationsmaterial nicht integriert

Küchen (inkl. Einbaugeräte)

Möbel (inkl. Büromöbel)

Pflanzen und -gefäße

Rolläden und Markisen

Werkzeuge

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

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Angesichts ihrer Größe und Beschaffenheit bzw. ihrer Transportfähigkeit, ihres ho- hen Flächenbedarfs und ihrer geringen Flächenproduktivität sind Möbel für eine Ansiedlung in zentralen Lagen weniger geeignet und werden daher den nicht zent- renrelevanten Sortimenten zugeordnet. Ähnliches gilt für das Sortiment Küchen (inkl. Einbaugeräte). Bei Farben und Lacke, Bodenbeläge/ Teppiche/ Tapeten, Pflanzen und Gefäße und Rolläden/ Markisen handelt es sich um typische baumarkt- und gartencenter- spezifische Sortimente, die damit als nicht zentrenrelevant eingestuft werden.

Abweichend hiervon erfolgt für Elektrogroßgeräte, die oft in Zusammenhang mit Elektrokleingeräten angeboten werden, für Fahrräder und Zubehör - insbesondere auch zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen zu Sportartikeln und -geräten - sowie für Beleuchtungskörper, Lampen im Vorschlag eine Einstufung als zentren- relevant.

8.1.3 Vorschlag für eine Sortimentsliste Nach dieser Abwägung wird nachfolgend die Sortimentsliste für Titisee-Neustadt dargestellt. Diese wurde auf Basis der räumlichen Verteilung des Angebotes in der Stadt und der o.g. allgemeinen Merkmale erstellt und ist somit stadt- bzw. ort- spezifisch.

Die Sortimentsliste stellt einen Vorschlag dar und unterliegt dem Abwägungsvorbe- halt des Gemeinderates der Stadt Titisee-Neustadt (vgl. Kap. 8.5); allerdings ist eine Abweichung vom gutachterlichen Vorschlag dabei zu begründen. Dabei sind "Umstufungen" von als nicht zentrenrelevant vorgeschlagenen Sortimen- ten in die Kategorie zentrenrelevanter Sortimente relativ unproblematisch.

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Abb. 57: Vorschlag für eine Sortimentsliste

Zentrenrelevante Sortimente Nicht zentrenrelevante Sortimente · Arzneimittel · Bad-, Sanitäreinrichtungen und -zubehör · Babyausstattung · Bauelemente, Baustoffe · Bastel- und Geschenkartikel · Beschläge, Eisenwaren · Bekleidung aller Art · Bodenbeläge, Teppiche, Tapeten · Beleuchtungskörper, Lampen · Büromaschinen (ohne Computer) · Schnitt-)Blumen · motorisierte Fahrzeuge aller Art und Zubehör · Briefmarken · Farben, Lacke · Bücher · Fliesen · Campingartikel · Gartenhäuser, -geräte, sonst. Gartenbedarf · Computer, Kommunikationselektronik · Herde/ Öfen · Drogeriewaren · Holz · Elektroklein und -großgeräte · Installationsmaterial · Fahrräder und Zubehör · Kinderwagen,- sitze · Foto, Video · Küchen (inkl. Einbaugeräte) · Gardinen und Zubehör · Möbel (inkl. Büromöbel) · Glas, Porzellan, Keramik · Pflanzen und –gefäße · Haus-, Heimtextilien, Stoffe · Rollläden und Markisen · Haushaltswaren/ Bestecke · Werkzeuge · Hörgeräte · Kosmetika und Parfümerieartikel · Kunstgewerbe/ Bilder und Rahmen · Kurzwaren, Handarbeiten, Wolle · Leder- und Kürschnerwaren · Musikalien · Nähmaschinen · Nahrungs- und Genussmittel (inkl. Getränke) · Optik und Akustik · Papier-, Schreibwaren, Schulbedarf · Reformwaren · Sanitätswaren · Schuhe und Zubehör · Spielwaren · Sportartikel einschl. Sportgeräte · Tonträger · Uhren/ Schmuck, Gold- und Silberwaren · Unterhaltungselektronik und Zubehör · Waffen, Jagdbedarf · Zeitungen/ Zeitschriften · Zooartikel

Quelle: eigene Darstellung

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8.2 GRUNDSÄTZE ZUR RÄUMLICHEN EINZELHANDELSENTWICKLUNG

Im Mittelzentrum Titisee-Neustadt ergibt sich bis zum Jahr 2020 unter den opti- mistischen Bedingungen ein rechnerisches Verkaufsflächenpotenzial von insgesamt bis zu rd. 5.600 qm; eine eher konservative Betrachtung macht allerdings deutlich, dass auch Stagnation im Bereich des Möglichen liegt (vgl. Kap. 7.2.1). Ungeachtet des Szenarios ist festzustellen, dass der weit überwiegende Teil des Entwicklungsspiel- raums mit bis zu knapp 3.600 qm im nicht zentrenrelevanten Bedarfsbereich ent- steht (vgl. Kap. 7.2.2). Bei den üblicherweise zentrenrelevanten Sortimenten (inkl. nahversorgungsrele- vanten Sortimenten) ergibt sich bis zum Jahr 2020 ein vergleichsweise geringes Verkaufsflächenpotenzial, das zwischen 0 und rd. 2.000 qm liegt. Die räumliche Ver- ortung von zukünftigen Einzelhandelsansiedlungen ist hierbei insbesondere unter Berücksichtigung des in Kap. 6 formulierten Ziels zur Stärkung des Ortszentrums von Titisee bzw. der Innenstadt von Neustadt von zentraler Bedeutung, wofür grund- sätzliche Strategien verfolgt werden sollen.

Um die aufgeführten Ziele zu erreichen, werden als Strategie zur langfristigen Sicherung der Versorgungsstrukturen für künftige Einzelhandelsansiedlungen die folgenden Grundsätze zur räumlichen Einzelhandelsentwicklung vorgeschlagen.

8.2.1 Umgang mit zentrenrelevantem Einzelhandel

Grundsatz: Zentrenrelevanter Einzelhandel vorrangig in den zentralen Ver- sorgungsbereichen

Zentrenrelevante Sortimente (vgl. Kap. 8.1) sollen als Hauptsortimente von Einzel- handelsbetrieben künftig vorrangig in den abgegrenzten zentralen Versor- gungsbereichen in Titisee und Neustadt angesiedelt werden.

Für die zentralen Versorgungsbereiche wurden Vorschläge für die Abgrenzung in der Ist-Situation dargestellt (vgl. für Titisee Kap. 4.3.2, für Neustadt Kap. 4.4.2). Hierbei wurden bereits Flächenpotenziale, die in diesen Bereichen zur Verfügung stehen, berücksichtigt.

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Es ist jedoch zu beachten, dass sich zentrale Versorgungsbereiche auch aus planerischen Festlegungen ergeben können65. Der Gemeinderat hat am 20.Oktober 2009 in einer öffentlichen Sitzung eine veränderte, perspektivische Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches beschlossen (vgl. Kap. 8.3.3).

In nicht integrierten Lagen sollen zentrenrelevante Sortimente grundsätzlich nicht angesiedelt werden; ausnahmsweise als Randsortimente in Betrieben mit nicht zentrenrelevantem Hauptsortiment.

Grundsatz: Großflächiger zentrenrelevanter Einzelhandel ausschließlich in den zentralen Versorgungsbereichen in Neustadt (vorrangig) und Titisee

Die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit zentren-/ nahversor- gungsrelevanten Hauptsortimenten - d.h. auf einer Verkaufsfläche von mehr als 800 qm66 - sollte zukünftig lediglich in den zentralen Versorgungsbereichen zulässig sein. Auf Grund der Angebotsausrichtung der Innenstadt von in Neustadt, die - im Gegensatz zum Ortszentrum von Titisee mit einer vorwiegend auf den touristischen Bedarf ausgerichteten Angebotsstruktur -eine mittelzentralen Versorgungsfunktion wahrnehmen sollte, ist der zentralen Versorgungsbereich von Neustadt als Vorrang- gebiet für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe zu betrachten.

Ausnahmen für zentrenrelevanten Einzelhandel in integrierter Lage

Die Ansiedlung bzw. die Erweiterung großflächiger Lebensmittelbetriebe können bei nachgewiesener standortgerechter Dimensionierung ausnahmsweise außerhalb des zentralen Versorgungsbereiches zugelassen werden, sofern es sich um · integrierte Standorte mit Nahversorgungslücken handelt und · der Betrieb der Nahversorgung der Bevölkerung dient und entsprechend dimen- sioniert ist.

65 Vgl. Urteil BverwG vom 11.10.2007: Zentrale Versorgungsbereiche "können sich sowohl aus pla- nerischen Festlegungen als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben." 66 Entsprechend dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.11.05 ist ein Einzelhandelsbetrieb als großflächig einzuordnen, wenn er eine Verkaufsfläche von 800 qm überschreitet. Ist dies der Fall, ist das Vorhaben nur in Kern- und Sondergebieten zulässig. BVerwG, 4 C 10.04, 4 C 14.04, 4 C 3.05 , 4 C 8.05 vom 24.11.05.

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Dies ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, da in jedem Fall eine Gefährdung des zent- ralen Versorgungsbereichs bzw. bereits bestehender Strukturen, die zur Nahversor- gung der Bevölkerung beitragen, zu vermeiden ist.

Bei zentrenrelevantem Einzelhandel unterhalb der Großflächigkeit ist - wenn planungsrechtlich überhaupt möglich - zu prüfen, ob eine Ansiedlung außerhalb des zentralen Versorgungsbereiches sinnvollerweise planungsrechtlich unterbunden werden sollte bzw. nur ausnahmsweise zuzulassen ist. Die Ausnahmen betreffen ins- besondere Betriebe mit einem kurzfristigen Angebotsschwerpunkt, die der Nahver- sorgung dienen oder z.B. Erweiterungsvorhaben von Fachgeschäften im Eigentum zur Sicherung der wirtschaftlichen Rentabilität und Fortbestehen des Betriebes. Auch hier ist auf eine standortgerechte Dimensionierung zu achten.

Auch wenn außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche in MI-Gebieten (§ 6 BauNVO) i.d.R. Einzelhandel grundsätzlich möglich ist, sollte geprüft werden, ob es stadtentwicklungsplanerisch sinnvoll ist, in bestimmten MI-Gebieten zentrenrele- vanten Einzelhandel auszuschließen.

8.2.2 Umgang mit nicht zentrenrelevantem Einzelhandel

Grundsatz: Nicht zentrenrelevanter Einzelhandel in den zentralen Versor- gungsbereichen und außerhalb

Nicht zentrenrelevanter Einzelhandel kann grundsätzlich im gesamten Stadtgebiet, wo Einzelhandel zulässig ist, angesiedelt werden. Dabei sollte jedoch behutsam mit Flächenbereitstellungen für Einzelhandelsflächen in Gewerbegebieten umgegangen werden, da ansonsten u.U. die Standortqualität bezogen auf andere gewerbliche Nutzungen sinkt bzw. die Bodenpreise für andere Nutzungen zu stark erhöht werden. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob die Stadt Titisee-Neustadt es sich leisten kann/ will - auch auf Grund der geringen Entwicklungsspielräume -gewerbliche Flächen dem Einzelhandel zur Verfügung zu stellen. In Zukunft sollten Ansiedlungswünsche - soweit planungsrechtlich möglich - auch im Hinblick auf ihre zentralitätssteigernde Wirkung bewertet werden. Gleichzeitig sollten Neuansiedlungen von Einzelhandel vorzugsweise an bereits bestehenden Ein- zelhandelsstandorten stattfinden. Dabei ist eine räumliche Nähe zu den zentralen

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Versorgungsbereichen auf Grund möglicher positiver Kopplungseffekte - soweit diese bei nicht zentrenrelevantem Einzelhandel überhaupt auftreten - vorzuziehen.

Ausnahme: Randsortimente an nicht integrierten Standorten Problematisch bei der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben mit nicht zentrenrele- vantem Hauptsortiment außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche (z.B. an nicht integrierten Standorten) ist das inzwischen übliche Angebot von zentrenrelevanten Randsortimenten in solchen Betrieben (z.B. Haushaltswaren in Möbelgeschäften). Obwohl das Anbieten von zentrenrelevanten Randsortimenten den städtebaulichen Zielen des Märkte- und Zentrenkonzeptes auf Grund der in der Summe aller Ange- bote möglichen schädlichen Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche entgegensteht, wäre ein völliger Ausschluss dieses Angebotstyps unrealistisch, da er sich bereits in vielen Branchen durchgesetzt hat. Jedoch sollten diese zent- renrelevanten Randsortimente nur in begrenztem Umfang und vor allem nur dann, wenn ein direkter Bezug zum Hauptsortiment vorhanden ist (z.B. nicht Lebensmittel im Baumarkt), zulässig sein. Bisher hat sich eine Begrenzung der zentrenrelevanten Randsortimente auf rd. 10% der gesamten Verkaufsfläche als praktikabel erwiesen. Darüber hinaus ist allerdings eine absolute Obergrenze festzulegen; auch nach aktuellen Entscheidungen z.B. des Regierungepräsidiums Karlsruhe67 können dabei 800 qm Verkaufsfläche (als Grenze zur Großflächigkeit) - abgeleitet aus dem Landesentwicklungsplan Baden-Württem- berg 200268 - als Obergrenze begründbar festgelegt werden. Unabhängig von der Größe der Verkaufsfläche für zentrenrelevante Randsortimente sollte dabei sichergestellt werden, dass diese nicht von einem einzigen Sortiment belegt werden kann. D.h., dass zusätzlich angegeben sein sollte, wie groß die Fläche für ein einzelnes Sortiment maximal sein darf. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass eine solche Regelung nicht zur Einrichtung eines Shop-in-Shop-Systems genutzt wird, denn dieses käme einem Einkaufszentrum gleich.

Ausnahme "Leerstandsdomino"

67 Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10.02.2008: Hornbach Baumarkt AG: Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) schließt Raumordnungsverfahren für die Erweiterung des be- stehenden Bau- und Gartenmarktes in Sinsheim ab; geplante Erweiterung des Bau- und Gartenmark- tes ist zusammen mit der kleinräumigen Standortverlagerung raumverträglich: http://www.rp.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1245208/index.htm 68 LEP 2002, Plansatz 3.3.7.2 (Ziel)

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Vor allem auf Grund des begrenzten quantitativen Entwicklungsspielraums auch für nicht zentrenrelevante Sortimente sollte die Flächenbereitstellung hier eher zurück- haltend erfolgen. Auch wenn die Konkurrenz am Standort gefördert werden soll, kann es daher städtebaulich sinnvoll sein, in Zukunft Ansiedlungswünsche - soweit planungsrechtlich möglich - abzuwehren, wenn ersichtlich ist, dass dadurch keine zusätzliche Zentralitätssteigerung entsteht, sondern lediglich die Position traditio- neller Einzelhandelslagen, insbesondere in den beiden Zentren, aber auch an beste- henden nicht integrierten Standorten (z.B. Gewerbegebiete) geschwächt wird.

Bei der Genehmigung von neuen Einzelhandelsbetrieben mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten ist zu beachten, dass - auch bei grundsätzlicher Verträglichkeit - nur eine bestimmte Tragfähigkeit für einzelne Angebote besteht. Wird diese über- schritten, so ergibt sich die Gefahr eines "Leerstandsdominos": Ein reiner Verdrän- gungswettbewerb führt zu vermehrten Leerständen in gewerblich genutzten Gebie- ten. Ein ehemaliger Einzelhandelsstandort mit einer sich daran orientierten Umge- bungsnutzung lässt sich nur langsam zu einem (hoch)wertigen Gewerbestandort für sonstige Gewerbebetriebe umwidmen. Zudem entsteht auf solchen Flächen üblicher- weise ein Nachnutzungsdruck durch zentrenrelevante Sortimente, denen zwar plane- risch begegnet werden kann, die aber dennoch immer wieder (unnötige) Diskussi- onen auslösen können.

8.3 RÄUMLICHE ENTWICKLUNGSOPTIONEN

Nach dieser grundsätzlichen räumlichen Festlegung zur Ansiedlung von Einzelhandel innerhalb von Titisee-Neustadt, wird nachfolgend dargestellt, an welchen Stand- orten innerhalb der Stadt eine räumliche Entwicklung sinnvoll möglich ist: Insge- samt wurde in Titisee-Neustadt im Bereich der sonstigen zentrenrelevanten Sorti- mente ein Verkaufsflächenentwicklungsspielraum bis 2020 von maximal rd. 1.450 qm ermittelt. Darüber hinaus wurde im Bereich der nahversorgungsrelevanten Sorti- mente ein Verkaufsflächenpotenzial von bis zu 550 qm abgeleitet (vgl. Kap. 7.2.2). Da es sich hierbei lediglich um geringfügige wettbewerbsneutrale Entwicklungsspiel- räume handelt, bedeutet dies für die künftige räumliche Einzelhandelsentwicklung von Titisee-Neustadt unter Berücksichtigung der in Kap. 8.2 dargestellten Grund- sätze konkret:

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· eine Konzentration der räumlichen Einzelhandelsentwicklung auf die zentralen Versorgungsbereiche und die Nutzung darin liegender Flächen- und Nachverdich- tungspotenziale · sowie den Erhalt der Gewerbegebiete - allerdings in Bezug auf die Neuansied- lung von Einzelhandel allenfalls als Standorte für nicht zentrenrelevante Sorti- mente (vgl. Kap. 8.2.2).

Unabhängig von standortbezogenen Überlegungen sollte die Stadt Titisee-Neustadt gemeinsam mit weiteren Akteuren, wie Einzelhändlern/ Dienstleistern, Gastronomen und Immobilienbesitzern, Maßnahmen ergreifen, welche die räumliche Entwicklung der Innenstadt von Neustadt unterstützen. Projekte in anderen Städten haben immer wieder gezeigt, dass es Möglichkeiten gibt, durch kreative Konzepte den Entwick- lungen im Einzelhandel gerecht zu werden. Durch Zusammenlegung von Geschäftsflächen, z.T. auch über mehrere Gebäude, kön- nen bei einer geschlossenen Bebauung wie in der Innenstadt von Neustadt größere zusammenhängende Verkaufsflächen geschaffen werden. Erfahrungsgemäß weisen durch Zusammenlegung entstandene Geschäfte oftmals einen individuellen Charakter auf, ohne das Stadtbild zu beeinträchtigen. Im gesamten Bereich der abgegrenzten zentralen Versorgungsbereiche (insbesondere in Neustadt) sollten deshalb Möglich- keiten der Zusammenlegung von Flächen im Erdgeschossbereich überprüft werden. Bestehende Leerstände sollten bei der künftigen räumlichen Einzelhandelsentwick- lung berücksichtigt werden. Möglicherweise ergibt sich durch die Zusammenführung mit benachbarten Geschäften die Möglichkeit der Realisierung moderner, wirt- schaftlich stabilerer Geschäftseinheiten. Durch das Schaffen geeigneter Räumlich- keiten könnten u.U. Einzelhandels- oder auch Gastronomiebetriebe angesiedelt wer- den. Oftmals ergeben sich, wie viele Beispiele auch in anderen Städten gezeigt haben, durch gegenwärtig noch nicht absehbare Entwicklungen Chancen für die Umgestal- tung bzw. Umnutzung bestimmter Bereiche.

Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben sollte auf deren mögliche Magnet- wirkung geachtet werden, um eine entsprechende Passantenfrequenz erzeugen zu können. Neben der Betriebsgröße spielt dabei auch die Qualität und Präsentation der angebotenen Ware eine wichtige Rolle.

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Wichtig ist neben Art und Dimensionierung der Einzelhandelsbetriebe auch die Beachtung der städtebaulich-architektonischen Ausrichtung und Anpassung an das bestehende Umfeld. Neue Gebäudekomplexe sollten durch große Eingänge und Schau- fensterfronten transparent gestaltet sein. So soll funktional wie auch gestalterisch nach außen der Anreiz hervorgerufen werden, das Gebäude bzw. die darin liegen- den Betriebe betreten zu wollen. Die Eingänge und somit die Gebäudekanten sollten möglichst nahe am Fußwegebereich liegen, das heißt u.a., dass dem Gebäudekomplex keine flächenintensiven ebenerdigen Stellplätze vorgelagert werden sollten. Durch den Neubau sollte ein homogenes, geschlossenes Stadtbild entstehen, das der städtebaulichen Dichte einer Innenstadt entspricht und sich an die spezifischen Formen der umgebenden Gebäude anpasst. Durch die Realisierung dementsprechen- der Vorhaben ist neben einer rein funktionalen auch von einer städtebaulich-ge- stalterischen Umfeldaufwertung auszugehen.

Nachfolgend werden gutachterliche Vorschläge zur künftigen räumlichen Einzel- handelsentwicklung näher erläutert.

8.3.1 Räumliche Entwicklungsoptionen innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Titisee Das Ortszentrum von Titisee weist eine Ausdehnung von rd. 600 Metern auf, die ge- messen an der nachlassenden funktionalen Dichte im Ergänzungsbereich insgesamt grenzwertig ist. In der Konsequenz sollten sich räumliche Entwicklungsmaßnahmen vor allem auf den Hauptbereich des Ortszentrums konzentrieren. Die Betriebe im Ergänzungsbereich sollen dadurch nicht benachteiligt werden, sondern ebenfalls von der Herausbildung eines starken Hauptbereichs profitieren. Hierin ist die Möglich- keit zu sehen, neben "1A-Lagen" im Hauptbereich auch "1B-Lagen" zu generieren, was bestimmten Betriebstypen entgegenkommt. Die Karte 15 veranschaulicht räum- lich bestehende Entwicklungspotenziale innerhalb des zentralen Versorgungsberei- ches.

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Karte 15: Standortpotenziale innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Titisee

Bestand Einzelhandel/ Dienstleistungen Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB (Hauptbereich) ZVB (Ergänzung) Nachverdichtung/ Auf- stockung/ Neubebauung Potenzialfläche

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

Standort Strandbadstraße/ Ecke Seestraße Im nördlichen Bereich des zentralen Versorgungsbereiches befinden sich an der Strandbadstraße/ Ecke Seestraße zwei eingeschossige Flachbauten mit einer rein zweckmäßigen und funktional ausgerichteten Architektur. Die provisorisch wirken- den Ladenzeilen harmonieren nicht mit der Umgebungsbebauung und der attraktiven Gestaltung des öffentlichen Raums und werden der städtebaulichen Bedeutung eines Eckgebäudes nicht gerecht. Bei einer zusammenhängenden Planung bietet sich an diesem Standort die Möglichkeit, große Betriebsstrukturen zu realisieren. Zudem könnten durch die Realisierung einer stadtbildprägender Architektur die städte- baulichen Brüche behoben und der Bereich Seestraße/ Strandbadstraße aufgewertet werden.

Nachfolgende Abbildung illustriert diese Maßnahme, wobei die Skizze weniger als architektonischer Vorschlag sondern nur als Signatur zu verstehen ist.

1 65

Foto 23: Potenzialfläche Strandbad-/ Foto 24: Ideenskizze Potenzialfläche Seestraße Strandbad-/ Seestraße

Quelle: eigenes Foto, Dezember 2008 Quelle: eigene Darstellung

Wichtig ist hierbei, neben Art und Dimensionierung der Einzelhandels- und/ oder Dienstleistungsbetriebe, auch die städtebaulich-architektonische Ausrichtung und die Anpassung an das bestehende Umfeld. Der neue Gebäudekomplex sollte sich in seiner Gestaltung am gegenüberliegenden Gebäude (z.B. hinsichtlich Geschossigkeit) orientieren. Durch den Neubau sollte ein homogenes, geschlossenes Ortsbild in die- sem Teilraum entstehen sowie eine Belebung und Aufwertung des öffentlichen Raums herbeigeführt werden. Ebenso sind die Blickbeziehungen zum Schwarzwald bei einem Neubau zu beachten.

Standort Seestraße (Ergänzungsbereich) Der Ergänzungsbereich entlang der Seestraße südlich des Hermeshofweges steht in seiner Entwicklungspriorität hinter derjenigen des Hauptbereiches. Im Ergänzungsbetreich befinden sich an der nördlichen Straßenseite der Seestraße zwei große mindergenutzte Freiflächen mit einer Ausdehnung von rd. 100 bzw. 50 Metern, welche die Realisierung großer Einzelhandelsstrukturen ermöglichen. Auf Grund der attraktiven Lage mit direkten Blickbeziehungen zum Titisee erscheinen die Standorte jedoch insbesondere für Hotel-/ Gastronomienutzung mit ergänzenden Einzelhandels- und Dienstleistungsnutzungen attraktiv. Infolge einer Überbauung der Freiflächen bietet sich die Möglichkeit, den Straßen- raum klarer zu fassen und damit stärker in Richtung See auszurichten.

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8.3.2 Räumliche Entwicklungsoptionen innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Neustadt Zur Attraktivität einer Innenstadt tragen neben städtebaulichen Qualitäten beson- ders eine lebendige Atmosphäre bei, die durch eine hohe Nutzungsdichte und -viel- falt sowie eine hohe Besucher- und Kundenfrequenz entsteht. Darüber hinaus sind die Entfernungen, die innerhalb einer Innenstadt zurückzulegen sind, von Bedeu- tung: Erfahrungsgemäß nimmt die Bereitschaft, größere Wege zu Fuß zurückzulegen, mit der Größe einer Kommune zu. In eher kleineren Städten wie Titisee-Neustadt ist diese Bereitschaft hingegen eher gering. Wie in der städtebaulich-funktionalen Stärken-Schwächen-Analyse (vgl. Kap. 4.4.5.2) beschrieben, weist der zentrale Versorgungsbereich in Neustadt in Bezug zum Be- satz eine relativ große räumliche Ausdehnung bzw. nicht angemessene Dimensionie- rung auf, die durch die topographischen Gegebenheiten verstärkt wird. Im zent- ralen Versorgungsbereich in Neustadt betrifft dies insbesondere den Hauptbereich entlang der Hauptstraße, Scheuerlenstraße und des Hirschenbuckels und die da- zwischen liegenden (Potenzial-)Flächen. Es sollte stringent nach dem Leitbild "Innen- vor Außenentwicklung" vorgegangen werden, da dies ansonsten den Bestre- bungen nach Dichte und Kompaktheit entgegen stehen und den Investitionsdruck auf die bestehenden Flächenpotenziale bzw. die vielen Leerstände innerhalb der Innen- stadt verringern würde. Neben dem Nutzen vorhandener Flächenpotenziale inner- halb des zentralen Versorgungsbereiches sind auch die städtebaulich-funktionalen Brüche und Barrieren zu beheben, um eine kompakte, zusammenhängende Innenstadt auszugestalten.

Im Folgenden werden unterschiedliche Standortpotenziale innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches hinsichtlich ihrer Entwicklungsfähigkeit geprüft. Die nachfol- genden Ausführungen sind jedoch vor allem als Ideenskizzen und Denkanstöße zu verstehen, die im Einzelfall einer konkreteren Untersuchung bedürfen.

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Karte 16: Standortpotenziale innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs in Neustadt

Legende Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB (Hauptbereich) ZVB (Ergänzung) Potenzialfläche Rückbau/ "Platz für Ideen"

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

Standort Hirschenbuckel/ Ecke Kurbadstraße Am Hirschenbuckel, Ecke Kurbadstraße befindet sich mit einem Parkplatz in expo- nierter Lage ein Nachverdichtungspotenzial. Durch eine Überplanung der Freifläche (Grundfläche: rd. 400 qm) bietet sich die Chance, einen architektonisch markanten Eingang zu schaffen, die städtebauliche Lücke zu schließen und den Straßenraum klar zu fassen. In funktionaler Hinsicht können neue Verkaufsflächen für mittelgroße Betriebe (Einzelhandel und/ oder Dienstleistungen) realisiert werden. Die Bebauung sollte hinsichtlich der Geschossigkeit mit derjenigen des Hirschenbuckel korrespon- dieren. Die Lage ist auch aus unternehmerische Gesichtspunkten attraktiv, da der Durch- gangsverkehr entlang der Gutachstraße/ Wilhelm-Stahlstraße daran vorbeiführt und mit großen Schaufensterfronten auf das Angebot aufmerksam gemacht werden kann.

168

Foto 25: Potenzialfläche Kurbadstraße Foto 26: Ideenskizze Potenzialfläche Kurbad- straße

Quelle: eigenes Foto, Dezember 2008 Quelle: eigene Darstellung

Die Bebauung der Freifläche hätte den Wegfall des kleinen Sammelstellplatzes am Rande des zentralen Versorgungsbereiches zur Folge, wodurch sich ein Nachteil für die angrenzenden Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe ergeben könnte. Aus Sicht des Gutachters kann der Verlust des Parkplatzes allerdings durch das ausrei- chende Parkraumangebot in der Umgebung kompensiert werden. Daneben müsste auch die Narrenskulptur, z.B. auf den gegenüberliegenden Postplatz, verlagert wer- den.

Standort Salzstraße Der zentrale Versorgungsbereich zeichnet sich im Bereich der Unterstadt städte- baulich durch eine homogene und stellenweise historische Bebauung aus. Zusammen mit der konzeptionellen Gestaltung des öffentlichen Raums entsteht in diesem Teil- bereich ein identitätsstiftendes Ensemble. In der Salzstraße befindet sich unweit des Hirschenbuckels auf der nördlichen Straßenseite ein städtebaulicher Bruch in Form eines Privatparkplatzes mit einem zurückspringenden und vom Schurthplatz angebundenen dreigeschossigen Gebäudes, welches augenscheinlich komplett leer steht und einen Sanierungsbedarf aufweist. Dieser Standort mit einer Grundstücks- größe von rd. 1.000 qm bietet Handlungsspielraum, die vorhandenen kleinteiligen Strukturen aufzubrechen und im zentralen Versorgungsbereich durch den Abriss und dem anschließenden Neubau Flächen zu schaffen, die den heutigen Bedürfnissen an- gepasst sind. Die historische Umgebungsbebauung erfordert jedoch eine sensible Integration des Neubaus in die historische Strukturen. Damit verbunden ist jedoch auch die Mög-

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lichkeit, den Neubau an der Baulinie der westlich und östlich anschließenden Ge- bäude in der Salzstraße auszurichten, um eine stärkere städtebauliche Geschlossen- heit zu vermitteln und eine klare Raumkante zu schaffen.

Foto 27: Potenzialfläche Salzstraße - Blick Foto 28: Potenzialfläche Salzstraße - Blick Richtung Osten Richtung Westen

Quelle: eigenes Foto, Oktober 2008 Quelle: eigenes Foto, Dezember 2008

Standort Hauptstraße - Schwenkpassage Im Gegensatz zum homogenen Stadtbild des Teilraums Hirschenbuckel/ Adlerstraße wird die stark befahrenen Hauptstraße durch heterogene Baustrukturen der ver- mutlich 60er bis 80er Jahre geprägt, die sich in variierenden Gebäudehöhen und - ausrichtungen wie auch Fassadegestaltungen ausdrücken und eine zufällige und nicht aufeinander abgestimmte Wirkung erzeugen. Besonders negativ fällt hierbei die ehemalige Schwenk-Passage auf, die leer steht und negativ auf die Umgebung ausstrahlt. Hier besteht Handlungsbedarf, um dem Trading-Down-Prozess, der an- hand mehrere Leerstände sowie Nutzungen (z.B. Imbiss) entlang der Hauptstraße bereits sichtbar wird, entgegenzuwirken. Mit einem Neubau nach Abriss ist die Chance verbunden, attraktive und den heuti- gen Erfordernissen angepasste Betriebseinheiten zu schaffen bzw. größere Einzel- handelsstrukturen zu ermöglichen, die auch wichtige Magnetfunktion innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches übernehmen können. Unter städtebaulichen Ge- sichtspunkten ist mit einem attraktiven, an die Umgebungsbebauung angepassten Neubau zugleich eine Aufwertung des gesamtem Umfelds verbunden. Insgesamt sollte ein homogenes, geschlossenes Stadtbild entstehen, das den städtebaulichen An- sprüchen an einen urbanen Raum entspricht.

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Foto 29: Potenzialfläche Hauptstraße - Leer- Foto 30: Potenzialfläche Hauptstraße - stände und heterogene Bebauung Ideenskizze

Quelle: eigenes Foto, Oktober 2008 Quelle: eigene Darstellung

Weitere Potenzialflächen Daneben befinden sich an der Hauptstraße, der Scheuerlenstraße und dem Hir- schenbuckel weitere Flächen, die Nachverdichtungspotenzial aufweisen und als Standorte für den Einzelhandel entwickelt werden könnten. In Anbetracht der quantitativ geringen Verkaufsflächenentwicklungsspielräume, mangelnder Aufent- haltsqualitäten und der spezifischen Standortqualitäten sollen diese jedoch nicht dem Einzelhandel vorbehalten sein, sondern vielmehr im Rahmen einer städtebau- lich-gestalterischen Aufwertung des öffentlichen Raums entwickelt werden. Diese Entwicklungsflächen werden in Kap. 8.4.1 näher hinsichtlich ihrer Nutzungsper- spektiven erörtert.

8.3.3 Perspektivische Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches Es wurde im Rahmen der Ist-Analyse festgestellt, dass der zentrale Versorgungsbereich der Ist-Situation unter Berücksichtigung der Stadtgröße, der topographischen Bedingungen und der gegenwärtig schwachen räumlich- funktionalen Einzelhandelsdichte in den Randbereichen (insbesondere Pfauenstraße) eine grenzwertige Ausdehnung aufweist. Aus diesem Grund wurde in einer öffentlichen Sitzung des Gemeinderats am 20.Oktober 2008 eine Reduzierung des zentralen Versorgungsbereichen beschlossen, mit dem Ziel der Schaffung einer kompakten Innenstadt mit einer entsprechenden funktionalen Dichte. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, nicht in den Randbereichen der Ist-Abgrenzung die Vorraussetzung für die Ansiedlung von (großflächigen) Betrieben mit zentrenrelevantem Hauptsortiment zu schaffen,

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welche jedoch nur eine geringe Frequenzbringerfunktion für die weiteren (zentral) gelegenen Betriebe der Innenstadt übernehmen würden und keinen Beitrag zur funktionalen Verdichtung der Innenstadt leisten. Nach Beschuss des Gemeinderats soll der zentrale Versorgungsbereich im Westen entlang der Pfauenstraße bis kurz vor die Einmündung Salzstraße und im Norden entlang der Scheuelenstraße bis zur Friedhofstraße begrenzt werden (vgl. Karte 17).

Karte 17: Perspektivische Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereiches in Neustadt (Gemeinderatsbeschluss)

Legende

Ist-Abgrenzung Perspektivische Abgrenzung (Verkürzung)

Quelle: eigene Darstellung; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

8.3.4 Maßnahmenvorschläge zur Nahversorgung Der Themenbereich Nahversorgung wird gerade auch im Zusammenhang mit der de- mografischen Entwicklung einerseits sowie mit steigenden Energiepreisen und da- mit einhergehenden wachsenden Mobilitätskosten immer bedeutsamer. Die Nahver- sorgung im planerischen Sinne, insbesondere mit Lebensmitteln, aber auch mit nah- versorgungsrelevanten Dienstleistungen wie Post, Bank, medizinischen Einrichtun- gen, wird zunehmend zur Herausforderung. Dies betrifft i.d.R. oftmals einwohner- arme Siedlungsbereiche. Grundsätzliche sollte das Ziel bestehen, eine flächende-

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ckende fußläufige (Lebensmittel)Nahversorgung im gesamten Siedlungsbereich von Titisee-Neustadt zu erreichen. Die Nahversorgungsfunktion in Titisee-Neustadt stellt sich in der räumlichen Be- trachtung differenziert dar. In Titisee kommt dem Lebensmittelmarkt im zentralen Versorgungsbereich trotz seiner geringen Größe eine wichtige Nahversorgungs- funktion zu. In Neustadt sind die meisten Lebensmittelbetriebe hingegen in nicht integrierter und autokundenorientierter Lage am östlichen und westlichen Rand des Siedlungs- körpers von Neustadt angesiedelt, die - wenn überhaupt - nur eine eingeschränkte Nahversorgungsfunktion ausüben. Eine besondere Bedeutung kommt vor dem Hinter- grund einer Nahversorgung im eigentlichen Sinne daher dem in integrierter Lage und mitten im Siedlungskörper befindlichen Supermarkt am Friedrich-Ebert-Platz zu, der jedoch auch nur eine Versorgungsfunktion für einen Teil(wohnsied- lungs)bereich der Stadt übernehmen kann. In der Gesamtbetrachtung kommt es auf Grund der räumlichen Verteilung des Lebensmittelangebotes und den topogra- phischen Gegebenheiten in Neustadt zu Nahversorgungslücken, die vor allem mobi- litätseingeschränkte Bevölkerungsschichten betreffen.

Defizite innerhalb der fußläufigen Nahversorgung bestehen zudem in den ein- wohnerschwachen Stadtteilen Waldau, Schwärzenbach, Rudenberg und Langenord- nach. Vor dem Hintergrund der Reichweite großflächiger Lebensmittelbetriebe - diese würden mehr als 2.500 Einwohner voll versorgen - weisen die derzeit unter- versorgten Stadtteile ohnehin eine deutlich zu geringe Einwohnerzahl auf. Ähn- liches gilt jedoch auch für die Realisierung kleinflächiger Lebensmittelbetriebe oder Nachbarschaftsläden69, ohne notwendigerweise auf Kaufkraftzuflüsse von außerhalb angewiesen zu sein. Hier sind alternative Maßnahmen zur Verbesserung der Nahversorgungsstruktur notwendig, um das fehlende Angebot zu kompensieren. Gleichzeitig können darüber hinausgehende alternative Maßnahmen wie beispiels- weise die Organisation von Fahrgemeinschaften oder mobile Verkaufswagen, wie sie bereits in ländlichen Bereichen häufig eingesetzt werden, zu einer Verbesserung der Nahversorgung beitragen. Solche Angebote können vor allem für mobilitätsein-

69 Zu nennen sind hierbei kleinflächige Lebensmittelbetriebe oder Nachbarschaftsläden wie z.B. "Nah und Gut", "Ihre Kette" oder "Um's Eck"69.

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geschränkte Bevölkerungsgruppen eine hohe Bedeutung haben. Allerdings basieren derartige Konzepte häufig auf privatem Engagement.

Wie bereits in Kap. 3.2.1 erläutert, liegt im für die Nahversorgung besonders bedeutsamen Sortiment Nahrungs-/ Genussmittel rein quantitativ bereits eine Ver- sorgungssituation vor, die sogar über die Vollversorgung der eigenen Bevölkerung im Stadtgebiet von Titisee-Neustadt hinausreicht. Gleichzeitig ist, wie in Kap. 7.2.2 bereits beschrieben, zu berücksichtigen, dass sich im Rahmen des rechnerischen Verkaufsflächenentwicklungsspielraums für Nahrungs/ Genussmittel selbst über den gesamten Prognosezeitraum bis 2020 lediglich ein sehr eingeschränktes Verkaufsflächenpotenzial von maximal rd. 350 qm ergibt. Dies entspricht noch nicht einmal einen Lebensmittelbetrieb in der von den Konzernen üblich geforderten Mindestgröße.

Auf Grund des relativ geringen Entwicklungsspielraums sollte das vorrangige Ziel daher darin bestehen, das Lebensmittelangebot an den Nahversorgungsstandorten von Titisee und Neustadt zu erhalten.

Sofern es doch zu Neuansiedlungen kommt muss die Maßstäblichkeit (d.h. die Größe des Planvorhabens in Relation zur Einwohnerzahl in den angrenzenden Wohnge- bieten) bei jeder Neuansiedlung/ Erweiterung beachtet werden.

Darüber hinaus sollten Lebensmittelbetriebe nicht zwischen zwei oder mehr Stadt- teilen angesiedelt werden: Von derartigen Standorten (sog. Scharnierstandorte) geht in der Regel keine bzw. nur eine geringe Nahversorgungsfunktion im Sinne ei- ner fußläufigen Nahversorgungsmöglichkeit aus.

Unabhängig von diesen konkreten Möglichkeiten zur Verbesserung der Nahversor- gung ist darauf hinzuweisen, dass durch Befolgen der Grundsätze zur räumlichen Einzelhandelsentwicklung ein Beitrag zur Sicherung der bestehenden räumlichen Nahversorgung geleistet wird: Hierdurch kann vermieden werden, dass neuer Le- bensmitteleinzelhandel an Standorten entsteht, wo er keinen entsprechenden Bei- trag zur Nahversorgung leistet.

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8.3.5 Gewerbegebiete Neben den bereits bestehenden Gewerbegebieten sollten für den nicht zentrenrele- vanten Einzelhandel keine weiteren Standorte ermöglicht werden. Bei der Neuan- siedlung von Betrieben an bestehenden gewerblichen Einzelhandelsstandorten sollte eine Begrenzung der branchenüblichen zentrenrelevanten Randsortimente erfolgen (vgl. Kap. 8.2.2) und auf eine möglichst effiziente Nutzung der verfügbaren Fläche (z.B. mehrgeschossige Bebauung) geachtet werden. Die bestehenden zentrenrelevanten Einzelhandelsbetriebe sollten weitgehend auf ihren Bestand festgeschrieben werden. An denjenigen Standorten, an denen bisher keine Einzelhandelsnutzungen vorhanden sind, sollte Baurecht dahingehend geschaffen werden, dass dort auch zukünftig kein Einzelhandel zulässig ist.

8.4 MAßNAHMENVORSCHLÄGE STÄDTEBAU UND SONSTIGE MAßNAHMENVORSCHLÄGE

8.4.1 Städtebauliche und gestalterische Maßnahmenvorschläge für Neustadt Die Stadt Titisee-Neustadt hat z.B. im Rahmen der Stadtkernsanierung in Neustadt (1986 - 2001) und der Sanierung der Ortsmitte in Titisee (1991 - 2003) in der Ver- gangenheit bereits einige Anstrengungen unternommen, um das derzeitige städte- baulich-gestalterische Qualitätsniveau zu erreichen. Im Mittelpunkt der städtebau- lichen Entwicklung sollte die weitere Konkretisierung der vorgeschlagenen räum- lichen Entwicklungsoptionen in Titisee und Neustadt stehen (vgl. Kap. 8.3). Hiermit verbundene Neu-/ Umbaumaßnahmen sollten modernen, qualitativ hochwertigen städtebaulichen Ansprüchen genügen und sich in das bestehende städtebauliche Umfeld integrieren, um somit die beiden Zentren in ihrer besonderen Position zu stärken und weiter hervorzuheben. Einige wichtige städtebauliche und gestalteri- sche Maßnahmen wurden im Rahmen der räumlichen Entwicklungsoptionen bereits in Kap. 8.3.2 dargestellt. Die städtebaulichen und gestalterischen Vorschläge für Neu- stadt beinhalten neben Aufwertungsmaßnahmen im öffentlichen Raum, die Ver- besserung der Wegebeziehungen, ein Nutzungskonzept für die öffentlichen Plätze, die Akzentuierung von Eingangsbereiche, die Vereinheitlichung des Parksystems und verkehrsberuhigende Maßnahmen entlang der Hauptstraße.

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Karte 18: Städtebaulich-gestalterische Maßnahmenvorschläge für Neustadt

Legende Einzelhandel Dienstleistung Leerstand ZVB (Hauptbereich) ZVB (Ergänzung) Straßenraumgestaltung P Querungshilfe P Umfahrung Stadtkern P Tempo 30-Beschränkung P Verbannung P Schwerlastverkehr P P Parkplätze Rückbau/ Platz für Ideen P Eingangssituation P P P P P P P

P

0 100 200 300 400 500 Meter

Quelle: eigene Erhebung im Oktober 2008; Kartengrundlage: Stadt Titisee-Neustadt

Städtebaulich markante Eingangssituationen schaffen Bei den Passanten sollte bei Betreten der Zentren ein Gefühl von "Zentrumsat- mosphäre" hervorgerufen werden. Dieses entsteht durch einen starken funktionalen Besatz wie auch durch die entsprechende Gestaltung des öffentlichen Raums. Um Passanten stärker dieses Gefühl zu vermitteln, sollten die Zugangsbereiche städte- baulich-gestalterisch markant wirken. Hierbei ist z.B. die südliche Eingangssituation des zentralen Versorgungsbereiches von Neustadt von besonderer Bedeutung, da diese von einem Großteil der in den zentralen Versorgungsbereich kommenden Kunden vom Bahnhof aus passiert wird. Auf die Bedeutung der Bebauung der Freifläche (Parkplatz) in der Kurbadstraße wurde diesem Zusammenhang bereits hingewiesen (vgl. Kap. 8.3.2). Infolge einer Bebauung der Freifläche mit einem repräsentativen Eckgebäude könnte eindeutiger als bisher der Zugang zur Innenstadt markiert und ein Orientierungspunkt ge-

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schaffen werden. Des Weiteren bietet sich an dieser Stelle ein markantes Hinweis- schild an, das die Aufmerksamkeit auf das Zentrum lenkt.

Städtebaulich-gestalterische Aufwertung - Scheuerlenstraße Es wurde festgestellt, dass die Gestaltung der Scheuerlenstraße dem Gestaltungs- charakter des öffentlichen Raums im sonstigen Bereich des zentralen Versorgungs- bereiches entgegensteht und ein Handlungserfordernis aufweist. Die alte Pflaste- rung der Gehwege, fehlendes Straßenbegleitgrün und fehlendes Stadtmobiliar (Bänke) beeinträchtigen die Aufenthaltsqualität und stellen keine optisch wahr- nehmbare Fußwegebeziehung zum sonstigen Bereich dar. Um eine durchgehende konzeptionelle Gestaltungsart und -intensität zu erreichen, sollte die ansprechende Pflasterung der Gehwege der Hauptstraße fortgeführt werden. Die Scheuerlenstraße weist ein starkes Gefälle auf, was insbesondere für ältere oder körperlich behinderte Menschen problematisch erscheint. Auch vor dem Hin- tergrund der Längsausdehnung des zentralen Versorgungsbereich verbunden mit langen Wegen bietet sich an breiten Stellen die Installation von Sitzbänken an. Überdies wird eine Aufpflasterung im Bereich des Fußgängerüberweges vorgeschla- gen, die neben der gestalterischen Aufwertung auch der Verkehrssicherheit dient.

Foto 31: Scheuerlenstraße Foto 32: Ideenskizze: Gestaltung Scheuerlen- straße

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigene Darstellung

Querungsmöglichkeiten schaffen - Scheuerlenstraße Im Kreuzungsbereich der Scheuerlenstraße mit der Hauptstraße und Bei der Kirche ergibt sich für Fußgänger vom Neustädter Münster oder vom stark frequentierten Parkplatz kommend eine unübersichtliche Verkehrssituation. Entgegenkommende

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Autos auf der Scheuerlenstraße sind auf Grund des Rechtsknicks der Straße nur schwer einsehbar. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wird daher eine Aufpflaste- rung der Straße vorgeschlagen, die eine geschwindigkeitsreduzierende Wirkung auf die Autofahrer ausübt. Zudem verknüpft sie die beiden gegenüberliegenden Fuß- wege und minimiert die Straßenbreite optisch.

Foto 33: Scheuerlenstraße, An der Kirche Foto 34: Ideenskizze: Aufpflasterung Scheuer- lenstraße/ An der Kirche

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigene Darstellung

Entwicklung von Platzräumen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität - Hirschenbuckel Die östlich des Hirschenbuckels lokalisierte Potenzialfläche dient derzeit als privat genutzter Parkplatz und ist Standort der öffentlichen Toilette, die jedoch seit eini- ger Zeit nicht mehr genutzt wird und verschlossen ist. Das ehemalige Toilettenge- bäude weist zudem Sanierungsbedarf auf. Funktional wie städtebaulich wird der Zu- stand dieses zentral gelegenen Standortes den Ansprüchen an ein attraktives Stadt- bild, das den Hirschenbuckel ansonsten auszeichnet, nicht gerecht - eine dement- sprechende Überplanung ist wünschenswert. Es wird daher ein Rückbau des leerstehenden eingeschossigen Flachbaus empfohlen, verbunden mit einer Umgestaltung und Neunutzung der infolgedessen entstehenden Freifläche. In exponierter Lage und in direkter Nachbarschaft zum Kino und zur Gastronomie könnte somit ein öffentlich nutzbarer Platz geschaffen werden, der zu- dem eines der bis jetzt nicht ausreichend ausgeschöpften Potenziale von Neustadt nutzt - den Bezug zur Landschaft durch die Herstellung von attraktiven Blickbe- ziehungen. Kleinräumig könnte somit eine hohe Aufenthaltsqualität generiert wer-

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den, die ebenso ein von vielen Bausteinen zur Verbesserung der Standortqualität von Neustadt im Allgemeinen darstellt. Bei der Platzgestaltung ist auf die Verwen- dung von qualitativ hochwertigen Sitzmöbeln und eine angepassten Bepflanzung zu achten. Ebenso wird an dieser Stelle, im öffentlichen Raum, die Installation einer Kunstskulptur als Platzbelebende, anziehende und identitätsstiftende Komponente vorgeschlagen.

Foto 35: Ehm. Toilette - Hirschenbuckel Foto 36: Ideenskizze Platzgestaltung am Hirschenbuckel

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigene Darstellung

Entwicklung von Platzräumen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität - Haupt- straße Die Hauptstraße weist mehrere Defizite auf, die sowohl funktionaler (z.B. Leer- stände) als auch städtebaulicher Natur (z.B. geringe Aufenthaltsqualität, heterogene Bebauung) sind. Unmittelbar an das historische und stadtbildprägende Hotel "Adler Post" angren- zend befindet sich ein nicht eindeutig definiertes Grundstück, das durch einen zu- rückgesetzten eingeschossigen Flachbau mit Dienstleistungsnutzung und durch einen Privatparkplatz geprägt wird. Im Gegensatz zur sonst überwiegend geschlossenen und mehrgeschossigen Bebauung stellt diese Fläche einen städtebaulichen Bruch dar; die Nutzungsintensität der Fläche wird zudem der zentralen Lage des Stand- ortes nicht gerecht. Eine Überbauung des Grundstückes ist auf Grund des benach- barten solitären Gebäudes (Adler Post) mit giebelständiger Ausrichtung nicht mög- lich. Stattdessen wird zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität eine Umnutzung und Neugestaltung der Fläche unter Einbeziehung des eingeschossigen Flachbaus ange-

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regt. Eine gastronomische Nutzung mit attraktiven Freisitzmöglichkeiten könnte an dieser Stelle einen weiteren Baustein zur Aufwertung der Hauptstraße darstellen.

Foto 37: Hauptstraße - Fläche neben Adler Foto 38: Ideenskizze - Platzgestaltung Haupt- Post straße

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008 Quelle: eigene Darstellung

Rückbau von Gebäuden mit fehlender Nutzungsperspektive Im vorderen Bereich der Scheuerlen- Foto 39: ehm. Edeka-Markt (Scheuerlenstraße) straße war früher ein Supermarkt ange- siedelt, der wichtige Nahversorgungs- und Frequenzfunktion für die Neustädter Innenstadt übernommen hat. Der einge- schossige Flachbau steht heute leer und wirkt sich - als Leerstand offensichtlich - negativ auf das Erscheinungsbild aus.

Quelle: eigenes Foto Oktober 2008

Eine Nachnutzung, bestmöglich durch einen Lebensmittelbetrieb, ist wünschenswert, angesichts des bereits vielfältigen Angebotes (an nicht integrierten Standorten) und der geringen quantitativen Entwicklungsspielräume, jedoch nicht unbedingt realis- tisch. Aus diesem Grund wird bei fehlender (Nach-)Nutzungsperspektive ein Rückbau des Gebäudes angeregt. Infolge der Beseitigung einer leerstehenden Immobilie und des städtebaulichen Bruchs (in Form des eingeschossigen Flachbaus) könnten an dieser Stellen ebenfalls Bezüge zur Landschaft hergestellt und ein (öffentlich nutz- barer) Platzraum geschaffen werden.

180

Vereinheitlichung des Parksystems Im Rahmen der Passanten- und Händlerbefragung wurde die Parkraumsituation in der Innenstadt von Neustadt von einer großen Anzahl der Befragten als Schwäche bezeichnet. Festgestellt wurde jedoch auch, dass die zentral gelegenen kleineren Sammelparkplätze vor allen Anderen (z.B. dem Parkhaus West mit größeren Kapazi- täten am Rand der Innenstadt) präferiert werden, woraus sich möglicherweise ein subjektiv wahrgenommenes Parkraumdefizit ableitet. Eine aktive Bewerbung der untergenutzten Parkplätze ist daher erforderlich. Unter qualitativen Gesichtspunkten erscheint zudem das System der Parkraumbe- wirtschaftung verbesserungswürdig - insgesamt fünf verschiedene Parksystem wur- den während der städtebaulich-funktionalen Bestandsaufnahme identifiziert. Eine Vereinheitlichung des Parksystems würde Orientierung und mehr Verlässlichkeit für die Kunden schaffen.

Verkehrliche Entlastung der Hauptstraße Die Aufenthaltsqualität in der Hauptstraße (L156) wird massiv durch die vom Durch- gangsverkehr und hier insbesondere vom Schwerlastverkehr erzeugten Lärm- und Abgasemissionen beeinträchtigt. Eine der wichtigsten Aufgaben für die Weiterent- wicklung der Innenstadt besteht in der verkehrlichen Entlastung der Hauptstraße. Daher sollte der überörtliche Verkehrsfluss, insbesondere der Schwerlastverkehr wegen seinen beträchtlichen Lärm- und Abgasemissionen aus der Innenstadt ver- bannt werden. Eine Umfahrung bietet sich über die Wilhelm-Stahl-Straße auf die gewerblich geprägte Gutachstraße an. Vor diesem Hintergrund ist auch die von der Stadt geplante Anbindung der B31 an die Unterstadt als richtiger und wichtiger Schritt zur Entlastung der Innenstadt zu beurteilen. Hierdurch würde der überörtliche Verkehr von der Hauptstraße auf die Gutachstraße verlagert70, der Durchgangsverkehr somit reduziert und infolgedessen eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität im Hauptgeschäftsbereich stattfinden.

Als verkehrsberuhigende Maßnahme wird weiterhin die Einführung eine Tempo 30- Zone innerhalb des zentralen Versorgungsbereiches vorgeschlagen. Eine Ge-

70 Die Planungsidee sieht die Errichtung eines Kreisverkehrplatzes an der Anschlussstelle Neustadt- Mitte und den Neubau einer Zufahrstraße mit Bahnunterführung zwischen dem Kreisverkehrsplatzes an der B31 und der Gutachstraße vor. Neben einer Verbesserung der Anbindung der Unterstadt könnte so auch der überregionale Verkehrsfluss optimiert werden.

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schwindigkeitsbegrenzung steht jedoch der gegenwärtig besonderen Verkehrs- funktion der Hauptstraße als Landesstraße mit überörtlicher Bedeutung entgegen. Dennoch besteht aus nachweisbaren Gründen der Sicherheit/ Ordnung und aus Lärm- schutzgründen gemäß §45 (1) StVO die Möglichkeit von Ausnahmereglungen, die es zu prüfen gilt.

8.4.2 Ladenflächenmanagement In der Innenstadt von Neustadt wurde eine sehr hohe Leerstandsquote festgestellt, die auf funktionale und strukturelle Defizite hinweist. In Verbindung mit einem oft einhergehenden Sanierungsbedarf beeinträchtigen sie städtebaulich und funktional das Gesamtbild der Innenstadt und haben zudem negative Ausstrahlungseffekte auf die Umgebungsbebauung. Der Umgang mit der Leerstandsproblematik ist daher eine der wichtigsten Herausforderungen für die zukünftige Stadtentwicklung in Neu- stadt71. Zu berücksichtigen sind in diesem Kontext die geänderten Rahmenbedingungen im Einzelhandel und damit verbundene Anforderungen an Einzelhandels- und Geschäfts- räume. Vor diesem Hintergrund wird ein strukturiertes Vorgehen empfohlen.

1. Schritt: Klassifikation/ Bewertung der Leerstände hinsichtlich ihrer Nutz- barkeit Zur Beurteilung der Nutzbarkeit bzw. der Vermietbarkeit müssen die leerstehenden Ladenlokale bzw. die Immobilien klassifiziert und bewertet werden. Neben der Lage im Stadtgebiet und dem Gebäudezustand betrifft dies auch den Ladenzustand und die Umgebungssituation. Konkret sind die Immobilien nach folgenden Kriterien zu bewerten: · Eigentumsverhältnisse, · Größe der Ladenlokale, um zukünftig Handel zu betreiben, · Grundrisse, die kostengünstige Konzepte realisieren lassen (z. B. übersichtlicher Zuschnitt), · baulicher Zustand (z.B. barrierefreie Zugänge, Schaufenster) · Mindestfrequenz für bestimmte Straßen,

71 Zum Bearbeitungszeitpunkt sind auch fallbezogen Gespräche mit Immobilieneigentümern betroffener Leerstände geführt und mögliche Nutzungsperspektiven erörtert worden. Zum Umgang mit der Leer- standsproblematik ist jedoch ein umfassender Ansatz und ein strukturiertes Vorgehen - ein Laden- flächenmanagement - erforderlich.

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· Erreichbarkeit, · Angebotssituation im Umfeld, d. h. welche Angebotsergänzungen machen Sinn?), · Städtebauliche Umgebungssituation, z. B. Gestaltung des öffentlichen Raumes, Sicherheit, Sauberkeit), · Miethöhe, die vom Handel erwirtschaftbar ist.

Die Objektdaten der einzelnen Ladenlokale müssen auf dieser Grundlage aufge- nommen, in Form eines Leerstandskatasters (ähnlich dem eines Baulückenkatasters) durch die Verwaltung zusammengeführt und hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit bewertet werden. Grundvorrausetzungen sind zudem Gespräche mit den Immobilieneigen- tümern, um die Rahmenbedingungen für eine Wiedervermietung (z.B. Verfügbarkeit, Miethöhe, Priorisierung von Branchen) zu klären.

2. Schritt: Entwicklung von Nutzungsperspektiven Auf der Grundlage der Bewertung können Nutzungsperspektiven ausgearbeitet wer- den. Diese können von einer Ladennutzung für Einzelhandel über Büro-/ Dienstleis- tung bis hin zum Wohnen reichen. Auch der Abriss einer leerstehenden Immobilie kann eine Nutzungsperspektive darstellen, wenn damit zudem bauliche Missstände beseitigt werden und/ oder ein städtebaulicher Gewinn die Folge ist (z.B. Schaffung von Platzräumen, Auflockerung, Blickbeziehungen etc.).

3. Schritt: Vermarktungskonzept Die Kommunikation, das etwas passiert, ist zeitgleich ein wichtige Basis für den Erfolg eines Ladenflächenmanagements. Hier bieten sich die Präsentation auf der Internetseite der Stadt Titisee-Neustadt an, auf der zugleich die Mietangebote vor- gestellt und beworben werden. Auch sind in Form von "Matching"-Gespräche" Inte- ressenten und Immobilieneigentümern zusammenzuführen und Gespräche mit den örtlichen Händlern über mögliche Zwischennutzungen, Standortverlagerungen oder Eröffnung zusätzlicher Geschäfte zu führen. Die Ziele und die Erfolge des Laden- flächenmanagements müssen zudem offen und ehrlich in den regionalen Medien kommuniziert werden.

1 83

4. Schritt: Maßnahmen Zur Wiedervermietung bzw. Wiedernutzbarmachung sind möglicherweise bauliche/ energetische Modernisierungen, Umbauten und auch ein Vermarktungskonzept not- wendig. Neben der Neuansiedlung von Betrieben ist auch über Umsiedlung und Erweite- rung (mit oder ohne Umsiedlung) nachzudenken. Hierbei ist auch die Möglichkeit der Zusammenlegung mit benachbarten Geschäften zu prüfen, um die Realisierung mo- derner, wirtschaftlich stabilerer Geschäftseinheiten zu ermöglichen. Das Thema Zwischennutzung ist insbesondere in Neustadt von besonderer Bedeu- tung. Es wurde bereits festgestellt, dass viele Leerstände nicht "kaschiert" werden und infolgedessen das äußere Erscheinungsbild zusätzlich beeinträchtigen. Insbe- sondere im zentralen Versorgungsbereich sollten die Schaufenster daher immer de- koriert werden. Hier können auch Kunstobjekte eine gelungene Zwischennutzung für Leerstände darstellen ("Kunst im Leerstand"). Zwar werden hierdurch funktionale Lü- cken nur "kaschiert", dennoch ergibt sich eine abwechslungsreiche bzw. informative Schaufenstergestaltung, die das Erscheinungsbild nicht trübt. Neben derartigen zeitbeschränkten Aktionsflächen sind auch temporäre Einzelhandelsnutzungen (z.B. Eisdiele im Sommer) in der Praxis oft realisierte Zwischennutzungen. Daneben können benachbarte Geschäfte die Schaufenster als zusätzliche Ausstellungsfläche nutzen, wie es bereits stellenweise in Neustadt schon praktiziert wird. Diesbezüg- lich bedeutsam sind auch die örtliche Tourismusorganisation oder die Hoch- schwarzwald Tourismus GmbH, welche die Schaufenster als Werbeflächen dekorieren können.

8.4.3 Weitere Maßnahmenvorschläge Zusätzlich zu den städtebaulich-gestalterischen Maßnahmen sowie den unterschied- lichen baulichen Maßnahmenvorschlägen zur räumlichen Einzelhandelsentwicklung gibt es innerhalb eines Stadtentwicklungsprozesses zahlreiche weiche Faktoren, die für eine positive Weiterentwicklung der Zentren von großer Bedeutung sind. Das Erleben des städtischen Umfelds in all seinen Facetten durch die Kunden ist be- deutend für die Entscheidung für einen Einkauf im Ortszentrum von Titisee und der Innenstadt von Neustadt und macht den Unterschied zu Standorten auf der "grünen Wiese" aus. Ein attraktives lebendiges Stadtzentrum lebt von seinem ansprechenden Einzelhandelsangebot, denn das Einkaufen ist - wie verschiedene Untersuchungen

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belegen - nach wie vor das Leitmotiv für den Besuch eines Stadtzentrums (vgl. Kap. 4.1, insb. Abb. 24). Diese Funktion gilt es in Zukunft weiter zu stärken und auszu- bauen. Die Stadt kann durch ein Entwicklungskonzept Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt schaffen. Für die Ausgestaltung dieser Rahmenbedingungen sind jedoch die ortsansässigen Ak- teure selbst - Einzelhändler, Gastronomen, Dienstleister und Immobilieneigentümer - verantwortlich, die durch ihr Handeln und ihre Außendarstellung eine wichtige Position innerhalb einer funktionierenden, lebendigen Stadt einnehmen.

Grundsätzlich bieten sich die folgenden Maßnahmen an: · Stärkung der Eigensicht (insbesondere in Neustadt) · Anpassung/ Überprüfung Flächenbedarf (insbesondere in Neustadt) · Ausschöpfung/ Abschätzung touristischer Potenziale (Titisee und Neustadt) · gemeinsame Werbung der Geschäfte in den Zentren (Ansätze wie Titisee-Neu- stadt Card und Gutschein Card des Leistungsverbundes weiterentwickeln) · Anpassung der (Kern-)Öffnungszeiten und deren Bewerbung (Neustadt) · attraktive Ladenkonzepte/ Warenpräsentation/ Schaufenstergestaltung (Titisee und Neustadt) · qualitätsvolle Außenbestuhlung (insbesondere in Titisee) · Weiterentwicklung "Hello Yellow" (Neustadt)

Im Folgenden werden beispielhaft einige Maßnahmenvorschläge näher erläutert, die u.a. von den Händlern zukünftig berücksichtigt werden sollten. Dabei stehen nicht einzelne Maßnahmen im Vordergrund, sondern es kommt auf das Zusammenspiel un- terschiedlicher Maßnahmen an.

Bereits in der städtebaulichen Stärken-Schwächen-Analyse der Innenstadt wurde auf städtebauliche bzw. architektonische Defizite im Sinne von unattraktiven Erdge- schosszonen bzw. Schaufensterfronten hingewiesen. Ladenflächen und Schaufens- terfronten entsprechen häufig nicht mehr den modernen Ansprüchen und können teilweise negative Ausstrahlungseffekte auf das gesamte Umfeld haben. Eine attrak- tive Fassadengestaltung und eine regelmäßige Sanierung bzw. Instandsetzung der Gebäude können eine erhebliche Aufwertung der einzelnen (Einzelhandels)betriebe und damit auch eines gesamten Quartiers nach sich ziehen. Allerdings sind in die-

1 85

sem Punkt die Einzelhändler auch auf die Mithilfe der Immobilieneigentümer ange- wiesen. Die Händlerbefragung ergab, dass sich insgesamt 70% der Händler im zentralen Versorgungsbereich in Neustadt bzw. 75% im zentralen Versorgungsbe- reich in Titisee in Miete befinden. Dies verdeutlicht die Verantwortlichkeit der Immobilieneigentümer, die mit ihrem Verhalten einen erheblichen Einfluss auf das Stadtbild und die Aufenthaltsqualität eines Standortes haben. So ist deren Einver- ständnis und finanzielles Engagement notwenig, um mögliche Umbaumaßnahmen oder Modernisierungen vornehmen zu können. Gleichzeitig ist auch hier auf die indirekte Wirkungsweise einer konsequenten Einhaltung des Märkte- und Zentren- konzeptes hinzuweisen: Wenn dem Einzelhandel in den zentralen Versorgungsberei- chen keine zusätzlichen Wettbewerbsnachteile entstehen - indem zentrenrelevanter Einzelhandel zu wesentlich günstigeren Konditionen außerhalb des zentralen Ver- sorgungsbereiches angesiedelt werden kann - steigt auch die Zahlungsfähigkeit für Mieten. Dementsprechend sind derartige Investitionen bei Verfolgen des Märkte- und Zentrenkonzeptes eher refinanzierbar.

Gerade auch im Hinblick auf die Profilierung insbesondere der Innenstadt von Neu- stadt als dauerhaft hochwertigen Einzelhandelsstandort mit z.T. spezialisiertem An- gebot und attraktiven Innenstadtflair ist eine qualitativ hochwertige Gestaltung der Gebäude und Schaufensterfronten notwendig. Gestalterische und funktionale Moder- nisierungen sind wesentliche Grundlagen für einen dauerhaften Fortbestand von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben. Gleichzeitig betrifft dies jedoch auch die Warenpräsentation sowie die Gestaltung der Schaufenster. Eine attraktive Gesamtpräsentation des eigenen Ladens und des- sen Umfeldes ist insbesondere für die inhabergeführten Einzelhandelsbetriebe un- verzichtbar, um diesen Bereich durch ein individuelles, innerstädtisches Er- scheinungsbild auch gegenüber den großflächigen Magnetbetrieben an der Donau- eschinger und Freiburger Straße zu qualifizieren. Daher kommt der Waren- präsentation eine steigende Bedeutung zu; sie sollte dabei modernen Ansprüchen genügen, sich in ihre architektonische und städtebauliche Umgebung einfügen und regelmäßig erneuert werden. Dabei ist die Beibehaltung der Präsentationsart - zu- mindest über einen gewissen Zeitraum - für die Wiedererkennung der Geschäfte von Bedeutung. Jeder einzelne Betrieb sollte seine eigene, spezifische und zielgruppen- orientierte Präsentation entwickeln, um sich dadurch von seinen Nachbarn und Mit-

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bewerbern zu unterscheiden und gleichzeitig dem Kunden die bestehende Angebots- vielfalt stärker zu vermitteln. Dies gilt sowohl für die Gestaltung der Schaufenster als auch für den Eingangsbereich und die gesamte den Kunden einsehbare Fläche. Dabei ist auch auf die Übersichtlichkeit der Warenpräsentation zu achten, damit die Kunden sich nicht in dem Geschäft "verlieren". Durch die Ausgestaltung eines spe- ziellen, möglichst individuellen Angebotes bieten sich auch kleinen und kleinsten Einzelhandelsbetrieben Chancen, sich im Wettbewerb zu profilieren. Die Attrakti- vität der beiden Zentren ist von der Warenpräsentation aller Betriebe abhängig und sollte deshalb auch Gegenstand von Diskussionen und der Zusammenarbeit der Ein- zelhändler untereinander sein.

In ähnlicher Weise gilt dies auch für Außenständer und Werbeaufsteller: Teil- weise wird der öffentliche Raum als Erweiterung der Verkaufsfläche genutzt, was nicht nur die Durchgängigkeit der einzelnen Bereiche beeinträchtigt sondern auch die Atmosphäre und Aufenthaltsqualität stört; unangemessene Verkaufsständer und aufdringliche Außenwerbung wirken so z.T. unangebracht. Es sollte daher auch im Interesse der Gewerbetreibenden sein, dass Werbeanlagen und Auslagen - wenn überhaupt - in einem begrenzten Umfang und in hochwertiger Qualität im öffent- lichen Raum platziert werden, da ein dezenter Einsatz von Werbemitteln und Außen- ständern häufig qualitätsvoller wirkt und damit positive Auswirkung auf die Atmo- sphäre im Ortszentrum bzw. in der Innenstadt hat.

Auch hinsichtlich der Außenmöblierung von Gastronomiebetrieben sollten Quali- tätsmaßstäbe eingehalten werden, die dem Standort insbesondere in Titisee ge- recht werden. Bei zunehmender Außengastronomie, die für sich genommen einen erheblichen Beitrag zur Aufenthaltsqualität leistet, gewinnt die Qualität bei der Möblierung eine entsprechende Bedeutung im Stadtbild. Umgekehrt verursachen Ne- gativbeispiele eine erhebliche Beeinträchtigung des Stadtbildes und können sich damit ungünstig auf das gesamte Umfeld auswirken. Insbesondere im Teilbereich der nördlichen Seestraße in Titisee, wo sich zahlreiche unterschiedliche Gastro- nomiebetriebe konzentrieren, könnten solche gestalterischen Mittel zu einer Attraktivitätssteigerung des Stadtbildes beitragen und somit die Aufenthaltsquali- tät verbessern.

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Zu einem guten Kundenservice und zu einer Attraktivitätssteigerung innerhalb einer Innenstadt gehört auch die Systematisierung der Ladenöffnungszeiten, die neben einer attraktiven Einkaufsatmosphäre auch dazu führen kann, dass die in Neustadt vergleichsweise niedrige Verweildauer in der Innenstadt weiter gesteigert werden kann. Dabei sollte es vorrangig, um das Erreichen von Kernöffnungszeiten gehen, in denen der Kunde sicher davon ausgehen kann, in der Innenstadt alle Geschäfte und möglichst viele öffentliche und private Dienstleistungsangebote geöffnet vorzu- finden. Über diese Kernöffnungszeiten sollten die Kunden in regelmäßigen Ab- ständen informiert werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass dies positiv formuliert wird. Bei kleineren, zumeist inhabergeführten Betrieben, bei denen ein Ladenbesitzer das Geschäft häufig alleine führt, müssen individuelle Lösungen ge- funden werden, beispielsweise könnten sich zwei Fachgeschäfte ein Ladenlokal tei- len.

Im Ortszentrum von Titisee und in der Innenstadt von Neustadt beeinträchtigen stellenweise alte und modernisierungsbedürftige Stadtmöbel kleinräumig das Er- scheinungsbild der Stadt. Diese stehen konträr zu den öffentlich getätigten In- vestitionen in die Gestaltung des öffentlichen Raums. Zu nennen sind hier vor allem Blumenkübel und öffentliche Bänke, die einer Erneuerung bedürfen.

Die Eigensicht der Händler als auch diejenige der lokalen Bevölkerung bezogen auf stadtbildprägende Funktionen wie Stadtbild/ Aufenthaltsqualität und Einzelhandels- angebot ist außergewöhnlich negativ. Die Innenstadt von Neustadt hat trotz einiger Stärken ein schlechtes Image und wird ungeachtet der tatsächlich bestehenden Problemen stellenweise auch schlechter geredet als sie ist. Vor dem Hintergrund des negativen Images des Stadtteils Neustadt ist die Aktion "hello yellow"72 zu be- grüßen, da diese ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, welches im Rahmen des zu- nehmend stärker werdenden kommunalen Wettbewerbs für die Vermarktung des Standortes Neustadt und auch für die Auseinandersetzung mit der eigenen Stadt durch die Neustädter (Stichwort: Identität) von nicht unwesentlicher Bedeutung ist. "Hello Yellow" sollte daher weiterentwickelt und vermarktet werden. In diesem Kontext könnten z.B. Gestaltungswettbewerbe ausgeschrieben werden (welches ist

72 "Hello Yellow" verfolgt ein einheitliches visuelles Konzept zur farblichen Außengestaltung der Stadt. Möglichst viele Gebäudefassaden in Neustadt sollen mit aufeinander abgestimmten, verschiedenen Gelbstönen angestrichen werden. (vgl. www.hello-yellow.net)

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das schönste gelbe Haus in der Stadt?) oder Kunstausstellungen zum Thema Gelb in- szeniert werden. Schulen und Kindergärten könnten einerseits als Immobilien be- rücksichtigt werden, anderseits könnten auch hier Schüler und Jugendliche zu Kunstwettbewerben animiert werden. Ebenso sollte die Aktion "Hello Yellow" mit dem offiziellen Internetauftritt der Stadt verknüpft werden.

8.5 VORGEHENSWEISE ZUR UMSETZUNG - VERFAHRENSVORSCHLAG

Als Grundlagen für das Konzept zur räumlichen Lenkung des Einzelhandels dienen die dargestellten Arbeitsschritte · zur Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche (vgl. Kap. 4.3.2 und 4.4.2) · zur Entwicklung der Sortimentszuordnung (vgl. Kap. 8.1), · zu den räumlichen Entwicklungsoptionen (vgl. Kap. 8.3) und · zur Verkaufsflächenprognose (vgl. Kap. 7).

Im Folgenden sind die Vorgehensweise für Verwaltung/ Politik für die Aufstellung eines Einzelhandelskonzeptes und die sich daran anschließenden Arbeitsschritte dargestellt.

8.5.1 Öffentliche Information Damit das Märkte- und Zentrenkonzept seine planungsrechtliche Wirkung voll ent- falten kann - dies betrifft z.B. die Anwendung des § 9 (2a) BauGB, bei der ein städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 (6) Nr. 11 BauGB zu berück- sichtigen ist -, ist u.E. eine öffentliche Information in Anlehnung an § 3 BauGB erforderlich. Dafür sollte eine Auslegung des aus dem Gutachten abgeleiteten Entwurfs eines Ein- zelhandelskonzeptes (vgl. Kap. 8.5.2 und 8.5.3) sowie des vorliegenden Gutachtens selbst erfolgen. Die eingehenden Anregungen sollten dann einer Würdigung unter- zogen werden und im Hinblick auf die daraus abgeleiteten Konsequenzen gewertet werden.

Das endgültige Einzelhandelskonzept kann dann vom Gemeinderat beschlossen wer- den, wobei die Anregungen aus der Öffentlichkeitsbeteiligung in die Abwägung ein- gehen.

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Unabhängig von dieser Frage ergibt sich für die Umsetzung die im Weiteren darge- stellte Vorgehensweise.

8.5.2 Festlegen einer Sortimentsliste Die in Kap. 8.1 beschriebene örtliche Sortimentsliste, die eine Unterscheidung der Sortimente in zentren-/ nahversorgungs- bzw. nicht zentrenrelevant vornimmt, stellt zunächst einen Vorschlag dar, der u.E. der Öffentlichkeitsbeteiligung zugäng- lich gemacht werden sollte.

Der Gemeinderat sollte letztlich diese - nach Abwägung der ggf. durch Anregungen aus der Öffentlichkeitsbeteiligung geänderten - Liste beschließen, damit für jeden

Betroffenen (z.B. zukünftige Investoren, vorhandene Betriebe) die Verbindlichkeit und damit die Bedeutung als investitionssicherndes Instrument deutlich wird. Mit einem solchen Beschluss wird deren zentraler Stellenwert signalisiert. Mit diesen Einstufungen - und insbesondere mit der politischen Verabschiedung ei- ner solchen Sortimentsliste - signalisiert die Stadt Titisee-Neustadt, welcher Ein- zelhandel aus städtebaulichen Gründen in Zukunft in den zentralen Versorgungsbe- reichen angesiedelt werden soll. Allerdings muss das Konzept auch planungsrecht- lich in Form von Bebauungsplänen umgesetzt werden.

Diese Sortimentsliste muss zukünftig Teil der B-Pläne mit Aussagen zur Steuerung von Einzelhandel sein, wenn in diesen Aussagen zur Begrenzung von Einzelhandel hinsichtlich seiner Zentrenrelevanz enthalten sind.

8.5.3 Festlegen von Gebieten, in denen alle Sortimente bzw. nur nicht zentrenrelevante Sortimente zulässig sein sollen - auch großflächig In Verbindung mit der o.g. Sortimentsliste ist deutlich zu machen, an welchen Standorten der Stadt welche Art von Einzelhandel auch künftig noch zulässig sein wird. Dafür wurden im vorliegenden Gutachten Vorschläge für die Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche in Titisee und Neustadt unterbreitet, diese ent- sprechen dem zentralen Versorgungsbereich gemäß BauGB und sind seitens der Stadt nach Beschluss gleichsam parzellenscharf darzustellen.73

73 BVerwG: Urteil vom 11.10.2007, Az. 4 C 7/07.

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Darüber hinaus bietet sich an, Festsetzungstypen für die jeweiligen Bereiche zu entwickeln (vgl. für gewerblich geprägte Standorte Vorschläge unten).

Sofern die u.E. erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird, sind die Abgrenzung sowie evtl. vorgesehene Komplettausschlüsse von Einzelhandel in be- stimmten Gebieten und die Festsetzungstypen zunächst im Entwurf zu erstellen.

Auch die Abgrenzung, die Entscheidung über einen vollständigen/ teilweisen Aus- schluss von Einzelhandel in bestimmten Bereichen und die Typen sind letztlich vom Gemeinderat zu beschließen. Auf diese Weise können An- und Umsiedlungsanträge sehr schnell bewertet werden: grundsätzlich zulässige Betriebe können entsprechend schnell weiterbearbeitet werden, so dass dieses Vorgehen auch zur Verfahrensbeschleunigung bzw. zur Erhö- hung der Effizienz im Verwaltungshandeln dient.

Die Grundsätze zur räumlichen Lenkung des Einzelhandels (vgl. Kap. 8.2) beziehen sich im Wesentlichen auf die Innenstadt bzw. das Ortszentrum und auf Gewerbege- biete bzw. auf entsprechend zu definierende unbeplante Innenbereiche gemäß § 34 BauGB. Eine konkrete bauplanungsrechtliche Definition der zukünftigen einzelhan- delsbezogenen Nutzungen ist nur durch eine Einzelbeurteilung des jeweiligen Standortes möglich. Im Grundsatz lassen sich jedoch folgende Festsetzungstypen für gewerblich geprägte Standorte (§ 34 BauGB bzw. § 8 oder 9 BauNVO) unterscheiden, wobei die Festsetzung von Sonderbauflächen grundsätzlich eine Einzelfallbetrach- tung erforderlich macht:

1. Festsetzungstyp Einzelhandel ist gemäß § 1 (5) BauNVO nicht zulässig.

2. Festsetzungstyp Einzelhandel ist gemäß § 1 (5) BauNVO nicht zulässig. Aus- nahmsweise ist gemäß § 1 (9) BauNVO der Handel mit Kraftfahrzeugen, Kraftfahr- zeugzubehör (Lkw, Pkw, Motorräder) sowie Mineralölen, Brennstoffen zulässig. (Typische Vertreter der ausnahmsweise zulässigen Handelsbetriebe stellen neben Autohäusern der Reifenhandel sowie Betriebe mit Autoteilen und -zubehör dar.)

1 91

3. Festsetzungstyp Gemäß § 1 (5) und (9) BauNVO ist ausschließlich nicht zentren- relevanter, nicht großflächiger Einzelhandel zulässig. Ausnahmsweise sind bran- chentypische zentrenrelevante Randsortimente74 bis 10% der Fläche zulässig. Ein Beispiel für einen derartigen Einzelhandelsbetrieb wäre ein Anbieter von Bodenbelägen und Tapeten mit einer Verkaufsfläche von weniger als 800 qm, der als Ergänzungs- bzw. Randsortiment Haus-/ Heimtextilien oder Gardinen anbietet.

4. Festsetzungstyp Festsetzungstypen 1 bis 3 zusätzlich: Ausnahmsweise ist für Be- triebe des Handwerks der Verkauf von selbst hergestellten oder eingekauften Waren auf einer untergeordneten Fläche bis zu xxx qm zulässig (Handwerkerpri- vileg)75. Dies gilt jedoch nicht für das Lebensmittelhandwerk (z.B. Bäcker, Metz- ger, Konditor).

5. Festsetzungstyp Festsetzungen entsprechend dem § 1 (10) BauNVO - "Fremdkör- perfestsetzung": Dies könnte beispielsweise in einem Gewerbegebiet angewen- det werden, in dem künftig Einzelhandel ausgeschlossen werden soll. Ein bereits vorhandener Einzelhandelsbetrieb (z.B. Lebensmitteldiscounter) kann dann über die Fremdkörperfestsetzung in seiner Existenz auf gesichert werden.

Insbesondere bei der Überplanung von Baugebieten im Bestand sind sonstige recht- liche Aspekte (Fristen, Genehmigungsansprüche, Baurechte etc.) zu beachten. Bevor entsprechende Planungsabsichten formuliert werden können, sind diese und andere relevante Aspekte im Rahmen einer Baurechtsanalyse zu prüfen.

Üblicherweise werden lediglich gewerblich geprägte Baugebiete im Hinblick auf eine städtebaulich begründete räumliche Steuerung des Einzelhandels überprüft und ggf. überplant. Außer Acht gelassen werden die Mischgebiete (§ 6 BauNVO), die u.U. im Hinblick auf eine zentrenorientierte Einzelhandelssteuerung ebenso einen be- deutende Rolle spielen können. Für Mischgebiete sollte überprüft werden, ob auch in diesen zentrenrelevanter Einzelhandel ausgeschlossen werden sollte. Auch dies ist mit dem vorhandenen Planungsinstrumentarium möglich.

74 Nicht zentrenrelevante Randsortimente sind städtebaulich ohne Belang. 75 Da nur Anlagentypen festgesetzt werden dürfen oder die qm-Begrenzung städtebaulich begründet werden muss, ist hierzu u.E. eine gesonderte Prüfung notwendig.

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In Titisee-Neustadt erscheint beispielsweise dann ein Ausschluss von zentrenrele- vantem Einzelhandel in Mischgebieten sinnvoll, wenn die Gefahr besteht, dass mög- liche Ansiedlungen von Betrieben über die Nahversorgung eines Gebietes hinausge- hen und/ oder die Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche beeinträchtigen.

Für Kleinsiedlungsgebiete (§ 2 BauNVO), allgemeine sowie besondere Wohngebiete (§ 4 bzw. 4a BauNVO) und Dorfgebiete (§ 5 BauNVO) gilt dies ebenfalls.

Mit dem Beschluss des Gemeinderates wird das Einzelhandelskonzept zu einem städtebaulichen Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 (6) Nr. 11 BauGB, das bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen ist. Damit besteht auch die Möglichkeit der Anwendung von § 9 (2a) BauGB für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34 BauGB).

8.5.4 Bauleitplanerische Umsetzung der Zielvorstellungen Damit nicht "versehentlich" Entwicklungen möglich sind, die den Zielsetzungen ent- gegenstehen, ist zu prüfen, welche Bereiche in Titisee-Neustadt durch die bisheri- gen bauplanungsrechtlichen Festsetzungen (überplante Bereiche, § 30/ 31 BauGB) oder auch das Fehlen solcher (unbeplante Innenbereiche, § 34 BauGB) im Sinne der

Zielsetzungen des Einzelhandelskonzeptes gefährdet sind. Die entsprechenden Rege- lungen sind sodann entsprechend anzupassen. Bei bestehenden B-Plänen reicht u.U. eine Umstellung auf die aktuelle BauNVO bzw. ein vereinfachtes B-Planverfahren nach § 13 BauGB aus. Bei einer reinen Umstellung auf die aktuelle BauNVO ist aller- dings zu beachten, dass damit dennoch jeglicher Einzelhandel bis zur Großflächig- keit allgemein zulässig ist, sofern keine anderen Regelungen bestehen. Bei § 34-Ge- bieten ist die Aufstellung eines B-Plans oder die Anwendung des § 9 (2a) BauGB zu überprüfen, da nur so beispielsweise durch § 34 (3) BauGB nicht steuerbare Be- triebe entsprechend den Zielsetzungen behandelt werden können. Für den Fall eines akuten Handlungsbedarfs stehen nach einem Aufstellungs-/ Änder- ungsbeschluss die im Baurecht vorgesehenen Sicherungsinstrumente "Zurückstellung von Baugesuchen" (§ 15 BauGB) bzw. "Veränderungssperren" (§ 14 BauGB) zur Verfü- gung. Insbesondere bei Veränderungssperren muss deutlich gemacht werden, dass alle Veränderungen, die den planerischen Zielen nicht zuwiderlaufen, auch weiter- hin zulässig sind. Es sind nur die Veränderungen unzulässig, die dem Zweck der Veränderungssperre widersprechen.

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Die Begründung in den B-Plänen, in denen auf den Einzelhandel bezogene Regelun- gen vorgenommen werden, muss auf das Einzelhandelskonzept und insbesondere die damit verfolgten Ziele sowie die verfolgte räumliche Entwicklung des Ortszentrums bzw. der Innenstadt Bezug nehmen.

8.6 ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG

Durch ein Einzelhandelskonzept kann die Stadt Titisee-Neustadt planerisch und po- litisch den Rahmen für eine positive Entwicklung setzen. Im vorliegenden Gutachten wurden u.a. die Grundlagen für die Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche für Titisee und Neustadt und ein Vorschlag für eine Sortimentsliste erstellt. Grundvoraussetzung für eine rechtssichere Planung ist die Klärung der tatsäch- lichen, örtlichen Verhältnisse und Begebenheiten, die sich auf eine Verkaufsflächen- erhebung, Einzelhändlerbefragung, Passantenbefragung und städtebaulich-funktio- nalen Bestandsaufnahme in Titisee-Neustadt stützt. Mit der Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche (einschließlich aufgezeigter räumlicher Entwicklungsmöglichkeiten in Titisee und Neustadt), den Grundsätzen zur räumlichen Einzelhandelsentwicklung sowie der Sortimentsliste kann in der Stadt Titisee-Neustadt flächendeckend jede Anfrage zur Ansiedlung von (großflächi- gem) Einzelhandel unmittelbar bewertet werden: Es ist sofort feststellbar, an wel- chen Standorten zentrenrelevanter Einzelhandel in Zukunft zulässig und an welchen Standorten er unzulässig sein wird. Jede Standortbewertung - zumindest im Hin- blick auf (großflächige) zentrenrelevante Angebote - stellt nichts anderes dar, als eine Anwendung der Grundsätze zur räumlichen Einzelhandelsentwicklung.

Daneben sind jedoch auch weiterführende verkehrliche und städtebauliche Maßnah- men für die Sicherung bzw. Stärkung der Zentralität und Identität der zentralen Versorgungsbereiche, insbesondere in Neustadt, notwendig. Neben der Schaffung von Platz- bzw. Aufenthaltsqualitäten wird diesbezüglich u.a. auch die verkehrliche Entlastung der Hauptstraße als wichtiger Baustein der Innenstadtentwicklung her- vorgehoben. Auch weitere Akteure, insbesondere Einzelhändler (z.B. hinsichtlich der Warenpräsentation), Gastronomen in Titisee (z.B. hinsichtlich einer qualitätsvolle Außenbestuhlung) und Immobilieneigentümer in Neustadt (z.B. hinsichtlich der Um-

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setzung von "Hello Yellow" bzw. der Mitwirkung bei einem Ladenflächenmanagement) sind für eine positive Innenstadtentwicklung mit verantwortlich. Auch wenn eine große Zahl an Akteuren im öffentlichen wie privaten Sektor im Zu- sammenwirken einen attraktiven Einzelhandelsstandort entstehen lässt, darf nicht übersehen werden, dass ein Kernelement für die Attraktivierung der Zentren das Einzelhandelskonzept ist. Ohne ein solches Konzept, an das sich zunächst vor allem die Politik halten muss, sind die hier aufgeführten (ergänzenden) Maßnahmen kaum für eine nachhaltige Attraktivierung ausreichend; das Fehlen eines solchen Konzep- tes führt dazu, dass öffentliche und private Investitionen ad absurdum geführt wer- den.

Die Wirkungen eines umgesetzten Einzelhandelskonzeptes sind teilweise erst nach Jahren zu erkennen: Die Schaffung von Vertrauen, dass sich die Stadt Titisee-Neu- stadt an ein Einzelhandelskonzept halten wird, erfordert aber kontinuierliche Ver- lässlichkeit unabhängig von zeitnahen Erfolgsmeldungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich der Gemeinderat konsequent an dieses Konzept hält, wenn er es beschließt. Dies schließt auch ein Überprüfungserfordernis der Wirkungen des Konzeptes nach erfahrungsgemäß rd. 5 Jahren ein.

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Glossar

Die Bindungsquote bezeichnet das Verhältnis zwischen Umsatz und Kaufkraftpoten- zial in einem Gebiet (auch Zentralität genannt). Sie zeigt an, ob per Saldo Kaufkraft zufließt (Quote größer als 100%) oder abströmt (Quote kleiner als 100%). (siehe auch Kaufkraftverbleib). Als "unechte Bindungsquote" wird im vorliegenden Gut- achten die Relation des Umsatzes in einem Gebiet (hier im zentralen Versorgungsbe- reich Innenstadt) zur Kaufkraft in einem anderen Gebiet (hier in der Gesamtstadt) bezeichnet.

Einzelhandel im engeren Sinne ist der Einzelhandel in Ladengeschäften ohne Apo- theken, den Handel mit Kfz, Brenn-, Kraft- und Schmierstoffen und ohne Bäckereien und Metzgereien (Lebensmittelhandwerk). Darüber hinaus wurden allerdings auch Lebensmittelhandwerk, Apotheken und Tank- stellenshops, soweit diese überwiegend Sortimente wie der Einzelhandel im enge- ren Sinne - vor allem Nahrungs-/ Genussmittel - führen, in die vorliegende Untersu- chung einbezogen: Diese Angebotsformen wandeln sich zunehmend zu Handelsbetrie- ben.

Fachdiscounter sind Einzelhandelsbetriebe, die ein an der Bedarfsmenge je Haus- halt orientiertes schmales und flaches Sortiment, insbesondere von Waren des tägli- chen Bedarfs in Selbstbedienung und ohne Service (Kundendienst) oft zu den nied- rigsten für diese Waren im Einzelhandel geforderten Preisen anbieten.

Fachgeschäfte sind Einzelhandelsbetriebe, die ein branchenspezifisches oder be- darfsgruppenorientiertes Sortiment in großer Auswahl und in unterschiedlichen Qualitäten und Preislagen mit ergänzenden Dienstleistungen (z.B. Kundendienst) an- bieten.

Fachmärkte sind Einzelhandelsbetriebe, die ein breites und oft auch tiefes Sorti- ment aus einem Warenbereich, z.B. Bekleidungs-, Schuhfachmarkt, einem Bedarfsbe- reich, z.B. Sport-, Baufachmarkt oder einem Zielgruppenbereich, z.B. Möbel- und Haushaltswarenfachmarkt für design-orientierte Kunden, in übersichtlicher Waren- präsentation bei tendenziell niedrigem bis mittlerem Preisniveau anbieten. Der Standort ist in der Regel autokundenorientiert, entweder isoliert oder in ge-

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wachsenen und geplanten Zentren. Bei einigen Sortimenten, z.B. Drogeriemarkt, werden überwiegend Innenstadtlagen gewählt. Die Verkaufsverfahren sind Selbst- bedienung und Vorwahl, meist mit der Möglichkeit einer fachlichen und sortiments- spezifischen Beratung auf Wunsch der Kundinnen und Kunden.

Als Innenstadt ist das Gebiet einer Stadt zu verstehen, in dem sich die gesamt- städtisch und überörtlich bedeutsamen Funktionen konzentrieren. Da für die städte- bauliche Begründung für eine begrenzte Zulässigkeit von Einzelhandel der zentrale Versorgungsbereich entscheidend ist, liegt der Schwerpunkt bei der Abgrenzung auf der Konzentration des Einzelhandels. Daneben ist die Konzentration von Angeboten im Dienstleistungsbereich (z.B. Lebensmittelhandwerk, Reisebüros, Reinigungen etc.) von Bedeutung. Neben der Bestandsdichte als wesentlichem Kriterium sind infra- strukturelle und funktionale Zäsuren sowie städtebauliche Merkmale zur Abgrenzung der Innenstadt heranzuziehen. Die Abgrenzung ist damit unabhängig von statisti- schen oder historischen Bezeichnungen in einer Stadt.

Eine integrierte Lage im Sinne dieser Untersuchung liegt vor, wenn ein Standort städtebaulich eingebunden ist. Wichtig für die Einstufung als integriert ist die um- gebende Wohnbebauung. Die Bezeichnung stellt einen Oberbegriff für Innenstadt/ zentrale Versorgungsbereiche und sonstige integrierte Lagen dar. Als nicht integrierte Lagen sind entsprechend sämtliche Standorte zu bezeichnen, die nicht in Zusammenhang mit Wohnbebauung stehen (z.B. Einzelhandelsbetriebe in Gewerbegebieten oder sonstige autokundenorientierte Standorte ohne Zusammen- hang mit Wohnbebauung). Aber auch Gewerbegebiete, die mit Wohnbebauung durch- setzt sind, sind diesen Standorten zuzurechnen. Einzelhandel in sonstigen integrierten Lagen ist überall dort vorhanden, wo die Dichte/ Konzentration nicht ausreicht, den entsprechenden Bereich als sonstigen zentralen Versorgungsbereich (vgl. unten) einzustufen. Es handelt sich also um funktional und städtebaulich integrierte Einzelstandorte außerhalb der Innenstadt/ des zentralen Versorgungsbereichs.

Die Kaufkraft beschreibt die (nominale) Geldsumme, die einem privaten Haushalt in einem bestimmten Zeitraum zum Verbrauch zur Verfügung steht. Die Kaufkraft wird auf Basis der Lohn- und Einkommenssteuerstatistiken ermittelt. (s.a. Nachfrage)

1 97

Kaufkraftkennziffern stellen Indexzahlen dar, mit deren Hilfe regionale Teilmärkte hinsichtlich ihrer Kaufkraft bewertet werden. Sie ergeben sich aus dem Quotienten der Kaufkraft einer Region und dem entsprechenden gesamtdeutschen Wert. Die BBE Köln prognostiziert auf der Grundlage von Lohn- und Einkommenssteuerstatistiken die (einzelhandelsrelevante) Kaufkraft der Einwohner nach regionalen Gliederungen. Die Kaufkraftkennziffer je Einwohner zeigt, welche Gebietseinheit bei der Pro- Kopf-Kaufkraft über oder unter dem Bundesdurchschnitt (= 100) liegt.

Der Kaufkraftverbleib bezeichnet den Teil der Kaufkraft in einem Gebiet, der in diesem ausgegeben wird. Der Kaufkraftabfluss kennzeichnet den Teil der Kaufkraft in einem Gebiet, der außerhalb dieses Gebietes ausgegeben wird. Der Kaufkraftzu- fluss entspricht der Summe aller Kaufkraftanteile, die aus anderen Gebieten dem betrachteten Gebiet zufließen. Die Verbleibquote ergibt sich dadurch, dass der Verbleib in Relation zur Kaufkraft in dem Gebiet gesetzt wird, in dem sie verbleibt. Der Umsatz in einem Gebiet (U) ergibt sich aus der Kaufkraft in diesem Gebiet (KK), vermindert um Abflüsse in andere Regionen (A), vermehrt um Zuflüsse von außerhalb (Z): U = KK - A + Z. Die am Ort verbleibende Kaufkraft (V) ist die Differenz zwischen vorhandener Kauf- kraft und Kaufkraftabflüssen in andere Gebiete: V = KK - A. Entsprechend ergibt sich der Umsatz auch als Summe aus am Ort verbleibender Kauf- kraft und Kaufkraftzuflüssen von außerhalb: U = V + Z.

Die einzelhandelsrelevante Nachfrage entspricht dem Teil der Verbrauchsausga- ben der privaten Haushalte, der im Einzelhandel ausgegeben wird, d.h. die Nach- frage nach Dienstleistungen wird nicht berücksichtigt. (s.a. Kaufkraft)

Zentraler Versorgungsbereich (s. Innenstadt). Der Begriff des zentralen Versorgungsbereichs z.B. im Sinne der §§ 9 (2a) und 34 BauGB kann mehr als der Begriff des (einzelhandelsbezogenen) zentralen Bereichs umfassen: Wenn nämlich zentrale Einrichtungen außerhalb des zentralen Bereichs, aber angrenzend an diesen zu finden sind.

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In keinem Fall aber kann ein zentraler Versorgungsbereich weniger als den unter Einzelhandelsaspekten abgegrenzten zentralen Bereich umfassen. Umgekehrt muss nicht jeder zentrale Bereich einen zentralen Versorgungsbereich darstellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die über den Nahbereich hin- ausreichende Versorgungsfunktion nicht (umfassend) erfüllt ist. Auch bei der Abgrenzung von zentralen Versorgungsbereichen kommt dem Einzelhan- del (als einer zentralen Einrichtung) herausgehobene Bedeutung zu - aber allein die Tatsache einer Konzentration von Einzelhandel reicht nicht aus, einen zentralen Versorgungsbereich zu begründen76. In Titisee-Neustadt gibt es in den Stadtteilen Titisee und Neustadt je einen zent- ralen Versorgungsbereich.

Supermärkte sind Einzelhandelsbetriebe, die auf einer Verkaufsfläche von mindes- tens 400 qm Lebensmittel einschließlich Frischwaren (z.B. Obst, Gemüse, Südfrüchte,

Fleisch) und ergänzend Waren des täglichen Bedarfs anderer Branchen vorwiegend in

Selbstbedienung anbieten. Nach der amtlichen Statistik hat der Supermarkt höchstens eine Verkaufsfläche von 1.000 qm, nach internationalen Panelinstituten von 800 qm und nach der Abgrenzung des Europäischen Handelsinstituts von 1.500 qm.

Verbleibquote (s. Kaufkraftverbleib).

Verbrauchermärkte sind großflächige Einzelhandelsbetriebe, die ein breites und tiefes Sortiment an Lebensmitteln und an Ge- und Verbrauchsgütern des kurz- und mittelfristigen Bedarfs überwiegend in Selbstbedienung anbieten. Häufig wird ent- weder auf eine Dauerniedrigpreispolitik oder auf eine Sonderangebotspolitik abge- stellt. Die Verkaufsfläche liegt nach der amtlichen Statistik bei mindestens 1.000 qm, nach der Abgrenzung des Europäischen Handelsinstituts bei 1.500 qm, nach in- ternationalen Erhebungsverfahren von Panelinstituten bei 800 qm. Der Standort ist in der Regel autokundenorientiert, entweder in Alleinlage oder innerhalb von Ein- zelhandelszentren.

76 Vgl. hierzu BVerwG: Urteil vom 11.10.2007, Az. 4 C 7/07.

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Anhang Fragebogen

Einzelhändlerbefragung in Titisee-Neustadt im Oktober 2008 Alle Angaben werden streng vertraulich behandelt!! Die Bestimmungen des Datenschutzes werden eingehalten!! ...... Erheber Nr. Stadtteil: LM NV-Betrieb: EH Konzentration:

ZVB Innenstadt: sonstiger ZVB: sonst. integr.: nicht integr.:

Straße: Haus-Nr.: Name:

Eigentum: Miete: Miethöhe (pro qm/ kalt):

Anzahl Anzahl Anzahl Azubis Beschäftigte: Vollzeitbeschäftigte:

Bitte Teilzeitbeschäftigte in Vollzeitbeschäftigte umrechnen!

Sortimente VKF in qm 1. 2. 3. 4. 5. 6. .... Summe Verkaufsfläche (VK)

Angaben des befragten Händlers: eigene Erhebung:

200

Kundenherkunft nach prozentualem Umsatzanteil (Summe = 100) Titisee- Hoch- Schwarzwald- Dreisamtal LK Waldshut Sonstige Neustadt schwarzwald Baar-Kreis

Brutto-Umsatz 2007 (Euro): Entwicklung letzte 3 Jahre mehr als + 15% 0 bis + 15% unverändert 0 bis -15% mehr als - 15%

Änderungsabsichten Jahr Sortiment Fläche

Was finden Sie gut an der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt (Stärken) und wo sehen Sie Chancen?

Was finden Sie schlecht an der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt (Schwächen) und wo sehen Sie Risiken?

2 01

Tab. A - 1: Betriebe nach Größenklassen in der Stadt insgesamt: Anzahl und Verkaufsfläche

1) VKF in qm Anzahl Anteil VKF in qm Anteil bis 50 qm 55 34% 1.875 6% 51 bis 100 qm 45 28% 3.425 11% 101 bis 200 qm 28 18% 4.375 14% 201 bis 400 qm 13 8% 3.725 12% 401 bis 800 qm 14 9% 8.675 28% 801 und mehr 5 3% 8.925 29% Gesamt 160 100% 31.025 100% 1) : Werte auf 25 qm gerundet durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

202

Tab. A - 2: Einzelhandelssituation: Umsatz, Kaufkraft (je in Mio. €) und Bindungsquoten Sortimente Umsatz Kaufkraft Bindungsquote Nahrungs-/ Genussmittel 30,5 20,2 151% Lebensmittelhandwerk 4,0 3,2 125% Drogerie/ Parfümerie 4,7 2,7 170% Apotheke 4,8 5,4 88% PBS; Zeitungen/ Zeitschriften 1,2 1,0 112% Blumen/ Zoo 1,5 0,8 177% Kurzfristiger Bedarf 46,6 33,5 139% Bekleidung und Zubehör 7,9 6,0 132% Schuhe, Lederwaren 2,9 1,3 221% Sport/ Freizeit 2,5 0,9 269% Spielwaren, Babyausstattung 0,8 1,3 60% Bücher 0,8 1,2 61% GPK/ Geschenke, Haushaltswaren/ Bestecke 3,8 0,8 459% Haus-/ Heimtextilien 0,8 0,8 99% mittelfristiger Bedarf 19,5 12,4 157% Uhren/ Schmuck 3,1 0,6 519% Foto/ Optik und Zubehör 1,5 1,1 138% Unterhaltungselektronik/ Medien 1,3 3,6 35% Elektro/ Leuchten 0,6 1,5 38% Teppiche/ Bodenbeläge 0,4 0,4 99% baumarkt-/ gartencenterspezifische Sortimente 3,0 4,5 67% Möbel, Antiquitäten 6,7 3,3 200% Sonstiges 3,2 2,6 123% Langfristiger Bedarf 19,8 17,6 112%

Summe 85,9 63,5 135% PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE Köln; Statistisches Landesamt Ba- den-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

2 03

Tab. A - 3: Betriebe im zentralen Versorgungsbereich von Neustadt nach Größenklassen: An- zahl und Verkaufsflächen

VKF in qm Anzahl Anteil VKF in qm1) Anteil bis 50 qm 20 34% 675 12% 51 bis 100 qm 19 32% 1.500 25% 101 bis 200 qm 17 29% 2.650 45% 201 qm und mehr 3 5% 1.100 19% Gesamt 59 100% 5.925 100% 1) : Werte auf 25 qm gerundet aus Datenschutzgründen können die Betriebe mit 201 qm und mehr Verkaufsfläche nicht differenziert ausgewiesen werden durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Tab. A - 4: Betriebe im zentralen Versorgungsbereich von Titisee nach Größenklassen: Anzahl und Verkaufsflächen VKF in qm Anzahl Anteil VKF in qm1) Anteil bis 50 qm 10 29% 400 8% 51 bis 100 qm 11 31% 825 17% 101 bis 200 qm 6 17% 875 18% 201 qm und mehr 8 23% 2.775 57% Gesamt 35 100% 4.875 100% 1) : Werte auf 25 qm gerundet aus Datenschutzgründen können die Betriebe mit 201 qm und mehr Verkaufsfläche nicht differenziert ausgewiesen werden durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

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Tab. A - 5: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Einzelhandelsangebot/ -auswahl Kategorie positiv negativ Summe Fachgeschäfte 7 11 18 Auswahl 4 9 13 Angebot 1 24 25 Servicequalität 3 5 8 Magnetansiedlung 7 14 21 Sortimente 1 12 13 Preisniveau/ Qualität 2 6 8 Verdrängung der Kleinen durch die Großen 3 6 9 Lebensmittel-Versorgung 0 33 33 Herrenbekleidung 2 10 12 Haushaltswaren 0 7 7 Verlagerung des Einzelhandels nach draußen 0 22 22 Sonstiges 1 9 10 Summe 31 168 199 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Tab. A - 6: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Sonstiges Kategorie positiv negativ Summe Öffnungszeiten 2 6 8 Mieten 0 5 5 Tourismus 10 2 12 Kunden/ Kundenverhalten 9 25 34 Sonstiges 14 26 40 Summe 35 64 99 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Tab. A - 7: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Parkplätze Kategorie positiv negativ Summe Anzahl 2 18 20 Parkraumüberwachung 0 14 14 Parkgebühren 0 9 9 Bewirtschaftung 0 5 5 Allgemein 4 16 20 Lage 2 5 7 Sonstiges 1 2 3 Summe 9 69 78 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

2 05

Tab. A - 8: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Atmosphäre/ Aufenthaltsqualität Kategorie positiv negativ Summe Stadtbild/Flair 6 10 16 Sanierung 2 3 5 Aufenthaltsqualität 0 6 6 Frequenz 1 22 23 Fußgängerzone 3 6 9 Attraktion/ Anziehungspunkt 0 5 5 Sonstiges 3 4 7 Summe 15 56 71 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Tab. A - 9: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Zu- sammenarbeit Kategorie positiv negativ Summe Einzelhandel - Einzelhandel 11 11 22 Einzelhandel - Stadt 3 9 12 Sonstiges 2 0 2 Summe 16 20 36 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Tab. A - 10: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Struktur/ Angebot Dienstleistungen Kategorie positiv negativ Summe Spaßbad 5 0 5 Gastronomie 2 9 11 soziale Infrastruktur 4 0 4 Kulturelles/ Freizeitangebot 2 5 7 Hotel 0 3 3 Sonstiges 2 1 3 Summe 15 18 33 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

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Tab. A - 11: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Er- reichbarkeit/ Verkehr Kategorie positiv negativ Summe Verkehrsführung 0 11 11 Anbindung 5 6 11 Kurze Wege 1 2 3 Sonstiges 0 5 5 Summe 6 24 30 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

Tab. A - 12: Beurteilung der Einzelhandelssituation in Titisee-Neustadt aus Händlersicht - Leerstand Kategorie positiv negativ Summe Leerstand 0 14 14 Sonstige 0 1 1 Summe 0 15 15 Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

2 07

Tab. A - 13: Einzelhandelssituation im zentralen Versorgungsbereich von Neustadt: Umsatz im zentralen Versorgungsbereich und Kaufkraft in der Gesamtstadt (je in Mio. €) so- wie "unechte Bindungsquoten" Unechte Sortimente Umsatz Kaufkraft Bindungsquote Nahrungs-/ Genussmittel, Lebensmittelhand- 3,0 20,2 15% werk sonstiger kurzfristiger Bedarf 6,7 13,3 50% kurzfristiger Bedarf 9,7 33,5 29% Bekleidung und Zubehör 3,2 6,0 54% Schuhe, Lederwaren, Sport/ Freizeit 1,0 2,2 47% Spielwaren, Babyausstattung, Bücher 0,9 2,5 36% GPK/ Geschenke, Hausrat, Haus-/ Heimtextilien 0,6 1,7 34% mittelfristiger Bedarf 5,8 12,4 46% Uhren/ Schmuck; Foto/ Optik und Zubehör 1,9 1,7 113% Medien, Elektro/ Leuchten, Sonstiges 1,5 7,7 20% baumarkt-/ gartencenterspezifische Sorti- 4,9 mente, Teppiche, Bodenbeläge *** *** Möbel, Antiquitäten 0,0 3,3 0% langfristiger Bedarf 3,5 17,6 20%

Summe 19,0 63,5 30% GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik aus Datenschutzgründen wurden Sortimentsgruppen zusammengefasst *** aus Datenschutzgründen nicht ausweisbar durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE, Köln; Statistisches Landesamt Ba- den-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

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Tab. A - 14: Einzelhandelssituation im zentralen Versorgungsbereich von Titisee: Umsatz im zentralen Versorgungsbereich und Kaufkraft in der Gesamtstadt (je in Mio. €) so- wie "unechte Bindungsquoten" Unechte Sortimente Umsatz Kaufkraft Bindungsquote Nahrungs-/ Genussmittel, Lebensmittelhand- 3,0 20,2 15% werk sonstiger kurzfristiger Bedarf 1,1 13,3 8% kurzfristiger Bedarf 4,1 33,5 12% Bekleidung und Zubehör 2,8 6,0 47% Schuhe, Lederwaren, Sport/ Freizeit 0,9 2,2 41% Spielwaren, Babyausstattung, Bücher 0,3 2,5 11% GPK/ Geschenke, Hausrat, Haus-/ Heimtextilien 2,2 1,7 129% mittelfristiger Bedarf 6,1 12,4 50% Uhren/ Schmuck; Foto/ Optik und Zubehör 2,7 1,7 160% Medien, Elektro/ Leuchten, Sonstiges *** 7,7 *** baumarkt-/ gartencenterspezifische Sorti- 4,9 mente, Teppiche, Bodenbeläge *** *** Möbel, Antiquitäten 0,0 3,3 0% langfristiger Bedarf 2,7 17,6 15%

Summe 12,9 63,5 20% GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik aus Datenschutzgründen wurden Sortimentsgruppen zusammengefasst *** aus Datenschutzgründen nicht ausweisbar durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008; IfH; EHI; BBE, Köln; Statistisches Landesamt Ba- den-Württemberg; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

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Tab. A - 15: Einzelhandelsangebot in Titisee-Neustadt nach Lage: Verkaufsfläche auf 25 qm ge- rundet ZVB Neu- sonstige nicht Gesamt Sortimente ZVB Titisee stadt integriert integriert Nahrungs-/ Genussmittel, Lebens- 725 675 1.300 4.325 7.025 mittelhandwerk sonstiger kurzfristiger Bedarf 1.200 125 1.000 725 3.050 kurzfristiger Bedarf 1.925 800 2.300 5.050 10.075 Bekleidung und Zubehör 1.600 1.175 175 1.100 4.050 Schuhe, Lederwaren, Sport/ Frei- 350 325 2.025 zeit *** *** Spielwaren, Babyausstattung, 425 300 925 Bücher *** *** GPK/ Geschenke, Hausrat, Haus-/ 500 1.700 925 425 3.550 Heimtextilien mittelfristiger Bedarf 2.850 3.475 2.325 1.875 10.550 Uhren/ Schmuck; Foto/ Optik und 475 525 1.025 Zubehör *** *** Medien, Elektro/ Leuchten, 525 1.250 Sonstiges *** *** *** baumarkt-/ gartencenterspezif. 450 3.825 4.450 Sortimente, Teppiche, Bodenbeläge *** *** Möbel, Antiquitäten 0 0 3.700 0 3.700 langfristiger Bedarf 1.150 575 4.350 4.350 10.400

Summe 5.925 4.875 8.975 11.250 31.025 PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas/ Porzellan/ Keramik *** aus Datenschutzgründen nicht ausweisbar aus Datenschutzgründen wurden Sortimentsgruppen zusammengefasst durch Rundungen kann es zu Abweichungen der Summen kommen Quelle: eigene Einzelhändlerbefragung Oktober 2008

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Tab. A - 16: Kaufkraftpotenzial nach Sortimenten 2015 und 2020 in Mio. € Jahr 2015 2020 Sortiment untere Var. obere Var. untere Var. obere Var. Nahrungs-/ Genussmittel 20,1 21,1 20,1 21,8 Drogerie/ Parfümerie 2,8 2,9 2,8 3,0 PBS; Zeitungen/ Zeitschriften 1,0 1,1 1,0 1,1 Blumen/ Zoo 0,8 0,9 0,8 0,9 kurzfristiger Bedarf 24,8 26,0 24,8 26,9 Bekleidung und Zubehör 6,1 6,3 6,1 6,6 Schuhe, Lederwaren 1,3 1,3 1,3 1,4 Sport/ Freizeit 1,0 1,0 1,0 1,0 Spielwaren 1,3 1,4 1,3 1,5 Bücher 1,2 1,3 1,2 1,3 GPK/ Geschenke, Haushaltswaren/ Bestecke 0,8 0,9 0,8 0,9 Haus-/ Heimtextilien 0,8 0,9 0,8 0,9 mittelfristiger Bedarf 12,6 13,2 12,5 13,6 Uhren/ Schmuck 0,6 0,6 0,6 0,7 Foto/ Optik und Zubehör 1,1 1,1 1,1 1,2 Medien 3,6 3,8 3,6 3,9 Elektro/ Leuchten 1,5 1,6 1,5 1,6 Teppiche/ Bodenbeläge 0,4 0,4 0,4 0,4 baumarkt-/ gartencenterspez. Sort. 4,5 4,7 4,5 4,9 Möbel, Antiquitäten 3,5 3,7 3,5 3,8 Sonstiges 2,6 2,8 2,6 2,8 langfristiger Bedarf 17,8 18,7 17,8 19,3

Summe 55,2 57,8 55,2 59,8 PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas Porzellan/ Keramik Quelle: Stadt Titisee-Neustadt; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg; BBE Köln; eigene Berechnungen

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Tab. A - 17: Verkaufsflächenpotenzial bis 2020 bei Status-quo-Prognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet Jahr 2015 2020 Sortiment untere Var. obere Var. untere Var. obere Var. Nahrungs-/ Genussmittel --- 225 --- 325 Drogerie/ Parfümerie 25 75 25 100 PBS; Zeitungen/ Zeitschriften 0 25 0 25 Blumen/ Zoo 0 25 0 50 kurzfristiger Bedarf 25 350 25 500 Bekleidung und Zubehör 75 225 50 300 Schuhe, Lederwaren 0 25 0 50 Sport/ Freizeit 25 75 25 100 Spielwaren 25 50 25 50 Bücher 0 25 0 25 GPK/ Geschenke, Haushaltswaren/ ------Bestecke Haus-/ Heimtextilien 0 25 0 25 mittelfristiger Bedarf 125 425 100 550 Uhren/ Schmuck ------Foto/ Optik und Zubehör 0 25 0 25 Medien 0 0 0 25 Elektro/ Leuchten 0 25 0 25 Teppiche/ Bodenbeläge 0 0 0 0 baumarkt-/ gartencenterspez. Sort. 25 175 25 275 Möbel, Antiquitäten 175 325 175 400 Sonstiges 0 25 0 25 langfristiger Bedarf 200 575 200 775

Summe 350 1.350 325 1.825 PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas Porzellan/ Keramik ---: rechnerisch negativer Bedarf Quelle: eigene Berechnungen

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Tab. A - 18: Verkaufsflächenpotenzial bis 2020 bei Entwicklungsprognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet Jahr 2015 2020 Sortiment untere Var. obere Var. untere Var. obere Var. Nahrungs-/ Genussmittel --- 225 --- 325 Drogerie/ Parfümerie 25 75 25 100 PBS; Zeitungen/ Zeitschriften 0 25 0 25 Blumen/ Zoo 0 25 0 50 kurzfristiger Bedarf 25 350 25 500 Bekleidung und Zubehör 75 225 50 300 Schuhe, Lederwaren 0 25 0 50 Sport/ Freizeit 25 75 25 100 Spielwaren 50 100 75 175 Bücher 0 50 25 75 GPK/ Geschenke, Haushaltswaren/ ------125 Bestecke Haus-/ Heimtextilien 0 75 0 125 mittelfristiger Bedarf 150 550 175 950 Uhren/ Schmuck ------0 50 Foto/ Optik und Zubehör 0 25 0 25 Medien 25 175 50 275 Elektro/ Leuchten 25 150 25 275 Teppiche/ Bodenbeläge 0 25 0 75 baumarkt-/ gartencenterspez. Sort. 150 1.450 250 2.500 Möbel, Antiquitäten 175 325 175 400 Sonstiges 0 25 0 25 langfristiger Bedarf 375 2.175 500 3.625

Summe 550 3.075 700 5.075 PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas Porzellan/ Keramik ---: rechnerisch negativer Bedarf Quelle: eigene Berechnungen

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Tab. A - 19: Verkaufsflächenpotenzial bis 2020 bei Wettbewerbsprognose - Angaben in qm, auf 25 qm gerundet Jahr 2015 2020 Sortiment untere Var. obere Var. untere Var. obere Var. Nahrungs-/ Genussmittel ------Drogerie/ Parfümerie --- 0 ------PBS; Zeitungen/ Zeitschriften --- 0 ------Blumen/ Zoo ------kurzfristiger Bedarf 0 0 0 0 Bekleidung und Zubehör ------Schuhe, Lederwaren ------Sport/ Freizeit --- 0 ------Spielwaren 0 50 0 75 Bücher 0 25 0 25 GPK/ Geschenke, Haushaltswaren/ ------Bestecke Haus-/ Heimtextilien --- 25 --- 25 mittelfristiger Bedarf 0 100 0 125 Uhren/ Schmuck ------Foto/ Optik und Zubehör --- 0 ------Medien 0 125 0 225 Elektro/ Leuchten 0 125 --- 200 Teppiche/ Bodenbeläge --- 25 --- 25 baumarkt-/ gartencenterspez. Sort. --- 1.075 --- 1.825 Möbel, Antiquitäten --- 75 ------Sonstiges --- 0 ------langfristiger Bedarf 0 1.425 0 2.275

Summe 0 1.525 0 2.400 PBS = Papier/ Bürobedarf/ Schreibwaren GPK = Glas Porzellan/ Keramik ---: rechnerisch negativer Bedarf Quelle: eigene Berechnungen

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