VG Augsburg, Urteil v. 07.11.2016 – Au 2 K 16.31963

Titel: Erfolglose Klage wegen Zuerkennung internationalen Schutzes

Normenkette: AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 3c, § 3d Abs. 2, § 3e Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 1

Leitsätze: 1. Die Regierung der Region in ist grundsätzlich willens und in der Lage, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Zwar verfügt sie nur über vergleichsweise wenige Sicherheitskräfte; bisher hat sich deren Anzahl jedoch als ausreichend erwiesen, um die generellen Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen. (redaktioneller Leitsatz) 2. In Puntland besteht derzeit kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zur Zuerkennung subsidiären Schutzes führen könnte. (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte: Somalia, Puntland, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz, innerstaatlicher bewaffneter Konflikt

Fundstelle: BeckRS 2016, 54675

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1 Die Klägerin gibt an, am …1982 in … (Somalia) geboren zu sein und dem Clan der Derod anzugehören. Sie sei am 19. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo sie am 30. Juni 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag stellte.

2 Bei der Registrierung der persönlichen Daten am 16. Oktober 2015 sind als Geburtsort „…“ und als Ehemann …, geboren am …1970, eingetragen.

3 Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung durch die Bundespolizeiinspektion … am 16. Oktober 2015 gab die Klägerin als Geburtsort ebenfalls … an. Sie erklärte, Somalia vor vier Monaten verlassen zu haben und über Äthiopien, Sudan und Libyen vor sechs Tagen nach Italien gelangt zu sein. Sie sei verheiratet und habe fünf Kinder im Alter von zweieinhalb bis 12 Jahren, auf die ihre in Somalia lebende Schwester aufpasse. Ihr Reiseziel sei Deutschland gewesen. Sie sei zusammen mit anderen gereist. Sie wolle ihre Kinder und ihre ganze Familie nachholen. In Somalia habe sie viele Probleme. Ihr Mann sei verschollen und sei wegen des Bürgerkriegs geflohen. In Somalia habe sie vor den Milizen Al-Shabaabs ständig Angst gehabt.

4 Bei der Anhörung gemäß § 25 AsylG am 30. Juni 2016 erklärte die Klägerin, sich bis zur Ausreise in … aufgehalten und ihre Heimat im Juni 2015 verlassen zu haben. Zur Finanzierung ihrer Reise, welche ca. 2.000 US-Dollar gekostet habe, habe sie ihren Goldschmuck verkauft. Ihr Neffe lebe noch in Somalia und, soweit sie erfahren habe, seien ihre Kinder, ihre beiden Schwestern und ihre Nichte momentan in … in Äthiopien. Ihr Ehemann sei verschollen.

5 Zum Verfolgungsschicksal befragt führt die Klägerin aus, dass ihr Ehemann namens „…“ von 2005 bis 2009 für die Regierung an den Orten …, … und … tätig gewesen sei. Nach dem Sturz dieser Regierung seien sie gezwungen gewesen, nach … zurückzukehren. Seit 2009 bis 2014 sei ihr Ehemann für die Regierung „…“ als General tätig gewesen. Aufgrund dessen hätten sie sich Feinde geschaffen und seien ständig bedroht worden. Ihre Schwester, ihr Schwager, der Chauffeur ihres Mannes und die Bodyguards seien getötet worden. Ihr Haus sei von Al-Shabaab mit einer Bombe angegriffen worden, woraufhin sie alle geflüchtet seien. Es habe eine Explosion gegeben und jeder Familienangehörige sei in eine andere Richtung geflüchtet. Die Drohungen hätten begonnen, seitdem ihr Mann für die Regierung gearbeitet habe. Der letzte Mord an ihrem Schwager, einem Polizisten, sei am 15. Februar 2016 begangen worden. Der Angriff auf ihr Haus habe sich im März 2014 bzw. 2015 ereignet. Bis zur Ausreise im Juni 2015 habe sie sich in Somalia aufgehalten. Sie habe versucht, ihre Kinder ausfindig zu machen, was ihr aber nicht gelungen sei. Sie wisse auch nicht, ob sich ihr Ehemann bemüht habe, sie zu suchen. Sie habe in Somalia keine Probleme mit der Polizei oder den Behörden gehabt.

6 Mit Bescheid vom 13. September 2016 wurden der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffern 1 bis 3), jedoch festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Ziffer 4). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angaben der Klägerin bezogen auf die fluchtauslösenden Gründe und dem weiteren zeitlichen Ablauf widersprüchlich seien und damit erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrags bestünden. Die Schilderungen zum ausreisebegründenden Ereignis seien allenfalls als schlagwortartig und detailarm zu bezeichnen. Zudem spreche gegen die behauptete Verfolgungsfurcht auch der Zeitpunkt der Antragstellung. Einer tatsächlich verfolgten Person müsse es sich geradezu aufdrängen, den deutschen Behörden unmittelbar nach der Einreise ihr Gefährdungs- und Verfolgungsschicksal darzulegen. Zusammengefasst habe die Bedrohungssituation nicht substantiiert werden können. Die Äußerungen seien an der Oberfläche geblieben und vermittelten nicht den Eindruck des unmittelbar Erlebten. Die Ausführungen seien stereotyp; auffällig seien die Pauschalitäten und fehlende Präzision der Angaben hinsichtlich des Kerngeschehens. Hiervon ausgehend habe die Klägerin weder eine Vorverfolgung schlüssig, noch eine individuelle konfliktbedingte Gefahr darlegen können. Die Klägerin sei als Zivilperson nicht gefahrerhöhend von willkürlicher Gewalt im Rahmen eines in ihrem Herkunftsland bestehenden innerstaatlichen Konflikts betroffen. Da der Aufenthalt des Ehemannes derzeit unklar sei und aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen lägen gefahrerhöhende Umstände im Sinne des Art. 3 EMRK vor, so dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu bejahen sei.

7 Hiergegen ließ die Klägerin am 26. September 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben. Für sie ist zuletzt beantragt,

8 1. den Bescheid des Bundesamts vom 13. September 2016 in den Ziffern 1 und 3 aufzuheben und

9 2. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Flüchtlingsschutz, hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren.

10 Zur Begründung wurde am 13. Oktober 2016 und 2. November 2016 ausgeführt, dass die Klägerin ihr Heimatland aufgrund nachhaltiger Bedrohung für ihr Leben verlassen habe. Die Wohnung der Familie sei in die Luft gesprengt und die Mitglieder der Familie zerstreut worden. Bei der Suche nach ihren Familienangehörigen sei die Klägerin von Mitgliedern Al-Shabaabs geschlagen, beleidigt und mit dem Tode bedroht worden. In Konsequenz habe sie sich zur Flucht entschlossen. Die Klägerin sei verheiratet mit …, geboren 1968 in …, und habe fünf in den Jahren 2004, 2005, 2009, 2011 und 2013 jeweils in … geborene Kinder.

11 Der Ehemann sei in führender Position des somalischen Militärs für die Regierung tätig gewesen. Ab Ende 2014 habe Al-Shabaab begonnen, die Familie der Klägerin zu drangsalieren und zu bedrohen. Es könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht unvermittelt aus Somalia ausgereist sei, sondern zunächst versucht habe, ihre Familienmitglieder wieder zusammenzubringen. Erst als diese Bemühungen fehlgeschlagen seien und sie weiterhin nachhaltige Gefahr für ihr eigenes Leben zu gegenwärtigen gehabt habe, habe sie sich zur Flucht entschlossen. Da sie die Flucht, die administrativen Anforderungen in Deutschland, die Sprachbarriere habe bewältigen müssen, auf sich allein gestellt und erkrankt gewesen sei, könne ihr die zeitlich verzögerte Antragstellung nicht zur Last gelegt werden. Aufgrund ihrer Erkrankungen habe sich die Klägerin bei ihrer Anhörung in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befunden, was möglicherweise für Unstimmigkeiten mitverantwortlich sei.

12 Mit Beschluss vom 28. September 2016 wurde die Streitsache zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit weiterem Beschluss vom 17. Oktober 2016 wurde das Verfahren abgetrennt, unter dem Aktenzeichen Au 2 K 16.32138 fortgeführt und eingestellt, soweit ursprünglich auch beantragt gewesen war, Ziffer 4. des Bescheids des Bundesamts aufzuheben.

13 Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 28. September 2016 die dort geführten Akten vor, äußerte sich aber nicht zur Sache und stellte auch keinen Antrag.

14 Mit Beschluss vom 4. November 2016 lehnte das Gericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

15 Unter dem 7. November 2016 trug die Klägerin ergänzend und vertiefend vor.

16 Am 7. November 2016 fand mündliche Verhandlung statt. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Bundesamtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17 Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2016 entschieden werden, obwohl die Beklagte zu dem Termin nicht erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Ausbleibens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Parteien sind form- und fristgerecht geladen worden.

18 Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

19 Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, noch auf Gewährung subsidiären Schutzes (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).

20 1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind nicht erfüllt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juni 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GK), wenn er sich wegen begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 1).

21 Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (vgl. § 3c AsylG). Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam sein und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (vgl. § 3d Abs. 2 AsylG).

22 Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (sog. „interner Schutz“, vgl. § 3e Abs. 1 AsylG).

23 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit - und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit - des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B. v. 21.71989 - 9 B 239.89 - juris Rn. 3).

24 Dabei ist es Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, so schildert, dass der behauptete Asylanspruch davon lückenlos getragen wird. Das Gericht muss beurteilen, ob eine solche Aussage des Asylbewerbers glaubhaft ist. Dies gehört zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung, vor allem der freien Beweiswürdigung. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts sind u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylbewerbers zu berücksichtigen (BVerwG, B. v. 3.8.1990 - 9 B 45.90 - juris Rn. 2; B. v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 - juris Rn. 8; B. v. 21.7.1989 - 9 B 239.89 - juris Rn. 3 f.).

25 In Anwendung dieser Maßstäbe kann die Klägerin die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht beanspruchen. Sie konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts dartun, Somalia (hier: Puntland) unter dem Druck bereits erlittener oder unmittelbar bevorstehender Verfolgung verlassen zu haben. Die vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid festgehaltenen Zweifel an dem vorgetragenen Bedrohungsszenario konnte die Klägerin auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht ausräumen. Insofern ist der Vortrag der Klägerin zu mehreren zentralen Aspekten nicht in sich stimmig. Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihres individuellen Verfolgungsschicksals im Wesentlichen auf die Bedrohung und einen Bombenanschlag durch Al-Shabaab wegen der Tätigkeit ihres Ehemannes für die somalische Regierung. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sich der Vorfall im März 2015 ereignet haben soll, so ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin - trotz der von ihr geschilderten erheblichen Bedrohungslage - noch weitere drei Monate zugewartet hat, bis sie ihre Heimat im Juni 2015 (Bl. 30, 32 der BA-Akte; Bl. 44 der Gerichtsakte) verlassen hat. Auf diese Ungereimtheiten angesprochen erklärt die Klägerin beim Bundesamt und in der Klagebegründung, in diesen drei Monaten versucht zu haben, in Somalia ihre Familienangehörigen ausfindig zu machen. In der mündlichen Verhandlung behauptete die Klägerin erstmals, bereits am 15. März 2015 aus Somalia ausgereist zu sein. Widersprüchlich und damit unglaubhaft sind des Weiteren die Angaben zum Verbleib der Familienangehörigen, insbesondere ihrer fünf Kinder. Wird zunächst behauptet, sie befänden sich bei einer Schwester in Somalia (Bl. 44 der Gerichtsakte), so erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie sich nunmehr in Äthiopien befänden. Ferner fällt auf, dass die von der Klägerin angegebenen Namen ihres Ehemannes unterschiedlich sind. Selbst wenn es sich bei den in der Anhörung am 30. Juni 2016 und in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Namen nur um verschiedene Schreibweisen handeln sollte, so decken sich diese nicht mit dem bei der Registrierung der persönlichen Daten erfassten Namen (Bl. 47 BA-Akte). Auch weichen Alter bzw. das Geburtsdatum um mindestens zwei Jahre voneinander ab. Insofern fällt weiter auf, dass - neben Alter und Namen des Ehemanns - auch ansonsten die Angaben der Klägerin zu ihrem Ehemann vage, ungenau bzw. teilweise widersprüchlich sind. Weder kenne sie den genauen Dienstgrad, noch stimmen die beim Bundesamt bzw. in der Klagebegründung genannten Einsatzorte mit den in der mündlichen Verhandlung angegebenen Standorten überein.

26 Aber selbst wenn der klägerische Vortrag als wahr unterstellt wird, ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegend bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht in ihrer Heimat um Schutz vor Verfolgung nachgesucht (§ 3d AsylG). Als Grund hierfür führte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Differenzen wegen unterschiedlicher Stammeszugehörigkeit an. Dies überzeugt nicht. Die Klägerin ist Angehörige der Darod, dem Hauptclan in Puntland (EASO, Country of Origin Information Report, Somalia Security Situation, Februar 2016, S. 69). Zudem erklärte die Klägerin noch in der Anhörung beim Bundesamt, selbst nie Probleme mit der Polizei oder den Behörden gehabt zu haben. Auch ist davon auszugehen, dass Puntland grundsätzlich in der Lage und willens ist, Schutz gemäß § 3d Abs. 2 AsylG zu bieten. Zwar verfügt die Regierung von Puntland nur über vergleichsweise wenige Sicherheitskräfte. Bisher hat sich deren Anzahl aber als ausreichend erwiesen, um die generellen Sicherheitsbedürfnisse im Land zu erfüllen (vgl. BVwG Österreich, B. v. 12.8.2015 - W149 1415653-1 - S. 10).

27 2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht.

28 a) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin in Somalia die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen könnte (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), liegen nicht vor. Die Gefahr einer im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht nicht. Zwar hat die Klägerin in der Klagebegründung geschildert, Opfer eines Anschlags gewesen zu sein und im Anschluss daran von Al-Shabaab bei der Suche nach ihren Familienmitgliedern geschlagen, beleidigt und mit dem Tode bedroht worden zu sein. Insofern hat das Gericht aber aus oben dargelegten Gründen durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens.

29 b) Aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG kann die Klägerin ebenfalls keinen drohenden ernsthaften Schaden infolge eines innerstaatlichen Konflikts für sich ableiten. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (EuGH, U. v. 30.1.2014 - Rs C-285/12 - juris Rn. 27 ff.). Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf einen Teil des Staatsgebietes erstreckt (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris; U. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, ist bzgl. der anzustellenden Gefahrenprognose auf den Zielort der Abschiebung abzustellen. Dabei kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer seinem subjektiven Blickwinkel nach strebt. Vielmehr ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ein Abweichen von dieser Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ihm Schutz gewähren soll (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris; B. v. 14.11.2012 - 10 B 22.12 - juris; zur Frage der „tatsächlichen Zielregion“ BayVGH, U. v. 17.3.2016 - 20 B 13.30233 - juris Rn. 23; OVG NW, B. v. 15.10.2012 - 13 A 2010/12.A - juris).

30 In der Herkunftsregion der Klägerin besteht nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismaterialien indes keine Konfliktlage im oben dargestellten Sinn. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung, die nur innere Autonomie anstrebt, aber keine Unabhängigkeit; die Region ist nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Somalia vom 1. Dezember 2015 (Stand: November 2015) von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd- /Zentralsomalia. Puntland wird allgemein als relativ friedlich und stabil eingestuft, obschon Al-Shabaab von Süd-/Zentralsomalia nordwärts drängt und Puntland wachsender Bedrohung ausgesetzt ist. Die Sicherheitskräfte reagierten hierauf mit militärischen Operationen, um Anschläge von Al-Shabaab zu verhindern. Mehrere Anschläge sind in Puntland verübt worden. Am erheblichsten war ein Selbstmordattentat mit sieben getöteten und zehn verletzten Personen in der Stadt …. Andere Aktivitäten Al-Shabaabs sind vor allem in und in den Galgala-Bergen zu verzeichnen gewesen (EASO, Country of Origin Information Report, Somalia Security Situation, Februar 2016, S. 70). In den Galgala-Bergen wurde 2014 eine militärische Operation gegen Al-Shabaab durchgeführt, der zur Wiedererlangung der Kontrolle durch die Regierung führte (siehe ausführlich „Galgala campaign“ in: https:…). Für Puntland kann das Stabilitätsniveau zur Sicherheitssituation als ‚hoch' angegeben werden. Dies gilt selbstverständlich nur für jene Gebiete, die sich unter Kontrolle der Regierung befinden. Ausnahmen sind daher einige Küstengebiete (Piraten, Ras Caseyr) und die Golis-Berge (Galgala-Rebellen). Die Regierung von Puntland verfügt nur über vergleichsweise wenige Sicherheitskräfte. Bisher hat sich deren Anzahl aber als ausreichend erwiesen, um die generellen Sicherheitsbedürfnisse im Land zu erfüllen (vgl. BVwG Österreich, B. v. 12.8.2015 - W149 1415653-1 - S. 10).

31 Dessen ungeachtet wäre die Klägerin auch im Hinblick auf den subsidiären Schutzstatus auf die Inanspruchnahme internen Schutzes zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 3d AsylG), um den sie nicht nachgesucht hat (s.o.).

32 Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.