LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege

PREUSSEN UND LANDSCHAFT IDEEN – SYMBOLE – VERÄNDERUNGEN

| Preußen und Landschaft | Preußen TAGUNGSDOKUMENTATION TAGUNGSDOKUMENTATION FACHTAGUNG | 22. OKTOBER 2015 | PULHEIM | ABTEI BRAUWEILER

Rheinischer Verein RheinischerRheinischer Für Denkmalpfl ege und Landschaftsschutz VeVerreinein Für Für Denkmalpflege Denkmalpfl ege und und Landschaftsschutz Landschaftsschutz Preußen und Landschaft

Tagungsdokumentation 2015 KULTURLANDSCHAFTSPFLEGE Tagungsdokumentation IM RHEINLAND vormals Beiträge zur Landesentwicklung Preußen und Landschaft

Band 63

Eine Veranstaltung des Landschaftsverbandes Rheinland, LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege

in Zusammenarbeit

mit dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL)

im Rahmen der Veranstaltungsreihe „DANKE* BERLIN – 200 Jahre Preußen am Rhein“

Impressum Gefördert vom Herausgeber: Landschaftsverband Rheinland (LVR) LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege Ottoplatz 2 50679 Köln und von der

Selbstverlag des Landschaftsverbandes Rheinland, LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, Köln

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren selbst verantwortlich. 22. Oktober 2015 in Pulheim-Brauweiler Redaktion: Franziska Ostfeld

Druck und Layout: LVR-Druckerei Inklusionsabteilung Tel 0221 809-2418

Umschlagfotos: Loni Liebermann (Großbild), Fotalia (alle übrigen)

Köln 2018

Inhalt gedruckt auf Recycling-Papier aus 100 % Altpapier Inhalt

Grußwort Dr. Norbert Kühn...... 6

Besitzergreifung und räumliche Durchdringung einer neuen „Landschaft“ – Preußen und die Rheinlande in den ersten Jahrzehnten nach 1815 Georg Mölich...... 10

„Preußisch Sibirien“ – Notstandsmaßnahmen in der Eifel Peter Burggraaff...... 20

Preußische „Innere Kolonisation“ als landschaftswirksame Innovation Markus Zbroschzyk...... 46

Als der Schulgarten noch (überlebens-)wichtig war – Kulturgeschichtliche Aspekte des Obstbaus im Bergischen Land Michael Kamp...... 70

Der „Preußenbaum“ im Rheinland – Fluch und Segen Bernward Selter...... 88

Der Drachenfels als Symbol-Landschaft Elmar Scheuren...... 100

Preußische Spuren im Stadtbild von Koblenz Peter Burggraaff und Klaus-Dieter Kleefeld...... 114

Anhang: Erfasste Objekte aus der preußischen Periode von Koblenz im Portal KuLaDig (www.kuladig.lvr.de)...... 130

Anlagen Tagungsprogramm...... 135 Anschriften der Autorinnen und Autoren dieser Tagungsdokumentation...... 136 Teilnahmeliste Fachtagung „Preussen und Landschaft“...... 137 Übersicht über frühere Fachtagungen der LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege und deren Vorgänger...... 142

5 Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mit dieser territorialen Neuordnung einher ging die Einführung einer einheitlichen Rechtsprechung, fu- „Preußen und Landschaft: Ideen – Symbole – Verände- ßend auf dem französischen Code Civil, der auch nach rungen“ lautet der Titel der heutigen Veranstaltung, zu dem Wiener Kongress in preußischer Zeit nachwirkte. der ich Sie recht herzlich begrüße. Innerhalb der über Die Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts, das gesamte Jahr 2015 laufenden Veranstaltungsrei- d.h. die Einziehung kirchlichen Besitzes und die da- he „200 Jahre Preußen am Rhein“ – vom Rheinischen mit verbundene Auflösung vieler Klöster hat auch die Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz au- Eigentumsverhältnisse dramatisch verändert. Gerade genzwinkernd mit „Danke Berlin!“ tituliert – sind un- dies hat sich auf die Gestaltung der Kulturlandschaft terschiedlichste Facetten angesprochen worden. Am ausgewirkt; denken wir nur an die Aufhebung der Ab- heutigen Tag sollen die Impulse und Auswirkungen, tei Heisterbach 1803 und die Verpachtung als Bauern- die die preußische Herrschaft auf die Entwicklung der hof an einen Heinrich Müller aus Niederdollendorf. Die uns alle umgebenden Kulturlandschaft gehabt hat, den Mönche verließen das Kloster 1804. Die Verpachtung Schwerpunkt bilden. und der übliche Verkauf auf Abbruch trugen seit 1809 zur weitreichenden Zerstörung der Abtei bei, die erst Das Thema Kulturlandschaft ist das Kernthema der 1818 durch eine Verfügung des Oberpräsidenten der Abteilung Kulturlandschaftspflege im LVR-Fachbereich Rheinprovinz gestoppt wurde. Das Abbruchmaterial Regionale Kulturpflege des LVR-Dezernates Kultur und wurde neben lokalem Gebrauch auch für die Bauarbei- Landschaftliche Kulturpflege, so dass das Tagungs- ten am Nordkanal bei Neuss (Grand Canal du Nord) und thema nicht von ungefähr entstanden ist. Wir erfassen, die Wiedererrichtung der Festung Ehrenbreitstein in erforschen, bewahren und pflegen das landschaftliche Koblenz verwendet. kulturelle Erbe im Rheinland, das sich vor allem in den unterschiedlichen, historisch geprägten Kulturland- Auf die Franzosen folgten die Preußen, nicht ganz Grußwort schaften des Rheinlandes verortet. Auch die Zeit, in freiwillig, übrigens von beiden Seiten aus. Für viele Dr. Norbert Kühn der die Rheinlande zu Preußen gehört haben, hat ihre Menschen der damaligen, aber auch noch der heu- Spuren in unserer Kulturlandschaft hinterlassen. Auf tigen Zeit wird das „Preußische“ mit den sogenann- die Suche nach diesen Spuren werden wir uns heute ten „preußischen Tugenden“ verbunden: Sachlichkeit, begeben. Ordnungsliebe, Pünktlichkeit, entstanden aus der eher strengeren Einstellung einer protestantisch geprägten Der Wechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert war geprägt Obrigkeit. Diese Tugenden trafen auf die in katholischer durch die Französische Revolution und die auf sie fol- Geisteshaltung aufgewachsenen Rheinländer und genden napoleonischen Kriege – politische Umwälzun- Rheinländerinnen, die sicherlich nicht unbedingt un- gen, die erst mit dem Wiener Kongress 1815 ein vor- sachlich, unpünktlich und unordentlich gewesen sind, läufiges Ende fanden und deren Ergebnisse nicht mehr die aber schon einmal nach dem Wahlspruch agierten: umkehrbar waren. Das politische und gesellschaftliche „Erst mal schauen und dann mal gucken!“. Insofern Gefüge nicht nur, aber auch der Rheinlande, hatte sich ist es schon interessant, darüber zu reden, welche der damit und als Folge davon grundlegend verändert. Veränderungen des 19. Jahrhunderts im Rheinland „ty- pisch preußisch“ sind und welche auf den allgemeinen Der bunte Flickenteppich unterschiedlichster weltli- Trends der damaligen Zeit basieren. cher und geistlicher Herrschaftsgebiete war schon in der Zeit von 1794–1815, als die Rheinlande zu Frank- Auf jeden Fall veränderten sich die Lebensumstände reichs Herrschaftsgebiet zählten, aufgelöst worden. und das Lebensumfeld der Menschen. Die Territorien Die Gebiete am linken Rheinufer wurden – unterteilt wurden verkehrlich erschlossen, insbesondere durch in verschiedene Departements – direkt dem französi- das neue Verkehrsmittel der Eisenbahn. Aber auch schen Kaiserreich eingegliedert. Rechts des Rheins der Straßenbau wurde forciert. An den neuen Ver- gab es das Großherzogtum Berg und das Herzogtum kehrsadern, die durchaus auch einen gewichtigen mi- Nassau. litärisch-strategischen Hintergrund hatten, konnten

6 7 sich Gewerbe und Industrie entwickeln und auf dieser gänzt durch radiale Grünachsen, entstand damit das Ich denke, dass uns allen am Ende des Tages das land- Grundlage auch ein differenziertes Städtewesen. Kölner Grünsystem, so wie wir es heute kennen. Die schaftliche Kulturerbe der Preußenzeit deutlicher vor Ursache dafür ist also der Ausbau der Stadt Köln zur Augen steht. Mit diesem Ziel vor Augen, wünsche ich Die dadurch neu entstandenen sozialen Beziehungen preußischen Festungsstadt und zum Bollwerk gegen der heutigen Tagung einen guten Verlauf und anregen- und Machtgefüge wurden durch das preußische Kom- den „Erzfeind Frankreich“, aber nicht zu vergessen de Diskussionen. munalrecht geregelt. Die große Anziehungskraft der ist die Weitsicht des damaligen Kölner Oberbürger- Städte erhöhte den Druck auf die ländlichen Gegenden, meisters Konrad Adenauer, der die Notwendigkeit der Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. aus denen die Bevölkerung abwanderte – die Land- Versorgung der Stadt mit Grün- und Freiflächen zu Be- flucht wurde zu einem Massenphänomen. Insbesonde- ginn der 1920er Jahre weitblickend erkannte und mit re die Eifel mit ihrer abnehmenden Bevölkerung wurde, Fritz Schumacher einen bedeutenden Stadtplaner mit da auch klimatisch und morphologisch nicht gerade zu der Ausarbeitung eines städtischen Gesamtkonzepts den ackerbaulichen Gunstgebieten zählend, zu einem beauftragte, in dem die historischen Strukturen eine ärmlichen Randgebiet des Reiches. Die Bezeichnung wichtige Rolle spielten. „Preußisch Sibirien“ für diese offensichtlich benachtei- ligte Region bringt es auf den Punkt, und so mancher Wir können in der uns umgebenden Kulturlandschaft preußische Beamte oder Offizier wird seine Versetzung wie in einem Buch lesen. Für uns kommt es auf dieser dorthin wohl eher als „Strafversetzung“ interpretiert Tagung darauf an, im Text die entsprechenden Passa- haben. gen mit preußischem Bezug zu markieren. Dabei stel- len wir schnell fest, dass hinter dem, was uns bis heute Um den Strukturwandel zu fördern, begann die preu- aus dieser Zeit überliefert worden ist, Ideen stecken ßische Forstverwaltung mit der Aufforstung großer, und keine Willkür. durch jahrhundertealte Entwaldung entstandener Hei- degebiete, allerdings mit den zwar schnell wachsenden, Aus heutiger Sicht ist auch festzustellen, dass preu- doch standortfremden Fichten und Kiefern. Die Fichten ßische Politik auch viel mit Symbolhaftigkeit zu tun erhielten deshalb auch den Beinamen „Preußenbaum“. hat. So ist die Geschichte des Naturschutzes vom An- Eine nachhaltige Entscheidung, deren Ertrag sich erst fang sehr preußisch, ebenso wie die Entstehung des Jahre später auszahlte, die sich aber bis heute prägend Heimatgedankens und von Landschaftsschutzbestre- auf die Kulturlandschaft und die Artenzusammenset- bungen. Landschaftlich festmachen lässt sich dies am zung der Wälder auswirkt. Drachenfels, einem herausragenden Symbol für die Rheinromantik. Nur durch eine preußische Kabinetts- Eine weitere preußische Innovation war zudem das Ver- ordre konnte der weitere Abtrag des Berges durch messungswesen, das uns, basierend auf den hervor- Streinbrucharbeiten gestoppt werden. Am Beispiel des ragenden Karten des französischen Offiziers Tranchot, Drachenfelses zeigt sich, dass preußische Kulturland- durch die Weiterentwicklung durch den preußischen schaftsgeschichte nicht nur die Geschichte von land- Offizier von Müffling Karten der Rheinlande einge- schaftlicher Nutzung und wirtschaftlicher Optimierung bracht hat, die noch heute sehr wichtige Quellen für die ist, sondern auch als Impuls zum Erhalt und zur Be- Erforschung der historischen Kulturlandschaft sind. wahrung von regionalen und nationalen Identitätswer- Aus dem Themenfeld Architektur sind die Relikte der ten bzw. Landmarken eine Rolle spielt. Festungsbauten zu nennen, zum Beispiel die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz oder der innere und äußere Es sind vielfältige Aspekte der kulturlandschaftlichen Kölner Festungsring mit seinen Forts und Zwischen- Prägung durch die Preußen, die heute anhand der Vor- werken, der im „freien Gelände“ vor der Stadt ent- träge, der begleitenden Diskussionen und durch die standen ist. Dieser Festungsgürtel bestimmt bis heute abschließende Podiumsdiskussion hervorgehoben die Struktur der Stadt Köln, denn nach Schleifung der werden sollen. Kontinuität und Diskontinuität – was ist Anlagen, letztendlich und abschließend durch die Be- überliefert, was ist vergangen? Welche Entscheidungen stimmungen des Versailler Vertrags 1919, wurden sie waren in preußischer Zeit raumwirksam und sind es zum Aufbau der beiden Kölner Grüngürtel genutzt. Er- noch bis heute? Was ist persistent?

8 9 Die folgenden Ausführungen sollen im Rahmen des Ge- Kompensation durch die Übertragung relativ hetero- samtthemas „Preußen und Landschaft“ aufzeigen, wie gener Territorien im Westen des ehemaligen Reiches. sich die Preußen als die neuen Herrscher am Rhein in Damit erweiterte sich das schon vor der Französischen den ersten Jahren und Jahrzehnten mit der für sie neu- Revolution bestehende preußische Herrschaftsgebiet en „Landschaft“ vertraut machten, wie sie von ihr und im Westen mit den Rheinlanden und Westfalen ganz er- den Menschen Besitz ergriffen, wie sie diese politische heblich.1 Diese Verschiebung der preußischen Macht- Landschaft prägten und gestalteten und wie Informa- sphäre nach Westen ergab in der Konsequenz eine fun- tionen über die „Landschaft“ und über die Rheinländer damentale Veränderung der Tektonik des preußischen und Rheinländerinnen gesammelt und genutzt wurden. Staates mit enormen Langzeitwirkungen.2 Noch von Wien aus erließ der preußische König Friedrich Wil- Auf dem Wiener Kongress (1814–1815), der nach der helm III. am 5. April 1815 entsprechende „Besitzergrei- militärischen Niederlage Napoleons eine dauerhaf- fungspatente“ für die neuen rheinischen Gebiete sowie te europäische Friedensordnung zu schaffen suchte, den so genannten Zuruf „An die Einwohner der mit der erhielt Preußen als Ersatz für die an sich intendierte preußischen Monarchie vereinigten Rheinländer“.3 Übernahme des gesamten Königreiches Sachsen eine Besitzergreifung und räumliche Durchdringung einer neuen „Landschaft“ – Preußen und die Rheinlande in den ersten Jahrzehnten nach 1815 Georg Mölich

Abb.1: „An die Einwohner …“ (LVR-Niederrheinmuseum Wesel).

10 11 Interessant ist hier die Verwendung der Pluralform monarchistisch geprägtes Staatsganzes zu integrieren, Text als Teil einer umfassenden Kommunikationsoffen- Die kommunikative Durchdringung des preußischen „Rheinländer“ für die neuen preußischen Gebiete – ein das auf einer patrimonial-altständischen Ordnung, ei- sive des preußischen Staates während und nach der Herrschaftsgebietes13 erfolgte aber auch auf der inter- einheitliches „Rheinland“ als politisch verwendbaren ner überwiegend agrarischen Wirtschaftsstruktur und preußischen Reformzeit und somit auch im Kontext der nen Ebene der organisierten Informationsweitergabe Raumbegriff gab es damals eben noch nicht. Dieser der protestantischen Religion basierte. Neben diesen „Besitzergreifung“ der rheinischen Gebiete zu inter- durch die verschiedenen Verwaltungsinstanzen. Dazu neue Raumbegriff einer politischen Landschaft „Rhein- inhaltlichen Herausforderungen ging es auch darum, pretieren. Der damit angesprochenen Gesamtthematik dienten die so genannten „Zeitungsberichte“14, wobei land“ entwickelte sich erst durch die Umstände bzw. die diesen neu geschaffenen Raum durch entsprechende „Verwaltung und Öffentlichkeit“ in Preußen im frühen es sich nicht um Presseartikel handelte, sondern um Realität der preußischen Herrschaft am Rhein, die zum Strukturen zu durchdringen und ihn für die neue Herr- 19. Jahrhundert hat sich vor einiger Zeit die juristi- schriftliche Berichte der staatlichen Administration, die Bezugspunkt und zum Katalysator eines nach und nach schaft handhabbar zu machen. In der ersten kurzen sche Habilitationsschrift von Pascale Cancik gewidmet, nach einem Schema mit klar definierten Rubriken mo- entstehenden Rheinlandbewusstseins wurde.4 Heinz Phase nach 1815 „wollte die Berliner Regierung die In- die bisher geschichtswissenschaftlich kaum rezipiert natlich an die nächsthöhere Verwaltungsinstanz erstat- Gollwitzer formulierte dazu schon 1964 bezogen auf tegration der Westgebiete im Zeichen einer Reform des wurde. Cancik untersucht dabei umfassend die neu- tet werden mussten. Dieses ausgefeilte Berichtswesen das Rheinland: „Die administrative Zusammenfassung Gesamtstaates vollziehen und gegenüber lokalen und geschaffenen Amtsblätter9 und auch die ebenfalls neu begann auf der Ebene der Bürgermeisterei, die an den verschiedener Territorien schuf ein neues Gemein- regionalen Besonderheiten und Interessen Entgegen- installierte „Gesetz = Sammlung für die Königlich Preu- jeweiligen Landrat berichtete – für die Bürgermeisterei schaftsgefühl, das sich in der politischen Willensbil- kommen zeigen“. Das änderte sich nach der restaurati- ßischen Staaten“. Esch im Kreis Bergheim/Erft sind diese meist knappen dung bemerkbar machte und als Filter für ältere Tra- ven Wende der Jahre 1819/1820: Man „kann gerade im Texte unlängst für den Zeitraum 1837 bis 1848 ediert ditionen wirkte.“5 Rheinland den Übergang von einer ‚weichen’ zu einer Es waren vor allem Formen der öffentlichen Kommu- worden.15 Die Landräte akkumulierten diese Informa- ‚harten’ Linie in der Integrationspolitik sprechen“ – so nikation und Vermittlung von Regierungshandlungen, tionen und berichteten an die jeweilige Regierung, die In dem Zuruf hieß es bezogen auf die Lande am Rhein: die zutreffende Gesamtbewertung von Jürgen Herres die etwa in den Amtsblättern auf der Ebene der Regie- dann wieder einen umfassenden Monatsbericht über „Diese deutschen Urländer müssen mit Deutschland und Bärbel Holtz.6 rungspräsidien publiziert wurden. Solche Amtsblätter das Koblenzer Oberpräsidium direkt an den preußi- vereinigt bleiben; sie können nicht einem anderen wurden in allen sechs Regierungspräsidien des rhei- schen König schickte.16 Reich angehören, dem sie durch Sprache, durch Sit- Die neuen preußischen Gebiete am Rhein wurden in nischen Raumes 1816 begründet (, Düsseldorf, ten, durch Gewohnheiten, durch Gesetze fremd sind.“ zwei Provinzen organisiert. Es entstand das „Großher- Köln, Aachen, Trier und Koblenz).10 Zweck dieser Ver- Diese Berichte wurden dem Zivilkabinett zugeleitet, so Der König versprach seinen neuen Untertanen und zogtum Niederrhein“ (die neu gebildeten Regierungs- öffentlichungsstrategie war dabei – wie es im Einfüh- dass sich hier in der Regierungszentrale für die gesam- Untertaninnen mit durchaus moderaten Worten eine bezirke Aachen, Koblenz und Trier) mit Verwaltungssitz rungstext zum Aachener Amtsblatt von 1816 formuliert te preußische Monarchie eine „Unsumme regionaler gerechte Verwaltung, den Schutz des Glaubens, Bil- eines Oberpräsidenten in Koblenz und der „Oberpräsi- wurde – „Publicität aller Schritte der Regierung, als das Nachrichten [sammelte], die von der Natur zur Tier- dungseinrichtungen, wirtschaftliche Wohlfahrt und dialbereich der Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg“ charakteristische Kennzeichen einer väterlichen Mon- und Menschenwelt reichten, Wind und Wetter ebenso geringe Steuern und Militärlasten. Zudem kündigte er (die neu gebildeten Regierungsbezirke Köln, Düssel- archie und einer gerechten Staatsverwaltung“.11 Die- registrierten wie das politische Stimmungsbarometer“ die „Bildung einer Repräsentation“ an, durch die sie an dorf und Kleve) mit Sitz eines Oberpräsidenten in Köln. ses neuartige Kommunikationsforum war vom Prinzip (Reinhart Koselleck).17 Neben den Rubriken zur Wit- politischen Entscheidungen beteiligt werden würden. Nach dem Tod des Kölner Oberpräsidenten Friedrich her nicht als „Einbahnstraße“ gedacht. Die Amtsblät- terung, Mortalität, Naturereignissen, Verbrechen oder An diesem „Herrschaftsprogramm“ mussten sich in zu Solms-Laubach im Jahre 1822 wurden beide Provin- ter sollten „ein enges Band der Unterhaltung und Be- Religiosität waren auch Informationen vorgesehen wie den folgenden Jahrzehnten die preußischen Herrscher zen zusammengelegt und der Sitz des Oberpräsidenten lehrung zwischen der Verwaltung und den Verwalteten „Öffentliche Stimmung und Einfluß der Gesetzgebung durch die Rheinländer und Rheinländerinnen messen für die „Rheinprovinz“ (der Begriff setzte sich seit etwa knüpfen“ – sie standen prinzipiell auch den Untertanen auf dieselbe“, „Gesetzgebung“ oder „Einflußreiche Ver- lassen – und manche sich in diesem Zeitraum ergeben- 1830 durch) in Koblenz installiert. Insgesamt wurde der zur Verfügung: „Es [das Amtsblatt] wird auf der ande- änderungen im Auslande“. Zudem gab es eine ‚offene’ den Probleme lassen sich durchaus aus Diskrepanzen gesamte Raum nach einheitlichen Vorgaben zu einem ren Seite einsichtsvollen Männern, es seien Privatleute Rubrik: „Sonstige allgemeine wichtige und merkwür- zu diesem frühen Regierungsprogramm ableiten. geschlossenen Verwaltungsgebiet entwickelt – mit der oder Beamte, jederzeit offen stehen, um die Früchte dige Nachrichten“.18 Die Zeitungsberichte konnten und Installierung der neuartigen Landräte und der Kreise7 ihres Nachdenkens und ihre Erfahrung gemeinnützig wurden durchaus auch genutzt, um Missstände zu kriti- Im Gesamtverband des preußischen Staates nahm das seit 1816 kam zudem eine weitere Instanzenebene hin- zu machen, und bescheiden und anständig vorgetrage- sieren und um staatliches Handeln einzufordern.19 Rheinland in verschiedener Hinsicht eine Sonderstel- zu. Dass die Umsetzung der preußischen Verwaltungs- ne Wünsche oder Verbesserungs-Vorschläge einer rei- lung ein. Schon die fast doppelt so hohe Bevölkerungs- macht bis hin zur untersten Ebene der Bürgermeis- fen Prüfung vorzulegen.“ Bisher sind die Amtsblätter Mit diesen Zeitungsberichten lag also eine auch die dichte gegenüber den meisten östlichen Provinzen und tereien insgesamt als erfolgreich angesehen werden und hier speziell ihre Rubrik „Vermischte Aufsätze und gesamte Rheinprovinz systematisch erfassende und die wesentlich andere und fortgeschrittenere Wirt- kann, zeigen gerade neueste Untersuchungen zum Nachrichten“, die eben gedacht war, um auch Beiträge aktuelle Informationsquelle für die preußischen Re- schaftsstruktur am Rhein machten erhebliche Unter- ländlichen und kleinstädtischen rheinischen Raum.8 von außerhalb der Verwaltung aufzunehmen, unter die- gierungsinstanzen vor. Eine Fülle weiterer Statistiken schiede aus – dieser Modernitätsvorsprung vor dem sem Aspekt noch nicht umfassend ausgewertet worden. und Landesbeschreibungen, die in den ersten Jahr- übrigen Deutschland ging auf die Zeit der französi- Unter dem Aspekt der Kontaktaufnahme zwischen neu- Pascale Cancik kommt zu einer eher zurückhaltenden zehnten der preußischen Herrschaft entstanden, wä- schen Besatzung seit 1794 bzw. auf die Zeit des (links- em Herrscher und seinen zukünftigen Untertanen und Bewertung, wenn sie schreibt: „Gesellschaftliche Öf- ren hier ergänzend zu benennen.20 Zusammen mit der rheinischen) Rheinlandes als Teil des französischen Untertaninnen kann man den eingangs erläuterten Text fentlichkeit stellt sich so aber nicht her.“12 Gleichwohl ebenfalls umfassend betriebenen kartographischen Staates seit 1801 zurück. Preußen war hier am Rhein „An die Einwohner der mit der preußischen Monarchie darf man diese neue Form der staatlichen Kommuni- Erfassung des Rheinlandes21 ergab sich so aus der Per- die Aufgabe gestellt, diese im Verwaltungsaufbau, im vereinigten Rheinländer“ durchaus als ein Kommuni- kation in ihrer Wirkung auch in Hinsicht auf die hier im spektive der preußischen Verwaltung ein differenzier- Wirtschaftsleben, im rechtlichen Standard, im kultu- kationsangebot des Herrschers an seine neuen Unter- Fokus stehende umfassende „Besitzergreifung“ des tes und genaues Bild der Rheinprovinz. Ergänzend gab rellen Gesamthabitus fortgeschritteneren Gebiete mit tanen und Untertaninnen am Beginn der preußischen Verwaltungsgebietes nicht unterschätzen. es auch noch spezielle Erhebungen etwa zur Situation einer überwiegend katholischen Bevölkerung in ein Herrschaft am Rhein interpretieren. Damit wäre dieser der Landwirtschaft in den neupreußischen Gebie-

12 13 ten durch den Agrarökonomen Johann Nepomuk von dent Solms-Laubach in einem „Zeitungsbericht“ 1817 hundert die vielen Reisen der preußischen Monarchen33 mit den Rheinländern und Rheinländerinnen konstru- Schwerz.22 einräumen: Die „Absicht, die Unterthanen der neuen in die Rheinprovinz. Die Vielzahl dieser Reisen ist erst ierten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so- Provinzen (…) gegen Mangel u. Elend zu schützen“, sei unlängst durch die zitierte Edition und die dort abge- gar eine das Rheinland stolz machende Denkmal- und Eine weitere umfassende Informationsquelle waren die „leider! unerreicht geblieben.“30 Wie die zitierten regio- druckte Liste erkennbar geworden. Neben den Monar- Symbollandschaft40 am Rhein, die vom Kölner Dom flächendeckend im Rheinland eingeforderten „Medici- nalen Untersuchungen nahelegen, hat dieses preußi- chen waren es aber auch andere Mitglieder der preußi- bis zum Niederwalddenkmal und zum Mäuseturm bei nischen Topographien“,23 die durch die 1824 neuberuf- sche „Staatsversagen“ durchaus auch mittel- und lang- schen Königsfamilie, die Reisen durch die Rheinprovinz Bingen reichte. Unter den geschichts- und kulturpoli- enen „Kreisphysiker“ (Amtsärzte) erstellt wurden und fristig zum distanzierten Verhalten der Bewohner des unternahmen. Aus eigener Anschauung lernten die tischen Rahmenbedingungen des Deutschen Kaiserrei- die neben differenzierten Angaben zum Medizinalwe- Rheinlandes gegenüber der preußischen Verwaltung Mitglieder der königlichen Familie so die rheinischen ches von 1871 verstärkte sich dieser Trend noch einmal sen und zum Krankheitszustand der Bevölkerung in der beigetragen. Landschaften und die Bewohner kennen. Diese Reisen gewaltig.41 Aber damit bewegen wir uns außerhalb un- Rubrik „Physischer und moralischer Zustand der Ein- hatten teilweise durchaus auch politische Dimensionen seres gewählten Zeitraums – und vor dem Hintergrund wohner“ praktisch „alle Bereiche des sozialen Lebens“ Ein bemerkenswertes Schlaglicht auf die weiterhin – wie etwa die Reise des Kronprinzen Friedrich Wilhelm des 1871 geschaffenen Nationalstaates auch in einem (Graumann) darstellen sollten (z. B. wurden folgende bestehenden Probleme der Integration aus höchster im Herbst 1833,34 die im zeitlichen Konnex zur französi- ganz anderen staatspolitischen Kontext. Punkte erläutert: Abstammung der Bevölkerung, Woh- preußischer Regierungssicht auch noch 20 Jahre nach schen Julirevolution und zum Hambacher Fest von 1832 nungen, Feuerung, Kleidung und Reinlichkeit, Nah- dieser Krise bietet eine an den preußischen König ge- durchaus als „gegenrevolutionäre Propagandaveran- rungsweise, Beschäftigung, Wohlstand, Vergnügungen, richtete Denkschrift des preußischen Innenministers staltung“ (Jan Werquet) interpretiert werden konnte, Kindererziehung, geistige Bildung und Moralität). Diese Gustav Rochus von Rochow nach einer Reise durch die die aber zugleich natürlich auch positive Auswirkungen „Topographien“ stellen gerade für Fragestellungen der preußische Rheinprovinz im Sommer 1837: „Zu lange auf die Wertschätzung des Kronprinzen (und späteren Mentalitätsgeschichte eine wichtige, aber bisher noch und zum größten Nachtheile hat man sich damit be- Monarchen) am Rhein hatte. nicht systematisch ausgewertete Quellengruppe dar.24 gnügt, die Rheinlande durch gefärbtes Glas zu betrach- Insgesamt – das dürfte deutlich geworden sein – entwi- ten. (...) Sie [die Rheinländer] betrachten ihr Land nicht Ein anderer Bereich der räumlichen Durchdringung der ckelte sich in den ersten Jahrzehnten der preußischen als einen integrirenden Theil der preußischen Mon- Rheinlande war die oft einheitliche preußische Bau- Herrschaft am Rhein ein intensiver „Informationspool“ archie, sondern als ein Eur[er] Königlichen Majestät politik am Rhein. Die Rolle der vielfältigen preußischen zu vielen Aspekten der „Landeskultur“ und zur „rea- Scepter unterworfenes besonderes Land, mit eigenen Bauaktivitäten auf ganz unterschiedlichen Feldern auch len“ Situation der Bevölkerung. In der Zusammensicht Institutionen und Gesetzen, occupirt und verwaltet von für die landschaftliche Prägung kann hier nur ganz all- dieser vielfältigen Informationsquellen kann man das fremdem Militair und fremden Beamten. Und in der gemein angesprochen werden35. Exemplarisch greifbar durchaus als „Ausdruck vordringender Staatlichkeit“25 That, ich vermag es nicht in Abrede zu stellen, auch wird diese etwa bei der „Preußischen Burgenromantik“ (Jürgen Herres) bewerten. auf mich hat das Land und das Volk nicht den Eindruck am Mittelrhein und ihrer Bedeutung für diese Land- gemacht, als befände ich mich im preußischen Vater- schaft. Als unverzichtbare „Landmarken“ prägen diese Dass es gerade im Bereich des konkreten Verwaltungs- lande und unter Landsleuten; auch mir gewährte es Bauwerke das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrhein- handelns der preußischen Beamten im Rheinland aber den Eindruck eines von Preußen occupirten und ver- tal (seit 2002).36 Ein anderes wichtiges Feld der Durch- trotzdem zu Konflikten ganz unterschiedlicher Qualität walteten fremden Landes.“31 Diese Beschreibung eines dringung einer Landschaft sind die verschiedenen kul- und Ausprägung kam, kann nicht weiter verwundern, „fremden Landes“ durch den preußischen Innenminis- turstaatlichen Aktivitäten Preußens, die gerade in den denn es kam hier zu vielfältigen Auseinandersetzungen ter zeigt zugespitzt, welche Wahrnehmungs- und Deu- letzten Jahren intensiv von der historischen Forschung mit Ansprüchen und Traditionen, die der preußischen tungsprobleme zwischen „Rheinland“ und „Preußen“ aufgegriffen worden sind.37 Ein wesentliches Ergebnis Verwaltung fremd und unverständlich erschienen.26 lagen. Dies belegt zum Beispiel auch die Sichtweise des dieser Forschung- und Editionsbemühungen für das Diese „Entfremdung zwischen der Regierung in Berlin preußischen Zensors in Köln, Wilhelm von Saint-Paul, Verhältnis zwischen den Rheinlanden und dem preußi- und der Bevölkerung in den preußischen Westprovin- in einem Bericht an das Innenministerium aus dem schen Zentralstaat: Besonders im Bereich der Kunst- zen“ lässt sich in der Tat „auch als ein politisch-kul- Jahre 1843: „Im ganzen möchte eine innere und geis- und Kulturpolitik im engeren Sinne kam es zu einer tureller Konflikt zwischen dem preußischen Zentrum – tige Verschmelzung der Rheinlande und der alten Pro- intensiven Wechselwirkung zwischen Staatsverwaltung der Hauptstadt Berlin mit den Regierungsstellen –und vinzen noch fern liegen; solange man noch vom ‚Könige und engagiertem Bürgertum, was gerade auch an Bei- der rheinischen ‚Peripherie’ (...) deuten“ wie Peter von Preußen‘ und von ‚den Preußen‘ hier spricht, ist spielen für die Rheinprovinz gezeigt werden kann – Steinbach formulierte.27 Schon zu Beginn der preu- eine solche wenigstens nicht zu erhoffen. Nur etwa ein genannt seien die Düsseldorfer Kunstakademie, Alten- ßischen Herrschaft am Rhein hatte die dramatische Krieg, der gemeinschaftliche historische Erinnerungen berger wie Kölner Dom und neu errichtete Denkmäler Teuerungs- und Hungerkrise der Jahre 1816/1817,28 die erweckte und begründete, oder die Macht der Zeit kann am Rhein.38 durch den Ausbruch des indonesischen Vulkans Tam- das Vorurteil überwinden und die innere Annäherung bora im April 1815 ausgelöst wurde,29 demonstriert, und Nivellierung beider Landeshälften herbeiführen.“32 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigte sich dass die „neuen Herren“ mit einer solchen, die gesamte dann eine wesentliche Erweiterung der symbolpoliti- Gesellschaft betreffenden Herausforderung überfor- Ein ganz anderes Moment der „Besitzergreifung“ und schen Aktivitäten Preußens in der Rheinprovinz.39 Die dert waren. Kleinlaut musste der Kölner Oberpräsi- Durchdringung einer Landschaft waren im 19. Jahr- preußischen Eliten am Rhein und in Berlin zusammen

14 15 Endnoten geschichtliche Aspekte in der Rheinprovinz – am Beispiel der 16 Exemplarisch edierte Jürgen Herres den ersten Zeitungs- 23 Vgl. zusammenfassend zu den „Topographien“ Graumann, S.: 1 In diesem Beitrag werden in den Anmerkungen vor allem Landkreise Jülich und Opladen/Solingen, in: Büren, bericht der Regierung Köln vom 14. Juni 1816 mit Einführung Alltag im Kölner Land um 1825, in: Geschichte in Köln 54 neuere und neueste Titel angeführt, um Hinweise zur aktuellen G. v. u. Gutbier, M. D. Preußisches Jahrhundert (2016) und Kommentierung, in: Herres, J.; Mölich, G. u. Wunsch, (2007), S. 113–125, Zitat S. 114. Diese in den staatlichen Forschungssituation zu vermitteln. Neuere Überblicksdarstel- (wie Anmerkung 3), S. 179–186. (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Stadt Köln. Band 3: Das Archiven überlieferten „Topographien“ sind für mehrere lungen zum Thema „Preußen-Rheinland“: Mölich, G.; Veltzke, 19. Jahrhundert (1794–1914), Köln 2010, S. 69–83. Gebiete im Rheinland publiziert worden. Für die Stadt Köln 8 Graumann, S.: Preußische Verwaltung im Kreis Bergheim um V. u. Walter, B. (Hrsg.): Rheinland, Westfalen und Preußen. und den Kölner Raum etwa liegen vor: Becker-Jákli, B. (Hrsg.): Eine Beziehungsgeschichte, Münster 2011. Darin: Herres, J. 1840, 2 Bde., Köln-Weimar-Wien 2015, enthält neben der 17 Koselleck, R.: Preußen zwischen Reform und Revolution. Köln um 1825 – ein Arzt sieht seine Stadt. Die medizinische u. Holtz B.: Rheinland und Westfalen als preußische Provinzen Edition des Protokollbuchs der Bürgermeisterei Esch im Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung Topographie der Stadt Köln von Dr. Bernard Elkendorf, Köln Kreis Bergheim/ Erft von 1837–1848 besonders die wertvol- von 1791 bis 1848, 3. Aufl. 1981, S. 671. Dort S. 663–671 eine (1814–1888), S. 113–208; Veltzke, V.: Rheinland und Westfalen: 1999; Müller, J. G.: Der Kreis Bergheim um 1827. Preußische „Reichslande“ im wilhelminischen Kaiserreich (1888–1918), le, akribische Darstellung des Verwaltungshandelns vor Ort präzise Analyse des Quellenwertes preußischer Verwaltungs- Bestandsaufnahme des Landes und seiner Bevölkerung, S. 209-287. Ribhegge, W.: Preußen im Westen. Kampf um den durch Graumann, S.: Preußische Herrschaft im Rheinland, S. berichte insgesamt. eingeleitet u. bearb. von Graumann, S., Köln/Weimar/Wien 16–276; Bartsch, F.: Kontinuität und Wandel auf dem Lande. Die Parlamentarismus in Rheinland und Westfalen 1789–1947, 2006; Werres, C.A.: Der Landkreis Köln um 1825. Preußische rheinpreußische Bürgermeisterei Lechenich im 19. und begin- 18 Auflistung nach einer entsprechenden Verordnung vom Okto- Münster 2008; das Thema eingebettet in eine umfassende ber 1835, zitiert in Schneider-Treffeisen (1992) (wie Anm. 14), Bestandsaufnahme des Landes und seiner Bevölkerung, Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen: Kröll, U.: Die nenden 20. Jahrhundert (1815–1914), Weilerswist 2012. Zudem eingeleitet u. bearb. von Graumann, S., Köln/Weimar/ mehrere Beiträge in: Büren, G. v. u. Gutbier, M. D.: Preußisches S. 157. Geschichte Nordrhein- Westfalens, Münster 2014, S. 303–428; Wien 2007; Ludwig, J.W.C.: Der Kreis Lechenich um 1826. Jahrhundert (2016) (wie Anmerkung 3). im Kontext einer neueren Landesgeschichte: Boch, R: Das 19 Ein interessantes Beispiel wiederum aus der Bürgermeisterei Preußische Bestandsaufnahme des Landes und seiner Bev- Esch: Dort heißt es im Zeitungsbericht vom 22. März 1847: Bergische Land im 19. Jahrhundert (1814–1914), in: Gorißen, 9 Cancik, P.: Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen. Kom- ölkerung, eingeleitet u. bearb. von Graumann, S., Köln/Wei- S.; Sassin, H. u. Wesoly, K. (Hrsg.): Geschichte des Bergischen munikation durch Publikation und Beteiligungsverfahren im „Es kann aber nicht verschwiegen werden, daß der Überfall mar/Wien 2008. Weitere Beispiele: Stremmel, R. (Hrsg.): Alltag Landes. Band 2: Das 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld 2016, Recht der Reformzeit, Tübingen 2007, S. 70–154: Kapitel „Die von Fremden groß und täglich mehr zunimmt, und daß es im Kreis Solingen 1823. Dr. J-W. Spiritus und seine mediz- S.171–267 (und weitere sachthematische Beiträge). Als preußischen Amtsblätter: Publikation der Mittelinstanzen dem vernehmen nach noch Gemeinden [gibt, G.M.] wo für die inische Topographie, Solingen 1991; Fischer, G.; Schröder, aktuelle Überblicksaufsätze: Mölich, G.: Als das Rheinland preußischer Verwaltung“. Zur Gesetzessammlung und zu den Armen und Bedürftigen leider nichts geschieht, wozu Jene K. u. Spicker H. (Bearb.): Die medizinische Topographie von doch gesetzlich verpflichtet sind, weshalb es zu wünschen, preußisch wurde ... Aspekte einer Beziehungsgeschichte seit Amtsblättern als amtlichen Medien siehe auch Haas, S.: Die Dr. Anton Lohmann. Der Siegkreis um 1825, Siegburg 1997; 1815, in: Rheinische Heimatpflege 52 (2015), S. 27–44 und Kultur der Verwaltung. Die Umsetzung der preußischen Refor- daß von Seiten der Kön[iglichen] Regierung deshalb eine Reichmann, J.A.: Medizinaltopographie des Kreises Rheinbach. Steinbach, P.: „Großer Schnabel, kleines Hirn und Drang nach men 1800–1848, Frankfurt/New York 2005, S. 275–288. energische Verordnung erlassen würde.“ Graumann: Verwal- Eine Beschreibung von Land und Leuten um 1825, eingeleitet Süden!“ Die Preußen in den Rheinlanden, in: Irene Haberland, tung (2015) (wie Anm. 8), S. 1264. Die Jahre 1846/1847 waren u. bearb. von Körschner, D. Rheinbach 2010. I.; Kornhoff, O. u. Winzen, M. (Hrsg.): Das ganze Deutschland 10 Vgl. Cancik: Verwaltung (2007) (wie Anmerkung 9). geprägt durch eine umfassende Agrar- und Hungerkrise mit soll es sein. Die Preußen im Westen, Oberhausen 2015, S. 17– einer enormen Verschärfung der sozialen Probleme nicht 24 Vgl. Freytag, N.: Mentalitäten als Modernisierungshindernisse? 11 Amtsblatt Aachen 1816, S. 4, Einführungstext, hier zitiert nach Chancen und Grenzen kulturgeschichtlicher Zugänge, in: 33 zudem neuerdings Mölich, G.: Zur Konstruktion einer Region nur in Preußen. Vgl. Wehler, H.-U.: Deutsche Gesellschafts- dem Abdruck bei Cancik: Verwaltung (2007) (wie Anmerkung geschichte. Band 2: Von der Reformära bis zur industriellen Thomas Stamm-Kuhlmann (Hrsg.): Pommern im 19. Jahrhun- im 19. Jahrhundert. Von den ‚Rheinlanden’ zur preußischen 9), S. 412 f. Dort auch die weiteren Zitate. ‚Rheinprovinz’ – ein Überblick, in: Bauer, K. u. Graf, A. (Hrsg.): und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815–1845/49, dert. Staatliche und gesellschaftliche Entwicklung in vergle- Erfinden – Empfinden – Auffinden. Das Rheinland oder die (Re-) 12 Ebd. S. 146. Weiter schreibt sie: „Vielleicht werden wir nie München 1987, S. 642–648. ichender Perspektive, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 295–311. Konstruktion des Regionalen im globalisierten Alltag, Münster – ausreichend Kenntnis über den Wirkungsgrad alter und 20 Als umfassende Beispiele: Friedrich Adolph Wilhelm Dies- 25 H erres, J.: Köln in preußischer Zeit. 1815–1871, Köln 2012, New York 2018, S. 17–32. neuer Publikationsformen haben, um die Frage nach den terweg: Die preußischen Rheinprovinzen. Ein historisches S. 22. tatsächlichen erreichten Teilnehmern fundiert beantworten zu Handbuch für Schule und Haus, hrsg. u. eingeleitet von Klaus 2 Eine präzise und knappe Analyse bietet Siemann, W.: Vom können.“ 26 Neben den Konflikten mit der preußischen Verwaltung müs- Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806–1871 Goebel, Duisburg 1990 (Erstpublikation 1829 unter dem Titel sen natürlich die massiven Konflikte zwischen Zivilbevölker- (Neue Deutsche Geschichte 7), München 1995, S. 314 f. Im 13 Außer Acht bleibt hier die Erweiterung der praktischen „Beschreibung der Preußischen Rheinprovinzen“); ung und preußischem Militär in der Rheinprovinz genannt Restorff, F. v.: Topographisch-statistische Beschreibung der größeren Zusammenhang der preußischen Geschichte Kommunikation z. B. durch die seit 1832 installierte op- werden. Dazu Brophy, J.M. Violence between Civilians and Hinrichs, E.: Staat ohne Nation. Brandenburg und Preußen tische Telegraphenlinie zwischen Berlin und Koblenz, die Königlich-Preußischen Rheinprovinzen, Berlin/Stettin 1830. State Authorities in the Prussian Rhineland, 1830-1846, unter den Hohenzollern (1415–1871). Hrsg. von Rüdiger ausschließlich der militärischen und behördlich-staatlichen Vgl. insgesamt die umfassenden Nachweise solcher Pub- in: German History 22 (2004), S. 1–35; zum speziellen, Landfester, Bielefeld 2014, S. 382 ff., S. 609 ff. Nachrichtenübermittlung diente. Dazu Herbarth, D.: Die likationen bei Schütz, R. (Bearb.): Grundriß zur deutschen aber letztlich zentralen Aspekt des Einsatzes von Militär in Entwicklung der optischen Telegrafie in Preußen, Köln 1978; Verwaltungsgeschichte. Reihe A: Preußen. Band 7: Rheinland, innerstaatlichen Konfliktsituationen vgl. als erster Überblick 3 Zu diesen Texten neuerdings Mölich, G.: Herrschaftswechsel Marburg (Lahn) 1978, S. 49–69. Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (Hrsg.): Vollert, M.P.: Für Ruhe und Ordnung. Einsätze des Militärs und Kommunikation. Anmerkungen zu offiziellen Texten am Die Telegraphenstation Köln-Flittard. Eine kleine Geschichte 21 Vgl. als Überblick: Klöffler, M. Kartographie im Rheinland, im Inneren (1820–1918). Preußen – Westfalen – Rheinprovinz, Beginn der preußischen Herrschaft am Rhein, in: Büren, der Nachrichtentechnik, Köln 1973; Menning, M. u. Hen- G. v. u. Gutbier, M. D. (Hrsg.): Das preußische Jahrhundert. in: Büren, G. v. u. Gutbier, M. D.: Preußisches Jahrhundert Bonn 2014. Zu den eher positiven Entwicklungen dieser drich, A. (Hrsg.): Preußens Telegraphenlinie Berlin-Koblenz (2016) (wie Anm. 3), S. 49–60. Genannt sei vor allem die in speziellen „Beziehungsgeschichte“ in der zweiten Hälfte des Jülich, Opladen und das Rheinland zwischen 1815 und 1914, und Beiträge zur Geschichte und Geologie des Potsdamer 2016, S.93–96. der Zeit der französischen Herrschaft begonnene und dann 19. Jahrhunderts vgl. Becker, F.: Die Einstellung der Bevölker- Telegraphenbergs und seiner Umgebung: Telegraphenbuch III, unter preußischer Herrschaft weitergeführte Kartenaufnahme ung zum Militär in den preußischen Westprovinzen von 1850 4 Dazu knapp Mölich, G.: Geschichte und Kultur als Indikatoren Potsdam 2012. durch Tranchot und von Müffling. Dazu umfassend Rudolf bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges, in: Forschungen landschaftlicher Identität: Die Rheinlande, in: Landschaftsver- zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte N.F. 17 14 Zu dieser Quellengruppe: Schneider-Treffeisen, U.: „Zeitungs- Schmidt: Die Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot band Rheinland, LVR-Fachbereich Umwelt (Hrsg.): Kulturland- berichte“, in: Rusinek, B. A. (u.a.) (Hrsg.): Einführung in die und v. Müffling 1801-1828. Geschichte des Kartenwerkes (2007), S. 251–264. schaft und regionale Identität. Dokumentation der Beiträge Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit, und vermessungstechnische Arbeiten, Köln/Aachen 1973. des Fachforums 4 beim Deutschen Landschaftspflegetag 2011, 27 Steinbach: Preußen (2015) (wie Anm. 1), S. 28. Paderborn etc. 1992, S. 153–169; Mellies, D.: Die amtlichen Zu weiteren Karten vgl. die Nachweise in Schütz: Rhein- Köln 2012, S. 17–22. Zeitungsberichte der preußischen Regierungen als Quelle land (1978) (wie Anm. 20), S. 66–69. Zur Landesvermessung 28 Zu dieser Krise in Köln vgl. Herres: Köln (2012), (wie Anm. 25), in preußischer Zeit: Herritsch, S.: Die Löwenburg und die S. 56–60. Hingewiesen sei auf zwei neuere regionale Untersu- 5 Gollwitzer, H.: Die politische Landschaft in der deutschen Ges- einer Mentalitätsgeschichte der Verwaltung, in: Forschungen chichte des 19./20. Jahrhunderts. Eine Skizze zum deutschen zur Brandenburgisch-Preußischen Geschichte N.F. 18 (2008), Vermessung des Rheinlandes, in: Siebengebirgsmuseum der chungen zu dieser tiefgreifenden Krise: Louis, M.: Preußisches Regionalismus, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte S. 1-17; Hoppe, A.: Die Zeitungsberichte der preußischen Stadt Königswinter (Hrsg.): Preußenadler über dem Rhein. Regierungshandeln im Kontext der Hungerkrise 1816/17, in: 27 (1964), S. 523–552, Zitat S. 530. Regierungen als historische Quelle, www.regierungsbe- Eine Spurensuche rund um den Drachenfels, Bonn 2015, S. Kell, E. u. Penth S. (Hrsg.): Vom Empire zur Restauration. Die zirk-liegnitz.de/Projekt/Text-1 [12.01.2017] (bei diesem Text 68–75. Saarregion im Umbruch 1814–1820, Saarbrücken 2016, S. 6 Herres u. Holtz: Provinzen (2011) (wie Anm. 1), S.120 (beide handelt es sich um den Einführungstext zu einer umfassend- 213–250; Höher, P.: Religion in der Krise. Die Hungersnot von 22 Schwerz, J. N. v.: Beschreibung der Landwirtschaft in West- Formulierungen). en Online-Edition der Zeitungsberichte des preußischen Re- 1816/17 in Westfalen, in: Rheinisch-Westfälische Zeitschrift falen und Rheinpreußen mit einem Anhang über den Weinbau für Volkskunde 61 (2016), S. 55–82. 7 Vgl. zur regionalen Rolle der Landräte und Kreise im Rhein- gierungsbezirks Liegnitz in der ehemaligen Provinz Schlesien in Rheinpreußen, 2 Bände, Stuttgart 1836. Ergänzend dazu zwischen 1810 und 1918); Graumann: Herrschaft (2015) (wie land Wallraff, H.: Vom preußischen Verwaltungsbeamten die Edition der nur archivalisch überlieferten Umfragen und 29 Zum globalen Ereignis und seinen Folgen umfassend Anm. 8), S. 111–113. zum Manager des Kreises. Landräte und Landratsamt in den Antworten für den Regierungsbezirk Aachen: Fischer, G. u. Behringer, W.: Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie ein Kreisen Düren und Jülich von 1816 bis zur Gegenwart, Düren 15 Graumann: Verwaltung (2015) (wie Anm. 8), S. 333–1275. Für Herborn, W. (Bearb.): Rheinische Landwirtschaft um 1820. Vulkan die Welt in die Krise stürzte, München 2015. 2004; Landkreistag Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Von der z. B. das Jahr 1840 finden sich die Zeitungsberichte an den Die Schwerzsche Agrarenquete im Regierungsbezirk Aachen, preußischen Obrigkeit zur bürgerlichen Selbstverwaltung. 200 Köln 1987. 30 Zeitungsbericht vom 10. Juni 1817, zitiert nach Herres: Köln Landrat von Januar bis Dezember auf den Seiten 688, 700, (2012) (wie Anm. 25), S. 57 Jahre Rheinische und Westfälische Kreise, Düsseldorf 2016; 712, 724, 734, 754, 764, 772 f., 782, 788 f. und 799 f. Vaessen, L.: Der preußische Landrat am Rhein. Verwaltungs-

16 17 31 Immediatbericht vom 31. August 1837, zitiert nach Herres: 39 Knapp dazu mit weiterer Literatur Mölich, G.: Geschichte Köln (2012) (wie Anm. 22), S. 149 f. (2012) (wie Anm. 4), S. 20 f. 32 Bericht vom 23. Juni 1843, in: Hanse, J. (Bearb.): Rheinische 40 Vgl. für den gegenüber dem Mittelrhein oft vernachlässigten Briefe und Anten zur Geschichte der politischen Bewegung niederrheinischen Raum Cillessen, W. „Altäre für das Vater- 1830–1850, Band 1: 1830–1845, Essen/Leipzig 1919, Nach- land“. Der Niederrhein als nationalpatriotische Denkmalland- druck Düsseldorf 1997, S. 546–549, Zitat S. 549. schaft, Wesel 2002.

33 Neuerdings umfassend Huch, G. Monarchenreisen zwischen 41 Zusammenfassend dazu Mölich, G.: Mythen und Symbole am Tradition und Moderne, in: Zwischen Ehrenpforte und Inkogni- Rhein. Eine Skizze, in: Engelbrecht, J. u.a. (Hrsg.): Rheingold. to: Preußische Könige auf Reisen. Quellen zur Repräsentation Menschen und Mentalitäten im Rheinland. Eine Landeskunde, der Monarchie zwischen 1797 und 1871 (= Acta Borussica N. Köln/Weimar/Wien 2003, S. 235–246. Eine umfassende F., 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat, Abt. II, Bd. 7/1), Berlin Darstellung durch den Autor ist in Vorbereitung. 2016, S.1–210; hier findet sich erstmalig auch eine akribische Auflistung aller preußischen Monarchenreisen im Zeitraum 1798 bis 1871 (S. 218–270). Die zweibändige Edition bietet umfangreiches Quellenmaterial auch zu den verschiedenen Reisen der drei Könige in die Rheinprovinz.

34 Zu dieser Reise und ihrem Kontext ausführlich Werquet, J. Historismus und Repräsentation. Die Baupolitik Friedrich Wil- helms IV. in der preußischen Rheinprovinz, Berlin/München 2010, S. 82–94, das Zitat S. 85.

35 Vgl. knapp Custodis, P.-G.Bauaufgaben in preußischer Zeit, in: Ders.: Preußen an Rhein und Mosel, Köln 2015, S. 4-13; Anton Neugebauer: Das architektonische Erbe Preußens am Rhein, in: Felten, F.J. (Hrsg.): Preußen und Bayern am Rhein, Stuttgart 2014, S. 119–141. Umfassend zu den vielfältigen Aktivitäten Friedrich Wilhelms IV. als Kronprinz und König in der Rheinprovinz: Werquet: Historismus (2010) (wie Anm. 34). Werquet behandelt mit der Baupolitik Friedrich Wil- helms IV. ein wichtiges Thema der preußisch-deutschen Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts in systematischer und vollständiger Weise. Ziel dieser extensiven Baupolitik in der Rheinprovinz war die „Harmonisierung der preußischen Gesellschaft mit künstlerischen Mitteln“ (S. 428) – ein letztlich gescheitertes monarchisches Projekt. Vgl. Ders.: Eine „his- torische Basis“ für den preußischen Staat. Die Rheinprovinz im Kontext der Bauunternehmungen Friedrich Wilhelms IV., in: Meiner, J. u. Werquet, J. (Hrsg.): Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Politik – Kunst – Ideal, Berlin 2014, S. 81–89.

36 Vgl. dazu aus kulturgeographischer Perspektive Dix, A. Das Mittelrheintal – Wahrnehmung und Veränderung einer sym- bolischen Landschaft des 19. Jahrhunderts, in: Petermanns Geographische Mitteilungen 146 (2002), Heft 6, S. 44–53. 37 Wesentliche Impulse dafür gab das seit 2004 laufende große Akademievorhaben „Preußen als Kulturstaat“ der Ber- lin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Das Projekt bezieht sich vor allem auf die umfassende Auswertung der umfangreichen Archivbestände zum 1817 begründeten preußischen Kultusministeriums. Im Rahmen des Projektes sind zwischen 2009 und 2016 16 umfangreiche Darstellungs- und Editionsbände mit fast 8000 Druckseiten publiziert worden. Daneben gibt es eine Fülle von bereits publizierten Spezialstudien. Auf die vielfältigen Einzelergeb- nisse gerade auch für die westlichen Provinzen kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. zum Projekt und zu den Publikationen: http://actaborussica.bbaw.de/ . Vgl. zudem den unlängst erschienenen wichtigen Sammelband: Mettele, G. u. Schulz, A. (Hrsg.): Preußen als Kulturstaat im 19. Jahrhundert, Paderborn 2015, insbesondere die Einleitung S. 7–21.

38 Dazu umfassend: Holtz, B.: Das Kultusministerium und die Kunstpolitik 1808/17 bis 1933, in: Das preußische Kultusmin- isterium auf seinen Wirkungsfeldern Schulen, Wissenschaft, Kirchen, Künste und Medizinalwesen (= Acta Borussica N. F., 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat, Abt. I, Bd. 2/1), Berlin 2010, S. 399–635.

18 19 Einleitung Die Preußen trafen bei der Verwaltungsübernahme der Nach der französischen Periode, die 1814 endete, Eifel 1816 eine sehr dünn besiedelte Region in Grenz- wurde das Rheinland auf dem Wiener Kongress 1815 lage an, die aufgrund der naturräumlichen Beschaffen- Preußen zugesprochen. Die Preußen übernahmen 1816 heit als ein Ungunstraum zu betrachten ist. Die natür- die Verwaltung und gliederten die Rheinprovinz in Re- lichen Voraussetzungen dieser Mittelgebirgslandschaft gierungsbezirke, Kreise, Ämter und Gemeinden. Diese haben den Handlungs- und Bewirtschaftungsspielraum Verwaltungsgliederung der Ämter und Gemeinden fuß- des Menschen beeinflusst und geprägt. Die Entwick- te auf der von den Franzosen eingeführten kommuna- lung der Landwirtschaft hängt eng mit der Höhenlage, len Verwaltungsgliederung. Die Eifel war während der dem Relief, der Hydrologie, den Böden und dem Klima französischen Periode auf fünf Departements und zwi- zusammen. In der leeseitigen östlichen Eifel variieren schen 1816 bis 1947 auf die Regierungsbezirke Aachen, die Jahresniederschlagsmengen von ca. 600–800 mm Köln, Koblenz und Trier verteilt (s. Abb. 1). Zwar hatte bis 1000–1200 mm in den luvseitigen westlichen Eifel- die Rheinprovinz hinsichtlich der preußischen Kern- teilen. Im Bereich der Rureifel und des Hohen Venns gebiete mit der Hauptstadt Berlin eine periphere Lage, bewegen sich die Jahresmengen aufgrund der Luvla- aber es muss in diesem Zusammenhang hervorgeho- ge sogar zwischen 1100 und 1300 mm (Fischer 2013, ben werden, dass die Brandenburger/Preußen bereits S. 24–35). Die mittlere Jahrestemperatur variiert je nach seit 1609 am Niederrhein präsent waren.1 Höhenlage zwischen 7,5 und 8,5 °C. Die Vegetations-

„Preußisch Sibirien“ – Notstandsmaßnahmen in der Eifel Peter Burggraaff

Abb. 1: Die Lage der Eifel während der französischen Periode 1798–1814 in den vier Departements und innerhalb der preußischen Rheinprovinz 1816–1947 (LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, Bonn 2010).

20 21 periode variiert ebenfalls nach Höhenlage und ist mit der Wald vor allem auch eine landwirtschaftliche Er- und Borstrasen. Nach etwa 15 bis 20, teilweise aber Dieses Wetter wird mit dem Ausbruch des Tambora auf durchschnittlich 125 bis 150 Tagen für die höheren Teile gänzungsfläche. Die Weideflächen für Rinder, Schafe auch 30 bis 50 Jahren wurden diese Flächen erneut mit der indonesischen Insel Sumbawa in Verbindung ge- kurz. Nachteilig sind die häufig auftretenden Nacht- und Ziegen befanden sich neben den für den Ackerbau Schaufeln „abgeplaggt“ oder „abgeschiffelt“, getrock- bracht (Glaser 2001, S. 180). Während der Ausbrüche fröste im späten Frühjahr und im frühen Herbst in ungeeigneten Bach- und Flussauen sowie Bracheflä- net, im Herbst verbrannt und mit der Asche die Fläche am 6. April und vom 10. bis 15. April 1815 wurden über den Hochlagen und Muldentälern (Fischer 2013, S. 31, chen der Dreifelderwirtschaft im Hudewald. Die ein- gedüngt (Schwind 1983, S. 38). Die oben beschriebene 100 km3 Material in die Atmosphäre geschleudert. Die S. 33). zigen Grünlandflächen befanden sich in den feuchten landwirtschaftliche Nutzung des Waldes hat maßgeb- feine Vulkanasche, die in die oberen Schichten der At- Auen der Wiesentäler (Weber 1986, S. 104). Sie wurden lich zu den ständig wachsenden Heide- und Ödlandflä- mosphäre aufstieg, verbreitete sich in wenigen Tagen In Voreifel, Pellenz, Maifeld, Bitburger Gutsland und weitgehend zur Heuernte für die winterliche Stallhal- chen beigetragen. Diese Flächen wurden weiterhin als über die nördliche Erdhalbkugel. Es dauerte einige Wittlicher Senke sind die Bedingungen günstiger und tung genutzt. Eine besondere Beweidungsform war die Weideflächen genutzt und prägten das damalige cha- Jahre, bis die Atmosphäre wieder weitgehend staub- die Vegetationsperiode ist wesentlich länger. Dies wird herbstliche Schweinemast mit fetthaltigen Eicheln und rakteristisch offene Landschaftsbild der Eifel bis weit frei war. Durch die Partikel in der Atmosphäre wurde durch die dortigen Sonderkulturen belegt: Weinbau im Bucheckern, die für die Zunahme des Schlachtgewichts in das 19. Jahrhundert. das Sonnenlicht zurück ins All reflektiert, wodurch die Ahr-, Mosel- und Rheintal, der Hopfenanbau im Bit- kurz vor dem Schlachtmonat November sehr wichtig Temperatur um etwa 2,5 bis 3 °C sank. In der klima- burger Gutsland und der Tabakanbau in der Wittlicher war. Breittragende Eichen und Buchen als sogenannte Die Entwicklung der Landwirtschaft nach 1816 tisch benachteiligten Eifel wurde die ohnehin relativ Senke. Mastbäume zeugen noch von dieser Waldnutzung. Kurz nach der formellen Übernahme der linksrheini- kurze Vegetationsperiode hierdurch erheblich verkürzt. schen Gebiete durch die Preußen führte der größte Missernten und Ernteausfälle waren im „Jahr ohne Vor allem in den Rur-, Hoch-, Vulkan- und Westeifel- Mit der landwirtschaftlichen Einbeziehung und Nut- Ausbruch eines Vulkans der letzten 10.000 Jahre, des Sommer“ 1816 zu verzeichnen. Dies belegt folgendes gebieten mit dem Relief, den kargen Böden und den zung des Waldes konnte der Ackerbau in der, klima- Tambora, zu einer enormen Temperaturabsenkung Zitat: „[…] 1816 war ein Jahr des Unheils. Bis in den ungünstigen klimatischen Verhältnissen waren die tisch betrachtet, ungünstigen Eifel hauptsächlich für die (s. Abb. 2 und 3) mit katastrophalen Folgen. Während Juni hinein lag stellenweise der Schnee. Anfang No- Bedingungen für einen ertragreichen Ackerbau be- Eigenversorgung existieren. Im Rahmen der bereits im der französischen Verwaltung von 1795–1814 und zum vember schneite es schon wieder. Nichts wurde reif, sonders ungünstig. Anstelle der auch in der Eifel üb- Prümer Urbar von 893 erwähnten Rottwirtschaft mit der Beginn der preußischen Verwaltung 1816 veränderte alles verdarb und verkam. Ende September wurde erst lichen praktizierten Dreifelderwirtschaft erfolgte in Niederwaldnutzung wurde auf den abgeholzten Flächen sich in der Landbewirtschaftung zunächst nicht viel. das Heu eingeerntet. Das Korn wurde erst im Oktober den niederschlagsreichen westlichen Eifelteilen die mit Aschedüngung in der Regel zwei Jahre Getreide an- Aber das extrem schlechte Wetter führte zu einem fast reif. Die Kartoffeln waren alle erfroren und lagen unter ackerbauliche Bewirtschaftung in einer unregelmä- gebaut: Hafer oder Roggen im ersten Jahr und Buchwei- kompletten Ernteausfall mit verheerenden Folgen für dem Schnee begraben“ (Arntz 1986, S. 124). ßigen Feld-Gras-Wirtschaftsform mit abwechselnder zen im zweiten Jahr. Nach einer Umtriebszeit von etwa die Nahrungsmittelversorgung, so dass Hungersnöte Acker- und Grünlandnutzung. Im Laufe des 17. Jahr- 20 bis 25 Jahren begann der Kreislauf wieder von vorne. auftraten und Hungertyphus ausbrach (Glaser 2001, S. Bürgermeister Cornelius Metten des Amtes Kelberg2 hunderts wurde dort wegen des feuchten Klimas der 180). Darüber hinaus gab es auch kein Saatgut für das (bis 1932 Kreis Adenau) berichtet in den Chronik des ertragsarme Ackerbau allmählich zugunsten der Grün- Das erforderliche Streugut als Plaggen für die Stallhal- nächste Jahr. Amtes Kelberg von einem „unerhörten allgemeinen land- und Weidewirtschaft weitgehend aufgegeben. Bei tung und die Herstellung von Dünger wurde aus dem dieser Umstellung könnte auch die sogenannte „Kleine Wald geholt. Durch die ständige Entnahme von Humus Eiszeit“ eine Rolle gespielt haben. Der Schutz gegen und Streu mit Holzrechen wurde die Leistungsfähigkeit das feuchte niederschlags- und windreiche Klima hat der Waldböden erheblich beeinträchtigt. Darüber hin- sich auf der Hochebene der Nordwesteifel landschafts- aus diente der Wald traditionell als Sammelstelle von wirksam mit der Herausbildung der Monschauer He- Kräutern und Wildfrüchten sowie Laub, das als zusätz- ckenlandschaft niedergeschlagen. Dort schützen hohe liches Viehfutter durch Schneitelung der Bäume ge- Haus- und Hofhecken die Bausubstanz gegen das wonnen wurde. feuchte Wetter. Extreme Auswirkungen auf den Waldbestand hatte Die ursprünglich waldreiche Eifel war 1816 durch die die seit dem Spätmittelalter zunehmend praktizierte jahrhundertewährende Ausbeutung der Wälder, eine Schiffelwirtschaft. Hierbei wurde der Niederwald ge- nicht nachhaltige Holzwirtschaft, landwirtschaftliche rodet und je nach Bodenbeschaffenheit wurde ein bis Nutzung des Waldes und die ungünstigen landwirt- drei Jahre Ackerbau betrieben. Ziel dieser Bewirtschaf- schaftlichen Verhältnisse und Strukturen verarmt. tungsform war, die kargen Erträge auf den nährstoff- armen Böden mit zusätzlichem Ackerland aufzusto- Land- und Waldwirtschaft cken. Nach der ackerbaulichen Nutzung wurden diese Bis etwa 1850 war die Landwirtschaft sehr eng mit Flächen sich selbst überlassen und als Weidefläche der Waldwirtschaft verzahnt. Neben der Holzproduk- genutzt. Durch die ständige Beweidung konnte sich tion für Bau-, Nutz- und Energieholz zur Herstellung kaum eine Vegetation außer Wacholder und Ginster Abb. 2: Vulkanausbruch des Tambora vom 10.–15.4.1815. Hierbei wurden etwa 150 km³ an Gesteinsmassen in die Atmosphäre geschleudert. Feine Aschen verbreiteten sich innerhalb weniger Tage über die gesamte nördliche Erdhalbkugel. Die Partikeldichte in der oberen Atmosphäre verringerte die auftreffende von Holzkohlen für die Eisenverhüttung, Glas- und (Eifelgold), die vom Vieh nicht gefressen wurden, ent- Sonnenenergie, die zu einer temporären Absenkung der Temperatur von 2,5 bis 3 °C führte. Er gilt als größter Vulkanausbruch der letzten 10.000 Jahre Kalkherstellung und Brennholz war darüber hinaus wickeln. Zwischen den Sträuchern wuchs Heidekraut (www.winterplanet.de, abgerufen am 08.09.2015).

22 23 Abb 4.: Die Hungermedaille vom Nürnberger Stempelschneider Thomas Stettner. Auf der Vorderseite (links) ist eine Mutter mit zwei Kindern mit der Inschrift „O gieb mir Brod mich hungert.“ zu sehen. Auf der Rückseite (rechts) hängt eine Waage aus den Wolken. Auf der linken Waagschale steht ein Gewichtsstein mit der Unterschrift „1Ib 3L“. Auf der rechten Waagschale liegen Getreidekörner mit der Unterschrift „12 KR“. Zwischen den beiden Schalen der Waage steht „1 MAAS BIER 8 ½ KR“. Darunter liegt ein Anker, unter welchem die Jahreszahlen 1816 und 1817 geschrieben sind. Die Umschrift am Rande lautet: „Verzaget nicht – Gott lebet noch“ (www.regionalgeschichte.net, abgerufen am 01.02.2016).

jetzt vorhandene, ungemeine Anzahl Frösche gerade Familien, die in diesem Winter zu den alten Schulden Abb. 3: 1816 das Jahr ohne Sommer mit einer temporären Absenkung der Temperatur von 2,5 bis 3 °C in der Eifel (Luterbacher et al. 2004, S. 1499–1503). ein wenn auch wenig belangreiches Mittel zur Lebens- nicht noch neue machen müssen. Vielfach konnten die fristung oder Stillegung des Hungers geboten sein. Es Kartoffeln nicht ausgemacht werden, weil Frost und sei diesem wie ihm wolle, jedenfalls scheint es anrä- Schnee kamen, ehe alles reif geworden war“ (Arndt Misswuchs an Getreide und Gemüße“. Er schrieb da- Eifelbevölkerung“ (Blum 1925, S. 128). Diese Umstände thlich, die vielen Frösche einzufangen und deren Beine, 1986, S. 24–25). mals, vor genau 200 Jahren (1816): „Eine allgemeine führten zu Nahrungsmittelknappheit und sogar zu Hun- gebraten, zur Consumption zu benutzen. Dadurch wird Hungers Noth bedrohete das ganze Land, und beson- gersnot, so dass viele die Eifel notgedrungen verließen ein doppelter Zweck erreicht werden, indem ein Le- Durch die ungünstigen naturräumlichen Rahmen- ders die Eifel. […]. Ich mag mich dieser Epoche nur mit und auswanderten. Die Not war 1817 so groß, dass die bensbedürfnis befriedigt, und daneben verhütet wird, bedingungen und katastrophalen strukturellen Ver- Grausen erinnern. Ich habe Leute gesehen, die Gräßer Regierung mit Getreidelieferungen eingreifen musste. dass die Frösche laichen und später mit ihrer Brut den hältnisse in der damaligen hauptsächlich auf Eigen- in den Wiesen gesammelet und gegeßen haben. Die er- In der Rheinprovinz bildeten sich Wohltätigkeitsvereine. weichen Pflanzenwuchs verzehren“.3 Wenige Mona- versorgung hin orientierten Landwirtschaft sowie die kalteten Grundbieren (Kartoffeln) wurden als Leckerbi- König Friedrich Wilhelm III. stellte 2 000 000 Taler für te später wurde sogar polizeilich darauf hingewiesen, Auswirkungen der wiederholt auftretenden Schlecht- ßen benutzet.“ (Mayer 2016, S. 12). Hilfsaktionen zu Verfügung. So wurde nach Arndt (1986, dass Fremde sowie Bettler und Bettlerinnen aufgrund wetterereignisse wurde die Eifel im 19. Jahrhundert als S. 124) in Blankenheim, Gemünd, Schleiden, Reiffer- der sehr schlechten Nahrungsmittelsituation nicht „preußisches Sibirien“ bezeichnet. Die außerordentlich Eine weitere Beschreibung über die damalige Notsitu- scheidt und Kronenburg pro Tag und pro Kopf ein Pfund versorgt werden dürften. Wer „Fremde“ aufnahm wur- ungünstige kleinbäuerliche Betriebsgrößenstruktur ation in der Eifel ist bei Peter Blum nachzulesen: „1816 Brot an die Ärmsten verteilt. Wer noch Brot bezahlen de mit einem Bußgeld von 1 bis 5 Talern belegt (Arndt der Landwirtschaft hat ihre Hauptursache im vorherr- fiel eine so schwere Missernte ein, dass eine entsetzli- konnte, musste je nach Vermögens- und nach Erwerbs- 1986, S. 24–25). schenden Realteilungserbrecht. Es herrschte die freie che Teuerung und Hungersnot um sich griff. In der Eifel stand anteilig bezahlen. Das Betteln wurde verboten Teilbarkeit unter allen Erbberechtigten vor, die nach lebten die armen Leute von Wiesenkräutern, die sie mit und mit Gefängnisstrafen geahndet (Janssen 1929, S. Der Winter von 1879/80 war sehr kalt. Es gab drei Mo- dem 1802 eingeführten französischen Recht, legiti- Hafermehl zu Mus verrührten. Es wird berichtet, dass 29). Erst ab 1818 hat die Wetterlage sich wieder nor- nate sehr strengen Frost. Die Not stieg so hoch an, so miert war und im linken Rheinland von der preußischen hungernde Menschen sogar Würmer und Schnecken in malisiert. dass im Deutschen Reich gesammelt werden musste, Verwaltung beibehalten wurde. Hierdurch nahmen der Pfanne brieten oder Fleisch von verendeten Tieren um eine Hungersnot zu vermeiden. Die Spenden wur- bei einer wachsenden Bevölkerung die Betriebs- und aßen. Kinder mussten betteln gehen, weil ihre Eltern Auch 1847 war ein Notjahr. Die Not ist in den wenigen den bezüglich der Verteilung wöchentlich den Pfarrern die Parzellengrößen ständig ab. Das Ergebnis waren sie nicht mehr ernähren konnten. Viele entschlossen zeitgenössischen Presseberichten ablesbar. Am 9. April und Gemeindevorstehern weitergeleitet. Aus einem stark zersplitterte Flure mit Klein- bzw. Miniparzellen sich damals, ihr Land zu verlassen. Preußen veran- 1847 wurde der Eifelbevölkerung nahegelegt, „Frosch- Dankesschreiben des Pfarrers von Stadtkyll wird die in Streulage. Da die Gemarkungen und Flure unzurei- lasste Geld- und Sachsammlungen für die notleidende schenkel statt Brot“ zu essen. „Vielleicht soll durch die Not deutlich: ,,In meiner Pfarrgemeinde sind keine 20 chend mit Wegen erschlossen waren, musste wegen

24 25 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1 000 1 100 1 200 1 300 1 400 1 500* Flachs-, RM 30 000,00 Hanfbau Korb- RM 35 000,00 weiden Berufsschulen und -bildung RM 50 000,00 Milchwirtschaft, Molkereien RM 60 000,00 Saatgut, Lebensmittel, Düngemittel, Futter RM 75 000,00 Obstanbau, Obstwiesen RM 102 000,00 Verbesserung der Stallungen RM 104 000,00 Kultivierungen, Melioration, Viehweideanlagen auf Ödland RM 300 000,00 Rindviehzucht RM 305 000,00 Feldgras- und Viehweideanlagen RM 400 000,00 Wald- und Forstkultur RM 605 000,00 Entwässerung durch Dränage RM 700 000,00 Ent- und Bewässerungsanlagen, Meliorationen und Fluss- und Bachregulierungen RM 1 150 000,00 Zusammenlegung, Flurbereinigung RM 1500 000,00 Wasserleitungsanlagen RM 1 600 000,00 * In Tausend Reichsmark * In Tausend Reichsmark Tab. 1: Staatshilfen aufgrund des Notstandes in den Eifelkreisen 1876–1929 in Reichsmark ( x 1000). Nach Krewel 1931, S. 21. Tab. 1: Staatshilfen aufgrund des Notstandes in den Eifelkreisen 1876-1929 in Reichsmark ( x 1000). Nach Krewel 1931, S. 21 Abb. 5: Katasterkarte der Gemeinde Zermüllen, „Section B genant Dorfsection“ im Maßstab 1:1.250 von 1821 (Landeshauptarchiv Koblenz, Außenstelle Kobern-Gondorf). katausDie dringend vom 22. bis notwendige 27. August 1883 struktur auf derelle Westspitze Umgestaltung jährliche der FörderungAgrarfluren betrug wurde 300.000 schließlich Reichsmark im (RM): derRahmen indonesischen der Flurbereinigung Insel Java zusammen, durchgeführt. der als zweit -Hierzu200.000 wurde des am Landes 24. MaiPreußen 1885 und das 100.000 preußische der Verwal - größterFlurbereini Vulkanausbruchgungsgesetz der 5Neuzeit erlassen betrachtet (Rembold wird. 2012,tung S. der 104) Rheinprovinz. Dieses ( KGesetzrewel 1931, hat S. 17).trotz Die derFörder - der Säh- und Erntezeiten Flurzwang mit der gleichen schaft betrachtete, war das Landschaftsbild optisch Obwohlanfänglichen dieser Ausbruch bäuerlichen nicht so Widergewaltigstände war wie in der den nachfolgendenmaßnahmen wurden Jahren auch aufund den der Hunsrück, weiterhin Taunus Fruchtfolge eingeführt werden, die zu Abhängigkeiten von großen, durch den Flurzwang bedingten Getrei- despraktizierten Tambora, gab Real es immerhinteilung eineeine zeitweilige nachhaltige Tempe Verbesserung- und Westerwald der landwirtschaftlichen mit ähnlichen Problemen Struktur erweitert. führte (s. Abb. 5 und 6a). So betrug die mittlere Parzel- defeldern der Dorffluren sowie größeren Heide- bzw. ratursenkungermöglicht. vonHierzu 0,5 bis wurde 0,8 °C, 4 auchdie sich ein vor zumeist allem in rechteckigHierzu ist geprägte 1897 der s„Westfonds“ Netz der Wirtschaftsgegründet worden;- lengröße z.B. im Altkreis Daun um 1885 lediglich 0,09 Ödlandflächen geprägt. Es war eine von „Offenheit“ denwege höheren festgelegt. Lagen mit Es erhöhten sollte s Niederschlagsmeno dicht sein, damit- jedes1901 wurde neu zusammengelegteder Eifelfond aufgelöst undGrundstück mit dem West - ha. Hierdurch wurde die Bewirtschaftung der Flurstü- geprägte Kulturlandschaft. Innerhalb der landwirt- gen,einen Früh- direkten und Spätfrosten Weganschluss und eine dadurch erhalten bedingte konnte fonds (Graafen verschmolzen 1992, (G raafenS. 108). 1993, DurchS. 106). 1924die seist der cke erheblich erschwert. schaftlich genutzten Flure gab es jedoch sehr viele klei- kürzereErschließung Vegetationsperiode der Einzelparzellen negativ auf diekonnte landwirt auf- FlurzwangWestfonds verzichtet in „Fonds zur werden: Förderung jeder der LandwirtschaftLandwirt ne Parzellen, die durch die vorherrschende Realteilung schaftlichekonnte nun Produktion individuell ausgewirkt wirtschaften hatte. Es und kam seine zu Fruchtfolgedurch von Meliorationen, selbst bestimmen. Umlegungen Die und Aufgabe Wasserlei - Die Vermessungskosten der geteilten Grundstücke entstanden sind Nahrungsmittelengpässendes Flurzwangs mit einheitlicherund Hungersnöten, Fruchtfolge die zu wirktetungen“ sich umbenannt auf das worden Landschaftsbild (Krewel 1931, S. 19).aus. konnten von den Bauern und Bäuerinnen nicht mehr einerAnstatt wirtschaftlich der für verursachtendas Auge Auswanderungswellesichtbaren, große n, weiträumigen und einheitlich angebauten aufgebracht werden. Deswegen wurden die Flurstück- In den 1880er Jahren führte eine Reihe von Missern- alsFlächen, letztem Ausweggab es führte. nun eine mosaikähnliche StrukturMit demmit Eifelfondsunterschiedlich als Notstandsprogramm bewirtschafteten hatte man steilungen nicht mehr im Kataster erfasst, sondern ten aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse Ackerparzellen. die Land- und Forstwirtschaft strukturell gefördert so- wurden als Eigentümer Erbengemeinschaften einge- innerhalb dieser zersplitterten und zerstreuten Par- Die Situation war aussichtslos. Landräte und Bürger- wie die Ausbildung der Landwirte und Agrarforschung tragen. Durch nachfolgende Teilungen verkleinerten zellenstruktur erneut zu einem Notstand. November meisterDie Vergrößerung sprachen bei der der Regierung zersplitterten in Berlin kleinenvor und Parzellenfür die Entwicklung auf eine vondurchschnittliche widerstandsfähigem Größe Saatgut fi- sich die Grundstücksanteile und die Erbengemein- 1882 wird berichtet, dass 50 % der Bevölkerung nicht schildertenvon etwa die2.500 katastrophale m2 und dieSituation. reduzierte Dies führte Parzellenzahl nanziert. der Zwischen Kleinstbetriebe 1876 und 1929 wurdenbis 2 haca. 7.000.000und schaften vergrößerten sich. So gibt es heute noch un- mehr über ausreichende Lebensmittel verfügte und zukleinen weitreichenden Betriebe Hilfeleistungen zwischen 2der und preußischen 5 ha trugen RM zu investiert. einer Ausbesseren Tabelle 1 undgeht hervor,effizienteren wie die För - ter dem Titel von Erbengemeinschaften eingetragene dass außerdem das Saatgut sehr knapp war. Nach der RegierungBewirtschaftung und der Provinzregierung bei. in Koblenz. Man dermittel in der Periode 1876–1929 investiert worden Grundstücke, die mittlerweile aus hunderten von Erben sehr ungünstigen Witterung 1883 verschlechterte die beschloss 1884 die Einrichtung des Eifelfonds aus öf- sind. Eine der wichtigsten Strukturmaßnahmen war die bestehen, die heute kaum noch zu ermitteln sind. Situation sich noch weiter. Das schlechte Wetter hängt fentlichenDie erste Geldmitteln Flurbereinigung für die Förderung nach de mvon Inkrafttreten Struk- Zusammenlegung des Flurbereinigungsgesetzes der Grundstücke. Die Umgestaltungvom 24. Wenn man damals, im Sommer 1850, die Eifelland- sehr wahrscheinlich auch mit dem Ausbruch des Kra- turmaßnahmenMai 1885 wurde für diein Land-der Gemarkung und Forstwirtschaft. Kelberg Die im Altkreisder Agrarfluren Adenau (1816im -Rahmen1932) noch der imFlurbereinigungen Jahr 1885 eingeleitet (Burggraaff 1988, S. 190-191).

5 26 Das „Gesetz, betreffend die Zusammenlegung der Grundstücke im Geltungsbereich des Rheinischen 27 Rechts“. verbessert 18 ha trockene Wiesen; 18 ha Ackerland wurden aus dem Eifel- Notstandsfond drainirt.“(erstmals veröffentlicht in Burggraaff 1988, S. 190-194).

Beim Vergleich der beiden Karten mit dem Zustand vor und nach der Zusammenlegung (Abb. 6a und 6b) ist die Strukturverbesserung deutlich erkennbar. Zu Beginn des Verfahrens wurden die Bonitätswerte der Böden ermittelt. Außerdem wurden das Relief, die Süd-, West-, Ost- und Nordorientierung der Grundstücke und die Entfernung zu den Gehöften für die Zuteilung mitberücksichtigt. Denn das oberste Prinzip war eine gerechte Zuteilung ohne Benachteiligung. Trotz dieser Vorgehensweise standen die Landwirte der Flurbereinigung sehr skeptisch gegenüber. Eine weitere zwangsläufige Folge der Zusammenlegung war, dass die neuen Parzellen vermessen worden sind und somit faktisch ein neues Kataster erstellt worden ist, das bis heute die Grundlage für die Fortschreibung bildet.

In den Folgejahren wurden in den benachbarten Ortschaften von Kelberg Flur- bereinigungen durchgeführt. In den Altkreisen Adenau, Ahrweiler, Daun und Wittlich sind bis 1906 die meisten Flurbereinigungen eingeleitet bzw. abgeschlossen worden. Ein Großteil der Gemarkungen der östlichen Eifel ist vor 1939 zusammengelegt worden und um 1970 war die Phase der Erstbereinigungen weitgehend abgeschlossen.

Kreise Verfahren Verfahren Parzellenzahl Parzellenzahl beendet eingeleitet vorher nachher Monschau 0 1 - - Schleiden 4 5 8 895 1 982 Adenau2 11 12 49 756 7 888 Ahrweiler2 11 1 30 289 9 259 Cochem 3 1 17 697 3 684 Mayen 8 0 17 500 4 272 Bitburg1 2 1 3 042 1 118 Daun2 12 5 41 891 7 947 Prüm1 4 3 7.761 3 344 Wittlich2 8 4 32 985 5 468

Tab.1 Die 2: StandKreise der Prüm Zusammenlegungen und Bitburg nach haben dem Gesetzaufgrund von 1885 des im dortigen Jahre 1906. Stoc kerbrechtes, bei dem die Hofgüter 1 Dieals Kreise Ganzes Prüm vererbt und Bitburg wurden, haben aufgrund relativ deswenig dortigen Realteilung Stockerbrechtes, bei dem die Hofgüter als Ganzes vererbt wurden, relativ wenig Realteilung 2 Eifelkreise mit den meisten Parzellen als Folge des Realteilungserbrechts 2 Eifelkreise mit den meisten Parzellen als Folge des Realteilungserbrechts

Tab. 2: Stand der Zusammenlegungen nach dem Gesetz von 1885 im Jahre 1906

be zwischen 2 und 5 ha trugen zu einer besseren und bringen waren. Es sind dabei als Gemeindeanlagen mit effizienterenAus der obig Bewirtschaftungen Tabelle geht bei. eindeutig Die erste hervor,Flurberei -wie zersplittertausgewiesen die worden: landwirtschaftlichen zwei Bleichen, ein Zimmer und nigungNutzflächen nach dem vor Inkrafttretenallem in den des Eifelkreisen Flurbereinigungs Adenau,- Daun,ein Holzlagerplatz. Ahrweiler und Entwässert Wittlich warenwurden 33 ha sumpfige, gesetzesund wie vom hierdurch 24. Mai 1885eine wurdeeffektive in der Landwirtschaft Gemarkung erschwertdurch Bewässerung wurde. Außerdem verbessert 18wird ha trockene Wiesen; Kelbergerkennbar im Altkreis, dass geradeAdenau im(1816–1932) Hocheifelkreis noch im Adenau Jahr mit18 der ha ZusammenlegungAckerland wurden aus begonnen dem Eifel-Notstandsfond wurde. Aus Abb. 7 ist zu entnehmen, dass die meisten Zusammenlegungen bis 1935 in 1885 eingeleitet (Burggraaff 1988, S. 190, 191). drainirt“ (erstmals veröffentlicht in Burggraaff 1988, der Hoch-, Vulkan- und Kalkeifel durchgeführt worden sind. S. 190–194). Die zweite Karte (s. Abb. 6b) enthält eine Erläuterung, in der die wichtigsten Informationen über diese Grund- Beim Vergleich der beiden Karten mit dem Zustand vor Abb. 6a: „Übersichtskarte des Gemeindebezirkes Kelberg, Kreis Adenau, Abb. 6a: „Übersichtskarte des Gemeindebezirkes Kelberg, Kreis Adenau, Re- stückszusammenlegung und durchgeführte Maßnah- und nach der Zusammenlegung (s. Abb. 6a und 6b) ist die Abb.Regierungsbezirk 6a (links) Koblenz: „Übersichtskarte im Zustande vor der Grundstückszusammen des Gemeindebezirkes- gierungsbezirk Kelberg, Koblenz Kreis im Zustande Adenau, vor der Grundstückszusammenlegung. Regierungsbezirk Koblenzlegung. Gezeichnet im Zustande im geodätisch-technischen vor der Grundst Bureau derückszusammenlegung. königlichen Gezeichnet im Gezeichnet geodätisch-technischen im geodätisch Bureau der königlichen-technischen Generalkom- men beschrieben worden sind. Da diese Erläuterung Strukturverbesserung deutlich erkennbar. Zu Beginn Generalkommission zu Düsseldorf im Dezember 1887 durch Gröhlich“ mission zu Düsseldorf im Dezember 1887 durch Gröhlich“ (Landeshaupt- interessante Daten enthält, möchte ich sie in gleichem des Verfahrens wurden die Bonitätswerte der Böden er- Bureau(Landeshauptarchiv der königlichen Rheinland-Pfalz, Generalkommission Zweigstelle Kobern). zu Düsseldoarchivrf Rheinland-Pfalz,im Dezember Zweigstelle 1887 Kobern). durch Gröhlich“. Wortlaut übernehmen: „Der Gemeindebezirk Kelberg mittelt. Außerdem wurden das Relief, die Süd-, West-, Abb. 6b (rechts): „Übersichtskarte des Gemeindebezirkes Kelberg, Kreis Adenau, Regierungsbezirk enthält 685 ha mit 911 Thaler Grundsteuer Reinertrag. Ost- und Nordorientierung der Grundstücke und die Koblenz nach der im Jahre 1887 ausgeführten Grundstückszusammenlegung. Neueingetheilt durch Von der Umlegung sind nur die im Westen vorliegenden Entfernung zu den Gehöften für die Zuteilung mitbe- denmit denLandmesser zusammengelegten Andre. undGezeichnet dadurch vergrößertenim geodätischtechnischen eine nachhaltige Bureau Verbesserung der königlichen der landwirtschaftli General-- Holzungen und die Ortslage ausgeschlossen worden. rücksichtigt. Denn das oberste Prinzip war eine gerech- kommissionParzellen und zu den Düsseldorf rechteckig geprägtenim Dezember Flurwegenet 1887 durch- chenGröhlich“ Struktur (Landeshauptarchiv ermöglicht. Hierzu wurdeRheinland auch -einPfalz, zu- Zur Zusammenlegung sind gekommen 421 ha bei 580 te Zuteilung ohne Benachteiligung. Trotz dieser Vorge- Zweigstellezen für die Erschließung Kobern) der einzelnen Parzellen ist bis meist rechteckig geprägtes Netz der Wirtschaftswege Thaler Grundsteuer Reinertrag und 2.838 Kataster- hensweise standen die Landwirte und Landwirtinnen Dieheute zweite noch landschaftswirksam.Karte (Abb. 6b) enthältAber auch eine der Erläuterung,Bau festgelegt. in der Es solltedie wichtigstenso dicht sein, damit Informationen jedes neu zu- parzellen. Betheiligt sind 147 Interessenten (darunter der Flurbereinigung sehr skeptisch gegenüber. Eine von Wasserleitungsanlagen hat sich mit der Erschlie- sammengelegte Grundstück einen direkten Wegan- die Gemeinde und vier geistliche Institute), wovon 135 weitere zwangsläufige Folge der Zusammenlegung über diese Grundstückszusammenlegung und durchgeführte Maßnahmen beschrieben ßung von Brunnen und Hochbehältern ausgewirkt. Dies schluss erhalten konnte (Graafen 1992, S. 108). Durch in Kelberg selbst, die anderen in den nächstgelege- war, dass die neuen Parzellen vermessen worden sind wordengilt auch fürsind. die gefördertenDa diese Bewässerungs- Erläuterung und interessanteEnt- diese Erschließung Daten enthält, der Einzelparzellen möchte konnte ich aufsie Flur in- nen Orten wohnen. Die Anzahl der in Kelberg selbst und somit faktisch ein neues Kataster erstellt worden gleichemwässerungsmaßnahmen, Wortlaut übernehmen: Meliorationen, die „Der Obstwie Gemeindebezirk- zwang verzichtet Kelberg werden: enthält jeder Landwirt685 ha konntemit 911 nun betheiligten Haushaltungen beträgt 64, von denen 18 ist, das bis heute die Grundlage für die Fortschreibung Thalersen und Grundsteuer die Viehweideanlagen. Reinertrag. Alle diese Von Maßnahmen der Umlegung individuell sind wirtschaften nur die im und Westen seine Fruchtfolge vorliegenden selbst ausschließlich, 31 vorwiegend, die übrigen nur neben- bildet. In den Folgejahren wurden in den benachbarten Holzungenerfolgten in preußischer und die Zeit. Ortslage ausgeschlossenbestimmen. worden. Die ZurAufgabe Zusammenlegung des Flurzwangs mit einheitsind- sächlich auf den Ertrag aus der Landwirtschaft ange- Ortschaften von Kelberg Flurbereinigungen durchge- gekommen 421 ha bei 580 Thaler Grundsteuerlicher Reinertrag Fruchtfolge und wirkte 2.838 sich Katasterparzellen.auf das Landschaftsbild wiesen sind. Die Anzahl der neuen Abfindungsstücke führt. In den Altkreisen Adenau, Ahrweiler, Daun und BetheiligtDie dringend sind notwendige 147 Interessenten strukturelle Umgestaltung (darunter dieaus. Gemeinde Anstatt der undfür das vier Auge geistliche sichtbaren, großen,Institute), weit- beträgt 806, davon sind 84 zur Vergrößerung bereits Wittlich sind bis 1906 die meisten Flurbereinigungen wovonder Agrarfluren 135 in wurdeKelberg schließlich selbst, im Rahmendie anderen der Flur- in denräumigen nächstgelegenen und einheitlich angebauten Orten wohnen. Flächen, gab Die es bestehender Parzellen gegeben, so daß nur 722 als eingeleitet bzw. abgeschlossen worden. Ein Großteil Abereinigungnzahl der durchgeführt. in Kelberg Hierzu selbst wurde betheiligten am 24. Mai Haushaltungennun eine mosaikähnliche beträgt Struktur 64, mitvon unterschiedlich denen 18 neue Parzellen erscheinen; die Zahl der letzteren hat der Gemarkungen der östlichen Eifel ist vor 1939 zu- ausschließlich,1885 das preußische 31 Flurbereinigungsgesetz vorwiegend, die5 erlassenübrigen nurbewirtschafteten nebensächlich Ackerparzellen. auf den DieErtrag Vergrößerung aus der der sich daher von je 100 auf 25 vermindert. An Wegen und sammengelegt worden und um 1970 war die Phase der Landwirtschaft(Rembold 2012, S. 104). angewiesen Dieses Gesetz sind. hat trotz der an- zersplitterten kleinen Parzellen auf eine durchschnittli- Grabenflächen waren vor der Zusammenlegung vor- Erstbereinigungen weitgehend abgeschlossen. fänglichen bäuerlichen Widerstände in den nachfolgen- che Größe von etwa 2.500 m2 und die reduzierte Parzel- handen 17 2/10 ha, nach derselben 31 7/10 ha, so daß Dieden AnzahlJahren und der der neuenweiterhin Abfindungsstücke praktizierten Realteilung beträgt lenzahl 806, der davon Kleinstbetriebe sind 84 bis zur2 ha undVergrößerung kleinen Betrie- 3 4/10 Prozent von der Gesamtfläche neu dazu aufzu- bereits bestehender Parzellen gegeben, so daß nur 722 als neue Parzellen erscheinen; die Zahl der letzteren hat sich daher von je 100 auf 25 vermindert. An Wegen und Grabenflächen waren vor der Zusammenlegung vorhanden 17 2/10 ha, nach derselben 28 29 31 7/10 ha, so daß 3 4/10 Prozent von der Gesamtfläche neu dazu aufzubringen waren. Es sind dabei als Gemeindeanlagen mit ausgewiesen worden: zwei Bleichen, ein Zimmer und ein Holzlagerplatz. Entwässert wurden 33 ha sumpfige, durch Bewässerung Abb. 7: Grundstücksumlegungen (Flurbereinigungen) in der Eifel, Stand: 31.12.1925 (links) und 1.1.1935 (rechts); (nach: Landeskulturamt Düsseldorf [Hrsg.], 1925, S. 26 u. Sperber, 1936, in: Graafen 1992, S. 109-110). Die Strukturmaßnahmen sind auch bezüglich der auf Autarkie hin orientierten Land- Abb. 8: Impressionen der Landwirtschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Handarbeit und Tierkraft (Fotos: Archiv Erich Mertes, Neuwied, Fam.wirtschafts K. Nohner, Sassenpolit undik Archivvor der allem Verbandsgemeinde nach Kelberg).dem Ersten Weltkrieg zu sehen, in dem es zu Nahrungsmittelengpässen und Rationierungen gekommen ist. Die Steigerung der Agrar- Aus der Tabelle 2 geht eindeutig hervor, wie zersplit- mer das Vieh hütete. In den Dörfern ohne Weidegenos- produktion war eine nationale Aufgabe. Deswegen hatte man auch die Ödland- tert die landwirtschaftlichen Nutzflächen vor allem in senschaften wurde das Vieh oftmals von Kindern auf eingebunden.kultivierung Besonders vorangetrieben. durch die BeweidungDie Fläch unden, die die nichtDies fürgilt seitden 1787 Ackerbau auch für diegeeignet Schafbeweidung waren, (S chwind den Eifelkreisen Adenau, Daun, Ahrweiler und Wittlich den übrig gebliebenen Heideflächen gehütet. Durch die großenwurden Wildbestände als Grünland wurden kultiviert.dem Wald durch Viele Verbiss Gemeinden 1984, gründetenS. 48). Die Rinderbeweidung dazu Weidegenossen wurde im 18.- Jahr- waren und wie hierdurch eine effektive Landwirtschaft Gründung von Weidegenossenschaften, Optimierung großeschaften, Schäden die zugefügt, diese gemeinschaftlichwodurch die natürliche genutzten Ver- hundertWeideflächen wegen ihrer verwalteten Bedeutung für und die Landwirtschafteinen erschwert wurde. Außerdem wird erkennbar, dass ge- der Ställe und bessere Hygiene, nachhaltige Förde- jüngungKuhhirten fast zumeinstellten, Erliegen kam. der Das im Problem Sommer war er -das geduldet,Vieh hüte aberte. strenger In denreglementiert. Dörfern In derohne Praxis hat- rade im Hocheifelkreis Adenau mit der Zusammenle- rung der Milchviehhaltung, Gründung der genossen- kanntWeidegenossenschaften und die Landesherren erließen wurde bereits das Viehim 17. oftmals und vonten diese Kindern Verordnungen auf den allerdings übrig gebliebenen wenig bewirkt. gung begonnen wurde. Aus Abb. 7 ist zu entnehmen, schaftlichen Molkereien, die Durchführung von Flur- 18.Heideflächen Jahrhundert gehütet.diesbezügliche Waldverordnungen, in dass die meisten Zusammenlegungen bis 1935 in der bereinigungen und Meliorationen, Maschineneinsatz, denen die Weideberechtigung, die Zahl der Tiere und Durch die Übernutzung und Ausbeutung war der Wald so Hoch-, Vulkan- und Kalkeifel durchgeführt worden Agrarforschung und Fortbildungsmaßnahmen stieg die dieDurch Streuentnahme die Gründung reguliert von und Weidegenossenschaften, eingeschränkt wurde heruntergekommen, Optimierung der dass Ställe sich ausgedehnteund bessere Heide und sind. Weitere wichtige Maßnahmen waren Melioratio- landwirtschaftliche Produktion und nahm gleichzeitig (HygieneSchwind 1984,, nachhaltige S. 45). Förderung der MilchviehÖdlandflächenhaltung, Gründung gebildet haben. der In genossenden herrschaftlichen- nen, Bewässerungs-, Entwässerungsmaßnahmen so- die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft konti- schaftlichen Molkereien, die Durchführung von WäldernFlurbereinigungen war die Situation und wegen Meliorationen, der Holzerträge und wie Fluss- und Bachregulierungen für die Verbesse- nuierlich ab (s. Abb. 9). SoMaschineneinsatz, wurde die besonders Agrarforschung schädliche Ziegenbeweidung und Fortbildungsmaßnahmen Weidegelder, die für die stieg Landesherren die landwirt und -herrinnen- rung der Böden und die Anlage von Wasserleitungen. inschaftliche den kurtrierischen Produktion Wäldern und1720 verbotennahm undgleichzeitig nach wichtigedie Zahl Einnahmenquellen der Beschä waren,ftigten etwas in besser.der Be- Von offenen „Ödlandflächen“ zum Forst mit dem einerLandwirtschaft zeitweiligen Lockerung kontinuierlich 1773 endgültig ab (s. Abb. untersagt. 9). sonders die energetische Nutzung des Waldes für Die Strukturmaßnahmen sind auch bezüglich der auf preußischen „Profitbaum“ Autarkie hin orientierten Landwirtschaftspolitik vor al- Im Laufe des 19. Jahrhunderts erfuhr der herunter- lem nach dem Ersten Weltkrieg zu sehen, in dem es zu gekommene Eifeler Wald einen tiefgreifenden Wan- Nahrungsmittelengpässen und Rationierungen gekom- del. Nach der Reduzierung der Waldflächen durch die men ist. Die Steigerung der Agrarproduktion war eine Rodungen im Rahmen der früh- und hochmittelalter- nationale Aufgabe. Deswegen hatte man auch die Öd- lichen Landnahme haben sich vor allem die nicht nach- landkultivierung vorangetrieben. Die Flächen, die nicht haltige Waldbewirtschaftung für die Produktion von für den Ackerbau geeignet waren, wurden als Grünland Bau-, Nutz- und Brennholz, die Umstellung des Wal- kultiviert. Viele Gemeinden gründeten dazu Weidege- des auf Niederwaldwirtschaft für die Holzkohlenher- nossenschaften, die diese gemeinschaftlich genutzten stellung sowie die landwirtschaftliche Nutzung nega- Abb. 9: Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktivität und des Anteil der agrarischen Berufsbevölkerung an der gesamten Berufsbevölkerung Weideflächen verwalteten und einen einen Kuhhirten tiv auf den Waldzustand ausgewirkt. Der Wald war im 1800–1950Abb. 9: Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktivität und des Anteil der agrarischen Berufs- oder eine Kuhhirtin einstellten, der oder die im Som- mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Agrarsystem bevölkerung an der gesamten Berufsbevölkerung 1800-1950 Von offenen „Ödlandflächen“ zum Forst mit dem preußischen „Profitbaum“:

Im Laufe des 19. Jahrhunderts erfuhr der heruntergekommene Eifeler Wald einen tief- 30 31 greifenden Wandel. Nach der Reduzierung der Waldflächen durch die Rodungen im Rahmen der früh- und hochmittelalterlichen Landnahme haben sich vor allem die nicht nachhaltige Waldbewirtschaftung für die Produktion von Bau-, Nutz- und Brennholz, die Umstellung des Waldes auf Niederwaldwirtschaft für die Holzkohlenherstellung sowie die landwirtschaftliche Nutzung negativ auf den Waldzustand ausgewirkt.

Der Wald war im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Agrarsystem eingebunden. Besonders durch die Beweidung und die großen Wildbestände wurden dem Wald durch Verbiss große Schäden zugefügt, wodurch die natürliche Verjüngung fast zum Erliegen kam. Das Problem war erkannt und die Landesherren erließen bereits im 17. und 18. Jahrhundert diesbezügliche Waldverordnungen, in denen die Weideberechtigung, die Zahl der Tiere und die Streuentnahme reguliert und einschränkt wurde (Schwind 1984, S. 45). So wurde die besonders schädliche Ziegenbeweidung in den kurtrierischen Wäldern 1720 verboten und nach einer zeitweiligen Lockerung 1773 endgültig untersagt. Dies gilt seit 1787 auch für die Schafbeweidung (Schwind 1984, S. 48). Die Rinder- beweidung wurde im 18. Jahrhundert wegen ihrer Bedeutung für die Landwirtschaft geduldet, aber strenger reglementiert. In der Praxis hatten diese Verordnungen allerdings wenig bewirkt.

Abb. 11: Schweinemast (links, www.seelbach-wied.de), Transport des Laubstreus (mitte, www.link-gr.ch), Kehren von Laubstreu (rechts, Foto: Gerrit. Bub).

Anstatt Wald gab es dort großflächige Heide- und Öd- sich mit der Einrichtung und Pflege von Eichennie- landareale mit entsprechender Erosion (s. Abb. 13). In derwäldern für die Herstellung von Gerbsäure aus Ei- der östlichen Hälfte der Eifel waren Anteile des Heide- chenrinden für das bedeutende Ledergewerbe ein. Sie und Ödlandes geringer und die Flächen durchschnitt- befinden sich bevorzugt in den süd- und südwestorien- lich kleiner. Aber auch in der Hoch- und Vulkaneifel um tierten Hanglagen der Fluss- und Bachtäler von Lieser, Manderscheid, Ulmen, Kelberg, Adenau, Langenfeld Uessbach, Alf, Kyll, Elz und Nette. Teilweise sind diese und Blankenheim befanden sich größere Heide- und Eichenwälder, von denen die Spuren der ehemaligen

Ödlandflächen (s. Abb. 12 u. 13). Die intensiv ackerbau- Inund der östlichen nicht Hälftemehr der Eifelangewandten waren Anteile des NiederwaldbewirtschafHeide- und Ödlandes geringer und die- Flächen durchschnittlich kleiner. Aber auch in der Hoch- und Vulkaneifel um lich genutzten und traditionell offenen Gunsträume mit Manderscheid,tung heute Ulmen, noch Kelberg, erkennbar Adenau, Langenfeld sind, dort und Blankenheim noch anzutreffen. befanden sich größere Heide- und Ödlandflächen (s. Abb. 12 u. 13). wenig Wald wie Pellenz, Maifeld, Bitburger Gutsland, Die auf der Karte dargestellten Wälder der Rureifel be- Die intensiv ackerbaulich genutzten und traditionell offenen Gunsträume mit wenig Wald Wittlicher Senke und das nördliche Eifelvorland weisen wfandenie Pellenz, sichMaifeld, außerdem Bitburger Gutsland, in einemWittlicher qualitativSenke und das schlechtennördliche Eifel- vorland weisen aufgrund ihrer günstigen naturräumlichen Beschaffenheit für die aufgrund ihrer günstigen naturräumlichen Beschaffen- Landwirtschaft weitaus geringere Waldanteile auf. Deswegen war der Heide- und Abb. 10: Ausbeutung des Waldes für die Herstellung von Holzkohlen (links oben, Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern), von Glas (rechts oben, Ödlandanteil dort gering. Foto: www.wikipedia.de, abgerufen am 12.5.2012), von Kalk (links unten, Foto: P. Burggraaff) und durch Loheschälen (www.ahlering.de, abgerufen heit für die Landwirtschaft weitaus geringere Waldan- am 20.10.2015). teile auf. Deswegen war der Heide- und Ödlandanteil dort gering. Eine positivere Waldentwicklung stellte

Herstellung von Holzkohlen für die Verhüttung von und im Hochwald erst nach 80 Jahren nach der Auffors- Eisen, Herstellung von Glas, Pottasche und Kalk tung Laub gescharrt werden. Scharr- und Schonzeiten (s. Abb. 10) führte zu einer Übernutzung des Waldes.6 sind reguliert worden (Schwind 1983, S. 39–40). Erst seit 1870 wurde ernsthaft versucht, sie zu verbieten. Dies Der Waldzerfall wurde um 1650 durch die sogenannte war trotzdem schwierig, da besonders zu Beginn der Waldstreunutzung zusätzlich beschleunigt, die mit dem 1880er Jahren mit den Missernten der Bedarf an Laub Aufkommen der Stallfütterung im Laufe des 18. und 19. als Futter enorm anstieg. Die Laubstreunutzung wurde Jahrhunderts stark zunahm. Nach dem Verbot in der nicht mehr genehmigt und man stieg auf Heide, Moos kurtrierischen Forstordnung von 1786, in eingehegten und Farn um (Schwind 1983, S. 41–42). Bezirken Laub zu scharren, blieb die Laubstreuentnah- me in allen anderen Bezirken uneingeschränkt erlaubt. Mit dem Kahlschlag der Franzosen von 1795 bis 1813 Durch die Laubentnahme verarmte der Waldboden und hatte der Zustand des Waldes einen absoluten Tiefpunkt wurde in seiner Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt, erreicht. Dies wird durch die ausgedehnten Heide- und wodurch der Degenerierungsprozess des Waldes sich Ödlandflächen deutlich belegt. Die Qualität der darge- zusätzlich verstärkte. Auch im 19. Jahrhundert spiel- stellten Waldflächen ist den Tranchot-Karten von 1801– te die Waldstreunutzung noch eine bedeutende Rolle. 1813 nicht zu entnehmen. In den Eifelregionen west- Abb. 12: Die Folge der Ausbeutung: „Waldlose“ Eifel mit endlos weiten Abb. 13: Die Landnutzung um 1820 nach der Tranchotkarte 1801–1813 1820 wurde die Waldstreunutzung reguliert. Im Nieder- lich der Linie Kronenburg-Schleiden-Prüm-Kyllburg Heide- und Ödlandflächen in der Umgebung von Manderscheid (W. Degode Abb.(Geschichtlicher 13: Die Landnutzung Atlas um 1820 der nach Rheinlande, der Tranchotkarte Karte 1801 IV.-1813. 4, bearb. von 1925, aus Schwind 1984). C. Erschens-Kroll). (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Karte IV. 4, bearb. von C. Erschens-Kroll) wald durfte erst nach 20 Jahren nach der Abholzung hatte der Waldzerfall dramatische Züge angenommen.

32 33 Abb. 14: Wacholderheide und Heidebeweidung am Heidekopf in Kelberg-Zermüllen (Archiv Burggraaff). Abb. 16: Schema Eifelsaatkultur (P. Burggraaff in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Hillesheim).

Zustand. Für die Eisenproduktion und das Gerberei- zahlreichen Rodungsinseln, um 1850 in ein von großen gewerbe sind die vorhandenen Wälder noch bis 1860 Offenlandflächen (Kultur- und Ödland) geprägtes Land- rung der preußischen Verwaltung und nach einer Be- holz waren jedoch wenig erfolgreich, weil die wichtigs- bis zur Erschöpfung ausgebeutet worden, so dass man schaftsbild umgewandelt. standsaufnahme der preußischen Forstbeamten wurde ten regionstypischen Baumarten der Eifel - Buchen in der einst waldreichen Eifel Holzkohle importieren die Umstellung von der bäuerlichen multifunktionalen und Eichen – auf den durch die ständigen Streu- und musste. Während der ersten Jahre der preußischen Verwal- Waldwirtschaft auf die monofunktionale staatliche Humusentnahme degenerierten und erodierten Böden tung veränderte sich noch nicht viel und es wurden die Forstwirtschaft in die Wege geleitet. Hierzu muss be- kaum wachsen konnten. Mit der staatlichen Förderung Durch diesen fortschreitenden Prozess hat sich das Wälder und Heiden nach wie vor als landwirtschaftli- merkt werden, dass die Preußen in ihren Kerngebieten der Ödlandaufforstungen in den Heide- und Ödland- damalige, vom Laubwald geprägte Landschaftsbild mit che Ergänzungsflächen genutzt. Erst mit der Etablie- bereits eine nachhaltige Fortwirtschaft und Forstver- arealen der Gemeinden 1854 begann der eigentliche waltung aufgebaut hatten. Der angetroffene Waldzu- Siegeszug der Fichte (Wenzel 1997, S. 54). Für die Fi- stand der Eifel wurde mit einer überlieferten Äußerung nanzierung der Aufforstungen wurde 1855 vom preußi- des preußischen Forstbeamten Johann Nepomuk schen Landtag der „Eifelkulturfonds“ bewilligt (Rausch Schwerz während seiner Inspektionsreise 1816–1817 1963, S. 103–104). Zwischen 1854 und 1867 sind die sehr treffend zum Ausdruck gebracht: „Man könnte Aufforstungen in den Eifelkreisen des Regierungsbezir- sehen und weinen. Ein Land wie die Eifel, wo es nicht kes Trier (Bitburg, Daun, Prüm und Wittlich) mit 28.815 an Raum fehlt, wo der Boden kein Wert für die übrige Talern (etwa € 360.000) aus dem „Eifelkulturfonds“ Kultur hat, weil es an Dung und Dungmaterial gebricht, gefördert worden. Die beteiligten Gemeinden hatten da heben die Berge ihre nackten Schädel, welche kein hierfür 25 185 Taler (€ 313.000) aufzubringen (Schubach Gestrauch deckt […]“ (Schwerz 1836, S. 136). 2015, S. 46).

Die ehemaligen herrschaftlichen Wälder wurden nach Anfänglich mussten die Aufforstungen auch gegen den 1815 als Staatswälder in preußischen Besitz überführt erbitterten Widerstand der Bauern und Bäuerinnen und die bestehenden Holznutzungs- und Weiderechte durchgesetzt werden, die die neuen aufgeforsteten drastisch gegen den Widerstand der Bauern, die auf Kulturen zerstörten. In einigen Orten wie in Neichen ihre Rechte pochten, eingeschränkt. Die Forstverwal- (Verbandsgemeinde Kelberg) haben die Forstbehör- tung mit Ober- und Unterforstämtern schuf neue recht- den das Militär für die Bewachung der jungen Kulturen liche Voraussetzungen. Es wurden in den Staatswäldern eingesetzt. Die zunächst von der bäuerlichen Bevölke- zwecks Beaufsichtigung auch Forstgehöfte wie z.B. am rung nicht akzeptierte und fremde Fichte wurde daher Barsberg (s. Abb. 15) errichtet. Für die zweckmäßige spöttisch als „Preußenbaum“ bezeichnet. Der „Preu- Forstplanung und Bewirtschaftung wurde der Wald in ßenbaum“ entwickelte sich innerhalb einer Baum- Revieren und nummerierten Abteilungen eingeteilt. Die generation zum „Brot-“ oder „Profitbaum“ der Eifel. Forstbeamten erhielten Uniformen und Polizeigewalt Das Fichtenholz fand als Grubenholz reißenden Absatz für die Einhaltung der erlassenen Forstverordnungen für den expandierenden Bergbau im Ruhrgebiet und und gegen Waldfrevel. Die Forstverwaltung traf ein im Kohlenbergbaugebiet bei Aachen. Die gerade und Abb. 15: Das Forstgehöft am Barsberg (1848) in der Gemeinde Bongard, Verbandsgemeinde Kelberg: Zeichnung (links oben, Heimatarchiv Adenau), Bündel von Maßnahmen, um den Waldzustand durch schnell wachsenden Fichten waren auch als Pfähle für Ausschnitt der topographischen Karte Bl. 5707 Kelberg mit dem Forstgehöft (rechts oben, Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation gezielte Naturverjüngung und Aufforstungen zu ver- Telegraphenleitungen und später für Stromleitungen Rheinland-Pfalz, Koblenz), Das Forstgehöft kurz vor dem vorgesehenen Abriss 1994 (links unten, Foto: P. Burggraaff), Das Haus nach der privaten Renovierung 2015 (rechts unten, Foto: P. Burggraaff). bessern. Die ersten Aufforstungsversuche mit Laub- gut geeignet und sehr gefragt. Darüber hinaus wur-

34 35 Flächen sind in nachhaltigem Sinne wiederum mit hauptsächlich Fichten aufgeforstet worden. Eine wei- tere Erweiterung der Fichtenwaldbestände war durch die Reparationshiebe nach den beiden Weltkriegen 1918/1919 bzw. 1945 bedingt.

Mit der eingeführten nachhaltigen preußischen Forst- wirtschaft und den großflächigen Aufforstungen ha- ben die Waldflächen ständig zugenommen und hat der Waldanteil sich in der Eifel zu Lasten der Heide- und Ödlandflächen erheblich gesteigert (s. Abb. 17).Durch die Umstellung auf die nachhaltige Forstwirtschaft hat die Baumartenzusammensetzung sich verändert. An- statt Buchen und Eichen prägen bis heute große „dunk- le“, schlecht Tageslicht durchlassende, nicht heimische Fichtenforsten mit Anteilen von bis zu 70 % die Wälder der Hoch- und Vulkaneifel, Ahreifel, Rureifel und der Schneifel. Die vorhandenen ausgedehnten Offenland- flächen wurden innerhalb einer Zeitspanne von etwa Abb. 17: Ausschnitt der Waldartenkartierung 1820–1990 des Kreises 100 Jahren in einen Wirtschaftsforst umgewandelt. Euskirchen von der höheren Forstbehörde, Bonn 1994. Hierdurch sind die Heide- und Ödlandanteile bis 1940 drastisch reduziert worden. Seit dem Ende der 1930er den auch Fichtenholzstämme ins waldarme Holland Jahre werden diese rar gewordenen Restflächen mit verkauft. Dort wurden wegen des weichen holozänen Seltenheitswert und einer besonderen Artenzusam- Untergrunds mit abwechselnden Ton- und Moorschich- mensetzung als Naturschutzgebiete geschützt. Für ten und hohem Grundwasserstand die Stämme für die einen optimalen Schutz müssen sie ständig offen ge- Fundamentsicherung der Gebäude genutzt. Die Fich- halten werden. tenpfähle sind bis über 20 m in den Untergrund der Abb. 19: Preußisch geprägter Kulturlandschaftswandel in der heutigen Verbandsgemeinde Kelberg (Entwurf und Kartographie: P. Burggraaff u. K.-D. abgelagerten festen pleistozänen Schichten getrieben Die multifunktionale bäuerliche Waldbewirtschaftung Kleefeld. Quellen: Tranchotkarte (1801–1814) Mehrfarbig nachdruckt im reduzierten Maßstab 1:25.000. Bonn 1967: Bl.: 131 Adenau, 142 Hillesheim, worden. Die forstwirtschaftliche Aufbauphase war um der frühen Neuzeit ist seit ca. 1850 allmählich von der 143 Nohn, 144 Kelberg, 145 Virneburg, 156 Daun, 157 Ulmen, Preußische Neuaufnahme 1893–1901, Ausgabe der topographischen Karte 1955 und etwa 1915 abgeschlossen. Mit dem Verkauf der ersten monofunktionalen Forstwirtschaft mit großen Wirt- aktuelle Ausgabe der topographischen Karte:. Bl.: 5606 Üxheim, 5607 Adenau, 5706 Hillesheim, 5707 Kelberg, 5708 Kaisersesch, 5806 Daun) Fichtengeneration erzielten die Gemeinden Einkünfte, schaftsforsten ersetzt worden. Neben der wichtigen mit denen sie den notwendigen Ausbau der Infrastruk- forstwirtschaftlichen Bedeutung erfüllt der Wald wei- tur, der Anlage von Wasserleitungen und Elektrifizie- tere wichtige Funktionen für den Tourismus und Nah- da die tradierte Niederwaldbewirtschaftung nicht mehr Eifelwald ist vor allem das Ergebnis von menschlicher rung finanzieren konnten. Außerdem wurden mit die- erholung sowie Lärmdämmung und Klimaschutz. praktiziert wird. Sie sind heute noch an ihren Wurzel- Entscheidungen und Handlungen des 19. Jahrhun- sem Geld zahlreiche neue Dorfschulgebäude mit einer Die überlieferten Niederwälder als Relikte der ehema- stöcken und an ihrer mehrstämmigen Form zu erken- derts, ohne die die Entwicklung des Eifelwaldes ganz integrierten Lehrerwohnung gebaut. Die abgeholzten ligen Waldnutzung werden allmählich verschwinden, nen. Diese Art der Waldbewirtschaftung, die zu lichten anders verlaufen wäre. Der heutige Eifelwald ist eine Wäldern geführt hat, wird seitens des Naturschutzes Kulturlandschaft. aufgrund ihrer artenreichen Flora und Fauna als sehr wertvoll eingestuft. Die Niederwaldbestände können Die Kulturlandschaft der Eifel hat sein heutiges Aus- heute nur durch die Überführung in Hochwaldwirt- sehen weitgehend der Land- und Forstwirtschaft als schaft gesichert werden. Hauptnutzer zu verdanken, in der noch viele Spuren des bäuerlichen Handelns in der preußischen Verwaltungs- Fazit periode von 1816 bis 1947 überliefert sind. Dies ist vor Heute wird der Eifelwald, obwohl es sich vielerorts um allem auch der Kulturlandschaftswandelkarte der Ver- reine Wirtschaftswälder handelt, in der Öffentlichkeit bandsgemeinde Kelberg zu entnehmen. Die roten und als unberührte Natur wahrgenommen. Wenn man die orangen Flächen zeigen den Kulturlandschafts-wandel Geschichte des Eifelwaldes kennt, wird deutlich, dass an, der sich während der preußischen Verwaltung voll- Abb.18: Wacholderheiden am Heidekopf in Kelberg-Zermüllen in Originalzustand, ungepflegt und gepflegt (Fotos: Archiv Burggraaff und P. Burggraaff). man dann einem Irrtum unterlegen ist. Der heutige zogen hat (s. Abb. 19). Das heutige Landschaftsbild wird

36 37 Abb. 20: „Preußisch“ geprägtes Landschaftsbild mit Fichtenforsten, flurbereinigten Parzellen und trockengelegtem Mosbrucher Weiher (Foto: Walter Müller, Niederzissen).

von einer Gemengelage der land- und forstwirtschaft- waldanteil von etwa 60 %. Viele Eifeler Gemarkungen Auch bei kritischer Betrachtung überspitzter zeitgenös- Natur. In der Eifel waren die Kultivierungsmaßnahmen lich genutzten Flächen geprägt, die zusammen einen werden heute noch immer von den durch die preußi- sischer Formulierungen zum Zustand der Eifeler Land- eine Voraussetzung für die Regeneration einer bis 1800 Landnutzungsanteil durchschnittlich von über 80 % sche Verwaltung initiierten Flurbereinigungen mit einer schaft im 19. Jahrhundert durch preußische Beamte: übernutzten, wenig nachhaltig bewirtschafteten, de- erreichen und für das heutige Landschaftsbild sehr Vergrößerung der Parzellen und deren vollständigen die Lebensbedingungen im „preußisch Sibirien“ waren gradierten Landschaft. Die staatlichen Maßnahmen in prägend sind. Das heutige Verhältnis zwischen Wald- Erschließung mit Flurwegen seit 1885 geprägt. Cha- in dieser Zeit sehr hart. Bei aller gegenwärtiger Kritik preußischer Zeit haben den Grundstock für den Wohl- und Offenlandflächen basiert zwar auf der hochmittel- rakteristisch hierfür waren vor allem die regelmäßigen an vergangenen politischen Entscheidungen, maßgeb- stand der Gegenwart geschaffen. Die Eifel ist heute alterlichen Landnahme von etwa 1000 bis etwa 1300. Parzellenformen sowie die geradlinigen und rechtecki- lich war die preußische Strategie zu Bekämpfung von ein lebenswerter Raum mit einer charakteristischen Aber das heutige Landschaftsbild wird noch immer von gen Flurwegestrukturen. In den heute durchgeführten Hunger. Erst in dem Moment, wenn Menschen von den und sehr schönen Kulturlandschaft. Aus purer Not und hohen Nadelwaldanteilen der preußischen Aufforstun- Flurbereinigungen wird nun die Zahl der Flurwege für erzielten Erträgen leben können, entsteht eine weitere Hunger muss nun nicht mehr gehandelt werden. Das gen dominiert, die aber auch noch nach 1947 wichtige die Vergrößerung der Parzellen reduziert und die Par- Wertschöpfung, die wiederum auch andere Aufgaben alleine ist ein großes Verdienst. Leitziele der Forstpolitik bildeten. Heute gibt es in der zellengröße den heutigen Ansprüchen der modernen, ermöglicht. Dazu gehören nachhaltige Bewirtschaf- Eifel noch immer einen preußisch geprägten Nadel- hauptsächlich maschinellen Landwirtschaft angepasst. tung, ökologische Kreisläufe und eine Betrachtung der

38 39 Endnoten Britz, M.; Klassmann, T. u. Kühl, C.: Natur und Land- Burggraaff, P. u. Fehn, K.: Die Kulturlandschafts- Fischer, H.: Rheinland-Pfalz und Saarland. Eine geo- 1 Dem Kurfürst von Brandenburg – Johann Sigismund (* 8. November 1572, † 23. Dezember 1619) wurde nach dem Ableben des letzten kinderlosen schaft. Hilfsmaßnahmen für die Eifel im 19. Jahrhun- entwicklung der Euregio Maas Rhein vom Ende der graphische Landeskunde. Darmstadt 1989 (Bundes­ Herzogs von Kleve Johann Wilhelm (* 29. Mai 1562, † 25. März 1609) dert. Was die Preußen für ihr Sibirien taten. In: Kreis Stauferzeit bis zur Gegenwart im Spiegel der Denk- republik Deutschland. Wissenschaftliche Länder­ das Herzogtum Kleve zugesprochen; dies ist 1667 im Vertrag von Xanten endgültig besiegelt worden. 1701 wurde das Kurfürstentum Branden- Daun Vulkaneifel, Heimatjahrbuch 1998. Daun 1997, malpflege. In: Spurensicherung. Archäologische kunden, Bd. 8/IV). burg zum Königreich Preußen erhoben. S. 91 ff. Denkmalpflege in der Euregio Maas Rhein. Mainz 1992 2 Er war vom 16. Mai 1814 bis 27. Juli 1838 Bürgermeister des Amtes (Kunst und Altertum am Rhein, 136), S. 145–181. Fischer, H.: Die Eifel aus naturräumlicher Sicht. In: Kelberg. Brogiato, H.P. u. Grasediek, W.: Die Eifel in der Weimarer Schmid, W. [Hrsg.]: Die Eifel – Beiträge zu einer 3 Arndt 1986: Alle Zeitungsartikel des „Schleidener Wochenblattes“ befinden sich im Privatarchiv des Verfassers. Vergl. auch „Euskirchener Republik. In: Die Eifel – 1888 bis 1988. Düren 1988, Burggraaff, P. u. Kleefeld, K-D.: Landschaft erzählen – Landeskunde. Festschrift 125 Jahre Eifelverein (1888– Volksblatt“ vom 25.3.1950. S. 321–346. die Geschichtsstraße in Kelberg (Eifel) als Fallbeispiel 2013), Band 2, Trier 2013, S. 11–38, Anmerkungen, 4 https://de.wikipedia.org/wiki/Krakatau, abgerufen 01.02.2016. für die Erläuterung von Natur- und Kulturerbe. In: S. 293–294.

5 Das „Gesetz, betreffend die Zusammenlegung der Grundstücke im Bub, G.F.: Waldnutzung und Waldzustand in der mittel- Wege zu Natur und Kulturlandschaft. Hrsg. Bundes- Geltungsbereich des Rheinischen Rechts“. rheinischen Grafschaft Wied vom 17. bis 20. Jh.: Land- amt für Naturschutz und Bund Heimat und Umwelt. Flosdorff, J.W.: Eupen-Malmedy-Monschau 1913 schaftswandel unter gegensätzlichen Ansprüchen. Bonn 2010, S. 56–71. 1933/34. Die Entwicklung der Land-wirtschaft in den 6 „Um 1 kg Roheisen herstellen zu können, brauchte man etwa 10 kg Holzkohle. Für diese Menge an Holzkohle mussten etwa 50 kg Naturholz Bonn 2003. deutsch-belgischen Grenzgebieten Eupen-Malme- verkohlt werden“ http://www.ahlering.de/Hauberge/hauberge.html, abgerufen 01.02.2016 Burggraaff, P. u. Kleefeld, K.-D.: Autobahnen in der dy-Monschau von 1913 bis 1933/34, unter Berück- Burggraaff, P.: Realteilung in der Osteifel. Die Ent- Eifellandschaft. Eine verkehrstechnische Innovation sichtigung von Industrie und Kleingewerbe. Monschau wicklung in der Zermüllener Gemarkung seit 1890. In: des 20. Jahrhunderts. In: Schmid, W. [Hrsg.]: 1935. Literatur und Quellen Kreis Daun Vulkaneifel, Heimatjahrbuch 1988. Daun Die Eifel – Beiträge zu einer Landeskunde. Festschrift Arbeitskreis Eifeler Museen [Hrsg.]: Dünnbeinig mit 1987, S. 100–105. 125 Jahre Eifelverein (1888-2013), Band 2, Trier 2013, Geschichtlicher Atlas der Rheinlande. Köln 1982–2009. krummem Horn. Die Geschichte der Eifeler Kuh oder S. 215–225. Glaser, R.: Klimageschichte Mitteleuropas. 1000 Jahre der lange Weg zum Butterberg. Meckenheim 1986. Burggraaff, P.: Das Flurbereinigungsverfahren in der Wetter, Klima, Katastrophen. Darmstadt 2001. Gemarkung Kelberg vor 100 Jahren durchgeführt. In: Burggraaff, P. u. Kleefeld, K.-D.: Vom bäuerlichen Arntz, H.-D.: Naturkatastrophen und Notstände in der Kreis Daun Vulkaneifel, Heimatjahrbuch 1989. 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44 45 Einleitung: Preußen und Kulturlandschaft der Qualität der Menschen in einem Raum bestimmt. „In der Menge des Volcks wurzelt sich die Macht und Da die aus historisch-geographischer Sicht zwei wich- Reichthum eines Staates.“1 Mit dieser für die früh- tigsten Komponenten demographischer Systeme „Be- neuzeitliche Epoche charakteristischen Aussage des völkerungszahl“ und „Bevölkerungsdichte“ als ein „[...] Kameralisten und radikalen Populationisten Theodor Indikator für die Intensität der Ansprüche an die natür- Ludwig Lau (1670–1740) wird die theoretische Grund- liche Umwelt“ zu verstehen sind, ergibt sich logischer- lage preußischer Peuplierungspolitik kurz und präg- weise eine Schnittmenge zur historischen Mensch-Um- nant wiedergegeben. Die „Innere Kolonisation“ war ein weltforschung bzw. zur Umweltgeschichte.6 Hierbei Bestandteil preußischer Peuplierungspolitik, die nach steht eindeutig der Mensch als Gestalter von Umwelten dem Dreißigjährigen Krieg in den rheinischen Territo- und Kulturlandschaften im Vordergrund. Wird der Pa- rien preußischer Herrschaft umgesetzt wurde. Auch rameter „Demographie“ im Spannungsverhältnis von wenn eine differenzierte Betrachtung des Begriffs „Demographie und Kulturlandschaft“ verändert, muss „Peuplierungspolitik“ dem Forscher beziehungsweise das direkte und indirekte Rückkopplungseffekte auf die der Forscherin eine Polydimensionalität in ihrer Ziel- Kulturlandschaftsgenese im Rheinland haben – je nach setzung offenbart, die sich auch auf bildungs-, erzie- Quantität und Qualität unterschiedlich spür- und sicht- hungs-, wirtschafts-, religions-, medizin- und sozialpo- bar. litische Bereiche richtete, ist für dieses Thema nur der räumliche Aspekt, nämlich das landschaftswirksame Für D. Denecke gehört u. a. „[...] die Raumwirksam- Phänomen der „Inneren Kolonisation“ wichtig. keit einer Staatstätigkeit“ zu den „[...] landschaftsim- manenten Wirkungsgefügen“, welche sich vor allem in Das Thema meines Aufsatzes „Preußische Innere Ko- Form von Moorkolonisationen sowie Wasserbau- und lonisation als landschaftswirksame Innovation“ basiert Straßenbaumaßnahmen kulturlandschaftsgestaltend Preußische „Innere Kolonisation“ auf einer Prämisse, die von einer Raumwirksamkeit in historischer Zeit niedergeschlagen hat.7 Durch die preußischer Peuplierungspolitik ausgeht.2 Gerade die- peuplierungspolitisch initiierte Steigerung der Bevöl- ser Themenbereich stellt für die Historische Geogra- kerungszahl, aber auch durch die betriebene Bildungs- als landschaftswirksame Innovation phie, die sich mit raumrelevanten Prozessen mensch- politik oder Anwerbung hochqualifizierter Arbeiter und Markus Zbroschzyk licher Aktivitäten zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Arbeiterinnen, die mit ihrem innovativ-technischen Vergangenheit beschäftigt, ein Desiderat im Bereich Know-how und wirtschaftsfördernden Fähigkeiten raumorientierter und demographischer Wissenschaft neue Ansprüche an den Raum stellen konnten, konnte dar.3 Weil die Relation zwischen demographischen Pro­ auch der anthropogene Einfluss auf den Raum intensi- zessen und dem Raum vor der Industrialisierung viel di- ver werden (Ressourcenverbrauch, Wohn- und Arbeits- rekter war als heute, wird der Wandel der europäischen – raum, Infrastruktur). Besonders bei der Siedlungs- und damit auch der Wandel der rheinischen – Kultur- bildung frühneuzeitlicher Raumstrukturen wird die landschaft während der Frühen Neuzeit in der Histo­ Raumwirksamkeit peuplierungspolitischer Verordnun- rischen Geographie u. a. als eine Variable der Bevölke- gen sehr deutlich. Die bevölkerungswissenschaftliche rungszahl verstanden.4 Deswegen ist es in Anbetracht Forschung, einbezogen in die Historische Geographie, der preußischen Peuplierungspolitik festzuhalten, dass untersucht somit einen entscheidenden Parameter sich die rheinische Kulturlandschaft, verstanden als kulturlandschaftsgestaltender Kräfte. Spuren raum- ein Resultat des Einwirkens menschlicher Tätigkeit auf wirksamer Peuplierungspolitiken sind noch heute in die Naturlandschaft, im Laufe der Frühen Neuzeit un- der rheinischen Kulturlandschaft in Form von Siedlun- ter preußischer Herrschaft verändert hat und somit in gen und Urbarmachungen unkultivierter Landflächen ihrer damaligen und heutigen Vielfalt von demographi- zu erkennen. schen Veränderungen abhängig war und ist. Die Bevöl- kerungsentwicklung steht somit nicht nur im direkten Begriffsdefinition „Peuplierungspolitik“ Kontakt mit der wirtschaftlichen, sozialen und kulturel- Peuplierungspolitik meint zunächst nichts anderes len Entwicklung des rheinischen Territoriums, sondern als bevölkerungspolitische Maßnahmen zur Besied- korreliert auch mit deren räumlichen Genese.5 Dabei lung menschenleerer und bevölkerungsarmer Gebie- ist die Dynamik kulturlandschaftsgenetischer Verände- te zwecks Stärkung des Staates und der fürstlichen rungen vornehmlich von der Quantität, aber auch von Machtstellung. Die Frühe Neuzeit, geprägt durch ein-

46 47 schneidende Umwälzungsimpulse geistiger, philo- Konzepte im Speziellen können nur dann (raum-) energiesystems vorindustrieller Agrargesellschaften allem aus territorialpolitischer Sicht. Mit dem im Jahre sophischer, staats- und wirtschaftstheoretischer wirksam werden, wenn sie von politischen Entschei- lebte und dadurch die vorgegebene naturräumliche 1609 eingeleiteten, 1614 festgeschriebenen und 1660 Strömungen, stellt für die rheinische Geschichte eine dungs- und Machtträgern verstanden, übernommen Ausstattung und das energetische System kaum zu im „Klevischen Erbschaftsvertrag“ endgültig aner- überaus bewegte und wegweisende Zeit dar. Die zahlrei- und über einen bürokratischen Unterbau durch ge- verändern waren, entfaltete der Druck wachsender Po- kannten Übergang des Herzogtums Kleve an das Haus chen europäischen Kriege, die damit verbundene Redu- setzliche Verordnungen exekutiert werden. Der preußi- pulationen auf die agrarische Produktions- und Sied- Brandenburg-Hohenzollern war der frühneuzeitliche zierung demographischer Ressourcen und Verwüstung sche Staat war ein solcher exekutiver Ideenträger, der lungsfläche eine viel größere Wirkung als heute. Durch preußische expandierende Staat erstmalig auf Dauer räumlicher Potenziale, die geistigen Fortschritte in die peu­plierungspolitische Idee des 17. und 18. Jahr- die stationäre Obergrenze solarenergetischer Systeme am Rhein präsent geworden und nahm vor allem in ökonomischen und staatstheoretischen Wissenschaf- hunderts auch außerhalb seiner Kernlande versuchte wirkten Veränderungen demographischer Parame- territorialer und konfessioneller Hinsicht entscheidend ten und die damit einhergehende weltweite Vernetzung landschaftswirksam umzu­setzen. Wie bei zahlreichen ter ungleich direkter auf den Raum und auf die Land- an Einfluss zu.13 Durch den Religionsvergleich von 1672 handeltreibender Staaten, die Diesseits-Fokussierung Peuplierungstheoretikern der Frühen Neuzeit ist auch schaft als in einem auf fossilen Brennstoffen basieren- gelang es den Brandenburgern nicht nur die landes- und die Neupositionierung des Menschen im Denken beim preußischen Staat eine mehrdimensionale Be- den Energiesystem industrieller Gesellschaften.11 Die herrliche Stellung zu festigen, sondern auch Schutz- der Renaissance sowie der im Zuge der Aufklärung trachtung des Phänomens „Bevölkerung“ zu erkennen, Lösung lag in der begrenzten Intensivierung vorhan- herr der Protestanten und Protestantinnen in den voranschreitende Rationalisierungs- und Akademisie- da die Population nicht nur in einer einzigen Zahl vor- dener Feldflächen, z. B. durch die Verwendung neuer eigenen Territorien und vom ehemals gemeinsamen rungsprozess zahlreicher neuer Wissenschaftszweige gestellt, also als Summe der auf einem definierten Ter- Anbaumethoden, und in der Extensivierung in Form Jülich-Berg zu werden.14 Mit der Expansion branden- führten zu der peuplierungspolitischen Erkenntnis, ritorium lebenden Untertanen, sondern auch mit einer von Urbarmachungen unbebauter Landflächen. Eine burgisch-preußischer Herrschaft wird dieser Bestand- dass eine mit der Säkularisierung bevölkerungstheo- räumlichen Dimension gekoppelt wurde. In einigen Bevölkerungsvermehrung in einem definierten Raum teil des niederrheinischen Protestantismus aus einer retischer Gedanken zusammenhängende aktive Be- peuplierungstheoretischen Konzeptionalisierungen hat automatisch eine zunehmende Verdichtung in der ehemals bekämpften Konfession zu einer Bevorzugten einflussung des Bevölkerungswachstums durch den preußischer Staatsdenker sind ein raumordnerisches Besiedlung des flachen Landes und ein Wachstum der des Landesherrn.15 absolutistischen Monarchen als ein „neues“ Politikfeld Denken bzw. raumplanerische Empfehlungen zu fin- Städte zur Folge. Mit der angestrebten Untertanenver- fürstlicher Herrschaft zum Wohl aller im Territorium den, die eng mit den bevölkerungswachstumssteigern- mehrung erhoffte man sich durch die Errichtung von Der „Westfälische Frieden“ von 1648, der den verhee- lebenden Menschen gereichen kann. den Wirkungen bevölkerungspolitischer Verordnungen neuen Siedlungs- und Kulturplätzen – alles räumliche renden Dreißigjährigen Krieg beendet hatte, bedeutete zur effektiveren Allokation vorhandener anthropogener Gestaltungsempfehlungen peuplierungstheoretischer zunächst für die rheinischen Territorien keine wirksa- Der Begriff „Peuplierung“, der die frühneuzeitliche Be- und landschaftsgebundener Potenziale verknüpft wur- Überlegungen – sowie der Wiederbesiedlung und Ur- me Veränderung.16 Die Spanier hielten sich bis 1659 in völkerungspolitik und -vermehrung phänomenologisch den. barmachung wüster Stellen die bisher noch ungenutz- Jülich, die Niederländer bis 1673 in Wesel, Büderich, um- und beschreibt, leitet sich aus dem französischen ten und brachliegenden Landschaftspotenziale mithilfe Orsoy und Rheinberg auf. Viele Landstriche und Städ- „peuplement“ ab und bedeutet in der deutschen Über- Im Mittelpunkt der Renaissance und des Barocks stand zusätzlicher Auffüllung von Menschen, d. h. mit Hinzu- te waren trotz des Friedensschlusses weiterhin ab- setzung zunächst nichts anderes als „Besiedlung“.8 unzweifelhaft ein anthropozentrisches Menschenbild; nahme zusätzlicher anthropogener Energie, in einen wechselnd in niederländischer oder spanischer Hand, Allein diese etymologische Rückführung der semanti- der Mensch ist dazu befähigt, seinen göttlichen Ur- für den Staat gewinnbringenden Zustand zu setzen. sodass eine wirtschaftliche und demographische Erho- schen Bedeutung des Wortes „Peuplierung“ aus dem sprung zu erkennen und Bereitschaft zu zeigen, in lung des Landes verhindert wurde. Vor allem die Hol- Französischen deutet in seiner ursprünglichen Ver- gestalterische Form grenzüberschreitend das Gött- Neben der preußischen Peuplierungspolitik stand der länder versuchten in der frühen Nachkriegszeit trotz wendung eindeutig auf einen räumlichen Bezug hin. lich-Unbegrenzte für sein Wohl und das des Staates zu Gedanke optimaler räumlicher Allokation landschafts- des Ausscheidens aus dem Reichsverband die rhei- Dir preußische Peuplierungspolitik umfasst als ein formen. Je mehr der Mensch im Zuge peuplierungs- gebundener Ressourcen zur Steigerung der Wohlfahrt nischen Gebiete in ihrer wirtschaftlichen, kulturellen zentrales Leitmotiv kameralistischer Konzepte alle theoretischer Ausgestaltung und Konkretisierung des Staates und des absoluten Herrschers im Vorder- und militärischen Abhängigkeit zu halten.17 Von einer spezifisch bevölkerungstheoretischen und –politischen selbst in die Rolle des Gestaltenden und Handelnden grund, der sich in zahlreichen Kolonisationsplänen, realpolitischen Herrschaftsausübung preußischer Re- Überlegungen während der Epoche des Absolutismus. schlüpft, desto spürbarer tritt das göttliche Wirken Urbarmachungen unkultivierter Landflächen und Neu- genten in den rheinischen Territorien kann seit den Kernpunkt aller Ausformungen der Peuplierungspoli­tik zurück, und da der Mensch aufbricht, die Welt neu zu landgewinnungen wirkungsmächtig und raumwirksam Vereinbarungen des Westfälischen Friedens noch keine ist die Annahme, dass die ständige Vermehrung der entdecken, erschafft er sie in der sinnlichen Wahrneh- in der Genese der rheinischen Kulturlandschaft nieder- Rede sein. Erst durch die Zurückdrängung ständischer Bevölkerung eines Landes dessen Macht und Reichtum mung neu – Gestaltungen, die in der rheinischen Kul- schlug. Nicht nur in den preußischen Kernlanden – wie Mitspracherechte und fremder Mächte, den Aufbau immer weiter vergrößern - die Folgen für die rheinische turlandschaften persistente Spuren hinterlassen ha- in der Forschung oftmals dargestellt -, sondern auch in einer zentralbehördlichen Organisationsstruktur sowie Landschaft waren stellenweise enorm.9 ben. Der Mensch als Maß aller Dinge und die von Gott den rheinischen Territorialgebieten preußischer Herr- einer lokalen Überwachung und einer späteren Neuge- geschaffene Welt als ein faszinierender Erkundungs- schaft – wenn auch im Vergleich mit absoluten Zahlen staltung von Recht und Gerichtswesen ab den 1670er Im deutschsprachigen Raum sind es vor allem die und Gestaltungsauftrag sind fundamentale geistige in einem kleineren Maßstab – sind räumliche Spuren Jahren verfestigten die preußischen Herrscher ihre Kameralisten und der sich langsam konsolidierende Grundüberzeugungen des 16. und 17. Jahrhunderts, peuplierungspolitischer Verordnungen nachweisbar politisch-staatliche Position in den rheinischen Terri- preußische Staat, die unter dem Eindruck des Dreißig- die sich gerade im demographischen und räumlichen und bis heute z. T. kulturlandschaftlich persistent.12 torien zunehmend. Das Aussterben einer Herrscher- jährigen Krieges den merkantilen Gedanken des Popu- Gestaltungsauftrag preußischer Peuplierungspolitik dynastie bedeutete immer eine potenzielle Gefahr für lationismus begierig aufgriffen und peuplierungstheo- jener Zeit offenbaren. Chronologische Einteilung preußischer die politische Stabilität und Ordnung des betroffenen retische Konzepte zur Steigerung der Bevölkerungszahl Peuplierungspolitik in den rheinischen Territorien Territoriums, wodurch die rheinischen Stände als poli- entwickelten.10 Politische Ideen im Allgemeinen und Weil man in der frühneuzeitlichen Epoche aus energeti- Das 17. Jahrhundert hat eine besondere und weitrei- tische Konstante hervortreten konnten. Aufgrund der peuplierungstheoretische Gedankenkonstrukte und scher Perspektive im Zeitalter des modellierten Solar- chende Bedeutung für die rheinische Geschichte – vor instabilen landespolitischen Lage rheinischer Territo-

48 49 rien galten die Stände von Kleve bereits bei „[...] den Keiserlich sein als Prussis.“20 Die Integration neu ge- gungen eine „restaurative“ Peuplierungspolitik. Seine „qualifizierten“ Sichtweise peuplierungspolitischer Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts als ausgesprochen wonnener Territorialgebiete im rheinischen Land sollte peuplierungspolitischen Maßnahmen bezogen sich Ausrichtung, die sich zuerst an Adelige, Bürgerliche eigenständig und selbstbewusst.“18 Der calvinistisch sich als schwierig und problematisch erweisen. 21 zunächst nur auf die Wiederbesiedlung entvölkerter und Professionisten richtete. So versprach der preu- erzogene Große Kurfürst (1640–1680), der vor seinem Gebiete und die Wiederherstellung der Vorkriegsver- ßische Herrscher per Policeyverordnung wie „[...] nach Amtsantritt vier Jahre lang in den Niederlanden ge- Vergleicht man das 1707 vom Kaiser zu einem Fürs- hältnisse. Der erste preußische Monarch am Rhein ent- dem Exempel Unseres in Gott ruhenden Herrn Vatern lebte hatte, versuchte die kulturellen, wirtschaftlichen, tentum erhobene Moers mit den anderen rheinischen sprach in seiner peuplierungspolitisch verfolgten Stra- Gnaden, die Bekenner derselben, welche, der Verfol- politischen und militärischen Anregungen, die er wäh- Staatsgebieten, so erkennt man lediglich ein kleines tegie noch dem älteren, in territorialstaatlichen Grenzen gung halber, ihr Vaterland verlassen müssen, darin mit rend seiner Studienzeit in Holland gesammelt hatte, und unbedeutendes Territorium, das auf einer gesamt- denkenden Typus patriarchalischer Landesherren, der alwol Adelich- als Bürgerlichen Aembtern, und Digni- in seinen eigenen Territorien umzusetzen. Durch die preußischen Landkarte kaum auszumachen ist. Ein ge- aber dennoch bereits Ansätze moderner Staatlichkeit täten, so wol an Unserem Hofe, als bey Unsern Colle- Heiratsverbindung mit der oranischen Prinzessin Luise nauerer Blick auf einen niederrheinischen Kartenaus- in seiner Herrschaft erkennen ließ. Dass die Bevölke- giis, und anderen Corporibus gezogen, und emploiret, Henriette förderte er den niederländischen Einfluss schnitt verdeutlicht jedoch die Wichtigkeit Moers als rungsverluste in den bis zum Jahre 1672 von ausländi- die Handwercks-Leute aber in die Zünffte aufgenom- und stabilisierte gleichzeitig das Herzogtum Kleve. territoriales Verbindungsglied hinsichtlich des Erwerbs schen Kampftruppen besetzten rheinischen Territorien men werden.“26 Auch die rechtliche Gleichstellung mit von Geldern.22 um die Jahrhundertwende ausgeglichen wurden, ist der einheimischen Bevölkerung wurde den hugenotti- Die rheinischen Gebiete erholten sich trotz einer straf- unzweifelhaft als ein demographischer Erfolg preußi- schen Glaubensflüchtlingen zugesichert, „[...] worunter fen Regierung nur langsam, aber stetig. Die Bevölke- Schaut man nun auf das Ende des 18. Jahrhunderts, scher „restaurativer“ Peuplierungspolitik unter dem ihnen im geringsten nicht im Wege stehen mag, noch rungsverluste des Achtzigjährigen niederländisch-spa- so kann man konstatieren, dass der westliche Streu- Großen Kurfürsten zu bewerten und unter Berücksich- sol, daß sie in andern, als in Unseren Landen geboh- nischen und des Dreißigjährigen Krieges waren um die besitz Brandenburg-Preußens, wie man spätestens im tigung der Tatsache, dass man sich erst im Rheinland ren, sondern es soll aller, etwa beßhero noch übriger Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert fast überwunden. Siebenjährigen Krieg (1756–1763) erkennen konnte, die Festigung der eigenen politischen und militärischen Unterscheid zwischen Unseren natürlichen und dazu Die bis in die Anfänge des 18. Jahrhunderts andau- militärisch nicht zu verteidigen war, aber die preußi- Machtposition gegen zahlreiche Widerstände erkämp- auf- und angenommenen Unterthanen, hiemit, in so ernde wirtschaftliche Stagnation und deren langsame sche Herrschaft dennoch in den rheinischen Territorien fen musste, um einiges höher einzuschätzen. weit es zum Besten dieser letzteren gereichet, getilget Erholung war bedingt durch die nach dem „Westfäli- Kleve, Geldern und Moers dauerhaft etabliert zu sein und gehoben seyn, und bleiben.“27 Des Weiteren gilt es, schen Frieden“ weiterhin grassierenden kriegerischen schien. Natürlich erwuchsen durch diese geographi- König Friedrich (III.) I. (1688–1713) führte diese „res- diese Exulanten und Exulantinnen mit aller Gnade und Unruhen.19 Im Jahre 1702 erbte der erste preußische sche Distanz administrative Durchsetzungs- und Um- taurative“ Peuplierungspolitik seines Vaters weiter, die Liebe aufzunehmen, „[...] Ihnen auch, gleich Unsern König und Sohn des Großen Kurfürsten aufgrund sei- setzungsprobleme sowie eine zeitnahe Kontrollmög- zunächst aber stark stadtorientiert war. Seine anwer- angebohrnen Teutschen Unterthanen, allen Schutz und ner oranischen Mutter die Grafschaft Moers, 1713 kam lichkeit. Betrachtet man kartographisch die gesamte bungsfreundliche Peuplierungspolitik wird in der Poli- Schirm angedeyen lassen, so dasß unter des höchsten dann im „Utrechter Frieden“ das westlich anschlie- territorialpolitische Entwicklung Brandenburg-Preu- ceyverordnung vom 11. Januar 1710 klar ersichtlich, in Seegen, viele tausend Flüchtlinge ihre Nahrung und ßende, überwiegend katholisch geprägte Oberquartier ßens auf einer Übersichtskarte, so fallen zunächst die der darauf hingewiesen wurde, dass „[...] die in Cleve Subsistenz darin reichlich gefunden und ihre allerun- Geldern hinzu. Realpolitisch gesehen war in Moers bis rheinischen Gebiete vor 1819 kaum ins Gewicht.23 Die und Mark, bei der Vertheilung der Einquartierungslast, terthänigste Erkenntlichkeit dagegen, durch die gegen 1712 aufgrund der niederländischen Besatzung keine weite Entfernung vom Machtzentrum Berlin und die vorhergehenden Unordnungen die Fremden abschre- Uns, und Unser Königliches Haus bezeugte Treue und preußische Herrschaft möglich, die Exklave Krefeld fehlende Landesverbindung verdeutlichen die Isola- cke, sich in den Städten niederzulassen und anzubauen“ Devotion erwiesen, welche dann, und umb diesen Re- hingegen, die einen wichtigen ökonomischen Faktor tion der im Vergleich zu den Kernlanden sehr kleinen und man „[...] allen denjenigen, welche beabsichtigen, fugirten, eine neue Probe Unserer gegen sie tragen- in der rheinischen Tuch- und Seidenindustrie besaß, rheinischen Territorien. Die „langen Wege“ und die sich in den cleve-märkischen Städten niederzulassen, den allergnädigsten Propension zu geben, uns bewo- wurde schon 1703 eingekreist und besetzt. Das wich- „Herrschaft aus der Ferne“ stellten ein strukturelles oder sonst anzubauen, nicht nur eine 10jährige Freiheit gen, hiebeygefügtes Edict so höchstbesagtes Unseres tige wirtschaftliche Zentrum Krefeld, dessen Erfolg auf Problem preußischer Herrschaft in den rheinischen von aller Einquartierung und sonstigen Personallas- Herrn Gnaden, Glorwürdigstens Andenckens, unterm dem mennonitischen Textilgewerbe basiert hatte, war Territorialgebieten dar, das bei einer Bewertung preu- ten versichert“ sein sollen, sondern „[...] daß ausser- 29.10.1685, imgleichen diejenige Patente, so Wir zu de- gerade nicht nur im Zeitalter kameralistischer Politik ßischer Peuplierungspolitik im Rheinland unbedingt dem den Neubauenden, auch ein gewisses Procent der ren faveur ausgehen lassen, zu erneuern und zu confir- die Grundlage für das Aufblühen der Stadt, sondern berücksichtigt werden muss.24 Diese geographische angewendeten Baukosten (...) aus den königl. Kassen miren, dergestalt, daß alle Refugirte, bey denen, ihnen auch ein wesentlicher und integrativer Bestandteil für Randlage und die spätere östliche Orientierung preu- vergütet werden soll.“25 Dies stellte eine klare Anwei- darin zugestandenen Privilegien und Immunitäten, so- das preußische Finanz- und Wirtschaftssystem. Aber ßischer Politik führten zunehmend auch zu einer ent- sung einer „aktiven“ Peuplierungspolitik dar, die über wol in Ecclesiasticis als Politicis, wie bißhero, also auch auch kulturlandschaftsprägende Aspekte mennoniti- sprechend gesamtpolitisch untergeordneten Stellung. ein bloßes Emigrationsverbot hinaus ging, um mithilfe ferner, geschützet, und ihnen nichts davon entzogen scher Seidenindustrie veränderten die Ansprüche an Trotzdem erlebten diese preußisch regierten Territorien einer aktiv betriebenen Einwanderungspolitik fremde werden sol.“28 Dieses erlassene Edikt deutete somit so- den Raum und die Landschaft in und um Krefeld maß- dank der kameralistischen Peuplierungspolitik eine Menschen ins Land zu locken. wohl auf die kirchliche als auch auf die politische Frei- geblich. Unter anderem war dies, wie wir noch sehen wirtschaftliche und demographische Erholung – vor heit für die französischen Exulanten und Exulantinnen werden, eine Erfolgsgeschichte preußischer Peuplie- allem im Manufakturwesen und im Gewerbe sowie in Zudem knüpfte der erste preußische König Friedrich I. hin. Seine peuplierungspolitische Leistung bestand vor rungspolitik. Die weiterhin holländisch gesinnte Be- der Erschließung und Kultivierung wüster und unbesie- an die hugenottische Peuplierungspolitik des Großen allem in der administrativen Verbesserung der Erfas- völkerung veranlasste Friedrich Wilhelm I. zu der Aus- delter Landflächen im Zuge der „Inneren Kolonisation“. Kurfürsten an und bestätigte die unter der „restaura­ sung demographischer Daten und Prozesse. Die Re- sage, dass „[...] wahs die Morsische Landt und gelders tiven“ Peuplierungspolitik seit dem Potsdamer Edikt gierungszeit Friedrich (III.) I. ist aus peuplierungspoliti- [betrifft] sein Mörs wie die Klewer aber sehr gut Hol- Der Große Kurfürst (1640–1688) betrieb in den rheini- aus dem Jahre 1685 publizierten Privilegien und Ver- scher Sicht im Herzogtum Kleve als eine Übergangszeit lendisch wie auch die Klewer besser Hollendis und schen Gebieten unter schwierigen politischen Bedin- sicherungen. Hier lag der Fokus aber schon auf einer zu sehen.

50 51 Unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713– (werden)“, wenn sie sich zur Niederlassung in hiesige Landen nicht viel gelegen, da er den schlesischen Län- pierene“ Absichtserklärung, sondern wurde tatsächlich 1740) wurde die restaurative Phase bevölkerungspoli- Provinzen entscheiden sollten.29 Unter seiner Regie- dern, die einen Anschluss an die alten Kernprovinzen raumwirksam vor Ort praktiziert. Vielmehr wurden tischer Verordnungen von einer „additiven“ Peuplie- rungstätigkeit fanden ca. 300.000 Menschen den Weg in bedeutet haben, mehr Wert zusprach als den rheini- mithilfe der normativen peuplierungspolitischen Be- rungspolitik, die auf eine Vermehrung der Untertanen sein Land. Seine peuplierungspolitische Diktion stand schen Westgebieten. Die Förderung der Westprovinzen mühungen in einer schwierigen Situation die Bevölke- über das Vorkriegsniveau hinaus zielte, abgelöst. Sein ganz im Zeichen seines Vaters und wurde sogar von erachtete der preußische König schon aufgrund seiner rungsverluste vorhergegangener Kriege schnell besei- Motto „Menschen achte ich vor dem größten Reichtum“ ihm wörtlich im gleichen Sinne wiederholt: „Le nombre prekären finanziellen Lage als nicht tragbar, die Mit- tigt. Im Durchschnitt war die Bevölkerungsdichte in den und seine militärischen Pläne provozierten nahezu eine du peuple fait la richesse des Etats.“30 „Und wiederum, tel für die Kolonisationsbestrebungen schienen ihm in preußischen Westprovinzen fast doppelt so hoch wie in intensive „aktive“ Peuplierungspolitik, um seinen Men- wenn das Volk wenig zahlreich ist“, so der preußische den alten Provinzen besser angelegt. Er betrieb sowohl den anderen Landesteilen. Moers lag mit einem Wert schenbedarf zu befriedigen. Die preußische Peuplie- König in einer von ihm selbst verfassten Schrift weiter, aus politischen als auch aus finanziellen Gründen nur von über 60 Einwohnern pro km² im 18. Jahrhundert rungspolitik im Herzogtum Kleve unter der Herrschaft und „[...] wenn es in Elend verkommt, so ist der Lan- eine „passive“ Peuplierungspolitik zur Festigung und von allen Provinzen an der Spitze der preußischen Mo- Friedrich Wilhelms I. war auf gewerbliche Tätigkeit und desherr aller Hilfsquellen beraubt.“31 In seinem poli- Sicherstellung der bisher erreichten Erfolge. narchie.35 Handel konzentriert, die kraftvolle Kolonisation der tischen Testament von 1752 bemerkte er im Punkt 5 Städte positionierte sich eindeutig vor der ländlichen beim Kapitel „Die Einnahmen der Kriegskasse und ihre Erst unter der Regentschaft Friedrich Wilhelms III. Die Binnenkolonisation lässt sich in zwei räumliche Peuplierung. Wie bisher auch schon bei seinen Vorgän- Verwaltung“: „Man bevölkert die Städte und gewinnt (1797–1840) wurden peuplierungspolitische Koloni- Kategorien einteilen: gern war im Herzogtum Kleve eine stärker „stadtbezo- neue Untertanen. Die Untertanen aber sind der wahre sationsbestrebungen im Sinne Friedrichs des Großen 1) „stadtbezogene“ Peuplierungspolitik und gene“ Peuplierungspolitik zu konstatieren, wobei An- Reichtum der Fürsten.“32 Neben der „stadtbezoge- wieder aufgenommen. Die angespannten politischen 2) „landbezogene“ Peuplierungspolitik. Hierbei gilt es sätze einer landbezogenen Kolonisationspolitik, wie sie nen“ Orientierung bevölkerungspolitischer Verordnun- Verhältnisse in Europa und der Krieg mit Frankreich aber zu bedenken, dass in der Frühen Neuzeit sicher­ in den östlichen Provinzen bei der Ansiedlung der ca. gen trat nun die „landbezogene“ Peuplierungspolitik verhinderten eine erneute erfolgreiche Kolonisation lich manche Stadt recht ländlich gewirkt hat, sodass 20.000 emigrierten Salzburger Protestanten und Pro- gleichberechtigt hinzu, die mithilfe von Kolonisations- unkultivierter Flächen. Die preußische Niederlage von zwischen diesen beiden räumlichen Kategorien testantinnen praktiziert wurde, zu erkennen waren und prozessen unkultivierter Landflächen eine neue Quali- 1806 führte dann zu einem vollständigen Stillstand peu- „Stadt und Land“ ebenfalls Überschneidungen pro- seinen Nachfolger Friedrich den Großen nachhaltig zur tät besaß. Während seiner Regierungszeit lassen sich plierungspolitischer Gesetzgebung in den rheinischen zessualer Entwicklungen raumwirksamer Peuplie- Urbarmachung zahlreicher Heiden im rheinischen Ge- zwei Phasen einteilen: Die erste Phase peuplierungs- Territorien. Neben der im Vergleich zu Friedrich dem rungspolitiken zu erkennen sind. biet inspirierten. Sowohl die langsam beginnende sys- politischer Gesetzgebung ist durch eine an Kolonisa- Großen nur gering wirkenden Ansiedlung emigrations- tematische Aufnahme demographischer Daten als auch tionsbestrebungen gekoppelte aktive Einwanderungs- williger Siedler und Siedlerinnen legte der preußische Im Vordergrund der nächsten zwei Kapitel steht die der Ausbau der Verwaltungsstruktur und die stärkere politik gekennzeichnet, die zweite Phase war aufgrund Monarch Friedrich Wilhelm III. durch Neugründungen Raumwirksamkeit peuplierungstheoretischer und be- Berücksichtigung der medizinischen Dimension bevöl- der negativen Einstellung Friedrichs des Großen kleiner bäuerlicher Stellen auf eine Vermehrung ein­ völkerungspolitischer Gedanken und Maßnahmen, die kerungspolitischer Zielvorstellungen verdeutlichen die gegenüber den rheinischen Territorien und den dort heimischer und ländlicher Untertanen und Unterta­ zunächst als eine Idee theoretisiert wurden, sodann Versuche zur Professionalisierung und Effizienzstei- lebenden Menschen sowie der geopolitischen Einord- ninnen wert, um somit mithilfe der „[...] Ansetzung der Aufnahme in die Gesetzestätigkeit preußischer Regie- gerung preußischer Peuplierungspolitik in den West- nung dieser Besitzungen der Beginn des Niederganges zweiten Söhne auf wüsten Stellen“ die „innere Koloni­ rung erfuhren und schlussendlich raumwirksame Spu- provinzen, die unter der Regierungszeit des Soldaten- peuplierungspolitischer Policeygesetzgebung im Her- sation“ und Vermehrung der Bevölkerung in den rhei- ren kulturlandschaftlicher Veränderung im Zuge der königs Friedrich Wilhelms I. wirksam und erfolgreich zogtum Kleve.33 Unzweifelhaft lag der Schwerpunkt fri- nischen Territorien zu katalysieren.34 Dies zeigt, dass realen Umsetzung dieser Maßnahmen hinterließen. betrieben wurde. Sowohl die peuplierungspolitischen derizianischer Peuplierungspolitik in den Kernlanden, die „Innere Kolonisation“ als landschaftswirksame In- Im Fokus dieser Raumwirksamkeitsanalyse peuplie­ als auch die wirtschaftsfördernden Policeyverordnun- dennoch dürfen die in den rheinischen Gebieten getätig- novation in den rheinischen Territorien keineswegs nur rungstheoretischer Gesetzgebung werden vor allem die gen trugen einen wesentlichen Beitrag dazu bei, dass ten stadt- und landbezogenen Bemühungen preußischer ein Phänomen des 17. und 18. Jahrhunderts war, son- Urbarmachungen unkultivierter Landflächen, die Kul­ die preußischen Westprovinzen im Rheinland gegen- Bevölkerungspolitik nicht außer Acht gelassen werden, dern auch, wie bei der Gründung der Pfälzersiedlungen tivierung verfallener Gründe sowie die Wiederbesiede­ über den angrenzenden rheinischen Territorien einen die, wie an den später dargestellten Kolonisationsbei- Louisendorf und Neulouisendorf zu sehen ist, noch eine lung wüster Hausstellen schwerpunktmäßig bearbeitet, Vorsprung in der demographischen und ökonomischen spielen nachzuweisen ist, raumwirksame und kultur- die Bevölkerungspolitik des 19. Jahrhunderts prägende da sich hier die raumwirksame Kraft und die land- Entwicklung erlangten. Diese Modernisierungsprozes- landschaftsverändernde Spuren hinterlassen haben. Kraft besaß. schaftswirksame Innovation am deutlichsten heraus- se nahm Friedrich der Großen gern auf und führte sie in Auch wenn die preußische Peuplierungspolitik in den arbeiten lassen. Die von der Peuplierungspolitik beein- einer überraschend ambivalenten Weise weiter. rheinischen Territorien zunächst langsam verringert Dass die preußische Binnenkolonisation der Quantität flusste Bevölkerungsentwicklung interagierte mit der wurde, wirkten die bisher verabschiedeten peuplierungs- nach in den östlichen Herrschaftsgebieten und Kern- räumlichen Genese rheinischen Herrschaftsgebietes Die intensiven Kolonisationsbestrebungen des auf- politischen Verordnungen noch nach, sodass kein abso- provinzen gegenüber den westlichen Territorien eine preußischer Regenten auf vielfältiger Weise. geklärten Philosophenkönigs Friedrichs des Großen luter Stillstand bevölkerungspolitischer Bemühungen größere Zahl an Eingewanderten zu verzeichnen hatte, (1740–1786) bilden den Höhepunkt preußischer Peu- zu konstatieren war. darf allerdings nicht zum gleichzeitigen Fehlschluss Die „stadtbezogene“ Kolonisationspolitik plierungspolitik. Während vielerorts Glaubenszwang führen, dass die preußische Bevölkerungspolitik in den Die „stadtbezogene“ Peuplierungspolitik preußischer und geistige Unfreiheit herrschte, spottete der königli- Nach dem Tod des großen preußischen Königs Fried- rheinischen Gebieten ineffizient wirkte. Die preußische Herrscher wurde primär unter den Eindrücken des che Atheist über Religion und Kirche. Allen christlichen richs II. führte Friedrich Wilhelm II. (1786–1797) die Binnenkolonisation blieb trotz schwierigster adminis- Dreißigjährigen und des Siebenjährigen Krieges, als Konfessionen versprach er eine Toleranz bekundende passive peuplierungspolitische Doktrin seines Vor- trativer Durchsetzung bevölkerungspolitischer Maß- ein wichtiger Bestandteil der gesamten Peuplierungs- Peuplierungspolitik, die alle „[...] in Preußen geduldet gängers weiter. Auch ihm war fortan an den klevischen nahmen und politischer Verhältnisse keine bloße „pa- politik, konzipiert. Schwerpunkte „stadtbezogener“

52 53 Peuplierungspolitik waren neben den wirtschaftlichen räumlichen Zustand der Stadt Goch bis zum Jahre 1680, langen, führten zu einem Bevölkerungswachstum und mennonitischer Glaubensgenossen zählte die Gocher Aspekten, welche sich in den Anwerbungsversuchen in der die „restaurativen“ Maßnahmen, wenn über- räumlichen Wiederaufbau der Stadt. So wurde in der Mennonitengemeinde dank der Toleranz bekundenden fremder Manufakturisten und Fabrikanten manifestier- haupt, nur punktuell und rudimentär ansetzen konnten. Stadtchronik beschrieben, dass „[...] Schornsteinfeger Peuplierungspolitik bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ten, die Wiederbesiedlungen wüster Hausstellen und – von Üdem (...) vom Edlen Magistrat angenommen“ wur- noch ca. 100 Personen.51 Sogar finden sich um das Jahr wie es in den Quellen hieß – die „Retablierungen“ der Die „restaurativen“ Bemühungen der preußischen Re- den.46 Am 21. Februar 1654 entschied der Stadtrat, „[...] 1720 zwei Mennoniten im Magistrat wieder und beklei- vom Krieg zerstörten Häuser. Dabei wurden sowohl die genten im 17. Jahrhundert wurden immer wieder durch die Leuthe so (...) der Römischen religion zugethan auß deten in der Stadt Goch ein gemeinschaftliches Amt. fremden Emigranten und Emigrantinnen als auch im vielfältige Ereignisse in ihrer Entfaltung gebremst. In ei- dem Lande von Jülich vertrieben wurden undt [für] (...) großen Maße die einheimische Bevölkerung finanziell ner Anmerkung der Stadtchronik vom Jahr 1666 lassen diese Stadt wiederum in aufnahme zu bringen (...) dien- Die „restaurativen“ peuplierungspolitischen Maßnah- unterstützt, um den Wiederaufbau schnellstmöglich zu sich einige Rückschlüsse auf die Bevölkerungssituation lich sein konnte, daß man solche vertriebenen Leuth men mussten einen recht guten Erfolg gehabt haben, vollenden und die Wirtschaftlichkeit der Städte und da- und die für das Wachstum derselben notwendige Nah- doch schreiben zu wissen thäte, daß wann sie hier in da in einem historischen Bericht von der Stadt Goch mit die Einnahmen des Landes zu steigern. rungsgrundlage ziehen. Durch „[...] die immerwähren- dieser Stadt zu wohnen sich begeben wollten, ihnen aus dem Jahr 1722 bemerkt wurde, dass aus der Stadt den durchgänge der kaiserlich Croatischen als königl. einige freyheit zu gelassen werden sollte, (...) Krafft Goch wenigstens „[...] mit der zeit ein Schönes Dorff Exemplarisch sei hier die Stadt Goch erwähnt, die es Hispanischen Armeen in und außerhalb der Stadt, auf dessen sich zu erbiethen, daß alle die so hieselbst darauß gworden“ ist.52 Die „[...] jetzige Anzahl der Ein- während des Dreißigjährigen Krieges sehr hart traf. dem platten Land [wurden] nicht allein allerhöchsten zu Wohnen kommen wollten ein gantz Jahr von allen wohner bestehen in 1006 Haußwirthen, 923 Kindern Sowohl während als auch nach dem Dreißigjährigen Beschwehret, die Früchte weit und breit verdorben, und Bürgerlichen Lasten oneribus befreyet sein sollten.“47 und 141 gesinden, in Summa 2070 Menschen, worunter Krieg erlebte die niederrheinische Stadt Goch zahlrei- gleichsam ins äußerste Ruin gesetzet, sondern auch Allerdings erkennt man hier das Interesse der noch Manufacturiers, Handt-Werckern und andern Professi- che Besatzungen ausländischer Truppen und musste mit der schwehren abscheuliche[n] Pestilenz unter an- überwiegend katholischen Stadträte an der Anwerbung ons-Verwandten nachfolgende gezählet werden: 4 Bar- viele Leistungen und Kontributionen an die fremden blebenden Seuchen und Krankheiten dermaßen über- katholischer Glaubensgenossen. Nach den zahlreichen bier, Wovon einer eine kleine Apotheke hat, 18 Bäcker, 2 Besatzungsmächte leisten.36 Neben diesen finanziellen fallen, daß also ein Menschen den andern nicht begra- Verwüstungen fremder Heere befahl der Stadtrat im Fell-bereiter, 4 Gast-Wirth, 1 Huthmacher, 1 Korb-Ma- Belastungen einquartierter und vorbeiziehender sowie ben und kaum 1/3 der Menschen im Leben geblieben Jahre 1684 allen Eigentümern zerstörter Hausstellen, cher, 1 Kupffer-Schmidt, 63 Kauffleuthe und Winkel- marodierender Truppen waren die demographischen ist.“42 Im Zusammenhang mit dieser Bemerkung wurde diese entweder zu reparieren oder im Zuge städtischer lierer, 2 Leyen-decker, 26 Leine Weber, 7 Maurer, 1 und bevölkerungsräumlichen Folgen um einiges wir- rückblickend an das Jahr 1640 erinnert, in dem nach Restauration wiederherzustellen.48 Occulist, stein und bruch-Schneider, 2 Rad-macher, kungsmächtiger. Zum Ende des Dreißigjährigen Krieges „[...] der gleichen Einquartierung wieder bedrängt, die 6 Schlächter, 2 Sattler, 12 Schneider, 15 Schuster, 23 wurde in der Stadtchronik vermerkt, dass im Jahr 1639 ganze Bürgerschaft aus der Stadt gezogen, Haus und Trotz der Toleranz bekundenden Peuplierungspolitik Schneider, worunter einige Kunst-schneider, so schlö- „[...] in der Geschichte, leider Gott[es], (...) das grausa- Hoff verlassen“ haben und die Stadt nahezu entvölkert konnte es die von vielen Kriegen bedrängte Stadt Goch ßer und andere feine Kupffer und Eysen arbeit machen, me Ellend, Not (...) und gründliches Verderben unser zurückließen.43 Diese niederrheinische Siedlung wur- nicht schaffen, die Mennoniten und Mennonitinnen 1 Siffen-macher, 1 Silber-Schmidt, 12 Tuch-macher, armseligen Stadt und der sämmtlichen Einwohnern“ de – wenn man dieser Bemerkung Glauben schenken in großer Zahl als Bürger und Bürgerinnen zu halten. 5 Tuch-Scherrer, 4 tischler, 1 tau-Schläger oder Sey- endgültig über die Stadt gekommen sei.37 Im Jahr „[...] darf – fast zu einer städtischen Wüstung, „[...] wodurch Die Mennonitengemeinde­ in Goch war eine der ältes- ler, 1 uhr-macher, 47 Woll-arbeiter [und] 13 Zimmer- 1634 Grassierte die Pest allhier, daß sehr viele daran dann die Stadt Goch kein[e] 10 Haushaltungen gleich- ten Mennoniten­gemeinden am Niederrhein.49 Schon vor leuthe.“53 Diese differenzierte Auflistung qualifizierter starben und die Stadt fast verödete“, sodass zahlreiche wohl geringe Leute“ behalten hatte, sodass man sehen der preußischen Zeit im Jahr 1547 wird in Anwesenheit Arbeiter und demographischer Daten belegt, dass sich Einwohner starben und wüste Plätze entstanden.38 Vor konnte, „[...] daß die Straßen und der Markt dermaßen von Menno Simons (1496–1561) von einer synodenarti- die niederrheinische Stadt Goch nach den schlimmen allem die räumlichen Zerstörungen städtischer Sied- mit Gras bewachsen, daß auch die Pferde, so von außen gen Versammlung in Goch gesprochen.50 Die meisten Folgen marodierender Heere und schrecklichen Brand- lungsbestandteile waren verheerend, da zum Beispiel darin oder durch queren, auf dem Markt ins Gras und Gocher Mennoniten und Mennonitinnen stammten schatzungen mithilfe „aktiver“ peuplierungspolitischer „[...] die Spanische Armee in und umher dieser Stadt Weide“ gingen.44 Selbst für den Stadtchronisten war es aus Holland, die vor allem in Anbetracht der späteren Maßnahmen um Menschen bemüht hatte, um die Stadt (...) alles mit unwiederbringlichen höchsten Schaden“ schockierend, in „[...] was für ein[en] jämmerliche[n] preußischen Toleranzpolitik viele weitere holländische „in Flor“ zu bringen. Da die niederrheinische Stadt vernichtet hatte.39 Die räumliche Zerstörung war auf- Zustand“ diese Stadt war.45 Aus all diesen Beschrei- Taufgesinnte anzogen. Von 1687 bis 1790 wanderten Goch um 1740 durchaus wieder eine größere Häuser- grund der „[...] unmöglichen Sache (...) Geldsummen bungen lässt sich dennoch trotz quellenkritischer Be- insgesamt 116 Gocher Mennoniten und Mennonitinnen, und Personenzahl zu verzeichnen hatte, lässt dies – abzugreiffen“ umso schlimmer, da die fremden Heere gutachtung ein Bild der Stadt Goch zeichnen, das si- zumeist Leinenweber, nach Haarlem oder in die USA wie die spärlich nachgewiesenen und überlieferten „[...] unsere Häuser und Gebäude in der Stadt guten cherlich eine vom Krieg stark entvölkerte und räumlich aus. Hierbei war der wirtschaftliche Aufstieg und der peuplierungspolitischen Bemühungen zeigen – Rück- und großentheils abgebrochen und niedergerissen“ massiv zerstörte Siedlung darstellt. Niedergang der Gocher Leinenweberei eng mit dem schlüsse auf die „restaurative“ Peuplierungspolitik des haben.40 „Nachdem Goch in den französischen Kriegen Rückgang der Gocher Mennonitengemeinde verbun- Großen Kurfürsten und Friedrichs (III.) I. zu, um die 1672, 79, 88 und 89 viel gelitten“ hatte, konnten erst um Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erfolgte durch die An- den. Der prominenteste Vertreter der Leinenweber- Stadt nach den langjährigen Besatzungszeiten fremder die Jahrhundertwende „restaurative“ peuplierungspo- werbung protestantischer Glaubensgenossen eine Sta- kunst, J. Gottschalk (ca. 1670–1763) aus Goch, zog 1701 Heere und den damit verbundenen bevölkerungsdezi- litische Maßnahmen zum demographischen und räum- bilisierung der städtischen Siedlung Goch. Aber auch mit Krefelder Mennoniten und Mennonitinnen endgül- mierenden und stadtzerstörenden Wirkungen wieder lichen Aufbau dauerhaft bis zum Siebenjährigen Krieg die Bemühungen des Stadtrates von Goch selbst mit- tig nach Pennsylvanien, wo bis heute noch Nachkom- aufzubauen und zu peuplieren. Unter Friedrich dem greifen.41 Diese Schilderungen in der Stadtchronik be- tels einer „restaurativen“ Peuplierungspolitik die vor- men des ehemaligen Gocher Mennoniten und Men- Großen haben wir aufgrund der Folgen des Siebenjäh- legen eindeutig den schlechten demographischen und kriegerischen Bevölkerungsverhältnisse wieder zu er- nonitinnen leben. Trotz dieser Auswanderungswellen rigen Krieges einen Höhepunkt der Raumwirksamkeit

54 55 Planungen und landschaftswirksame Innovationen die von den zahlreichen Kriegen herrührenden wüsten zur Umsetzung bevölkerungspolitischer Vorstellungen Stellen wiederbesiedelten. Ziel war hierbei die Hebung unternommen wurden (s. Abb. 1). Inwieweit räumliche der wirtschaftlichen Situation der Städte und die räum- Ansätze peuplierungspolitischer Maßnahmen nach liche Verdichtung der Stadtbevölkerung. Die frideri- dem Siebenjährigen Krieg notwendig waren, zeigte sich zianische „Retablissement-Politik“ niederrheinischer in der raschen Aufforderung des Generaldirektoriums, Städte förderte den Wiederaufbau und die Wiederbe- sämtliche statistischen Daten bevölkerungsbezogener siedlung wüster und verfallener Stadträume sowohl und räumlicher Parameter über die niederrheinischen einheimischer als auch fremder retablierungswilliger Städte zur gezielten Peuplierung zur Einsendung der- Personen gleichermaßen. Die retablissementbezoge- selben zu sammeln. Mit den „Retablissement-Geldern“ ne Peuplierungspolitik begünstigte nicht nur die Eta- wurden nicht nur fremde Professionisten angelockt, blierung fremder Professionisten, vor allem die ein- sondern auch die einheimische Bevölkerung konnte heimische Bevölkerung profitierte von der Auszahlung sich über raumbezogene peuplierungspolitische Ver- der Baufreiheitsgelder zur Instandsetzung verfallener ordnungen freuen, das wiederum das peuplierungs- Hausstellen. Die stadtkolonisatorischen Bemühungen politische Bild einer umfassenden Bevölkerungspolitik preußischer Peuplierungspolitik unterstützten neben verstärkt. Schon im Juli 1763 erging per Spezialbefehl der erhofften positiven Wirkung für die Stadtwirtschaft Friedrichs des Großen die Verordnung, alles nur peu- oftmals die Besiedlung solcher leer stehender Haus- plierungspolitisch Mögliche zur „[...] Wiederherstel- stellen, um die noch vorhandenen wüsten Räume mit lung derer in dem Kriege ruinirten Häuser“ zu tun.56 In Menschen zu besiedeln. Zudem etablierten sich vor al- diesem Zusammenhang der „Retablissement-Politik“ lem die qualifizierten Professionisten im Zuge der Re- zeigten aber die Städte teilweise genauso ein Interesse tablissement-Maßnahmen auf den noch vorhandenen an dem Wiederaufbau zerstörter Gebäude und wüstlie- wüsten Hausstellen. Eine zusammenfassende Auswer- gender Hausstellen, sodass die Grundlage zur Umset- tung über die Entwicklung räumlicher und demogra- zung bevölkerungspolitischer Maßnahmen recht güns- phischer Parameter verdeutlicht die Tendenz positiver tig war. Den Wiederaufbauwilligen zerstörter Häuser raumwirksamer peuplierender Kraft städtischer Kolo- oder brachliegender Hausstellen oder anderen Bau- nisationspolitik Friedrichs des Großen, welche räum- lustigen solle man „[...] accordierte Beneficien“ geben, liche und damit auch landschaftswirksame Spuren in oder diese räumlichen Stellen per „Intelligenz-Zettel Form von Wiederbesiedlungen wüster oder ungenutz-

Abb. 1: Skizze einer potenziellen Stadtneugründung am Niederrhein vom 21. April 1772 (HSTAD Xanten Kreisregistratur, Nr. 75). anbiethen.“57 Zu den Benefizien gehörten „[...] 25 % ter Hausstellen oder von Etablierungen zahlreicher Baufreiheitsgelder [sowie] Freiheit von accise servis Manufakturisten und Fabrikanten hinterlassen hat. und Einquartierung.“58 Sollten dabei einige Haussstel- städtischer Kolonisation. Neben der wirtschaftspoliti- Stadt“ im Jahre 1771 wurde nicht realisiert.55 Die Grün- len ohne Besitzer oder Eigentümer sein, so solle man Tendenziell wurden nach Auswertung zahlreicher Ta- schen Anwerbung fremder Manufakturisten und Fab- de, warum dieses gigantische Projekt „stadtbezogener“ ganz im peuplierungspolitischen Sinne diese „ [...] bellen von 1763 bis 1776 ca. 85 % der in den niederrhei- rikanten zur Niederlassung in den niederrheinischen Peuplierungspolitik nicht verwirklicht wurde, wurden wüsten Stellen manufacturiers oder sonstigen Hand- nischen Städten vorhandenen wüstliegenden Hausstel- Städten stand nach dem verheerenden Siebenjährigen nicht weiter ausgeführt. Es ist allerdings zu vermuten, werkern zum Anbau übergeben.“59 Zur Förderung des len beseitigt. Bezogen auf die gesamte Siedlungsfläche Krieg der Aufbau und die Wiederbesiedelung zerstörter dass trotz dieses sehr detaillierten Planungsprozesses Aufbaus städtischer Siedlungen müsse man alle Men- niederrheinischer Städte wurden im Kontext der „Re- und wüstgewordener Hausstellen im Vordergrund der die Skepsis und das dabei vorhandene finanzielle Risi- schen, „[...] welche sich zum Wiederaufbau melden“, tablissement-Politik“ ca. 15 % Siedlungsfläche und friderizianischen „Retablissement-Politik“. In diesem ko auch in der Hochphase preußischer „additiver“ Peu- unterstützen und ihnen die zerstörten Häuser oder wüste Hausstellen mit Menschen wiederbevölkert. Da- Zusammenhang dürfen aber die Pläne zur Anlegung plierungspolitik in den preußisch regierten rheinischen wüstliegenden Hausstellen „[...] unentgeldlich über- mit ist eindeutig nachgewiesen, dass die „stadtbezoge- zweier neuer Städte in den rheinischen Territorien Territorialgebieten für die oberen preußischen Behör- tragen.“60 ne“ Peuplierungspolitik landschaftswirksame Spuren nicht unerwähnt bleiben. Ein bevölkerungspolitischer den zu groß erschien. stadtkolonisatorischer Bemühungen hinterlassen hat. Vorschlag „stadtbezogener“ Kolonisationspolitik be- Eine Bilanzierung „stadtbezogener“ Kolonisations- Das erfolgreichste Projekt städtischer Kolonisation inhaltete die Anlegung „[...] einer neuen Stadt auf der Obwohl dieses wahrscheinlich für das Herzogtum Kle- politik kommt zum folgenden Ergebnis: Bezogen auf war sicherlich Krefeld in der Grafschaft Moers. Der Mookschen Heyde.“54 Auch die zweite, „[...] wegen der ve größte peuplierungspolitische Projekt nie umgesetzt die „stadtbezogene“ Peuplierungspolitik fanden vor gelungene Aufstieg der Krefelder Wirtschaft zu einem von dem Herrn Kriegs Rath Sandrart (...) zu etabliren wurde und damit auch keine raumwirksame Kraft ent- allem zahlreiche Glaubensflüchtlinge (Manufakturis- bedeutenden preußischen protoindustriellen Agglo- gesuchten, aus der Meyerey Herzogenbusch geflüchte- falten konnte, so offenbart es aber dem Forscher, dass ten, Fabrikaten, Handwerker – im Allgemeinen in den merationszentrum war das Ergebnis einer toleranten ten Familien und Wegen der bey dieser Gelegenheit von auch in den niederrheinischen Provinzen preußischer Quellen als Professionisten beschrieben) in den nie- und einwanderungsfreundlichen Peuplierungspolitik. dem Kriegs Commissario Bach zu Büderich und dessen Herrschaft, also außerhalb der Kernlande des Staates derrheinischen Städten ein neues Zuhause, die mit- Selbst heute noch erinnern zahlreiche prachtvolle Ge- Compagnon Witzen tentirten Anlegung einer Neuen Brandenburg-Preußens, große peuplierungspolitische hilfe einer aktiven Anwerbungs- und Privilegienpolitik bäude ehemaliger mennonitischer Fabrikanten als

56 57 städtebauliches Denkmal preußischer Stadtkolonisati- menschlicher Prozesse für den historisch-geographi- on an die Hochzeit der Seidenfabrikation Krefelds. Diese schen Forscher nicht mehr sichtbar sind. Es lässt sich Stadt wuchs aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen deshalb nur aus dem Quellenstudium archivarischer und Produktionsflächen – bildlich gesprochen – land- Akten erschließen, inwieweit die anthropogenen Ein- schaftswirksam über ihre Stadtgrenzen hinaus, sodass griffe angeworbener Kolonisten zu raumverändern- zahlreiche Stadterweiterungen notwendig wurden. den Wirkungen geführt haben. Exemplarisch sei hier auf die Kultivierungsbemühungen wüster Stellen am Die „landbezogene“ Kolonisationspolitik Heesberg und Hettekamp bei Xanten hingewiesen, die Neben der stadtkolonisatorischen Bevölkerungspolitik nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben. Zum 19. trat die „landbezogene“ Peuplierungspolitik hinzu, die März 1770 berichtete der Kriegsrat Sandrart, „[...] wie nicht nur andere räumliche Ziele verfolgte, sondern sich (...) 3 Colonisten Familia, in summa 16 Personen auch andere Bedingungen, Grundlagen und Ansprü- (...) auf der Heyde Gründe des Heesenberges bey Xan- che hatte sowie ein spezielles Klientel niederlassungs- ten etabliret haben.“61 Dabei versäumten es die drei williger Emigranten und Emigrantinnen ansprach. Die ländlichen Kolonisten Kauth, Gast und Eselbronn nicht Raumwirksamkeit preußischer Binnenkolonisation zu bitten, „ [...] daß Ihnen die Vielen Gelder nach dem offenbarte ihre größte landschaftsverändernde und Publicants vom 1. Sept. 1769 ausbestattet werden mög- räumliche Kraft im Zuge „landbezogener“ Bevölke- ten“, da sie „[...] alle drey auf ihre eigne Lasten herunter rungspolitik, welche bis heute persistente Spuren in gereiset (sind).“62 Nachdem „[...] sich Gestern 3 Colo- Form von Urbarmachungen brachliegender Heide- nisten Familien, deren Umstände in der anliegenden gründe und Kultivierungen wüster Landstriche in der Tabellarischen Nachweise so detailliert enthalten sind, niederrheinischen Kulturlandschaft hinterlassen hat. beym Commissario loci Kriegrath Sandrart gemeldet, Die Eingriffe menschlicher „Energiekonverter“ in die und gebeten, daß dieser ihnen heyde Gründe anzeigen niederrheinische Landschaft, welche im Zuge „aktiver“ mögte, auf Welche sie sich etabliren und niederlaßen preußischer Peuplierungspolitik angeworben wurden, könnten“, hatte sich der binnenkolonisatorisch enga- veränderten die Erscheinung dieser nachhaltig. Zahl- gierte Kriegsrat „[...] so fort nach dem (...) sogenannd- reiche Wald- und Baumflächen wurden im Zuge der ten Heesenberg begeben“, um den Kolonisten einen Kultivierungsmaßnahmen bisher ungenutzter Land- Eindruck der urbar zu machenden Ländereien zu ver- flächen beseitigt; Siedlungen fremder Emigranten und schaffen.63 Der unbesiedelte, mit unkultivierten Heide- Abb. 2: Deklinatio Proportionis Geometrica von der Situation der so genanten zu der Stadt Xanten private gehörigen Bauschlägen um Hoch Brugs zum Etablissements derer darinnen denominirten Colonisten (HSTAD, Xantener Kreisregistratur, Nr. 1187). Emigrantinnen mit Bauernhäusern und dazu gehörigen gründen versehene Heeseberg war ein „[...] der Stadt Höfen wurden errichtet. Auf ehemals mit Wald be- Xanten zugehöriges Patrimonial und Heyde, daß nach decktem Boden wurden im Zusammenhang der Urbar- der amts-Vermessungs Carte 28 Morgen 314 Ruthen Besiedlung besagter Heidegründe (s. Abb. 2).67 Dieses Die binnenkolonisatorischen Peuplierungspolitik der machung wüstliegender und unkultivierter Gründe holländ. enthält“ und damit ein sehr kleines Land zur Beispiel fehlgeschlagener binnenkolonisatorischer Be- Bönninghardter Heide bei Sonsbeck z. B. konnte zu- blühende Felder mit Pflügen und menschlicher Hand- Peuplierung war.64 Die angeworbenen Kolonisten auf siedlungspolitik im Kontext „landbezogener“ Peuplie- nächst aufgrund schwierigster naturräumlicher Rah- arbeit beackert und bearbeitet. Außerdem entstanden dem Hettekamp besäßen „[...] noch etwas Mittel, sind rungspolitik auf den unkultivierten Heidegründen des menbedingen und lokaler Widerstände einheimischer im überwiegend umgebenden katholischen Rheinland sehr ordentlich und arbeitsam, und geben die Erwar- Heeseberges und des Hettenkamps verdeutlicht, dass Stadtbewohner und Stadtbewohnerinnen nicht im konfessionelle homogene, mit kulturellen Eigenheiten tung von sich, daß sie vor alle andere Colonisten mit der aufgrund der Kombination schwieriger naturräum- großen Umfang mit Kolonisten besiedelt werden, und fremder Kolonisten verbundene Siedlungsinseln meist Zeit Nützliche Unterthanen werden dürfften.“65 Sowohl licher Rahmenbedingungen einerseits und unfähiger dennoch gilt es festzuhalten, dass zahlreicher Heide- reformierten Glaubens, sodass auf den ersten Blick die der peuplierungspolitisch aktive Kriegsrat als auch die Kolonisten andererseits preußische Kolonisationsbe- grund im Kontext „landbezogener“ Peuplierungspolitik Raumwirksamkeit binnenkolonisatorischer Peuplie- beiden ländlichen Kolonisten waren voller Euphorie, mühungen sehr defizitär für die Kämmerei verlaufen landschaftswirksam peupliert und in Kultur gebracht rungspolitik eine größere Wucht und Kraft entfalten dieses peuplierungspolitische Binnenkolonisationspro- konnten, sodass trotz staatlicher Subventionierung und worden war. In der Akte „Wegen der auf der Bönning- konnte als die Stadtkolonisation fremder Professionis- jekt zum Wohle des preußischen Staates umzusetzen. Auszahlung einiger Benefizien die flächendeckende hardter heyde bey Sonsbeck angelegten Colonien und ten zur Beseitigung wüster Hausstellen. Deswegen habe der Kriegsrat Sandrart ohne zu zögern Peuplierung wüstliegender Heidegründe im ländlichen was wegen der daselbst etablirten Colonisten Specia- ihnen „[...] zu 2 guten Pferden, 2 Carren und 2 Pflügen Umfeld der Stadt Xanten aufgegeben werden musste. liter ergangen 1769-1771“ geht aus einem Schreiben Dennoch gab es aber auch zahlreiche Urbarmachungs- [ver]holfen“, damit sie mit der Kultivierung wüstliegen- Lediglich temporäre und punktuelle Peuplierungen des Kriegsrates Sandrart an den Sonsbecker Bürger- versuche unkultivierter Landstriche, die aufgrund der Hettenkamper Heidegründe schnellstmöglich flo- wurden unter großen Anstrengungen realisiert, wobei meister Everts zum Ende des Jahres 1769 hervor, dass vielfältiger Gründe kolonisatorischer Art nicht zum rieren können.66 Eine Skizze dieser Ländereien auf dem die Kosten-Nutzen-Rechnung bei diesem binnenkolo- er „[...] Oberrheinische Colonisten (...) ausersehen gewünschten Erfolg geführt hatten. Damit erzeugten Hettenkamp gibt dem historisch-geographischen For- nisatorischen Projekt negativ für die preußische Regie- habe, [die] (...) sich auf der Bonnecater heyde etabliren“ sie nur damals partielle raumwirksame Spuren, die scher einen räumlichen Einblick von der zwar kleinen, rung ausfiel. könnten.68 Um aber eine erfolgreiche Kolonisation die- heute aufgrund von Überprägungen natürlicher oder aber dennoch raumwirksamen Urbarmachung und ser Heidegründe zu gewährleisten, müsse dies in Ko-

58 59 operation mit lokalen und einheimischen Ortskundigen plierung und Urbarmachung des platten Landes im thropogener Eingriffe auf der bisher unkultiviert ge- mit dem Ziel geschehen, den „[...] jenige[n] theil obge- Herzogtum Kleve weiter voranzutreiben.71 wesenen besagten Heide. Sowohl mühsam aufgebaute dachter Heyde, von welcher ich vorgestern mit denen Häuser und Scheunen als auch mit Roggen und Kar- selben [den oberpfälzischen Kolonisten, Anm. d. Verf.] Nach der örtlichen Begutachtung der Bönninghardter toffeln bestellte Felder und mit Maulbeerbäumen und zu sprechen die Ehre gehabt, durch einen vernünftigen Heide durch die oberpfälzischen Kolonisten berichtete anderen Holzgewächsen versehene Bepflanzungsarea- und der gegend kundigen Einwohner so fort anweisen der Sonsbecker Magistrat, dass „[...] sie nicht sonder- le brachten ein anderes Erscheinungsbild ehemals un- zu laßen, damit erwehnte Colonisten im stande seyn lich zufrieden damit“ waren, sodass er „[...] befürchte, kultivierter Heideflächen hervor, deren Nutzen für die mögen den Grund des Erdreichs zu examiniren.“69 Diese daß Ew. Wohlgebohr. Mühe haben werden, sie dazu be- preußische Kämmereikasse allerdings erst auf lange Aussage verdeutlicht die Notwendigkeit und die Abhän- reden, ihr Etablissement dort zu suchen.“ Auch der Zeit zum Tragen kommen konnte. gigkeit preußischer Behörden von den lokalen Amts- zuständige Magistrat schätzte die Chancen zur einer trägern bei der Umsetzung binnenkolonisatorischer erfolgreichen Peuplierung und Kultivierung der Bön- Nicht nur den Historischen Geographen und Geo- Peuplierungspolitik vor Ort, da nur diese ortskundigen ninghardter Heide eher als schlecht ein, weil der Bo- graphinnen heute ist diese persistente kulturland-

Personen mit ihren Kenntnissen landschaftlich-natur- den „[...] nicht voll practicabel (ist), denn die Heyde, Abb. 5: Heutiger Blick auf die Bönninghardter Heide mit einer Einzelhof- schaftliche Umgestaltung peuplierungspolitischer räumlicher Gegebenheiten eine erfolgreiche Umset- wenigstens der hierhin gehörige theil (...) eins von dem anlage (Photo: M. Zbroschzyk 2012). Maßnahmen „landbezogener“ Kolonisationspolitik zung urbarmachungs- und kultivierungsspezifischer schlechtesten Erdreich (ist), so man sich fast vorstel- gegenwärtig, sondern auch dem im 19. Jahrhundert Prozesse zur räumlichen Verdichtung von Bevölkerun- len kan“ und trägt „[...] fast den Nahmen von einem lebenden Moyländer Pfarrer O. v. Schütz, der in Ein- gen garantieren konnten. Zudem findet sich bei diesem steinigten Arabien.“73 Deswegen sollte man aufgrund schätzungen von oben, der Klevischen Kriegs- und Do- gangskapitel folgende Hinweise an seine Leser weiter- Zitat über die „Examinierung des Grundes des Erdrei- der hier vom Magistrat als sehr schlecht dargestellten mänenkammer, durchgesetzt und angefangen wurde. gab, um die prächtige Raumwirksamkeit preußischer ches“ eine schöne zeitgenössische Formulierung, wie naturräumlichen Gegebenheiten „[...] die Asperd- und Auf der Basis der vom Kriegsrat gelegten Strukturen Kolonisationspolitik Friedrich Wilhelms III. in seiner Raumwirksamkeit binnenkolonisatorischer Aktivitäten Hassunsche Heyde“ als ländliches Peuplierungsobjekt „[...] versprachen die Colonisten hiernächst ohne fer- vollen kulturlandschaftlichen Schönheit aufzunehmen: „landbezogener“ Bevölkerungspolitik sich entfalten nehmen, weil sie „[...] nicht nur weit besseren Grund neren Anstand an die Arbeit [zu] gehen, und die Urbar- „Solltest du, lieber Leser, gelegentlich einmal den könnte: (haben)“, sondern auch „[...] das Wasser kein gantz machung bestens poussieren zu wollen, und waren mit Rhein herab nach Holland fahren, so versäume doch 1) Es müsse der örtliche Magistrat und der Bürger- unentbehrliches“ Element auf diesen oben genannten ihrem Schicksale überaus zufrieden.“76 Eine knappe nicht eine Meile unterhalb Rees und oberhalb Emme- meister „[...] bey dieser dienstangelegenheit allen Heiden war.74 und grobe Skizze verdeutlicht uns einen räumlichen rich links über die wiesenreiche Kleve Niederung hin- möglichen Eyfer erweisen und die heilsamen Lan- Eindruck der Lage der Bönninghardter Heide (s. Abb. weg nach der Hochebene zu schauen, welche etwas des Väterlichen absichten des königl. Maj. (...) be- Am 24. Februar 1770 schrieb Sandrart an den Magistrat 3 und Abb. 4). zwei Stunden landeinwärts dem Strome dort parallel fördern“, damit dieser Peuplierungsversuch auf der zu Sonsbeck, dass trotz der von ihm genannten Skepsis läuft. Du wirst dann schon vom Dampfschiffe aus einen Bönninghardter Heide zum Erfolg gebracht werden gegenüber einer gelungenen Peuplierung der Bönning- Auch wenn die Bönninghardter Kolonie über eine lange schlanken stattlichen Kirchturm erblicken, den Du vor könne.70 hardter Heide drei Colonisten nahmens „[...] Dielmann, Zeit eine arme und trostlose Gegend gewesen war, die etlichen Jahren vergeblich gesucht hättest, jetzt aber 2) Damit diese angeworbenen oberpfälzischen Kolo- Scherlund (?) und Ilian Willkuds (...) sich als bauern auf sich im Zuge weiterer bevölkerungspolitischer Unter- sicherlich mit einigem Interesse betrachten wirst. Denn nisten zur wirklichen Urbarmachung dieser unkulti- dem Bonnecat zu etablieren“ versuchen wollen, sodass stützung nur langsam entwickelte und keine reale dieser, so weit in`s Land hinausschauende Turm gehört vierten Heide überredet werden können, müsse man der zuständige „[...] Magistrat zu Sonsbeck gedachten Ortsentwicklung mit einem dazugehörigen Ortskern zur Elisabethkirche von Louisendorf, welche der allbe- „[...] diesen fremden ankömmlingen favourabelsten Leuten alle erforderliche assistence zu leisten“ habe.75 und typischer Infrastruktur kannte, stellt sie dennoch kannte Kettenbund gestifftet hat. Die Elisabeth aber, Ideen von dem Terrain questi, so wie auch ich bereits Es ist festzuhalten, dass das besagte binnenkolonisato- ein Relikt raumwirksamer Peuplierungspolitik in der deren Name die Kirche trägt, ist unsere geliebte Köni- gethan, (...) beyzubringen“ versuchen, um die Peu- rische Peuplierungsprojekt trotz lokaler negativer Ein- niederrheinischen Kulturlandschaft dar (s. Abb. 5). gin-Witwe, und die Luise, nach welcher das Kirchspiel sich nennt, ist keine Geringere, als die unvergessliche Alle im Jahr 1799 gezählten 177 erwachsenen Siedler Königin Luise von Preußen. Louisendorf selbst verdankt der Bönninghardter Kolonie gingen auf peuplierungs- seine Gründung lediglich der Huld des hochseligen Kö- politisch angeworbene Kolonisten zurück, die entweder nigs Friedrich Wilhelm III. und ist eine Tochter-Kolonie noch zum Ende des 18. Jahrhunderts hinzukamen oder des noch etwas weiter Südwest gelegenen Pfalzdorf; schon zur zweiten Generation niedergelassener Emig- die Leute aber, welche die eine wie die andere Ortschaft ranten gehörten.77 Nach einem Bericht des Jahres 1840 bewohnen, sind die Nachkommen frommer evangeli- lebten auf der gesamten Bönninghardt 180 Familien, scher Exsulanten, denen einst Friedrich der Große im bestehend aus 940 Kolonisten, immer noch in ärm- Klever Land eine neue Heimat geschenkt hat.“79 Dieser lichsten Verhältnissen und elenden Hütten, wovon im Ausschnitt verdeutlicht stellvertretend für die anderen preußischen Teil 107 Familien auf der Bönnighardter „Inneren Kolonisationen“, dass nicht nur die überliefer- Kolonie siedelten.78 Die Raumwirksamkeit kulturland- te peuplierungspolitische Geschichte einigen Klevern schaftsverändernder Urbarmachung und Kultivierung bewusst war, sondern auch deren raumwirksame und Abb. 3: Erste Skizze der Bönninghardter Heide aus dem Jahr 1770 (HSTAD, Abb. 3: Erste Skizze der Bönninghardter Heide aus dem Jahr 1770 (HSTAD, Xantener Kreisregistratur, Nr. 755). Xantener Kreisregistratur, Nr. 755). auf der Bönninghardter Kolonie hinterließ Spuren an- kulturlandschaftliche Veränderung, die durch die An-

60 61 „landbezogener“ Peuplierungspolitik fanden sich Hinweise, dass auf 24 unkultivierten Heideflächen raumwirksame Maßnahmen zur Urbarmachung und Besiedlung eingeleitet worden sind.83 (s. Tab. T- 1)

zu Ehren der preußischen Königin Louise errichtet, den Quellenhinweis auf binnenkolonisatorische man entsprechend ihrer Lebensjahre mit 34 Eichen Nr. Heidename Bemühungen symbolisch besetzte (s. Abb. 6). Ja Nein 1 8 Heideflächen im Weselschen Kreis ----  Im Gegensatz zu den historisch gewachsenen Siedlun- 2 3 Heideflächen im Meursischen Kreis ----  gen am Niederrhein wurden diese pfälzischen Siedlun- 3 Schermbecker Heide  ---- gen planmäßig in Flächen eingeteilt, in der zunächst 4 Lippes Gemein Heide ----  die Infrastruktur und anschließend die einzelnen Ko- 5 Vierbommer Heide  ---- lonistengrundstücke angelegt wurden (s. Abb. 7).81 Das 6 Asperdische Heide  ---- kulturlandschaftliche Erscheinungsbild des Dorfes 7 Balberger Heide  ---- Louisendorf wird durch die Persistenz der historischen 8 Wittenhorster Heide  ---- Siedlungsstruktur in seiner Einteilung rasterförmiger Wegesysteme, die alleenartig angelegt sind, und die 9 Spellensche Heide  ---- Relation bebauter und landwirtschaftlich genutzter 10 Bönninghardter Heide  ---- Flächen in der durch die preußischen Beamten fest- 11 Heeseberg  ---- gelegten hufenartigen Abfolge von Hofzentrum, Garten, 12 Pfalzdorfer Heide  ---- Ackerfläche und Obstwiese als kulturlandschaftliches 13 Gocher Heide beim Tannenbusch  ---- Denkmal binnenkolonisatorischer Peuplierungspolitik 14 Steinheide  ---- geschützt und anerkannt. Auch wenn nicht alle bin- 15 Duisburger Heide  ---- nenkolonisatorischen Aktivitäten der Preußen zum ge- 84 16 Königshardter Heide  ---- Abb. 6: Louisenplatz mit den 34 Bäumen im Zentrum des Pfälzerdorfes wünschten Erfolg geführt haben, so sind dennoch einige 17 Schravelsche Heide ----  Louisendorf (Photo: M. Zbroschzyk 2012). Neusiedlungen entstanden. Die bekanntesten Kolonien 18 Berber Heide ----  siedlung fremder Pfälzer Emigranten mit Einsatz ihrer stellen die pfälzischen Siedlungen Pfalzdorf, Louisen- 19 Gladbecker Heide ----  anthropogenen Energie verursacht wurde und persis- dorf und Neulouisendorf bei Goch, Neudorf bei Duisburg 20 Schaafs Heide  ---- tente Spuren in der Kulturlandschaft hinterlassen hat, und die Königshardt bei Oberhausen dar, aber auch die 21 Kleine Gocher Heide  ---- die bis heute an die Geschichte „landbezogener“ Peu- Siedlungen auf der Steinheide, der Bönninghardter Hei- 22 Gocher Heide  plierungspolitik erinnern. de, Spellenschen Heide und Asperdischen Heide wurden ---- mit zahlreichen ländlichen Kolonisten erfolgreich raum- 23 Voß Heide  ---- Bei der Ausgestaltung des Dorfbildes haben sich die wirksam besiedelt. 24 Oeffeltsche Heide  ---- Kolonisten besondere Mühe gegeben.80 Im Schnittpunkt 25 Zellensche Heide  ---- der beiden Straßenachsen und somit in der Mitte des Werden nun die im Kontext meiner Dissertation bearbei- 26 Hettenkamp  ---- Louisenplatzes wurde auf der Anhöhe ein runder Hain teten Quellen potenziell zu besiedelnder, wüstliegen- 27 Diersforth  ---- der Heidegebiete mit der von W. Ring herausgearbei- 28 Dinslakische Heide  ---- teten Auflistung peuplierter und ehemals unkultiviert 29 Egerheide  ---- gewesener Heidegründe zusammengefasst, so erge- 30 Homberger Heide  ---- ben sich unter Berücksichtigung des Weselschen und Summe 24 15 Meursischen Kreises insgesamt 39 Heideländereien Tab. T-1 Tab. 1: Tabelle der potenziell zu besiedelnden und tatsächlichpeuplierten Heidegründe in den rheinischen Territorialgebieten in den rheinischen Territorialgebieten Kleve, Geldern Kleve, Geldern und Moers im Kontext friderizianischer Binnenkolonisation „landbezogener“ Peuplierungspolitik. 83 und Moers, die im Zuge friderizianischer Peuplierungs- Allerdings müssen zur Vervollständigung einer Bilanzierung binnenkolonisatorischer Peuplierungspolitik rheinischer Territorialgebiete in Kleve, Geldern und Moers weitere regionale und lokale Forschungen getätigt politik besiedelt werden sollten.82 Im Zuge der Analyse werden, die im Zuge dieses Aufsatzes aufgrund des enormen Umfanges nicht detailliert gemacht werden „landbezogener“ Peuplierungspolitik fanden sich Hin- nisatorischekonnten. Projekte „stadt- und landbezogener“ Ko- in den Städten und auf den wüsten Ländereien hinter- 84 Auch Isselhard oder Hüttenhardt genannt. weise, dass auf 24 unkultivierten Heideflächen raum- lonisationspolitik der preußischen Regierungen in den ließen. wirksame Maßnahmen zur Urbarmachung und Besied- rheinischen Territorialgebieten raumwirksam umge- 19 lung eingeleitet worden sind (s. Tab. 1).83 setzt. Dabei wiesen die räumlichen Ansatzpunkte preu- Die intensivste Phase stadtkolonisatorischer Besied- ßischer Peuplierungspolitik zwischen den niederrhei- lungspolitik stellte die „Retablissementpolitik“ Fried- Fazit nischen Städten und dem „platten Land“ verschiedene richs des Großen nach dem Siebenjährigen Krieg dar. Trotz schwieriger naturräumlicher Rahmenbedingun- Ausgangspositionen, Motivationen, Schwierigkeiten Nach Auswertung zahlreicher Tabellen wurde in den gen und administrativer Kommunikationsproblemen und Qualitäten von angeworbenen Kolonisten auf, die niederrheinischen Städten Xanten, Sonsbeck, Orsoy, Abb. 7: Verteilungsplan von Louisendorf um 1821 (Gemeindearchiv Bedburg-Hau, Nachlass Jakob Imig, ND1-072). regionaler und lokaler Behörden wurden binnenkolo- auf unterschiedlichste Weise raumwirksame Spuren Kervenheim, Grieth, Kalkar und Büderich bezogen auf

62 63 alle vorhandenen bebauten und unbebauten Hausstel- mals darauf drängte, dass „[...] alles in dieser Provintz bezogene“ als auch die „landbezogene“ Peuplierungs- 8 Zur Semantik und Begriffsgeschichte des Wortes „Peuplierung“ siehe Asche, M.: Peuplierung, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 9, Stuttgart len eine städtische Siedlungsfläche von ca. 15% raum- wüst liegende und Cultivable zu machende Landt aus- politik in den rheinischen Territorialgebieten müssen 2009, Sp. 1042f.. wirksam wiederbesiedelt und mit Menschen peupliert. gethan werden soll“, damit sämtlich vorhandener, noch daher aufgrund multipler administrativer, gesamtpoli- 9 In der Frühen Neuzeit wurde der Begriff „Bevölkerung“ im Sinne der Dieser Wert zeugt von einer nicht zu vernachlässigen- wüstliegender Raum optimal zum Wohle des Staates tischer, naturräumlicher und lokaler Schwierigkeiten Vermehrung der Untertanenzahl gebraucht. Nach Krunitz`Oeconomi- 85 scher Encyclopädie aus dem Jahre 1788 verwendete man den Terminus den Raumwirksamkeit „stadtbezogener“ Peuplierungs- genutzt werden konnte. eine vermehrte Würdigung erhalten, die eine bis heute „Bevölkerung“ als Gegenbegriff zur „Entvölkerung“. Die frühneuzeitliche politik. Grundsätzlich beschränkte sich die Raumwirk- in der Forschung vorherrschende grundsätzliche Ver- Verwendungsweise lebt aber bis heute in der spezifisch demographi- schen Bedeutung (Wanderung und Zusammensetzung, Verteilung und samkeit „städtischer“ Kolonisation auf die räumliche Auch wenn der Vergleich mit absoluten Zahlen mit den nachlässigung und Abwertung im Vergleich zu den peu- Bewegung im Raum) des Begriffs „Bevölkerung“ weiter. Zur frühneuzeit- lichen Begriffsbedeutung von Bevölkerung siehe Elmer, J.: Bevölkerung, Bevölkerungsverdichtung bisher vorhandenen urbanen preußischen Kernlanden ein etwas „mageres“ Ergeb- plierungspolitischen Bemühungen in den Kernlanden in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 2, Stuttgart 2005, Sp. 94. Heute wird Siedlungsraumes. nis „stadt- und landbezogener“ Kultivierungspolitik in nicht verdienen. der Begriff „Bevölkerung“ im Sinne aller „ [...] statistisch erfassbaren Einwohner einer Gebietskörperschaft oder eines sonst wie eindeutig ab- den rheinischen Territorien ergibt, so haben dennoch grenzbaren Raumes“ definiert. Zitat ausK aufmann, F.-X.: Schrumpfende Gesellschaft. Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen (Edition Die friderizianische Epoche binnenkolonisatorischer zahlreiche binnenkolonisatorische Projekte als land- Suhrkamp; 2406), Frankfurt a. M. 2005, S. 23. Kultivierungspolitik stellt nicht nur den Höhepunkt schaftswirksame Innovation raumwirksame Spuren Endnoten 10 Das „Credo“ der Peuplierungspolitik („Die Bevölkerung ist der Reich- 1 Zitat aus Lau, T. L.: Aufrichtiger Vorschlag, Von glücklicher, vorteilhafter, „landbezogener“ Peuplierungspolitik, sondern auch kulturlandschaftsgenetischer Persistenz in der nie- beständiger Einrichtung der Intranden und Einkünften der Souverainen tum des Staates“) war überall gleich, aber die Umsetzung erfolgte in den einzelnen deutschen Territorien oftmals unterschiedlich. die stärkste Wirkungsmächtigkeit kulturlandschafts- derrheinischen Kulturlandschaft hinterlassen (s. Abb. und ihrer Unterthanen, in welchen von Policey- und Cammer-Negocien und Steuer-Sachen gehandelt wird (Neudruck von 1969, Frankfurt a. M.), Richtigerweise gab es gar nicht „die“ Peuplierungspolitik bzw. -theorie, verändernder Kraft peuplierungspolitischer Gesetzge- 8). Passend zum Titel der Tagung „Preußen und Land- Frankfurt a. M. 1719 ... , S. 5. sondern man müsste im Rahmen dieser Arbeit von einer Pluralität peuplierungspolitischer Theorien und damit von mehreren „Peu- bung dar. Die kulturlandschaftsgestaltende Kraft bin- schaft. Idee – Symbole – Veränderung“ verdeutlicht das 2 Die folgenden Ausführungen basieren größtenteils auf den Erkenntnis- plierungspolitiken“ und „Peuplierungstheorien“ sprechen. Vor allem die mit zahlreichen Anlockmitteln konzipierte Einwanderungspolitik nenkolonisatorischer Peuplierungspolitik veränderte Thema „Innere Kolonisation“ im Kontext preußischer sen meiner in Jahr 2014 in der Historischen Geographie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn publizierten Dissertation „Die unterschied sich in ihrem Ausmaß und ihrer Intensität von allen in der die kulturlandschaftliche Erscheinung enorm, wie aus Peuplierungspolitik, dass die peuplierungspolitische preußische Peuplierungspolitik in den rheinischen Territorien Kleve, Bevölkerungsgeschichte vorher getätigten Bevölkerungspolitiken und Geldern und Moers im Spannungsfeld von Theorie und räumlicher stellte somit ein bevölkerungspolitisches Novum dar. den Bereisungsprotokollen der zuständigen Magistra- Idee vom preußischen Staat im 17. und 18. Jahrhun- Umsetzung im 17. und 18. Jahrhundert.“ Diese ist bei mir direkt noch 11 Siehe dazu Schenk, W.: Historische Geographie (Geowissen Kompakt), te und Kriegs- und Steuerräte zu entnehmen ist. Der dert aufgegriffen, in ihrer preußischen Ausformung in analog als „gedrucktes“ Buch zu erhalten oder auch als „Online-Publi- kation“ auf dem ULB-Bonn-Server einzusehen: http://hss.ulb.uni-bonn. Darmstadt 2011, S. 45–55. Raumwirksamkeit peuplierungspolitischer Umsetzun- den rheinischen Territorien exekutiert und über den de/2014/3618/3618.htm, abgerufen am 02.11.2015. 12 Um das Jahr 1618 standen den westlichen 104 Quadratmeilen 1366 Quadratmeilen östliche Territorien gegenüber – ein Verhältnis von 7% gen waren sich die Staatsbeamten durchaus bewusst, fortschrittlichen bürokratischen Apparat preußischer 3 Siehe dazu Schenk, W.: Historische Geographie, in: Ders./Schliephake, K. zu 93%. Um 1713, als die Territorien von Minden, Moers, Obergeldern, wie exemplarisch das Zitat der Klevischen Kriegs- und Staatstätigkeit kulturlandschaftsverändernd auf die (Hrsg.): Allgemeine Anthropogeographie (Perthes Geographie Kolleg), Gotha 2005, S. 215–264. Tecklenburg und Lingen hinzugekommen waren, erreichten die westli- Domänenkammer verdeutlicht, die im Jahre 1770 aber- rheinische Landschaft gewirkt hat. Sowohl die „stadt- chen Landesteile nun einen Wert von 8,5% bezüglich der Gesamtfläche Brandenburg-Preußens. Zahlen aus Flink, K.: Kleve im 17. Jahrhundert, 4 Siehe dazu Schenk, W.: Der Wandel der Kulturlandschaft seit dem frühen Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung als Variable der Be- 3. Teil, (Klever Archiv 1 und 2), Kleve 1979–1980, S. 10. Zudem waren völkerungszahl, in: LVR-Fachbereich Umwelt (Hrsg.): Demographie und die Bevölkerungsverluste und die Verwüstungen in den rheinischen Kulturlandschaft. Tagungsdokumentation vom 18.–19. Oktober 2007 in Territorien geringer als in den brandenburgischen Stammlanden und Geldern (Beiträge zur Landesentwicklung; 61), Köln 2008, S. 9–13. Zum erforderten dadurch eine andere, intensivere Peuplierungspolitik. semantisch stark aufgeladenen Begriff „Kulturlandschaft“ siehe Schenk, W.: „Landschaft“ und „Kulturlandschaft“ – „getönte“ Leitbegriffe für 13 Siehe zur territorialen Entwicklung Preußens am Rhein Janssen, W.: Die aktuelle Konzepte geographischer Forschung und räumlicher Planung, Entwicklung des Territoriums Kleve (Geschichtlicher Atlas der Rhein- in: PGM 146 (6), S. 6–13. lande, Beiheft V/11–12), Bonn 2007, S. 20–26; Hantsche, I.: Preußen am Rhein. Kleiner kommentierter Atlas zur Territorialgeschichte Branden- burg-Preußens am Rhein, Essen 2002, S. 7–13. 5 Siehe dazu Mackensen, R.: Theoretische Konzeptionen bevölkerungs­ politischen Handelns, in: Buchholz, E. W. u. Wander, H. (Hrsg.): Bevölke- rungswissenschaft – Bevölkerungspolitik. Wissenschaftliche Grundlagen 14 Siehe dazu Goeters, J. F. G.: Der Protestantismus im Herzogtum Kleve bevölkerungspolitischen Handelns. Bericht über die Studientagung der im 17. Jahrhundert. Konfessionelle Prägung, kirchliche Ordnung und deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft e. V. vom 25. bis Stellung im Lande, in: Ders. (Hrsg.): Studien zur niederrheinischen 29. November 1974 in Berlin, Kiel 1975, S. 95. Auch W. Blickel, der eine Reformationsgeschichte (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Untersuchung über die schweizerische Bevölkerungspolitik tätigte, Kirchengeschichte; 153), Köln 2002, S. 213–230. sprach von einer historischen Tatsache, dass „ [...] das gesamte wirt- schaftliche, soziale und kulturelle Leben eines Landes mit der Größe und 15 Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den westlichen und östlichen Gebieten Preußens lag in der Agrarverfassung. Am Nieder- der Struktur seiner Bewegungen zusammenhängt.“ Zitat aus Blickel, W.: Bevölkerungsgeschichte und Bevölkerungspolitik der Schweiz seit dem rhein herrschte die Rentengrundherrschaft mit Pachtverhältnissen, Ausgang des Mittelalters (Forschung und Leben), Zürich 1947, S. 11. eine Gutsherrschaft ostelbischer Prägung war den Rheinländern und Rheinländerinnen fremd. Das Ergebnis war ein Fehlen der gutsherr- schaftlichen Herrschaft mit der kennzeichnenden obrigkeitsstaat- 6 Zitat aus Schenk, W.: Der Wandel der Kulturlandschaft seit dem frühen Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung als Variable der Be- lichen Stellung des Gutsherrn. Siehe dazu auch Carl, H.: Nachbarn völkerungszahl ... S. 10; Siehe dazu auch Ders.: Historische Geographie. auf Distanz. Brandenburg-Preußen und die Rheinlande im 17. und 18. Umwelthistorische Brückenfach zwischen Geschichte und Geographie, Jahrhundert, in: Mölich, G.; Pohl, M. u. Veltzke, V. (Hrsg.): Preußens in: Siemann, W. (Hrsg.): Umweltgeschichte. Themen und Perspekti- schwieriger Westen, Duisburg 2003, S. 5. ven (Beck’sche Reihe; 1519), München 2003, S. 129–146. Auch Ders.: Historische Geographie, in: Ders./Schliephake, K. (Hrsg.): Allgemeine 16 Siehe Janssen, W.: Kleine Rheinische Geschichte, Düsseldorf 1997, Anthropogeographie (Perthes Geographie Kolleg), Gotha 2005, bes. S. 212. S. 217 oder Jäger, H.: Einführung in die Umweltgeschichte (Die Geo- graphie), Darmstadt 1994. 17 Siehe Braubach, M.: Vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kong- reß (1648–1815), in: Petri, Fr./Droege, G. (Hrsg.): Rheinische Geschich- te, Bd. 2, Neuzeit, Düsseldorf 1976, S. 230. 7 Zitat aus Denecke, D.: Historisch-genetische Siedlungsforschung im Rah- men einer Historischen Geographie der Kulturlandschaft. Die vielseitige 18 Zitat aus Kaiser, M.: Erweiterte Spielräume. Möglichkeiten landständi- Epoche von 1960-2000, in: Haffke, J.; Kleefeld, K.-D. u. Schenk, W. (Hrsg.): Historische Geographie. Konzepte und Fragestellungen. Gestern – Heute scher Politik in Kleve und Mark im frühen 17. Jahrhundert, in: Groten, – Morgen. Festschrift für Klaus Fehn zum 75. Geburtstag (Colloquium M.; Looz-Corswarem, C. u. Reininghaus, W. (Hrsg.): Der Jülich-Klevi- Abb. 8: Lokalisation preußischer Peuplierungsaktivitäten in den rheinischen Territorien Kleve, Geldern und Moers im 17. und 18. Jahrhundert Geographicum; 33), Bergisch Gladbach 2011, S. 39. sche Erbstreit 1609. Seine Voraussetzungen und Folgen – Vortragsband (Publikation der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde: Vorträ- (Entwurf: M. Zbroschzyk 2014, Kartographie: St. Zöldi). ge; 36) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen: Neue Folge; 1), Düsseldorf 2011, S. 85.

64 65 19 Siehe Janssen, W.: Kleine Rheinische ... , S. 212. Der Große Kurfürst, für 34 Zitiert aus Mott, B.: Pfälzer am Niederrhein. Die Geschichte der Pfäl- 67 Siehe dazu die Karte vom 6. Mai 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregist- Bibliographie und Quellen den die rheinischen Gebiete auch noch politisch wichtig waren, förderte zersiedlungen Pfalzdorf, Louisendorf und Neulouisendorf im Rahmen ratur, Nr. 737. das Gewerbe und die Wirtschaft des Landes mit Hilfe einer toleranten der preußischen Binnenkolonisation des 18. und 19. Jahrhunderts, Asche, M.: Peuplierung, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Politik gegenüber den religiösen Minderheiten und durch punktuelle Goch/Kalkar 1989 , S. 7. 68 Zitat vom 15. Dezember 1769 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Bd. 9, Stuttgart 2009, Sp. 1042–1045. Gewährungen von Privilegien, Monopolen, Prämien, Vergünstigungen Nr. 755. und Steuererleichterungen. Zum Beispiel wurden für die Juden die 35 Die Zahlen sind entnommen aus Carl, H.: Nachbarn auf Distanz ... , S. 5. Handelsbeschränkungen aufgehoben. Sie erlangten für den Handel und 69 Zitat vom 15. Dezember 1769 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, lickel Geldverkehr bald eine besondere und herausragende Stellung. All dies 36 Siehe dazu Koepp, H.-J.: Kelten, Kirche und Kartoffelpüree. Chronologie Nr. 755. B , W.: Bevölkerungsgeschichte und Bevölke- waren schon die ersten Ansätze und Folgen preußischer peuplierungs- der 750-jährigen Geschichte der Stadt Goch, Bd. 2, Vom Dreißigjährigen rungspolitik der Schweiz seit dem Ausgang des politischer Umsetzungen in den rheinischen Territorien. Krieg bis zur Deutschen Revolution (1615-1846), Goch 2006, S. 20-26. 70 Zitat vom 15. Dezember 1769 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 755. Mittelalters (Forschung und Leben), Zürich 1947. 20 Zitat Friedrich Wilhelms I. aus dem Jahr 1722 aus seinem politischen 37 Zitat aus StAG, M I/461. Testament. Hier entnommen aus Hantsche, I.: Preußen am Rhein. 71 Zitat vom 15. Dezember 1769 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Kleiner kommentierter Atlas zur Territorialgeschichte Branden- 38 Zitat vom Jahr 1639 aus StAG, K 544. Nr. 755. Braubach, M.: Vom Westfälischen Frieden bis zum burg-Preußens am Rhein, Essen 2002, S. 10. Auch Müller, K.: Moers in preußischer und französischer Zeit (1702–1815), in: Wensky, M. (Hrsg.): 39 Zitat aus StAG, M I/461. 72 Zitat vom 18. Dezember 1769 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Wiener Kongreß (1648–1815), in: Petri F. u. Droege, G. Moers. Die Geschichte der Stadt von der Neuzeit bis zur Gegenwart, Bd. Nr. 755. 2, Köln/Weimar 2000, S. 1–141, zur demographischen Genese bes. S. 40 Zitat aus StAG, M I/461. (Hrsg.): Rheinische Geschichte, Bd. 2, Neuzeit, 108-118, zur politischen Geschichte bes. S. 1–45. Siehe speziell zu Gel- 73 Zitat vom 18. Dezember 1769 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Düsseldorf 1976, S. 219–365. dern auch Hantsche, I.: Geldern-Atlas. Karten und Texte zur Geschichte 41 Zitat aus StAG, K 544. Auch in dem historischen Bericht von der Stadt Nr. 755. eines Territoriums (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Goch aus dem Jahre 1722 wurde festgehalten, dass in „ [...] denen Geldern und Umgebung; 103), Geldern 2003, S. 18f. und 44f. letzteren Niederländischen und Frantzösischen Kriegen, sonderlich 74 Zitat vom 18. Dezember 1769 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, in Anno 1672, 1679, 1688 und 1689 (...) die Stadt auch sehr herhalten“ Nr. 755. Carl, H.: Nachbarn auf Distanz. Brandenburg-Preu- 21 Siehe dazu Carl, H.: Nachbarn auf Distanz … , S. 1–26; Opgenoorth, musste, welche „ [...] den orth mit Brandt-Schatzungen sehr ruiniret ßen und die Rheinlande im 17. und 18. Jahrhundert, E.: Die rheinischen Gebiete Brandenburg-Preußens im 17. und 18. und die bürger Verjaget“ hat. Zitat vom 1. Mai 1722 aus HSTAD, Kleve 75 Zitat vom 23. Februar 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 755. Jahrhundert, in: Baumgart, P. (Hrsg.): Expansion und Integration. Zur Kammer, Nr. 3482. in: Mölich, G.; Pohl, M. u. Vetzke, V. (Hrsg.): Preußens Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußischen Staat, Köln/ 76 Zitat vom 27. Februar 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 755. Wien 1983, S. 33–44. Auch Dascher, O.: Preußen und seine westlichen 42 Zitat aus dem Jahre 1666 aus StAG, M II/97. schwieriger Westen, Duisburg 2003, S. 1–26. Provinzen. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im späten 18. Jahrhundert, 77 Zahl entnommen aus Wensky, M.: Vom 12. Jahrhundert bis 1815, in: in: Stinner, J. u. Tekath, K.-H. (Hrsg.): Gelre-Geldern-. Ge- 43 Zitat aus dem Jahre 1666 aus StAG, M II/97. Dies. (Hrsg.): Sonsbeck. Die Geschichte der niederrheinischen Gemein- schichte und Kultur des Herzogtums Geldern, Geldern 2001, S. 87–94. de von der Frühzeit bis zur Gegenwart (Stadt und Gesellschaft: Studien Dascher, O.: Preußen und seine westlichen Provinzen. 44 Zitat aus dem Jahre 1666 aus StAG, M II/97. Siehe dazu auch Koepp, zum Rheinischen Städteatlas; 3), Köln 2003, S. 103. 22 Siehe dazu Hantsche, I.: Preußen ... , S. 10. H.-J.: Kelten, Kirche und Kartoffelpüree ... , S. 40. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im späten 78 Siehe dazu Imig, J.: Die Bönninghardt, in: RHK (1979), S. 69. 18. Jahrhundert, in: Stinner, J. u. Tekath, K.-H. (Hrsg.): 23 Siehe dazu Hantsche, I.: Preußen ... , S. 7f.. 45 Zitat aus dem Jahre 1666 aus StAG, M II/97. 79 Zitat aus Schütz, O. v.: Die Gründung von Pfalzdorf nach urkundlichen Gelre-Geldern-Gelderland. Geschichte und Kultur des 24 Siehe dazu Göse, F.: Von überforderten Statthaltern, fragilen Loyali- 46 Zitat vom 6. April 1670 aus StAG, M II/274. Quellen und mündlicher Überlieferung, 4. Aufl., Pfalzdorf 2000, S. 9. täten und gestörter Kommunikation. Das militärische Engagement Herzogtums Geldern, Geldern 2001, S. 87–94. Kurbrandenburgs am Niederrhein und in Westfalen während des 47 Zitat vom 21. Dezember 1654 aus StAG, A 47,1. 80 Zum Siedlungsbild siehe Mott, B.: Pfälzer am Niederrhein ... , S. 49. Jülich-Klevischen Erbfolgekonflikts, in: Groten, M.; Looz-Corswarem, C. u. Reininghaus, W. (Hrsg.): Der Jülich-Klevische Erbstreit 1609. 48 Siehe dazu Koepp, H.-J.: Kelten, Kirche und Kartoffelpüree ... , S. 100. 81 Zur Dorfgestaltung Louisendorfs siehe Jörissen, J.: 175 Louisendorf. Denecke, D.: Historisch-genetische Siedlungsforschung Seine Voraussetzungen und Folgen – Vortragsband (Publikation der Chronik eines Pfälzerdorfes am Niederrhein, Louisendorf 1995, S. Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde: Vorträge; 36) (Veröffent- 49 Siehe dazu StAG, B 165. 22–28. im Rahmen einer Historischen Geographie der Kultur- lichungen der Historischen Kommission für Westfalen: Neue Folge; landschaft. Die vielseitige Epoche von 1960–2000, 1), Düsseldorf 2011, S. 203-224, bes. zu den „langen Wegen“ und der 50 Siehe dazu Heesch, A.: Die Mennoniten am unteren Niederrhein, in: 82 Siehe dazu Ring, W.: Kolonisationsbestrebungen ... , S. 97–101. geographischen Randlage S. 218-220. HKLE (1969), S. 57–60, bes. S. 58. in: Haffke, J. u. Kleefeld, K.-D. u. Schenk, W. (Hrsg.): 83 Allerdings müssen zur Vervollständigung einer Bilanzierung binnen- 25 Zitiert aus der Policeyverordnung vom 11. Januar 1710, abgedruckt bei 51 Zahlen entnommen aus StAG, B 165. kolonisatorischer Peuplierungspolitik rheinischer Territorialgebiete in Historische Geographie. Konzepte und Fragestellungen. Scotti, Bd. 1, S. 765f., Nr. 602. Kleve, Geldern und Moers weitere regionale und lokale Forschungen Gestern – Heute – Morgen. Festschrift für Klaus Fehn 52 Zitat vom 1. Mai 1722 aus HSTAD, Kleve Kammer, Nr. 3482. getätigt werden, die im Zuge dieses Aufsatzes aufgrund des enormen 26 Zitat vom 13. Mai 1709 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 1162. Umfanges nicht detailliert gemacht werden konnten. zum 75. Geburtstag (Colloquium Geographicum; 33), 53 Zitat vom 1. Mai 1722 aus HSTAD, Kleve Kammer, Nr. 3482. 27 Zitat vom 13. Mai 1709 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 1162. 84 Auch Isselhard oder Hüttenhardt genannt. Bergisch Gladbach 2011, S. 9–60. 54 Siehe dazu die HSTAD, Kleve Kammer Berlin, Nr. 889. 28 Zitat vom 13. Mai 1709 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 1162. 85 Zitat vom 19. März 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 1098. 55 Siehe dazu HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 75. Elmer, J.: Bevölkerung, in: Enzyklopädie der Neuzeit, 29 Zitiert aus Friedrich der Große: Das politische Testament von 1752, aus dem Französischen übertragen von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, 56 Zitat vom 5. Juli 1763 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 503. Bd. 2, Stuttgart 2005, Sp. 94–119. mit einem Nachwort von Eckhart Most (Reclams Universal-Bibliothek; 9723), bibliographisch erneuerte Ausgabe, Stuttgart 1987, S. 45. 57 Zitat vom 16. Juli 1764 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 503. Flink, K.: Kleve im 17. Jahrhundert. Studien und Quel- 30 Zitat Friedrich des Großen, abgedruckt in Ring, W.: Kolonisationsbestre- 58 Zitat vom 4. Juli 1764 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 503. In ganz bungen Friedrichs des Großen am Niederrhein (Schriften des Duisbur- speziellen Sonderfällen war der Staat zur schnelleren Wiederherstel- len, 2 Bände, (Klever Archiv 1 und 2), Kleve 1979–1980. gers Museumsvereins; 7), Univ. Diss., Duisburg, 1917, S. 12. lung städtischer Hausstellen sogar bereit, noch 5% mehr Baufreiheits- gelder, also insgesamt 30%, zu zahlen. 31 Zitat aus Friedrich der Große: Regierungsformen und Herrscher- Friedrich des Grossen: Regierungsformen und Herr- pflichten, in: Neuhaus, H. (Hrsg.): Deutsche Geschichte in Quellen und 59 Zitat vom 4. Juli 1764 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 503. Darstellung, Bd. 5, Zeitalter des Absolutismus 1648–1789 (Reclams scherpflichten, in: Neuhaus, H. (Hrsg.): Deutsche Universal-Bibliothek; 17005), Stuttgart 1997, S. 234. 60 Zitat vom 4. Juli 1764 aus HSTAD, Kleve-Mark-Akten, Nr. 503. Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 5, Zeitalter 32 Zitiert aus Friedrich der Große: Das politische Testament von 1752, 61 Zitat vom 19. März 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 1187. des Absolutismus 1648-1789 (Reclams Universal- aus dem Französischen ... , S. 9. 62 Zitat vom 19. März 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 1187. Bibliothek; 17005), Stuttgart 1997, S. 231–237. 33 Wie seine Vorgänger bereits erkannte auch er, dass die rheinischen Territorien im Ernstfall militärisch nicht zu verteidigen gewesen 63 Zitat vom 19. März 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 1187. wären, sodass seine peuplierungspolitischen Bemühungen primär den brandenburgisch-preußischen Kernprovinzen dienen müssen, weil ihm 64 Zitat vom 19. März 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 1187. „ [...] hierunter an die Clevische Lande so sehr eben nicht gelegen ist.“ Zitat Friedrich des Großen in einem Schreiben vom 27. Februar 1770 65 Zitat vom 6. Mai 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 737. an die Minister von Hagen und von Derschau, abgedruckt bei Ring, W.: Kolonisationsbestrebungen ... , S. 32. 66 Zitat vom 6. Mai 1770 aus HSTAD, Xanten Kreisregistratur, Nr. 737.

66 67 Friedrich der Grosse: Politische Testamente Fried- Jörissen, J.: 175 Louisendorf. Chronik eines Pfälzerdor- Opgenoorth, E.: Die rheinischen Gebiete Branden- Wensky, M.: Vom 12. Jahrhundert bis 1815, in: Dies. richs des Großen, in: Neuhaus, H. (Hrsg.): Deutsche fes am Niederrhein, Louisendorf 1995. burg-Preußens im 17. und 18. Jahrhundert, in: (Hrsg.): Sonsbeck. Die Geschichte der niederrheini- Geschichte in Quellen und Darstellung, Bd. 5, Zeitalter Kaiser, M.: Erweiterte Spielräume. Möglichkeiten Baumgart, P. (Hrsg.): Expansion und Integration. Zur schen Gemeinde von der Frühzeit bis zur Gegenwart des Absolutismus 1648–1789 (Reclams Universal- landständischer Politik in Kleve und Mark im frühen Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußi- (Stadt und Gesellschaft: Studien zum Rheinischen Bibliothek; 17005), Stuttgart 1997, S. 207–212. 17. Jahrhundert, in: Groten, M. u. Looz-Corswarem, C. schen Staat, Köln/Wien 1983, S. 33–44. Städteatlas; 3), Köln 2003, S. 21–194. u. Reininghaus, W. (Hrsg.): Der Jülich-Klevische Erb- Göse, F.: Von überforderten Statthaltern, fragilen Loya- streit 1609. Seine Voraussetzungen und Folgen – Vor- Ring, W.: Kolonisationsbestrebungen Friedrichs des Zbroschzyk, M.: Die preußische Peuplierungspolitik in litäten und gestörter Kommunikation. Das militärische tragsband (Publikation der Gesellschaft für Rheinische Großen am Niederrhein (Schriften des Duisburgers den rheinischen Territorien Kleve, Geldern und Moers Engagement Kurbrandenburgs am Niederrhein und Geschichtskunde: Vorträge; 36) (Veröffentlichungen Museumsvereins; 7), Univ. Diss., Duisburg, 1917. im Spannungsfeld von Theorie und räumlicher Um- in Westfalen während des Jülich-Klevischen Erbfol- der Historischen Kommission für Westfalen: Neue setzung im 17. und 18. Jahrhundert, Univ. Diss., Bonn gekonflikts, in: Groten, M. u. Looz-Corswarem, C. u. Folge; 1), Düsseldorf 2011, S. 83–110. Schenk, W.: Historische Geographie, in: Ders./Schlie- 2014. Reininghaus, W. (Hrsg.): Der Jülich-Klevische Erbstreit phake, K. (Hrsg.): Allgemeine Anthropogeographie 1609. Seine Voraussetzungen und Folgen – Vortrags- Kaufmann, F.-X.: Schrumpfende Gesellschaft. Vom (Perthes Geographie Kolleg), Gotha 2005. Abkürzungen: band (Publikation der Gesellschaft für Rheinische Ge- Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen (Edition Schenk, W.: Historische Geographie (Geowissen HSTAD – Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (seit 2008 schichtskunde: Vorträge; 36) (Veröffentlichungen der Suhrkamp; 2406), Frankfurt a. M. 2005. Kompakt), Darmstadt 2011. Landesarchiv Nordrhein Westfalen/Abt. Rheinland) Historischen Kommission für Westfalen: Neue Folge; 1), Düsseldorf 2011, S. 203–224. Koepp, H.-J.: Kelten, Kirche und Kartoffelpüree. Schenk, W.: Historische Geographie. Umwelthistori- StAG – Stadtarchiv Goch Chronologie der 750-jährigen Geschichte der Stadt sches Brückenfach zwischen Geschichte und Geo- Goeters, J. F. G.: Der Protestantismus im Herzogtum Goch, Bd. 2, Vom Dreißigjährigen Krieg bis zur graphie, in: Siemann, W. (Hrsg.): Umweltgeschichte. Kleve im 17. Jahrhundert. Konfessionelle Prägung, Deutschen Revolution (1615–1846), Goch 2006. Themen und Perspektiven (Beck’sche Reihe; 1519), kirchliche Ordnung und Stellung im Lande, in: Ders. München 2003, S. 129–146. (Hrsg.): Studien zur niederrheinischen Reformations- Lau, T. L.: Aufrichtiger Vorschlag, Von glücklicher, vor- geschichte (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische teilhafter, beständiger Einrichtung der Intranden und Schenk, W.: Der Wandel der Kulturlandschaft seit dem Kirchengeschichte; 153), Köln 2002, S. 213–230. Einkünften der Souverainen und ihrer Unterthanen, frühen Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisie- in welchen von Policey- und Cammer-Negocien und rung als Variable der Bevölkerungszahl, in: LVR-Fach- Hantsche, I.: Geldern-Atlas. Karten und Texte zur Steuer-Sachen gehandelt wird (Neudruck von 1969, bereich Umwelt (Hrsg.): Demographie und Kulturland- Geschichte eines Territoriums (Veröffentlichungen des Frankfurt a. M.), Frankfurt a. M. 1719. schaft. Tagungsdokumentation vom 18.-19. Oktober Historischen Vereins für Geldern und Umgebung; 103), 2007 in Geldern (Beiträge zur Landesentwicklung; 61), Geldern 2003. Mackensen, R.: Theoretische Konzeptionen bevöl- Köln 2008, S. 9–13. kerungspolitischen Handelns, in: Buchholz, E. W./ Hantsche, I.: Preußen am Rhein. Kleiner kommentierter Wander, H. (Hrsg.): Bevölkerungswissenschaft – Be- Schenk, W.: „Landschaft“ und „Kulturlandschaft“ – Atlas zur Territorialgeschichte Brandenburg-Preußens völkerungspolitik. Wissenschaftliche Grundlagen „getönte“ Leitbegriffe für aktuelle Konzepte geogra- am Rhein, Essen 2002. bevölkerungspolitischen Handelns. Bericht über die phischer Forschung und räumlicher Planung, in: PGM Studientagung der deutschen Gesellschaft für Bevöl- 146 (6), S. 6–13. Heesch, A.: Die Mennoniten am unteren Niederrhein, in: kerungswissenschaft e. V. vom 25. bis 29. November HKLE (1969), S. 57–60. 1974 in Berlin, Kiel 1975, S. 88–101. Schütz, O. H. v.: Die Gründung von Pfalzdorf nach urkundlichen Quellen und mündlicher Überlieferung, Imig, J.: Die Bönninghardt, in: RHK (1979), S. 67–70. Mott, B.: Pfälzer am Niederrhein. Die Geschichte der 4. Aufl., Pfalzdorf 2000. Pfälzersiedlungen Pfalzdorf, Louisendorf und Neuloui- Jäger, H.: Einführung in die Umweltgeschichte sendorf im Rahmen der preußischen Binnenkolonisa- Scotti, J. J.: Sammlungen der Gesetze und Verord- (Die Geographie), Darmstadt 1994. tion des 18. und 19. Jahrhunderts, Goch/Kalkar 1989. nungen welche in dem Herzogtum Cleve und in der Grafschaft Mark über Gegenstände der Landeshoheit, Janssen, W.: Kleine Rheinische Geschichte, Müller, K.: Moers in preußischer und französischer Verfassung und Rechtspflege ergangen sind, vom Jah- Düsseldorf 1997. Zeit (1702–1815), in: Wensky, M. (Hrsg.): Moers. Die re 1418 bis zum Eintritt der königlichen preußischen Geschichte der Stadt von der Neuzeit bis zur Gegen- Regierung im Jahre 1816. Erster und Zweiter Theil, Janssen, W.: Die Entwicklung des Territoriums Kleve wart, Bd. 2, Köln/Weimar 2000, S. 1–141. Düsseldorf 1826. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft V/11- 12), Bonn 2007.

68 69 Die wechselvolle Geschichte des Obstbaus im Bergi- die besondere Bedeutung, die heimischem Obst in den schen Land ist bezüglich seiner kulturellen, sozialen letzten Jahren als Bestandteil gesunder und ausge- und wirtschaftlichen Dimensionen bislang nur ansatz- wogener Ernährung zukommt. Insofern spiegeln alte weise erforscht.2 Kulturhistorisch Interessierte mag Baumgärten mit ihrer Sortenvielfalt und oft individuell dies verwundern, da in den Archiven der Kommunen gewachsenen Apfel-, Birnen- oder Zwetschenbäumen und Kreise zahlreiche Quellen überliefert sind, die sehr einen mittlerweile wieder gern gesehenen Anachronis- gute Voraussetzungen dafür bieten, diese landwirt- mus zu den zumeist glatt und winkelrecht modernisier- schaftliche Sonderkultur genauer zu untersuchen. Die- ten ländlichen Siedlungen wider. Der krummgewachse- ses Desiderat steht in einem merkwürdigen Kontrast zu ne Obstbaum symbolisiert dabei für viele Menschen die der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Obstwiesen. vermeintlich gute alte Zeit des Landlebens und damit Ihnen ist in den letzten Jahren dank des Landschafts- eine überschaubare Welt. Verstärkt wird diese nostal- und Naturschutzes kurz vor ihrem völligen Verschwin- gische Wahrnehmung noch durch die erst in den 1970er den große emotionale Aufmerksamkeit in der Öffent- Jahren geprägte Wortschöpfung „Streuobstwiese“3. Sie lichkeit zuteil geworden. Verstärkt wird die dabei zum zählt mittlerweile zum sprachlichen Allgemeingut und Ausdruck gebrachte hohe Wertschätzung noch durch hat überlieferte Bezeichnungen wie „Obstwiese“ oder

Als der Schulgarten1 noch (überlebens-)wichtig war – Kulturgeschichtliche Aspekte des Obstbaus im Bergischen Land Michael Kamp

Abb. 1: Historischer „Situationsplan (Obsthofweide)“ mit Sortenbezeichnungen (Familienarchiv Preyer, Wermelskirchen).

70 71 „Baumgarten“ weitgehend ersetzt. Zweifelsohne be- Die preußische Landschule und ihre pomologischen Schulpfleger und Landräte gegenüber der Regierung wirkte ihre mediale Verbreitung ein Umdenken, so dass Aktivitäten zu befolgen hatten.11 Dies ist auch der Grund dafür, die 1956 im „Grünen Plan“ beschlossene prämierte Ab- Gewiss hat die naturromantisch verklärte Betrachtung dass in vielen rheinischen Archiven Nachweise über die holzung der traditionellen Hochstamm-Obstkulturen unserer Kulturlandschaft zu einer Renaissance klein- regionale Entwicklung der Obstkultur bis zum Ende der in Deutschland ein Ende fand. Allein im Bergischen strukturierter und artenreicher Obstbaumkulturen ge- Preußischen Monarchie im Jahr 1918 zahlreich über- Land dürften diesem Programm hunderttausende von führt. Dies ist ebenso positiv zu vermerken wie die Re- liefert sind. Obwohl diese Dokumente eine wertvolle Bäumen mit vielen heute seltenen Obstsorten zum vitalisierung vieler längst vergessener Regionalsorten Quelle zur Kulturgeschichte des Obstbaus im Bergi- Opfer gefallen sein. Ziel der Rodungen war, Platz für als wichtiger Beitrag einer geschmacklichen Vielfalt. schen Land darstellen, sind sie bislang wenig beach- profitablere Niederstammkulturen zu schaffen, um Doch dürfen diese Erfolge nicht darüber hinwegtäu- tet worden.12 In seinem Bestreben, landwirtschaftliche den deutschen Obstbau wieder international wett- schen, dass die kulturhistorischen Dimensionen dieser Sonderkulturen zu fördern, unterschied sich Berlin – bewerbsfähiger zu machen. Dieser Aderlass der öko- landwirtschaftlichen Sonderkultur bislang weitgehend seit 1815 auch oberster Verwaltungssitz für das Ber- logischen Vielfalt fand zwei Jahrzehnte später jedoch unerforscht blieben. So ist kaum bekannt, dass wesent- gische Land - nur in Nuancen von anderen deutschen eine kuriose Wendung: Nun vergab die öffentliche Hand liche Impulse zu der flächendeckenden Verbreitung des Landesherrschaften, deren Potentaten das gleiche Ziel Prämien, wenn Landwirte wieder regionale Obstsorten Obstbaus in der Region zwischen Sieg und Wupper von wie der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770– pflanzten. Selbst unmittelbar an den Baumfällaktionen engagierten Elementarschullehrern, sprich von Laien, 1840) verfolgten: der allgegenwärtigen Armut auf dem Abb. 3: Großer Rheinischer Bohnapfel; Tafel XIX aus L(udwig), Beteiligte wie Alfred Bartl (1922–2013), der langjährige weniger von den Bauern und Bäuerinnen und deren In- Land zu begegnen und ihre Steuereinnahmen zu erhö- Hinterthür: Der Apfel, Leipzig o. J. (1912). Obstbauinspektor des Rheinisch-Bergischen Kreises4, stitutionen selbst ausgingen. Sie vermittelten ihr Wis- hen. Dazu war es notwendig, die trotz der sogenannten engagierten sich später leidenschaftlich für die Sorten- sen an die männliche Schuljugend der oberen Klassen Bauernbefreiung noch im alten, feudalen Denken be- vielfalt und gaben ihr umfangreiches pomologisches und diese wiederum gab die im Obstbau erworbenen Marmelade und Sirup wie auch zu Säften, Wein oder harrende Landwirtschaft mit neuen Erkenntnissen und Wissen bereitwillig auch in Workshops des LVR-Frei- Kenntnisse an ihre Familien in den Dörfern weiter. Zu- Essig. Insofern waren viele Sorten gar nicht als „Tafel- Bewirtschaftungsmethoden zu modernisieren. Wäh- lichtmuseums Lindlar weiter.5 Auf den ersten Blick mindest lässt sich dies im östlichen Teil des Bergischen obst“ für den direkten Verzehr gedacht, sondern fanden rend das vergebliche Bemühen um die Seidenkultur in impliziert der Begriff „Streuobstwiese“ ein naturnahes Landes nachweisen, dessen naturräumliche Gegeben- sich als „Wirtschaftsobst“ in der Wertschöpfungskette preußischen Landen in der Forschung einen gewissen und planloses Wachstum von Bäumen. Doch hält eine heiten für ertragreiche Obsternten zunächst weniger wieder. Dabei konnte der Spezialisierungsgrad bei einst Bekanntheitsgrad erlangt hat, kann dies vom erfolg- solche wohl beabsichtigte Assoziation nicht den histo- geeignet erschienen. Weitgehend ist es dem persön- in unseren Breiten weit verbreiteten Sorten sehr hoch reicheren Obstbau im Bergischen Land nicht behaup- rischen Gegebenheiten stand. Selbst kleinere Obstkul- lichen Engagement der preußischen Lehrerschaft im sein: So galt der „Rote Trierer Weinapfel“ als idealer tet werden. Allerdings ließ dessen Umsetzung auf sich turen waren auf Produktivität angelegt und planmäßig 19. Jahrhundert zu verdanken, dass sich weite Teile des Mostapfel, während sich der „Rheinische Bohnapfel“ warten, da nicht alle Landratsämter und Gemeinden die entwickelt, wie die um 1900 erfolgte und später erwei- Bergischen Landes alljährlich im Frühling in eine blü- auch als Dörrobst eignete. Als lukrativ erwiesen sich entsprechenden Vorschriften beachteten. Darüber hin- terte Anlage eines Baumgartens der Familie Preyer in hende Kulturlandschaft verwandelten, deren ephemere süße Apfel- und Birnensorten vor allem dann, wenn sie aus nahmen nur wenige, aber dafür sehr ambitionierte Wermelskirchen-Kreckersweg belegt. Sie weist ein ge- Ästhetik im Frühsommer nicht nur viele Ausflügler und zu „Kruik“ oder „Kraut“ verarbeitet werden konnten. Pädagogen diese neue Aufgabe an. Die Übrigen fühlten naues Pflanzraster auf, bei dem nicht nur die Sorten in Ausflüglerinnen sowie Sommerfrischler und Sommer- Dabei handelt es sich um einen, dem Rübenkraut ähn- sich mangels pomologischer Kenntnisse überfordert, einer bestimmten Beziehung zueinander gesetzt, son- frischlerinnen anlockte, sondern auch das Lebensge- lichen Brotaufstrich, der bis in die Weimarer Zeit weit besaßen keine geeigneten Grundstücke oder verwei- dern auch die Abstände zwischen den einzelnen Bäu- fühl der überwiegend armen Landbevölkerung heben verbreitetet war und „braune Butter“ genannt wurde. gerten sich grundsätzlich, da sie diese Unterrichts- men regelmäßig angelegt wurden.6 sollte. Die zur Herstellung benötigten Verarbeitungsstätten leistung ohne eine zusätzliche Vergütung erbringen existierten einst in vielen Dörfern im Bergischen, und sollten. Ursache ihrer Widerständigkeit war wohl, dass Der Solinger Lehrer und Pomologe Ferdinand Rubens trugen die Bezeichnung „Apfel- oder Krautpasche“oder der preußische Staat die Leistungen der Elementarleh- (1804–1882) brachte diesen besonderen Aspekt im Jahr „Krautfabrik“, wenn es sich um bedeutendere größere 1862 auf den Punkt: „Je schöner ein Volk sein Land Etablissements handelte.8 herstellt, je mehr es die Cultur desselben gartenmäßig betreibt, desto gesitteter, gesunder, gefälliger, heiterer Verordneter Obstbau und praktische Umsetzung und lebensfroher sind im Allgemeinen die Menschen, Den Anstoß für die flächendeckende Popularisierung die es bewohnen“.7 Dahinter stand eine weitere Grund- der Pomologie im Bergischen gab die Königlich Preu- anschauung philantropisch gesinnter Pädagogen, dass ßische Verwaltung mit einer entsprechenden Ver- zufriedene Menschen nicht dem Laster des seinerzeit ordnung, die im Jahr 1821/1822 den Obstbau an allen weit verbreiteten exzessiven Branntweingenusses an- Elementarschulen verpflichtend einführte.9 Gegenüber heimfielen. Die Förderung des Obstbaus und die damit der bereits seit 1812 im Großherzogtum Berg gelten- beabsichtigte moralische Verbesserung der Menschen den Anweisung, jeder Schule einen kleinen Flecken und ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse beruhte nicht Land zwecks Anlage einer Baumschule zuzuweisen10, Abb. 2: Die Baumblüte in Bergisch-Neukirchen; Fotografie aus dem Album, das der Landkreis Solingen dem scheidenden Burscheider allein auf dem Verkauf der naturbelassenen Früchte, führte das Königreich Preußen mit der jährlichen Be- Abb. 4: Werbeannonce der Krautfabrik Ersfeld aus den 1960er Jahren Bürgermeister Wilhelm Schmidt 1928 widmete (Stadtarchiv Burscheid). sondern auf ihrer Veredlung zu Back-und Dörrobst, richtspflicht einen Verwaltungsvorgang ein, den Lehrer, (LVR-Freilichtmuseum Lindlar).

72 73 schen 1838 und 1858 sechs grundlegende und an Laien gerichtete Publikationen.19 Hinzu kommen noch vier an der Praxis orientierte Bücher über den Weinbau20 und eine „leichtfassliche Anleitung“ über den Gartenbau für Stadt- und Landmenschen.21 Der als Ehrenmitglied in mehreren Landwirtschaftlichen Vereinen des In- und Auslandes tätige und für seine Leistungen gewürdigte Elementarlehrer war auch „correspondirendes Mitglied der Königl(ichen) Obstbau-Gesellschaft in Brüssel“22. Sogar bei der Leitfigur der Pomologie in deutschen Landen und ihrem wissenschaftlichem Wegbereiter, dem königlich württembergischen Gartenbauinspektor Eduard Lucas (1816–1882), genoss Ferdinand Rubens hohes Ansehen.23 Als er 1827 seine Elementarlehrer- stelle in Hossenhaus bei Solingen antrat, zählte er zwar zu den ersten seines Berufsstandes im Bergi- schen Land, die eine qualifizierte Ausbildung bei dem bekannten Pädagogen Adolf Diesterweg (1790–1866) in Moers genossen hatten24, doch seine spätere Be- deutung als herausragender Promotor des Obstbaus im Bergischen Land zeichnete sich zunächst noch nicht ab.25 Vielmehr zählte auch er, obwohl namentlich nicht genannt, im Jahr 1832 zu den Lehrkräften, denen der Abb. 6: Porträt des Geistlichen und Pomologen Franz Gotthilf Heinrich Solinger Landrat Georg Freiherr von Hauer (1779–1844) Jacob Baedeker (1752–1825) (Privatbesitz). eine allgemeine Unkenntnis im Obstbau attestierte.26 Abb. 5: Der ideale Schulgarten, nicht datiertes Schulwandbild aus dem Bestand des Schulmuseums Katterbach in Bergisch Gladbach. Lediglich drei Elementarschulen im gesamten Kreis Aachen und Königsberg von höchster Stelle empfohlen erfüllten damals dessen Erwartungen. Darunter war wurde.15 Bei Sammelbestellungen gab es zudem noch die von Johann Wilhelm Otto Gelderblom (1785–1868) rer nur mit sehr bescheidenen Einkünften honorierte: die nicht selten mit einem Sendungsbewusstsein ein- einen Rabatt von 25 Prozent.16 Die Schrift liefert eine in Nümmen bei Gräfrath geleitete Bildungsanstalt, die Viele Schulmeister mussten deshalb in ihrer Gemein- herging. Dieses spornte wohl auch den evangelischen praktische Anleitung von der Anlage der Samenschu- als erste einen vom Lehrer und seinen Schülern und de noch als Kirchenorganisten oder Privatlehrer tätig Pfarrer Franz Gotthilf Heinrich Jacob Baedeker (1752– le, über die Veredlung der Bäume, der weiteren Pflege, Schülerinnen gemeinsam unterhaltenen Baumgarten werden, um überhaupt den Unterhalt für sich und ihre 1825) an. Seit 1781 amtierte er, weitläufig mit dem be- die Behandlung ihrer Krankheiten sowie die Abwehr besaß.27 Mit Blick auf die spätere ökonomische Be- Familien bestreiten zu können. Regelmäßig wiederkeh- kannten Reiseschriftsteller Karl Baedeker in Essen der Schädlinge bis hin zur Verwertung des Obstes, wo- deutung des Obstbaus herrschte in der Tat im Solin- rende Ermahnungen der Königlichen Regierung kün- verwandt, als Seelsorger in der südlich von Hagen ge- bei Baedeker dem Dörren besondere Aufmerksamkeit ger Kreisgebiet kein Engagement an den Elementar- den davon, wie beharrlich das „platte Land“ Direktiven legenen kleinen Ortschaft Dahl. Baedeker hatte hier schenkte. Für die Herausgabe der sechsten und letzten schulen. Ein direkter Vergleich mit dem benachbarten der preußischen Regierung ignorierte.13 Dabei war der im Jahr 1796 eine kompakte, allgemeinverständliche Auflage lange nach Baedekers Tod zeichnete im Jahr Wuppertal veranschaulicht dies: Im Kreis Elberfeld Aufwand, der zur Anlage und Pflege einer Schulbaum- Handreichung über den Obstbau „zum Gebrauch bei 1843 der Solinger Lehrer und Gutsbesitzer Ferdinand trieben im Jahr 1827 bereits nahezu die Hälfte aller schule betrieben werden musste, überschaubar. Eine dem Confirmanden-Unterrichte“ publiziert. Seine Ab- Rubens (1804–1882) verantwortlich17, der als würdiger Elementarbildungseinrichtungen Obstbau. Binnen aus dem Jahr 1879 stammende Verfügung der Kölner sicht war, mit dem Bändchen „Kurzer und faßlicher Un- Nachfolger des Dahler Pfarrers gelten kann. Rubens kurzem hatten hier Lehrkräfte auf wenigen Quadrat- Regierung legte fest, dass diese Gärten in Dörfern mit terricht in der einfachen Obstbaumzucht“ in der Jugend Wirken als Pomologe und Buchautor ist heute selbst in metern Gartenfläche28 tausende Bäumchen, die so- ein- und zweiklassigen Schulen mindestens 300m² und die Liebe zur Natur und ihr Verantwortungsbewusst- Fachkreisen nicht mehr bekannt, obwohl er zu Lebzei- genannten Wildlinge, aus Fruchtkernen gezogen, in mehrklassigen Unterrichtsanstalten 400 m² groß sein zu wecken, um dem „Uebel des Baumfrevels und ten als Kapazität galt. Seine Bedeutung für die allge- diese veredelt und an ihre Schulkinder, Gemeinden sein mussten. Der größere Teil sollte für die Baum- und Obststehlens abzuhelfen“. Das populäre Taschenbuch meine Verbreitung des Obstbaus im Bergischen durch oder Gartenliebhaber weitergereicht29. Später jedoch der kleinere Teil für die Samenschule genutzt werden.14 erlebte mehrere Auflagen und sein Kaufpreis von ledig- Schrift und Tat ist weitaus höher einzuschätzen als die wendete sich das Blatt: Während die wirtschaftli- lich zwölf Silbergroschen entsprach – möglicherweise des Vinzenz Joseph Deycks (1768–1850) mit seiner mus- che Bedeutung des Obstbaus in der frühindustriellen Vom „Unterricht in der Obstbaumzucht“ und vom Autor beabsichtigt - dem Gegenwert eines ver- tergültigen Baumschule in Leverkusen-Opladen oder Textilmetropole entlang der Wupper aufgrund viel- mangelndem Engagement edelten Apfelbäumchens. Baedecker erlebte noch zu des bergischen Dichters und Schriftstellers Vinzenz fältiger anderer Erwerbsmöglichkeiten bis zur Be- Diejenigen aber, die diese Anordnung befolgten, ent- seinen Lebzeiten, dass seine Publikation als Standard- Jakob von Zuccalmaglio (1806–1876), genannt Monta- deutungslosigkeit zurückging, gelangte sie im Kreis wickelten meist eine außerordentliche Leidenschaft, werk für alle preußischen Elementarschulen zwischen nus.18 In seinem Spezialgebiet verfasste Rubens zwi- Solingen als landwirtschaftliche Sonderkultur, die

74 75 vielen Menschen ein Auskommen bot, zu hoher Blüte. Möglicherweise hatte der Solinger Landrat Hauer die- se Entwicklung schon vorausgesehen, denn das vom Rhein her beeinflusste milde Klima schuf so günstige Voraussetzungen, dass sich Gemeinden wie „Stein- büchel, Lützenkirchen, Schlebusch, Burscheid, Witz- helden, Opladen und Leichlingen“30 früher als in den weiter östlich gelegenen bergischen Landesteilen dem Ernten von Äpfeln, Birnen, Kirschen oder Zwetschen nicht nur für den häuslichen Bedarf widmeten. So ist aus dieser Region überliefert, dass „jährlich [1833] im Durchschnitt 250.000 Scheffel Obst, besonders Abb. 7: Die aus der Zeit um 1900 datierte Ansicht eines Dorfes im Kreis Solingen dokumentiert die vielfältige Nutzung der Hofanlagen. Pflaumen, gewonnen werden, wovon 10.000 Scheffel Die blühenden Obstbäume täuschen jedoch nicht über die dort herrschen- zu Backobst gedörrt und 20.000 Scheffel zu Muß ge- den ärmlichen Verhältnisse hinweg (Stadtarchiv Solingen, Bildarchiv, RS 236161). kocht werden“.31 Diese Formen der Wertschöpfung einer spezialisierten Landwirtschaft können durchaus als Indikator für einen allgemein höheren Wohlstand in der Bevölkerung gelten. Ein kleiner Obstbaumgar- maßen an „Kinder und Erwachsene, den Bürger und ten bescherte zahlreichen ärmeren Kleinbauern- und Landmann“ richtete und das der Autor seinem verehr- und Tagelöhnerfamilien in den Dörfern eine willkom- ten Moerser Seminardirektor und Lehrer Adolph Dies- mene Einnahmequelle, denn Bargeld war rar. „Viele terweg (1790–1866), gewidmet hatte.36 Pikanterweise kleine Grundbesitzer decken mit dem Ertrage we- schien Diesterweg jedoch an einem „Unterricht in der niger Birnenbäume ihre Steuern und die Zinsen der Obstbauzucht“ nicht sonderlich interessiert zu sein. Schuldkapitalien“.32 Eine andere Berechnungsgrund- Erst im Jahr 1829 widmete er sich diesem Thema, ob- Abb. 8: Der hochbetagte Lehrer Johann Friedrich Frowein (1805–1896) der Abb. 9: Der Autor der Obstbaukalenders, Elementarlehrer Christian Ley einklassigen Schule Sonne bei Wermelskirchen (Familienarchiv Preyer, (1818–1892) auf einer Fotografie um 1880 (LVR-Freilichtmuseum Lindlar). lage besagte, dass schon der regelmäßige Ertrag von wohl die entsprechende Verfügung der Düsseldorfer Wermelskirchen). zehn Obstbäumen ausreichte, um das für den Winter Regierung schon mehrere Jahre rechtskräftig war.37 notwendige Brennholz beschaffen zu können. Zu einer Zur gleichen Zeit hatte ihr Königlicher Gartenbauin- weiteren Dynamisierung trug 1830 die obrigkeitliche spektor Maximilian Friedrich Weyhe (1775–1846) den würdigte.39 Frowein hatte 1830 seinen Dienst an der Baumgarten aufführte, sondern auch als Werbeschrift Anordnung bei, dass „in den Berufs-Urkunden der neu „Plan eines Schulgartens mit Obstbaumzuchtschule Schule in Sonne bei Wermelskirchen angetreten und für den Obstbau.43 Der Verfasser macht darin deut- zu erwählenden Lehrer“ nun die Verpflichtung zur Be- für das Lehrerseminar Moers“ gezeichnet.38 Nach- wirkte dort fast fünfzig Jahre lang. Angeblich soll er lich, dass reicher Früchtesegen durchaus eine be- arbeitung eines Obstgartens aufzunehmen sei.33 Auch dem Rubens dreißig Jahre lang als Lehrer in Solin- jedem seiner Kinder zur Geburt einen Birnbaum ge- achtenswerte Größe im ohnehin schmalen Budget der aus anderen preußischen Landesteilen sind die Vorzü- gen-Hossenhaus tätig war, schied er 1857 aus eige- pflanzt und den Früchten den Namen des Nachwuch- allermeisten Landbewohner darstellen konnte: „Jeder ge, die insbesondere Apfelbäume mit ihren lange halt- nem Wunsch aus dem Schuldienst aus und widmete ses vorangestellt haben.40 Obstbaum bringt durchschnittlich (vom 10. Jahre an) baren und vielseitig verwendbaren Früchten genießen, sich fortan bis zum seinem Tod im Jahr 1882 seiner jährlich wenigstens 3 Mark ein! Wär’s auch nur die überliefert. Im Westfälischen hieß es beispielsweise, eigentlichen Berufung, der Verbreitung seiner pomo- Diese freundliche Geste weitete der in Alsbach bei Hälfte, und hätte Jemand 100, ja nur 50 tragende Obst- „kein Kapital trägt sichere und höhere Zinsen als die logischen Kenntnisse. Auch andere Pädagogen gaben Nümbrecht wirkende Pädagoge Christian Ley (1818– bäume, diese 75 Mark wären ein Zuschuss, der eben Obstbaumzucht“.34 sich nicht damit zufrieden, ihre Kenntnisse nur an die 1892) aus41, in dem er jedem seiner Schüler und nicht viel Schweiß und Mühe kostete und manchem Schüler und Schülerinnen zu vermitteln. Von ihrer Schülerinnen bei der Schulentlassung einen kleinen Hausvater große Dienste leistete.“44 Die Obstbäume „Auf kleinstem Raum pflanz einen Baum und pflege Sache überzeugt, nahmen sie einen Bildungsauftrag Obstbaum schenkte. Der ehemalige Lehrerseminarist besorgte Lehrer Ley, indem er mit seinen Schülern sein! Er bringt dir’s ein“35 – Obstbau als Mittel der für die Gesellschaft wahr und veröffentlichten ihre Er- von Neuwied zählte zu den den ersten Pädagogen im im Schulgarten Apfel- und Birnenkerne ausbrachte Armutsbekämpfung fahrungen im Obstbau in ähnlicher Weise wie Rubens. heutigen Oberbergischen Kreis, die dem im Dezem- und die heranwachsenden Jungbäume (Wildlinge ge- Ferdinand Rubens zählte zu den Elementarlehrern, die Heute zählen ihre meist in kleinsten Auflagen erschie- ber 1848 gegründeten Evangelischen Lehrerverein für nannt) anschließend veredelte. Dies war notwendig den Obstbau nicht nur engagiert mit ihren Schulkin- nenen Handreichungen zu den bibliophilen Raritäten. Rheinland und Westphalen beigetreten waren.42 Ley und gängige Praxis an allen Obstbau treibenden Ele- dern praktizierten, sondern ihren Erfahrungsschatz So gab wahrscheinlich im Jahr 1869 Johann Friedrich wirkte wie Frohwein nahezu sein gesamtes Berufsle- mentarschulen, da die meisten Landleute über zu auch in einer allgemeinverständlichen Sprache pu- Frowein (1805–1896) seine allgemeinverständlich ge- ben an „seiner“ Schule in Niederbreidenbach. Im Jahr geringe Barmittel verfügten, um Bäume beschaffen blizierten und so in der Bevölkerung bekannt mach- haltenen Erläuterungen zur Obstbaumzucht als „Prä- 1877 gab er seinen immerwährenden Kalender für die zu können. Ein ähnlich philanthropischer Pädagoge ten. Am Anfang seiner heute kaum mehr bekannten mienbüchlein für fleißige Landschüler“ heraus, das Obstbaumzucht heraus. Das Werk verstand sich nicht mit einem aufmerksamen Blick für die entbehrungs- Veröffentlichungen stand 1838 sein „Pomologisches der bergische Dichter und Obstkenner Vinzenz Jakob nur als praktische „Anleitung für den Landmann“, in reichen und mühsamen Lebensumstände seiner Mit- Handbuch für unsere Landschulen“, das sich gleicher- von Zuccalmaglio (1806–1876) mit lobenden Worten dem es die im Jahreslauf erforderlichen Arbeiten im menschen war Theodor Bräucker (1815-1882). Bereits

76 77 nikern und Pomologen Karl Heinrich Koch (1809–1879), Eduard Lucas (1816–1882) und Johann Georg Conrad Oberdieck (1794–1880) dem Vorstand des „Deutschen Pomologen-Vereins“ an. Sein 1880 erschienener „Leit- faden der Obstkultur“ unterscheidet sich zunächst kaum von ähnlichen praxisorientierten Anleitungen sei- ner Berufskollegen Ferdinand Rubens, Johann Fried- rich Frowein oder Christian Ley. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass Hesselmann auch aus Abb. 12: Pädagogen erhielten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nationalökonomischen Motiven den heimischen Obst- für verdienstvolle Leistungen in der Obstbaukunde diese preußische bau propagierte, denn durch „einen ausgedehnteren Verdienstmedaille aus Silber. Auf der Vorderseite (Avers) „Kleine Mühe“ pflanzen und veredeln Kinder junge Obstbäume. Die Rückseite (Revers) und rationeller betriebenen Obstbau sind wir imstan- „Grosser Lohn“ zeigt zwei Personen, die den Fruchtsegen ihres in der de, die gewaltig großen Summen, die noch jährlich für Jugend gepflanzten Baumes ernten (LVR-Freilichtmuseum Lindlar). eingeführtes Obst ins Ausland wandern und welche von 1872 bis 1875 über 43.700.000 M(ark) betrugen, unserm deutschen Vaterlande zu erhalten.“49 Zur weiteren Ermunterung vorbildlicher Staatsdiener Hesselmann thematisierte damit eine Problematik, und fleißiger Schulkinder … die sich seit der Gründung des Deutschen Reiches im Der preußische Staat würdigte herausragendes pomo- Jahr 1871 immer deutlicher abzeichnete: Der deutsche logisches Engagement seiner Erzieher mit Belobi- Obstbau war international nicht konkurrenzfähig. Das gungen und Ehrungen, um auf diese Weise diejenigen konnte er auch nicht sein, denn das entscheidende En- zu motivieren, die noch kein Interesse an der Bewirt- gagement auf diesem Feld ging noch von idealistischen schaftung eines Baumgartens zeigten. Dies geschah Naturliebhabern und pomologischen Laien aus, die auf sehr unterschiedliche Weise: Die Regierung vergab Abb. 10: Der „Kaiser-Wilhelm“ oder „Kaiserapfel“ (LVR-Freilichtmuseum Abb. 11: Die vermutlich ursprünglich aus dem Süden Russlands und dem sich als Einzelkämpfer in ihren Gemeinden behaupte- deshalb schon früh Ehrenzeichen und Geldprämien Lindlar). Iran stammende Apfelsorte „Charlamowsky“ war einst in den meisten bergischen Landkreisen aufgrund ihrer Robustheit sehr populär ten und als Lehrer und Staatsbedienstete selbst keine für besondere Leistungen. Zu den frühesten Geehrten (LVR-Freilichtmuseum Lindlar). oder mit der Abgabe von Jungbäumchen nur unterge- zählte der schon erwähnte Pfarrer Franz Gotthilf Hein- ordnete wirtschaftliche Ziele verfolgten.50 rich Jacob Baedeker (1752–1825), der 1820 für sein po- mologisches Standardwerk für Elementarschulen die mit 17 Jahren war er in den Schuldienst eingetreten eine Baumschule anlegte, die schon in wenig Jahren Darüber hinaus tat ein einschneidendes Naturereignis Preußische Verdienstmedaille bekam. Zehn Jahre spä- und bildete sich anschließend am Seminar in Soest Hunderte von veredelten Stämmen aller Art enthielt“. 47 das Übrige, um die Zukunftsdebatte über den heimi- ter ordnete die Königliche Regierung in Düsseldorf an, weiter. Von ihm ist eine handschriftliche Chronik sei- Darüber hinaus wurde Theodor Bräucker als Natur- schen Obstbau zu intensivieren. Hundertausende Obst- dass zwölf Lehrer für ihren Fleiß in der „Beförderung nes Schulortes Derschlag bei Gummersbach überlie- forscher bekannt, der die Botanik seiner näheren Hei- bäume, rund ein Drittel des Bestandes, waren allein im der Obstbaumzucht“ eine silberne Medaille erhalten fert, die eine sehr bedeutende Quelle des vorindustri- mat erforschte und viele interessante Fossilien fand. Bergischen Land in dem extrem kalten Winter 1879/80 sollten54, die die Preußische Münzanstalt ursprünglich ellen Lebens auf dem Land darstellt.45 Als er 1845 dort erfroren. Der wirtschaftliche Schaden betrug mehrere als „Aufmunterungs-Geschenk an Gärtner, Oekono- ankam, legte Bräucker eine Baumschule an, die er mit Kaiser-Wilhelm-Kult und wirtschaftliche Dimension Millionen Mark. Es sollte viele Jahre dauern, bis die Er- men (und) Forstmänner“ geprägt hatte.55 Die beiden seinen Schulkindern viele Jahre lang so erfolgreich Sein jüngerer Kollege Carl Hesselmann (1830–1902) träge an Äpfeln, Birnen, Kirschen oder Pflaumen wie- Motive der baumpflanzenden und Früchte erntenden bewirtschaftete, dass ihn die Königliche Regierung in hatte sich ganz der Pomologie verschrieben. Ab 1861 der den Stand vor der Katastrophe erreicht hatten. Die Menschen prangen kurioserweise noch heute in Stein Köln später dafür auszeichnete.46 Sein Interesse für wirkte er als Elementarlehrer an der Schule in Witzhel- königliche Regierung förderte Neuanpflanzungen mit gemeißelt an der stadtäußeren, einst mit Obstgärten diese landwirtschaftliche Sonderkultur war bereits in den, das im Zentrum der „Bergischen Obstkammer“48 finanziellen Zuschüssen.51 Weitere Impulse zu einer versehenen Seite des Faulturmes der historischen seiner Kindheit geweckt worden, als er sich um 1826 liegt. 1875 gelang ihm ein großer Coup, als ihm Kai- unternehmerischen Betrachtung des Obstbaus finden Stadtbefestigung von Dinkelsbühl in Bayern. Zu den im allein auf eine Reise nach Köln begab: „Was auf dieser ser Wilhelm I. die Erlaubnis erteilte, eine vermeintlich sich bei dem erfolgreichen Dürener Papierfabrikanten Jahr 1830 ausgezeichneten zwölf Lehrkräften zählten Tour am meisten meine Aufmerksamkeit angezogen neu entdeckte Apfelsorte nach ihm zu benennen. Der Emil Hoesch (1859-1928). Im Jahr 1883 veröffentlich- vier aus dem rechtsrheinischen und Bergischen Land.56 hatte, waren die großen u(nd) schönen Baumschulen „Kaiser-Wilhelm-Apfel“ verschaffte der Region eine te er in der Eigenschaft als junger Sektionschef des Weitaus häufiger honorierten die Aufsichtsbehörden bei Burscheid. Unweit des Ortes traf ich einen freund- große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und erste Garten- und Ostbaus im Landwirtschaftlichen Verein besonders ambitionierte Elementarschullehrer mit lichen alten Lehrer, der mich mit dem Veredeln der Ausflügler und Ausflüglerinnen sowie Sommerfrisch- für Rheinpreußen seine unternehmerischen Betrach- Geldgaben.­ Zu den auf diese Weise Begünstigten zählte Bäume bekannt machte … Er hatte mich sehr für die ler und Sommerfrischlerinnen besuchten die Gegend. tungen zu diesem Thema.52 Die Publikation sollte dem mindestens zwei Mal Ferdinand Rubens.57 Ehrengaben Obstbaumzucht zu begeistern vermocht, so daß ich Hesselmann, inzwischen in mehreren Fachverbänden „Unterricht an den landwirthschaftlichen Schulen und für herausragende Leistungen beschränkten sich je- gleich nachher unterhalb unserm Hause ebenfalls ehrenamtlich tätig, gehörte mit den bedeutenden Bota- zur Selbstbelehrung“ dienen.53 doch nicht nur auf die Schulmeister, ebenso sollten flei-

78 79 ßige Schüler und Schülerinnen in den Genuss von Ge- abhängig von der Bodenqualität folgende Sorten vor: Rheinprovinz gewachsenen Obst bessere Absatzgebiete schenken gelangen, um auf diese Weise ihren „Sinn … Bei den Äpfeln „Charlamowsky“, „geflammter weißer eröffnen sowie den Handel zwischen Obsthändler und für die Natur und Pflanzenwelt nach Kräften anzuregen Kardinal“, (einfarbige) „Landsberger Reinette“, „Balker Kunden und Kundinnen verbessern.76 Seinen ersten und so die Ostbaumzucht, diesen wichtigen Zweig der Reinette“ (auch „Prinz Wilhelm“ genannt), „große Kas- großen Auftritt erlebte der rheinische Obstbau auf Landes-Kultur möglichst zu befördern.“ Es blieb jedoch seler Reinette“, „Wintergoldparmäne“, „Schöner von der „Internationalen Kunstausstellung, Kunsthistori- allein den Lehrern überlassen, den Schülern „bei ihrer Boscoop“, „Harberts-Reinette“ und „Parkers Pepping“. schen Ausstellung und Großen Gartenbauausstellung“, Entlassung aus der Schule einige Stämmchen mitzu- An Birnen sollten die Züchter vorzugsweise die „gute die vom 1. Mai bis zum 23 Oktober 1904 in Düsseldorf geben“.58 Zeitweise existierte „Obstbaukunde“ sogar Graue“, „Williams Christ“, „Pastorenbirne“, „Köstli- stattfand. Trotz der merkwürdigen Verbindung zweier als Unterrichtsfach, in dem Noten vergeben wurden.59 che von Charneux“, „gute Louise von Aorauches“ und grundverschiedener Genres besuchten 2,7 Millionen Auch die Gemeinden profitierten zu einer Zeit, als nur die „rote Dechantbirne“ (auch „Hansels Bergamotte“) Menschen die Präsentation im und am Kunstpalast.77 wenige gewerblich betriebene Baumschulen existier- anbauen.64 Darüber hinaus engagierte sich Röll in der Besondere Verdienste um die Förderung des heimi- ten, von den ehrenamtlichen gärtnerischen Aktivitäten systematischen Obstverwertung in den Haushalten. In- schen Obstbaus erwarb sich auch Adolf Lucas (1862– der Pädagogen. Dies führte jedoch im Frühjahr 1894 sofern lag es nahe, dass er im Jahr 1898 zu den Initia- 1945). Seit dem Jahr 1900 hatte der promovierte Jurist 78 zu einem Konflikt, als sich 144 Gärtnereien und Baum- toren der Obstverwertungsanstalt in seinem Heimatort Abb 13: Entwurf des Werbeplakates für den ersten Obstmarkt das Amt des Landrates des Kreises Solingen inne. schulen in einer Eingabe an die Regierung in Düsseldorf (Bergisch) Neukirchen zählte65, die Äpfel und Birnen in Leichlingen 1896 (Stadtarchiv Leichlingen, Akte Nr. VII/50). Seine Aktivitäten zielten schon früh darauf ab, die wirt- gegen die „Lehrer- und Gemeindebaumschulen“ wand- zu Most und Obstwein verarbeitete.66 Der Leichlinger schaftliche Lage der Landwirte zu verbessern. Bereits ten. In ihrer Beschwerdeschrift führten sie erhebliche Obstmarkt, der fortan alljährlich stattfinden sollte und 1901 schuf er die Stelle eines Kreisgärtners für Obst- Wettbwerbsnachteile gegenüber der ausländischen bis auf den heutigen Tag die zentrale Veranstaltung der Obstbau einleitete: So konnten im Jahr 1900 vor dem Konkurrenz an und wollten sogar die seitens der Re- Bergischen Obstbauern ist, machte zwar Defizite deut- Hintergrund der ersten Zählkampagne in Preußen auch gierungen Düsseldorf und Köln sowie der Rheinischen lich, wies aber andererseits auch Wege in die Zukunft. die Obstbäume in der Rheinprovinz quantitativ erfasst Provinzialverwaltung subventionierten Baumschulen in Die bis dahin herausragende Stellung des Elementar- werden.69 Die Ergebnisse belegen, dass die bergi- den Landschulen verbieten lassen.60 schulwesens für die Popularisierung des Obstanbaus schen Kreise insgesamt sehr hohe Bestände aufwie- verlor nach und nach ihre Bedeutung. Hauptamtliche sen. Während in Solingen (Land) als Spitzenreiter zehn Der Obstmarkt in Leichlingen 1896 und seine Folgen Fachkräfte traten an die Stelle der Idealisten und Obst- und mehr Bäume auf einem Hektar Land wuchsen70, Vom 10. bis 12. Oktober 1896 fand in Leichlingen der ers- liebhaber, die wenig marktorientiert eine große Vielfalt wies die preußische Gesamtstatistik den Siegkreis mit te bergische Obstmarkt statt.61 Er sollte die Marktchan- der Sorten schätzten. Deren Ideale lebten jedoch wei- 591.343 Obstbäumen als einen der sechzehn obst- cen der heimischen Früchte verbessern, die Bezugs- ter in der Lebensreformbewegung, die im Jahr 1893 reichsten Kreise des Königreiches aus.71 1902 trat das quellen für die Käufer optimieren und den Produzenten mit der „Vegetarischen Obstbau-Kolonie Eden“ in Ora- Rheinische Anbausortiment, das sich aus zehn Apfel-, und Produzentinnen profitablere Absatzmöglichkeiten nienburg bei Berlin ihren Traum vom Paradiesgarten sechs Birnen- und zehn Steinobstsorten zusammen- bescheren. Neben einer Sortenschau präsentierten auf Erden verwirklichen wollte und die erste, nach wie setzte, in Kraft.72 Es orientierte sich im Wesentlichen an gewerbliche Anbieter aus dem gesamten Reich diverse vor bestehende genossenschaftliche Landkommune ein Prämiensystem, mit dem die Rheinische Provinzial- Gerätschaften zur Pflege der Bäume und zur Verarbei- Deutschlands gründete.67 verwaltung die Regeneration der im Winter 1879/1880 tung des Obstes. Eine sechszehnköpfige Kommission erfrorenen Obstbaumkulturen zunächst allgemein und „zur Hebung des Obstbaues und der Obstverwertung“, „Kauft Obst im Lande!“68 später sortenspezifisch subventionierte.73 Dieses För- der fünf Lehrkräfte, darunter auch der bereits erwähn- In der Professionalisierung des Bergischen Obstbaus derprinzip sorgte für die rasche Verbreitung weniger te Lehrer Carl Hesselmann, angehörten, war mit dem spiegeln sich im Kleinen die grundlegenden Verände- Arten auf Kosten der biologischen Vielfalt. In der Praxis Ergebnis sehr zufrieden.“ Denn der Obstmarkt bestä- rungen wider, die die Landwirtschaft seit der Gründung bedeutete dies, dass Landwirte pflegeintensivere und tigte überzeugend, daß es notwendig ist, bessere Obst- des Deutschen Reiches im Jahr 1871 erfuhr. Während weniger robuste Sorten bei Pflanzmaßnahmen nicht sorten zu ziehen. Minderwertiges Obst wurde nicht sie noch unter der Kanzlerschaft des Großgrundbesit- mehr berücksichtigten. Außerdem konnten sie bei der verlangt. Feines Tafelobst konnte selbst zu hohen Prei- zers Otto von Bismarcks (1815–1898) besondere Privile- Kammer in Bonn kostenlos nur noch Edelreiser des sen nicht ausreichend geliefert werden.“62 Die Mengen gien genoss, beendete sein Nachfolger Leo von Caprivi empfohlenen Sortiments erhalten und damit bereits verkauften Obstes führten mit weitem Abstand die drei (1831–1899) dessen agrarische Schutzzollpolitik und vorhandene Obstbäume entsprechend veredeln.74 Dass Apfelsorten „Neuhauser“, „Flambeau“ und „Streifling“ förderte intensiv die industrielle Entwicklung. Der Dy- der rheinische Obstmarkt damals noch sehr kleintei- an, von denen an den drei Veranstaltungstagen jeweils namik des freien Warenhandels konnte sich nun auch lig und alles andere als marktorientiert war, zeigt sich mehr als eine Tonne verkauft werden konnte.63 Dem die Landwirtschaft nicht mehr entziehen und gründete auch daran, dass die Kammer wenige Jahre später (Bergisch) Neukirchener Hauptlehrer Ewald Röll ob- 1899 in Bonn mit der „Landwirtschaftskammer für die einheitliche Obstversandkisten für 12,5 und 25 Kilo- lag die Aufgabe, die Produzenten mit Vorträgen davon Rheinprovinz“ (heute: Landwirtschaftskammer Nord- gramm Ware auf den Weg brachte.75 Auch die Einrich- Abb. 14: Die dunkelgrünen Bereiche auf der Karte der Rheinprovinz markieren im Jahr 1900 die Regionen mit den größten Obstbaumbeständen. zu überzeugen, künftig weniger, aber dafür qualitäts­ rhein-Westfalen) eine entsprechende Fachbehörde, die tung einer „Obstverkaufs-Vermittelungsstelle“ in Bonn Es sind im Einzugsgebiet des Lindlarer Freilichtmuseums die alten Land- vollere Ware zu offerieren. Sein Obstsortiment sah unmittelbar wettbewerbsverbessernde Maßnahmen im verdeutlicht diese Schwäche. Und sie sollte dem in der kreise Bonn und Solingen (LVR-Freilichtmuseum Lindlar).

80 81 war 1871 von dem Generalkonsul und Freizeitbotani- müseprogramm großer Beliebtheit. Eigentlich kon- ker Eduard von Lade (1817–1904) gestiftet worden. Ihr terkariert es eigene gärtnerische Aktivitäten an den langjähriger Leiter Rudolf Goethe (1843–1911) verhalf Lehranstalten, denn die teilnehmenden Primar- und ihr zu hohem Ansehen. Als besonderes Anschauungs- Förderschulen erhalten von ausgewählten Lieferanten material enthielt der Lehrmittelsaal eine große Kollek- und Lieferantinnen wöchentlich für jeden Schüler und tion von Wachsfrüchten, die 1.144 Obstsorten umfass- Schülerinnen kostenlos 300 Gramm frisches Gemüse te.87 Der Rheinische Provinzialverband betrieb ähnliche und Obst. Ziel ist, das Ernährungsverhalten der Kin- Einrichtungen in Ahrweiler, Kreuznach und Trier, an der und Jugendlichen positiv zu beeinflussen. Zurzeit denen sich Baumwärter, Gartenbesitzer, Geistliche, nutzen 1.101 Schulen an Rhein und Ruhr das Angebot: Landwirte und Pädagogen weiterbilden konnten.88 Die darunter befinden sich 179 Schulen im Einzugsgebiet Schulgartenidee an Elementar- und Volksschulen hat des LVR-Freilichtmuseums Lindlar.91 Der Rückzug der seit Ihren Anfängen im frühen 19. Jahrhundert die Zei- sich zur Pomologie berufen fühlenden Pädagogen voll- ten überdauert. Staatliche Verordnungen gaben die Bil- zog sich etappenweise und fand seinen vorläufigen dungsinhalte vor. Dass diese nicht immer ideologiefrei Endpunkt in dem Vorhaben, in Leichlingen ein „hei- Abb. 15: Die unterschiedlichen Dimensionen der einst zahlreichen Obstverwerter zeigen sich im direkten Vergleich der baulichen Anlagen: links die noch waren, wird in besonderer Weise im Nationalsozialis- matliches Obstbaumuseum“ zu gründen. Die Idee dazu 1963 technisch überholte „Obstkraut-Fabrik“ von Peter Ersfeld in Eitorf. Rechts die ungefähr zur gleichen Zeit stillgelegte „Marmeladen-, Gelee- und mus deutlich, als der Garten kein Ort der Freiheit mehr stammte aus der Stadtverwaltung und fand sofort in Krautfabrik“ von Paul und Wilhelm Ehrenstein in Waldbröl (Fotos: Michael Kamp, LVR-Freilichtmuseum Lindlar). war, sondern als „Mustergarten“ die Idee der national- dem Lehrer und Heimatforscher Fritz Hinrichs (1890– sozialistischen Volksgemeinschaft wiederspiegelte.89 1976) einen eifrigen Förderer. Hinrichs, der seit 1928 an und Gartenbau79. Hugo Schnaare (1874–1939) hatte sich der Städtischen Gemeinschaftsgrundschule Uferstraße vorrangig darum zu kümmern, dass die Bedeutung des An dieser Wertschöpfungskette sind jedoch die Lehr- Die ungewisse Zukunft der Schulgärten und ein nicht in Leichlingen unterrichtete und bis zum Rektor auf- Obstanbaus im Kreisgebiet zunahm und ihre Erzeug- kräfte als einstige Wegbereiter der Obstbaukultur im realisiertes „heimatliches Obstbaumuseum“ stieg, hatte die Geschichte der „Bergischen Obstkam- nisse besser vermarktet wurden. Außerdem hielt er Bergischen Land nicht mehr beteiligt. Nach wie vor Während schulische Gartenarbeit heute fest in der Mon- mer“ erforscht und war für die Aufgabe prädestiniert. regelmäßig Vorträge und bot Fortbildungskurse an. Die vermittelten die Ambitioniertesten ihren Schülern und tessori- oder Waldorfpädagogik verankert ist, spielt sie Die Auftaktbesprechung zur Museumsgründung fand kreiseigene Gärtnerei, die sich seit 1911 im ehemaligen Schülerinnen im Schulgarten pomologische Kenntnis- an den öffentlichen Grund-, Haupt- oder Gesamtschu- im Mai 1950 in größerer Runde statt. Alle Anwesenden Obstgarten der Familie Römer in Bergisch Neukirchen se oder widmeten sich mit Leidenschaft der Imkerei, len im Bergischen Land kaum eine Rolle. Auch die im begrüßten die Idee und dachten bereits konkret über befand, war so konzipiert, dass sie sich wirtschaftlich die eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Jahr 2002 unter der Schirmherrschaft der „Deutschen einen ersten Standort in einem alten Schulgebäude trug.80 Ob die im Jahr 1920 neu eröffnete Landwirt- Qualitätsernten ist. Zweifelsohne ein Fachmann auf Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V.“ gegründete „Bun- nach. Doch auf den verheißungsvollen Auftakt folgte ein schaftsschule in Opladen den Wirkungskreis von Hugo diesem Gebiet war Johannes Schneider (1864–1944). desarbeitsgemeinschaft Schulgarten“90 führte hier zu zähes Ringen um die Finanzen, den Umfang der Aus- Schnaare erweiterte oder gar einschränkte, ist nicht Am 1. September 1888 hatte er seine Lehrerstelle an keiner Trendwende. Stattdessen erfreut sich das seit stellung und die Trägerschaft. Das Projekt kam in die überliefert. Kurze Zeit später erfahren wir, dass er auch der Elementarschule in (Gummersbach-)Windhagen Frühjahr 2010 von der Europäischen Gemeinschaft in Jahre und wurde nur noch dann als „zusätzliche Attrak- an den Volksschulen in den Dörfern Obstbau unterrich- angetreten und war dort sein gesamtes Berufsleben Nordrhein-Westfalen geförderte Schulobst- und -ge- tion“ diskutiert, wenn der Leichlinger Obstmarkt ein- tete.81 Die wirtschaftliche Aufbruchsstimmung, die mit bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1930 tätig. Seine dem Leichlinger Obstmarkt einherging, beschränkte Hauptleidenschaft galt jedoch der Honigbiene. So er- sich jedoch nicht nur auf den Heimatkreis Solingen, richtete Schneider im Jahr 1905 in seiner Eigenschaft sondern wirkte weit in das Bergische Land hinein. So als Vorsitzender den zentralen Bienenstand der Kreis- gründete sich kurze Zeit später in Hartegasse bei Lind- imker85 auf einem Grundstück neben seiner Schule. lar eine Obstverwertungsgenossenschaft, die zeitweise Dieses Gebäude mit den Dimensionen eines Garten- mehrere Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigte und hauses übergaben seine Nachfahren vor einigen Jah- jährlich 50 Tonnen Äpfel zu Wein verarbeitete.82 Im ren dem LVR-Freilichtmuseum in Lindlar (Abb. 14). Als gleichen Ort betrieb Hubert Stelberg eine große Obst- langjähriger Vorsitzender des „Bienenzuchtvereins für plantage.83 Noch weiter östlich in Waldbröl hatte die den Gummersbach“ reiste Schneider im Juli 1913 nach Familie Ehrenstein im Jahr 1890 eine kleine Krautpa- (Berlin-)Charlottenburg und nahm dort an der „Wan- sche eröffnet, die Äpfel und Birnen in den damals weit derversammlung deutscher und österreichischer und verbreiteten Brotaufstrich „Apfelkraut“ verwandelte. ungarischer Bienenwirte“ teil.86 Zu Schneiders Zeit Damals ahnte niemand, dass sich diese Firma dank des zählten öffentlich geförderte Obstbaukurse für Lehrer Managements von Paul und Wilhelm Ehrenstein aus an diversen Fortbildungsanstalten in der Rheinprovinz kleinsten Anfängen zur größten „Marmeladen-, Gelee- bereits zum Alltag. Zu den Weg weisenden Instituten ge- Abb. 16: Zwei neue Gebäude für das LVR-Freilichtmuseum in Lindlar: links das 1905 von der Kreisimkerschaft Gummersbach errichtete Bienenhaus; rechts und Krautfabik“ des Oberbergischen Kreises entwi- hörte die „Königliche Lehranstalt für Wein-, Obst- und die 1861 errichtete Elementarschule von Hermesdorf bei Waldbröl (Fotos: Michael Kamp, LVR-Freilichtmuseum Lindlar und Dr. Barbara Rinn, Freies Institut für Bauforschung und Dokumentation e.V. in Marburg). ckeln würde und bis in die 1960er Jahre produzierte.84 Gartenbau zu Geisenheim am Rhein“. Die Einrichtung

82 83 mal nicht die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt hat- Endnoten 18 Zuccalmaglio, V. v.: Der Obstbau und die Bepflanzung de Wege, Straßen 37 Goebel, K. [Hrsg.]: Diesterweg am Niederrhein. Briefe und Berichte. 1 Siehe dazu Voss, F.: Leitfaden für die Planung und Entwicklung und Eisenbahnen. Mit Benutzung der Erfahrungen und Aufzeichnungen Neuwied 2000, S. 190. te. Währenddessen wuchs die eingelagerte Sammlung von Schulgärten, beispielhaft vertieft am Schulgarten des des JustizR(at) Deycks zu Opladen, Elberfeld (Wuppertal) 1868. beständig an. Nach dem Tod von Fritz Hinrichs begann Internatsgymnasiums Schloss Torgelow. Masterarbeit an der 38 Goebel, K. [Hrsg.]: Diesterweg am Niederrhein. Briefe und Berichte. Hochschule Neubrandenburg 2013 (http://digibib.hs-nb.de/file/dbhsnb_ 19 Rubens, F.: Pomologisches Lesebuch für unsere Landschulen, Krefeld Neuwied 2000, S. 189f. die Verlagerung der bereits vorhandenen Museums- derivate_0000001732/Masterarbeit-Voss-2013.pdf, abgerufen am 11. Juli 1838; Vollständige Anleitung zur Obstbaumzucht, 2 Bände, Essen 2016). 1843/44; Kurzer und fasslicher Unterricht in der einfachen Obstbaum- 39 Frowein, J. F.: Kurzgefaßter Unterricht in der Obstbaumzucht. objekte von einem Ort zum nächsten: 1987 gelangten zucht für die Landjugend, Essen 1845; Der Obstbaumfreund, Stuttgart Ein Prämienbüchlein für arme Landschüler. Dhünn o.J. (1869). sie schließlich in einen Kellerraum der Katholischen 2 Allgemein zur Kulturgeschichte des Obstbaus: Balling, E.: 1846, 1850²; Immerwährender Obstbau-Kalender, Solingen 1848; Der Die Kulturgeschichte des Obstbaus, Zell und Germering 2009 (PDF- Obstbau am Spalier, Leipzig 1850; Der Garten- und Obstbau, 2 Teile, 40 So z. B. „Emils Geburtstagsbirne“, „Bertas Gute Graue“ und „Lauras Grundschule in der Kirchstraße, fünf Jahre fand sich Dokument unter https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/iab/dateien/ Wesel 1862. Zuckerbirne“. kulturgeschichte_obstbau_extern.pdf, abgerufen am 02. Juli 2016.) das „Inventar des Obstbaumuseums“ in der Gemein- 20 Rubens, F.: Leicht fassliche Anleitung zur Erziehung und Behandlung 41 Ley, W.: Der Lehrer aus Alsbach.Christian Ley’s Leben. schaftsgrundschule Büscherhof wieder. Danach ver- 3 U llrich, B.: Bestandsgefährdung von Vogelarten im Ökosystem „Streu- des Weinstocks im Weinberge …, Mannheim 1844, 1850²; Der kleine Barmen 1927. obstwiese“ unter besonderer Berücksichtigung von Steinkauz Athene Weinbauer, Mainz 1845; Neuester Weinbau-Kalender …, Leipzig 1858; 92 liert sich seine Spur. noctua und Würgerarten der Gattung Lanius, in: Beih. Veröff. Natursch. Das Winzerbuch, Leipzig 1858. 42 Goebel, K.: Dein dankbarer und getreuer F.W. Dörpfeld, Wuppertal 1976, Landschaftspfl. Bad.-Württ. 7, 1975, S. 90–110. S. 169. 21 Rubens, F.:Der Gartenfreund, Solingen 1848. Obstbauliche Perspektiven des 4 Der Grüne Plan. 1. Grüner Bericht 1956, Bonn-München-Wien 1956, 43 Ley, C.: Immerwährender Kalender für die Obstbaumzucht; eine An- S. 283f. 22 Vermerkt auf dem Titelblatt von „Der Garten- und Obstbau, Wesel 1862. leitung für den Landmann, was in jedem Monate des Jahrs in der Obst- LVR-Freilichtmuseums in Lindlar baumzucht zu thun ist, und wie es gethan werden muß. 5 Alfred Bartl war viele Jahre für das 1985 gegründete und 1998 eröffnete 23 In Lucas Standardwerk „Die Obstbenutzung, eine gemeinfaßliche An- Alsbach 1877. Seit dem Beginn der Pflanzaktionen bodenständiger LVR-Freilichtmuseum Lindlar – Bergisches Freilichtmuseum für Ökolo- leitung zur wirthschaftlichen Verwendung unserer wichtigeren Obstsor- Arten im Museumsgelände vor rund 25 Jahren können gie und bäuerlich-handwerlliche Kultur beratend tätig und veranstaltete ten, Stuttgart 1856, S. 153f widmet er Rubens Beschreibung über die 44 Ebd., S. 4. dort zahlreiche erfolgreiche Obstbaumpflegekurse. Krautherstellung und ihrer Bedeutung eine längere Textpassage. heute über 30 verschiedene Kern- und Steinobstsorten 45 Theodor Braeucker, Chronik von Derschlag und Umgebung, an- 6 Familienarchiv Preyer in Wermelskirchen-Kreckersweg. 24 1823–26 Ausbildung am Lehrerseminar in Moers unter Adolph Diester- gefangen im Mai 1864 (Handschrift in der Stadt- und Kreisbücherei erfolgreich kultiviert werden. Diese überschaubare Zahl weg, danach erste Lehrergehilfenstelle in (Wuppertal-) Cronenberg. Bei Gummersbach). scheint zunächst im Widerspruch zu der Sortenfülle zu 7 Rubens, F.: Der Garten- und der Obstbau. Zwei stets fließende Quellen einer Inspektion zeigte sich Diesterweg unzufrieden mit den pädago- des Nutzens, des Vergnügens und der Erholung für den Bürger und gischen Leistungen seines vormaligen Eleven. Siehe dazu: Goebel, K. 46 Ebd., S. 17. stehen, die einst in Deutschland in die Hunderte ging Landmann, 2. Bde., Wesel 1862, Bd. 2, S. XV. [Hrsg.]: Diesterweg am Niederrhein. Briefe und Berichte, Neuwied 2000, S. 180. 47 Ebd., S. 288. und sehr viele auf kleine und kleinste Verbreitungs- 8 Döring, A.: „Appel-, Pären-, Rüwenkrütt“. Krautkochen im Rheinland – räume vorkommende Varianten enthielt. Grundsätz- Von der häuslichen Krautbereitung zur Krautfabrikation mit EU- 25 Stadtarchiv Solingen, H 208, u.a. die Schule zu Hossenhaus betreffend: 48 Ab ungefähr 1900 Bezeichnung der Obstanbaugebiete in Region um Qualitätssiegel, in: Der Apfel. Kultur mit Stiel. Ehestorf 2014, S. 107-126. „So ist sehr zu bedauern, daß die Bemühungen des früheren Schul- Leichlingen. lich wachsen Obstbäume an vielen Standorten, doch lehrers jetzt (1828) fast ganz wieder vereitelt worden sind; weshalb 9 Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Köln, Stück 6, Di(e)nstag, gemeinschaftlich mit dem Schulpfleger dahin zu wirken ist, daß die 49 Hesselmann, C.: Leitfaden der Obstkultur. Berlin 1880, S. 3. sind die örtlichen Gegebenheiten für einen Ernteerfolg den 8. Februar 1831, (S. 29). Siehe auch: Stadtarchiv Solingen, S. 4547. Obstbaumschule wieder in guten Stand gesetzt und der Lehrer ausschlaggebend: Je günstiger die klimatischen Be- (Rubens) zur Beförderung der Sache mehr angeregt werde“. 50 Wie beispielsweise der Lehrer Mattay in Loope bei Engelskirchen, der 10 Scotti, J. J. [Bearb.]: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche per Annonce 100 Apfelwildlinge zum Verkauf anbot (Gummersbacher dingungen und Bodenverhältnisse, desto optimaler in den ehemaligen Herzogthümern Jülich, Cleve und Berg und in dem 26 Hauer, G. F. v.: Statistische Darstellung des Kreises Kreisblatt vom 14. September 1861). vormaligen Großherzogthum Berg über Gegenstände der Landeshoheit, Solingen im Regierungsbezirk Düsseldorf, Köln 1832, S. 11. fällt der Ernteertrag aus. In diesem Sinne ist geplant, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind, Düsseldorf 51 Stadtarchiv Solingen, S 232. die Anbauflächen im Museum für traditionelle Sorten in 1821/22; Bd. 3, S. 1468. 27 Aus dem Leben von Lehrer Gelderbloom, in: Solinger Tageblatt, Nr. 165 vom 20. Juli 1935. Er hatte sich wohl als erster Solinger Schulmeister 52 Hoesch, E.: Der landwirthschaftliche Obstbau. Bonn 1883. den nächsten Jahren erheblich zu erweitern.93 Dies ge- 11 Siehe Anmerkung 9) Amtsblatt Köln 1831. der Pomologie verschrieben. 53 Ebd., Titel. schieht vor dem Hintergrund der Übernahme der tech- 12 Zu den wenigen Veröffentlichungen, die sich mit dieser Thematik 28 Insgesamt beanspruchten die in allen Schulen für den Obstbau genutz- nischen Einrichtung einer historischen Krautpasche befassen, zählt der Aufsatz von Erika van Norden: „Landescultur“ im ten Flächen etwas mehr als 1/3 Hektar heutigen Maßstabes, ermittelt 54 Sammlung der Gesetze, Verordnungen und Bekanntmachungen, wel- Rheinland. Ein unbekanntes Kapitel der rheinischen Landesgeschichte, aus Angaben im Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf, che in dem vormaligen Großherzogthum Berg und in dem Regierungs- aus Eitorf an der Sieg, die den Auftakt dafür bietet, das in: Romerike Berge. Zeitschrift für das Bergische Land, 57. Jg., Essen Nr. 47, Düsseldorf 1830, S. 390. bezirk Düsseldorf über das Elementar-Schulwesen ergangen sind. Vom 2007, Heft 2, S. 21–35. Jahr 1810 bis zum Schluß des Jahres 1840, Elberfeld 1841², S. 105. Lindlarer Freilichtmuseum künftig als weiteren Stand- 29 Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf, Nr. 41, Düsseldorf 1828, S. 183. ort in der regionalen Vermarktung des heimischen 13 Die Königliche Regierung in Düsseldorf bemängelte schon im Jahr 55 Loss, G.: Verzeichniß sämmtlicher Denk- und Gelegenheitsmünzen, 1824, dass die in dieser Angelegenheit erteilten Direktiven „nicht in 30 Alltag im Kreis Solingen 1823. Dr. J. W. Spiritus und seine medizinische welche aus der Berliner Medaillen-Münze von G. Loos seit der Grün- Obstes und seiner vielfältigen Produkte zu etablieren.94 allen Kreisen mit jenem Eifer und jener Beharrlichkeit, welche wir er- Topographie, Solingen 1991, S. 147. dung dieser Anstalt durch den Hof-Medailleur Daniel Friedrich Loos wartet haben, befolgt werden. Wir können aber um so weniger zugeben hervorgegangen sind. Berlin 1842, S. 22. In diesem Kontext ist auch die bevorstehende Verset- [= erlauben], daß diese Angelegenheit gleichgültig behandelt werde, je 31 Die Rheinprovinz der Preussischen Monarchie, Band 1, Düsseldorf zung der 1861 errichteten Elementarschule aus Wald- fester wir überzeugt sind, daß sie für jeden Kreis unsers Verwaltungs- 1833, S. 164. Das preußische Hohlmaß „Scheffel“ entspricht einem 56 Das waren die Elementarschuler Stapper in Wersten, Claas in So- bezirks sehr wichtig ist“ (Stadtarchiv Solingen, S. 4547). Volumen von ca. 55 Litern. Der Anschaulichkeit halber könnte die lingen-Merscheid, Brackelmann in Beyenburg und Schollenbruch in bröl-Hermesdorf in das Museumsgelände zu sehen, in gesamte Menge des 1833 im Kreis Solingen gewonnenen Backobstes Mettmann (Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf, Nr. 47, Düsseldorf, 14 Bauernfreund. Landwirtschaftliche Beilage zum „Oberbergischen heute in zehn großen Tanklastern transportiert werden, die des Muses 2. August 1830. der Interessierte nicht nur pomologische Grundkennt- Anzeiger“, 10. September 1884. oder Kraut fände in zwanzig derartigen Fahrzeugen Platz. nisse erwerben, sondern auch konkret im Schulgarten 57 Stadtarchiv Solingen, H 2506. 15 So ließ schon im Jahr 1820 das Königliche Konsistorium von Westfalen 32 Zuccalmaglio, V. v.: Geschichte und Beschreibung der Stadt und des anwenden können. 200 Exemplare seiner Anleitung zum Obstbau an die Lehrerseminare Kreises Mülheim a. R. Zum Vortheil des Kölner Dombaues, Köln 1846, 58 Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf, Nr. 39, Düsseldorf, 3. Juli 1829. verteilen, in: Die Preußische Volksschule oder geordnete Sammlung S. 263. der Königlich Preußischen Gesetze und Verordnungen über das gesam- 59 Freundlicher Hinweis von Hans Deutsch, Eitorf. te Volksschulwesen zum Handgebrauch, Görlitz 1825, S.141. Die König- 33 Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf, Nr. 47, Düsseldorf 1830, liche Regierung in Köln folgte diesem Beispiel und empfahl Baedekers S. 294. 60 Stadtarchiv Solingen, H 206, Dokument vom 12. März 1894. Zur Hebung Schrift 1821 für alle Schulen (Sammlung der Gesetze, Verordnungen des Obstbaus, in: Der Bote am Rhein und an der Nieder-Wupper, Opla- und Bekanntmachungen über das Elementar-Schulwesen für den 34 Zwei Vorträge über Obstbaumzucht. Coesfeld 1865, S. 5. den, 12. Dezember 1896. Regierungsbezirk Köln, Köln 1835, S. 192ff. 35 Praktische Unterrichtslehre für Seminaristen und Volksschullehrer, 61 Umfassend dazu Schulz-Walden, T.: Bergische Obstbauern und 16 Amtsblatt der Regierung zu Düsseldorf, Düsseldorf 1812, S. 119 München 1899, S. 400 Leichlinger Obstmarkt um 1900, in: Rheinisch Bergischer Kalender 2014. Jahrbuch für das Bergische Land, 84. Jg., Bergisch Gladbach 17 Stadtarchiv Solingen, KF 319. 36 Rubens, F.: Pomologisches Lesebuch für unsere Landschulen, Krefeld 2013, S. 134-148 oder 100 Jahre Obstmarkt in Leichlingen, Leichlingen 1838. 1996.

84 85 62 Stadtarchiv Leichlingen, Der Obstmarkt zu Leichlingen 1895–1924. 78 Lucas, A.: Erinnerungen aus meinem Leben, Opladen 1959, S, 47.

63 Stadtarchiv Leichlingen, Der Obstmarkt zu Leichlingen 1895–1924. 79 Verwaltungsbericht des Kreisausschusses des Kreises Solingen-Land für die Jahre 1914 bis 1924, Vorwort. 64 Ebd. 80 Verwaltungsbericht des Kreisausschusses des Kreises Solingen-Land 65 W illms, H.: Geschichtliches über die „Bergische Obstkammer“, für die Jahre 1914 bis 1924, S. 117. in: Jülisch-Bergische Geschichtsblätter, 9. Jg. Wuppertal 1932, S. 49. 81 Verwaltungsbericht des Kreisausschusses des Kreises Solingen-Land 66 Stadtarchiv Leverkusen, Nr. 60.365 (Obstverwertungsanstalt zu für die Jahre 1914 bis 1924, S. 120. Neukirchen). 82 Landesarchiv Duisburg, Landratsamt Wipperfürth 150. 67 Siehe Homepage www.eden-eg.de oder Corona Hepp: Avantgarde. Moderne Kunst, Kulturkritik und Reformbewegungen nach der 83 Privater Nachlass des ehemaligen Landwirtschaftsdirektors und Bür- Jahrhundertwende, München 1987, S. 80ff. germeisters Josef Vollmer, Lindlar: Todesanzeige des Obstplantagen- besitzers Hubert Stelberg (1843/44–1917). 68 Hinterthür, L.: Der Apfel. Praktisches Handbuch über Anbau, Zucht, Pflege, Arten, Verwertung, Schädlinge etc. des Apfelobstes, Leipzig o. 84 Private Aufzeichnungen von Wilhelm Ehrenstein, Waldbröl. J. (1912), S. 10. 85 Der von Lehrer Schneider geleitete Gummersbacher Imkereiverband 69 Rheinische Monatsschrift für Obst-, Garten- und Gemüsebau, 1. Jg., umfasste 89 Mitglieder und zählte zu den stärksten Ortsgruppen Bonn 1907 (Probenummer), S. 39f. des 1849 gegründeten „Bienen- und Seidenzucht-Verein der Rhein­ provinz“(Stadtarchiv Burscheid, Bestand 1–865). 70 Veröffentlichungen der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz, Bonn 1907, Nr. 1, S. 24f. 86 Landesarchiv Duisburg, Landratsamt Gummersbach 960.

71 Rheinische Monatsschrift für Obst-, Garten- und Gemüsebau, 1. Jg., 87 Stadtarchiv Burscheid, Bestand I-865 (Zeitungsausschnitt v. Bonn 1907 (Probenummer), S. 40. Die beiden obstreichsten Kreise 4. Dezember 1901). Preußens waren Jork im Alten Land mit 1.066.392 und Zauch-Belzig (heute:Potsdam-Mittelmark) mit 1.368.778 Bäumen. 88 Die Rheinische Provinzial-Verwaltung. Ihre Entwicklung und ihr heutiger Stand. Düsseldorf 1925, S. 529ff. 72 Veröffentlichungen der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz, Bonn 1907, Nr. 1, S. 24. 89 Die Amtsführung des Lehrers. Schulrecht. Ein Ratgeber und Nachschlagebuch für alle Fragen der Volks- und Realschulen. 73 Stadtarchiv Burscheid, Bestand 1–865: Bekanntmachung des Kreises Düsseldorf 1955, S. 527f. Solingen vom 7.Februar 1898, die „Anpflanzung von guten Obstbäu- men“ betreffend. Die finanziell geförderten Sorten lauteten: a. Äpfel. 90 Nähere Informationen auf der Homepage des Verbandes 1. Charlamowsky, 2. Schöner von Boskop, 3. Winter-Goldparmäne, 4. http://www.bag-schulgarten.de/home, abgerufen am 10. Juli 2016. Parkers und Ribstons Pepping, 5. Balker rote Reinette, 6. Geflammter weißer Kardinal, 7. Große Kasseler Reinette, 8. Harbertz Reinette, 9. 91 http://www.schulobst.nrw.de, abgerufen am 10. Juli 2016. Manks Kodlin. b. Birnen. 1. Bosks Flaschenbirne, 2. Gute Graue, 3. Hofrats-Birne, 4. Rote Dechantsbirne, 5. Neue Fulvia, 6. Gute Louise 92 Stadtarchiv Leichlingen, Bestand Leichlingen, Akte 1078. von Avranches, 7. Köstliche von Charneux, 8. Williams Christbirne. c. Kirschen. 1. Rote Maikirsche, 2. Spanische Glaskirche, 3. Lothkirsche, 4. Königliche Amarelle, 5. Königin Hortensia. 93 Freilichtmuseum Lindlar plant einen Obsthof, in: http://www. rundschau-online.de/region/oberberg/wipperfuerth/freilichtmuseum- 74 Rheinische Monatsschrift für Obst-, Garten- und Gemüsebau, lindlar-plant-einen-obsthof-26820198, abgerufen am 26. Juni 2017. Bonn 1910, Nr. 8, S. 187. 94 Siehe dazu: Hans Deutsch: Obstanbau und Obstverwertung, in: Eitorfer 75 Veröffentlichungen der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz, Heimatblätter 22/2005, S. 33–53. Bonn 1907, Nr. 1, S. 27.

76 Rheinische Monatsschrift für Obst-, Garten- und Gemüsebau, 1. Jg., Bonn 1908, Nr. 7, S. 109.

77 http://www.schaffendesvolk.sellerie.de/2_1904.html, abgerufen am 11.07.206.

86 87 Einleitung Seiten ihre nackten Schädel, welche kein Gesträuch Bis heute ist der „Preußenbaum“ – ob nun Fichte oder deckt, und wo kein Vöglein ein Schattenplätzchen zu Kiefer - umstritten in unserer Region. Der Anbau der seinem Neste findet“.3 seinerzeit besonders von den Preußen protegierten Nadelbäume konnte Fluch und Segen bedeuten. Vie- Ein weiteres Beispiel liefert uns der französische Prä- len Bauern war die preußische Aufforstungspolitik ein fekt und Minister Jacques-Claude Beugnot, der 1810 Dorn im Auge. Zahlreiche zeitgenössische Quellen be- von einer Inspektionsreise ins Bergische Land berich- legen dies. Trotz des regionalen Bezugs der Veranstal- tete: „Fahrt von Lennep nach Remscheid. Eine hügeli- tung sei es gestattet, eingangs mit einem westfälischen ge Gegend durchquert, der es an schönen Zügen nicht Beispiel zu beginnen: fehlt, deren Natur aber doch einen Anblick der Wild- heit bietet. Der Boden ist trocken und unfruchtbar; hier Als der sauerländische Oberförster Holzapfel am 2. und da sind die Berge mit Ginster und Buschwerk be- Mai 1821 zusammen mit einem seiner Förster mit ei- wachsen, die auf einstmals abgeholzte Wälder verwei- ner Fichtenanpflanzung im Sorpetal beschäftigt war, sen, wo die Vegetation aber zu schwach ist, um die ihr erschienen mehrere Bauern am Ort des Geschehens, von den Landesbewohnern zugefügte Schmach wieder „alle mit Hacken und Axten bewaffnet“, und machten zu heilen. Keine Ernten mehr, keine Obstbäume, keine – so vermerkte es der angegriffene Staatsdiener in Wälder, keine Spuren von Ackerbau: nichts als Einöde seinem späteren Bericht - ihrem Unmut über die Auf- und Menschen“.4 forstungen freien Lauf: „Wer Herr im Lande seye, ihr Förster, oder der König? Wer wann gibt ihnen den Be- Trotz einer gewissen Subjektivität historischer Reise- fehl, unser Eigenthum noch weiter zu verderben (...); berichte und -tagebücher wurden die Landesaufnah- ihr Förster thuet das alles aus euch selbst – der Kö- men und Forstvermessungen zu Beginn des 19. Jahr- Der „Preußenbaum“ im Rheinland – nig weis nichts davon, ihr wollet uns zupflanzen und hunderts zunehmend genauer. In der Oberförsterei so einschränken, daß wir nicht mehr zur Thür heraus Hoeven/Monschau waren 1818 von den 4.393 ha Holz- 1 können. Hierauf rissen die Bauern dem Förster Schmitt boden nicht weniger als 3.181 ha mit Öden, Blößen, Lü- Fluch und Segen das Band, wonach gepflanzt wurde, fort - danach den cken etc. bedeckt gewesen sein.5 Bernward Selter Arbeitern 3 Hacken und eine Axt fort - und rissen so- dann alle Pflanzen, denen 460 Stück waren, aus, und Ohne Holz ging nichts im „Hölzernen Zeitalter“. Holz warfen sie um sich her“.2 Derartigen Unmut über den spielte im Alltag der Menschen eine zentrale Rolle. „Preußenbaum“ äußerten die Menschen natürlich auch Die Erschöpfung dieser Zentralressource erfuhr im 18. im Rheinland, wie weiter noch gezeigt wird. Der vorlie- Jahrhundert immer bedrohlichere Züge. Sicherlich war gende Beitrag gibt einen Überblick über die Ausbrei- tung der Baumarten Fichte und Kiefer sowie über ihren Aufstieg vom verhassten „Prüsseboom“ zum Brot- und Butterbaum der Forstwirtschaft.

Die Ausgangssituation vor 200 Jahren Um 1800 waren auf dem Gebiet des heutigen Nord- rhein-Westfalens weite ehemalige Waldflächen ganz von Bäumen entblößt oder nur dürftig mit Strauchwerk und Heide bewachsen. Damals überzogen Öd- und Hei- deland mehr als 50 % der gesamten Bodenfläche in der Eifel; in anderen Regionen war es nicht viel besser. Ein- drucksvoll schildert der preußische Regierungsrat J.N. von Schwerz die Zustände in der Eifel 1816/17: „Man sollte sehen und weinen! Ein Land, wie die Eifel, wo es nicht an Raum fehlt, wo der Boden zum Theil keinen Abb. 1: Weitgehend entwaldete Eifel-Landschaft um 1860. Gemälde Werth für die übrige Cultur hat, weil es an Dung und von Caspar J. N. Scheuren (aus: Scheuren, C. (1865): Landschaft, Sage, Geschichte und Monumentales der Rhein-Provinz. In XXVII Blättern. Dungmaterial gebricht, da heben die Berge von allen Düsseldorf. Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Blatt XIII).

88 89 ein Teil der v.a. von der Obrigkeit vorgetragenen Klagen auch künftigen Generationen zu erhalten, trieb viele Dort hatte 1619 der brandenburgische Kurfürst nord- zu verbessern und die „Devastierung“ vieler Waldböden über eine drohende Holznot und eine Verwüstung der Menschen bereits in der Antike und im Mittelalter an. östlich des Uleusbusches Teile der Gocher Heide mit zu stoppen. Über Jahrhunderte war zumindest regional Wälder interessegeleitet und übertrieben. Man wollte Schwanden die Ressourcen, so war die Aufforstung mit nicht heimischen Gehölzen anlegen lassen. Der Name mehr Holz konsumiert worden, als nachwachsen konn- damit unliebsame Waldnutzungen der Bevölkerung aus Laubholz und später Nadelholz ein probates Mittel. Er- „Tannen“busch führt dabei etwas in die Irre, denn es te. Waldweide und andere landwirtschaftliche Nutzun- waldgewerblichen oder jagdlichen Gründen aus den funden haben die Nadelholzkultur aber nicht die Preu- wurden seinerzeit Fichten eingesät, die man im Volks- gen hatten die Wälder an vielen Stellen zurückgedrängt Wäldern zurückdrängen. Dennoch war die Holzknapp- ßen, sondern ein Bergwerksunternehmer und Han- mund aber als „Tannen“ oder „Dennen“ bezeichnete. und in Aufbau und Struktur verändert. Man benötigte heit nicht nur ein diskursives Phänomen, sondern lokal delskaufmann aus Nürnberg: Peter Stromer initiierte Der Große Kurfürst Friedrich erweiterte das Areal 1648 eine planmäßige Waldbewirtschaftung, der es gelang, auch ein reales Problem. schon 1368 im Nürnberger Reichswald die wohl älteste zu seiner heutigen Größe und überzog es mit Alleen. möglichst schnell wieder mehr Holz zu erzeugen, dabei Nadelholzsaat auf deutschem Boden.6 Über Frankfurt, Langsam breitete sich hier ein geschlossenes Waldge- aber gleichzeitig Holzzuwachs und Holznutzung künftig Rückblicke Hessen, den Harz und die süddeutschen Forstordnun- biet aus, dessen Baumarten sich im Laufe der Zeit wan- in der Waage zu halten – also nachhaltig zu wirtschaf- Im Holzmangelmotiv liegen wesentliche Wurzeln des gen hat diese Technik auch im Rheinland und in West- delten. Bis 1671 dominierte ein Fichtenbestand. Neben ten. ökonomischen Nachhaltigkeitsbegriffs. Das nachhalti- falen Eingang gefunden. der Kiefer, die seit Beginn des 18. Jahrhunderts auf den ge Denken im Umgang mit Wald und Holz ist schon sehr sandigen Böden gepflanzt wurde, wuchsen hier auch Nach 1850 änderten sich die wirtschaftlichen Verhält- alt - wesentlich älter als die erste explizite Erwähnung Erste Aufforstungen im Rheinland Eichen. Die Fichte verlor zunehmend an Fläche, da sie nisse noch einmal grundlegend. Die in großen Mengen dieses Prinzips 1713 bei dem sächsischen Juristen und Schon viele Jahre vor 1815 gingen die Preußen daran, sich als Pionierholzart nicht eignete. Nach einer Be- nun abgebaute fossile Steinkohle löste die regenerative Berghauptmann Hannß Carl von Carlowitz (1645–1714). im Rheinland die dort standortfremden Kiefern und standsaufnahme aus dem Jahr 1781 bestand der Tan- Holzkohle als Energieträger ab. Gleichzeitig verlangten Der Grundgedanke, die natürlichen Lebensgrundla- Fichten einzuführen. Das erste Projekt dieser Art wurde nenbusch aus „20 Morgen flekweise stehenden jungen Bergbau, Industrie und die wachsenden Städte riesi- gen nicht über die Maßen zu strapazieren, sondern sie im Tannenbusch bei Kleve am Niederrhein umgesetzt. Fichten von 30 bis 40 Jahren, hie und her noch alten ge Mengen an Bau- und Nutzhölzern. Diese Rohstoffe Fichten in den Allees, und etwa 20 bis 30 Morgen jungen mussten schnell und in großen Mengen bereitgestellt mit Eichen und Birken vermischten Fichten von 10 bis werden. Das Holz verlor seine zentrale Bedeutung als 15 Jahr – das übrige aber ist (...) Eichen- und einiges Energieträger und wurde zum Rohstofflieferanten und Buchen Schlagholtz mit (...) 20 bis 30 jährigen Eichen- begehrten Wirtschaftsgut einer aufstrebenden Holz be- oberholtze vermischt“7. und verarbeitenden Industrie.

Damit zählt dieser angelegte Forst zu den ersten und Daneben modernisierte sich die Landwirtschaft. Die ältesten staatlich gelenkten Nadelholzaufforstungs- Waldweide und andere Waldnutzungen wurden zu- projekten in Nordrhein-Westfalen. Noch heute ist der nehmend überflüssig, da die Bauern genug Futter- Umfang des alten und neuen Tannenbuschs komplett mittel und Dünger herstellen konnten. Das entlastete erhalten; allerdings finden sich in diesem Waldstück die Wälder, sie konnten nun rein forstwirtschaftlich heute nur noch wenige Nadelholzbestände, wie Tannen genutzt werden. Der Prozess der Entmischung und (Dennen), Fichten oder Kiefern. Nutzungsraumtrennung von Land- und Waldwirt- schaft zog sich allerdings über viele Jahrzehnte Aber auch in anderen Regionen wurden schon vor oder hin. um 1800 Nadelholzanbauten begründet. A. Hierse- korn nennt für die heute auf nordrhein-westfälischem Holz für den „unterirdischen Wald“ Boden liegenden Eifelforstämter folgende Zahlen: „14 Ein Beispiel für den immensen Nadelholzhunger der ha Kiefern etwa im Jahre 1774, 56 ha Kiefern etwa im Industrie ist der Steinkohlenbergbau. Mit dem Auf- Jahre 1788, 82 ha Kiefern zwischen 1800 und 1818, 18 schwung der Kohleförderung im Ruhrgebiet seit den ha Fichten etwa im Jahre 1800, 37 ha Fichten zwischen 1840er-Jahren wurden hier Unmengen an Holz ver- 1800 und 1818“.8 braucht. Neben den fast ausschließlich aus Holz ge- bauten Schacht- und Aufbereitungsanlagen der Koh- Gründe für die flächenhaften Nadelholzaufforstungen lenzechen kam unter Tage das Holz beim Stollen- und Die Gründe für die Aufforstungen mit Nadelhölzern wa- Schachtbau zum Einsatz. Auch die Schienen der Gru- ren vielfältig: Das Bevölkerungswachstum und die ge- benbahnen bestanden aus Holz. Der Grubenausbau werblich-industrielle Expansion verstärkten den Nut- verschlang riesige Mengen an Holz, 1907 verbrauchte zungsdruck auf die Waldwirtschaft. Man musste über der Ruhrbergbau pro Jahr schon 2.650.000 Festmeter die Maßnahmen zur Beschränkung und Regelung der Holz.9 Abb. 2: Der Königliche „Dannenbusch“ auf einer Karte von 1792 („Geometrisches Verzeichnis von der sog. kleinen Heide mit den anliegenden Gegenden, als die Hauschen Kolonien, dem kgl. Reichswald und Tannenbusch, Namen der Kolonisten, Stadt Goch und Straße von Kleve nach Goch; Kartenausschnitt Waldnutzungen hinaus gehende Lösungen finden, um aus: Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, RW Karten, Nr. 2605). den sich dramatisch verschlechternden Waldzustand

90 91 etablierte eine eigene wissenschaftliche Disziplin, die male Wirtschaftsform, Buchen- und Eichenmischwald- sich im 19. Jahrhundert immer weiter spezialisierte. gesellschaften verloren an Fläche. Künstliche Verjün- Das forstliche Ausbildungswesen trug zur Professiona- gungsformen – Saat bzw. Pflanzung von Menschenhand lisierung des Berufsstandes der Förster bei. – verdrängten die natürliche Verjüngung.

Die preußischen Forstbehörden förderten den Anbau Die Forstwirtschaft schuf immer ausgeklügeltere Sys- des schnell wachsenden Nadelholzes. Dies geschah teme der räumlichen und zeitlichen Ordnung der Wäl- z.B. durch gezielte Aufforstungen von Ödland und die der. Die Forste wurden vermessen, taxiert und kartiert. zunehmende Umwandlung ehemaliger Laubwälder in Nadelholzbestände eigneten sich besonders gut dazu, Nadelwald. Bei den Großaufforstungen im ersten Viertel nach Generalregeln eingerichtete Wälder zu pflanzen, des 19. Jahrhunderts in den Staatsforsten der Eifel griff die im Idealfall unter stets gleichbleibender Verteilung man zunächst oft noch zum Nadelholz, weil man eine sämtlicher Alters- und Betriebsklassen dauerhaft jähr- Abb. 5: „Ein Tannen Ort“: Idealtypisches Bild eines Nadelwaldes im Wiederkultivierung der völlig heruntergewirtschafteten schlagweisen Hochwaldbetrieb (Kupferstich aus: Cramer, J. A. (1766): lich gleiche Nutzungen sicherstellten. 1818 stellten die Böden mit Laubholz vielfach für unmöglich hielt. Der Anleitung zum Forst-Wesen nebst einer ausführlichen Beschreibung von Forstbehörden im Regierungsbezirk Aachen erste „All- an der Aachener Regierung tätige Oberforstmeister Verkohlung des Holzes und Nutzung der Torfbrüche etc. Braunschweig). gemeine oder Generelle Wirtschafts- oder Betriebs- Wilhelm von Steffens bemerkte vor dem Hintergrund pläne“ auf, nach der Katastervermessung schritt man Abb. 3: Bergmänner unter Tage im Ruhrbergbau, 1961 (Bundesarchiv, B 145 Bild-F030465-0006; Fotograf unbekannt). der Aufforstungen in der Nordwesteifel, dass dort „der dort nach 1838 zur Erstellung von Abschätzungswer- Boden verarmt und dass man gezwungen ist, um ihn Ab Mitte des 19. Jahrhunderts aber setzte eine sys- ken in allen staatlichen Oberförstereien. 1845 folgten zu verbessern, Zuflucht zur Kultur von Nadelhölzern tematische Umwandlung der Wälder ein. Aus Kahl- schließlich eine „Revisorische Materialaufnahme“ in Nachdem zunächst fast nur Eiche als Grubenholz Ver- zu nehmen, einer Kultur, die übrigens nur vorüberge- schlägen und künstlichen Aufforstungen entstandene, den Eifel-Forstämtern und in den 1850er-Jahren die wendung fand, ging man baldmöglichst auf geschältes hend und deren Ziel es ist, mit der Zeit erneut zu den monotone Fichten- und Kiefernforste waren die Ant- nächsten Abschätzungswerke.15 Ein erstes forstliches und imprägniertes Nadelholz über. Nach 1870 begann prächtigsten Laubbeständen zu führen“.12 Immerhin wort auf den Holzhunger von Industrie, Siedlung und Abschätzungswerk der Oberförsterei Siebengebirge die Kiefer, deren „Warneigenschaften“ unter Tage le- verringerte sich von 1828 bis 1878 die Fläche der Wild- Verkehr. Der multifunktional genutzte ländliche Versor- wurde 1837 vorgenommen. Im Kottenforst begann die bensrettend sein konnte, der Eiche als Grubenholz den und Ödländereien in den rheinischen Regierungsbezir- gungswald wandelte sich zum Erwerbswald - ein bis- Aufbauphase mit der ersten Forsteinrichtung 1829.16 Rang abzulaufen. Kiefernbalken knacken über mehrere ken Aachen, Düsseldorf und Köln von 166.479 ha auf lang noch nie dagewesener Waldfunktionswandel. Die Stunden, bevor sie tatsächlich zusammenbrechen. Die 3.335 ha.13 Mit Hilfe der staatlichen und kommunalen traditionellen Mittel- und Niederwälder wurden aufge- Konflikte Verwendung von Grubenholz besaß den Vorteil, dass Zuschüsse im Zuge des Eifelbewaldungsplans wurden geben, umgewandelt oder wuchsen durch zu Hochwäl- Die von der preußischen Forstverwaltung verordneten man in relativ kurzer Zeit die noch schwachen Holzsor- allein zwischen 1854 und 1861 8.290 ha Gemeinde-Öd- dern. Ihre Hauptprodukte Brennholz und Eichenrinde Fichtenaufforstungen trafen auf wenig Gegenliebe in timente absetzen konnte - ein wachsender Markt für landflächen kultiviert, besonders im Regierungsbezirk (Lohe) fanden im beginnenden 20. Jahrhundert kaum der Bevölkerung. Konkurrierende Ansprüche prallten schnellwachsende Nadelhölzer. Aachen.14 noch Absatz. In den Hochwäldern favorisierte man den im Wald aufeinander: Während die preußischen Forst- schlagweisen Nadelholz-Altersklassenwald als opti- behörden versuchten, mit den anspruchsloseren Nadel- Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erfass- bäumen heruntergewirtschaftete Böden wieder zu kul- te eine vom Bergbau beeinflusste Aufforstungswelle tivieren und schnell wachsendes Holz zu produzieren, die Randgebiete des Ruhrgebietes. Ein Gürtel junger sahen viele Bauern in den Aufforstungen mit dem ver- Kiefernbestände legte sich um die Region. Aber auch hassten „Prüsseboom“ eine Behinderung ihrer im Wald Lärchen und Fichten wurden für die Ausbeutung des ausgeübten Viehweide und Streunutzung. Das war eine „unterirdischen Waldes“10 eingesetzt. Im Regierungs- für sie nicht hinnehmbare Einschränkung ihrer Land- bezirk Düsseldorf ging seit den 1880er-Jahre fast der wirtschaft. Nicht selten steigerte sich die Ablehnung gesamte Einschlag an Nadelholz als Grubenholz nach in offene Wut, wie etwa in der Eifel: „Vom passiven Wi- Belgien und Frankreich. Nachdem der Metallausbau derstand, den schlechten Kulturarbeiten und der Ver- und die Bergbaukrise den Grubenholzabsatz zusam- weigerung der Arbeitskräfte ging man dazu über, die menbrechen ließen, wurden viele dieser Wälder zu Er- Nadelholzsämereien, die als „Teufelsdreck“ bezeichnet holungswäldern. wurden, heimlich im Backofen zu erhitzen, damit die Keimkraft verloren ginge. Schließlich mußte auch die Waldfunktionswandel und rationelle Forstwirtschaft Polizei zur Bewachung der Kulturen eingesetzt wer- Abb. 6: Entwicklung der Baumartenzusammensetzung im Bereich des Als Reaktion auf diese Entwicklungen entstand eine Staatlichen Forstamts Siegburg von 1846 bis 1964 (in %) (nach Schmidt, den, um diese gegen die aufgebrachte Bevölkerung zu geregelte Forstwirtschaft, die man in Anlehnung an Al- Herbert: Wald- und Forstgeschichte des Siegkreises, Siegburg 1973, schützen.“17 Auch mit Schiffelhacken rückte man den S. 67). Anmerkung: Der Anstieg der Laubholzfläche nach der Jahrhundert- brecht Thaers „rationeller Landwirtschaft“ als „ratio- Abb. 4: Blick in einen Fichtenforst (Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und wende erklärt sich v.a. durch Ankäufe ertragloser Stockausschlagflächen Kulturen mit den verhassten „Gendarmenfichten“ zu nelle Forstwirtschaft“ bezeichnete.11 Das Forstwesen Holz NRW, Foto: H.-D. Kratsch). ab 1895, die dann ebenfalls in Nadelhochwald umgewandelt wurden. Leibe. Hirten trieben Kühe und Schafe in Nadelholzkul-

92 93 wurden zwischen 1949 und 1963 rund 4.100 ha kulti- viert – knapp die Hälfte davon mit Nadelholz. Es war seinerzeit das größte Aufforstungsvorhaben aller staat- lichen Forstämter in der Bundesrepublik. Da es nach dem Zweiten Weltkrieg v.a. an männlichen Arbeitskräf- ten mangelte, wurden oft Frauen bei den Pflanzarbei- ten eingesetzt. Sie trugen die Hauptlast der Wieder- aufforstungen nach dem Krieg. Die 2004 verstorbene Gerda Johanna Werner – „die Frau auf dem 50-Pfen- nig-Stück“ – hat den „Kulturfrauen“ und „Pflanzfrauen“ sowie den abertausenden Trümmerfrauen in den Städ- ten ein Denkmal gesetzt.

In den nächsten Jahrzehnten – etwa bis 1980 – blieben Abb. 8: Blick in Teile des Hürtgenwaldes nach Kriegsende 1945 Fichte und Kiefer die „Brotbäume“ der Forstwirtschaft. (Foto: Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW). Sie wurden zur Wiederaufforstung von Kahlflächen und zur Umwandlung leistungsschwacher Laubholz- und der Zerstörung von Städten und Dörfern wurde bestände bevorzugt und entsprechend gefördert. Doch auch der Wald durch Befestigungsanlagen, Stellungen auch hier lagen Fluch und Segen des „Preußenbau- und Beschuss vernichtet: von 4.000 ha im Forstamt mes“ dicht beieinander. Die hohe Schadanfälligkeit der Hürtgen mehr als 3.000 ha.19

1948 breiteten sich im rund 7.000 ha großen Reichs- wald 2.500 ha Kahlflächen aus, weitere 500 ha waren nur schlecht bestockt und rund 2.000 ha durch Splitter entwertet.20 Nach dem Kriege schadeten besonders die Reparationshiebe der Alliierten den verbliebenen Holz- beständen. Die so genannten Direktoperationen waren Holzfällungen, die durch die Berechtigten im Selbstein- schlag geschahen. Im Auftrag der britischen Militärre- gierung konnte z.B. die Niederlande in einem rund 40 km breiten Streifen entlang der deutsch-niederländi- schen Grenze gewisse Mengen an Ausfuhrholz gegen Abb. 7: Wirtschaftskarte der Kgl. Oberförsterei Mulartshütte im Reg.-Bez. Aachen, gezeichnet 1839, berichtigt 1858. Die Unterteilung des Waldes in immer Erstattung eines ausgehandelten Holzpreises einschla- kleinere an die örtlichen Standortsverhältnisse angepasste Abteilungen ist deutlich zu erkennen. Ebenso ist für jede Abteilung die Bestockung mit den verschiedenen Baumarten und deren Altersklasse eingezeichnet (Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW). gen. Die Regelung und Durchführung der Holzexporte erfolgten durch die „North German Timber Control“. Die Direktoperationen wurden offiziell am 1.11.1948 turen, die Tiere trampelten die zarten Pflänzchen nie- Den weiteren Aufstieg der Nadelhölzer im Rheinland beendet.21 der. Im Monschauer „Stadt- und Landboten“ forderten bestimmten im 20. Jahrhundert v.a. drei markante Ent- die Menschen im Zuge der Revolutionsereignisse 1848 wicklungen: der Einfluss des Zweiten Weltkriegs, der Bis weit in die 1950er-Jahre beschäftigte sich die Forst- die Beendigung der Aufforstungen mit dem verhassten Wiederaufbau der Wälder und großflächige Waldscha- wirtschaft mit dem Wiederaufbau der Wälder. Entwal- „Prüßeboom“. An einigen Orten mussten die Pflanz- densereignisse. dung, Erosion und Störungen im Wasserhaushalt trafen arbeiten sogar unter Militärschutz vorgenommen wer- auf einen enormen Bedarf an Brenn-, Bau- und Nutz- den. Damals ahnte kaum jemand, „welchen Segen das Seit dem Herbst 1944 wurden die rheinischen Wälder holz. Um den Waldschutz zu intensivieren wurde am verhaßte „Preußenholz“ den Gemeinden einige Jahr- zum Kriegsschauplatz. Besonders im Hürtgenwald und 31.3.1950 das „Gesetz zum Schutze des Waldes“ erlas- zehnte später bringen sollte, vor allem weil seine Ver- im Klever Reichswald kam es zu schweren Kämpfen. sen. Seine Kernpunkte waren die Wiederaufforstung, wertungsmöglichkeiten immer vielseitiger wurden und Mehr als 70.000 Menschen verloren ihr Leben bei den die Aufforstung von Ödländern, das Verbot der weiteren so die Nachfrage ständig anstieg.“18 Kämpfen um den Westwall, über 10.000 in der Schlacht Umwandlung von Wald in andere Kulturarten sowie die Abb. 9: „Kulturfrauen“ im nordrhein-westfälischen Wald Der „Preußenbaum“ im 20. Jahrhundert im Reichswald. Neben den menschlichen Tragödien Übernutzungen vieler Wälder. Im Klever Reichswald (Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW).

94 95 Abb. 12: Einteilung des Klever Reichswaldes in 231 rechteckige Abteilun- gen (Jagen), 1889 (Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, RW Karten, Nr. 106).

anschauliches Beispiel bietet hier der Klever Reichs- wald. In kaum einem Waldgebiet in NRW hat sich das schachbrettförmige Muster an Wegen und Schneisen durch den Wald so lange erhalten können wie hier. Wenn wir heute durch den Reichswald wandern, sehen wir in ziemlicher Regelmäßigkeit an den Wegekreu- Abb. 10: Absterbender Kiefernbestand Mitte der 1950er-Jahre im Recklinghauser Stadtwald (Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW, Foto: H. Hesmer). Abb. 11: Broschüre zum Fichten-Behandlungskonzept NRW. zungen Grenzsteine mit aufgemalten Ziffern stehen: Zeugen der nun schon Jahrhunderte alten forstlichen Einteilung des Reichswaldes. Dieses Abteilungsnetz Nadelhölzer machten gerade den in großen Monokultu- man Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre ein Forstbetrieben die Existenz. Deshalb stocken rund 70 % des Reichswaldes bzw. seine Vorläufer sind schon sehr ren heranwachsenden Fichten und Kiefern zu schaffen. neues Phänomen. Jetzt zeigten über ganze Regionen des Fichtenwaldes im Privatwald. Allerdings besitzt alt und haben eine hohe kulturhistorische Bedeutung. Der aus Kahlschlägen und künstlichen Aufforstungen hinweg mehrere Baumarten - besonders die Nadel- die Fichte wie gesagt eine hohe Schadanfälligkeit (v.a. 1826 haben die Preußen den Wald gründlich vermes- entstandene Altersklassenwald hatte zwar zu einer hölzer – Schädigungen auf. Das sogenannte „Waldster- Wind- und Schneebruch sowie Borkenkäferfraß), was sen, das System verfeinert und die Grundlage für die Entspannung auf dem Holzmarkt geführt und die Ge- ben“ führte auch im Rheinland zu immensen Schäden ihren Anbau gerade vor dem Hintergrund des Klima- heutige Einteilung geschaffen. Im Abstand von damals samtwaldfläche wieder erhöht, aber zugleich seine Ver- an den Bäumen. Bei den vielen Einflussfaktoren spielen wandels immer mehr zum Risiko werden lässt. Auch jeweils 200 Ruthen (742 m) wurden parallel zum Ren- letzbarkeit offenbart. So häuften sich schon in der zwei- besonders Luftschadstoffe (Schwefeldioxid, Stickstoff- führen Nadelholzmonokulturen zu einem Verlust der dezvous die mit lateinischen Buchstaben bezeichneten ten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kalamitäten (Schäden oxide, Ammoniak und Ozon) eine Schlüsselrolle. Zu- Biodiversität. Daher wird der Umbau der gleichaltrigen Hauptgestelle eingerichtet (A bis K). Senkrecht dazu durch Insekten, Sturm und Schneebruch) an den ersten sätzlich belasten Insekten, Pilze, Temperaturextreme Fichtenwälder in naturnahe Mischwälder angestrebt. wurden Feuergestelle errichtet: in der Folge teilte man hiebsreifen Nadelholzreinbeständen. Hinzu kamen die und Sturmereignisse die Wälder. Obwohl aufgrund der den gesamten Reichswald in 117 quadratische Figuren Folgen von Luftverunreinigungen und „Rauchschäden“. drastischen Reduzierung der Schwefel- und Schwer- Raumwirksamkeit der Aufforstungen mit dem ein. Dieses System erfuhr dann eine Verfeinerung, in- Im Ruhrgebiet sprach man schon 1927 vom „Sterben metall-Emissionen und somit auch des Säure- und „Preußenbaum“ dem man die Abteilungen halbierte und nun 231 Abtei- der Wälder“. In seiner in diesem Jahr herausgegebe- Schadstoff-Eintrages in die Waldökosysteme ein flä- Die Aufforstungen mit dem „Preußenbaum“ haben an lungen erhielt.24 nen Denkschrift „Walderhaltung im Ruhrkohlenbezirk“ chendeckendes Absterben der Wälder nicht stattge- vielen Stellen auch raumwirksame Strukturen in der stellte der 1920 ins Leben gerufene Siedlungsverband funden hat, sind die Waldschäden in NRW nach wie vor Kulturlandschaft hinterlassen. Zum einen waren bzw. Ruhrkohlenbezirk fest, dass “seit Jahrzehnten (…) das ernst zu nehmen. sind dies der das Landschaftsbild massiv verändernde Sterben der Wälder im Ruhrkohlenbezirk in erschre- Baumartenwechsel (vom Laubwald zum Nadelwald) ckender Weise um sich“ greife.22 In Duisburg starben laut … und heute? und der sich wandelnde Waldaufbau von Nieder- und Betriebswerk von 1949 die 40–80-jährigen Kiefern in- Nach der aktuellen Bundeswaldinventur (BWI3, 2012) Mittelwaldformen zum Hochwald. Zum anderen hin- folge der Rauchschäden langsam ab.23 Waren derartige ist die Fichte noch immer die in NRW am weitesten ver- terließen die preußischen Förster auch Wegesysteme, Rauchschäden meist von lokalem Ausmaß und direkt in breitete Baumart. Sie nimmt einen Flächenanteil von Schneisen und blockförmige Wirtschaftseinheiten (Ab- der Nähe der „Rauchquellen“ aufgetreten, beobachtete knapp 29 % ein. Ihre hohe Ertragsleistung sichert vielen teilungen und Unterabteilungen) in den Wäldern. Ein

96 97 Endnoten 1 Dem Beitrag liegt der Vortrag zugrunde, der auf der Fachtagung „Preu- 20 Dasbach, D.: Der Einfluß und die Auswirkungen des 1. und 2. Weltkrie- ßen und Landschaft – Ideen – Symbole – Veränderungen“ am 22.10.2015 ges auf die Waldbewirtschaftung des Klever Reichswaldes. Diplom- in der Abtei Brauweiler gehalten wurde. arbeit Universität Freiburg 1987; Gorissen, F.: Heimat im Reichswald. Kleve 1950; Ganser, H.-K.: Rodungen im Reichswald Kleve nach dem 2 Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW, Akten Forstamt Zweiten Weltkrieg. In: Landesforstverwaltung NRW (Hrsg.): Forstwirt- Glindfeld, Nr. 5. schaft in Nordrhein-Westfalen. Zwischen Nachkriegswirtschaft und Neuorganisation (1945–1972). Düsseldorf 1998, S. 93–98. 3 Schwerz, J. N.: Beschreibung der Landwirthschaft in Westfalen und in Rheinpreußen. 2. Teil: Rheinpreußen. Stuttgart 1836, Faksimiledruck 21 Wegener, H.-J.: Vor 50 Jahren: North German Timber Control. Heute nur Bonn (o.J.), S. 136. noch ein Kapitel der Forstgeschichte. In: Landesforstverwaltung NRW (Hrsg.): Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Zwischen Nachkriegs- 4 Zit. nach dem Reisetagebuch des kaiserlichen Kommissars Beugnot wirtschaft und Neuorganisation (1945–1972). Düsseldorf 1998, S. 29–34. (1810). In: Huck, G. u. Reulecke, J. [Hrsg.]: … und reges Leben ist überall sichtbar! Reisen im Bergischen Land um 1800. Neustadt an der Aisch 22 Spelsberg, G.: Rauchplage. Zur Geschichte der Luftverschmutzung. Köln 1978, S. 165–192, hier S. 185. 1988, S. 119f.; Andersen, A. und Brüggemeier, F.-J.: Gase, Rauch und Saurer Regen. In: Franz-Josef Brüggemeier und Thomas Rommel­ 5 Hiersekorn, A.: Waldgeschichte der Nordeifel. Bonn 1989, S. 46. spacher (Hrsg.): Besiegte Natur. Geschichte der Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert. 2. Aufl. München 1989, S. 64–85, hier S. 73. 6 Man säte damals neben Tannen auch Kiefern und Fichten ein, auch wenn in den Quellen meist allgemein von Tannensäern gesprochen wird. 23 Freude, A.: Zur Geschichte des Waldes im Gebiet der alten Stadt Duis- burg in den Grenzen von 1904. Diplomarbeit Fachhochschule Hildes- 7 Historische Beschreibung von den Forsten des Herzogtums Kleve und heim/Holzminden, Göttingen 1987, S. 59. Fürstentums Meurs 1781 von Forstmeister Lehmann. In: Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, Kleve-Kammer, Nr. 2832. 24 Vgl. Burggraaff, P.: „Ehemalige Gestell- bzw. Abteilungswege von 1826 in den Reichswaldsiedlungen”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft. 8 Hiersekorn, A.: Waldgeschichte der Nordeifel. Bonn 1989, S. 43. Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-72801-20130828-2.

9 Unverferth, G.: Holz im Ruhrbergbau. In: Westfälisches Freilichtmuseum Hagen (Hg.): Hölzerne Zeiten. Die unendliche Karriere eines Naturstoffes. Hagen 1994, S. 141–149, hier S. 144.

10 Der Begriff „unterirdischer Wald“ geht auf den Juristen Johann Philipp Bünting zurück. Dieser hatte 1693 im Auftrag der kurfürstliche Brandenburgischen Regierung sein Werk „Sylva Subterranea Oder: Vortreffliche Nutzbarkeit Des Unterirdischen Waldes Der Stein-Kohlen“ veröffentlicht. Das in Magdeburg erschienene Buch sollte dazu animie- ren, die Steinkohle anstelle des Holzes als Brennstoff einzusetzen. Vgl. dazu u.a. auch Sieferle, R.: Der unterirdische Wald. Energiekrise und Industrielle Revolution. München 1982, S. 11.

11 So 1822 der Direktor der preußischen Forstakademie in Neustadt-Eberswalde, Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil (zit. nach Hasel, K.: Forstgeschichte. Hamburg und Berlin 1985, S. 78).

12 Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW, Nachlass Hesmer, Nr. 54.

13 Pöppinghaus, G.: Die Betreuung des Privatwaldes im Rheinland – gestern, heute, morgen. Vortrag am 20. 2.1984 in Nümbrecht 1984. Unveröff. Mskr.

14 Hesmer, H.: Wald und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1958, S. 110.

15 Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW, Akten Nachlass Hiersekorn.

16 Schmidt, H.: Aus der Forstgeschichte des Siegkreises. Eine Auswertung des Archivs des Staatlichen Forstamtes Siegburg. Siegburg 1973, S. 57; Reviergeschichte Kottenforst (Forstl. Dokumentationsstelle, Wald und Holz NRW, Akten Forstamt Kottenforst).

17 Wenzel, I.: Ödlandentstehung und Wiederaufforstung in der Zentraleifel. Bonn 1962, S. 99f.

18 Schwind, W.: Der Eifelwald im Wandel der Jahrhunderte ausgehend von Untersuchungen in der Vulkaneifel. Düren 1984, S. 129f.

19 Zu den Kämpfen in der Eifel vgl. u.a. Menden, N. und Schulte, A.: Der Zustand des Waldes während des Zweiten Weltkrieges und in der Nach- kriegszeit. In: Schulte, A. (Hrsg.): Wald in Nordrhein- Westfalen 2003. Bd. 1, S. 264–271; Gross, M.: Der Westwall zwischen Niederrhein und Schnee-Eifel. Köln 1989; Hohenstein, A. und Trees, W.: Hölle im Hürtgen- wald: die Kämpfe vom Hohen Venn bis zur Rur, September 1944 bis Februar 1945. 3. Aufl. Aachen 1981.

98 99 „Landschaft“ erfuhr seit dem späten 18. Jahrhundert eine grundlegend neue Bewertung. Vielschichtige Ent- wicklungen hatten dazu beigetragen, dass der sichtba- re, die Menschen umgebende Lebensraum neuartiges gesellschaftliches Interesse fand. Mit der preußischen Präsenz im Rheinland setzte sich diese Entwicklung fort und erreichte neue Qualitäten. In diesem Beitrag sollen einige typische Facetten preußischer Land- schaftsrezeption anhand konkreter Beispiele beschrie- ben werden. Weit über die sachliche Betrachtung der realen Umwelt hinaus beinhaltete dieses Landschafts- empfinden ästhetische und emotionale Komponenten, Abb. 1: Johan Carl Billmark, Aussicht vom Drachenfels, Farblithographie, die nicht zuletzt der neuen Selbstvergewisserung und 1837 (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter). kollektiver Identitätsstiftung dienen sollten. In Bezug auf die rheinische Landschaft eröffnet somit die Unter- suchung preußischer Aktivitäten tiefe Einblicke in die In Ermangelung einer tatsächlich greifbaren nationa- mentalen Strukturen preußischer Herrschaft. len Bezugsgröße waren neue Argumente gefragt, die der Autor schließlich in einem ausgeprägten Feindbild Zahlreiche Bildbeispiele zeitgenössischer Künstler zei- fand: Sein „Franzosenhass“ wurde legendär – und äu- gen ein hohes Maß an Idealisierung in der Wiedergabe ßerte sich in Forderungen wie dieser: „Deutschlands von Landschaften des frühen 19. Jahrhunderts. Diese Selbstständigkeit und Europas Sicherheit kann nicht Beobachtung ist umso erstaunlicher, als die Erfas- bestehen, wenn die Franzosen den Rhein und die jen- Der Drachenfels als sung typischer Charakteristika bestimmter Orte oder seits des Rheins liegenden Deutschen Lande behalten. Regionen und deren Erkennbarkeit zu den wichtigen (…) Wenn Frankreich den Rheinstrom mit seinen Lan- Prinzipien etwa der Düsseldorfer Malerschule zählten. den behält, so behält es nicht nur sein alles Gleich- Symbol-Landschaft Effekte der Überhöhung oder auch Emotionalisierung gewicht aufhebendes Übergewicht über Deutschland, Elmar Scheuren bedienen sich daher häufig solcher Mittel wie Licht- sondern auch über das übrige Europa.“1 Seine teilweise effekte, Wetterphänomene oder Staffagefiguren. Die extrem radikalen Äußerungen („Ich will den Haß gegen Wahl des Bildausschnittes oder der Perspektive kann die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn ebenso dazu beitragen, etwa eine Ruine dramatisch er- für lange Zeit, ich will ihn für immer.“2) stießen auch scheinen zu lassen oder die Wirkung einer Fernsicht zu unter Zeitgenossen und Zeitgenossinnen auf Kritik, erhöhen. Ein Blatt von Carl Johan Billmark (1804–1870) verfehlten ihre Wirkung aber nicht. liefert ein markantes Beispiel für eine solche Kombi- nation mehrerer Effekte im Fall einer Darstellung des Arndt erwies sich als ein Meister in der Findung ein- Drachenfels (s. Abb. 1). gängiger Bilder und Symbole. In diesem Sinne ist sei- ne Funktionalisierung des Rheins zu sehen, dem er Politischer Rhein eine seiner erfolgreichsten Flugschriften widmete. Sehr früh wird die Rezeption speziell des Rheintals um Sie erschien Ende 1813 – rechtzeitig zum Vormarsch eine Konnotation bereichert, die sich aus dem zeitli- der alliierten Truppen – unter dem Titel: „Der Rhein – chen Kontext der „Befreiungskriege“ erklärt. Die Aus- Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Gränze“ einandersetzung mit Frankreich erforderte seitens der (s. Abb. 2). Darin führt Arndt die gegenüber der Spra- anti-napoleonischen Koalition – und besonders Preu- che relative Bedeutungslosigkeit geographischer Ge- ßens – eine breite Mobilisierung und stützte sich da- gebenheiten aus und spricht erst recht einem Strom bei vor allem auf emotional geführte Kampagnen. Als wie dem Rhein die Eigenschaft einer „Naturgrenze“ einer der wichtigsten Publizisten betätigte sich in die- ab. Weitschweifige historische Betrachtungen führen sem Zusammenhang Ernst Moritz Arndt (1769–1860). ihn dann zunächst zu der Feststellung, „daß Besitz, Zahlreiche seiner Flugschriften behandeln nicht nur Stamm, Sprache, Art und Neigung dieser Lande und Aspekte der Organisation einer Volkserhebung, son- Völker für das deutsche Reich“ sprechen. Speziell dem dern beschwören ein nationales Gemeinschaftsgefühl. Rhein weist er aber eine weitergehende, internationale

100 101 preußischen Königshaus eingeforderte Unterstützung Die darauf folgende Nacht war die heilige Freuden- und des Volkes wurde mit der Aussicht auf Freiheitsrechte Feuernacht, und ganz eigentlich die Krone des Festes. garniert, die allerdings später größtenteils nie reali- Ganz einzig war der Blick, der sich von den Höhen in siert werden sollten. das weite Land hinaus eröffnete. Drachenfels selbst, und gegenüber Godesberg, standen wie zwei Feuer- Die Mobilisierung hatte immerhin partiellen Erfolg, das säulen am Eingang des Rheinthales, und darüber er- Siebengebirge liefert hierfür ein bezeichnendes Bei- hob sich die Löwenburg noch höher mit ihren Flammen spiel. Hier hatte sich im November 1813 unter dem Ein- gekrönt. (…). In Mitternacht, vom Kreuzberg an, den die druck durchziehender Heeresverbände eine Bürger- Freude der guten Bewohner von Bonn entzündet hat- wehr zum Schutz gegen Plünderungen und Übergriffe te, lag die weite Ebene ausgebreitet; bis Köln hinunter, gebildet. Durch die Initiative eines in Königswinter sta- und darüber hinaus, und rechts bis Bensberg hinab und tionierten preußischen Majors (Franz von Boltenstern) das Bergische entlang, lagen die Sternbilder, als sey gab sie sich den Titel „Landsturm vom Siebengebirge“, die Erde ein Meer geworden, in dem sich der Himmel stattete sich mit Fahnen und militärischen Strukturen spiegelte. aus und erfüllte damit annähernd das Idealbild des von Arndt geforderten „Landsturms“. Eine einzige größere Die wackeren Kölner hatten auf dem herrlichen gothi- militärische Aktion ist überliefert, die zwar nicht von Er- schen Kandel über ihrem Domthurm das bengalische folg gekrönt war, aber das Leben von mindestens zehn Feuer gezündet; den Lauf des Rheines bezeichneten preußischen Soldaten und einer unbekannten Zahl un- auf beiden Ufern helle Lichtpunkte; an den reichlich erfahrener Rekruten forderte: Am 3. Januar 1814, also im bergischen ausgesäeten Lichtpunkten waren die wenige Tage nach Blüchers Rheinübergang, unternahm Schaaren abzuzählen, die sie dem Krieg gegeben, und von Boltenstern einen Versuch, von der rechten Rhein- dazwischen zuckten Blitze vom Siebengebirge her, und seite bei Mülheim aus die Stadt Köln zu erobern und der von Rheinbach herüber, und von Köln herauf, und der französischen Besatzung zu entreißen. Einen parallelen Donner des Geschützes und des Kleingewehrfeuers Angriff auf linksrheinisch vorbeiziehende französische hallte von fern nach. Abb. 3: Landsturmdenkmal von 1814, Kolorierte Radierung, hg. V. Büsen Einheiten unternahm eine Einheit des Landsturms vom und Breitenstein, Düsseldorf um 1830 (Kölnisches Stadtmuseum). Siebengebirge bei Nonnenwerth. Unter den Opfern die- Der ganze Anblick war herrlich und herzerhebend; und Abb. 2: Ernst Moritz Arndt, Der Rhein – Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Gränze, Flugschrift, Leipzig, November 1813 (Siebengebirgs- ser erfolglosen Aktionen waren zwei prominente Ver- haben die Franzosen ihn aus ihrem Landes wahrgenom- museum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter). treter: Major von Boltenstern und der Königswinterer des bekannten Publizisten Joseph Görres spiegelt das men, dann haben diese Feuer ein warnend Wort ihnen Bürger Johann Joseph Genger. Damit waren Anlässe Pathos und die Akzentuierung der politisierten Rhein- zugerufen, und sie haben sicherlich erkannt, welch ein für eine Glorifizierung geschaffen, die ihr besonderes landschaft4: anderer Geist über das teutsche Volk herabgekommen, Bedeutung zu. So gewann in seinen Schriften speziell Gewicht aus dem Bezug zum Rhein gewinnen sollte. und seine Flammen über die Häupter seiner Jünger aus- der Rhein die Qualität einer überregional bedeutsa- „Auf der Höhe des Drachenfels, neben den Trüm- gegossen, daß sie mit einemmale Begeisterung reden.“ men Identifikationsgröße – und wurde zum „deutschen Landschaft als Projektionsfläche mern der alten Burg, hatte der wackere Landsturm Strom“. Mit der Abdankung Napoleons und somit dem Errei- des Siebengebirges seinem Anführer Genger, der auf Mit diesen Ereignissen waren die Weichen für eine chen des wichtigsten Ziels im „Befreiungskrieg“ be- Rolandswerth vor dem Feind gefallen war, eine Denk- immer weiter reichende politische Vereinnahmung Der so politisierte Fluss kann die ihm neu zugewiesene gann die Neuordnung Europas, die sich aber noch über säule errichtet. Die Weihe dieses Males war in schickli- der Rheinlandschaft gestellt. Das Zusammenspiel Funktion nachhaltig erfüllen. Einen deutlichen Beleg ein Jahr lang hinziehen sollte. Viele Akteure bemühten cher Weise mit der Feier des Tages verbunden worden. des patriotischen Denkmals mit so markanten Land- dafür wird die Resonanz auf das Ereignis von „Blüchers sich gerade in der Zwischenzeit darum, die patrioti- Der Landsturm der ganzen Gegend, eine treffliche schaftselementen wie der Drachenfelsruine und der Rheinübergang“ in der Neujahrsnacht 1814 liefern, sche Stimmung wach zu halten. Zum herausragenden Schaar, vom besten Geiste belebt, zum größten Theile Weite des Rheintals wird in der Folge zu einer festen dem hohe symbolische – und damit publizistische – Be- Datum von Siegesfeiern wurde der erste Jahrestag der wohl bewaffnet und geübt, und mit Recht stolz auf die Größe der Bildüberlieferung. Dabei zeigt sich die hohe deutung zuteil wird. Die erfolgreiche Politisierung zeigt „Völkerschlacht“ von Leipzig, der am 18. Oktober 1814 thätige Theilnahme, die er am Kriege schon genom- symbolische Bedeutung der politisch interpretierten sich auch an anderen Orten in typischer Ausprägung. begangen wurde. Der „deutsche Rhein“ rückte dabei men, hatte sich versammelt, und zog auf die Höhe an Landschaft nicht nur in der Wiedergabe solcher rea- Gute Anknüpfungsmöglichkeiten bot das Bild der anti- ins Zentrum des Geschehens; seine herausgehobene die Burg (...). Der Anführer der Schar hielt eine Rede ler Szenerien. Der Entwurf für ein idealisiertes Blü- napoleonischen „Volkserhebung“, wie sie ebenfalls von Bedeutung wurde mit nächtlichen Höhenfeuern ins Bild bei dem Denkmal, vom jubelnden Volk umdrängt, der cher-Denkmal aus dem Jahr 1819 bedient sich eben- Arndt propagandistisch verbreitet wurde: „Nun, da Gott gesetzt und bot einer Königswinterer Initiative die Ge- Landsturm zog dann in guter Ordnung mehrmals um falls der Drachenfelskulisse, um – laut Bildunterschrift den Weg gewiesen hat, müssen alle Völker sich erhe- legenheit, mit einer Denkmalenthüllung für eben den die Säule herum; und so erhebt sie sich, den künftigen – das Andenken „des würdigsten deutschen Helden“ ben; vor allem aber muß in allen Landschaften, Kreisen „Landsturm vom Siebengebirge“ einen besonderen Ak- Jahrhunderten ein sprechender Zeuge von der Begeis- mit dem „deutschen Rheine“ zu verknüpfen (s. Abb. 4). und Gauen das deutsche Volk sich erheben.“3 Die vom zent zu setzen (s. Abb. 3 ). Der zeitgenössische Bericht terung der Zeiten, denen sie ihr Entstehen verdankt. Literarische Schilderungen spiegeln die konsequente

102 103 die neuen Untertanen ist dank der „Tagesbeschrei- zu zieren und zu heben. (...) Verklärt stand er [der Kron- bung“ eines Schülers überliefert (s. Abb. 6): „Morgens prinz] in der Mitte der Menschen und der Natur, welche war wie gewöhnlich um acht Uhr Schule, auch gien- sich vereinigt hatten, um die Feier seiner Ankunft zu gen wir um neun Uhr in die Kirche, worin wir sangen. begehen. (...)“ Nachmittags war auch gewöhnliche Schule, und als wir hofften, bald entlaßen zu werden, kam der Hl. [= Die Nutzung der besonderen Aura des Drachenfelspla- hochlöbliche] Bürgermeister, welcher dem Hl. Lehrer teaus war nicht alleine preußischer Staatsmacht vor- sagte, mit uns ans Fahr [= Uferpartie bei Königswin- behalten, sondern erfreute sich auch und gerade in op- ter] zu rücken, um dem Kronprinzen von Preußen Vivat positionellen Kreisen auffallender Beliebtheit. Schon in zu rufen, welcher mit einer kleinen Jagd [= Jacht] da den Jahren nach 1814 bevorzugten Bonner Turner und angekommen war, um auf den Drachenfels zu gehen. Studenten den Ort, um – in der Tradition der Feiern des Wir nahmen unsre Fahne und unsere beiden Kanonen 18. Oktober 1814 – für ihre freiheitlichen Forderungen mit, welche, als er abfuhr, zweymal gelöset wurden, und die erstrebte nationale Einheit zu demonstrieren. Abb. 7: Besuch des deutsch-vlämischen Sängerfestes auf dem wir giengen als dieses all vorbey war, zur Schule, wo Erst im Zuge der preußischen Demagogenverfolgung Drachenfels am 17. Juni 1846, Illustration nach J.B. Sonderland, Abb. 4: Drachenfels und Landsturmdenkmal der Lehrer uns sagte, daß keine Abendschule wäre.“5 wurden die Feiern an diesem Ort ab 1819 ausdrücklich Leipziger Illustrierte Zeitung, Juni 1846 (Siebengebirgsmuseum). William Tombleson, Stahlstich 1832(Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter). verboten.7 Das Wiederaufleben der Bewegung – nach Im Rahmen einer weiteren Reise kam der Kronprinz im dem Regierungsantritt des Königs Friedrich-Wilhelm August 1817 wieder an den Fuß des Drachenfels nach IV. im Jahr 1840 und der von ihm zunächst gewährten des Geschehens lieferte. Rund 20 Jahre später ist die Königswinter. Von diesem Ereignis zeugt der Bericht Liberalisierung – brachte auch den Drachenfels wie- Planung für ein Ereignis überliefert, das ebenfalls als eines Bonner Lehrers: Carl Ruckstuhl (1788–1831) ver- der zurück in das politische Bewusstsein. Zwar war das oppositionelle Demonstration gedacht war, dann aber fasste eine euphorische Beschreibung, in der er den Landsturm-Denkmal aufgrund schlechten Steinmate- tatsächlich verboten wurde. 1865 wollte der für seine hohen Stellenwert landschaftlicher Umgebung betont6: rials inzwischen bereits verfallen und wurde 1843 so- anti-preußische Einstellung bekannte Kölner Abgeord- „Die Natur feierte mit und verherrlichte das Fest. Es gar abgetragen. Dessen ungeachtet behielt das Plateau nete im Preußischen Landtag, Johann Classen-Kappel- erschien aufgetragen auf die Formen der umgebenden aber seine Popularität und patriotische Bedeutung. Ein mann, den offiziellen Feierlichkeiten zum 50-jährigen Landschaft. Der Wasserspiegel, die geschwungenen markantes Beispiel liefert ein Ereignis im Juni 1846, das Jubiläum der preußischen Rheinprovinz ein eigenes Gestade, vorzüglich aber das Siebengebürg faßten die in der zeitgenössischen Presse starke Beachtung fand.8 „Abgeordnetenfest“ entgegensetzen.10 Die Feier sollte festlichen Szenen ein, und liehen ihnen ihren großarti- Im fortschrittlichen Geist des Vormärz war in Köln ein an zwei Tagen im Juli stattfinden und aus einer Feier im gen Charakter. Besonders hoben sich gerade darüber „deutsch-flämisches Sängerfest“ organisiert worden. Kölner Gürzenich sowie – am zweiten Tag – einem Aus- die Felsenmassen des Drachenfels. Dessen Anblick Ein zentraler Programmpunkt der mehrtägigen Veran- flug ins Siebengebirge bestehen. Während die Planung war uns auffallend und neu; denn vorher konnten wir staltung mit vielen hundert Teilnehmern und Teilneh- für den ersten Tag ganz aufgegeben werden musste, ihn natürlicher Weise nicht sehen, als wir auf seiner merinnen war ein Ausflug auf dem Rhein bis zum Dra- konnte für den zweiten Tag ein Ersatz gefunden werden Höhe selbst standen. Ueberhaupt wirkt umgebende chenfels, wo im Anblick der Burgruine und des bis nach in Form eines Ausflugs nach Oberlahnstein und somit Abb. 5: Entwurf für ein idealisiertes Blücher-Denkmal am Rhein Kolorierte Landschaft wunderbar, um Handlungen der Menschen Köln reichenden Panoramas eine patriotische Kundge- ins nicht-preußische Ausland. Auf diese Ortsänderung Aquatinta, Georg Emmanuel Opiz, 1819 (Privatbesitz). bung durchgeführt wurde (s. Abb. 07). ist sehr wahrscheinlich die geringere publizistische Wirkung zurückzuführen. Als Rednertribüne diente der verbliebene Sockel des Verfolgung der preußischen Interessenpolitik wider. ehemaligen Denkmals, von wo aus markige Töne er- Landschaftsschutz Typische Beispiele liefern Besuche des Kronprinzen klangen – so aus dem Munde des Kölner Publizisten Das herausragende Renommierprojekt preußischer Friedrich Wilhelm, der wiederholt den Rhein bereiste Ernst Weyden: “Im Angesicht des deutschen Stromes, Präsenz am Rhein – der Fertigbau des Kölner Doms in und sich persönlich vielfältig engagierte, um eine enge des Rheines, wollen wir uns aber in dieser großen den Jahren 1842–1880 – bewirkte schon im Vorfeld der Verbindung des preußischen Königshauses zur Rhein- Stunde als Söhne Eines Vaterlandes (...) fest und treu Realisierung einen folgenreichen Konflikt. 1823 wurde provinz zu pflegen. Höhepunkte dieses Engagements das Gelöbnis steter Eintracht leisten, die eine neue le- die Dombauhütte neu eröffnet, um dringende Bauschä- sollten in den folgenden Jahrzehnten die Wiederher- bensfrische Wurzel treibe in dem deutschen-vlämi- den an den mittelalterlichen Bauteilen der Kathedra- stellung des Schlosses Stolzenfels und – in seiner Re- schen Sängerbunde. Hoch unserem Sängerbunde ... le zu beheben.11 Im Bewusstsein um die Tradition des gierungszeit als König Friedrich Wilhelm IV. – die Fertig- und dreimal Hoch dem einigen deutschen Vaterlande.“9 Drachenfelser Steins als mittelalterlichem Bauma- stellung des Kölner Doms werden. Die erste Rheinreise Abb. 6: Schulheft von Peter Schmitz Es war sicher dem plakativen Charakter der Veranstal- terial bemühten sich die Kölner Baubetreiber um die des Kronprinzen – unmittelbar vom Wiener Kongress Aus dem Unterricht des Lehrers Odenthal (1778–1821), Königswinter tung und der Aura ihres Ortes zu verdanken, dass just Wiedereröffnung der seit langer Zeit ruhenden Stein- 1815–1817, mit einer Tagesbeschreibung“ zum Besuch des Kronprinzen kommend – führte ihn am 3. Juli nach Königswinter. Friedrich-Wilhelm am 3. Juli 1815 (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein diese Episode in der Presse besondere Beachtung fand brüche. Königswinterer Unternehmern gelang es auch Die Atmosphäre des freundlichen Empfangs durch Siebengebirge, Königswinter). und den passenden Hintergrund für eine Illustration tatsächlich, im Namen einer „Steinhauer-Gewerk-

104 105 schaft“ Abbau- und Eigentumsrechte am Drachenfels Ausdruck, Tradition und politische Aktualität mitein- zu erwerben. Allen Beteiligten war aber klar, dass dies ander in Einklang zu bringen (s. Abb. 9). Die einzelnen schon mittelfristig die Abtragung der Bergkuppe mit- Blätter zeigen neben markanten Bauwerken oder Über- samt der pittoresken Burgruine zur Folge haben wür- blicksansichten üppiges Rankenwerk und architektoni- de. Der Wortführer der Steinhauer brachte das klar sche Rahmungen, die Raum bieten für kleinere Vignet- zum Ausdruck: „Um diese Steine zu erhalten, müsste ten oder Textpassagen. Scheuren nutzt diese Elemente auch nur der Turm hinweg geschafft werden“12. Ähnlich für möglichst breit angelegte erzählerische Details: Sa- unbefangen sah dies kein Geringerer als der Dombau- genstoffe oder historische Ereignisse werden so zu fes- meister Zwirner: „Im Interesse des Dombaus könnte ten Bestandteilen der Landschaft. Die schon von ihrer ich es nur wünschen, dass so wie einst der Teufel den äußeren Form und dem großen Format her repräsen- Baumeister vom Thurme stürzte – er auch mit der Rui- tative Mappe lässt keinen Zweifel an ihrem Zweck einer ne des Drachenfelsens gemacht hätte […].“13 Huldigung der preußischen Herrschaft. In den Bildin- halten erreicht sie dies aber nicht nur durch typische Abb. 8: Eingangskarte zum Drachenfels Steinhauer-Gewerkschaft In diesem Konflikt nahm allerdings das Königshaus Königswinter, 30.7.1830, Freikarte („No. 1 fortwährend freye Eingangs- klassisch-romantische Versatzstücke, sondern ergänzt Abb. 10: Blatt „Bonn“ aus: Landschaft, Sage, Geschichte und Monumen- karte (…) Die Person 5 Sgr [= Silbergroschen] für ein Pferdchen oder Esel eine gänzlich konträre Position ein. Angetrieben von diese um Anspielungen auf neueste wirtschaftliche, tales der Rheinprovinz;Lithographie, C. Scheuren/J.B. Sonderland, 1865 10 Sgr. Einschließlich des Trinkgeldes“) (Stadtarchiv Krefeld, Depositum seiner Rheinbegeisterung, war es einmal mehr der militärische oder technische Errungenschaften. So (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter). Schumacher). Kronprinz, der klare Position bezog: „Königliche Hoheit zeigt etwa das Blatt „Coblenz“ einen großen Truppen- der Kronprinz und die ganze Königliche Familie [...] in- aufmarsch und die in preußischer Zeit neu ausgebaute teressieren sich lebhaft für die Erhaltung der Ruine. [...] der langen Geschichte staatlicher Maßnahmen, die Festung Ehrenbreitstein; das Blatt „Bonn“ neben mar- Vielfalt weitgehend im Einklang steht, ändern sich die Endlich läßt seine Kgl. Hoheit der Kronprinz Ew. Exzel- sich Jahrzehnte später auch dem Naturschutz widmen kanten Ruinen der Umgebung Symbole für „Dampf- ästhetischen Vorstellungen in den Jahrzehnten am lenz ersuchen, so viel und so weit es die bestehenden sollten. In den frühen Jahren stand allerdings das Ge- schiff, Eisenbahn, Industrie“ und „Handel“ (s. Abb. Ende des 19. Jahrhunderts. Gezielte landschaftsgestal- Gesetze gestatten, dem Unwesen der Zerstörung sol- samtbild landschaftlicher Ensembles im Vordergrund 10); und das Blatt „Siebengebirge“ neben Leitfiguren tende Maßnahmen gelten vor allem dem „Waldbild“ und cher geschichtlicher Denkmäler zu steuern, welches des Interesses. Dessen offensichtliche Ausdehnung in der Rolandsage auch den neu fertiggestellten Bahnhof der Pflege von „Naturschönheiten“.19 Daneben konzen- gewöhnlich nur aus Gewinnsucht hervorgeht [...].“14 Kreise einer breiteren Öffentlichkeit steht im Zusam- Rolandseck (s. Abb. 11). Auf diese Kombination histori- trieren sich die Aktivitäten des „Verschönerungsvereins Diese Position eröffnete tatsächlich eine neue Qualität, menhang mit privaten Bemühungen um wirtschaftliche scher Qualitäten mit modernen Errungenschaften und für das Siebengebirge“ (VVS) auf die Bekämpfung von indem hier staatliche Einmischung in einer Form ge- Nutzung der sich neu eröffnenden touristischen Poten- mit Phänomenen des Zeitgeschehens bezieht sich das Nutzungsformen, die verstärkt als Beeinträchtigungen fordert wurde, die das politische System bis zu diesem ziale. Im Raum Siebengebirge schlägt sich sich diese auf einem – „Rheinpreussen“ gewidmeten – Vorsatzblatt des Landschaftsbildes verstanden werden – ganz im Zeitpunkt nicht vorsah. Es mussten Sicherheitsgründe Entwicklung zunächst in Maßnahmen der kommunalen zitierte Motto: „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, Sinne des „Vaters des deutschen Naturschutzes“, Ernst vorgeschoben werden, um 1827 den Steinbruchbetrieb Verwaltungen und schließlich – in den 1850er Jahren – und neues Leben blüht aus den Ruinen“18. Rudorff, der sich vehement etwa gegen den Bau der am Drachenfels regierungsamtlich zu untersagen. in der Gründung einer Königswinterer „Verschöne- Zahnradbahn einsetzt.20 Solche und ähnliche Begleit- Aber erst nach dem Erwerb der Eigentumsrechte konn- rungs-Commission“ nieder.15 Damit war der Grundstein Während bis zu diesem Zeitpunkt die Qualität von Land- erscheinungen der Industrialisierung werden vom VVS ten die staatlichen Stellen ihre Interessen vollständig gelegt für eine weitere Entwicklung, die schließlich zur schaft noch mit der Würdigung kulturlandschaftlicher zunehmend kritisiert. Ein Ausdruck dieser neuen Sicht- durchsetzen. In der Zwischenzeit eines rund acht Jahre Gründung des „Verschönerungsvereins für das Sieben- weise ist die Gründung eines „Vereins zur Rettung des währenden Prozesses mussten die Steinhauer versu- gebirge“ im Jahr 1869 führen sollte. Siebengebirges“ im Jahr 1886, der sich den Kampf für chen, ihre Einnnahmeverluste auszugleichen. Während die Einstellung der Steinbrüche zum Ziel setzt. Flug- viele Steinbrucharbeiter ihre Arbeitsplätze verloren, Die eigentümliche, für diese Entwicklung aber maß- schriften und Illustrationen, die die fortschreitende verkauften die Eigentümer – mindestens in den Jahren gebliche Verquickung ästhetischer, mythischer und „Verwüstung des Siebengebirges“ anprangern, werden 1830 bis ca. 1836 – Eintrittskarten für den Drachenfels- politischer Vorstellungen von „Landschaft“ spiegelt schließlich zum Erfolg führen und am Anfang des 20. gipfel (s. Abb. 8). Bei dieser Gelegenheit konnten sie sich nicht zuletzt in bildlichen Überlieferungen. Eine Jahrhunderts die weitgehende Einstellung der Stein- immerhin die im Steinbruchbetrieb benötigten Last- umfangreiche Ansichtenmappe von Caspar Scheuren bruchbetriebe erreichen. Ausschlaggebend für diesen esel als Reittiere für die immer zahlreicher werdenden (1810–1887) liefert hierfür prägnante Beispiele. Sie wur- Erfolg war nicht zuletzt die Unterstützung durch preu- Touristen und Touristinnen einsetzen – und damit eine de 1861 fertiggestellt und 1865–68 in größerer Auflage ßische Institutionen vom Oberpräsidenten der Rhein- lange währende Tradition begründen. gedruckt.16 Der Beginn ihrer Veröffentlichung fiel in das provinz bis hin zum Preußischen Landtag.21 Jahr des 50-jährigen Jubiläums der preußischen Prä- Der ungewöhnliche preußische Akt des Landschafts- senz am Rhein. In 27 großformatigen Blättern werden Preußische Projektionen schutzes erschloss neue Dimensionen staatlicher Ein- jeweils ausgewählte Orte und Regionen des Rheinlands Der bereits erwähnte Verfall des Landsturm-Denkmals griffsmöglichkeiten in private Nutzungen. Er sollte die beschrieben.17 Schon der Titel der Mappe: „Landschaft, Abb. 9: Landschaft, Sage, Geschichte und Monumentales der auf dem Drachenfels ließ sehr bald Forderungen nach Rheinprovinz Titelblatt der Ansichtenmappe; Lithographie, C. Scheuren/ Grundlage für spätere Gesetze zum Landschafts- und Sage, Geschichte und Monumentales der Rheinprovinz“ J.B. Sonderland, 1865 (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, einer Wiederherstellung laut werden, die schließlich Denkmalschutz liefern und stand damit am Beginn bringt programmatisch die damit verfolgte Absicht zum Königswinter). ihr Ziel erreichten (s. Abb. 14). Galt allerdings das Mo-

106 107 Abb. 14: Der Denkmalsockel als Podium Abb. 15 b: Randnotiz des Königs, Handschschriftliche Anmerkung Detail der Zeitungsillustration zum deutsch-flämischen Sängerfest Friedrich Wilhelms IV auf derZwirner-Entwurfzeichnung (s. Abb. 15). (s. Abb. 7).

Abb. 11: Blatt „Siebengebirge“aus: Landschaft, Sage, Geschichte und Abb. 12: Rheinpreußen in seiner Vergangenheit und Gegenwart Monumentalesder Rheinprovinz; Lithographie, C. Scheuren / W. Krafft, Zweites Titelblatt der Mappe „Landschaft, Sage, Geschichte und Monu- beytragen so soll mein Name auch in der Inschrift ge- 1865 (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter). mentales der Rheinprovinz“; Lithographie, C. Scheuren/J.B. Sonderland, 1865(Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter). nannt werden – [gez.] FW“ (s. Abb. 15 b). Beide Wünsche sollten erfüllt werden, denn das Komitee zur Errichtung des neuen Landsturmdenkmals sah den wichtigsten Zweck des Monuments im Gedenken „hauptsächlich ei- ner weltgeschichtlichen patriotischen Volkserhebung“ – und verzichtete auf die Nennung der beiden Namen, weil diese „nur in solchen Fällen zulässig ist, wo der Name der Einzelnen in Folge einer hervorragenden Tat mit der Sache in Verbindung gebracht werden kann. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor“. Diese Bemerkung beinhaltete unterschwellig eine deutliche Kritik an der Abb. 13: Die Oberkasseler Steinbrüche „… ein Musterbild für die weitere militärischen Bedeutung der zuvor hoch gepriesenen Verwüstung des Siebengebirges“. Illustration aus: Zur Rettung des Landsturmaktivitäten vom 3. Januar 1814. Siebengebirges, Bonn 1886 (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter). Die Inschriften des neuen, am 22. August 1857 einge- weihten Denkmals würdigen seither neben dem „Land- Abb. 11 a: Bahnhofsgebäude in Rolandseck (Ausschnitt aus den Blatt „Siebengebirge“). nument bei seiner Errichtung zumindest vordergrün- sturm“ auch den preußischen König: „Neu errichtet im dig der regionalen Bürgerwehr, so verschoben sich in dankbaren Rückblick auf die 42 Friedensjahre unter der späteren Fassungen seine Akzente hin zu einer deut- gesegneten Regierung Friedrich Wilhelm IV durch frei- licheren Widmung für die Reichsidee und die sie tra- willige Beiträge im Jahre 1857“. Eine noch deutliche- gende preußische Verwaltung am Rhein. Schon früh- re Betonung der preußischen Herrschaft kam in einer zeitig hatte der König persönlich seine Unterstützung weiteren Fassung zum Ausdruck. Denn auch das zweite angekündigt. Die dann folgende, rund 10 Jahre währen- Denkmal war bald – nach knapp 20 Jahren – renovie- de Debatte um Fragen der Finanzierung und Ausstat- rungsbedürftig, und wieder war schlechtes Steinmate- tungsdetails erweist sich als ein Musterbeispiel preu- Abb. 15 a: Entwurf für ein neues Landsturm-Denkmal, E.F. Zwirner, rial der Grund. Ein weiteres Mal kam der preußische ßischer Interessenpolitik.22 Tusche-Federzeichnung, vor 1857 (Siebengebirgsmuseum/ König – inzwischen deutscher Kaiser Wilhelm I. – für Stadt Königswinter). die Kosten auf und ließ sich auf der ansonsten unverän- Den Entwurf für eine neue Stele lieferte kein Geringerer dert wiederhergestellten Stele mit einer zusätzlichen als der Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner keiten Genger und von Boltenstern gewidmet waren. Inschrift verewigen: „Um die Erinnerung dauernd zu (s. Abb. 15 a). Er folgte dem Zeitgeist und sah – anstel- Die Säule Zwirners fand das Wohlgefallen des Königs erhalten aus festem Gestein erneut [= erneuert] nach le des vorhergehenden Obelisken – eine gotische Ste- – allerdings unter zwei Bedingungen, die er persönlich Wiederherstellung des deutschen Reiches durch den le vor. Für Diskussionen sorgte allerdings der Text der als Randvermerk auf der Entwurfskizze notierte: „Das ersten Kaiser Deutschlands Wilhelm König von Preu-

Abb. 11 b: Ritter Roland mit dem Rolandsbogen Inschriften, die in der ursprünglichen Fassung haupt- eiserne Kreutz soll oben angebracht werden. – Soll ich ßen 1876“. Mit dieser Initiative belegte das Königshaus (Ausschnitt aus den Blatt „Siebengebirge“). sächlich den beiden gefallenen Führungspersönlich- übrigens mehr als die Hälfte [spätere Einfügung: 3/5] einmal mehr seinen Spürsinn für demonstrative Ges-

108 109 Abb. 16: Neues Landsturmdenkmal Stahlstich, Nikolaus Christian Hohe, 1857-58 (Siebengebirgsmuseum / Heimatverein Siebengebirge, Königs- winter).

ten, die vor allem der festen Verankerung preußischer Präsenz am Rhein dienen sollten. Am Drachenfels ge- lang dies auf lange Zeit, denn selbst erhebliche Schä- den aus dem letzten Weltkrieg schmälern bis heute nicht die imposante Wirkung des Monuments. Es wurde Abb. 17: Erster Preis des Wettbewerbs für ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal der Rheinprovinz zum festen Bestandteil der Silhouette des Drachenfels- Holzstich G. Ebel, nach Entwurf von Jacobs u. Wehling, Düsseldorf 1890 gipfels – und fand mit ihr massenhafte Verbreitung auf (Centralblatt der Bauverwaltung, 4.6.1890, S. 225). unzähligen Bildwerken.

Denkmal-Pläne Abb. 19: Der Drachenfels ohne Kaiser-Wilhelm-Denkmal (Foto: Axel Thünker, Bonn, Aufnahme 2015, Siebengebirgsmuseum). Die starke Verschmelzung preußisch-nationaler Identi- tätssuche mit Besonderheiten der Rheinlandschaft er- reichte am Ende des 19. Jahrhunderts und in den Jahren Felswand“) die berühmte Südansicht dieses Berges langwierigen Debatte zeigte aber mehr als deutlich die bis zum Ersten Weltkrieg einen vorläufigen Höhepunkt. vollkommen verändern – was die Jury nicht daran än- mittlerweile in breiten Bevölkerungskreisen anerkann- Stärker noch als an tatsächlich realisierten Denkmä- derte, die Verleihung des Preises damit zu begründen, te hohe symbolische Bedeutung landschaftlicher Iden- lern lässt sich diese Tendenz an Planungen und Diskus- dass der Entwurf „die glücklichste Lösung der Platz- tifikation. Es zeichnet die preußische Administration sionen um Denkmalstandorte verfolgen. Prominentes frage“ biete (s. Abb. 18).24 Der Wettbewerbsentschei- aus, dass sie das im gesellschaftlichen und politischen Beispiel im Bereich des unteren Mittelrheins sind die dung folgte allerdings eine rund ein Jahr lang dauernde Diskurs neue Medium der „Landschaft“ in seiner Be- heftigen Debatten um ein „Kaiser-Wilhelm-Denkmal öffentliche Diskussion um den endgültigen Standort. deutung erkannte und für sich zu nutzen wusste. Der der Rheinprovinz“ in den Jahren um 1890. Sie münde- In Form von Flugschriften, Presseberichten und zahl- Drachenfels mit seiner besonderen Lage am Rhein und ten schließlich in die Errichtung des Monumentes am Abb. 18: Lageskizze zum Entwurf für ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal am losen Stellungnahmen kommunaler Gremien wurde sie seinem hohen Erlebnis- und Erinnerungspotenzial ist „Deutschen Eck“ in Koblenz, das im August 1897 offi- Drachenfels, Skizze zum Wettbewerbsbeitrag, Jacobs u. Wehling, Düssel- sehr breit geführt, ohne allerdings eindeutige Mehrhei- in diesem Zusammenhang ein außergewöhnlich viel- dorf 1889 (Archiv des Landschaftsverbands Rheinland, Pulheim-Brauweiler, 23 ziell eingeweiht wurde. Nach dem Tod des Kaisers des ALVR, Archivale Nr. 1487). ten hervorbringen zu können. Diese Unentschiedenheit schichtiger Ort mit zahlreichen Bedeutungsfacetten, „Neuen Deutschen Reiches“, Wilhelm I., im Jahr 1888 reichte bis in die Abstimmung des Provinzial-Landtags dessen Symbolwert im 19. Jahrhundert besondere In- hatte eine breite Gedenkbewegung eingesetzt. Ähnlich im Dezember 1890, wo ein Standort am Siebengebirge tensität erreichte. Seine von Menschen geschaffene wie andere Regionen plante die Rheinprovinz ein zen- drei ersten Preise – im Frühjahr 1890 – für Standorte im zwar die meiste Fürsprache, aber keine absolute Mehr- Aura überdauerte die folgenden Epochen und wirkt – im trales Denkmal. In der Frage des Standortes konnte Bereich des Siebengebirges (s. Abb. 17). Ähnlich wie das heit fand. In einer weiteren Abstimmung übertrug der Wechselspiel zwischen Kommerzialisierung und stren- zwar sehr bald Einigkeit für eine Platzierung am Rhein später in Koblenz realisierte Projekt waren sie alle da- Landtag daher die letzte Entscheidung dem mittlerweile gen Schutzmaßnahmen – bis heute fort. erzielt werden, die genaue Ortsentscheidung blieb je- rauf ausgelegt, die landschaftliche Umgebung stark zu inthronisierten Kaiser Wilhelm II., der sich schließlich doch lange umstritten. Ein vom Provinzial-Landtag aus- prägen. So sollte etwa der mit dem 1. Preis ausgezeich- – persönlichen und familiären Bindungen folgend – im geschriebener Wettbewerb erbrachte die Vergabe der nete Beitrag für ein Denkmal am Drachenfels („Motto März 1891 für Koblenz entschied. Die Intensität dieser

110 111 Endnoten 16 Vgl. „Caspar Scheuren – Leben und Werk eines rheinischen 1 Arndt, E.-M.: Der Rhein – Teutschlands Strom, aber nicht Spätromantikers“, Katalog der Städtischen Galerie Villa Zan- Teutschlands Gränze; zitiert nach der Ausgabe in der ders, Bergisch Gladbach, Petersberg 2010, S. 39 ff. und 222 ff. Reihe „Meyers Volksbücher“, Nr. 1096, Leipzig und Wien o.J. 17 27 Blätter im Folioformat (ca. 63 x 80 cm), darunter mehrere (um 1910), S. 31 f.; vgl. Schäfer, K.-H. u. Schawe J. Ernst Moritz Widmungs- und Vorsatzblätter. Arndt – Ein bibliographisches Handbuch 1769–1969, Bonn 1971, Nrn. 424 ff. 18 Zitiert nach Friedrich von Schiller: Wilhelm Tell, 1804 2 Zitiert nach der Doppelveröffentlichung (Nov./Dez. 1813) (4. Aufzug, 2. Szene). In der hier besprochenen Mappe „Über Volkshass und über den Gebrauch einer fremden verwendet Scheuren das gleiche Zitat ein zweites Mal auf dem Blatt „Cöln“. Sprache“, S. 18; vgl. Schäfer u. Schawe 1971, Nr. 412. 3 Ders.: Was bedeutet Landsturm und Landwehr?, 1813, S. 4. 19 Scheuren, E.: Leitlinien der Entwicklung des Naturschutzes am Beispiel des Siebengebirges, in: Rheinischer Verein für 4 Joseph Görres in: Rheinischer Merkur v. 21.10.1814. Abdruck Denkmalpflege und Landschaftsschutz (Hg.): Naturschutz im in: „Des teutschen Volkes feuriger Dank- und Ehrentempel Siebengebirge, zur Tagung vom 28.-29.11.2003 in Königswin- oder Beschreibung wie das aus zwanzigjähriger französischer ter, Köln 2003, S. 9–23; hier: S. 21 ff. Sklaverei durch Fürsten-Eintracht und Volkskraft gerettete Teutsche Volk die Tage der entscheidenden Völker- und 20 Vgl. Heinen, E.: Das Siebengebirge in der deutschen Natur- Rettungsschlacht bei Leipzig am 18. und 19. Oktober 1814 schutzgeschichte, in: Verschönerungsverein für das Sie- zum erstenmale gefeiert hat“, Offenbach 1815. bengebirge (Hg.): Das Siebengebirge – geschützt und genutzt, Königswinter 2009, S. 67-82; Scheuren, Elmar: Die Zahnrad- 5 Schulheft von Peter Schmitz, 1815–1817, Siebengebirgs­ bahnen im Siebengebirge, in: ebenda, S. 309–317. museum/Bestand Bibliothek des Heimatvereins Siebenge- birge. Zum historischen Hintergrund des Schulunterrichts vgl. 21 Heinen a.a.O., S. 72f. Scheuren, E.: Der Königswinterer Lehrer Aloys Odenthal, in: 22 Vgl. zum Folgenden: Oesl, B.: Der Drachenfels als Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter (Hg.): Kampf patriotischer Ort, in: Siebengebirgsmuseum/Professor-­ um den Rhein – Das Ende Napoleons und der „Landsturm“ vom Rhein-Stiftung, Königswinter (Hg.): Rheinreise 2002 – ­Der Siebengebirge, Bonn 2013 (zur gleichnamigen Sonderausstel- Drachenfels als romantisches Reiseziel, Bonn 2002 (zur lung), S. 84–91. gleichnamigen Sonderausstellung), S. 162–169. Scheuren, E.: Der Drachenfels als politische Plattform, in: Sieben­ 6 Ruckstuhl, C.: Ein Tag im Siebengebürg, in: Rheinisches Unter- haltungsblatt, Jg. 1822, Nrn. 13–15 (31.3., 7. u. 14.4.1822); Na- gebirgsmuseum der Stadt Königswinter (Hg.): Preußenadler chdruck mit einem Vorwort von Theo Hardenberg in: „Ein Tag über dem Rhein, Bonn 2015 (zur gleichnamigen Sonderauss- im Siebengebürg“ – Ein Bericht von Carl Ruckstuhl (1788–1831) tellung), S. 12–21. aus dem Jahre 1817, einst Goethe zugedacht, in: Echo des 23 Vgl. hierzu: „Preußenadler …“ (wie Anm. 14), S. 22–29. Siebengebirges, 101. Jg. 1967, Nrn. 45–47 v. 11.11.1967, S. 5–8; 18.11.1967, S. 5–8; 25.11.1967, S. 5–9. 24 Centralblatt der Bauverwaltung, Nr. 19 A v. 14.5.1890, S. 198.

7 Vgl. Lamberty, C.: Nationale Feste am Rhein, in: Kampf um den Rhein, a.a.O., S. 103–108.

8 Illustrierte Zeitung, Leipzig, 29.8.1846. Vgl. Düding, D.: Politische Opposition im Vormärz - Das deutsch-flämische Sängerfest in Köln, in: Walter Först u.a. (Hrsg.), Geschichte im Westen, Halbjahres-Zeitschrift für Landes- und Zeitgeschichte, Jg. 3 (1988), Heft 1, S. 7–18. 9 Kölnische Zeitung v. 18.6. 1846; zit. nach Düding 1988 (Politische Opposition …), S. 16.

10 Lewejohann, S.: „Freund in der Noth“ – Ein Kölner Abgeord- neter gegen Preußen, in: ders. und Sascha Pries: Achtung Preußen! – Beziehungsstatus: kompliziert – Köln 1815–2015 (zur gleichnamigen Sonderausstellung des Kölnischen Stadt- museums), Köln 2015, S. 85–89.

11 Vgl. Scheuren, E.: Kölner Dom und Drachenfels, in: Plehwe-­ Leisen, Esther von, Elmar Scheuren, Thomas Schumacher und Arnold Wolff: Steine für den Dom, Köln 2004, S. 22–45. 12 Archiv der Dombauhütte Köln (DBA), C 1 (Schreiben von Theodor Bachem am Dombauingenieur Ahlert vom 1.8.1826). 13 DBA, C 1, Schreiben an Noeggerath, o.D. (Juni 1837).

14 Zitiert nach Hardenberg, T.: Der Drachenfels – Seine „Con- servation vermittelst Expropriation“; Der Rechtsstreit um die Erhaltung des Drachenfelskegels mit seiner aufstehenden Ruine; in: Rheinische Heimatpflege, N.F. 4/1968, S. 274-310; hier S. 290.

15 Vgl. Hardenberg, T.: 1861–100 Jahre „Nachtigallental“, in: „Echo des Siebengebirges“, Königswinter 1961; Nachdruck in: Heimatverein Siebengebirge (Hg.): Streiflichter aus dem Siebengebirge, Königswinter 1986, S. 163–172.

112 113 Einleitung Teile des Territoriums des ehemaligen Kurfürstentums Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Prä- Köln und Trier und damit auch Koblenz an das König- gung der städtischen Entwicklung von Koblenz, begin- reich Preußen. Gemäß den Bestimmungen des Wiener nend zwischen 1815 und 1847, sowie mit dem „preu- Kongresses nahm der König von Preußen die neuen ßischen“ Erbe im heutigen Stadtbild. Der Blickwinkel Territorien in Besitz. Der Koblenzer Bürgerschaft wird ist historisch-geographisch und weniger aus der Sicht am 23. April 1815 ihre preußische Staatsangehörigkeit der Architektur- und Baugeschichte. Das heißt, es steht verkündet (Bär 1922, S. 7). Koblenz wurde zunächst bis ein generalisierender Ansatz im Vordergrund, also die 1822 Hauptstadt der preußischen Provinz Großherzog- Maßstabsebene der Stadtstruktur und des Stadtbildes.1 tum Niederrhein. Durch Kabinettsorder vom 27. Juni 1822 wird Koblenz alleiniger Sitz der höchsten Zivil- Die Grundlage für die preußische Bautätigkeit bildet und Militärbehörden der preußischen Rheinlande. die frühneuzeitliche Stadtgestalt und Stadtprägung, die von dem langjährigen wissenschaftlichen Mitarbeiter Seit 1830 tragen die preußischen Rheinlande den Na- am ehemaligen Seminar für Historische Geographie men Rheinprovinz. Dies bedeutete, dass in Koblenz der Universität Bonn, Dr. Busso von der Dollen, später eine Verwaltungsstruktur für die Unterbringung der Geschäftsführer der Burgenvereinigung mit Sitz auf der provinzialen Verwaltungsbehörden geschaffen werden Marksburg, in den 1970er und 1980er Jahren intensiv musste. Koblenz wurde mit dem Inkrafttreten der rhei- untersucht worden ist.2 Diese Forschungen basierten nischen Städteordnung vom 15.5.1856 formell zur Stadt auf Altkartenvergleichen und Bestandsanalysen mit erhoben.3 Neben der Erhebung zur Hauptstadt der thematischen Karten. Das frühneuzeitliche Koblenz bil- Rheinprovinz wurde Koblenz aufgrund seiner strategi- dete die Grundlage für die Stadtentwicklung von Kob- schen Lage an Rhein und Mosel und als Knotenpunkt lenz während der preußischen Zeit. Die Auswertung der vieler Straßen weiterhin eine wichtige militärische Preußische Spuren Orientierungskarte zu dem frühneuzeitlichen Koblenz Funktion zugewiesen und wurde somit als Festung und bildet die Ausgangsbasis für die Analyse der preußi- Garnisonsstadt ausgebaut. In der Stadt war das VIII. schen Einflussnahme auf die Stadt und Prägung in der preußische Armeekorps untergebracht. Mit der Ver- im Stadtbild von Koblenz Struktur von Koblenz und deren heutiger Ablesbarkeit waltungsübernahme durch die Preußen wurde auch die Peter Burggraaff und Klaus-Dieter Kleefeld im Stadtbild. evangelische Kirche im katholischen Koblenz etabliert und das Konsistorium der evangelischen Landeskirche Gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzte die Entfesti- der Rheinprovinz in der Stadt eingerichtet, bis es 1934 gung der Stadt mit dem Bau des neuen Residenzschlos- verlegt worden ist. ses 1777–1793 ein. Eine wichtige politische Zäsur war die Besetzung 1794 durch französische Truppen und die Die raumwirksame preußische Ausbauphase der Einverleibung zu Frankreich 1798, die mit der Aufhe- Stadt Koblenz bung des Kurfürstentums Trier, des feudalen Systems Der Ausbau von Koblenz als preußische Festungsstadt an sich und der Grundherrschaft einherging. Während und Hauptstadt der Rheinprovinz ist im heutigen Stadt- der französischen Verwaltung 1795–1814 wurde die be- bild noch immer deutlich präsent. Nach der Übernah- reits vorher einsetzende Niederlegung der mittelalter- me der Verwaltung 1815 erließ König Friedrich Wilhelm lichen Stadtmauer fortgesetzt. III. die „Order zur Neubefestigung der Stadt Coblenz und der Festung Ehrenbreitstein“ und es wurde eine Nach dem Abzug der Franzosen wurde Koblenz von Verwaltungsstruktur sowie eine entsprechende zeitge- Januar bis Juli 1814 vom provisorischen „Generalgou- nössische Infrastruktur aufgebaut. vernement Mittelrhein“ verwaltet. Die französischen Verwaltungseinrichtungen wurden übernommen, aber Die preußische Großfestung Koblenz mit deutschen Amtsbezeichnungen ausgestattet. Nach Kurz nach der Kabinettorder vom 11. März 1815 begann dem 15. Juli 1814 wurde Koblenz mit dem „General- man mit der Umsetzung, die schließlich zu einer der gouvernement Niederrhein“ vereinigt, das in preußi- umfangreichsten Festungssysteme Europas führte. Sie scher Regie verwaltet wurde. Koblenz blieb Amtssitz wurde nach den damaligen modernsten Erkenntnissen, des Generalgouvernements-Kommissars (Bär 1922, der so genannten „Neupreußischen“ oder „Neudeut- S. 6ff.). Nach dem Wiener Kongress von 1815 fielen große schen Befestigungsmanier“ gebaut. Diese baulichen

114 115 • Aus taktischen und ökonomischen Gründen ist das natürliche Terrain für die Festung zu nutzen und künstlichen Hilfsmitteln vorzuziehen. • Die Werke und Festungsabschnitte sind so arrangiert, dass die sie verfehlenden Schüsse nicht zwangsweise andere treffen. • Die Festungsteile müssen so voneinander getrennt und eingerichtet sein, dass sie sich gegenseitig verteidigen können, wobei die Eroberung eines Teils dem Angreifer nach Möglichkeit keinen Vorteil bieten und ihn in eine missliche Lage bringen soll. • Anlegung ausreichender Schutzräume für die Besatzung und die allgemeinen Bedürfnisse, um die Wirkung der feindlichen Wurfgeschütze zu minimieren.4 Die Stadt wurde von einer geschlossenen Ringmauer weiträumig umfasst, so dass die städtischen Weiterentwicklungen und Erweiterungen gewährleistet blieben. Der Mauer vorgelagert waren selbstständige Werke. Die vorgeschobenen Forts erhielten einen dreiseitigen Erdwall, dessen Form dem Gelände und der strategischen Bedeutung angepasst wird. Die Kehlseite verfügt zumeist eine Mauer und in deren Mitte über einen mehrstöckigen Geschützturm.

Das Koblenzer Befestigungssystem umfasste fünf Festungsanlagen,5 die in der Abbildung 1 auf der Grundlage der Preußischen Uraufnahme von 1846 dargestellt worden sind. Es handelt sich hierbei um die sogenannten Systeme Stadt, Feste Ehrenbreitstein, Feste Kaiser Franz, Feste Kaiser Alexander und Pfaffendörfer Höhe. Seitens des Kriegsministeriums wurden am 20. Marz 1815 folgende Bestimmungen erlassen, dem folgende Überlegungen zugrunde lagen:

• „Anlegung ausreichender Schutzräume für die Besat- gasse. Der ca. 13 Meter hohe Erdwall wurde mit einer zung und die allgemeinen Bedürfnisse, um die Wir- Grabenmauer, einem bis 20 Meter breiten Graben und kung der feindlichen Wurfgeschütze zu minimieren.4“ weiteren Verteidigungsbauten verstärkt (Bär 1922, S. 164). Die Stadt wurde von einer geschlossenen Ringmau- er weiträumig umfasst, so dass die städtischen Wei- Entlang des Rheinufers wurde eine mit Schießscharten terentwicklungen und Erweiterungen gewährleistet versehene Mauer errichtet. Die Moselmündung wurde blieben. Der Mauer vorgelagert waren selbstständige im Bereich der Deutschordenskommende mit Kasemat- Werke. Die vorgeschobenen Forts erhielten einen drei- ten verstärkt. Mit dem Bau der Rheineisenbahn wurde seitigen Erdwall, dessen Form dem Gelände und der 1857 der Wall erstmals durchbrochen. Die nach Plänen strategischen Bedeutung angepasst wird. Die Kehlsei- von Hartwich und Schwarz errichtete Moseleisenbahn- te verfügt zumeist eine Mauer und in deren Mitte über brücke berücksichtigte die militärischen Vorgaben, einen mehrstöckigen Geschützturm. Das Koblenzer wovon noch die vorhandenen Reste der Brückentürme Befestigungssystem umfasste fünf Festungsanlagen,5 zeugen. Gleiches gilt für die 1862–1864 errichtete Rhein- 1. Befestigung der Hochfläche der Karthause durch6 einige vorgeschobene Werke. Das die in der Abbildung 1 auf der Grundlage der Preußi- eisenbahnbrücke,später anzulegende die HauptwerkPfaffendorfer sollte Brücke. längs der Grabenböschung mit einer mit schen Uraufnahme von 1846 dargestellt worden sind. Scharten versehenen, hinten überwölbten Mauer umgeben, im Innern mit einem Es handelt sich hierbei um die sogenannten Systeme Dastüchtigen System Kernwerk Kaiser Alexander ausgestattet und auf der dem regelmäßigen Angriff ausge- setzten Seite nur gegen einen Handstreich gesichert werden. Stadt, Feste Ehrenbreitstein, Feste Kaiser Franz, Feste Die Feste Kaiser Alexander wurde als Hauptwerk des 2. Einrichtung der Karthause zu zweckmäßigen Batterien. Systems und südwestlichem Eckpfeiler des Koblenzer Kaiser Alexander und Pfaffendörfer Höhe. Seitens des 3. Koblenz selbst sollte gleichfalls gesichert und das Schloss zur Verteidigung mit- Kriegsministeriums wurden am 20. Marz 1815 folgende Festungsgürtels,benutzt, also in die zwischen Verteidigungslinie 1817 und einbezogen, 1822 nach werden. Plänen Bestimmungen erlassen, dem folgende Überlegungen 4.desAm preußischen linken Moselufer Ingenieuroffiziers beabsichtigte man zur Claudius Beherrsch Franzung der Le dortigen Straßen den zugrunde lagen: BauldPetersberg de Nans zu befestigen. (1767–1844) auf dem Karthäuserberg

Dangelegtas System (s.Sta dAbb.t 3). Im Vergleich zu Ehrenbreitstein Abb. 1: Das preußische Festungssystem von Koblenz (verändert durch die Verfasser auf der Grundlage der Preußischen Uraufnahme, BlattAbb. 5611 1: (1846) Das Koblenz;preußische www.neuendorfer-flesche.eu, Festungssystem abgerufen von Koblenzam 05.12.2016). (veränder t durch die Verfasser auf der Grundlage 1. Befestigung der Hochfläche der Karthause durch Imwar März diese 1819 Festung begannen dreimal die Arbeiten so groß. an den Das Festungsw Fort Großfürställen der inneren Stadt. Teile der der Preußischen Uraufnahme, Blatt 5611 (1846) Koblenz) einige vorgeschobene Werke. Das später anzulegen- mittelalterlichenKonstantin am Stadtmauer Karthäuserberg wurden inwurde die Festungs nordöstlichbauten integriert.an Der Wall wurde bis zum Rhein südlich des Schlosses, heute Auffahrt Pfaffendorfer Brücke, ausgedehnt. http://www.neuendorfer-flesche.eu/Festung/Festungsplan-Coblentz.gif, 05.12.2016 de Hauptwerk sollte längs der Grabenböschung mit Dreider mehrgeschossigeStelle eines ehemaligen Kasematten 1331 enthielten entstandenen Toranlagen Klos am - Rhein, an der Mainzer Maßnahmen waren sehr raumwirksam: die Höhenzü- des Systems liegt darin, dass die Fernverteidigung sich einer mit Scharten versehenen, hinten überwölb- Straßeters angelegt. und an der DasLöhrstraße. System Ein Kaiser weiteres Alexander Walltor befand umfasste sich an der Weißergasse. Der ca. 13 Meter hohe Erdwall wurde mit einer Grabenmauer, einem bis 20 Meter breiten ge um die Stadt wurden mit massiven Festungsbauten konzentrieren kann. Durch den Wegfall der Bastionen ten Mauer umgeben, im Innern mit einem tüchtigen Grabenneben unddem weiteren Fort VerteidigungsbautenKonstatin die Moselweißer verstärkt (Bär Schanze 1922, S. 164). versehen.4 An der Stelle der kurfürstlichen Festung auf und der verschiedenen Vorwerke ergibt sich ein Befesti- Kernwerk ausgestattet und auf der dem regelmä- (1823–1827), die Schanze Thronfolger (1831) und die https://de.wikipedia.org/wiki/Polygonalsystem, abgerufen am 18.1.2017 Entlang des Rheinufers wurde eine mit Schießscharten versehene Mauer errichtet. Die 5 dem http://www.neuendorfer-flesche.eu/Festung/Festung Ehrenbreitstein ließen die Militäringenieure Gus- gungssystemsplan-Coblentz.gif, von geringerer abgerufen Tiefe. Dadurch am 05.12.2016. wurden u. a. ßigen Angriff ausgesetzten Seite nur gegen einen MoselmündungBatterie Hübeling wurde (1828), im Bereich mittlerweile der Deutschordenskomm Gedenkstätteende mit Kasematten tav von Rauch und Ernst Ludwig von Aster eine weit- die Baukosten gesenkt. Nach diesen Prinzipien wurde Handstreich gesichert werden. verstärkt.für die im Mit Zweiten dem Bau Weltkrieg der Rheineisenbahn gefallenen Einwohner wurde 1857 undder Wall erstmals durch- brochen. Die nach Plänen von Hartwich und Schwarz errichtete Moseleisenbahnbrücke läufige Zitadelle errichten. Die Festung Ehrenbreitstein auch in Koblenz gebaut. 2. Einrichtung der Karthause zu zweckmäßigen Batte- berücksichtigteEinwohnerinnen die und militärischen Vermissten Vorgaben, von Koblenz. wovon n och die vorhandenen Reste der als Teil dieser Anlage wurde von 1817 bis 1828 erbaut. rien. Brückentürme zeugen. Gleiches gilt für die 1862-1864 errichtete Rheineisenbahnbrücke, die Pfaffendorfer Brücke.6 Der Festungsausbau erfolgte nach Prinzipien, deren Johann Ludwig von Xylander, Autor eines Lehrbuches 3. Koblenz selbst sollte gleichfalls gesichert und das militärisch abgeleitete Konzeption bis heute das Stadt- der Taktik und Waffenlehre aus dem Jahr 1820, fasste Schloss zur Verteidigung mitbenutzt, also in die Ver- bild von Koblenz prägt. In der Historischen Geographie die beim Bau der Festung Koblenz entwickelten neuen teidigungslinie einbezogen, werden. wird hierfür der Begriff „Persistenz“ angewendet: die Befestigungsgrundsätze zusammen: 4. Am linken Moselufer beabsichtigte man zur Beherr- jeweiligen Entscheidungen und baulichen Ausführun- schung der dortigen Straßen den Petersberg zu be- gen dieser Epoche der Siedlungsgeschichte wirken • „Aus taktischen und ökonomischen Gründen ist das festigen. sich bis heute aus. natürliche Terrain für die Festung zu nutzen und künstlichen Hilfsmitteln vorzuziehen.“ Das System Stadt

Nach 1815 wurde das sogenannte „Polygonalsystem“ • „Die Werke und Festungsabschnitte sind so ar- Im März 1819 begannen die Arbeiten an den Festungs- in Deutschland als das bevorzugte Befestigungssystem rangiert, dass die sie verfehlenden Schüsse nicht wällen der inneren Stadt. Teile der mittelalterlichen Abb. 2: umgesetzt. Die Bezeichnung „neudeutsche Befesti- zwangsweise andere treffen.“ Stadtmauer wurden in die Festungsbauten integriert. Das Festungs- system Stadt gungsmanier“, bezieht sich darauf, dass Frankreich • „Die Festungsteile müssen so voneinander getrennt Der Wall wurde bis zum Rhein südlich des Schlosses, (http://www.festung- noch bis 1870 am Bastionssystem festhielt. Charak- und eingerichtet sein, dass sie sich gegenseitig ver- heute Auffahrt Pfaffendorfer Brücke, ausgedehnt. Drei koblenz.de/, abgerufen am teristisch für das Polygonalsystem ist das Prinzip, bei teidigen können, wobei die Eroberung eines Teils dem mehrgeschossige Kasematten enthielten Toranlagen 16.12.2016) den Außenlinien von Befestigungsanlagen möglichst Angreifer nach Möglichkeit keinen Vorteil bieten und am Rhein, an der Mainzer Straße und an der Löhrstra- Abb. 2: Das Festungssystem Stadt (www.festung-koblenz.de/, abgerufen 6 alle einspringenden Winkel zu vermeiden. Der Vorteil ihn in eine missliche Lage bringen soll.“ ße. Ein weiteres Walltor befand sich an der Weißer- am www.festung-koblenz.de, 16.12.2016). abgerufen am 19.12.2016.

116 117

Das System Kaiser Alexander

Die Feste Kaiser Alexander wurde als Hauptwerk des Systems und südwestlichem Eckpfeiler des Koblenzer Festungsgürtels, zwischen 1817 und 1822 nach Plänen des preußischen Ingenieuroffiziers Claudius Franz Le Bauld de Nans (1767-1844) auf dem Karthäuserberg angelegt (s. Abb. 3). Im Vergleich zu Ehrenbreitstein war diese Festung dreimal so groß. Das Fort Großfürst Konstantin am Karthäuserberg wurde nordöstlich an der Stelle eines ehemaligen 1331 entstandenen Klosters angelegt. Das System Kaiser Alexander umfasste neben dem Fort Konstatin die Moselweißer Schanze (1823-1827), die Schanze Thronfolger (1831) und die Batterie Hübeling (1828), mittlerweile Gedenkstätte für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Einwohner und Vermissten von Koblenz.

Wegen der Bevölkerungszunahme und der Verlagerung der Verteidigungslinie nach Metz nach dem gewonnenen Deutsch-Französischen Krieg 1871 waren die Festungs- werke nicht mehr zu halten. Nach dem Erlass der königlichen Kabinettorder vom 23. Januar 1900 wurden die einzelnen Festungswerke des Systems aufgegeben. Die Feste Alexander wurde jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg entfestigt. Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages wurde die Feste 1920/1921 geschleift. Lediglich das Reduit und der Torbau (Löwentor) blieben erhalten. Das Reduit wurde 1964 gesprengt. Nach dem Zweiten Weltkrieg dienten die Gebäude der Feste Kaiser Alexander als Notunterkünfte für ausgebombte Familien. Um die katastrophalen Wohnzustände zu beseitigen, wurde der Komplex 1964 geräumt und abgerissen. Erhalten sind nur noch Reste der äußeren Mauer sowie das Löwentor. Daneben sind Reste der Wälle im Gelände noch zu erkennen. Den Grundriss der Festung kann man allerdings im Straßen- verlauf noch gut erkennen.

Neuendorfer- (1825), Bubenheimer- (1816–1822) und preußischen Offiziers Carl Schnitzler neu errichtet. der Pfaffendorfer Höhe“, wie die Anlage anfangs hieß, Mosel-Flesche (1816–1822).8 Darüber hinaus enthielt Sie galt militärisch als uneinnehmbar. Sie beherrschte lag 400 m südlich das Werk Glockenberg (1822), das als das System Kaiser Franz die Metternicher (1830/1831), Rhein und Mosel. Nach ihrer Fertigstellung wurde sie dreiflügeliger, zweigeschossiger Turmbau ausgeführt Rübennacher (1830/1831) und Rheinschanze (1821) immer wieder ausgebaut. Im Gegensatz zur barocken wurde und erhalten ist. Außerdem umfasste das System sowie das Friedenslaboratorium für die Munitions- kurtrierischen Festung mit den hochaufragenden Tür- die Bienbornschanze (1859, nicht mehr erhalten), die produktion (1869) und kleinere Anlagen, die nach 1847 men und Giebeln war die preußischen Festung nach teilweise erhaltene Horchheimer Torbefestigung, das angelegt worden sind. Brücken und Rampen sicher- damaligen Militärstandards mit niedrigen Bauten und Fort Rheinhell (1859–1868, eine erhaltene Kasematte), ten den Zugang in den Wallhof. Unterhalb des äuße- flachen Dächern ausgestattet. Neben ihrer Verteidi- sowie die sogenannte „Teufelstreppe“ als Verbindung ren Festungssystems erstreckte sich unterirdisch die gungsfunktion repräsentierte die Festung die Stellung vom Horchheimer Tor und dem verschwundenen Werk

Abb. 3: Die Feste Kaiser Alexander (http://www.festung-koblenz.de/, abgerufen am 16.12.2016) 10 Abb. 3: Die Feste Kaiser Alexander (www.festung-koblenz.de, abgerufen Minengalerie. Der Hauptgraben war 6 m tief und 17 m des preußischen Staates in der Hauptstadt der Rhein- Glockenberg. Zusammenfassend ist festzuhalten, Damas S16.12.2016).ystem Kaiser Franz breit. Die Festungsanlage wurde vermutlich ab 1911 provinz und im Rheinland. dass die Stadt Koblenz mit ihrer charakteristischen Die Feste Kaiser Franz wurde als Hauptwerk des Systems und nördlicher Eckpfeiler zwischen 1816 und 1822 ebenfalls nach Plänen des preußischen Ingenieuroffiziers geschleift. Mit dem Abraum wurde der Hauptgraben Lage an Rhein und Mosel von einem zusammenhän- Claudius Franz Le Bauld de Nans am Nordufer der Mosel im heutigen Stadtteil Lützel der Anlage verfüllt. Die unterirdischen Teile blieben da- Das System Ehrenbreitstein umfasste das nördlich ge- genden Befestigungssystem umgeben und geschützt Wegen der Bevölkerungszunahme und der Verlagerung gegen bis heute fast vollständig erhalten. Auf dem Ge- legene Fort Rheineck (1820–1870 und 1927 komplett war. Dieser Befestigungsring hatte für die Entwicklung der Verteidigungslinie nach Metz nach dem gewonne- lände der Festungsanlage wurde in den folgenden Jah- abgerissen) und das Fort Pleitenberg (1827–1850, 1927 der Stadt eine hemmende Auswirkung. Erst im späten nen Deutsch-Französischen Krieg 1871 waren die Fes- ren die „Train-Kaserne Coblenz-Lützel“ errichtet. Teile geschliffen, das Reduit ist noch erhalten). Im Gegensatz 19. Jahrhundert mit der Aufgabe der Festungsfunktion tungswerke nicht mehr zu halten. Nach dem Erlass der der Ausstattung sind noch heute zu sehen. Auf dem zu den linksrheinischen Anlagen musste die rechts- und der Schleifung der Festungsanlagen bis auf den königlichen Kabinettorder vom 23. Januar 1900 wurden Gelände der ehemaligen Festungsanlage steht heute rheinisch gelegene Festung Ehrenbreitstein 1921/1922 Ehrenbreitstein, konnte die Stadt sich flächig erweitern die einzelnen Festungswerke des Systems aufgegeben. die „Rhein-Kaserne“. Nachdem in den 1980er Jahren nicht nach dem Versailler Vertrag abgetragen werden. und verkehrsmäßig weiterentwickeln. Mit dem preu- Die Feste Alexander wurde jedoch erst nach dem Ers- der Erhalt des historischen Gemäuers sowie die Um- Eine weitere Begründung war ihre Bedeutung im Zeit- ten Weltkrieg entfestigt. Aufgrund der Bestimmungen nutzung des Areals thematisiert wurden und Vorschlä- alter der Rheinromantik für Künstler, Historiker und des Versailler Vertrages wurde die Feste 1920/1921 ge- ge dazu jedoch abgelehnt wurden, dauerte es noch bis Reisende. Sie ist mit Wesel einer der wenigen erhal- schleift. Lediglich das Reduit und der Torbau (Löwen- 1997, als sich der Verein Feste Franz e.V. gründete, um tenen preußischen Festungen des frühen 19. Jahrhun- tor) blieben erhalten. Das Reduit wurde 1964 gesprengt. das Gelände vor dem weiteren Verfall zu retten und die derts. 2007–2011 wurde die Festung für die Bundesgar- Nach dem Zweiten Weltkrieg dienten die Gebäude der noch erhaltenen Gebäude zu sanieren.9 tenschau umfassend saniert. Feste Kaiser Alexander als Notunterkünfte für ausge- bombte Familien. Um die katastrophalen Wohnzustän- Das System Ehrenbreitstein (Nord) Das System Ehrenbreitstein Süd (Pfaffendorfer Höhe) de zu beseitigen, wurde der Komplex 1964 geräumt und Die Feste Ehrenbreitstein wurde als Hauptwerk an- Das Hauptwerk Fort Asterstein auf der Pfaffendorfer abgerissen. Erhalten sind nur noch Reste der äußeren stelle der zerstörten kurtrierischen Festungsanlage Höhe, wurde als östlicher Eckpfeiler des Koblenzer Mauer sowie das Löwentor. Daneben sind Reste der am rechten Rheinufer als nordöstlicher Eckpfeiler des Festungsgürtels zwischen 1819 und 1828 erbaut. 1847 Wälle im Gelände noch zu erkennen. Den Grundriss der Koblenzer Festungsgürtels ebenfalls nach Plänen des wurde die Anlage nach General Ernst Ludwig von As- Festung kann man allerdings im Straßenverlauf noch preußischen Ingenieuroffiziers Claudius Franz Le Bauld ter benannt, ein Offizier, der an den Planungen beteiligt errichtet (Weber 2003, S. 230f.). Nach ihrer Schleifung, ebenfalls nach den Bestimmungen gut erkennen. de Nans zwischen 1816 und 1829 unter der Leitung des war. Vom Fort sind das kreisrunde Reduit und der Tor- des Versailler Vertrages, wurden große Überreste dieses Festungswerks schließlich 1959 gesprengt. Erhalten geblieben sind lediglich die beiden seitlichen Enden des halb- bau mit Durchfahrt und Architekturelementen erhalten Abb.Abb. 5: Feste 5: Feste Ehrenbreitstein Ehrenbreitstein (Foto: Peter (Foto: Burggraaff, Peter 2011) Burggraaff, 2011). kreisförmigen Reduits7 und der heute sanierte Kehlturm am Fuße des Petersbergs.

Das System Kaiser Franz geblieben. Bis Ende der 1960er Jahre war das Fort von Abb. 5: Feste Ehrenbreitstein (Foto: Peter Burggraaff, 2011) Die Feste Kaiser Franz wurde als Hauptwerk des Sys- Koblenzer Familien bewohnt und verfiel danach. Von tems und nördlicher Eckpfeiler zwischen 1816 und 1822 den ehemals ausgedehnten preußischen Befestigungs- ebenfalls nach Plänen des preußischen Ingenieuroffi- anlagen des Systems Pfaffendorfer Höhe ist nur ein Teil ziers Claudius Franz Le Bauld de Nans am Nordufer des Reduits des Forts Asterstein (1820) sowie eine Ka- der Mosel im heutigen Stadtteil Lützel errichtet (Weber sematte erhalten geblieben. Die Außenwerke sind fast 2003, S. 230f.). Nach ihrer Schleifung, ebenfalls nach vollständig verschwunden. Zusammen mit den beiden den Bestimmungen des Versailler Vertrages, wur- Flügelbauten und dem Torbau verfügte die Anlage über den große Überreste dieses Festungswerks schließ- insgesamt 51 Wohn- und Verteidigungskasematten. lich 1959 gesprengt. Erhalten geblieben sind lediglich Noch bis zum Ende der 1960er Jahre wurde das Fort die beiden seitlichen Enden des halbkreisförmigen von Koblenzer Familien bewohnt und war danach dem

Reduits7 und der heute sanierte Kehlturm am Fuße Verfall preisgegeben. Abb. 6 : Strategische Lage von Koblenz am Fuße der Festung Ehrenbreitstein (Blick nach Südwesten) des Petersbergs. Als Teil des Festungssystems Kaiser (Foto: Peter Burggraaff, 2013)

Franz entstanden ab 1820 unter der Leitung des preu- Erst seit 1996 kümmert sich ein Verein um den Erhalt Abb. 6 : Strategische Lage von Koblenz am Fuße der Festung Ehrenbreitstein (Blick nach Südwesten) Abb. 4: 4:Feste Feste Kaiser Kaiser Franz in Franz den 1880er in den Jahren 1880er Jahren Abb. 6(Foto: : Strategische Peter Burggraaff, Lage 2013) von Koblenz am Fuße der Festung (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ed/System_Feste_Franz.JPG, ßischen Ingenieurhauptmanns Franz Xaver Cornely die (upload.wikimedia.org, abgerufen am 6.12.2016, abgerufenFoto: P. Welle ram 2009) 6.12.2016, Foto: P. Weller 2009). und Restaurierung der Anlage. Neben dem „Thurm auf Ehrenbreitstein (Blick nach Südwesten, Foto: Peter Burggraaff, 2013).

Als Teil des Festungssystems Kaiser Franz entstanden ab 1820 unter der Leitung des preußischen Ingenieurhauptmanns Franz Xaver Cornely die Neuendorfer- (1825), Bubenheimer- (1816-1822) und Mosel-Flesche (1816-1822).8 Darüber hinaus enthielt das System Kaiser Franz die Metternicher (1830/1831), Rübennacher (1830/1831) und

118 7 Das Reduit „ist ein verstärkter Verteidigungsbau, der zum Rückzug für die Besatzung diente, falls 119 der vorgelagerte Verteidigungswall vom Feind überwunden wurde. Das Reduit (Kernwerk) liegt im Inneren eines Verteidigungswalls.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Reduit, abgerufen am 16.12.2016). Reduits wurden im Rahmen der neupreußischen Befestigungsmanier des 19. Jhds. eingerichtet.

8 Als Flesche (französisch flèche =„Pfeil“) „wird ein Festungswerk bezeichnet, das aus zwei in einem ausspringenden Winkel zusammenlaufenden Facen (die dem Angreifer zugekehrten Seiten eines Werkes) besteht. Der Grundriss der Flesche ähnelt Außenwerken wie den Ravelin (im Graben vor einer Kurtine errichtetes selbstständiges Werk mit drei- oder fünfeckigem Grundriss, das niedriger als die benachbarten Bastionen ist) und der Demi-lune (ein im Graben vor einer Bastion errichtetes, aus zwei Facen bestehendes Außenwerk. Sein Grundriss ähnelt dem des Ravelins, doch ist seine Kehle halbmondförmig, wurde jedoch vor dem Glacis errichtet und zählt somit zu den Vorwerken einer Festung. Sie wurde üblicherweise einer Bastionsspitze vorgelagert, um eine zusätzliche Feueretage zu schaffen)“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Flesche und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Fachbegriffen_im_ Festungsbau#F, 16.12.2016). die Zahl der Protestanten und Protestantinnen zu. Am verbreiterte Bogenbrücke (Bellinghausen 1973, S. 235 u. worden: 1899 wurde Ehrenbreitstein, 1901 Niederberg 19. September 1820 wurde die Florinskirche nach der 267; Bär 1922, S. 247ff.). und Arenberg, 1920 Horchheim-Niederlahnstein und Restaurierung durch J.C. Lassaulx als evangelische 1903 Metternich unter Benutzung der vorhandenen Gemeindekirche geweiht (Michel 1954, S. 25; Bär 1922, Ab 1864 wurde das Eisenbahnnetz weiter ausgebaut Brücken ans Straßenbahnnetz angeschlossen (s. Abb. 8). S. 312f.). Nach der Umwidmung der Karmeliterkirche und die Pfaffendorfer Brücke über den Rhein in Anwe- als katholische Garnisonskirche 1844 wurde sie 1852 senheit des preußischen Königspaares eingeweiht. Sie Mit der Zunahme der Bevölkerung und wegen Typhus- dementsprechend hergerichtet und am 22. Dezember war zunächst eine reine Eisenbahnbrücke und verband erkrankungen war es notwendig, die Hygiene in der 1853 eingeweiht (Michel 1954, S. 284). Zwischen 1902 die links- und die 1862 fertiggestellte rechtsrheinisch Stadt zu verbessern. Die Wasserversorgung in Koblenz und 1904 wurde die evangelische Christuskirche ge- Eisenbahnstrecke Wiesbaden-Oberlahnstein, die bis wurde bis ins 19. Jahrhundert noch über Ziehbrunnen baut (Bär 1922, S. 316). 1864 nach Niederlahnstein verlängert wurde. Am 27. sichergestellt. Oberbürgermeister Karl Heinrich Lott- Oktober 1869 wurde die Fortsetzung der Strecke von ner beauftragte deshalb den Ingenieur Ernst Grahn mit Die Entwicklung im Stadtgebiet während der Niederlahnstein bis Neuwied eröffnet. Während der dem Bau des ersten Wasserwerks auf dem Oberwerth preußischen Verwaltung Bauzeit der Pfaffendorfer Brücke wurde als Zwischen- (Bär 1922, S. 287f.). Die erste mit Gasmotoren betriebe- Von 1823 bis 1911 war das Kurfürstliche Schloss am lösung zur vorzeitigen Verbindung zwischen beiden ne Pumpstation wurde 1885–1886 erbaut und versorgte Rheinufer Sitz des Oberpräsidenten der preußischen Rheinstrecken das Trajekt Capellen (Königsbach)– das 27 km lange Rohrnetz der Stadt mit einer Mischung Rheinprovinz und des Friedensgerichts. 1850 bis 1858 Oberlahnstein von 1862 bis 1864 eingesetzt (Schlieper aus Grundwasser und Uferfiltrat. Das Siedlungsgebiet amtierte hier als preußischer Militärgouverneur Prinz 2009, S. 30–36). Die Brücke wurde auch von der Kob- der Stadt konnte nun erstmals aus den engen Stadt- Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm I., mit seiner Gat- lenzer Straßenbahn genutzt. Die letzten Eisenbahnzüge grenzen ausbrechen. tin Augusta. überquerten die Pfaffendorfer Brücke bis Anfang des Ersten Weltkrieges im August 1914 (Bär 1922, S. 196f.) Eine königliche Kabinettsorder vom 13. März 1890 ver- Sie ließ ab 1856 die später nach ihr benannten Rhein- 1932 wurde der völlige Umbau der Pfaffendorfer Brü- fügte auch bedingt durch die fortschreitende Kriegs-

anlagen als Park nach dem Entwurf von Peter Josef cke begonnen, welches sich zu einem kompletten Neu- technik,Mit der Zunahme die derAufgabe Bevölkerung der und Koblenzer wegen Typhuserk Stadtbefestigungen,rankungen war es notwendig, är ichel die Hygiene in der Stadt zu verbessern. Die Wasserversorgung in Koblenz wurde bis ins Lenné d. Jüngeren anlegen (B 1922, S. 280). Sie war bau entwickelte (M 1954, S. 145). so19. Jahrhundert dass die noch Baubeschränkungen über Ziehbrunnen sichergestellt. Oberbürgermeister fortfielen. KarlLediglich Heinrich auch Gönnerin des katholischen Pfarrers Johann Bap- dieLottner Befestigungen beauftragte deshalb Fort den Ingenieur Konstantin Ernst Gra hnund mit Feste dem Bau Alexan des ersten- Wasserwerks auf dem Oberwerth (Bär 1922, S. 287f.). Die erste mit Gasmotoren tist Kraus und unterstützte tatkräftig seine Bestrebun- Im Oktober 1878 erfolgte die Einweihung der Gülser betriebene Pumpstation wurde 1885–1886 erbaut und versorgte das 27 km lange Rohr- netz der Stadt mit einer Mischung aus Grundwasser und Uferfiltrat. gen, in Arenberg einen Wallfahrtsort zu begründen. Moseleisenbahnbrücke. Sie wurde 1925 für die Ver- Abb. 7: Das System Ehrenbreitstein und Pfaffendorfer Höhe in den 1880er Abb. 7: Das System Ehrenbreitstein und Pfaffendorfer Höhe in den 1880er Jahren ranke Jahren (http://de.academic.ru/pictures/dewiki (de.academic.ru/pictures, abgerufen/75/Koblenz_Karte2.JPG, am 16.12.2016). abgerufen am 16.12.2016) Dieses brachte der liberal eingestellten Augusta in breiterung vollständig umgebaut (F 1975, S. 42f. u. Berlin viel Kritik ein. In Arenberg entstanden von 1845 S. 80). Im Jahr darauf konnte mit Vollendung der Horch- bis 1872 eine Wallfahrtskirche und die nach ihrem Be- heimer Eisenbahnbrücke über den Rhein der Ausbau ßischen Ausbau der Festung Koblenz mit Festungen, gründer benannten Pfarrer-Kraus-Anlagen, als eine des Koblenzer Eisenbahnnetzes abgeschlossen werden Forts und Schanzen, besonders auf der linken Rhein- Landschaftsbilderbibel mit Naturpark angelegt. Kaise- (Michel 1954, S. 146–147). Am 15. Mai 1879 wurde die seite, genügte der einzige Rheinübergang mittels der rin Augusta besuchte alljährlich bis wenige Wochen vor Moseleisenbahnstrecke Koblenz-Trier mit dem Mo- alten „Fliegenden Brücke“ nicht mehr den Ansprüchen. ihrem Tod im Januar 1890 das Schloss und die Stadt sel-Güterbahnhof am nördlichen Moselufer fertigge- So wurde bereits 1819 eine gebogene Schiffbrücke zwi- Koblenz, ihr „rheinisches Potsdam“. Die erste Eisen- stellt. Die Horchheimer Brücke ist auf beiden Seiten mit schen Koblenz und Ehrenbreitstein erbaut. Auf 36 höl- bahn der Rheinischen Eisenbahngesellschaft fuhr am zwei hohen Tortürmen aus Sandstein ausgestattet wor- zernen Kähnen überspannte die Fahrbahn den Rhein 11. November 1858 über die neu erbaute Moseleisen- den und wurde 1901-1902 umgebaut. Als letzte Strecke in einer Länge von 325 m. 1841 erfolgte ein Umbau zu bahnbrücke auf der am 15. November 1858 in Betrieb wurde 1904 die Bahnstrecke Koblenz-Mayen eröffnet einer geraden Schiffbrücke, die bis zu ihrer Zerstörung genommenen linksrheinischen Strecke Köln-Koblenz und als letzte Brücke wurde 1909 zur Erschließung der im Zweiten Weltkrieg 1945 den Rhein querte. im Rheinischen Bahnhof in der Fischelstraße ein. 1859 Insel Oberwerth die Oberwerth-Brücke gebaut (Bär erfolgte die Fertigstellung der Anschlussstrecke Ko- 1922, S. 197). In unmittelbare Kampfhandlungen war die Festung nie blenz-Bingen (Bellinghausen [Hrsg.] 1973, S. 201). Die verwickelt. Die militärtechnische Entwicklung verlief Moseleisenbahnbrücke war in die Befestigung der Stadt Die erste Straßenbahn der Coblenzer Straßenbahn-Ge- rasant, so dass die Festung mit ihrer vollen Gefechts- einbezogen. Sie verfügte etwa in der Mitte über zwei sellschaft verkehrte ab 1887 auf zwei Linien (Rhein- stärke von 1.500 Mann Besatzung seit ca. 1890 strate- festungsartige Vierecktürme mit abschließbaren Toren werft-Plan-Löhrstraße-Moselbahnhof und Goeben- gisch keine große Bedeutung erfuhr. und auf der Koblenzer Seite zwei Kopftürmen. Im Laufe platz-Neustadt-Mainzer Straße-Schützenhof) in der der Jahrzehnte ist die Brücke mehrmals verändert und Stadt (Bellinghausen 1927, S. 1). Zunächst war sie eine Mit der Befestigung bzw. mit dem Einzug preußischer angepasst worden. So wurde 1918 die Eisenkonstruk- Pferdebahn, ab 1898 dann elektrifiziert. Hierzu wurde

tion vollkommen erneuert, hierdurch veränderte sich 1898 das Koblenzer Elektrizitätswerk am Schützenhof Abb. 8: Preußisches Koblenz Verwaltung wurde Koblenz preußischer Garnisonssitz. Abb. 8: Preußisches Koblenz (1905) mit farblichen Hervorhebungen durch Mit dem Militär und deren Familienangehörigen nahm die ursprüngliche Gitterbrücke in eine um das Doppelte errichtet. Das Straßenbahnnetz ist seitdem erweitert die Autoren.

120 121 Im Luftkrieg des Zweiten Weltkriegs war Koblenz zunächst verschont geblieben, da die Stadt von den Alliierten nur als Ziel mit untergeordneter Priorität geführt wurde. Mit der Landung der Alliierten in Frankreich am 6. Juni 1944 geriet aber auch Koblenz ins Visier der Bomberflotten, besonders als das Eisenbahnnetz in der Region an Bedeutung gewann. Am 6. November 1944 näherte sich um 19.28 Uhr ein Kampfverband von Lancaster-Bombern der britischen Royal Air Force und bombardierte das Zentrum von Koblenz. Das Stadtzentrum, von 153.392 Stabbrandbomben, 456 Flammstrahlbomben und 130 Luftminen getroffen, brannte nieder. Der Feuersturm machte alle Lösch- versuche aussichtslos. Die Stadt als geordnetes Gemeinwesen existierte nach diesem schwersten Luftangriff nicht mehr. Die Luftangriffe auf Koblenz von 1944 und 1945 zerstörten die Stadt zu 87 %. Das historische Stadtbild ist dadurch für immer verloren gegangen. Von den einst 23.700 Wohnungen waren nur 1500 unbeschädigt geblieben. Zwei Millionen Kubikmeter Schutt und Trümmer prägten das Stadtbild. Der Zentralplatz Gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Koblenz große bauliche Veränderungen. ist deshalb keine historische Platzanlage, sondern ein Produkt der Nachkriegszeit und Nach der Aufgabe der preußischen Stadtbefestigung entstanden an Stelle des Walls zwei des Wiederaufbaus. große Ringe: der Kaiserin-Augusta-Ring (heute Moselring) und der Kaiser-Wilhelm-Ring (heuteder auf der Friedrich-Ebert-Ring). Karthause blieben zunächst Direktnoch bestehen am ehemaligen Ebert-Rings Löhrtor mit den mehr wurde oder vonweniger 1900 parallel bis verlau 1903- nach(Bär 1922, Plänen S. 169). des Diese späteren Festungen Mainzerblieben bis Dombaumeisterszum fenden Nord-Süd-Straßen Ludwig Becker sowie Ost-West-Straßen die katholische (Bär Herz-Jesu-KircheErsten Weltkrieg in Funktion. im neuromanischen Danach wurden sie zumStil erbaut.1922, S.Süd 169-171lich u.des s. Abb. ehemaligen 10) Walls wuchs raschTeil geschleift ein neues oder verwahrlosten. Siedlungsgebiet Vollständig heran. erhalten Rund um die 1897 erbaute katholische St.-Josef- Kircheblieb nur unddie Festung dem Ehrenbreitstein. ersten evangelischen Bereits in den Kirchenneubau Bezüglich der dUmsetzunger Stadt, der der Stadterweiterung 1904 erbauten und Christuskirche,nächsten Jahren setzte entstanden eine rege Bautätigkeit Bürgerhäuser vor den der Gründerdes Straßennetzeszeit. der südlichen Vorstadt spielte die Toren ein, die Stadt sorgte für den Ausbau einer Reihe sogenannte „Bahnhofsfrage“ eine wichtige Rolle. Die Dasvon Straßen Rheinufer im südlichen zwischen Vorstadtgebiet. dem KurfürstlichenNoch im glei- Errichtung Schloss eines und demneuen DeutschenHauptbahnhofes Eck anstatt wurde des 1902-1913chen Jahr konnte mit die repräsentativen Stadt die Befestigungen Verwaltungsgebäuden am Rhein Moselbahnhofes bebaut. und So des entstand Rheinischen hier Bahnhofes das Ober- wurde präsidium(Rheinkavalier der bis RheinprovinzKastorkirche) und (1907-1910), an der Mosel das preußisimmer dringlicher,che Regierungsgebäude je weiter die Fluchtlinienfestsetzung, (1902) für den(Bassenheimer Regierungsbezirk Hof bis Deutsch-ordenshaus) Koblenz und erwerben das im die neoklassizi heute nochstischen erkennbar ist, Stil für errichtetedie südliche Vorstadt Hotel Koblenzerund schleifen Hoflassen (1912-1913). (Bär 1922, S. 169). Die SomitUferfront war der behielt vorrückte. dabei nochDenn einältere Bebauungsplan Strukturen für dasbei. Festungs - Weg frei für die erste Stadterweiterung „Südstadt“. gelände und die südlich und westlich anschließende Areale war noch nicht möglich, solange die Lage des Einige Wochen nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. 1888 wurde in Koblenz und zugleich Die Stadtverwaltung beauftragte den Kölner Stadtbau- Bahnhofes und die Höhenlage der Gleise von der Mosel- auch in der preußischen Provinzialverwaltung der Gedanke geboren, dem „verewigten meister Hermann Josef Stübben (1845–1936) mit der brücke bis zum Abhang der Karthause nicht festgelegt Fürsten“Erstellung eines als Stadterweiterungsplansbesonderen Dank fürein die Denkmal Flächen zu waren.erricht Dieen. Lösung Die derletzte sogenannten Entscheidung Bahnhofsfrage, für den die Standortzwischen Rhein des und Denkmals Mosel östlich überließ der Eisenbahntrasse man dem jungenvor allem Kaise auchr Wilhelmmit dem Verlauf II., der der sichBahntrasse 1891 zwifür- denKoblenz-Mainz. Zusammenfluss Stübben sah von in seinem Rhein Plan und eine Mosel Erwei- als Errichtunschen der Festegsstelle Alexander des undDenkmals der Südlichen entschied. Vorstadt Dieterung kleine der Stadt Insel Koblenz im in Mündungsbereich,westlicher (Goldgrube, Rau mit- derenzu tun Hilf hatte,e konnte Mitte erst des nach 19. schwierigen Jahrhunderts Verhandlun ein- kleinerental) und in Sicherheitshafen südlicher Richtung (Südliche mit Molenverbindung Vorstadt) vor. gen zwischen zum Fe derstland Stadt und angelegt der preußischen worden Regierung war, wurdeGroße Teile als seines Standort Plans, vor für allem die die Errichtung großzügigen Verdes- Denkmalsim Oktober ausgewiesen. 1894 gelöst werden. Durch Dies wurde Zuschüttung vertraglich dieseskehrsachsen Hafens im Westen, wurde wurden das abernotwendige nicht umgesetzt. Gelände zwischengeschaff deren. Eisenbahndirektion In der Zeit von in Köln1893 und bis der 1897, Stadt nachdemIm Februar 1890 eine reichte Million der Oberbürgermeister Mark zur Verfügung Schuller stand,Koblenz wurd mite dasweiteren Monument Einzelbestimmungen nach Entwürfen für den vonden EntwurfEmil Hundrieser des Plans beim und preußischen des Architekten Kriegsminis -BrunoNeubau Schmi destz heutigenerrichtet. Hauptbahnhofes am Abhang der terium für eine Stellungnahme zum Kauf der Festungs- Karthause festgelegt. Nachdem die Höherlegung der Dieflächen Gesamthöhe ein. Am 12. Dezember beträgt 1890 37 wurde m und mit den ist Ab sogar- Schienengleise einen Meter von höher der Moselbrücke als das bis Niederwald- zum Fuße der denkmalbrucharbeiten in der Rüdesheim. Festungsmauern Am und 31. der August Bollwerke 1897 Karthause wurde das umgesetzt Kaiser-Wilhelm-Denkmal worden war, konnte 1899 mit dem der Rheinprovinzan Rhein und Mosel am begonnen. Deutschen In den Jahren Eck 1890-1899 in Anwesenheit Bau des 96 vonm langen Ka iserBahnhofes Wilhelm nach Plänen II. von seiner Fritz Bestimmungwurde der größte Teilübergeben der Stadtbefestigung (Jechel niedergelegt. 2010, Bd. 2, S.Klingholz 362-38 begonnen4). Von werden.nun an Er verlagertewurde nach dreijähriger sich im In den nachfolgenden Jahren begannen die Bauarbeiten Bauzeit am 1. Mai 1902 eingeweiht. Danach wurde der allgemeinen Sprachgebrauch der Name Deutsches Eck von der Deutschordensballei auf für die südliche Vorstadt südlich des heutigen Friedrich- Rheinische Bahnhof abgerissen (Bär 1922, S. 170–171). das neue Denkmal.

Abb. 10: 10: Koblenz Koblenz von 1847 vonbis 1952, 1847 Landschaft bis 1952, im Wandel, Landschaft Blatt: 5611 Koblenz im Wandel, (Landesamt Blatt: für Vermessung 5611 Koblenz und Geobasisinformation, Koblenz). (Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation, Koblenz)

Da die städtebauliche Entwicklung von Koblenz wesent- der renommiertesten Fachleute seiner Zeit aufsteigen lich durch Hermann Josef Stübben mit seinem Plan von ließ. Ebenso gaben seine Entwürfe Aachen, Koblenz, 1889 geprägt war, lohnt es sich, kurz auf ihn und sein Düsseldorf, Saarlouis und weiteren rheinischen Städ- Wirken einzugehen. Denn hinter Ideen stehen Menschen. ten ein prägnantes, modernes Gepräge. Hierzu geben Auszüge aus seinen biographischen Daten des LVR-Portals „Rheinische Geschichte“11 Auskunft: Ende 1890 erschien Stübbens Werk „Der Städtebau“ als „Hermann Josef Stübben gehörte nach der Reichs- Teil des „Handbuches der Architektur“. Bis dahin hatte gründung im Jahr 1871 zu den Wegbereitern des mo- es nichts Vergleichbares gegeben. Das Buch wurde ein dernen Städtebaus. Ab 1881 zeichnete er für die Stadt- Standardwerk, das über den deutschsprachigen Raum erweiterung Kölns und die Bauplanung der Neustadt hinauswirkte und bis 1924 in drei Auflagen erschien. verantwortlich - ein Großprojekt, welches ihm europa- Stübben wurde damit zu einem weithin anerkannten Abb. 9: 9:Deutsches Deutsches Eck mit Kaiser-Wilhelm-Denkmal Eck mit Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Zusammenfluss von Rhein a mund Zusammenfluss Mosel (Foto: Peter Burggraaff, von Rhein2013). und Mosel weit hohe Anerkennung verschaffte und ihn zu einem Fachmann. (Foto: Peter Burggraaff, 2013)

122 123 So erstellte er für Koblenz 1889 den so genannten Gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Kob- (Jechel 2010, Bd. 2, S. 362–384). Von nun an verlagerte land-Beziehungen, der suburbane Raum, Stadtviertel Stübben-Plan, der eine Erweiterung der Stadt nach lenz große bauliche Veränderungen. Nach der Aufgabe sich im allgemeinen Sprachgebrauch der Name Deut- und Straßenzeilen sowie Plätze und weitere Merkmale der zuvor erfolgten Schleifung der Stadtmauer vor- der preußischen Stadtbefestigung entstanden an Stelle sches Eck von der Deutschordensballei auf das neue der ehemaligen Befestigung. sah. Er verfasste über 90 verschiedene städtebauliche des Walls zwei große Ringe: der Kaiserin-Augusta-Ring Denkmal. Entwürfe, nahm an rund einem Dutzend städtebauli- (heute Moselring) und der Kaiser-Wilhelm-Ring (heu- In diesem Beitrag sind Objekte und Strukturen erwähnt, cher Wettbewerbe teil, von denen er viele gewann. Für te Friedrich-Ebert-Ring). Direkt am ehemaligen Löhr- Im Luftkrieg des Zweiten Weltkriegs war Koblenz zu- zu denen weitere Informationen dem Internetportal Stübben war klar, dass eine moderne Stadt nicht schön tor wurde von 1900 bis 1903 nach Plänen des späteren nächst verschont geblieben, da die Stadt von den Alli- „Kultur. Landschaft. Digital“ KuLaDig12 zu entnehmen, sein konnte, wenn sie nicht bestimmte wirtschaftliche Mainzer Dombaumeisters Ludwig Becker die katholi- ierten nur als Ziel mit untergeordneter Priorität geführt die insbesondere Studierende der Universität Koblenz und soziale Voraussetzungen erfüllte und auch den sche Herz-Jesu-Kirche im neuromanischen Stil erbaut. wurde. Mit der Landung der Alliierten in Frankreich angelegt haben. Die Hierarchieebenen im Internet- praktischen Anforderungen von Verkehr und Gesund- Südlich des ehemaligen Walls wuchs rasch ein neu- am 6. Juni 1944 geriet aber auch Koblenz ins Visier portal des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in heit entsprach. Stübbens Entwürfe waren zweckmäßig es Siedlungsgebiet heran. Rund um die 1897 erbaute der Bomberflotten, besonders als das Eisenbahnnetz Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege und ausführbar. Wohl deshalb war er einer der meist- katholische St.-Josef-Kirche und dem ersten evange- in der Region an Bedeutung gewann. Am 6. November Hessen und dem Rheinischen Verein für Denkmalpfle- beschäftigten und erfolgreichsten Städtebauer seiner lischen Kirchenneubau der Stadt, der 1904 erbauten 1944 näherte sich um 19.28 Uhr ein Kampfverband von ge und Landschaftsschutz bilden diese landschaftliche Zeit. Diese Orientierung an der Praxis brachte es mit Christuskirche, entstanden Bürgerhäuser der Grün- Lancaster-Bombern der britischen Royal Air Force und Sichtweise ab. sich, dass Stübben sich wie kaum einer seiner Kolle- derzeit. bombardierte das Zentrum von Koblenz. Das Stadt- gen auch mit Details des Städtebaus befasste, die heu- zentrum, von 153.392 Stabbrandbomben, 456 Flamm- Das Kulturelle Erbe ist damit an sich zu betrachten, te nebensächlich erscheinen. So behandelte er Fragen Das Rheinufer zwischen dem Kurfürstlichen Schloss strahlbomben und 130 Luftminen getroffen, brannte aber auch als Bestandteil eines Ganzen. Menschen des Straßenbahnantriebs, der Straßenpflasterung und und dem Deutschen Eck wurde 1902–1913 mit reprä- nieder. Der Feuersturm machte alle Löschversuche nehmen unbewusst eine Stadt entsprechend wahr. Die -beleuchtung, der Straßenbeschilderung oder auch der sentativen Verwaltungsgebäuden bebaut. So entstand aussichtslos. Die Stadt als geordnetes Gemeinwesen verschiedenen Facetten aus unterschiedlichen Perio- öffentlichen Bedürfnisanstalten. Er sah in solchen De- hier das Oberpräsidium der Rheinprovinz (1907–1910), existierte nach diesem schwersten Luftangriff nicht den erklären sich aber häufig nicht von selbst. tails keineswegs Marginalien, sondern Dinge, die für das preußische Regierungsgebäude (1902) für den Re- mehr. Die Luftangriffe auf Koblenz von 1944 und 1945 die ästhetisch und funktional gelungene Realisierung gierungsbezirk Koblenz und das im neoklassizistischen zerstörten die Stadt zu 87 %. Das historische Stadtbild Erst das Wissen um die Entstehungsgeschichte und des des Entwurfs wichtig waren. Erst die Beschäftigung mit Stil errichtete Hotel Koblenzer Hof (1912–1913). Die ist dadurch für immer verloren gegangen. Von den einst Kontextes hilft das Einzelobjekt zu verstehen. Deshalb dem Detail erlaubte eine im Ganzen durchdachte und Uferfront behielt dabei noch ältere Strukturen bei. 23.700 Wohnungen waren nur 1500 unbeschädigt ge- lohnt sich ein Spaziergang durch Koblenz, um sich die zweckmäßige Stadt. blieben. Zwei Millionen Kubikmeter Schutt und Trüm- preußische Siedlungsgeschichte zu erschließen. Einige Wochen nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. 1888 mer prägten das Stadtbild. Der Zentralplatz ist deshalb In diesem Sinne nutzte Stübben auch das Instrument wurde in Koblenz und zugleich auch in der preußischen keine historische Platzanlage, sondern ein Produkt der der abgestuften Bauweise gleichermaßen zur Förde- Provinzialverwaltung der Gedanke geboren, dem „ver- Nachkriegszeit und des Wiederaufbaus. rung der Gesundheit wie zur Beschränkung der Boden- ewigten Fürsten“ als besonderen Dank ein Denkmal zu preise und zur schönen Abwechslung der Straßenbilder. errichten. Die letzte Entscheidung für den Standort des Schlussbetrachtung Diese Verknüpfung von Kosten, Nutzen und Schönheit Denkmals überließ man dem jungen Kaiser Wilhelm II., Der Beitrag hebt die Auswirkungen preußenzeitlicher ist wohl ebenso charakteristisch für sein Werk wie für der sich 1891 für den Zusammenfluss von Rhein und baulicher Aktivitäten im heutigen Stadtbild von Kob- andere erfolgreiche Epochen des Städtebaus. Das Prin- Mosel als Errichtungsstelle des Denkmals entschied. lenz hervor. An verschiedenen Standorten der Stadt zip der malerischen Abwechslung, das heißt die Verbin- Die kleine Insel im Mündungsbereich, mit deren Hilfe sind insbesondere die militärischen Überreste deutlich dung von Wechsel und Schönheit, ist für den Städtebau Mitte des 19. Jahrhunderts ein kleiner Sicherheitsha- sichtbar. Koblenz hat dadurch eine spezifische Prägung um 1900 ebenso charakteristisch wie für die Baukunst fen mit Molenverbindung zum Festland angelegt wor- erfahren. Neben unmittelbarer baulicher Substanz sind des Historismus überhaupt. Erfüllten Stübbens Ent- den war, wurde als Standort für die Errichtung des es mittelbare Strukturen, die die Eigenart von Koblenz würfe auf diese Weise die vielfältigen Aufgaben des Denkmals ausgewiesen. Durch Zuschüttung dieses prägen. Weitere Baulichkeiten der zivilen Infrastruktur modernen Lebens, so erreichten sie auch jenen man- Hafens wurde das notwendige Gelände geschaffen. In datieren ebenfalls in dieser Zeit der wirtschaftlichen nigfaltigen Wechsel, der eine individuelle ästhetische der Zeit von 1893 bis 1897, nachdem eine Million Mark Prosperität und Bevölkerungszunahme. Ganz beson- Wirkung hervorrief. Das begegnet uns auch bei anderen zur Verfügung stand, wurde das Monument nach Ent- ders entscheidend waren die zentralörtlichen Funktio- Stadtplanern der Zeit. Aber im Unterschied zu vielen würfen von Emil Hundrieser und des Architekten Bruno nen im Bereich Verwaltung. Die dadurch ausgelösten Zeitgenossen bedeutete für Stübben die Abwechslung Schmitz errichtet. Impulse haben dann wiederum die Wohnbauten zuneh- keine oberflächliche Dekoration oder Beschränkung men lassen. auf ausgesuchte Kristallisationspunkte im Stadtbild. Die Gesamthöhe beträgt 37 m und ist sogar einen Meter Das Prinzip der malerischen Abwechslung war für ihn höher als das Niederwalddenkmal in Rüdesheim. Am Aus kulturlandschaftlicher Sicht lässt sich Koblenz auf kein Selbstzweck. Es sollte zur tiefer gehenden, zweck- 31. August 1897 wurde das Kaiser-Wilhelm-Denkmal verschiedenen Maßstabsebenen betrachten und als mäßigen Ordnung der modernen Lebensbedürfnisse der Rheinprovinz am Deutschen Eck in Anwesenheit kulturelles Erbe ansehen: der Stadtgrundriss, Relik- verwendet werden.“ (Zitat Ende) von Kaiser Wilhelm II. seiner Bestimmung übergeben te des preußischen Festungssystems, die Stadt-Um-

124 125 Endnoten Literatur Dollen, B. v. d.: Die Koblenzer Neustadt. Planung und Kleber, P. u. Kellermann, M.: Militärische Einrichtungen 1 In diesem Aufsatz wird auch auf die KuLaDig-Einträge von Studierenden über die Stadt Koblenz Bezug genommen. Seitens der Redaktion von Backes, M.: Koblenz mit Ehrenbreitstein und Stolzen­ Ausführung einer Stadterweiterung des 18. Jahrhun- im Bereich des Systems Feste Kaiser Franz. - In: Feste KuLaDig, dem Informationsportal zur Kulturlandschaft in digitaler Form fels. – München u. Berlin 1973 (Deutsche Land derts. – Köln u. Wien 1979 (Städteforschung, A/6). Kaiser Franz. Zur Geschichte des Festungswerks und (www.kuladig.lvr.de), besteht eine Kooperationsvereinbarung mit der Geographie der Universität Koblenz. Im Rahmen von Lehrveranstal- Deutsche Kunst). Dollen, Busso von der: Stadtrandphänome in histo- des Systems Feste Franz in Koblenz-Lützel. Festschrift tungen und Masterarbeiten sind bereits preußisch geprägte Objekte und Strukturen in Koblenz von Studierenden in KuLaDig eingearbeitet risch-geographischer Sicht. – In: Siedlungsforschung, zum 10-jährigen Jubiläum Feste Kaiser Franz e.V. – worden, die in diesem Aufsatz ausgewertet werden. Bär, M.: Geschichte der Stadt Koblenz 1814–1914. – Archäologie – Geschichte – Geographie 1, 1983, Koblenz 2008, S. 65–74. 2 Von der Dollen 1978; 1979 und 1983. Koblenz 1922. S. 15–37.

3 Städteordnung für die Rheinprovinz und Gesetz betreffend die Michel, F.: Die Kunstdenkmäler der Stadt Koblenz. Gemeindeverfassung in der Rheinprovinz vom 15. Mai 1856, 3. Aufl. Bauer, R.: Koblenz - So wie es war. – Düsseldorf 1992, Franke, E.: Geschichte der Koblenzer Brücken. - In: Die profanen Denkmäler und die Vororte. – München Elberfeld 1882. S. 5ff. Koblenz Stadt der Brücken. Dokumentation zur Ein- u. Berlin 1954, (Die Kunstdenkmäler von Rhein- 4 https://de.wikipedia.org/wiki/Polygonalsystem, abgerufen am 18.1.2017. weihung der Koblenzer Balduinbrücke. Koblenz: Stadt land-Pfalz, Erster Band). 5 http://www.neuendorfer-flesche.eu/Festung/Festungsplan-Coblentz.gif, Bellinghausen, H.: 40 Jahre Koblenzer Straßenbahn. – Koblenz 1975, S. 14–63, hier S. 43–46 (Dokumentatio- abgerufen am 05.12.2016. In: Koblenzer Heimatblatt 4 (1927), Nr. 43, nen der Stadt Koblenz, 4). Michel, F.: Die kirchlichen Denkmäler der Stadt Kob- 7 Das Reduit „ist ein verstärkter Verteidigungsbau, der zum Rückzug für die Besatzung diente, falls der vorgelagerte Verteidigungswall vom S. 1ff. lenz. – Düsseldorf 1937, ND Düsseldorf 1981, Feind überwunden wurde. Das Reduit (Kernwerk) liegt im Inneren eines Frey, T. u. Kallenbach, R.: Koblenz. Luftbilder von S. 296–301 (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz Verteidigungswalls.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Reduit, abgerufen am 16.12.2016). Reduits wurden im Rahmen der neupreußischen Befesti- Bellinghausen, H. [Hrsg.]: 2000 Jahre Koblenz. gestern und heute. Eine Gegenüberstellung. – Gudens- 20,1: Die Kunstdenkmäler der Stadt Koblenz 1). gungsmanier des 19. Jhds. eingerichtet. Geschichte der Stadt an Rhein und Mosel. – berg-Gleichen 1998. 8 Als Flesche (französisch flèche = „Pfeil“) „wird ein Festungswerk Boppard 1973. Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler. bezeichnet, das aus zwei in einem ausspringenden Winkel zusammen- laufenden Facen (die dem Angreifer zugekehrten Seiten eines Werkes) Gniffke, M.: Koblenz – die Stadt an Rhein und Mosel. Kreisfreie Stadt Koblenz. Hrsg. v. Rheinland-Pfalz, besteht. Der Grundriss der Flesche ähnelt Außenwerken wie den Ravelin (im Graben vor einer Kurtine errichtetes selbstständiges Werk Böckling, M.: Koblenz an Rhein und Mosel - Stadtführung. – Koblenz 1998. Günther, Wilhelm Generaldirektion für das kulturelle Erbe. – Mainz, mit drei- oder fünfeckigem Grundriss, das niedriger als die benach- Ein Stadtführer. – Koblenz 2008. Arnold: Topographische Geschichte der Stadt Coblenz Stand 15.6.2016. barten Bastionen ist) und der Demilune (ein im Graben vor einer Bastion errichtetes, aus zwei Facen bestehendes Außenwerk. Sein Grundriss von ihrem Entstehen bis zum Schlusse des 18ten ähnelt dem des Ravelins, doch ist seine Kehle halbmondförmig, wurde jedoch vor dem Glacis errichtet und zählt somit zu den Vorwerken einer Custodis, P.-G.: Zeugnisse aus Industrie und Technik. Jahrhunderts. – Coblenz 1813. Neumann, H.: Festungsbaukunst und Festungsbau- Festung. Sie wurde üblicherweise einer Bastionsspitze vorgelagert, um – Koblenz 1998 (Wegweiser Mittelrhein, 9). Dellwing, technik. Deutsche Wehrbau-architektur vom XV. – XX. eine zusätzliche Feueretage zu schaffen)“ (https://de.wikipedia.org/wiki/ Flesche und https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Fachbegriffen_im_ Herbert und Kallenbach, Reinhard [Bearb.]: Denkmal- Herborn, W.: Städte am Rhein. Aspekte ihrer Ge- Jahrhundert. – Bonn 2004. Festungsbau#F, abgerufen am 16.12.2016. . topographie Bundes-republik Deutschland. Kultur- schichte. – In: Engelbrecht, Jörg; Kühn, Norbert; denkmäler in Rheinland-Pfalz, Bd. 3.2. 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Wien 2000 (Städteforschung. Reihe A: abrufbar sind. Damit ist das preußische Erbe der Stadt Koblenz zu Vororte und Oberwerth. – Düsseldorf 1986. (Wegweiser Mittelrhein, 11). Heyen, Franz-Josef Darstellungen, 53). erkunden. Im Anhang des Beitrages befindet sich eine Liste dieser Objekte. [Hrsg.]: Im Herzen Europas. 2000 Jahre Koblenz. Ein Dollen, B. v. d.: Maßnahmen zur Sanierung und Ver- Stadtatlas. – Koblenz 1992. Vogt, U.: Preußische Staatsbauten in Koblenz ein- schönerung der Altstadt Koblenz in der frühen Neu- schließlich der Festungsanlagen von 1815 bis 1914. zeit. – In: Landeskundliche Vierteljahresblätter 24, Imhof, M.: Koblenz Stadtführer. - o.O. 2011. Jansen, – Aachen 1987. 1978, S. 3–15. Christina u. Meckel, Dominik: Festung Ehrenbreitstein oberhalb von Koblenz. – Koblenz 2014 (KuLaDig-Ein- Wischemann, R.: Die Festung Koblenz. Vom römischen Dollen, B. v. d.: Der haupt- und residenzstädtische trag O-98434-20140807-2). Kastell und Preußens stärkster Festung zur größten Verflechtungsraum Koblenz, Ehrenbreitstein in der Garnison der Bundeswehr. – Koblenz 1978. fruhen Neuzeit. – Köln 1979 (Schriften zur rheinischen Jechel, H.-J.: Kaiser Wilhelm I. Reiterdenkmäler, Band Geschichte, Heft 3). I und II. – Bonn 2010. Weber, K. T.: Die preußischen Festungsanlagen von Koblenz (1815–1834). - Weimar 2003 (Kunst- und Kallenbach, R.: Koblenzer Geschichte neu erzählt. – Kulturwissenschaftliche Forschungen). 2003. Koblenz 2012. Weber, K. T.: „Neupreußische Festungsmanier“ – ein Mythos? – In: Festungsbaukunst in Europas Mitte. Re- gensburg 2011 (Festungsforschung, Bd. 3), S. 49–60.

126 127 Weber, U. [Bearb.]: Denkmaltopographie Bundes- www.neuendorfer-flesche.eu/Festung/Festungsplan- republik Deutschland. Kultur-denkmäler in Rhein- Coblentz.gif, abgerufen am 05.12.2016. land-Pfalz, Bd. 3.3. Stadt Koblenz – Stadtteile. – Worms 2013. www.festung-koblenz.de/, abgerufen am 16.12.2016.

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128 129 1. O-103329-20140916-2 Koblenz (ehemaliges erbaut. Heute ist er wichtiger Knotenpunkt im Nah- Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium) und Fernverkehr des Rhein-Mosel-Lahn-Gebiets. Preußen modernisierte im 19. Jahrhundert das Bildungssystem in seinem Hoheitsgebiet. Zahlreiche 7. O-96801-20140718-2 Hauptfriedhof Koblenz Bildungseinrichtungen entstanden aufgrund der Der Hauptfriedhof der Stadt Koblenz liegt im Stadt- hohen Wertschätzung der Bildung daher auch im teil Goldgrube am Nord- und Westhang der Kar- Rheinland. Das Eichendorff-Gymnasium, ehemals thause. Er ist der größte Friedhof der Stadt und gilt Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium, ist hierfür ein pas- durch seine architektonische Terrassenanlage und sendes Beispiel. die alten Baumbestände zugleich als Landschafts- park der Stadt. Er wurde 1820 eingeweiht. 2. O-97473-20140723-8 Evangelische Christuskirche Koblenz 8. O-74685-20130920-7 Herz-Jesu-Kirche in Koblenz Die Christuskirche wurde aufgrund der rasant Die Herz-Jesu-Kirche wurde erst im Jahr 1903 steigenden Zahl der evangelischen Bevölkerung um fertiggestellt und gesegnet. Der Bau der Herz-Je- 1900, die nicht mehr allein von der zentralen Flo- su-Kirche war notwendig geworden, da die Bevöl- rinskirche aufgenommen werden konnte, nach den kerung in der Stadt Koblenz über die Jahre stark Plänen des Berliner Architekten Johannes Vollmer gestiegen war. erbaut. Anhang: 9.  O-97457-20140723-6 Johannes-Müller-Denkmal in 3. O-98434-20140807-2 Festung Ehrenbreitstein der Koblenzer Altstadt oberhalb von Koblenz Das Johannes-Müller-Denkmal ist eine überlebens- Die Festung Ehrenbreitstein war Teil eines große Bronzefigur des Koblenzer Forschers und Erfasste Objekte aus der Festungsringes um die Stadt Koblenz. Nach der Physiologen, der unweit des Jesuitenplatzes ge- Sprengung durch französische Truppen im Jah- boren wurde. Ihm zu Ehren wurde das Denkmal im re 1801, wurde sie ab 1816 durch die Preußen in Jahr 1899 in der Koblenzer Altstadt errichtet. preußischen Periode von Koblenz den barocken Umrissen, jedoch in neuen Formen, modernen fortifikatorischen Theorien entsprechend, 10. O-74997-20130924-4 Jüdischer Friedhof Rauental neu errichtet (mit 30 Unterobjekten). Für Koblenz sind zwei mittelalterliche Friedhöfe im Portal KuLaDig bezeugt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde (www.kuladig.lvr.de) 4. O-74684-20130920-6 Florinskirche Koblenz ein neuer Friedhof in Rauental angelegt, dieser Die Florinskirche liegt am Platz „Florinsmarkt“, steht heute als „Denkmalzone Jüdischer Friedhof“ welcher der Kirche seinen Namen verdankt. Die unter Denkmalschutz. Kirche diente im Laufe der Jahrhunderte verschie- densten Zwecken. 11. O-54133-20120914-6 Kaiserin-Augusta-Anlagen Koblenz (Rheinanlagen an der Koblenzer Ufer- 5. O-101953-20140830-2 Gülser Eisenbahnbrücke bei front) Koblenz In den Jahren 1856 bis 1861 ließ Augusta von Sach- Die Eisenbahnbrücke in Koblenz-Güls wurde in den sen-Weimar-Eisenach (1811–1890), die Gemahlin Jahren 1877/78 aufgrund strategischer Überlegun- des Prinzen und späteren Deutschen Kaisers Wil- gen errichtet und verbindet in Koblenz die Stadtteile helm I. von Preußen, die Rheinanlagen längs der Moselweiß und Güls. Die Brücke ist Teil der Bahn- Koblenzer Uferfront anlegen. verbindung zwischen Koblenz und Trier. 12. O-97777-20140729-2 Kaiserliche Oberpostdirek- 6.  O-96801-20140718-2 Hauptbahnhof Koblenz mit tion in der Koblenzer Südstadt Bahnhofsvorplatz und Busbahnhof Die Kaiserliche Oberpostdirektion wurde im Jahr Der Koblenzer Hauptbahnhof liegt zentral in der 1905 nach den Planungen der Bauverwaltung des Stadtmitte und wurde im ausgehenden 19. Jahrhun- Reichspostministeriums am Friedrich-Ebert-Ring dert im Zuge der südlichen Stadterweiterung nach erbaut. Charakteristisch sind die spätgotischen den Plänen des Regierungsbaumeisters Biecker Stilelemente, die trotz mehrmaligen Umbau- und

130 131 Wiederaufbauarbeiten bis heute erhalten geblieben wichtigste Verbindung von der Innenstadt zu den Eingemeindungen und Erweiterungen, die zur Ver- sind. rechtsrheinischen Stadtteilen dar. größerung des Stadtgebietes führten.

13. O-95475-20140627-4 Kaiser-Wilhelm-Denkmal 18. O-72738-20130826-3 Preußische Festung auf der 24. O-74995-20130924-2 Synagoge Koblenz im Bür- am Deutschen Eck Karthause (Fort Großfürst Konstantin) resheimer Hof Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck Im Rahmen des Baus der Preußischen Großfes- 1851 konnte die neue Synagoge der jüdischen Ge- wurde 1897 zu Ehren des ersten deutschen Kaisers tungsanlage Koblenz wurde zwischen 1822-1827 meinde Koblenz im Bürresheimer Hof am Flo- errichtet. Nach der Zerstörung im Zweiten Welt- das Fort Großfürst Konstantin (kurz: Fort Konstan- rinsmarkt eingeweiht werden. Diese wurde 1938 krieg durch die Amerikaner wurde das Denkmal, tin) auf der Karthause gebaut. Es diente damals verwüstet. das zum Mahnmal der deutschen Einheit wurde, der unmittelbaren Sicherung der weiter westlich nach der Wiedervereinigung Deutschlands wieder- gelegenen Feste Kaiser Alexander. 25. O-74996-20130924-3 Synagoge Rauental (Frühere errichtet. Trauerhalle des jüdischen Friedhofs, Gemeinde- 19. O-72737-20130826-2 Preußische Festung in Lützel zentrum der jüdischen Kultusgemeinde) 14. O-72754-20130826-5 Koblenzer Hof am Kon- („Feste Kaiser Franz“ auf dem Plateau Peters- Die Synagoge der jüdischen Gemeinde Koblenz rad-Adenauer-Ufer (ehemaliges Grand-Hotel „Es- berg) wurde 1938 verwüstet. Seit 1945 wird die ehemali- planade Bellevue“, später „Hotel Koblenzer Hof“, Die 1822, nach sechs Jahren Bauzeit, fertiggestell- ge Trauerhalle des jüdischen Friedhofs in Rauental Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung) te Feste Kaiser Franz war Teil der Gesamtfestungs- als Betsaal genutzt. Das monumentale Gebäude am Rheinufer, das anlage Koblenz, die Mitte des 19. Jahrhunderts als 1912/13 im Auftrag der Aktiengesellschaft für größte ihrer Art in ganz Europa galt. Grundbesitz, Wohnbauten & Grand-Hotel Esplana- de Bellevue erbaut wurde, war seinerzeit eines der 20. KLD-258385 Preußisches Regierungsgebäude in luxuriösesten Hotels in Deutschland (Grand-Hotel Koblenz, Bezirksregierung Esplanade Bellevue). Nachdem am 16.8.1901 das alte Haus der Bezirks- regierung durch Brand zerstört worden war, ergab 15. O-103347-20140917-2 Königlich Preußisches sich die Chance eines großzügigen Neubaus an Lehrerinnenseminar in Koblenz der alten Stelle. Am 15.10.1905 konnte das Wohn- Der Staat Preußen führte im Jahre 1825 eine alle haus des Regierungspräsidenten, am 1.2.1906 das Landesteile umfassende Schulpflicht ein. Besonde- gesamte Regierungsgebäude bezogen werden. re Beachtung wurde auf die Ausbildung der Lehr- kräfte gelegt. Das Königlich Preußische Lehrerin- 21. O-59539-20130122-2 Schloss Stolzenfels nenseminar in Koblenz ist daher Ausdruck einer Schloss Stolzenfels ist wohl die prächtigste unter neuen Wertschätzung des Bildungswesens. den zahlreichen Burgen des 19. Jahrhunderts am Rhein und eine der bedeutendsten Bauschöpfun- 16. O-97126-20140723-2 Kriegerdenkmal in Kob- gen der deutschen Romantik. Seit 2002 ist das lenz-Asterstein (Gefallenendenkmal des Feldzu- Schloss Bestandteil des Welterbes „Oberes Mittel- ges von 1866) rheintal“ der UNESCO. Das Kriegerdenkmal in Koblenz-Asterstein wurde 1869 für die Soldaten errichtet, die im 22. O-97762-20140725-2 Stadtgebiet Koblenz im 19. Deutsch-Preußischen (Österreichisch-Preußi- Jahrhundert schen) Krieg 1866 gefallen sind. Das Denkmal hat Die flächenmäßige Ausdehnung von Koblenz im die Form eines Obelisken und ist vom Koblenzer 19. Jahrhundert wurde im Wesentlichen durch die Kurfürstlichen Schloss aus zu sehen. Festungsanlagen Ehrenbreitstein, Fort Konstantin, Fort Asterstein, die Feste Franz und die Stadtmau- 17. O-98117-20140804-3 Pfaffendorfer Brücke in er markiert. Koblenz Die Pfaffendorfer Brücke ist die erste feste Rhein- 23. O-97761-20140725-2 Stadtgebiet Koblenz im 20. brücke der Stadt Koblenz, die zwischen 1862 und Jahrhundert 1864 von der Rheinischen Eisenbahngesellschaft Sein heutiges Gesicht erhielt Koblenz erst im gebaut worden war. Noch heute stellt sie die ausgehenden 20. Jahrhundert durch zahlreiche

132 133 Tagungsprogramm Preußen und Landschaft Ideen – Symbole – Veränderungen

9:00 Uhr Eintreffen und Begrüßungskaffee 12:05 Uhr Der „Preußenbaum“ im Rheinland – Fluch und Segen 9:30 Uhr Begrüßung Dr. Bernward Selter, Dr. Nobert Kühn, Münster Landschaftsverband Rheinland (LVR), Leiter des LVR-Fachbereichs Kultur anschließend Diskussion

9:50 Uhr Besitzergreifung und räumliche 12:45 Uhr Mittagspause Durchdringung – Preußen und die Rheinlande nach 1815 14:00 Uhr Der Drachenfels als Georg Mölich, Symbollandschaft LVR-Institut für Landeskunde und Elmar Scheuren, Regionalgeschichte Siebengebirgsmuseum­ Königswinter

10:15 Uhr Notstandsmaßnahmen in der Eifel – 14:25 Uhr Preußische Verkehrswege im Preußisch Sibirien Rheinland Peter Burggraaff, Dr. Claus Weber, Geographisches Institut der LVR-Amt für Bodendenkmalpflege Anlagen Universität Koblenz-Landau im Rheinland

anschließend Diskussion 14:50 Uhr Die Stadtstruktur von Koblenz in preußischer Zeit und deren 10:50 Uhr Kaffeepause Überlieferung im heutigen Stadtbild Dr. Klaus-Dieter Kleefeld, 11:15 Uhr Preußische innere Kolonisation als Landschaftsverband Rheinland (LVR) landschaftswirksame Innovation Dr. Markus Zbroschzyk, 15:15 Uhr Kaffeepause St. Augustin 15:45 Uhr Podiumsdiskussion zum Thema: 11:40 Uhr „Für das Leben lernen wir“ – Umgang mit dem landschaftlichen Obst- und Gartenbau im preußischen kulturellen Erbe der Preußenzeit Elementarschulwesen Moderation: Michael Kamp, LVR-Freilichtmuseum Dr. Klaus-Dieter Kleefeld, Lindlar Landschaftsverband Rheinland (LVR)

17:00 Uhr Ende der Veranstaltung

134 135 Anschriften der Autorinnen und Autoren Teilnahmeliste Fachtagung dieser Tagungsdokumentsation „Preussen und Landschaft“

Drs. Peter Burggraaff Georg Mölich Name Vorname Öffentl. Institution PLZ/Ort Universität Koblenz-Landau Landschaftsverband Rheinland (LVR) Landschaftsverband Institut für Integrierte Naturwissenschaften, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte Alt Carolin 50679 Köln Rheinland (LVR) Abteilung Geographie Endenicher Str. 133, 53115 Bonn Universitätsstr. 1, 56070 Koblenz [email protected] Aufsfeld Norbert 50259 Pulheim [email protected] Landesbetrieb Straßenbau Barth-Propach Ilona 51643 Gummersbach NRW

Michael Kamp Elmar Scheuren Bedorf Ulrike 51688 Wipperfürth Landschaftsverband Rheinland (LVR) Siebengebirgsmuseum Königswinter LVR-Freilichtmuseum Lindlar Kellerstr. 16, 53639 Königswinter Bedorf Wolfgang 51688 Wipperfürth Schloss Heiligenhoven, 51789 Lindlar [email protected] [email protected] Beil Oskar 50259 Pulheim

Berger Dr. Herbert 51647 Gummersbach Dr. Klaus Dieter Kleefeld Dr. Bernward Selter Berger Frau 51647 Gummersbach Landschaftsverband Rheinland (LVR) Franz-Beiske-Weg 5, 48167 Münster LVR-Dezernat Kultur und Landschaftliche [email protected] Besuch Heinz Joachim 47839 Krefeld Kulturpflege, Abt. Digitales Kulturerbe LVR Ottoplatz 2, 50679 Köln Beyerle Andreas Stadt Bergheim 50126 Bergheim [email protected] Landschaftsverband Boddenberg Christoph 50679 Köln Rheinland (LVR) Dr. Norbert Kühn Dr. Markus Zbroschzyk Bölts-Thunecke Arno 53113 Bonn c/o In der Aue 2 b, 53757 Sankt Augustin Landschaftsverband Rheinland (LVR) [email protected] Biologische Station im Bouillon Barbara 53783 Eitorf Fachbereich Regionale Kulturarbeit Rhein-Sieg-Kreis Ottoplatz 2, 50679 Köln Bremer Ute 50996 Köln

Bremer (2. Person) 50996 Köln

Universität Burggraaff Drs. Peter 56070 Koblenz Koblenz-Landau

Claren Helmut Arnold 50259 Pulheim

Delvos Manfred 50259 Pulheim

Dietze Henner 41540 Dormagen

Doering Siegfried 51145 Köln

Fetten Dr. Frank G. 54550 Daun

Landschaftsverband Francke Dr. Ursula 53115 Bonn Rheinland (LVR)

136 137 Freiburg Josef Gemeinde Much 53804 Much Krause Armin 41470 Neuss Regionalverband Ruhr- Geisler Dr. Eberhard 45128 Essen Krause Elisabeth 41470 Neuss gebiet Landschaftsverband Gelhar Dr. Martina 50679 Köln Kremer Dr. Bruno P. 53343 Wachtberg Rheinland (LVR) Landschaftsverband Geyer Michael 53179 Bonn Kühn Dr. Norbert 50679 Köln Rheinland (LVR) Bund Heimat und Umwelt Gotzmann Dr. Inge 53113 Bonn in Deutschland (BHU) Kunze Gisela 51103 Köln

Grodde Dr. Barbara 41334 Nettetal Lache Ursula 56729 Langscheid

Grote Helmut Lamberty Dr. Christiane 53604 Bad Honnef

Hagemann Friedrich 57587 Birken Luimes Julia 50933 Köln

Hahlweg Ingwalt 53332 Bornheim Maas Hans 50226 Frechen

Harzheim Gabriele Akademie Vogelsang IP 53937 Schleiden Markert Ulrich 50667 Köln

Landschaftsverband Landschaftsverband Herzog Dr. Monika 50259 Pulheim Mölich Georg 53115 Bonn Rheinland (LVR) Rheinland (LVR) Heusch-Altenstein Annette 50933 Köln Müller-Schwanneke Heiko 50259 Pulheim Hölzer Ute 54558 Gillenfeld Nicklaus Dr. Eberhard 50129 Bergheim Landschaftsverband Janßen-Schnabel Dr. Elke 50259 Pulheim Rheinland (LVR) Noga Peter Stadt Krefeld 47792 Krefeld Jung Ernst G. 50259 Pulheim Nunez Hildegard 56073 Koblenz

Kallmann Jürgen 41564 Kaarst Otto Hermann 50259 Pulheim Landschaftsverband Kamp Michael 51789 Lindlar Rheinland (LVR) Perse Marcell Museum Zitadelle Jülich 52428 Jülich

Landschaftsverband Kandels Albert Heimatmuseum Stommeln 50259 Pulheim Pflaum Martin 50679 Köln Rheinland (LVR)

Kleefeld Dr. Klaus Dieter Landschaftsverband 50679 Köln Landschaftsverband Philipps Margit 48133 Münster Rheinland (LVR) Westfalen-Lippe (LWL)

Klinkhammer Ulrich Naturpark Nordeifel 54595 Prüm Preuß Friedrich Wilhelm 50226 Frechen

Knopp Hermann Josef 53547 Dattenberg Pütz Hannelore 50259 Pulheim Knopp Anneliese 53547 Dattenberg Pütz Nadine 52249 Eschweiler Koch-Winter Gisela 45133 Essen Rau Ulrike 35578 Wetzlar Landschaftsverband König Julia 50679 Köln Rheinland (LVR) Reiß Florian 27793 Wildeshausen

Landschaftsverband Krämer Thomas 50259 Pulheim Rheinland (LVR) Remmel Frank 53127 Bonn

138 139 Landschaftsverband Roggendorf-Otto Roswitha 50259 Pulheim Weiß Marcus 48133 Münster Westfalen-Lippe (LWL)

Ruge Irmgard 50226 Frechen Weyhe Mechtild 41751 Viersen

Sarling Friedhelm 51399 Burscheid Rhein. Verein für Wiemer Dr. Karl-Peter Denkmalpflege u. 50679 Köln Scheuren Elmar Siebengebirgsmuseum 53639 Königswinter Landschaftsschutz Winter Thomas 45133 Essen Schmitz Hermann Josef 50259 Pulheim Landschaftsverband Winter Pia 50679 Köln Schmitz Gertrud 50259 Pulheim Rheinland (LVR)

Landschaftsverband Zbroschzyk Dr. Markus 57234 Wilnsdorf Schmitz Nicole 50679 Köln Rheinland (LVR) Ziemes Ulrich Stadt Krefeld 47792 Krefeld Schneiders Wolfgang Museum Zitadelle Jülich 52428 Jülich

Schnug-Bögerding Carola 57610 Altenkirchen

Landschaftsverband Schwabe Annette 50679 Köln Rheinland (LVR) Landschaftsverband Schwarz Ulrike 50259 Pulheim Rheinland (LVR) Landschaftsverband Schwarz Nadine 50679 Köln Rheinland (LVR)

Schweikert Ansgar 47447 Moers

Schweikert Waltraud 47447 Moers

Selter Dr. Bernward 48167 Münster

Seydel Hans-Martin Stadt Voerde 46562 Voerde

Steffen-Aufsfeld Carola 50259 Pulheim

Biologische Station im Steinwarz Dr. Dieter 53783 Eitorf Rhein-Sieg-Kreis

Stollenwerk Anne Naturpark Nordeifel 54595 Prüm

Thiele Fritz 50259 Pulheim

Thoer Heinz-Josef Stadt Krefeld 47792 Krefeld

Trienekens Lisa Stadt Eschweiler 52249 Eschweiler

Landschaftsverband Vollmer-König Martin 53115 Bonn Rheinland (LVR) Landschaftsverband Weber Dr. Claus 53115 Bonn Rheinland (LVR) Landschaftsverband Wegener Wolfgang 53115 Bonn Rheinland (LVR)

Weinand Manfred 50259 Pulheim

140 141 Übersicht über frühere Fachtagungen der LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege und deren Vorgänger

1. Fachtagung 10. Fachtagung 20. Fachtagung 30.–31.10.1991 | Bonn 19.–20.10.2000 | Bonn 26.–27.05.2010 | Knechtsteden Naturnahe Anlage und Pflege von Obstwiesen in Kultur und Landschaft * Naturschutz und Kulturlandschaftspflege ++ Grünflächen der öffentlichen Hand + 11. Fachtagung 21. Fachtagung 2. Fachtagung 25.–26.10.2001 | Heinsberg 22.09.2011 | Bensberg 01.–02.10.1992 | Bonn Rheinisches Kulturlandschaftskataster * Kulturlandschaft und regionale Identität *** Umweltverträgliche Beschaffung und Abfallentsorgung der öffentlichen Hand + 12. Fachtagung 22. Fachtagung 18.–19.04.2002 | Köln 04.–05.10.2012 | Bad Honnef 3. Fachtagung Kulturelles Erbe – Umweltvorsorge und Planung * 50 Jahre Kulturlandschaftspflege beim LVR ++ 07.–08.10.1993 | Bonn Naturschutz und Landschaftspflege bei 13. Fachtagung 23. Fachtagung historischen Objekten * 04.–05.12.2003 | Bensberg 11.–12.07.2013 | Kevelaer Pilgern (ausgefallen) Typisch Niederrhein?! ++ 4. Fachtagung 27.–28.09.1994 | Bonn 14. Fachtagung 24. Fachtagung Ausführung und Entwicklung landschafts­- 01.–02.04.2004 | Bensberg 22.10.2015 | Brauweiler pflegerischer Maßnahmen an Verkehrswegen * Wie viel Sport verträgt die Landschaft? – Preußen und Landschaft * Wie viel Landschaft braucht der Sport? +++ 5. Fachtagung 25.–26.10.1995 | Bonn 15. Fachtagung Naturnahe Grünflächengestaltung – 02.–05.03.2005 | Aachen eine Chance bei knappen Kassen? * Kulturlandschaft digital – * zu dieser Fachtagung ist eine Tagungsdokumentation erschienen und Forschung und Anwendung * noch lieferbar. Nähere Informationen dazu beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege, Ottoplatz 2, 6. Fachtagung 50679 Köln, e-mail: [email protected] 11.–12.03.1996 | Kevelaer 16. Fachtagung Kulturgüterschutz in der Umwelt­ 21.–22.04.2005 | Bad Honnef ** die Mehrzahl der Beiträge dieser Tagung sind veröffentlicht in den „Mitteilungen aus dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege“, Heft verträglichkeitsprüfung * Barrierefreies Natur- und Kulturerlebnis * 14. Nähere Informationen dazu beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Ehrenfriedstr. 19, 50259 Pulheim, e-mail: [email protected] 7. Fachtagung 17. Fachtagung 25.–26.11.1997 | Bonn 02.–03.05.2006 | Altenberg *** diese Tagung erfolgte im Rahmen des Deutschen Landschafts­ Gartendenkmalpflege und Naturschutz ** Europäische Landschaftskonvention * pflegetages 2011 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL). Die Tagungsdokumentation wurde als Nr. 40 im Rahmen der LVR-Schriftenreihe „Arbeitsstudien“ publiziert. 8. Fachtagung 18. Fachtagung Nähere Informationen dazu bei der LVR-Abteilung Kulturlandschafts- pflege, Ottoplatz 2, 50679 Köln, e-mail: [email protected] 24.–25.09.1998 | Jülich 18.–19.10.2007 | Geldern Fließgewässer in der Kulturlandschaft * Demographie und Kulturlandschaft * + vergriffen. Belegexemplare zur Einsichtnahme bei Bedarf vorhanden beim Landschaftsverband Rheinland (LVR),LVR-Abteilung Kultur- landschaftspflege, Ottoplatz 2, 50679 Köln, 9. Fachtagung 19. Fachtagung e-mail: [email protected] 21.–22.10.1999 | Bonn 13.–14.11.2008 | Bensberg ++ spätere Veröffentlichung evtl. noch vorgesehen. Eingriff und Ausgleich - Standortbestimmung Landschaft und Gesundheit * zum Landschaftspflegerischen Begleitplan * +++ keine Dokumentation erschienen.

142 143 | Preußen und Landschaft | Preußen TAGUNGSDOKUMENTATION

LVR-Dezernat Kultur und Landschaftliche Kulturpflege Ottoplatz 2, 50679 Köln, Tel 0221 809-6482 [email protected], www.biostationen-rheinland.lvr.de