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FAUST UND PROMETHEUS

ZUR IKONOGRAPHIE

DES PHANTASTISCHEN FILMS

Inaugural-Dissertation

zur

Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie

in der

Fakultät für Philologie

der

RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

vorgelegt von

Dorothe Malli M.A.

Tag der mündlichen Prüfung: 04.02.2002

Einführung I

„Die Wahrheit ist, daß die wissenschaftliche Betrachtung einer Tatsache nicht die gleiche ist, in der man sie als Wunder ansieht.“1

Einführung Gegenstand dieser Arbeit sind der Mythos des Prometheus und des . Beide Mythen enthalten ein zentrales Element: Die Herausforderung göttlicher Macht durch den Menschen, der durch eigene Wissensanstrengungen Macht über die Grenzen des Lebens erstrebt, der sich nicht nur relativen Gefahren entgegenstellt, sondern der unkalkulierbaren Schranke des Todes. Selbst in einer Zeit, die im Begriff steht, den Code des menschlichen Erbgutes zu ent- schlüsseln, gilt solche Haltung als vermessen. Beide Mythen beeinflussen den Film und speziell die Genres des phantastischen Films bis heute tiefgreifend. Absicht dieser Arbeit ist es, Elemente einer Bildgrammatik zu erarbeiten, in der sich diese Mythen seit dem Reformationszeitalter kulturell ausformten.

Den Griechen war Prometheus, Vordenker, ein Titan, der Zeus den Blitz2 ver- schaffte, eine unbesiegbare Waffe, die ihn zum Herrn am Götterhimmel mach- te. Auch formte er Menschen aus Lehm, für sie stahl er das Feuer vom Him- mel und rebellierte gegen Zeus. Seiner Rache ausgesetzt, wurde er an einen Felsen geschmiedet und ein Adler fraß täglich seine Leber, die nachts nach- wuchs.3 Aus der Darstellung des Prometheusmythos, von seinem griechi- schen Ursprung her, wurde der Begriff Prometheische Medien abgeleitet. Da- mit ist nicht nur die Geschichte der bilderzeugenden Apparate gemeint, son- dern auch der Symbolcharakter, den die Mythologie des Prometheus für bilderzeugende Apparate hat. Dies ist in erster Linie eine Schöpfungsideologie. Den viel jüngeren Faustmythos verzeichnete das populäre Buch Historia von D. Johann Fausten aus dem Jahre 1584. Es schrieb die Verteufelung des for- schenden Subjekts fest. Während seiner naturwissenschaftlichen Studien rief Faust den Teufel herbei, verschrieb sich ihm mit Blut, lernte alle Geheimnisse des Lebens kennen und mußte dafür zur Hölle fahren. Die Historia ist ein phantastisches und grausames Buch, das durch Horror und Splatter4 Angst und Schrecken erzeugt. Einfluß auf die Beschreibung der furchterregenden Teufelsgestalten und der schauerlichen Teufelserscheinungen in der Historia hatten offensichtlich frühere Lichtbilder mittelalterlicher Teufelsgestalten, wel- che Camera obscura oder Laterna magica schon im 15. Jahrhundert zeigten. Freilich wurde ein geheimnisvoller Apparat, der das mitunter farbige und be- wegte Lichtbild des Teufels5 vorführte, dämonisiert und mit Magie geladen. Der Faustmythos lieferte einen Bilddiskurs des Schreckens, der sich in promethei- schen Medien über Jahrhunderte entfaltete. Der Gegenstand der Untersuchung ist somit die bildhafte Darstellung des Fauststoffs, des Schreckens und der Magie in den Prometheischen Medien.

1 Ludwig Wittgenstein, Vortrag über Ethik und andere kleine Schriften, am Main 1989, S. 17 2 Der Blitz steht in Beziehung zu Prometheus und zum Teufel. Ein Funken setzt den Kinema- tographen in Bewegung. 3 vgl. Stichwort: Prometheus, in: Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden, Bd. 4, München 1979, Sp. 1174-1777 4 Im allgemeinen bezeichnet Splatter Szenen in modernen Horrorfilmen, in denen der menschliche Körper im Mittelpunkt einer zerstückelnden Aggression steht. 5 Athanasius Kircher zeigte etwa Mitte des 17. Jahrhunderts mit der Laterna magica das be- wegliche und farbige Lichtbild des Teufels. Kircher setzte nicht nur Bilder in Bewegung, sondern er ordnete sie auch Sinn produzierenden Reihen zu.

II Einführung

Nach Elsa Hennings- war Faust „der Prometheus der christlichen Ära und 6 sein Urbild der Zauberer.“ Die Kunst eines Zauberers besteht in der Magie, dem Auge etwas vorzutäuschen. Die größte magische Augentäuschung ist freilich der Film, und das ‘Wunder‘, welches er vollbringt, wird von nichts anderem ge- tragen als von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Den mittelalterlichen Alchemisten galt die Magie als allmächtige Wissenschaft, und sie suchten mit differenzierten Kulthandlungen, darunter Liebeszauber und Teufelsbeschwö- rungen, die Geheimnisse der Natur zu entschlüsseln und nachzubilden. In prometheischer Weise strebten sie danach, Natur über Natur triumphieren zu lassen. Die Suche der Alchemisten nach dem Arkanum des Lebens, dem Stein der Weisen, und die Dichotomie von Gut und Böse, Himmel und Hölle, spaltete sie in Schwarzkünstler und gottesfürchtige Magier. Der Ursprung des Magiers und der Anfang des Kinos finden sich bis heute - so Erik Barnouw - in 7 „the study of nature.”

Mythen und Magie entwickelten in präkinematographischen Apparaten sowie im heutigen Kino wundersame Bilder einer supranaturalen Welt, welche die I- konographie des Phantastischen Films als grundlegende Motive der Wider- sprüche menschlicher Existenz zu erkennen gibt.

Methodik der Arbeit Die Arbeitsmethode geht von der These aus, daß sich der Fauststoff in der Filmgeschichte als Bilddiskurs verfolgen läßt und sich beständig fortschreibt. In dem einführenden Kapitel dieser Untersuchung wird der Bilddiskurs des Unter- haltungsbuches Historia von D. Johann Fausten untersucht, das erstmals Splatter und Grauen mit Lust verbindet. Es galt literaturgeschichtliche, wissen- schaftstheoretische und philosophische Fragestellungen zu berücksichtigen. Diesen interdisziplinären Ansatz schrieb die Problematik vor. Ein weiteres Problem ergab sich aus der Materialfülle der Bearbeitungen des Faust- und des Prometheusstoffes. Darüber hinaus war die Fülle der Filme Legion, die sich auf den Fauststoff bezogen, wovon ein großer Teil als wenig sammelwür- dig galt und nur zufällig gefunden werden konnte. Letztendlich wurde auf viel Material verzichtet, weil sich die Reihe der Faustfilme geradezu unendlich fort- schreibt. Der Teufelspakt des faustischen Wissenschaftlers stand im Mittel- punkt der Filmauswahl. Angesichts der Fülle von Teufelspakten in Spielfilmen wurden Faust-Literaturverfilmungen von den filmischen Abwandlungen der Faustgeschichte getrennt betrachtet. Dabei standen erneuernde narrative und ikonographische Merkmale im Vordergrund. Es ging nicht um Adaptionsfor- schung oder um einen Medienvergleich, sondern um Motiv- und Mythenfor- schung. Aufgrund der schwierigen Quellenlage vor 1912 mußten etliche Faust- filme unberücksichtigt bleiben.

Einen kurzen Eindruck über die Fülle der Faustfilme und die große Streuung des Fauststoffs im Spielfilm vermitteln Alfred Hitchcocks Spielfilme, in denen fast nie ein moderner Prometheus oder ein faustischer Wissenschaftler auf- trat8, aber stets ein mephistophelischer Schurke sein Unwesen trieb. Die Teu-

6 Elsa Hennings-Hamburg, Unsterblicher Faust. Eine Genealogie von bis zum ‚Faust‘-Roman Thomas Manns, Hamburg 1953, S. 1 7 Erik Barnouw, The Magician and the Cinema, New York, Oxford 1981, S. 2 8 Sieht man einmal von der Gestalt des russischen Professors Gustav Lind (Ludwig Donath) in Torn Curtain (1966) ab.

Einführung III felsgestalten in Hitchcocks Filmen sind egoistische und brutale, destruktive Ungeheuer, die aus einer totalen Regression auf das absolut infantile Böse hervorgehen. Etwa in North By Northwest (1959) spielte James Mason den weltlichen Teufel Philipp Vandamm9, dessen Name allein schon an die ewige Verdammnis Satans erinnert. Wenn er zum ersten Mal ins Bild kommt, sitzt er in einem blutroten Thronsessel und gelegentlich hinkt er. Bisweilen spielen in Hitchcocks Filmen auch Zauberer mit. The Thirty-Nine Steps (1935) beginnt und endet mit der Vorstellung des Gedächtniskünstlers Mr. Memory (Wylie Watson), und in The Lady Vanishes (1938) verschwindet mit Hilfe des Magiers Signor Doppo (Philip Leaver) in Méliès‘scher Manier eine Frau in einem Zug. Der ganze Gepäckwagen ist mit den Utensilien des Zauberers überfüllt, der schließlich selbst in einer magischen Kiste verschwindet. Die Kunst der Ma- gie wird freilich in Hitchcocks Filmen nicht zum Thema erhoben, aber ihre Spu- ren verraten viel über die Magie, mit der das Medium geladen ist.

Die methodische Primärforderung der Untersuchung von Faustfilmen basierte auf der Aussage, daß der Faustfilm ein Leitthema des Phantastischen Films im 20. Jahrhundert ist und eine ideengeschichtliche und mythenträchtige Ver- ankerung für die Filmentwicklung zu erkennen gibt. Neben dem dramaturgisch- narrativen Code (Geschichte, Drehbuch) steht das Zeichensystem einer kom- plexen Tonwelt (verbaler, musikalischer und akustischer Code), welches den Faustfilm in besonderer Weise prägt, nicht zuletzt wegen des Donnerschlags, mit dem der Teufel auftritt. Die Ikonographie ist bestimmt durch Kameraper- spektive, Bildausschnitt und Bewegung der dargestellten Personen, Land- schaften und Gegenstände durch Kamerafahrt und Objektbewegung,10 so daß jeder Gegenstand zum Zeichen der Transformation vom natürlichen in den ki- nematographischen Raum wird. Der Raum im Film erweist sich freilich als doppelt ikonische Darstellung, der Wiedergabe der Wiedergabe. Die Montage schließlich stellt in ihrer Funktion als Aufhebung des Anschlußproblems die narrative Struktur eines konkreten Faustfilms heraus. Global läßt sich sagen, Faustfilme sind in erster Linie durch auffallende Einstellungswechsel, expres- sive Beleuchtung und neue special effects bestimmt.

Faustfilme sind eng mit christlichen Mythen verbunden, folglich treten Jen- seitsphilosophie und Unsterblichkeitsidee besonders hervor und verdoppeln filmische Intentionen. Neben religiösen und magischen Vorstellungen verweist der moderne Faustfilm auf gesellschaftliche und politische Ansichten, nicht zu- letzt, weil Naturwissenschaften im Gegensatz zum Glauben stehen.

Gliederung Im ersten Teil der Untersuchung war von dem Bilddiskurs auszugehen, der in der Historia von D. Johann Fausten zur Darstellung der Verschmelzung des frühneuzeitlichen Magier mit der mittelalterlichen Teufelsgestalt führte. Ferner mußte die Funktion des Bilddiskurses herausgestellt werden. Auf die Rolle des Teufelsbündlers hatte sich bislang literaturwissenschaftliche Forschung bezo- gen. Fragt man nach der Faustrezeption, so mußte der Medienwechsel vom Buch zum Film nachgezeichnet werden. Das erste Kapitel stellte sich die Auf- gabe, den Medienwechsel nachzuzeichnen und eine Verbindung zwischen technischer Entwicklung und Faustgeschichte zu verfolgen. Die Schilderung

9 Der Name Vandamm kann als Führer der Verdammten übersetzt werden. 10 Nach Metz besteht Film aus fünf Ausdrucksmaterien, der phonetische Laut, die schriftlichen Angaben, der musikalische Ton, die Geräusche, das fotografische, bewegte Bild; vgl. u.a. Christian Metz, Zur Soziologie des Films, München 1965

IV Einführung des Teufelsauftritts in den literarischen Bearbeitungen des Fauststoffs durch Lessing und Goethe verwiesen auf eine enge Verbindung von Teufelserschei- nung und Lichtbildmedien, verbunden mit der Vorstellung eines übernatürlichen Vorgangs, den beide Autoren freilich ironisierten. Dabei trat das Böse als Macht hervor, die überall da erscheint, wo sich Wissenschaftler grenzüber- schreitenden Fragen zuwenden. Die Entwicklung der lichtbilderzeugenden Ap- parate war von Anfang an mit der Darstellung des Teufels als Personifizierung des Bösen und mit der Darstellung einer übernatürlichen Geisterwelt verbun- den.

Faustfilme der Stummfilmzeit ließen sich zwei großen Gruppen zuordnen: Faustbilder, die der kurze Stummfilm zwischen 1896 und 1911 hervorbrachte, wurden allmählich durch Faustgeschichten verdrängt. Im ersten Fall war der Nachweis zu führen, daß die Faustbilder wohl noch in der Tradition der präki- nematorischen Lichtbildmaschinen standen, aber gleichsam das neue Medium als ein Prometheisches darstellten durch Schöpfung des bewegten Bildes, und damit riefen sie gleichsam die neue Teufelsmaschine hervor. Luzifer hieß ein Kinematograph. Der dämonische Allmachtsgedanke verknüpfte sich mit dem neuen Medium und zeigte sich in einem humanoiden Filmdiskurs und in frühen Operationsfilmen, in denen Menschen auseinandergeschnitten und wieder zu- sammengesetzt wurden.

Vor diesem Hintergrund beginnen die Filmuntersuchungen mit Friedrich Wil- helm Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage (1926). Dieser Faustfilm be- zog sich sowohl auf Marlowes als auch auf Goethes Faustbearbeitung sowie auf die Historia von D. Johann Fausten, und er stand am Ende der Stumm- filmzeit. Murnaus Faustfilm kann daher als Zusammenfassung von Faustre- zeption und Kinogeschichte gelten. Der Bedeutungswechsel der Faustge- schichte bei Murnau ließ sich als Weg erkennen, der den wißbegierigen For- scher und Teufelsbündler zur persönlichen Tragödie des Liebenden führte. Der Verwandlungsvorgang der Protagonisten, das Potential der Magie und des Bö- sen wurde dabei auf die Ebenen der Kamera und der special effects verscho- ben. Carl Hoffmanns Bilder bezeugten die Metamorphose des diabolischen Teufelsbündlers zum lichtbilderzeugenden Apparat. Dieser Befund läßt sich am Ende der Stummfilmzeit herausstellen: Mittels Filmtechniken ließ sich mit dem Fauststoff eine imaginäre Position zur Magie des Films beschreiben, oh- ne freilich bewußt zum Thema erhoben zu werden. Im ersten Teil der Arbeit war der Nachweis zu führen, daß der Faustfilm in Korrespondenz zur Entwick- lung der Filmtechnik stand und gleichzeitig einen Schöpfungsmythos, das prometheische Element, weitertrug. Das säkularisierte Böse war nicht mehr länger eine Nebelgestalt Robertsonscher Laterna magica Vorführungen, son- dern es verband sich elementar mit dem Schöpfermythos des neuen Medi- ums.

Der zweite Teil der Untersuchung stellt die Veränderung von Faust- und Teu- felsgestalt durch die Romantik zur Diskussion. Die paradigmatische Verände- rung des viehischen Untiers aus dem Mittelalter, die Personifizierung des Bö- sen zum Schwarzen Engel ereignete sich in der Romantik. Im einführenden Kapitel werden primäre Quellenaussagen zum romantischen Teufelsbild und zum Wissenschaftlerbild zusammengetragen. Dabei spielen die Rezeptionen der literarischen Werke von Mary Shelleys Frankenstein or, The Modern Pro- metheus (1818), Robert Louis Stevenson The Strange Case of Dr. Jekyll and Mister Hyde (1886) und Bram Stokers Dracula (1898) eine maßgebliche Rolle für die Entwicklung des Phantastischen Films. Von diesen Erzählungen aus- gehend ließen sich die Kriterien herausbilden, wonach sich die zunächst ver- wirrende Fülle von Filmbeispielen schließlich als Faustfilme ordnen ließ. Ro-

Einführung V mantische Bearbeitungen brachten neue Teufels- und Faustfiguren, die auch von Anfang an im Kino auftraten. Aber insbesondere der Tonfilm und die mo- derne Kinokultur brachten den romantischen Gestalten des Bösen einen gro- ßen Auftritt in eigenen Genres: Dracula, Frankenstein, Jekyll und Hyde wurden zu tragenden Säulen des modernen Horrorfilms.

In diesen Hauptabschnitten konnten ikonographisch-ikonologische Innovations- schritte des modernen Faustfilms herausgearbeitet werden. Ikonographisch wurde der Bedeutungswandel von Bildmerkmalen dargelegt und auf die Grün- de ihrer Veränderung hin untersucht. Typische ikonographische Elemente wurden bestimmt und Genres zugeordnet. Zum Beispiel zeigt der Horrorfilm Räume wie Schloß, Keller, Friedhof und so weiter. Die Protagonisten sind meist Wissenschaftler, Adelige, verwachsene Gestalten und schöne Frauen in barocken Kleidern. Eine übernatürliche Bedrohung bringt den Konflikt hervor und am Ende bleibt jedoch - trotz des momentanen Siegs über das Unheil - die Bedrohung bestehen.

Im letzten Kapitel wird gezeigt, daß der Fauststoff im Spielfilm als Gestal- tungsprinzip des Phantastischen Films im internationalen Raum aufgegriffen und vertieft wurde. Insbesondere in Science Fiction-Filmen und Horrorfilmen findet das Faustthema zur Zeit wieder eine ungewöhnliche Bearbeitung. Auf welche Weise und unter welchen literarischen sowie historischen Auspizien der Phantastische Film den Fauststoff verarbeitete, wurde an zahlreichen Bei- spielen im einzelnen dargelegt. In Deutschland erscheint der Fauststoff ver- stärkt im Phantastischen Stummfilm der Weimarer Republik. Während des Nationalsozialismus vollzog der Faustfilm einen Genrewechsel zum antisemi- tischen Film und zeigte sich zusätzlich in einer Reihe von Anti-Faustfilmen. In den fünfziger Jahren legitimierte der Fauststoff im Arthur Maria Rabenalts Al- raune (1952) nationalsozialistische Naturwissenschaftler. In Frankreich entlarv- te Jean Renoir in Le Testament Du Docteur Cordelier (1959) die schwarze Vergangenheit des faustischen Wissenschaftlers und knüpfte an die Mabuse- Filme Fritz Langs an. In den sechziger Jahren bezog sich auch Artur Brauner in der bundesrepublikanischen Filmproduktion auf Langs Mabuse-Filme und brachte den hinter der Maske Mabuses getarnten Nazi zum Vorschein.

Im Laufe des Jahrzehnts formiert sich die Figur des faustischen Wissen- schaftlers in internationalen Spielfilmproduktionen, insbesondere im amerikani- schen Agentenfilmen und Science Fiction-Filmen der fünfziger und sechziger Jahre, sowie in den sechziger und siebziger Jahren in englischen Horrorfilmen der Hammer Studios. Dabei ließ sich feststellen, daß jede technische Erneue- rung mit einer Welle von Faustfilmen einherging. So tauchten Grundzüge der Faustgeschichte verstärkt Anfang der dreißiger Jahre im Tonfilm in Hollywood auf.11 Dann belebte der Farbfilm das Bild des faustischen Wissenschaftlers neu und mit der rasanten Ausbreitung digitaler Kommunikationstechnologien ging eine neue Welle von Teufels- und Wissenschaftlerfilmen einher.

Forschungslage In filmwissenschaftlicher Literatur ließ sich keine Arbeit finden, die den Faust-

11 Der Ton sorgte für eine völlig neue Sphäre des Grusels und stellte insbesondere im Hor- rorfilm durch die Trennung von Bild- und Tonspur das schauerliche Geräusch neben das schreckliche Bild wie etwa in Rouben Mamoulians Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931), in dem Herzklopfen die Angst Jekylls hörbar macht. Mit dem Tonfilm vermehrten sich die Film- monster, deren Sprache aber eher retardierte. Die Auftritte der Monster wurden mit er- staunlichen Geräuschen verbunden. (Am Ende erweisen sich die Monster fast immer als Teufelsfigur, die ein faustischer Wissenschaftler hervorgerufen hatte.)

VI Einführung stoff in Verbindung zur Filmentwicklung setzte. Auch waren strukturelle Funkti- onen des Faustmythos kein Forschungsgegenstand von Filmtheorie. Die neu- ere Medientheorie, vertreten durch Vilém Flusser12 und andere13, bediente sich des Prometheusmythos zur Darstellung moderner Kommunikationsmedien, wobei ein humanoider Schöpferdiskurs auffiel, der bereits um 1920 auf Film angewandt wurde. In ihrer Arbeit über Thea von Harbou setzte sich Karin Bruns mit den Kinomythen zwischen 1920 und 1945 auseinander.14 Die Be- schreibungen der phantastischen Stummfilme nach den Drehbüchern Thea von Harbous lassen jedoch eine kritische Bildanalyse vermissen, die sich frei- macht von einem universellen medientheoretischen Ansatz. Das einzelne Filmbeispiel wurde zum Informanten einer medientheoretischen Idee und der eigenständige Ansatz nicht ernst genommen.

Auch vorliegende literaturwissenschaftliche Untersuchungen des Faustfilms nahmen einen anderen Weg, wie etwa Arbeiten, die Verbindungen von Film und Literatur herausstellten, dabei auch den Faustfilm und die Häufigkeit der frühen Verfilmung des Fauststoffes erwähnten. Ab 1960 setzten sich literatur- wissenschaftliche Ansätze mit Literaturverfilmungen auseinander.15 Dabei fiel auf, daß „Faust und Satan multimedial“ auftraten.16 Weder Jürgen Paech17 noch Alfred Estermann18 oder Ernest Prodolliet19 sah in den frühen Faustfilmen eine wirkliche Literaturverfilmung. (Der populären Seite der Faustfigur im Film wur- de nur wenig Interesse entgegen gebracht.) Sie gaben auch keine Thesen vor oder verwiesen auf eine Verbindungen von Faust, Magie und Filmtechnik. Peach20 unterstrich die Fiktionalisierung des Films, welche mit Literarisierung einhergeht. Die vorliegenden Faust-Filmografien verwiesen auf die Schwierigkeiten der Bestimmung von Faustfilmen.21 Vor dem Hintergrund einer schier endlosen Faustforschung überrascht es, daß die große Anzahl der Faustfilme, die seit Beginn der Filmgeschichte entstanden, zwar mehrfach aufgelistet, aber keiner eigenständigen Analyse unterzogen wurden. Das bemerkenswerte Zusam- mentreffen von ‘Faust und Film’ blieb im ganzen unbeachtet, obwohl bereits seit 1896 in verschiedenen Ländern erstaunliche Faustfilme produziert wurden.

Das Erzählen und Festhalten von Geschichten ist ein Phänomen, das von der Narratologie erforscht wird. Seit den sechziger Jahren folgte die Narratologie dem Phänomen des Erzählens. Zunächst standen schriftliche Erzählungen (Roman, Märchen, Novelle) im Mittelpunkt der Forschung. Seit den achtziger Jahren wurden auch die Erzählformen des Spielfilms als Grundlage einer in- termedialen Narratologie untersucht. Ihr terminus technicus, recit, bedeutet ei-

12 Vilém Flusser, Ins Universum der technischen Bilder, Göttingen 1985 13 Vgl. Friedrich Kittler, Grammophon, Film, Typewriter, Berlin 1986 sowie Norbert Bolz, Theo- rie der neuen Medien, München 1990 14 Karin Bruns, Kinomythen 1920-1945. Die Entwürfe der Thea von Harbou, , 1995 15 Vgl. u.a. George Bluestone, Novel and Film: The Metamorphosis of Fiction into Cinema, Baltimore 1957 16 Das Thema der Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik lautete Faust und Satan – multimedial. (H. 66, 1987) 17 Jürgen Peach, Film und Literatur, Stuttgart 1988 18 Alfred Estermann, Die Verfilmung literarischer Werke, Bonn 1965 19 Ernest Prodolliet, Faust im Film, Freiburg in der Schweiz 1978 20 Nach Peach war die „Fiktionalisierung des Films zunächst die Tatsache... ,daß sich das Verhältnis zwischen dokumentarischen... und fiktionalen Filmen drastisch veränderte und geradezu umkehrte.“ Joachim Peach, Literatur und Film, a.a.O., S. 25f 21 Vgl. Prodolliet, Faust im Film, a.a.O. und Hauke Lange-Fuchs, Faust im Film. Eine Doku- mentation, Bonn 1985

Einführung VII ne bestimmte Form des Diskurses in einem bestimmten Code. Der Diskurs erscheint als die Ebene des recit, die den erzählspezifischen Code betrifft, durch welchen sich die Signifikanten der histoire abbilden.22 Mit Verbreitung des Buchdrucks wurden die Mythen der Menschheitsgeschichte als Massenunter- haltung transportiert. Die Tradition des Erzählens und Aufzeichnens scheint heute der Spielfilm übernommen zu haben und das bedeutendste Erzählmedi- um zu sein, das dem epischen Prinzip folgt und durch Anpassung und Um- formung Erzählungen in zeitgenössische Geschichten umwandelt.

Für die Filmwissenschaft steht eine Untersuchung zum Thema Faust und Film bisher aus. Wohl betrachtete Rohmer23 Murnaus Faustfilm in eigenständi- ger Filmanalyse, aber er schloß einen Vergleich von Murnaus Faustfilm zu an- deren Faustfilmen aus. Auch wurde das filmgerechte Zauberstück nicht mit dem Medium in Zusammenhang gebracht. Indem Rohmer ins Bildinnere ein- drang, verlor er die charakteristischen Merkmale von Faustfilmen aus den Au- gen und verband die „kinematographische Transskription“ des Faust mit der Be- gegnung von Genies wie Goethe, Rembrandt und Murnau. Filmwissenschaft bezog sich immer wieder auf die Magie des Kinos und stellte sowohl das magische Reich des Films sowie dessen dämonische Gestalten heraus. Siegfried Kracauer teilte die Auffassung von Georg Lukács (1913), daß „der Film (..) etwas Märchenhaftes und dem Traum gleich (sei).“24 In From Caligari to Hit- ler (1947) spürte Kracauer den dunklen Teufelsgestalten nach, die im Kino der Weimarer Republik ihre Darstellung fanden. Lotte Eisner nannte ihr Buch über diese phantastischen Stummfilme Dämonische Leinwand.25 Und Erwin Pa- nofsky26 beschrieb das frühe Kino als „eine Welt von Möglichkeiten... von denen das Theater niemals träumen kann. Ganz abgesehen von photographischen Tricks wie den körperlosen Geistern... oder den viel wirkungsvolleren Wundern.“ Nach Rudolf Oertel27 (1959) war Film sogar ein Medium, das Macht und Magie miteinander verband. Oertel betrachtete Film als einen bedeutenden ‘Zauberer‘, der durch „Massen- suggestion“ fähig war, die Welt zu verändern. Edgar Morin28 (1956) sah im Film eine dem Menschen innewohnende magische Kraft dokumentiert. Danach be- gann die Geschichte der Lichtbildmedien in der paläontologischen Höhle mit Schattenspielen vor dem Feuer, wie sie Platon beschrieb. 29

Bewegte Silhouettenbilder waren in Platons Höhlengleichnis eine Vorstellung, die Morin mit der Wahrnehmung filmischer Vision in Zusammenhang brachte. Mo- rin betrachtete „die filmische Vision“ als „Körperlichkeit aus den Schatten, die sich auf dem Bildschirm bewegen.“ Und er hob hervor: „Die Fleischwerdung ist also unmittel- bar an die Dichte oder vielmehr an die Nicht-Dichte des Nichtseins, des großen leeren

22 Vgl. Babette Kaiserkern, Carlos Fuentes, Gabriel Garciá Márquez und der Film. Kritische Untersuchung zu Geschichte der Phänomenologie des Films in der Literatur, Frankfurt am Main 1995, S. 23f 23 Eric Rohmer, Murnaus Faustfilm. Analyse und szenisches Protokoll (1977), München, Wien 1980 24 Siegfried Kracauer, Von Caligari zu Hitler (1947), Frankfurt am Main 1979, S. 34 25 Lotte H. Eisner, Dämonische Leinwand. Die Blütezeit des deutschen Films, 1955 26 Erwin Panofsky, Stil und Medium im Film & Die ideologischen Vorläufer des Rolls-Royce Kühlers (1936), Frankfurt am Main 1999, S. 26 27 Rudolf Oertel, Macht und Magie des Films. Weltgeschichte einer Massensuggestion, Wien, Stuttgart, Zürich 1959 28 Edgar Morin, Le Cinéma ou L’homme imaginaire. Essai d’ anthropologie Sociologique, Paris 1956, (dt. Der Mensch und das Kino. Eine anthropologische Untersuchung, Stuttgart 1958) 29 Platon, Politcia, 514 c-e. Werke in acht Bänden, hrsg. v. G. Eigler, Bd. 8, Der Staat. Bearbei- tet von D. Kurz, Darmstadt 1990

VIII Einführung

Negativs aus Schatten, gebunden. Fügt man hinzu, daß die Voraussetzungen des dunklen Raumes nicht nur die Projektion an sich begünstigt, sondern zugleich auch ei- ne gewisse traumähnliche Erschlaffung, so muß man festhalten, daß der Film sehr viel entschiedener als die Fotografie durch die eigentümliche Wirkung des Schattens be- stimmt ist.“30 Die schwarzen Silhouetten, die an die Wand geworfen wurden, ließen im Widerschein des Feuers mehr erkennen als ein bloßes Abbild. Die Schattenbilder waren nach Platon mit den Grundfragen der Philosophie ver- bunden und das Abbild wahrer Ideen, die aber im Inneren des Menschen ver- borgen blieben. Nach Morin wurde dem Schatten eine Kraft zugesprochen, die ihn „bis zur Unsterblichsmagie emporzutragen“ schien.

Auch Christian Metz (1963) bezog sich auf ein magisches Fundament des Films, das durch psychoanalytische Filmkritik offenbar verdoppelt wurde. Fer- ner erklärte Jean-Louis Baudry31 das Kino zu einer magischen und immer schon gewünschten Regressionssituation, welche die gesamte Geschichte der Bild-erzeugenden-Apparate begleitet. Im Gegensatz dazu ließen sich film- theoretische Ansätze finden, die wie Richard Allan eine klare Grenze zwischen Fiction- und Non-Fiction-Filmen zogen. Nach Allan hatte der Film ebensowenig mit Magie wie mit Psychoanalyse zu tun.32 Psychoanalytische Filminterpretati- on schien gar von einer „epistemisch bösartigen Konzeption der Verleugnung“ getra- gen.33 Auch Lorenz Engell34 vertrat die Auffassung, der Film habe nichts Magi- sches. Über die zweifellos wichtigen Aspekte hinaus kamen jedoch eine Ver- bindung von Magie, Faustfilm und ideengeschichtlichen Implikationen sowie Prinzipien der Bilddarstellung nicht zur Sprache. Dagegen erscheint die Gren- ze zwischen Fiction und Non-Fiction jedoch fließend, nicht zuletzt weil äußere und innere Welt sich im Subjekt ständig mischen und entmischen sowie den Wahrnehmungsprozeß überdeterminieren. Das Begehren, welches das Kino erzeugt und transportiert, erscheint als Teil unbewußter Wunschstrukturen.

Publikationen über Horrorfilme35 stellten den Faustfilm nicht heraus, obwohl Bil- der des faustischen Wissenschaftlers und der animalischen Teufelsgestalt I- konen des Genres sind. Roy Kinnard36 zählte die frühen Faustfilme zum Hor- rorgenre. Faustfilme tauchten aber auch in der Enzyklopädie des Phantasti- schen Films37 und im Lexikon des Science Fiction-Films38 auf. Der Horrorfilm

30 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 44 31 Jean-Louis Baudry, Le despositif: approches métapsychologiques de l’impression de réalité, in: Communication, H. 23, 1975 32 Allan schrieb: „Die exemplarische Rolle der psychoanalytischen Theorie für die visuelle Repräsentation und fiktionale Konvention ist vorwiegend negativ.“ Richard Allan, Film, Fik- tion und psychoanalytische Theorie, in: Dtsch. Z.. Philos. (Berlin 1995) H. 3, S. 507-519, S. 519 33 Ebd. S. 518 34 Lorenz Engel, Sinn und Industrie. Einführung in die Filmgeschichte, Frankfurt am Main 1992 35 Publikationen über Horrorfilme sind eher an (Horror-)Filmfans gerichtet und enthalten reichlich Fotos der Horror-Ikonen. Eine erste empirische Untersuchung über den Horror- film legte Andrew Tudor (Monsters and Mad Scientists. A Cultural History of the Horror Movie, Cambridge, Massachusets 1984) vor. Hierin stellte er einen Zusammenhang zwi- schen periodisch auftretenden Horrorfilmen und gesellschaftlichen Ängsten vor aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen heraus. Seit Ende der achtziger Jahre wurden spezielle Fragen und kulturelle Traditionen des Horrorfilms bearbeitet. Vgl. u. a. Victor Sage, Horrorfilm in the Protestant Tradition, Basingstoke 1988. 1994 legte David J Skal eine Kul- turgeschichte des Horrorfilms vor. (The Monster Show. A Cultural History of Horror, London) 36 Roy Kinnard, Horror in Silent Films. A Filmography, 1896-1929, North Carolina, London 1993 37 Enzyklopädie des Phantastischen Films. Filmlexikon, Personenlexikon, Themen/Aspekte. Alles über Science Fiction-, Fantasy-, Horror- und Phantastikfilme, hrsg. v. Norbert Stresau und Heinrich Wimmer, Meitingen 1986-1999

Einführung IX und der Science Fiction-Film sowie der Märchenfilm werden im allgemeinen dem Phantastischen Film zugeordnet.39 Tzvetan Todorov40 setzte ins Zentrum des Phantastischen ein Geschehnis „das sich aus den Gesetzen dieser vertrauten Welt nicht erklären läßt.“ Danach war das Phantastische „die Unschlüssigkeit, die ein Mensch empfindet, der nur die natürlichen Gesetze kennt und sich einem Ereignis gegenüber sieht, das den Anschein des Übernatürlichen hat... Der Begriff des Phantas- tischen definiert sich also aus seinem Verhältnis zu den Begriffen des Realen und des Imaginären.“41 Damit war eine Definition des Faustfilms gefunden. Der Pakt des Wissenschaftlers mit dem Teufel wurde zum Pakt zwischen Faustfilm und Filmtechnik.

Filmgattungen zu bestimmen, richtete sich zunächst an den Erwartungen des Kinopublikums aus. Im Filmvertrieb von Lumière und Pathé wurden bereits ab 1900 zahlreiche Filmstreifen zur kurzen Verkaufsstandardisierung nach Hand- lungsmustern und Motiven geordnet sowie nach Genre kategorisiert. Moderne Genretheorie42 betrachtete im Gegensatz zur Autorentheorie43 die Bedingungen des Filmproduktionsprozesses, seiner Standardisierungen und Konventionen und stellten die narrativen, thematischen und ikonographischen Merkmale un- terschiedlicher Spielfilme heraus. Mitunter rückten Bildbeschreibungen als Auf- zählung von Bildelementen vor die narrative Komplexität eines Films. Allein aus der Beschreibung ikonographischer Grundzüge ließen sich aber nur wenig theoretische Bezugspunkte zur Erklärung des Faustfilms ableiten.

Der Faustfilm kann - wie es Jean-François Lyotard über die Phänomenologie44 im allgemeinen schrieb - als „Meditation über die Erkenntnis“ betrachtet werden.45 Da das a priori der Phänomenologie das Erlebte ist, verdoppelt sich durch Film die Folie des Erlebten.46 Die Erkenntnis, die Faust durch den Teufel erlangte, hob „das Prinzip des Widerspruchs als Kriterium für die Geltung einer These“ hervor.47 Denn „auf der Suche nach dem unmittelbar Gegebenen, das jeder wissenschaftlichen Thematisierung vorausgeht und sie rechtfertigt, enthüllt die Phänomenologie den grund- legenden Zug oder das Wesen des Bewußtseins von diesem Gegebenen: Die Intentio- nalität.“48 Nach Lambert Wiesing interessierten sich weder Husserl noch Satre für „Bilder als materielle Werke, sondern speziell für das durch die materiellen Werke ermöglichte Bewußtsein eines nicht anwesenden Gegenstandes. Beide Phänomenolo- gen unterscheiden strikt zwischen dem Gegenstand, auf den man sich bei der Betrach- tung eines Bildes in seiner Aufmerksamkeit richtet, und dem materiellen Bildträger.“49

38 Ronald M. Hahn und Volker Jansen, Lexikon der Science Fiction-Films, München 1992 39 Vgl. René Prédal, Le Cinéma Fantastique, Paris 1970. Prédal folgten die Analysen von Ge- org Seeßlen und Claudius Weil, Kino des Phantastischen. Mythologie und die Geschichte des Horror-Films, Reinbek bei Hamburg 1980 und Rolf Giesen, Der Phantastische Film. Zur Soziologie von Horror, Science Fiction und Fantasy im Kino, Schondorf am Ammersee 1980 40 Tzvetan Todorov, Einführung in die phantastische Literatur, München 1972, S. 25 41 Ebd. S. 26 42 Vgl. André Bazin, Was ist Kino? (Auswahl), (Qu’est-ce que le Cinèma? I-IV, Paris 1958 – 1962) Köln 1975 43 Vgl. Andrew Tudor, Film-Theorien (1973), Frankfurt am Main 1977 44 Vgl. Eduard Husserl (1859-1938), Gesammelte Werke, Husserliana, hrsg. v. Edmund- Husserl-Archiv in Löwen, Den Haag (1950) 45 Jean-François Lyotard, Die Phänomenologie (1954), Hamburg 1993, S. 8 46 Vgl. Rene Schérer, Husserl, Die Phänomenologie und ihre Erfahrungen, in: Geschichte der Philosophie, Bd. VI, hrsg. v. François Châtelet, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1975, S. 236-265, S. 243 47 Lyotard, Die Phänomenologie, a.a.O., S. 17 48 ebd. S. 11 49 Lambert Wiesing, Phänomenologie des Bildes nach Husserl und Sartre, in: Die Freiburger

X Einführung

Die Lichtbilder und des Teufels hervorgerufen durch prometheische Medien verweisen auf das genaue Gegenteil, auf die Dyade von Apparat und Bild - ein Verhältnis, das der Beziehung zwischen Faust und Teufel in der Historia von D. Johann Fausten entspricht.

Erzählen, Spielen und Malen sind ursprüngliche Ausdrucksformen des menschlichen Lebens. Phänomene des Seins, welche das emotionale Überle- ben sichern. Das Spiel ist wohl die geeignetste Form der Verarbeitung des Konflikts zwischen innerer und äußerer Welt sowie ihres innerpsychischen Zusammenpralls. Das Bild erscheint als die am meisten verdichtete Veräuße- rungsform und das Erzählen als die größtmögliche fiktionale Einflußnahme auf die Realität. Die Produktion von Filmbildern führt zu einer Mischung der kreati- ven Techniken und gleichzeitig zur technischen Verdoppelung des Lebens.

Phänomenologie, hrsg. v. Ernst Wolfgang Orth, Freiburg, München 1996, S. 255-281, S. 256

Inhaltsverzeichnis

TEIL I 15

I. DER BILDDISKURS 1

A. Faust - Magier des Teufels 1 1. Horrorbilder in Sequenzen 3 2. Familienroman und Subjekteffekt 8 3. Alchemisten und Magie 14

B. Bilder für Ikonoklasten 19 1. Bildhafte Ordnung 21 2. Leibhaftigkeit des Teufels 24 3. Faust Höllenzwang 32

C. Faust und Teufel auf der Bühne 38 1. Zauberformel statt Teufelsname 38 2. Teufel und Lustigmacher 40 3. Last minute rescue 48

II. PROMETHEISCHE MEDIEN 55

A. Illusion des Abbildes 58 1. Lichtbild der Camera obscura 58 2. Bildreise in barocke Räume 62 3. Trugbild der Laterna magica 64

B. Illusion der Bewegung 79 1. Verweilender Augenblick 84 2. Lebende Fotografien und humanoider Filmdiskurs 87 3. Faust und Teufel im Lebenden Bild 99

III. DOKTOR SATANSOHN 109

A. Faustbilder 110 1. Faust und Film 111 2. Zauberkünstler und Geisterphotograph 116 3. Lebend tönende Fotografie 129

B. Faustgeschichten 136 1. Lebenshauch des Stummfilms 139 2. Ars magna lucis et umbrae 142 3. The Magician 159

IV. PROMETHEUSMYTHOS UND FAUSTEFFEKT 162

Inhaltsverzeichnis

TEIL 2 169

I. MONTAGE DES BILDDISKURSES 171

A. Faustische Wissenschaftler und Schwarze Engel 172 1. Schauplatz des Grauens 183 2. Phantastik als Wahn 186

B. Bild des Schreckens 189 1. Spiegelbild und Rückenansicht 191 2. Romantische Totalität 198

II. NACHTSEITEN DES LEBENS 201

A. Wave of Spooks 203 1. Schatten 210 2. Verdopplung 214 3. Spaltung 229

B. Künstliche Geschöpfe 242 1. Gebärmaschinen 242 2. De art cabbalistica 268 3. Wurzelstock und Maschinenfrau 279

C. Herr der Untoten 301 1. Töchter der Finsternis 328 2. Der Widersacher 346 3. Fledermäuse, Fliegen und Motten 357 4. Phantastische und autentische bad angelsl 370

III. HERR DER WELT 377

A. Unsichtbare Kraftlinien 377 1. Lichtstrahlen und Radiowellen 378 2. Magische Blicke 393

B. Prometheisches Reich 422 1. Teufel und Technik 429 2. Goebbels und Hitler 445 3. La Beauté du Diable 456

IV. ENDE 477

Inhaltsverzeichnis

ANHANG 483

V. ABBILDUNGSVERZEICHNIS 485

VI. PERSONENREGISTER 493

VII. FILMTITELREGISTER 501

VIII. LITERATURVERZEICHNIS 505

IX. FILMOGRAPHIE 517

Inhaltsverzeichnis

FILMANALYSEN Kenneth Branagh Mary Shelleys Frankenstein, 1994 252 Tod Browning Dracula, 1931 329 Rene Clair Paris Qui Dort ,1923 387 Rene Clair La beauté du Diable, 1949 465 Francis Ford Coppola Bram Stoker‘s Dracula, 1992 357 Roger Corman The Man with the X-Ray Eyes, 1963 397 Jonathan Demme Silence of the Lambs, 1990 377 Searl Dawley Frankenstein, 1910 250 Carl Theodor Dreyer Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1931 337 Georges Franju Les Yeux Sans Visagen, 1959 466 Henrik Galeen Der Student von Prag, 1926 220 Henrik Galeen Alraune, 1928 286 Veit Harlan Jud Süß, 1940 449 Lambert Hillyer The Invisible Ray, 1936 390 Rex Ingram The Magician, 1926 165 Fritz Lang Doktor Mabuse der Spieler,1922 122 Fritz Lang Metropolis – Das Schicksal einer Men- 293 scheit im Jahre 2000, 1926 Fritz Lang Die tausend Augen des Dr. Mabuse, 1960 469 Rouben Mamoulian Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1931 239 Georges Méliès Escamontage d’une Dame Chez Robert- 122 Houdin, 1896 Georges Méliès Le portrait mystérieux, 1899 213 Friedrich Wilhelm Murnau Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926 148 Friedrich Wilhelm Murnau Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens, 313 1921 Kurt Neumann The Fly, 1958 370 Harry Piel Der Herr der Welt, 1934 441 Jean Renoir Le Testament Du Docteur Cordelier, 1959 246 Stellan Rye Der Student von Prag, 1913 286 Otto Rippert Die Rache des Homunculus, 1916 281 Paul Wegener Der Golem, wie er in die Welt kam, 1920 278 Robert Wiene Das Cabinet des Dr. Caligari, 1919 404

ZUSAMMENFASSUNGEN Der Bilddiskurs 31, 50 Prometheische Medien 106 Doktor Satansohn 133 Nachtseiten des Lebens 371 Herr der Welt 472

TEIL I

Der Bilddiskurs 1

„Ich bin ein Teil, der anfangs war, Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar.“50

I. Der Bilddiskurs

A. Faust - Magier des Teufels Die phantastischen Geschichten über einen Magier51 Faust, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts erzählt wurden oder als Handschriften kursierten, erschienen 1587 zum ersten Mal gedruckt in der Historia von D. Johann Fausten, dem weyt- beschreyten Zauberer und Schwarzkünstler.52 Wahrscheinlich stellte der Heraus- geber, der Frankfurter Buchhändler Johann Spieß53, das Buch zusammen und schrieb die ein- und ausleitenden Texte.54 Als Quelle diente auch die Wolfen- büttler Handschrift Historia und Geschichte Doctor Johannis Faustj des Zauberers von 1580, die wiederum aus mehreren Vorlagen entstanden war, so aus dem um 1530 in Metz handgeschrieben Buch De Maistre Faust.55 Die Historia war leichte Lektüre und schnell ein enorm erfolgreiches Unterhaltungsbuch, das den Faust-Stoff in kürzester Zeit europaweit populär machte. Bis 1600 wurde es etwa zweiundzwanzigmal neu aufgelegt, dabei um viele abenteuerliche Ge- schichten56 erweitert und in fünf Sprachen übersetzt. 1588 ins Niederdeutsche und ins Dänische, wohl auch ins Englische, 1592 kam eine holländische und 1598 eine französische Ausgabe auf den Markt.57 Der Frage, warum das Buch so beliebt wurde, soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Überraschend aus der heutigen Lektüre heraus ist die Bildhaftigkeit des Textes. Er entwirft li- terarische Bildmanifestationen des Schreckens und des Übernatürlichen, die sich bis heute noch im kleinsten Detail transmedial in jedweder Form von The- ater und Film, einschließlich seiner verschiedenen Vorläuferformen optischer, lichtgestützter Unterhaltungsmedien (wie etwa Laterna magica und Zauber- bühne) wiederfinden lassen und ohne Ende reproduziert werden.

Die Historia von D. Johann Fausten verbreitete den Mythos Faust und schrieb zugleich die Ur-Bilder des Phantastischen fest, die aus dem zentralen Ge- schehnis des Buches hervorgingen. Dies war der Pakt des Magiers mit dem Teufel wie es schon der Titel antizipierte: „Historia von D. Johann Fausten / dem weitbeschreyten Zauberer und Schwartzkünstler / wie er sich gegen den Teuffel auf eine benandte Zeit verschrieben / Was er hierzwischen für seltsame Abentheuer gese- hen / selbs angerichtet und getrieben / biß er endtlich seinen wol verdienten Lohn emp-

50 Goethe, Faust I, V 1349-1350 51Das Wort Magier „geht auf die Mager im Westiran zurück. Aus dem Stammesnamen wurde die Bezeichnung einer Kaste“. Stichwort: Zauberei, Zauberer, in: Der kleine Pauly, a.a.O., Sp. 1460. Pico della Mirandola (1463 bis 1494) leitete den Begriff aus dem Persischen ab, wo er identisch war „mit der griechischen Bezeichnung ‘Philosoph‘“.Alexander Roob, Das Hermetische Museum. Alchemie und Mystik, Köln 1996, S. 14 52 Historia von D. Johann Fausten. Text des Druckes von 1587. Kritische Ausgabe, hrsg. v. Stefan Füssel und Hans Joachim Kreutzer, Stuttgart 1988 53 „Der streng lutherische Buchdrucker Spieß aus Frankfurt (teilt) in seiner Vorrede... mit, daß er die Historia ‘durch einen guten Freund aus Speyer‘ erhalten habe.“ Katalog der Ausstel- lungen Faust auf der Bühne, Faust in der Bildenden Kunst, hrsg. vom Rate der Stadt, be- arbeitet von Carl Niessen, Braunschweig 1929, S. 19 54 Über den Verfasser gibt es verschiedene Auffassungen, vgl. hierzu u.a. Hans Mayer, und Don Juan, Frankfurt am Main 1979, S. 23 55 Vgl. Hans Joachim Kreutzer, Nachwort, in: Historia, a.a.O., S. 323-335, S. 323 56 Vgl. Historia von D. Johann Fausten, hrsg. v. Richard Benz, Jena 1911. Das Buch enthält siebenundzwanzig neue Abenteuer. 57 Vgl. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 20-24

2 Der Bilddiskurs fangen. Mehrertheils auß seinen eygenen hinder lassen Schrifften / allen hochtra- genden fürwitzigen und Gottlosen Menschen zum Exempel / und treuwhertziger War- nung zusammen gezogen / und in Druck verfertigt.“58

Abb. 1: Titelblatt der Historia von D. Johann Fausten / dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler..., Gedruckt zu Frankfurt am Mayn durch Jo- hann Spieß. M. D. LXXXVII (1587)

In der „Vorred an den chrstlichen Leser“ wurde der Teufelspakt überdies als ein klassischer Magierkonflikt hervorgehoben, dem auch schon Zoroastres und Pi- cus zum Opfer gefallen waren.59 Die Geschichte beginnt mit einem kurzen bio- graphischen Abriß, der die ärmliche Geburt und die elternlose Kindheit Fausts sowie dessen Begabung für Mathematik betont. Er wurde Doktor der Theologie und der Medizin. Bei seinen naturwissenschaftlichen Forschungen stieß er auf den „fürnamen“ des Teufels und rief Mephistopheles60 herbei. Dieser zeigte ihm die „Höll und ihre Spelunke“, „der Teufel Regiment“ und die „Gewalt des Prinzipals“. Aber in erster Linie feilschten sie über Preis des Paktes. Schließlich sah die „Dienstbarkeit des Geistes gegen Faust“61 vor, daß ihm vierundzwanzig Jahre lang dienen, und Faust dann zur Hölle fahren mußte. Der Vertrag62 wurde aufgesetzt und Faust unterzeichnete mit seinem Blut. Hier endet der erste Teil der Darstellung.

Der Mittelteil besteht aus rund fünfzig phantastischen Geschichten, die auf Me- phistos Dienstbarkeit gegenüber Faust basierten. Es sind Schilderungen, die mit legendenhaften Stoffen, christlichen Vorstellungen und von Aberglauben durchsetzt sind. Einzelne Episoden umfassen kaum mehr als zwei Seiten und sind älteren Reisebeschreibungen entnommen, stützen sich auf Chroniken

58 Titelblatt der Historia, a.a.O. 59 „Zoroastres / des man für Misraim / deß Chams Sohn / hielt / ist vom Teufel selbst verbren- net worden. Einen anderen Zauberer/ der sich vermessen... hat der Teuffel lebendig hin- weg in die Luft geführet / Johannes Franciscus Picus“, Historia, a.a.O., S. 13 60 Die Herleitung des Namens ist uneindeutig. Vgl. Stichwort: Mephistopheles, in: HDA, Bd. V, a.a.O., Sp.174-178 61 Kapitelüberschriften der Historia 62 Der Pakt war den damaligen magischen und kabbalistischen Lehrbüchern nachgebildet worden. Brittnacher sah das Vorbild des Teufelspaktes im Ablaßhandel, vgl. Hans-Richard Brittnacher, Der Leibhaftige. Motive und Bilder des Satanismus, in: Die andere Kraft. Zur Renaissance des Bösen, hrsg. v. Alexander Schuller und Wolfert von Rahden, Berlin 1993, S. 167-192, S. 185

Der Bilddiskurs 3 festlicher Ereignisse oder basieren auf ungewöhnlichen Begebenheiten. Jen- seits moralischer Entrüstung über das gute Leben der Paktierer, weckten die kleinen Geschichten Sensationslust und Fernweh.63 Das Buch endet schließ- lich mit Fausts Wehklagen, daß „er noch in gutem Leben und jungen Tagen sterben müsse“. Am Schluß wurde er - so Hans Mayer - als ein „kläglicher Bittsteller... ge- zeigt“. Die Reue kam jedoch zu spät, denn „protestantische Orthodoxie schien nicht bereit, der göttlichen Gnade eine Chance zu geben bei einem Mann, der mit seinem Blut die teuflische Verschreibung unterzeichnet hatte.“64 Gleichzeitig mit seinen Kla- gen teilte Faust den Lesern mit: „Was aber die Abentheuwer belanget / so ich in solchen 24 Jahren getrieben habe / das werdt jhr alles nach mir aufgeschrieben fin- den.“65

Der Teufel holte Faust noch in der selben Nacht. Helena (die ihm Mephisto ge- zaubert hatte) und beider Sohn verschwanden ebenso plötzlich, wie sie ge- kommen waren. Fausts Studenten begruben die Reste des zerfetzten Körpers und sein Famulus Christoff Wagner blieb mit einem Affen66 in Fausts Haus zu- rück. Im Nachlaß fand Wagner jede Menge Bücher über Magie, die er sofort zu studieren begann, so daß „was sein Famulus aufgezeichnet/ da auch ein neuw Buch von jhme außgehet.“67 Ein publizistischer Erfolg erwartet seine Fortsetzung und es gab genügend Anknüpfungspunkte, um bereits 1593 einen zweiten Teil der Historia, das Wagner-Buch, auf den Markt zu bringen.68 Aber nicht nur die so- genannten Volksbücher vom Faust machten ihn im übertragenen Sinn unsterb- lich, sondern am Ende der Historia kehrte Fausts Geist in sein Haus zurück.

1. Horrorbilder in Sequenzen Mit Teufelsauftritt, Blutspakt, Höllenfahrt und Geistererscheinung entwarf die Historia Bilder des Grauens, die bis heute zum grundlegenden Repertoire un- zähliger Horrorfilme gehören. Die Schilderung des Teufelsauftritts ist der erste dramatische Höhepunkt der Erzählung und erinnert an eine Laterna magica Vorführung, da der Leser „Augen machte“, weil der Teufel „sich sehen ließ.“ Weiter hieß es: „Drauff der Teufel jhm ein solch Geplerr vor die Augen machte / wie folget: Es ließ sich sehen/als wann ob dem Cickel ein Greif oder Drache schwebet /.../ bald da- rauff fiel drey oder vier klaffter hoch ein feuwriger Stern herab / verwandelte sich zu einer feurigen Kugel /.../ darauff gieng ein Fewerstrom eines Manns hoch auff / ließ sich wie- der herunter / vnd wurden sechs Liechtlein darauff gesehen / Einmal sprang ein Liecht- lein in die Höhe/denn das ander hernieder / biß sich enderte vnd formierte ein Gestalt

63 Faust reiste u.a. nach Straßburg, Basel und Italien, vgl. Historia, a.a.O., S. 46f und S. 63f (Reisebilder bestimmten auch einen großen Teil des Repertoires von Guckkasten und La- terna magica.) 64 Mayer, Doktor Faust und Don Juan, a.a.O., S. 21 65 Historia, a.a.O., S. 122 66 Noch zu Lebzeiten hatte Faust Wagner einen teuflischen Diener gezaubert, der „auf Wag- ners besonderen Wunsch die Gestalt eines Affen“ hatte. (Vgl. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 26) Tertullian nannte den Teufel „Simia Dei“, den Affen Gottes, weil „er aus sich nichts schaffen, sondern nur nachäffen kann, mit seinem Anspruch, es dem Schöpfer gleichzu- tun.“ Gott kann deshalb über ihn lachen, aber für den Menschen ist er gefährlich. (Vgl. Anke Wiegand, Die Schönheit und das Böse, München und Salzburg, 1967, S. 33.) Der Affe als Sinnbild dämonischer und animalischer Kräfte tauchte schon früh im Phantastischen Film auf. (Vgl. Ernest B. Schoedsacks Filmklassiker King Kong, 1933). 67 Historia, a.a.O., S. 123 68 Ander Teil D. Johann Fausti Historien, von seinem Famulo Wagner. Das Buch hatte noch reichlich Erfolg, wenn es auch nicht mehr die hohe Auflage der Historia erzielte. In neu ausgedachten Zauberschwänken und Anekdoten schloß auch Wagner durch seinen Die- ner Auerhahn einen Pakt mit dem Teufel und machte weite Reisen. Eine Reise führte ihn sogar nach Amerika. In dieser Episode wurden „die Mißhandlungen der Indianer durch die spanischen Eroberer in derber Holzschnittmanier geschildert“. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 26. Auch Wagner mußte am Ende mit dem Teufel zur Hölle fahren.

4 Der Bilddiskurs eines fewrigen Manns /.../Bald darauff endert sich der Teufel vnd Geist in Gestalt eines grawn Münchs / kam mit Faust zusprach / fragte / was er begerte.“69

Diese Darstellung des Teufelsauftritts scheint bereits die gesamte Vielfalt der Teufelsdarstellungen vom Untier bis zum Mönch zu umfassen und den Weg vorzuzeichnen, den die (säkularisierte) Teufelsgestalt nahm. Greif und Drache, die sich hier sehen ließen, „als wenn ob“, lösten sich in einen feurigen Stern auf, der herunterfiel und „zu einer feurigen Kugel“ wurde. Dann tanzte auf einem „Fewerstrom“ ein Mann „hoch auff“ und „wieder herunter.“ Schließlich sprangen sechs Lichter in die Höhe und bildeten die „Gestalt eines fewrigen Manns.“ Der Böse erschien im gleißenden Feuerstrom, dem Element des Prometheus, und bestand aus hellen Lichtpunkten. Lichtbilder des Teufels waren ja bereits seit Anfang des 15. Jahrhunderts bekannt, lange bevor Athanasius Kircher in Ars magna lucis et umbrae (1646) ihre Funktionsweise beschrieb.70

Die Licht- und Feuergestalt, die hier in einem Spektakel aus Licht und Feuer, Blitz und Donner auftauchte, ruft Luzifer, das ‘Lichtgeschöpf‘, ins Gedächtnis. Nach Art aller Engel war auch Luzifer, der Rebell unter ihnen, eine Lichtgestalt. Rosenberg beschrieb Engel als „nicht nur aus dem Licht geboren, sondern (sie) werden auch unaufhörlich aus der Lichtherrlichkeit Gottes gespeist und von ihm durch- strahlt. Ihre eigne Leiblichkeit ist und bleibt darum ätherischer Lichtglanz.“71 Der Name des griechischen Morgensterns Lucifer wurde auf den christlichen Teufel über- tragen, der gleich einem Kometen als Blitz vom Himmel fiel. Gott hatte den Erzengel Michael befohlen, den aufrührerischen Satan „mit seinem Zepter zu schlagen, ihn mit der Kraft des Gottesfeuers zu blenden und ihn samt seinen aufrühre- rischen Engeln aus dem Himmel zu stürzen. Da fiel Satan mit den Seinen kopfüber, in der Haltung der Verkehrung, aus dem Himmel. ‘Wie ein Feuerblitz fiel der Satan vom Himmel und verbrannte’.“72 Lucifer, der Lichtbringer, wurde zu Lucifugs, der Licht- scheue.

Schließlich trat aus dem Licht - wie Feuer Asche hinterläßt - ein grauer Mönch hervor. - Schon hatte dem Antichristen unterstellt, er verberge sich häufig hinter einer christlichen Fassade und verführe am liebsten die Frömmsten und die Mönche.73 - Erst nachdem der graue Mönch verschwun- den war, erschien Mephisto, dessen Gestalt zwar nicht näher beschrieben, aber dessen Position deutlich hervorgehoben wurde. Danach war er nicht etwa Herr der Hölle, sondern entsprechend weltlicher Ordnung ein Großfürst sowie ein gelehrter, erfahrener Geist, ein „Spiritus familaris, der gerne bey den Menschen wohnt.“74 Er war „fleissig / vnd treulich.“75 In fast allen späteren Faustbearbeitungen spielte Mephisto diese Rolle als Abgesandter Luzifers. Albert Fuchs schrieb über den Auftritt Mephistos in Goethes Faust I: „Gleich bei seiner ersten Begegnung mit Faust... (legt Mephisto)... Wert darauf..., mit außerordentlichem Selbstbewußtsein und außergewöhnlicher Stärke seine Eigenschaft als Vertreter einer metaphysischen Großmacht... hervorzuheben.“76 Eine Charakterisierung, die schon auf Mephisto in

69 Historia, a.a.O., S. 16 (Hervorhebungen D.M.) 70 Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Rom 1646. Vgl. das Kapitel Illusion des Abbildes 71 Alfons Rosenberg, Engel und Dämonen. Gestaltwandel eines Urbildes, München 1968, S. 153 72 Ebd. S. 149 73 Vgl. Kurt Victor Selge, Luther und die Macht des Bösen, in: Carsten Colpe und Wilhelm Schmidt-Biggemann (Hrsg.), Das Böse. Eine historische Phänomenologie des Unerklärli- chen, Frankfurt am Main 1993, S. 165-186, S. 168 74 Vgl. ebd. Sp. 175 75 Historia, a.a.O., S. 79 76 Albert Fuchs, Mephistopheles. Wesen, Charakterzüge, Intelligenz. Das Problem seiner Ret-

Der Bilddiskurs 5 der Historia zutrifft.

Mephisto klärte Faust gleich bei ihrer ersten Begegnung über das mächtige Reich der Hölle auf. Sie besuchten sogar den Ort der Verdammnis, der von „Schlangen... unsäglich groß“77 bewohnt wurde.78 selbst brachte Faust auf einem Sessel aus Skelettknochen, welchen er auf dem Rücken trug, dort- hin. Durch eine dunkle Schlucht, aus der stinkende Schwefelschwaden auf- stiegen und in der große Hitze herrschte, gelangen sie zu einer widerlichen Schlangengrube. Dort warf der Teufel Faust vom Knochenstuhl ab, so daß „D. Faust fiel... in die Klufft jmmer je tiefer hinunter“79, bis er plötzlich auf einem Wagen saß, der von zwei Drachen gezogen wurde.80 Die Reise ging aber „immer tieffer vnd tieffer“. Es wurde ein unendlicher Absturz beschrieben, der, vermittelt durch Körpererfahrung und Traumeindruck, klaustrophobische und agoraphobische Raumempfindungen hervorzurufen vermochte. Das Bild der Hölle, beschrie- ben als ‘Totale‘, verbindet sich mit der Vorstellung der Unendlichkeit des Rau- mes und einer ‘Verlorenheit‘ im Raum. Eine Darstellung, die im Bild des gren- zenlosen Universums im Science Fiction-Film ihre Perfektion fand.

Nach Art des Teufelsauftritts und der Höllenreise wurde auch der Pak- tabschluß als eine dramatische Bildfolge von Grausamkeiten geschildert, die nun allerdings an Großaufnahmen erinnern: „Name D. Faustus eun spitzes Messer / sticht jhme ein Ader in der linken Hand auff... D. Faustus läst jhm Blut heraus in ei- nen Tiegel / setzt es auf warme Kohlen / vnd schreibt“.81 Faust hielt das Blut über ei- ner Kohlenpfanne warm, damit es nicht gerinnen konnte. Er schrieb also nicht etwa hitzköpfig, sondern gegen die Konsistenz des erkaltenden, roten Safts die Buchstaben seines Namens unter den Pakt und damit eine Verbindung in alle Ewigkeit fest.

Der Höhepunkt des bildhaften Horrors läßt sich indes am Schluß des Buches finden. Es ist die Höllenfahrt, die um Mitternacht begann, der Stunde, die bis heute dem Unheimlichen und dem Grusel vorbehalten ist. „Es geschahe aber zwischen zwölff vnd ein Vhr in der Nacht / daß gegen dem Hauß her ein grosser vngestürmer Wind gienge, so das Hauß an allen orte vmbgabe / als ob es alles zu grunde gehen / vnd das Hauß zu Boden reissen wollte / darob die Studenten vermeynten zuverzagen / sprangen auß dem Bett/ vnd huben ab einander zu trösten / wolten auß der Kammer nicht / Der Wiert lieff auß seinem in ein ander Hauß. Die Studenten lagen nahendt bey der Stuben / da D. Faustus jnnen war / sie hörten ein greuwliches Pfeiffen vnd Zischen / als ob das Hauß voller Schlangen / Natern vnd anderer schädlicher Wür- me were / in dem gehet D. Fausti thür vff in der Stuben / der hub an vmb Hülff vnd Mor- dio zu schreyen / aber kaum mit halber Stimm / bald hernach hört man jn nicht mehr. Als es nun Tag ward / vnd die Studenten die gantze Nacht nicht geschlaffen hatten / sind sie in die Stuben gegangen / darinnen D. Faustus gewesen war / sie sahen aber keinen Faustum mehr / vnd nichts / dann die Stuben voller Blut gesprützet / Das Hirn klebte an der Wandt / weil jn der Teuffel von einer Wandt zur anderen geschlagen hatte.

tung, Berlin 1968 77 Historia, a.a.O., S. 53 78 Die Schlange galt von altersher als magische Kreatur. Ihr Gift und ihre amphibische Le- bensweise regten zur Mythenbildung an. In Ägypten war „Aspis“ ein göttliches Symbol. Tei- le der Schlange waren wichtige Heilmittel wie es bis heute der Äskulapstab veranschau- licht. Im Mittelalter galt sie noch als weiser Ratgeber und hatte die Funktion eines häusli- chen Schutzgeistes. Man glaubte, die Schlange kenne die Zukunft und ihr Blick habe magische Kraft. Erst christliche Mythologie erklärte die Schlange zum Teufelswesen. Vgl. u.a. Helmut Hiller, Lexikon des Aberglaubens, München 1986, S. 193f 79 Historia, a.a.O., S. 53. 80 In Georges Méliès‘ Les Quatre Cents Farces du Diable (1906) zieht ein Skelettpferd eine Kutsche durchs Universum. 81 Historia, a.a.O., S. 22 (Hervorhebung D.M.)

6 Der Bilddiskurs

Es lagen auch seine Augen vnd etliche Zäen allda / ein greulich vnd erschrecklich Spectackel. Da huben die Studenten an in zubeklagen vnd zubeweynen / vnd suchten jn allenthalben / Letzlich aber funden sie seinen Leib heraussen bey dem Mist ligen / welcher greuwlich anzusehen war / dann jhme der Kopff vnd alle Glieder schlotterten."82

Ein aufkommender Wind kündigte den Studenten den Teufel an. Dann hörten sie in der totalen Dunkelheit das beängstigende Pfeifen und Zischen von Nat- tern und anderem kriechenden Getier. (Faust hatte auf die Töne der alten Ver- führerin gehört, welche Wißbegierde und Erkenntnislust geschürt hatte. ) Am Ende erklang ein lauter, angstbesessener, allmählich abklingender, schließlich nur noch kaum hörbarer verstummender Schrei...

Abb. 2: Fausts zerstückelter Körper liegt auf dem Misthaufen, Illustration der holländischen Faustausgabe von 1685

Mit allen Sinnen konnte der Höhepunkt der unbarmherzigen Höllenfahrt ‘erlebt‘ werden. Sie ging mit der totalen Zerstörung des Körpers des Magiers einher, sein Schädel platzte auf, Gehirn, Augen und Zähne flogen heraus, Blut schoß aus Wunden und Körperöffnungen, Knochen zerbrachen, der Kopf wurde vom Körper abgetrennt, Gliedmaßen zerschlagen und der geschundene Körper in den Dreck geworfen. Zurückblieb ein Zimmer mit blutigen Spuren. Dies war die Grundlegung einer ganz und gar modernen Dramaturgie der Angsterzeugung durch Horror und Splatter. 83

Das Zimmer, in dem der Teufel erschien war, prägte das ganze Haus als un- heimlich und schaurig. „Es wardt auch forthin in seinem Hauß so Vnheimlich / daß

82 Historia, a.a.O., S. 122f 83 Die Horror- und Gewaltszenen fanden in der alltäglichen Gewalt der beginnenden Neuzeit ihre Entsprechung. Nach Baumann haben „die Schrecken der christlichen Inquisition, ihre Verfolgung von Ketzern und insbesondere Hexen, (..) die Autoren des Phantastischen im- mer wieder angeregt“. Hans Baumann, Die Lust am Grauen, München 1989, S. 44

Der Bilddiskurs 7 niemandt darinnen wohnen kondte. D. Faustus erschiene auch seinem Famula leibhaff- tig bey Nacht / vnd offenbarte jhm viel heimlicher ding. So hat man jn auch bey der Nacht zum Fenster hinauß sehengucken / wer fürüber gangen ist.“84 Das Motiv des schauerlichen Hauses blieb so lange unvollständig, bis endlich ein Geist auf- tauchte. Eines nachts stand Fausts Geist am Fenster und diejenigen, die am Haus vorbeigingen, konnten ihn sehen. Ein heimlicher Blick erzeugte Erregung und Grusel. Die Vorstellung, daß Tote wiederkehren, verband sich mit dem Gedanken, daß sie, um sich zu ernähren, den Lebenden das Blut aussaugen. Die Figur des Vampirs85 entstand in Europa ähnlich dem Faustmythos „im Ü- bergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Wie beim Hexenwahn handelte es sich um einen Volksglauben, der von der Kirche dieser Zeit getragen wurde.“86 Der Vampir war wie Faust ein Verdammter, ein Exkommunizierter, ein auferstandener Widersa- cher Gottes, der die Regeln des Allmächtigen gebrochen hatte.87 Faust war von den Toten auferstanden und offenbarte Wagner die Geheimnisse der Magie.

Auch die kurzen Abenteuergeschichten im Mittelteil des Buches basieren auf Magie. In einer Geschichte zauberte Mephisto einem Pferd Flügel an „vnd fuhr also / wohin jn D. Faustus hin ländete.“88 Die Vorstellung vom geflügelten Pferd enthält freilich Anklänge an Pegasus und wandelte sich - verknüpft mit der Idee vom fliegenden Teppich – später zum fliegenden Zauberermantel. Ein anderes Mal hexte Faust einem Ritter ein Geweih an den Kopf. Dann wieder hinterließ er seinen Fuß als Pfand oder hexte den Kopf vom Körper ab.89 Schließlich zauberte Faust sogar ein Schloß auf einen Berg.90 Ein ‘Luftschloß‘ ist freilich Domäne aller Phantasterei.

Der Geschichte Fausts lag die Visualität alter Erzählungen zugrunde, die sich in der Historia mit reformatorischen Beschreibungen des Teufels und der Hölle verbanden. Aber es war offenbar weniger der theologische Diskurs, der die Historia so schnell ein großes Publikum erobern ließ, sondern das Buch war ein gedruckter ‘Schocker‘. Mit Blutspakt, Teufelsauftritt und Höllenfahrt und ande- ren magischen Geschichten war es wahrscheinlich das erste Grusel- und Hor- rorbuch, das zur Unterhaltung diente. In komprimierten Episoden angelegt, ver- mischte es in geschickter Weise die Interessen des Herausgebers mit Gruseleffekten. Die Historia war durch eine epochale erzählerische Erfindung möglich geworden, die Kreutzer der Erzählform zuschrieb und zwar dem „Ü- bergang vom seriellen zum sequentiellen Erzählen.“91 Die Sequenzen des Buches bestehen aus der Beschreibung anschaulicher Bildreihen. Sie repräsentierten die literarische Form, die freilich nicht ohne ihren Inhalt daherkam. Die Höllen- fahrt war nicht wirklich der Schluß der Geschichte. Die Historia ist angelegt wie eine populäre Fernsehserie: Faust, ein frühneuzeitliches Drehbuch für einen Serienhelden, der fortlaufend neue Abenteuer erlebt, die ihn in verschiedene

84 Historia, a.a.O., S. 123 85 Zum Vampirmythos vgl. u.a. Ernest Jones, Der Alptraum in seiner Beziehung zu gewissen Formen des Mittelalterlichen Aberglaubens, und Wien 1912. Überall auf der Welt und zu allen Zeiten ließ sich der Glaube finden, daß Tote wiederkehren und „den Leben- den... besonders bei Nacht“ besuchen. (Ebd. S. 34) Vgl. das Kapitel Schwarze Engel der Romantik 86 Helga Pohl, Die Gruselgeschichte - ein Beitrag zur Psychoanalyse von Horrorliteratur, in: Zeitschrift für psychosomatische Medizin, Nr. 31 (1985), S. 187-199, S. 187 87 Vgl. Stichwort: Nachzehrer, in: HDA, Bd. VI, a.a.O., Sp. 812-821 88 Historia, a.a.O., S. 60 89 Wie noch dargestellt wird, stehen Geschichten, in denen Teile des Körpers abgeschnitten oder andere Teile angehext werden, für eine angstvolle Verlustsituation, die einen grund- legenden Splatter-Schrecken darstellt. 90 Vgl. Historia, a.a.O., S. 90 91 Kreutzer, Nachwort zur Historia, a.a.O., S. 335

8 Der Bilddiskurs

Genres führen: Thriller, Komödie, Sex und Horror. Es sind kommerzielle Epi- sodenfilme, die im 16. Jahrhundert freilich nur den bewegten Bildern folgten, die in den Köpfen der Leser produziert wurden. Der geheimnisvolle Held, der in enger Verbindung mit dem Teufel steht, kommt wieder und wieder und wieder.

Die Dramaturgie führt unausweichlich zum großen Horrorinszenario und ver- weist auf den widersprüchlichen Genuß, den das Buch bereitet. Es ist dies ei- ne Lustgewinnung, die auf Grusel und Angst beruht, während der Leser sicher in seinen eigenen vier Wänden verweilt. Übernatürliches ging mit Bildern ein- her, die beängstigende Empfindungen wachriefen und schauriger Unterhaltung dienten. Einzelne Bildelemente wurden grundgelegt, Sequenzen entwickelt und miteinander in Verbindung gesetzt. Die Historia fixierte einen ‘Bilddiskurs‘ des Horrors als supranatural Macht und schrieb die Ikonographie des Bösen als Al- lianz des Wissenschaftlers mit dem Teufel fest. Mittelalterliche und reformato- rische Teufelsdarstellungen wurden in der Historia zum erstenmal dem Le- benslauf eines neuzeitlichen Wissenschaftlers angepaßt.

2. Familienroman und Subjekteffekt Der reformatorische Text verband nicht nur naturwissenschaftliche Forschung mit einem gottlosen Teufelsbündler, sondern richtete sich auch gegen den Papst und den Luxus des Vatikans.92 Faust war das „protestantische Schreckge- spenst“, welches vor der „Ausschweifung der Sinne“ warnen sollte.93 Nach Hans Mayer war die Historia „protestantische Warnliteratur“ 94, die - so Horst Hartmann95 - in einem Verlag erschien, der „für lutherische Kampfschriften bekannt war“. Helmut Kreuzer hob hervor, daß mit der Historia „der katholischen Tradition der Heiligenle- gende die protestantische Geschichte eines Frevlers entgegengesetzt“ werden sollte.96 Dazu griff der Erzähler der Historia auf eine Methode zurück, die „literaturge- schichtlich schlechterdings einmalig“ erscheint, denn er setzte mit „Hartnäckigkeit und kommentarloser Selbstverständlichkeit, ...die reale Existenz seines Helden vor- aus.“97 Schon die Titelseite der Historia stellte ja Fausts Leben als wahre Ge- schichte heraus und gab vor, Faust habe einige Kapitel geschrieben. Die ent- scheidenden Worte wurden fett gedruckt und unterstrichen den Anschein, Faust sei eine historische Figur.

Michel Foucault98 beschrieb die Gesetzmäßigkeiten der gesamten Schriften im Prinzip der Ausschließung, des Verbots, der Grenzziehung und der Verwer- fung. Er stellte Diskurse heraus, die zirkulierten oder als bedeutungslos ver- worfen wurden. Bis zum Erscheinen der Historia von D. Johann Fausten war der Faust-Diskurs noch nicht festgelegt. Zwar ächtete man Faust als einen der Schwarzen Magie verfallen Zauberer und einen schwachen Menschen, aber gleichzeitig wurde ihm eine große naturwissenschaftliche Begabung zuge- sprochen. Das gedruckte Buch Historia von D. Johann stellte nun unter lutheri-

92 Als Faust im 26. Kapitel nach Rom kommt, ruf er aus: „Ppfuy / warumb hat mich der Teufel nicht auch zum Bapst gemacht... Hochmut / Vermessenheit / fressen und saufen / Hureery / Ehebruch... Diese Schwein zu Rom sind gemästet / vnd alle zeitig zu Braten und zu Ko- chen“, Historia, a.a.O., S. 62 93 Bernhard Kloos, Faust. Leben und Legende des Doktor Faustus und des Faust, in: Faust. Ein Film von Dieter Dorn, (Pressemappe) o. O., o. J., S. 15-23, S. 17 94 Mayer, Doktor Faust und Don Juan, a.a.O., S. 21 95 Hartmann, Faustgestalt, a.a.O., S. 23 96 Helmut Kreuzer, Zur Geschichte der literarischen Faust-Figur, in: Zeitschrift für Literaturwis- senschaft und Linguistik, Faust und Satan - multimedial, H. 66 (1987), S. 9 - 28, S. 10 97 Kreutzer, Nachwort, in: Historia a.a.O., S. 326 98 Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, München 1974

Der Bilddiskurs 9 scher Ägide den Magier Faust an die Seite des Teufels und zog eine diskursive Grenze. Wie es die Rezeptionsgeschichte der Historia zeigt, wurde von hier an Faust als historische Figur eines Faust-Diskurses festgeschrieben und anstel- le des literarischen Buches (der imaginären Struktur) eine symbolische Struk- tur (der historische Prozeß) untersucht. Darüber hinaus wurde mit Johann Spieß‘ Veröffentlichung der „Klatschgeschichten über Faust“ (Hans Mayer) Ende des 16. Jahrhunderts ein Paradigma für den ideologischen Einsatz von gedruckten Büchern geschaffen.

Einen Einblick in das diskursive Kaleidoskop der Faustforschung gibt die hun- dert Jahre nach der Historia erschienene Schrift Q.D.E.V.; Disqvisito Historia, De, Fausto Prästiigiatore von Johann Georg Neumann (1683).99 Neumann nahm die Historia als Ausgangspunkt der Frage, ob Faust gelebt habe. Das Buch faßte den andauernden theoretischen Faust-Diskurs zusammen und schrieb ihn fort. Es wandte sich gegen Naudés100, der bereits 1625 erklärt hatte, Faust sei nur eine „theatralische Erzählung“, ein „zauberischer Roman“, und gegen Dürr, der 1676 Faust als Erfindung von Mönchen dargestellt hatte. Neumanns histori- sche Faustuntersuchung kam zu dem Schluß, daß Faust sehr wohl gelebt hat- te, aber nicht wie angenommen in , sondern anderen Orts. Aller- dings waren für ihn der Pakt ebenso real wie der Antichrist, denn für den gläu- bigen Theologen Neumann konnten alle Menschen Opfer des Widersachers werden, wie es die seit der frühen Neuzeit festen Vorstellungen vom Teufels- pakt zu belegen schienen.101

Im Laufe der Faustforschung trat die Suche nach der ‘wahren Geschichte’ des Doktor Faust immer mehr in den Vordergrund. Es wurden Überlegungen an- gestellt, wie Faust wohl aussah und ob es ein zeitgemäßes Porträt gab.102 Ein Erbe, welches offenbar auf der Verwechslung von Fiktion und Realität beruhte, denn betrachtet man Faust ohne Teufel, lief man zweifellos in eine Sackgasse, da ja die Authentizität der Historia von D. Johann Fausten nicht nur die Existenz Fausts, sondern kommentarlos ebenso die des Teufels voraussetzte. Freilich war Satan auch für die Reformatoren nicht nur eine Vorstellung, die von Faust, dem Gelehrten an seiner Seite, ratifiziert wurde, sondern das populäre Buch transportierte den Glauben an den Antichristen samt seines Reiches auf die Realebene.103 Um den Teufel ‘real‘ werden zu lassen, erscheint besonders der

99 Wittenberg 1683. „Der Theologieprofessor aus Wittenberg unternimmt die erste wirkliche Untersuchung des historischen Faust“, Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 14. Naumanns Buch wurde aufgrund des dauerhaften Interesses an dieser Frage bis 1745 mehrfach neu auf- gelegt. Vgl. auch Carl Christian Kirchner, Johann Georg Neumann, Vom Scharlatan Faust. Die erste akademische Schrift der Faust-Tradition (1683), hrsg. v. Günther Mahal, Knittlin- gen 1996 100 Faust auf der Bühne, a.a.0., S. 14 101 „An einen Pakt mit dem Teufel glaubte auch die Bibel. Deutlich handelt Augustinus dar- über. Die älteste Legende über dieses Thema (Hl. Blasius) zeigt, wie man sich einen der- artigen Vertrag dachte. Christus und die Taufe müssen verleugnet werden, man muß sich für immer zum Teufel bekennen. Kann man den (später oft mit Blut) geschriebenen Ver- trag wieder erlangen und vernichten, entkommt man dem Teufel“, Stichwort: Hexe, in: HDA, Bd. III, Sp. 1827-1854, Sp.1842f 102 Alle Faustporträts entstanden später als die Historia. Vgl. Hans Hennig, Faust Variationen. Beiträge zur Editionsgeschichte vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, München, New York, London, Paris 1993, S. 134 103 Die Katholische Kirche hält an der ursprünglichen Gestalt des Teufels fest. Die Existenz des Teufels wurde in jüngster Zeit erneut zum Glaubensdogma erhoben. Paul VI verkün- dete: „Das Böse in der Welt ist das Vorhanden sein und Wirken eines dunklen Teufels, in uns und in der Gesellschaft. Das Böse ist nicht allein ein Mangel, sondern es ist ein leben- diges, geistiges, pervertiertes und pervertierendes Wesen... Wer sich weigert seine Exis- tenz, anzuerkennen stellt sich außerhalb der Bibel und der Kirche. Der Teufel ist der Feind Nr.1, der Versucher schlechthin.“ Alfonso di Nola, Der Teufel. Wesen, Wirkung, Geschichte, München 1993, S. 425

10 Der Bilddiskurs beschriebene Blutspakt unumgänglich.

Fausts Aderlaß war weit mehr als eine „philologische Treue“, die für Adorno die „Domäne dessen (ist), der auf der Unterschrift mit Blut besteht, weil es ein ganz beson- derer Saft sei.“104 Vielmehr eröffnete Fausts blutiger Namenszug dem Teufel ei- ne Existenz an der Seite eines Wissenschaftlers, wodurch eine theologische und eine soziale Dimension besiegelt wurde. Es war dies die Blutsverwandt- schaft zwischen Satan und Faust, der zu Mephistos Blutsbruder wurde.105 Schon Moses106 hatte Blut zum entscheidenden Element des Lebensprinzips erklärt, anknüpfend an die archaische Erfahrung, daß das Entfließen des Blu- tes zum Entschwinden des Lebens führt. Blut107 galt von altersher als magi- scher Saft, der Lebenskräfte sowie Seelenkräfte zu enthalten schien und als Heilmittel oder als Schadenszauber wirken konnte. So scheint auch der Glau- be an die heilende Kraft medizinischer Blutentziehung durch Aderlaß als Er- satz für archaische Menschenopfer betrachtet werden zu können.108 Ferner wurde gemeinhin angenommen, die Stimme des Blutes verbinde durch ihren inneren Ruf Blutsverwandte, und das Vermischen verschiedenen Blutes führe zu einer Seelen- und Blutsverwandtschaft. „Damit hängt der Aberglaube zusam- men, mit Blut könne man sich dem Teufel verschreiben.“109 Lapidar läßt sich sagen, Faust wurde in der Historia durch Aderlaß und Blutspakt ‘Sohn des Teufels’.

Durch die Wunder auf seinem Lebensweg, durch Höllenfahrt und Wiederauf- erstehung rückt die Historia Faust in eine Vergleichbarkeit mit Jesus. Die Le- bens- und Leidensgeschichte Fausts wurde ähnlich aufgebaut wie die Lei- densgeschichte Christi im Neuen Testament. Einzelne Episoden und Wunder- taten sind im Rahmen von Geburt, Tod und Auferstehung festgeschrieben. So kann das Buch als eine Umkehrung der Christusgeschichte angesehen wer- den. Die Historia konstituiert eine imaginäre Beziehung zwischen Faust und Teufel, indem dem Magier ein Lebenslauf zugeschrieben wurde, der aus ihm den Sohn des Teufels machte. Für den Protagonisten wurde ein phantasti- sches Leben entworfen, das ihn einer ‘neuen Familie‘ zuführte. Faust wurde Satans Blutsverwandter und ein Familienmitglied der Hölle. Die literarische Fik- tion tritt mit dem Anspruch historischer Authentizität auf - oder, wenn man an- ders herum das literarische Erzeugnis als Reflex seiner Zeitumstände betrach- tet, die realen Auseinandersetzungen in Glaube, Politik und Wissenschaft wer- den auf geschickte Art in imaginäre Verhältnisse ungemünzt. Mit Freud ließe sich sagen, die Historia schreibt den Familienroman110 der Reformatoren.

104 Theodor W. Adorno, Zur Schlußszene des Faust, in: Noten zur Literatur, Frankfurt am Main 1981, S. 129-139, S. 136. Das Blut Christi kann ebenfalls als „ein ganz besonderer Saft" betrachtet werden, denn auch sein Genuß konstituiert eine Beziehung (Riten des Abend- mahls). 105 Nach Luther war Faust durch verwandtschaftliche Bande an den Teufel geknüpft. Er sah in ihm „des Teufels Schwager", Colloquia oder Tischreden Doct. Mart. Luthers, Frankfurt am Main 1571, Zit. n. Horst Hartmann, Faustgestalt, Faustsage, Faustdichtung, Berlin 1978, S. 17 106 Vgl. Moses V, 12, 23; III, 17,14 107 Vgl. Stichwort: Blut, in: HDA, Bd. I, a.a.O., Sp. 1434-1442, Sp 1432. 108 Vgl. Stichwort: Aderlaß, in: HDA, Bd. I. a.a.O., Sp. 172-173, Sp. 172 109 Stichwort: Blut, a.a.O., Sp. 1435 110 Sigmund Freud, Der Familienroman der Neurotiker (1909), in: Stud. Bd. IV, Frankfurt am Main 1975, S. 221-226. Vgl. auch Stichwort: Familienroman, in: Jean Laplanche und J. B. Pontalis, Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt am Main 1973, S. 152-153. Famili- enroman bezeichnet das Verhalten eines Kindes, welches in seinen Eltern oder Ge- schwistern etwas anderes sieht als diese sind. Das Kind will die Mutter als Liebesobjekt nicht aufgeben und vertauscht aufgrund des Inzesttabus die realen Verhältnisse gegen ei- nen Familienroman, der die Mutter als Mutter nicht anerkennt. Weil das Subjekt Teil dieser Phantasie ist – es sich quasi in ihr befindet -, bildet der Familienroman eine neue Realität aus. Es ist eine Wahnvorstellung, die mit der tatsächlichen Lage konkurriert. Zur Vermei-

Der Bilddiskurs 11

Daß einem Lebenslauf Ereignisse hinzugedichtet und andere weggelassen werden, ist ein häufiges Phänomen. Lebensgeschichten werden modifiziert, um (unbewußten) Konflikten auszuweichen. Diesen dichterischen Prozeß nannte Freud Familienroman. Die Historia von D. Johann Fausten vertauschte wie der Agent des Familienromans Realität und Imagination (Wunsch) miteinan- der. Die Vita des Magus berichtete von dem Menschensohn, der durch den Blutspakt ein Kind des Teufels wurde. Die knappe Darstellung seiner Herkunft führte Faust als Waisenkind ein. Für den Sohn Satans gab es keine Mutter, wie auch für Maria kein Platz im reformatorischen Himmel vorgesehen war. Aber es gab auch keinen schützenden (göttlichen) Vater. In der Historia wurde ein mutterloses Gewaltverhältnis zwischen Vater und Sohn dargestellt und auf die Beziehung zwischen Magier und Teufel übertragen. Der Text schrieb eine viel- schichtige Vater-Sohn-Beziehung fest, die darauf abzielt, durch komplette Ver- nichtung des Körpers des Sohnes eine Machtfusion zu erlangen. Wie bei Fausts Höllenfahrt wurde ja auch im Neuen Testament der Körper Jesu grau- sam geschändet, bevor er zum Himmel fuhr. Die Vater-Sohn-Paare in Himmel und Hölle sind durch aggressive Verschmelzung gekennzeichnet.111 Am Ende des Buches wurde Fausts Körper entzweigeschlagen und damit die sichere Zuflucht seiner Seele, der letzte Hort menschlicher Existenz, vernichtet, so daß der Magier und das Höllenwesen eins wurden und zu einer Kreatur ver- schmolzen. Dies war die Geburt der Idee des Doktor Faust: Der verinnerlichte Pakt veräußerte sich im verdoppelten Doktor-Titel.

Die Historia stand am Anfang eines Zeitraums, über den Michel Foucault schrieb: „An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert ist (vor allem in England) ein Wille zum Wissen aufgetreten, der im Vorgriff auf seine wirklichen Inhalte Ebenen von möglich beobachtbaren, meßbaren, klassifizierbaren Gegenständen entwarf; ein Wille zum Wissen, der dem erkennenden Subjekt (gewissermaßen vor aller Erfahrung) eine bestimmte Position, einen bestimmten Blick und eine bestimmte Funktion (zu sehen anstatt zu lesen, zu verifizieren anstatt zu kommentieren) zuwies; ein Wille zum Wis- sen, der (in einem allgemeineren Sinn als irgendein technisches Instrument) das techni- sche Niveau vorschrieb, auf dem allein die Erkenntnis verifizierbar und nützlich sein konnte.“112 Freilich trat der Konflikt zwischen Glaube und Wissen deutlicher her- vor als je zuvor, und die Kirche räumte keineswegs kampflos das Feld.

Während der Titel der Historia Faust als „Zauberer und Schwartzkünstler“ ächtete, wurde er dagegen direkt zu Beginn des Buches als begabter Naturwissen- schaftler gelobt. Seine Forschungen verwandelten den Theologen in einen As t- rologen, einen Mathematiker und sogar in einen Arzt. Diese Wandlung wurde so beschrieben: „Als D. Faust eines ganz gelernigen vnd geschwinden Kopffs / zum studiern qualificiert vnd geneigt war / ist er hernach in seinem Examine vor den Rectoribus so weit gekommen / daß man ihn dem Magistrat examiniert / vnd... war also Doctor Theologiae. Daneben hat er auch eunen thummen / vnsinnigen und hofferti- gen Kopff gehabt / wie man ihn denn allezeit den Speculierer genennet hat / ... Was zum Teufel wil / das läßt sich nicht auffhalten / ... Das gefiel D. Fausto wol / speculiert vnd studiert Nacht vnd Tag darinnen / wolte sich hernach keinen Theologum mehr nen- nen lassen / ward ein Weltmensch / nandte sich einen D. Medicinae / ward ein Astrolo- gus und Mathematicus vnd zum Glimpff ward er ein Arzt.“113

dung von Unlust wird die symbolische Struktur (das Gesetz des Vaters) geleugnet. Norma- lerweise tritt der Vater zwischen Mutter-Kind, so daß die imaginäre sich in eine symboli- sche Beziehung wandelt. 111 Damit ist eine Beziehungskonstellation beschrieben, die durchweg in Horrorfilmen auf- taucht. 112 Foucault, Die Ordnung des Diskurses, a.a.O., S. 12-13 113 Historia, a.a.O., S. 14f (Hervorhebungen D.M.)

12 Der Bilddiskurs

Danach war Faust ein Speculierer114, dessen Fakultätswechsel das Motto be- gleitete: „Was zum Teufel will, läßt sich nicht aufhalten.“ Nach Eike Middel war Faust für den protestantischen Verfasser „das Ärgernis eines Intellektuellen im Zeitalter des Humanismus, da sich die Natur- und Geisteswissenschaft als selbständige Disziplin aus der Theologie ausgliederten."115

Den wissenschafltichen Eifer des Magiers stellte die Historia anschaulich her- aus: „Dem trachtet er Tag vnd Nacht nach / name an sich Adlers Flügel / wolte alle Gründ am Himmel vnd Erden erforschen.“116 Danach arbeitete Faust wie besessen, und seine Wißbegierde schien grenzenlos. Freilich wurde ihm hier unterstelt, er wolle Gott gleich sein, denn der Adler galt als Gottestier, dessen „Göttlichkeit (..)zuweilen mit seinem himmelstrebenden Fluge begründet“ wurde.117 Als er Adlers Flügel annahm, maßte er sich an, allwissend zu werden, aber er flog zu hoch hinaus und stürzte wie Ikaros ab.118 Satan119 warf Faust in die Hölle hinunter, wie er einst durch den Erzengel Michael vom Himmel geworfen worden war. Nach Philipp Melanchthon stand fest, der Teufel betrieb dasselbe Spiel mit Faust, denn er „hob ihn (..) in die Höhe, ließ ihn... darauf zur Erde fallen, so daß er von diesem Falle fast den Geist aufgegeben hätte.“120

Nachdem Faust vieles ausprobiert hatte, rief er den Teufel schließlich beim Namen: „Dann sein Fürwitz / Freyheit und Leichtfertigkeit sache vnd reizte Jh also / daß er auf eine zeit etliche zäuberische vocabula / figuras / characteres vnd coniuratio- nes / damit er den Teufel vor sich möchte fordern / ins Werek zusetzen / vnd zu probie- ren jm fürname.“121 Freilich sind Namen und Existenz nicht unabhängig vonein- ander zu betrachten, denn ein Name schreibt Beziehungen fest und vermag Identität zu spenden. (Im Namen des Vaters werden Legenden geschrieben.) Durch Teufelsanrufung und Fausts blutige Unterschrift wurden sowohl der Teufelsname als auch der Magiername zu Bedeutungsträgern. Die Handlungs-

114 Zum Spiegel als Bildmedium vgl. das Kapitel: Spiegelbild und Rückenansicht 115 Eike Middel, Faust und kein Ende, in: Faust. Eine Anthologie. Bd. 1, hrsg. v. Eike Middel, Frankfurt am Main 1975, S. 7 116 Historia, a.a.O., S. 15 (Hervorhebungen D.M.) 117 Stichwort: Adler, in: HDA, Bd. I, a.a.O., Sp. 174-189, Sp. 174 118 Im griechischen Mythos von Daedalus (der Einfallsreiche) und seinem Sohn Ikaros kon- struierte Daedalus Schwingen aus Federn, die er mit Wachs verband, um aus dem Laby- rinth des Königs Minos zu entkommen. Obwohl ihn sein Vater warnte, flog Ikaros zu hoch hinaus. Die Sonne schmolz das Wachs und er stürzte ins Meer. Vgl. Stichwort: Ikaros, in: Der Kleine Pauly, Bd. 2, a.a.O., Sp. 13359-1360. Nicholas Roegs phantastischer Spielfilm The Man Who fell to Earth (1975) zeigte auf der Folie des Ikaros-Mythos das Scheitern des faustischen Wissenschaftlers Doktor Brice, der mit einem ‘Außerirdischen‘ paktierte, wel- cher am Ende selbst Gegenstand wissenschaftlicher Forschung wurde. Der Mann, der vom Himmel fiel und nicht alterte, nannte sich Newton. Er besaß innovative elektronische Kenntnisse, die er vermarktete. Das Motto seiner Firma lautete: Durch das Dunkel, zu den Sternen. 119 Im Alten Testament war Satan weder gefallener Engel, noch Rebell. Er war auch nicht der Bote Gottes oder dessen Todfeind, sondern nur ein Werkzeug des göttlichen Willens. (Mit Gottes Einverständnis stellt Satan Hiob auf die Probe.) Gott ist im Alten Testament das Gu- te und das Böse zugleich. Satan ist Diener Gottes und nicht, wie im Neuen Testament dargestellt, sein Gegner. Erst während der Zeit des hellenistischen Judaismus, dem Wendepunkt zweier Zeitalter, nimmt der Teufel erstmals eine feindselige Haltung gegen- über Gott ein. Das Neue Testament ist angefüllt mit der Bosheit des Teufels, denn er liegt als Fürst dieser Welt (und der Dunkelheit) im Streit mit dem König des Himmels (und des Lichts). Erst seine Niederlage und Gottes Sieg machten aus Satan eine erniedrigte, häßliche Tierfratze.Vom Namen Har-Schatan wurde der Name Satan abgeleitet. Har- Schatan bedeutet soviel wie Widersacher, hat allerdings keine negative Bedeutung. Vgl. Gerald Messadié, Luzifer, Satan, Teufel. Universalgeschichte des Bösen, Frankfurt am Main 1993, S. 297 120 Philipp Melanchthon in Gesprächen mit seinem Schüler Johann Manlius (1563), in: Faust. Ein deutscher Mann, a.a.O., S. 16 121 Historia, a.a.O., S. 15 (Hervorhebungen D.M.)

Der Bilddiskurs 13 fähigkeit, die der Name impliziert, läßt den Pakt als einen selbstgewählten so- wie einen eigenverantwortlichen Weg zweier gleichwertiger Partnern erkennen.

Faust wurde nicht nur durch namentliche Anrufung zum ‘selbstbestimmten Subjekt‘ erklärt, sondern auch durch seine Autonomie gegenüber dem Teufel, denn er verschrieb sich erst nach genauen Erkundigungen und wohlüberlegt.122 Er folgte seinem eigenen Antrieb als er Naturwissenschaftler wurde und dem Teufel in die Hölle folgte. Nach Hans Joachim Kreutzer123 war der Grund für Fausts Forscherleidenschaft ein „Wissenwollen um seiner selbst willen“.124 Im Dis- kurs idealistischer Wissenschaftstheorie betrachtete Kreutzer Fausts For- schungen als „zweckfrei“ und sah darin das grundlegende „Prinzip neuzeitlicher Wissenschaft“. Faust war danach eine „Symbolfigur für den neuzeitlichen Erkennt- nisfortschritt, der seinem Wesen nach ein wissenschaftlicher ist“. Danach fand Wiß- begierde in der Historia ihre „erste literarische Gestalt“ und Neugier begründete die „Fortsetzung der Faustgeschichte in die Neuzeit“. Kreutzer verband Fausts For- scherdrang mit der Vorstellung eines „autonomen menschlichen Eigenwillens“. Hiergegen errichtete aber die Historia sofort eine „literarische Warntafel“, denn der Erkenntniswille fand dort ein radikales Ende, wo „ein unerlaubtes Bündnis des Menschen mit Gottes Gegenspieler“ vermutet wurde. So gesehen, stellte sich „For- schen, um der Forschung willen“ (die Wißbegierde) als Sünde dar.125 Folglich schickte das Unterhaltungsbuch Faust samt seines Erkenntnisinteresses zur Hölle. Aber nicht nur dem autonomen Forscher sprach die Historia eine neue Form der Selbstbestimmung zu, sondern sie förderte die Unabhängigkeit durch die Beschreibung eines Himmels ohne Maria, Heilige oder Fürbitte. Al- lerdings wurde die durch Wegfall von Sakrament und Mittlertum geförderte Selbstverantwortung unverzüglich wieder in ihre Schranken verwiesen.126

Fausts autonome Forschung setzte einen Subjektivierungsprozeß in Gang, der ihn in einen guten und einen bösen Doktor spaltete. Dann erst erschien der Teufel, den die Historia ins tägliche Leben holte und der zum Zeichen einer nach außen projizierten Spaltung des Magiers wurde. Der Verinnerlichung des Bösen durch das Studium der Naturwissenschaft folgte dessen Veräußerung in der Erscheinung des Dämons. Hans Mayer faßte dies so zusammen: „Das Böse in ihm evozierte folgerichtig den Bösen.“127 Als literarisch gewordener Gedan- ke vertrat der Teufel das Böse in Faust und seinen Forschungen. Die Ich- Identität des Wissenschaftlers wurde folglich von dem Moment eigenständiger Forschung an als gespalten und verdoppelt dargestellt. Damit wurde ein Para- digma geschaffen und hierfür ein Bild zu Grunde gelegt: Der Protagonist wan- delte sich von einem guten Doktor in einem bösen Doktor, der gespaltene und gleichzeitig verdoppelte Faust wurde zur Anschauung epistemologischer Auf- fassungen erhoben. In der Historia wurde eine Forscherenergie beschrieben, die sich mit der Idee des autonomen menschlichen Eigenwillens verband und Erkenntnisgrenzen überwand. Ausgestattet mit magischer Kraft blieb Faust dem Geheimnis des Lebens auf der Spur. Eine Position, die bis heute die Rolle des Wissenschaftlers im phantastischen Spielfilm kennzeichnet.

122 Faust stellte gezielte Fragen, die Mephisto ihm bis ins kleinste Detail beantwortet. (Nach siebzehn Jahren kam es sogar zu einer zweiten Verschreibung. Diese verweist darauf, daß Faust nichts bereute.) 123 Kreutzer, Nachwort zur Historia, a.a.O., S. 325 124 „Das Stichwort, mit dem aller wissenschaftliche Fortschritt im Abendland, unabhängig von den Grenzen der Epochen und Zeitalter, umrissen werden kann: Wißbegierde“, ebd. S. 333 125 Ebd. 126 Vgl. Günther Mahal, Faustmuseum Knittlingen, Braunschweig 1984, S. 32 127 Mayer, Doktor Faust und Don Joan , a.a.O., S. 8

14 Der Bilddiskurs

3. Alchemisten und Magie Hans Hennig128 stellte heraus, daß es kein Faustporträt bis zur Zeit der Historia von D. Johann Fausten gab. Das fehlende Abbild schürte die Phantasie, und Faust wurde als „kraftvoller, bärtiger Mann“ aber auch als „hochruckeriges Männlein, eine dürre Person, habend ein kleines graues Bärtlein“ beschrieben.129 Ein Kupfer- stich von Jérôme David, der etwa zwischen 1633 und 1647 entstand, zeigt als Faust einen älteren Mann mit Bart im Gelehrtenkostüm seiner Zeit, dessen lin- ke Gesichtshälfte im Schatten liegt.130 Der Schatten scheint auf die dunkle Sei- te des zwielichtigen Magiers anzuspielen.

Abb. 3: Jérôme David, , um 1645, Kupferstich, 206 x 185 mm, Weimar, Goethe-Nationalmuseum

Etwa seit Beginn des 17. Jahrhunderts sind übereinstimmende Merkmale der Faustbilder Darstellungen eines älteren Mannes im Gelehrtenmantel. Faust, schon bald Synonym für den alternden, frustrierten Gelehrten, trug als Sinnbild seiner Allwissenheit eben das Gewand des Gelehrten, den Mantel. In erster Li- nie war der Mantel zwar ein schützendes Bekleidungsstück, jedoch galt er deutlich sichtbar als „Herrschaftszeichen, woraus sich seine Stellung als Schutzman- tel und seine Bedeutung im Rechtsleben erk lärt... Da der Mantel oft schrankenlose Macht über die ganze Welt ausdrücken soll, wird er zum Weltenmantel, zum kosmi- schen Königsmantel und so als Sternenmantel auch zum Himmelssymbol und zum Sinnbild der Allwissenheit.“131 Der Sternenmantel, den seit altersher östliche As t- rologen trugen, wandelte sich im Laufe der Zeit zum beliebten Kostüm für ei- nen Zauberkünstler im Varieté.132 Auf der Bühne triitt neben Faust auch Mephis- to nicht selten im Mantelcape auf. Dies spielt freilich auf seine Klugheit an, aber es erinnert auch an die ledernen Flügel der mittelalterlichen Teufelsgestalt,

128 Hennig, Faust Variationen, a.a.O., S. 134 129 Ebd. 130 Das Faustporträt ist Teil einer Serie von 36 Bildern über bedeutende Philosophen von François Langlois dit Ciartres, einer Pariser Bildmanufaktur, die sich auf die Abbildung be- rühmter Gelehrtenporträts spezialisiert hatte. Vgl. Mahal, Faust Museum, a.a.O., S. 36 131 Stichwort Mantel, in: HDA, Bd. V. a.a.O., Sp. 1587 132 Georges Méliès ließ in Le Voyage Dans La Lune (1902) die Gelehrten aller Welt in Sternenmänteln auftreten.

Der Bilddiskurs 15 woraus sich seine Flugfunktion erklärt.133 Mephistos schwarzes oder rotes Ca- pe kann aber eher als ‘Kleid der Nacht‘ oder ‘Mantel des Todes’ betrachtet wer- den.134

Über Magier herrschte offenbar in der Renaissance die Vorstellung, sie ließen sich an ihrem Aussehen oder durch ihre Eigenschaften erkennen.135 Vor allem die Augen verrieten den Magier, weil – so Marcel Mauss - „die Pupille die Iris auf- gezehrt hat und das Bild verkehrt erscheint.“136 Neben dem verkehrenden ‘Magier- auge‘ wurde auch die Vorstellung vom bösen Blick auf sie übertragen. Ferner wurden Magiern Nervosität, hysterische Krisen und kataleptische Zustände zu- gesprochen. Sie konnten aber auch durch körperliche Behinderungen oder be- sondere Begabungen auffallen. Nicht nur außergewöhnliche Individuen, son- dern auch Zugehörige bestimmter Berufsgruppen galten schnell als Magier. Tätigkeiten „wie die der Ärzte, Gelehrten, Geistlichen, Astrologen, Physiker, Alchemis- ten usw. zogen bereits im Gefolge ihres Gewerbes einen solchen Verdacht auf sich.“137 Ärzte galten schnell als Magier, weil sie Kranke heilen konnten und mit Toten in Berührung kamen. Aber auch auf Schäfern und Schmieden lastete der Aber- glaube, weil Schmiede „mit einem Stoff umgehen, der allseits Gegenstand abergläu- bischer Vorstellungen ist und weil ihr schwieriges von Geheimnissen umgebenes Hand- werk einen gewissen Nimbus hat; die Schäfer weil sie ständig in Beziehung zu den Tie- ren, Pflanzen und Gestirnen stehen.“138

Frühneuzeitlichen Alchemisten standen zwei unvereinbare Lehren, die Weiße Magie und die Schwarze Magie, offen.139 Die Schwarze Magie baute auf Luzi- fers Himmelsturz und der von ihm errichteten Gegennatur auf. Ihr Ziel bestand darin, den Teufel zu zwingen und sich ihm nutzbar zu machen. Dies war Nigromantie140 - eine besonders verbotene magische Praxis. Die Weiße Magie richtete sich an den Wundern Christi aus. Sie galt als göttlich und war ein „gott- erlaubtes Eindringen in die geheimnisvollen Mächte und Kräfte der Natur und der Geis- terwelt.“141 Beide Praktiken waren freilich dieselben und umfaßten Suggestion, Hypnose, Magnetismus sowie Sympathie-Heilungen.142 Nach Hans Mayer143 lag die Einteilung in Schwarze Magie und Weiße Magie „sämtlichen Faustdarstellun- gen zu Grunde“, allein schon um eine Unterscheidung in Heilige und Simonisten treffen zu können.

Die Inquisition bestimmte einen Alltag, in dem die Geschichte des Magiers Faust das passende Beispiel eines Teufelsbündler abgab. Die naturwissen- schaftlichen und geographischen Entdeckungen des 16. Jahrhunderts standen

133 Vgl. Stichwort: Mantelflug, HDA, Bd. V, a.a.O., Sp. 1658 134 In Friedrich Wilhelm Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage (1926) breitet Mephisto sei- nen schwarzen Mantel über die Stadt aus und bringt Krankheit und Tod. 135 Vgl. Marcel Mauss, Soziologie und Anthropologie, Bd. 1, Frankfurt am Main 1978 136 Ebd. S. 61 137 Elsa Hennings-Hamburg, Unsterblicher Faust. Eine Genealogie von Simon Magus bis zum „Faust“ - Roman Thomas Manns, Hamburg 1953, S. 4 138 Mauss, Soziologie und Anthropologie, a.a.O., S. 63 139 Seit Aristoteles wurden weiße und schwarze Magier unterschieden. (Zu den weißen Ma- giern können auch die Weisen aus dem Morgenland gezählt werden und Prospero aus Shakespeares Der Sturm, vgl. Hartmut Heuermann, Medienkultur und Mythen. Regressive Tendenzen im Fortschritt der Moderne, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 161) 140 Vgl. Thomas Werner, Die den Teufel zwingen: Schwarze Magie im Mittelalter, in: Sowi 25 (1996), H. 1, S. 5–11 141 Margret Dietrich, Dramaturgie der Faustgeschichte von Marlowe bis Sturm und Drang, München und Wien 1970, S. 20 142 Hennings-Hamburg, Unsterblicher Faust, a.a.O., S. 5 143 Mayer, Doktor Faust und Don Juan, a.a.O., S. 12

16 Der Bilddiskurs im Gegensatz zum Weltbild der herrschenden Kirche, und die Historia von D. Johann Fausten erschien zu einer Zeit, die eine „Revolution des naturwissenschaftli- chen Denkens“ auslöste. Das Infragestellen christlicher Glaubenssätze und kirchlicher Machtinstanzen brachte Gelehrte wie Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei, Albertus Magnus, Paracelsus144, Agrippa von Nettesheim145, Johannes Kepler, Francis Bacon, Pico della Mirandola, Giordano Bruno146 und etliche an- dere in den Verdacht Schwarzkünstler zu sein, nicht zuletzt, weil der Glaube herrschte, der Teufel verführe am liebsten die Sensiblen und Begabten. Selbst Athanasius Kircher, Jesuit und katholischer Wissenschaftler, fürchtete in die- sen Verdacht zu geraten, weil er mit der Laterna magica den Teufel erschei- nen ließ, obwohl die Projektionen der Abschreckung dienten und er - wie es be- reits das Titelblatt von Ars magna lucis et umbrae vorgab - „auctoritas profana“ un- ter „auctoritas sacra“ stellte.147 In der literarischen Figur Faust schienen sich alle Widersprüche realer Magierfiguren zu komprimieren, für die sich bis zur Re- formation noch keine anschauliche Vorstellung entwickelt hatte. Das Bild eines Gelehrten in der Renaissance stimmte keineswegs mit den Religionskonfor- men überein. Alchemisten, die ausprobierten, standen an der Grenze der Le- galität und wurden schnell auf die Seite der Schwarzen Magie geschoben. Wissen bedeutete Unheimlichkeit und mußte stets legitimiert werden.

Forschung bezog sich Ende des 16. Jahrhunderts nicht länger auf Metaphysik, sondern physikalische Fragestellungen entwickelten sich und das Interesse der Wissenschaftler konzentrierte sich „auf genaue Beobachtungen der Dinge in- nerhalb der natürlichen Welt, die sich mathematisch ausdrücken lassen. Charakteristi- sche Eigenschaften, die sich wiegen und messen ließen, konnten verglichen werden; sie konnten als Länge oder Zahl ausgedrückt und darum in einem vorhandenen System der Geometrie, Arithmetik oder Algebra dargestellt werden.“148 Diese Veränderung geschah in einem gewaltigen Tempo und verband sich mit einer „systemati- schen Umwandlung der Denkrichtung, der Art von Fragen, die gestellt wurden.“149 Ein Ergebnis dieser Entwicklung waren neue Meßinstrumente wie Präzisionsuhr und Thermometer und optische Geräte wie Teleskop und Mikroskop, die ein neues Bild der Welt zeigten. Naturwissenschaftliches Denken veränderte ins- besondere die Rolle der Medizin, die sich professionalisierte und von der Kir- che abtrennte. Aber freilich hatten gerade deshalb Mediziner wie „Andreas Vesal, der erstmals eine Leiche sezierte“ mit kirchlicher Obrigkeit zu kämpfen.150

Das neue Weltbild brachte – wie André Leroi-Gourhan zusammenfaßte - „ein gewaltiges Stück der Organisation des Universums (..) in seiner großartigen Architektur zum Vorschein und stellte, aus soziologischen Gründen, sogleich die Grundlage der Re-

144 Zu Paracelsus vgl. Udo Benzenhöfer, Paracelsus, Reinbek bei Hamburg 1997 145 Agrippa von Nettesheim bekannte sich zur Kunst der Palingenesie, der künstlichen Wie- dergeburt der Toten. (Vgl. Hans Ludwig Held, Das Gespenst des Golem. Eine Studie aus der hebräischen Mystik mit einem Exkurs über das Wesen des Doppelgängers, München 1927, S. 118) Zu Agrippa von Nettesheim vgl. Ralph Tegtmeier, Magie und Sternenzauber. Okkultismus im Abendland, Köln 1995, S. 86f 146 Giordano Bruno wurde 1600 in Rom als Ketzer und Hexenmeister verbrannt. Zu Bruno vgl. Francis A. Yates, Giordano Bruno in der englischen Renaissance (1938), Berlin 1989 (Ru- dolf Oertel erwähnte einen italienischen Stummfilm aus dem Jahre 1905, der sich auf das Leben von Giordano Bruno bezog. Vgl. Oertel, Macht und Magie des Films, a.a.O., S. 65) 147 Kircher, Ars magna lucis et umbrae, a.a.O., Titelkupferstich 148 Alistair, Cameron Crombie, Von Augustus bis Galilei. Die Emanzipation der Naturwissen- schaft (1958), München 1977, S. 354 149 Ebd. S. 355 150 Rainer Dorner, „Doktor Faust“. Zur Sozialgeschichte des deutschen Intellektuellen zwi- schen frühbürgerlicher Revolution und Reichsgründung (1525-1871), Kronberg 1976, S. 16

Der Bilddiskurs 17 ligionsphilosophie in Frage.“151 Im Spannungsfeld von magisch-hermetischem Weltbild und experimenteller Naturwissenschaft räumte die Magie indes kei- neswegs das Feld, sondern sie feierte „fröhliche Urstände... (und) trat sichtbarer hervor als je zuvor in ihrer Geschichte.“152 Der Einfluß von Scholastik, Aberglauben und mittelalterlichem Weltbild war nahezu ungebrochen. Die Scholastiker hiel- ten sogar an der Vorstellung der „geschlechtlichen Vermischung zwischen Dämon und Mensch“ fest.153

Magisches Wissen war in Geheimschriften und Zauberbüchern gesammelt worden, die nach Hennings-Hamburg vor allem König Salomo und dessen göttlicher Eingebung zugeschrieben wurden.154 Salomo galt als Bezwinger vie- ler Dämonen, bis er eines Tages von einem gefressen wurde. Sein Wissen hinterließ er in magischen Schriften, welche drei Hauptrichtungen der Magie vorgaben. Dies waren Theurgie (Geisterbannung), Nekromantie (Totenbeschwö- rung) und Kristallomantie (Wahrsagen aus einem Kristall).155 Magie, zu der auch Kabbala156, Alchemie157 und andere Geheimlehren zählten, verstand sich als u- niversale Naturwissenschaft, als magia naturalis.158 Der Allmachtsanspruch der magia naturalis umfaßte die Bereiche „Religion, Philosophie, Natur-, Sozial-, Geis- teswissenschaft, Kunst, Theorie, Empirie und praktische Anwendung zusammenfas- sende Disziplin auf der Basis der Vorstellung vom Menschen als dem mikrokosmischen Abbild und Auszug des Makrokosmos.“159 Die allgemeingültige Formel der Magie, die Marcel Mauss vielen ihrer Methoden vorangestellt fand, lautete: „Eins ist Al- les und Alles ist in Einem.“160 Mit Hilfe von Kulthandlungen, darunter Wetterzau- ber, Liebeszauber und Geisterbeschwörungen, sollten die Geheimnisse der Natur entschlüsselt und nachgebildet werden, damit die beherrschte Natur ü- ber Natur triumphieren konnte. Das magische Bewußtsein zeichnete sich durch eine enorme Reichhaltigkeit an Bildern aus.161 Steinen und Pflanzen, Ge- stirnen und kosmischen Bewegungen sowie den Bewegungen des Wassers, wurde eine große innere Kraft zugesprochen. Dabei wurde eine „Einheit von In- nen und Außen, von Name und Person, von Wort und Sache, von Bild und Ding, von Gedanke und Tat“ vorausgesetzt, „die in der reinen Perzeption des Menschen nicht gegeben sein mag, aber durch die Kraft der Assoziation seiner Erfahrung und Gedan- ken“ hergestellt wurde.162

Der magia naturalis entsprach auch der Versuch einen Homunculus zu er- schaffen. Das Diminutiv homunculus bezeichnet seit dem Mittelalter einen „auf chemischem Wege erzeugten Miniaturmenschen, den man als dämonischen Helfer zu

151 André Leroi-Gourhan, Hand und Wort. Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst, Frankfurt am Main 1980, S. 18 152 Christoph Meinel (Hrsg.), Die Alchemie in der europäischen Kultur- und Wissenschaftsge- schichte, Wiesbaden 1986, S. 9 153 Stichwort: Hexe, in: HDA, a.a.O., Sp. 1843 154 Hennings-Hamburg, Unsterblicher Faust, a.a.O., S. 4 155 Vgl. ebd. 156 Der Darstellung nach soll die Kabbala auf Moses zurückgehen. Jedoch formierte sie sich aus alexandrinischen Fundamenten erst im 12. und 13. Jahrhundert, vgl. Roob, Das Her- metische Museum, a.a.O., Köln 1996 157 Die Alchemie kam über Spanien in das christliche Europa im 12. und 13. Jahrhundert. Ebd. S. 25. - Die aristotelische Vier-Elemente-Theorie war Ausgangspunkt der Alchemie, wonach alles auf Erden Befindliche neu aus Wasser, Luft, Feuer und Erde zusammenge- setzt werden könne. 158 Vgl. Ulrich Gaier, Goethes Faust-Dichtungen. Ein Kommentar, Stuttgart 1990, S. 103ff 159 Ebd. S. 118 160 Mauss, Soziologie und Anthropologie, a.a.O., S. 107 161 Stichwort: Zauberei, Zauberer, in: Der kleine Pauly, a.a.O., Sp. 1460 -1471, Sp. 1460 162 Vgl. Heuermann, Medienkultur und Mythen, a.a.O., S. 162

18 Der Bilddiskurs magischen Zwecken benutzte.“163 Von der Vorstellung des Homunculus‘ schrieb Paracelsus in De natura rerum: „Daß also Menschen mögen geboren werden / ohne natürliche Vätter und Mütter: Das ist / sie werden nicht vom Weiblichen Leib auff natür- liche Weiß / wie andere Kinder geboren; sondern durch Kunst vnd eines Erfahrnen Spa- gyrici Geschicklichkeit / mag ein Mensch wachsen vnd geboren werden/wie hernach wirdt angezeigt.“ Die Formel, die Paracelsus zur Herstellung des Homunculus erdacht hatte, läßt sich in seinem Werk De generatione Rerum naturalium fin- den. Da heißt es: „Nemblich / daß der Sperma eines Mannes / in verschlossenen Cu- curbiten per se, mit der höchsten Putrefaction / ventre equuino, putrificiert werde auff 40. Tag / oder so lang biß er lebendig werde / vnd sich bewege vnd rege / welches leichtlich zusehen ist. Nach solcher Zeit wirdt es etlicher massen einem Menschen gleich sehen / doch durchsichtig / ohne ein Corpus. So er nun von diesem / täglich mit dem Arcana sanguinis humani gar weißlich gespeiset vnd ernehret wirt / biß auff 40 Wochen / vnd in steter gleicher Wärme ventris equiini erhalten: wird ein recht lebendig menschlich Kind darauß / mit allen Gliedmassn / wie ein ander Kind / das von einem Weib geboren wirdt / doch viel kleiner: dasselbige wir ein Homunculum nennen.“164 Das ‘Embryo‘ wurde aus einem Zierkürbis gewonnen, und den Wachstumsprozeß der Seele förderten Urin, Sperma und Blut.165

Die Vorstellung vom Homunculus entstammt bereits der antiken Alchemie. Um 300 n. Chr. soll der Alchemist Zosimus aus dem Schmelzprozeß von Metallen ein Kupfermenschlein transmutiert haben, das erst zu einem Silbermenschen und dann zu einem Goldmenschen wurde.166 Mit der Erzeugung eines Homun- culus befaßte sich im 13. Jahrhundert auch der Arzt Arnaldus von Villanovaun- dim. Ebenso versuchte Borel, der Leibarzt Ludwigs XIV., einen Homunculus durch Destillation von Menschenblut zu erzeugen. Robert Fludd wurde folgen- der Versuch zugeschrieben: Er destillierte Blut „und entnahm der Retorte, in der ein schreckliches Geschrei wie von einem brüllenden Löwen oder Ochsen vernommen, einen natürlichen Menschenkopf mit einem Gesicht, Augen, Nase und Haaren.“167 Durch Blutdestillation sollte der dämonische Helfer gewonnen werden. Johan- nes Wierus berichtete 1568 von einem Schulmeister, der anstatt einen Ho- munculus zu erschaffen, durch ein Versehen den Teufel „mit flammenden Augen, die Nase gekrümmt, wie ein Kuhhorn, mit langen Zähnen eines Ebers, mit Backen einer Katze“ hervorrief. Es gelang ihm jedoch, den Teufel in eine Flasche zu sper- ren.168 Einen Homunculus wollte auch Fausts Famulus Wagner in Goethes Faust II herstellen. Der Geist, der schließlich in einer Nährlösung in einem Glasgefäß saß, war freilich Mephistos Werk.

Einen besonders bemerkenswerten Versuch zur Erzeugung eines künstlichen Menschen, unternahm Simon Magus, dessen Darstellung Jacoby nach den Pseudo-Celementinischen Homilien aus dem 3. Jahrhundert auf folgende Weise beschrieb: „Er trennte durch Mord und unaussprechliche Beschwörungen eines Knaben Seele vom Leibe als Helfer für die von ihm beabsichtigen Geistererscheinungen, zeich- nete das Bild des Knaben ab und stellte es in seinem Schlafgemach auf, indem er er- zählte, daß er ihn einst durch göttliche Verwandlungen aus Luft gestaltet habe und,

163 Stichwort: Homunculus, in: HDA, Bd. VI, a.a.O., Sp. 286-289, Sp. 286. Als Homunculus wurden auch kleine Figuren aus Wachs, Brot, Pech oder Lehm bezeichnet, die einem Schadenszauber dienten. 164 Zit. n. Held, Das Gespenst des Golem, a.a.O., S. 123f 165 Die magische Verbindung von Pflanzen und Menschen griff auch Don Siegel in Invasion of the Body Snatchers (1956) auf. In diesem Film wachsen Außerirdische in Pflanzensamen als das Double ihres Opfers heran. Abel Ferrara zeigte im gleichnamigen Remake 1996, welche pflanzliche Aktivität den außerirdischen Doppelgänger erzeugt: Der Keimling saugt mit seinen Wurzeln das Opfer aus und nistet sich in der leeren Körperhülle ein. 166 Stichwort: Homunculus, in: HDA, Bd. IV, a.a.O., Sp. 288 167 Ebd. Sp. 287 168 Vgl. Faust. Ein deutscher Mann, a.a.O.

Der Bilddiskurs 19 nachdem er die Gestalt abgezeichnet, habe er ihn der Luft wiedergegeben... Er erklärte aber, daß er solches folgendermaßen bewirkte: Zuerst, sagte er, habe das Menschenp- neuma (d.i. Atem, Seelenstoff), in warme Natur (Kraft) sich gewandelt, die umgebende Luft wie ein Schröpfkopf angezogen und aufgesogen, danach, als drinnen die Gestalt des Pneuma entstanden sei, habe er sie in Wasser verwandelt; das dieses durch den Zusammenhang mit dem Pneuma auszufließen gehindert war, habe er die darin befind- liche Luft in Blut verwandelt, wie er sagte; das geronnene Blut habe das Fleisch gebil- det. Als das Fleisch fest geworden war, habe er einen nicht aus Erde, sondern aus Luft geschaffenen Menschen vorgewiesen. Und so habe er gezeigt, daß er ihn der Luft wie- dergegeben, in dem er die Verwandlungen wieder aufgelöst habe.“169

In dem beschriebenen Schöpfungsprozeß entsteht der Homunculus offenbar aus Licht. Der Vorgang erinnert an die Beschreibung einer Camera obscura, wenn der Begriff warme Natur (Kraft) durch Licht- oder Sonnenstrahl ersetzt und der Schröpfkopf, der die Luft anzieht, als ein Loch in der Wand betrachtet wird. (Das Wasser bildet darüber hinaus eine spiegelnde Fläche.) Wie eng das menschliche Abbild und die Idee vom künstlichen Menschen miteinander ver- bunden sind, scheint sich bis ins dritte Jahrhundert zurückverfolgen zu las- sen.170

B. Bilder für Ikonoklasten

Schon vor der Historia von D. Johann Fausten hatten Martin Luther, Mutianus Ru- fus und Philipp Melanchthon Faust zum warnenden Beispiel eines Schwarz- künstlers und Teufelsbündlers erhoben und ihn einen „wissenschaftlichen Spek u- lanten“ und einen „räudigen Hund, der vom Teufel geholt werde“ genannt. Melanch- thon beschimpfte ihn sogar als „Kloake vieler Teufel“171, und Luther verachtete ihn schon deshalb, weil er anders als er selbst, der auch von Satan versucht wur- de, dem Teufel nicht widerstehen konnte.172 Nach Luther war der Antichrist ein „innerer Dämon“, der die Menschen täglich „plagt in Form von Gewissensbissen“ und „fleischlichen Versuchungen“.173 Das erfolgreiche, gedruckte Buch Historia von D. Johann Fausten verbreitete nicht nur den Gedanken der Teufelsverinnerlichung besonders erfolgreich, sondern auch andere reformatorische Darstellungen wie die Ordnung der Hölle, den Preis des Paktes, und so weiter. Nach Schnei- der gründeten alle „reformatischen Grundsätze der Lutherschen Lehre (..) in der Fak- tizität des neuen Mediums: Durch Buchdruck, d.h. durch gesteigertes Reproduktions- tempo, gewann nun jeder lesefähiger Mensch Zugang zu den heiligen Zeichen.“174 Da- nach stand „die große institutionelle Revolte zu Beginn der Neuzeit - Luthers Revision der sakramentalen Semiotik - im Kontext moderner Medientheorie.“175

169 Ebd. 170 vgl. das Kapitel Lichtbild der Camera obscura 171 Es ließ sich eine Tendenz erkennen, die Vielzahl der Teufel, die man um diese noch Zeit unterschied, in eine Hierarchie zu setzen, um den mächtigsten, den einzigen Teufel - Luzi- fer - an ihre Spitze zu stellen. Noch 1569 hatte das Sammelwerk Theatrum diabolorum, ei- nen ganzen „Schwarm der Fluch -, Ehe-, Jagd-, Sauf-, Zauber-, Haus-, Kleider-, Hosenteu- fel“ als gleichwertig aufgezählt. Vgl. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 7 172 In Luthers Tischreden hieß es: „Da vber zu adent eines Schwarzkünstlers / Faustus ge- nannt / gedacht ward / sagte D.M. ernstlich / Der Teuffel gebraucht der Zauberdienst wider mich nicht / hett er nur geköndt un vermöcht schade zu thun / er hette es lange gethan. Er hat mich wol offtermals schon bey dem Kopff gehabt / aber er hat mich dennoch müssen gehen lassen“, Colloquia oder Tischreden Doct. Mart. Luthers, Eisleben 1566, Zit. n. Faust auf der Bühne, a.a.O. S. 5. Alfonso di Nola stellte heraus, daß Luther sich sein ganzes Le- ben lang von den alltäglichen Anfechtungen des Teufels bedroht fühlte. di Nola, Der Teufel, a.a.O., S. 245 173 Ebd. 174 Schneider, Luther mit McLuhan. Zur Medientheorie und Semiotik heiliger Zeichen, in: Diskursanalysen 1, a.a.O., S. 13-24, S. 14 175 Ebd. S. 13

20 Der Bilddiskurs

Bekanntlich entfachten die Reformatoren einen gewaltigen Bildersturm, der sich gegen den Fetisch- und Weisungscharakter von Bildern richtete.176 Religi- öse Bilder konnten lediglich der Belehrung von Laien dienen, allen anderen galt das gesprochene Glaubenswort als Quelle der Inspiration und Information. Wortverkündigung sollte an Stelle der Anbetung von Bildern treten. Werner Hoffmann stellte heraus: „Auf den Glauben an die Autorität des Bildes ließ Luther den Glauben an die Autorität des Wortes folgen.“177 Für die reformatorischen Iko- noklasten stand das Bibelwort vor dem Bild, und die Verkündigung wurde zur höchsten Instanz erklärt. Der Konflikt der Glaubensabweichungen brachte eine Konkurrenz zwischen Bild und Wort hervor, die eine weitgreifende Bewußt- seinsveränderung umschloß, und die nach Hoffmann in eine religiöse Kontro- verse mündete: „Es geht um Wort und Bild als Instrumente unseres Weltbegrei- fens.“178 Dem frommen Bild sprachen die Reformatoren sowohl die magischen Kräfte als auch das Vermögen ab, Gott wirklich verstehbar zu machen. Zwar wurde dem kirchlichen Bild ein kurzer frommer Augenblick zugestanden, da dieser aber nicht von Dauer sein konnte, dienten dem wahren Glauben allein das Wort und die Schrift. Aber wer Bilder zerstören muß, hängt freilich ebenso an diesen wie diejenigen, die davor auf die Knie fallen.

Die generelle Aufwertung des Wortes führte zweifellos zu Wortbildern und zur Umsetzung von Bildern in Worte. Die Grenzüberschreitungen von Wort und Bild schlugen sich wiederum in Bildern nieder, die aus Texttafeln und Bildteilen bestanden. Nach Peter-Klaus Schuster „(sichert und gewährleistet) die Nutzanwei- sung des Bildes (..) demnach das Wort. Erst durch den Text werden die Bilder zu ein- deutigen und deshalb belehrenden Bildern.“179 Luther machte das Bild – so Hoff- mann - für den Empfänger und dessen Interpretationen neu verfügbar.180 Die wichtigste Quelle für Bilder blieb die Bibel, auch wenn die Reformatoren „nur jene alttestamentarischen Bücher anerkannten, die einmal zur hebräischen Fassung gehört hatten. Die dazugekommenen, neueren Bücher (Apokryphen), die in die Septua- ginta und Vulgata aufgenommen worden waren, gehören nicht zur protestantischen Bi- bel.“181

Die Historia von D. Johann Fausten belehrte und unterhielt zugleich. Das Buch war nicht nur viel beachteter Kommunikationsträger, sondern es war geheimer Zeuge einer historischen, medialen Idee. Nach Manfred Schneider fand der Zu- sammenschluß von reformatorischer Semiotik und Medientheorie erst durch „die feierliche Eröffnung der durch bewegliche Lettern technisch möglich gewordenen Epoche der Buchlektüre“ statt und „zu lesen heißt seitdem das singuläre stumme, hypnotisierende Repetitorium schwarzer, homogener heiliger Zeichen“ zu verfolgen.182 Danach vollzog sich durch die Erfindung des Buchdrucks ein „Wandel von der Mündlichkeit, von der Rhetorik hin zur Visualität der Texte.“183 Die Historia von D. Jo- hann Fausten war nicht mit komplizierten Worten geschrieben, sondern das Buch erzählte in bunten Bildreihen von supranaturalen Mächten sowie von irdi-

176 Vgl. Luther und die Folgen für die Kunst. Eine Ausstellung der Hamburger Kunsthalle, hrsg. v. Werner Hoffmann, München 1983 177 Werner Hoffmann, Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion, in: Luther und die Folgen für die Kunst, a.a.O., S. 23-114, S. 34 178 Ebd. S. 35 179 Peter-Klaus Schuster, Abstraktion, Agitation und Einfühlung. Formen protestantischer Kunst im 16. Jahrhundert, in: Luther und die Folgen der Kunst, a.a.O., S. 115-123, S. 117 180 Hoffmann, Die Geburt der Moderne, a.a.O., S. 50 181 Roelof van Straten, Einführung in die Ikonographie, Berlin 1989, S. 89 182 Schneider, Luther mit McLuhan, a.a.O., S. 13 183 Ebd.

Der Bilddiskurs 21 scher Pracht und warnte vor den Folgen von Genuß und Wißbegierde. Folglich erschöpfte sich das Buch nicht in der Verteufelung von Wißbegier (Zeichen der Epoche), sondern es schrieb die Bestimmung des Teufelsbündlers in sequen- tierenden Bildern als ‘Sohn des Teufels‘ fest. Damit griff das Buch auf die Ur- form der Bildgeschichten zurück, wie sie in Kirchen zu sehen waren und die Stationen der Leidensgeschichte Christi und andere Geschichten schilderten. Freilich verkehrte die Historia von D. Johann Fausten die Vorzeichen.

1. Bildhafte Ordnung Die bildhafte Ordnung christlicher Symbolik läßt sich an einem Vergleich der Titelholzschnitte der beiden Bücher, Ludovicus Milichiums Der Zauber Teuffel (1566) und der ersten illustrierten Ausgabe der Historia von D. Johann Fausten (1588), zeigen.

Das Titelblatt der ersten, 1588 in Straßburg erschienenen illustrierten Ausgabe der Historia, zeigt den Ablauf der Faustgeschichte in fünf Szenen.

Abb. 4: Volksbuch vom Doctor Faust, Titelholzschnitt, Straßburg,1588

Im Mittelpunkt des Bildes steht die zentrale Szene des Paktabschlusses. Faust und Teufel begegnen sich in der Mitte des Bildes auf freiem Feld. Auf der Hori- zontlinie sind Berge, eine Burg und ein kleiner Ort zu sehen. Die Teufelsgestalt ist nur geringfügig größer als der Magier. Sie stellt einen aufrecht stehenden Ziegenbock mit Brüsten und Flügeln dar. Auf den ledernen Flügeln sind Zahlen und geometrische Formen zu sehen. Faust, im Kleid des Gelehrten, steht rechts neben der Teufelsgestalt und reicht ihr das bedeutungsvolle Schrift- stück. Die weiteren vier Szenen sind kleiner gezeichnet und in den Ecken des Blattes zu finden. Sie umrahmen den Paktabschluß und bringen im Uhrzeiger- sinn das Geschehen der Faustgeschichte wie in einem Bildroman zur Be- trachtung. Das rechte untere Bildchen zeigt Faust, der mit ausgestreckten, weit geöffneten Armen den Teufel als eine auf ihn zufliegende Flügelschlange erwartet. (1) Im Bildchen daneben ist der Teufel vor Faust gelandet. Sie geben sich die Hand. In der anderen Hand hält der Teufel ein Gefäß hoch. (2) In der Szene darüber, links oben, fliegt der Teufel mit Faust durch die Luft. (3) Im letzten Bildchen wird Faust von zwei fliegenden Teufeln, die jeweils eines sei- ner Beine festhalten, kopfüber vom Himmel geworfen. So als ob eine Bewe- gung erstarrt, entblößt der fallende Mantel seine Beine. Die Szene zeigt Fausts Höllenfahrt als Himmelssturz. (4) Diese Aufteilung der Faustgeschichte zeigt

22 Der Bilddiskurs

ähnlich einem Bilderbogen den chronologischen Ablauf der Geschichte. Die fünf kleiner und größer, zentriert oder zurückliegend, angelegten Bilder treten geradezu spiralförmig nach vorn heraus und komponieren die Narration als räumliche Struktur. Eine Bewegung im Raum simulieren auch die phantasti- schen Figuren. In gewisser Weise scheint es, als seien die Bilder in ihrem Fluß angehalten.

Auch das Titelblatt von Ludovicus Milichiums Der Zauber Teuffel (1566) zeigt ei- nen Holzschnitt von starker, jedoch völlig anders strukturierter Bewegung als das Titelbild der ersten illustrierten Ausgabe der Historia.

Abb. 5: Ludovicus Milichium, Der Zauber Teuffel, Titelholzschnitt, Frankfurt am Main 1566

Das Bild erscheint aufgewühlt von einem Sturm. Rechts im Hintergrund rührt eine Hexe in einem Topf und produziert mächtige Dämpfe. Unter den Winden des Gebräues haben sich einzelne Wolken zu Klauen geformt, die nach dem wohlbeleibten Magier zu greifen scheinen, der ungeachtet des aufziehenden Sturms, unbeirrt ein Reagenzglas mit einer winzigen, embryonalen Gestalt, ei- nen Homunculus, hochhält und betrachtet. Die winzige Gestalt ist dem Magier zugewandt. Es scheint, als blicken sie einander an und gehören zusammen. Er steht im magischen Kreis184 und hält in seiner linken Hand einen Stock, mit dem er aus dem Kreis weist. Auch auf diesem Bild ist die Teufelsfigur ein Zie- genbock. Er schleicht um Faust herum und hält in seiner rechten Klaue einen Dreizack, dessen Stielende zwischen seinen Beinen klemmt. Sein erektierter Penis stößt in die Luft. In der linken Klaue hält der Teufel dem Gelehrten einen Spiegel185 vor, der das Bild eines fäkalierenden Afters zeigt. Spiegel wurden

184 Geometrischen Figuren, insbesondere dem Kreis, wurden magische Bedeutung zuge- sprochen. In dem Titelbild ist die Wirkungssphäre des Magus auf den vom Kreis um- schlossenen Raum beschränkt. Der magische Kreis kann Feindliches ausgrenzen oder einschließen und nimmt eine Teilung in innen und außen vor. Die Besitzergreifung durch Einkreisen war ein auf Land bezogener uralter Rechtsbrauch. „In dieser Geschlossenheit und damit auch Abgeschlossenheit liegt das Hauptkriterium und die Hauptkraft es magi- schen Kreises.“ Stichwort: Kreis, in: HDA, Bd. V, a.a.O., Sp. 452-477, Sp. 463. 185 Vgl. Jurgis Baltrusaitis, Der Spiegel. Entdeckungen, Täuschungen, Phantasien, (1978) Giessen 1986. Der Spiegel ist das erste bilderzeugende Medium. Nach Baltrusaitis war Speculum eine in unzähligen wissenschaftlichen Büchern gebräuchliche Metapher, wel- che die „Vollkommenheit der genauen und vollständigen Abbildung zum Ausdruck“ brachte. (Ebd. S. 9). Ferner hatten Spiegel eine metaphysische und phantastische Dimen- sion der Verklärung, Verkennung und des Geschichtenerzählens, aber auch der metapho- rischen Wahrheitsfindung. (Die metaphorische Wahrheitsfindung wurde in der Figur Till

Der Bilddiskurs 23 häufig auf mittelalterlichen Bildern als Teufelswerkzeug dargestellt, und ein Sprichwort lautete: „Der Spiegel ist der Hintern des Teufels.“186 Hier zeigt der Teufel Faust im Spiegel den Preis, den er für ihn bereithält.

Die beiden Titelbilder unterscheiden sich in Bildelementen, Bildaufbau und der Darstellung der Hauptfiguren (die sich jedoch auf beiden Bildern leicht berüh- ren), erheblich von einander. Der frühere Holzschnitt schwelgt geradezu in Al- legorien und Symbolen. Faust agiert wohlbeleibt in feiner Kleidung - Hinweise auf seine gutsituierte Position. Seine Gewerbe als Astrologe und Alchemist werden durch das Reagenzglas und den magischen Kreis verbildlicht. Seine Tätgikeit hat den Teufel angelockt, aber dieser kann die Schwelle des magi- schen Kreises nicht überschreiten. Das Geschehnis ist trotz der dämonischen Bedrohung noch offen. Das Bild nimmt den Aspekt der ’Magie in Aktion’ auf. Das jüngere Titelbild zeichnet dagegen die Geschichte des Teufelsbündlers sachlich reformiert nach und ist von Schamlosigkeit bereinigt. Im Vergleich tre- ten allegorische und symbolische Bildelemente hervor, wie die Schlange, der Spiegel, der magische Kreis oder der Homunculus. 187 Sie gehören zur wun- dersamen mittelalterlichen Bildwelt und sind gleichsam konstituierende Ele- mente des modernen Horrorfilms.

2. Leibhaftigkeit des Teufels Das Titelblatt der illustrierten Ausgabe der Historia ist entsprechend lutherischer Bibelinterpretation von der bunten Vielfalt der Allegorien und Symbole bereinigt worden, die bei Milichiums Der Zauber Teuffel noch zu finden sind. Zwar änderte sich die Vorstellung des Teufels unter lutherischer Ägide nachhaltig, aber die sinnlich-aggressive Gestalt des Bösen ließ sich nicht - wie der Heilige Geist - entkörpern. Das Teufelsbild behielt seine substantielle Körperlichkeit. Beide Ti- telbilder stellen den Teufel als viehischen Unhold dar. Satan ist auf dem Titel- bild der illustrierten Ausgabe der Historia als Flügelschlange zu sehen und die beiden Flügelwesen, die Faust hinabstürzen, haben Schlangenbeine. Das Ti- telbild von Der Zauber Teuffel zeigt eine Schlange, die hinter Satan aus der Erde hervorkriecht. Die bildliche Nähe von Teufel und Schlange steht für die Vorstel- lung vom Teufel als Versucher und Verderber. Diese Teufelsdarstellungen las- sen sich aus der Apokalypse ableiten: „Der große Drache ward geworfen, die alte Schlange, welche Teufel und Satan heißt, der die ganze Welt verführt, ward auf die Erde gestürzt und mit ihm wurden seine Engel hinabgeschleudert.“188 Im Drachen verbarg sich der gespreizte Lindwurm, die zum Angriff aufgerichtete Flügelschlange.189

Eulenspiegel personifiziert, der Narrenkappe und Handspiegel trägt.) 186 Ebd. S. 223f 187 Das mittelalterliche metaphorische Denken entwickelte ein bildhaftes Gefüge christlicher Symbolik, welches zum festen Repertoire der Künstler wurde. Vgl. van Straten, Einführung in die Ikonographie, a.a.O. 188 Apokalypse 12, 7-17 189 Vgl. Rosenberg, Engel und Dämonen, a.a.O., S. 180

24 Der Bilddiskurs

Abb. 6: Kolorierter Bogen mit Figuren aus Doktor Faust. Ein Zauberstück in vier Akten von Ernst Siewert, Schreibers Kindertheater,1880

Christliche Mythologie setzte die Schlange nicht nur wegen ihres unheimlichen und dämonischen Wesens, sondern auch aufgrund ihres Daseins im Dunkeln der Erde, mit dem Teufel gleich. Der Boden scheint Hydra, Echidna und ande- re Erddämonen geradezu gezeugt zu haben.190

Nach Herbert Schade191 war der Kampf des Erzengels Michael gegen Satan in Gestalt eines Drachens ein zeitloses Bild.192 Schon „Babyloner und Ägypter, Chi- nesen und Mexikaner, Inder und Griechen“ beschrieben das Ringen mit dem Untier. Es kämpften „Marduk .. mit Tiamat, Siegfried mit dem Lindwurm, Georg mit dem Dra- chen und Herkules mit der Hydra“ und in vielen Märchen „bezwingen unzählige Helden unzählige Drachen.“193 Als Drache oder Drakon wurde mitunter auch ein gefährli- cher Mann bezeichnet.194 Offenbar dokumentiert das Bild ‘Mann gegen Monster‘ nichts anderes als die dauerhafte Fiktion eines immerwährenden Kampfes ge- gen übernatürliche Mächte. Folgende Miniatur aus dem Jahre 1020 zeigt den heiligen Georg, der im Begriff ist, einem Drachen eine Lanze in den Schlund zu stoßen.

190 Ebd. 191 Herbert Schade, Dämonen und Monstren. Gestaltungen des Bösen in der Kunst des frü- hen Mittelalters, Regensburg 1962, S. 30 192 Der Drachenkampf Michaels folgte antiken Vorbildern, vgl. Stichwort: Drache, in: HDA, Bd. II, a.a.O., Sp. 363-407. Dort heißt es: „Die Schilderung der Apokalypse korrespondiert mit Jesaja XXVII, I, wo Leviathan als flüchtige und gewundene Schlange bezeichnet wird, die Gott einst erschlagen werde... Sie legt zudem durch ihre Gleichung Drache-Schlange- Teufel die Erinnerung an die Paradiesschlange (Mose 5, I ff) nahe.“ (Sp. 368) 193 Schade, Dämonen und Monstren, a.a.O., S. 29 194 Vgl. Stichwort: Drakon, in: Der Kleine Pauly, Bd. 2, a.a.O., Sp. 158-160, Sp. 158. Der Name Drakon erinnert an Dracula.

Der Bilddiskurs 25

Abb. 7: Drachenkampf. Miniatur, Reichenau, um 1020

Schade hob hervor: „Oben - im Himmel - stehen zwei Engel, unten - auf der Erde und Unterwelt - befinden sich zwei Drachen... Die Darstellung ist nahezu spiegelbildlich aufgebaut: Engel und Drachen entsprechen einander. Der Künstler hat den Kampf zweimal gegeben, als wollte er sagen, der Vorgang ließe sich unaufhörlich vervielfachen.“195 Das Wesentliche des Bildes ist aber nicht die spiegelhafte, vervielfachende Darstellung, sondern die Motivverdoppelung nimmt Bezug auf Bewegung und Unendlichkeit. Damit erinnert das Bild an ein Filmbild, welches in Bewegung versetzt zeigen würde, wie Georg seinen tödlichen Stich ausführt. Satan galt als Mißgeburt, als eine widernatürliche Erscheinung, und stellte ein Monstrum196 vor. Monstren waren Mischwesen aus Tier und Mensch, zusammengesetzt aus verschiedenen realen oder phantastischen Körperteilen wie dem Horn des Einhorns oder dem Rüssel des Elefanten. Sie gehörten in die jenseitige Welt und vertraten das vollkommen Andere. Neben den Tiermenschen wurden auch Drachen seit dem frühen Mittelalter als Monstren angesehen. Sie wurden auch häufig auf Reliefs und Plastiken in romanischen Kirchen oder in zeitgleichen Handschriften und auf Gemälden abgebildet. Der Begriff Monstrum umfaßte alle supranaturalen Erscheinungen wie etwa ein Ungeheuer oder ein Scheusal. Auch die Vorstellung von einem im Meer lebenden Ungeheuer, einem dämonischen Scheusal, welches das Weltenmeer bewohnte, zählte hierzu. Es war das „Ungeheuer am Rand der Welt.“ Die bildlichen und plastischen Szenen, die „Tiere, Mischwesen, deformierte Menschen, Teufel und Engel zusammen mit Christus, den Aposteln und Heiligen“197 zeigten, waren auch häufig eingebunden in die Darstellung von Steinen und Bäumen. 198 Baummonstren - wie sie auch Hieronymus Bosch malte – entsprachen der Vorstellung von einer beseelten Natur. In China waren Monstren dieser Art schon seit altersher bekannt. Monstren mit weiblichen Brüsten, ähnlich der chinesischen Höllenfürstin, tauchten in der christlichen Dämonologie erst etwa seit dem Mittelalter auf.199 Der Teufel wurde mitunter vollbusig oder mit verdorrten Brüsten dargestellt, aber er blieb trotz seiner 195 Schade, Dämonen und Monstren, a.a.O., S. 30 196 Vgl. K. E. Georges, Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch, Hannover und Leipzig 1898, S. 465. Der Begriff Monster hat auch etwas zeigen zu tun. Monstratio bedeuet Wegweiser. 197 Ebd. S. 7 198 In Tobe Hoopers Poltergeist (1982) greifen die Äste eines alten Baumes durch die Schei- ben eines Kinderzimmerfensters und bemächtigen sich der schlafenden Kinder.

26 Der Bilddiskurs stellt, aber er blieb trotz seiner weiblichen Merkmale ein Mischwesen aus Tier und Mann.200 Monstrum hieß auch das ‘Wunder eines Menschen‘ und in die- sem Sinn, ließ es sich ableiten von monere, was soviel wie sich „erinnern, mah- nen, warnen“ bedeutete.201

Nach Schade war „die Kunst des Mittelalters .. eine Art Heilige Schrift, deren Zeichen jeder Künstler zu lernen hatte.“202 Auf Stefan Lochners Altarbild sind gleich mehre- re Teufelsfiguren als angriffslustige, animalische Monster mit Schafshörnern und Fledermausflügeln zu sehen.203

Abb. 8: Stefan Lochner, Der Weltgerichtsaltar, etwa 1440, Ausschnitt aus der Innenseite der Flügel, links und rechts, in je sechs einzelnen Bildern die Martyrien der zwölf Aposteln, 1, 20 m x 0,80 m (je Bild 0,40 m x 0,40 m), Frankfurt am Main, Städel-Institut

Im Vorgriff auf den zweiten Teil der Arbeit zeigt das folgende Kinobild aus Jacques Tourneurs Night of the Demon (1957)204 ebenfalls eine Teufelsgestalt als animalisches Monster. Die Großaufnahme am Ende des Films ist nur ein beliebiges Beispiel für den Einsatz mittelaltlicher Teufelsbilder in modernen Bildmedien.

199 Vgl. Juris Baltrusaitis, Das phantastische Mittelalter, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1985, S. 206f 200 Die Teufelsgestalt aus Mann und Tier stand den Sirenen, den phantastischen Wesen aus Tier und Frau gegenüber. Sirenen sind halb Vogel halb Frau oder halb Fisch halb Frau. Vgl. Schade, Dämonen und Monstren, a.a.O. 201 Vgl. Leslie Fiedler, Freaks, New York 1979 202 Schade, Dämonen und Monstren, a.a.O., S. 11 und S. 18. „Der Ursprung der Motive findet sich vor allem in der Patristik.“ (S. 13) 203Dem Teufel wurde zugesprochen, er könne jede Tiergestalt annehmen, ausgenommen den Gottestieren, Taube und Lamm. Vgl. Stichwort: Tiergestalt des Teufels, in: HDA, Bd. VIII, a.a.O., Sp. 833-834, Sp. 833 204 Night Of The Demon weist alle Grundzüge einer Faustgeschichte auf. Das Untier erscheint im Schwefeldunst der Hölle und verschlingt am Ende den Teufelsbündler Dr. Karswell (Niall McGinnis).

Der Bilddiskurs 27

Abb. 9: Satan als viehischer Unhold, Schlußbild, Jacques Tourneurs, Night of Demon, 1957

Nach Jurgis Baltrušaitis205 bekam Satan seinen Tiermenschkörper im späten Mittelalter zugeschrieben. Als mystische Neuschöpfung speiste sich der Glau- be an ein dämonisches Mischwesen auch aus der archaischen Vorstellung von beseelter Natur. Etwa seit dem 13. Jahrhundert tauchten Darstellungen von Teufelsfiguren mit Fledermausflügeln auf. Das Bild Satans als geflügeltes Mischwesen verweist auf die Widersprüchlichkeit der Gestalt, denn beschöni- gende Engelsflügel erinnern an seine himmlische Herkunft und seinen verlore- nen Kampf. Die christliche Vorstellung von himmlischen Engeln wurde dem antiken Götterhimmel entnommen, aus dem die Flügelwesen, die Angelos, hervorgingen, die als Götterboten zwischen oben und unten verkehrten.206 Baltrušaitis schrieb, daß der Dämon zwar geflügelt war, aber „mit den licht- scheuen Flügeln der Handflatterer“ ausgestattet wurde. Er war „ein Geist, aber ein Geist der Finsternis.“207 Etwa gleichzeitig kam die Fiktion auf, der Teufel liebe steile Felsenklüfte und dunkle Höhlen, denn das Licht des Himmels blende ihn und beraube ihn aller Macht. Ein Zackenkamm anstelle der Flügel längs des Rückgrats komplettierte das aufrecht gehende Untier. Freilich ist damit das Bild des gotischen Drachen beschrieben, welches sich mit dem Bild vom Greif, einem Phantasiewesen aus Adler und Schlange, verband. 208

Formal betrachtet scheint das mittelalterliche Monsterbild aus zwei Quellen hervorgegangen zu sein: Dies waren einerseits Schematisierungen und De- schematisierungen, die Transfigurationen hervorbrachten und andererseits führten Ausschmückungen zu figurativen Darstellungen. Häufig wurden tieri- sche Attribute einer menschlichen Gestalt zugefügt oder mehrere Tiergestalten ineinander verschoben, so daß Bilder von Chimären, Sirenen und Zentauren

205 Baltrušaitis, Das phantastische Mittelalter, a.a.O. 206 vgl. Rosenberg, Engel und Dämonen, a.a.O., S. 22f 207 Baltrušaitis, Das phantastische Mittelalter, a.a.O., S. 193 208 Ebd. S. 196. Nach Baltrušaitis vererbte „der Drache (..) seine Fledermausflügel den Grei- fen, den Basiliken, den Vogel-Sirenen und den Zentauren..., Wesen, die halb Vögel, halb vierfüßige Tiere waren, halb und halb aus Mensch und Tier gemischte Wesen, Zwillingstie- re, die sich in einem einzigen Kopf teilen mußten... einem dreiköpfigen Adler... hybriden Geschöpfen... sogar die Leihgeberin ihrer Flügel, die Fledermaus.“(Ebd.)

28 Der Bilddiskurs entstanden.209 All diese phantastischen Monstergestalten wurden einer überna- türlichen Welt zugeschrieben und magisch besetzt.

Bereits ein erster Vergleich der Titelkupferstiche der beiden Faustbücher aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts deutet auf eine Veränderung der Teu- felsvorstellung hin. Zwar nimmt das Titelblatt der ersten illustrierten Ausgabe der Historia von D. Johann Fausten (1588) - im Vergleich zur älteren Titelgra- phik Der Zauberteuffel (1566) - das animalisch Schamlose des Bösen deutlich zurück und stellt die Teufelsfigur gleichberechtigt und aufrecht neben Faust, verzichtet aber noch keineswegs auf deren tierische Merkmale. Während auf dem früheren Bild die Teufelsfigur die Beute noch animalisch umschleicht, steht sie auf dem späteren Bild Faust als aufgerichteter, gleichberechtiger Ge- sprächspartner gegenüber. Der Teufel hat offenbar sein tierisches Verhalten durch das verhandelnde Gespräch ersetzt. Die Darstellung des sprechenden und verhandelnden Teufels verweist auf ein modernes Teufelsbild und einen die Wichtigkeit des Wortes akzeptierenden Verinnerlichungsprozeß. Eigens die Verführungskraft durch das Wort, welche Macht und Magie der Sprache begreiflich macht, wurde neben animalische Gewalt und alchemistische Zau- berei gerückt und erweiterte das Teufelsbild um neue menschliche Haltungen.

Die künstlerische Darstellung Mephistopheles‘ befindet sich seit der Reforma- tion auf dem Weg zum Bild eines kultivierten Geschöpfs, das schließlich in der Romantik seine entsprechende Ausformung bekam, wie etwa in dem Mephis- toporträt Wilhelm von Kaulbachs aus dem Jahre 1836. Hier erscheint der Un- hold aus der Hölle offenbar nur noch im leichten Wind einer magischen Wolke.

Abb. 10: Wilhelm von Kaulbach, Studierzimmer (Ausschnitt) 1836

Auch dieses Teufelsbild zielt auf Bewegung ab. Mit leichter Verbeugung und Hut in der Hand zeigt es den überlegenen Auftritt des magischen Dieners, der

209 Leroi-Gourhan, Hand und Wort, a.a.O., S. 481

Der Bilddiskurs 29 ein Buch in einem Buchbeutel wie einen Körperteil mit sich führt. Er trägt den wehenden Gelehrtenmantel und nur noch das diabolische Lächeln, und sein wirres Haar lassen in ihm den alten Verführer erkennen. Indem er seinen linken Fuß vorstreckt, der mit einem modischen Schuh bekleidet ist, gibt er zu erken- nen, daß er keinen Bocksfuß mehr hat.

Das Spektrum der Mephisto-Illustrationen ist Legion und reicht von der Darstel- lung des viehischen Unholds bis zur Darstellung des gebildeten Philosophen. Dem mittelalterlichen Monsterbild steht das Bild des gebildeten Antagonisten Gottes entgegen, einem redegewandten, klugen und kultivierten Geschöpf, welches als begehrenswerter Verführer in rauschhafte Zustände entführt. Ei- genheit der Teufelsgestalt wurde seine Darstellung als Rollenspieler, Grimas- senschneider und Visagist, der – so Brittnacher - „seine Identitäten nach Belieben wechselt und sich hinter tausend Masken verbirgt.“210 Aber bei aller Kunst der Mas- kerade und selbst bei erfolgreicher Anthropomorphisierung bleiben in Teufels- bildern kleine animalische Mängel sichtbar, charakteristische Zeichen, die im- mer wieder zum Vorschein kommen, wie Teufelshörner, Teufelsschwanz oder gar der diabolische Hinkefuß. Häufig wird auf die Frage, wie der Teufel eigent- lich zu seinem Hinkebein (Diable boiteux) kam, die naive Antwort gegeben, er habe vom Himmelssturz einen lahmen Fuß zurückbehalten, oder das Hinken sei verursacht durch seinen Pferde- oder Bocksfuß.211 Gemeinhin humpelt Sa- tan wie Ödipus und dieses Makel wird in bildhaften Darstellungen nicht selten durch einen kostbaren Gehstocks unterstrichen.

Der Psychoanalytiker und Freud Biograph Ernest Jones hob in seiner Arbeit über den Alptraum, dessen Analyse er mit Verinnerlichung von Teufelsbildern in Verbindung brachte, auch Eigenschaften des Teufels hervor, welche aus nichtchristlichen Quellen stammen und Teufelsbilder bis heute beeinflussen.212 Danach war eine wesentliche Quelle in der Figur des griechischen Hirten- und Weide-Gottes Pan gefunden, den Jones als „Personifikation der Natur“ hervor- hob. Schon Pan wurde mit Bocksfüßen, Bockshörnern und halbtierischem Gesicht dargestellt. Ihm wurde zugesprochen, in Höhlen sowie an einsamen Orten zu leben und unerwartet aufzutauchen, dabei blies er plötzlich schrill auf einer Flöte (Panflöte), was für einen panischen Schrecken (Panik) sorgte.

Viele Teufelsbilder wiesen aber auch Ähnlichkeiten mit Darstellungen von Saty- ren, Waldgeistern oder dem Germanengott Thor auf. Von Thor scheint Satan seinen schlechten Geruch geerbt zu haben, der ihm als Schwefelgestank an- haftet. Seine Ausdünstung hinterließ ein arges „Donnerwetter“, was ihm den Beinamen Hammer eintrug. Die Bezeichnung scheint abgeleitet von „Thors Blitzhammer“ und ging mit der Vorstellung einher, Thor habe wie Zeus oder Wo- tan Macht über Blitz und Donner.213 Jacob Grimm hob hervor, daß Wotan, die „höchste und oberste Gottheit“ der Germanen „(..) zu einem bösen, teuflischen grau- samen Wesen (herabgewürdigt)“ wurde.214 Etymologisch wird Wuotan mit Wut in Zusammenhang gebracht, die er als Gott der Toten, besonders der gewaltsam zu Tode gekommenen, häufig zu entwickeln vermochte.215 Auch Wuotan hinkte und erinnert an Hephaisto, der „von Zeus aus dem Himmel geworfen wurde.“216

210 Ebd. 211 Stichwort: Hinken, in: HDA, Bd. IV, a.a.O., Sp. 58-61, 58 212 Jones, Der Alptraum, a.a.O., S. 76f 213 Ebd. S. 77 214 Jacob Grimm, Deutsche Mythologie (1844), Frankfurt am Main, Berlin 1981, S. 109 215 Vgl. Stichwort: Wodan, in: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, Stuttgart 31974, S. 981 216 Jones, Der Alptraum, a.a.O., S. 78

30 Der Bilddiskurs

Die Verbreitung der Teufesvorstellung im Mittelalter betrachtete Ernest Jones als Konsequenz einer kirchlichen Lehre, die alles Übel der Welt als das Werk des Teufels hinstellte. Folglich ergab sich der Glaube an den Teufelspakt aus dem vergeblichen Unterfangen durch das Gebet das alltägliche Elend abzu- schafffen. Jones vertrat die Auffasung, daß „die Ausdehnung des Glaubens an den Einfluß des Teufels, selbst bei den trivialsten Ereignissen“, so groß war, „daß man Berichte aus jener Zeit nicht lesen kann, ohne zu denken, daß Europa von einer Mas- senzwangsneurose heimgesucht wurde; die Arten seiner Einwirkung waren so zahlreich, daß sie... unter 44 435 556 Unterteufel aufgeteilt werden mußten, und ein einziges Weib, Johanna Seiler, wurde gar von nicht weniger als 100 Millionen Teufel durch Exor- zismus befreit.“217 Nach Jones spielte das mittelalterliche Teufelsbild im Konflikt zwischen Kirche, Staat und und Gesellschaftsstrukturen eine Rolle als Auslö- ser für Massenzwangsneurose und Massenhysterie, die zu den schlimmsten Formen von Hexenverfolgung führten. In seiner Analyse erscheint überra- schend pathologisches Verhalten als der mächtigste aller Teufel.

Das Böse personifizierte sich im Laufe seiner Geschichte in den verschie- densten Gestalten und nahm widersprüchliche Aspekte in Aussehen und Ver- halten auf. Die noch im Mittelalter so zahlreich auftretenden kleinen, frechen und mitunter lustigen Dämonen wurden allmählich vom bösen tierischen Un- hold, von Satan, dem Widersacher Gottes, ersetzt. Nach Freud waren Dämo- nen wesentlich „Abkömmlinge abgewiesener, verdrängter Triebregungen... Projektio- nen in die äußere Welt, (..) welche das Mittelalter mit diesen seelischen Wesen vor- nahm“.218 Das mittelalterliche Teufelsbild zeigt den Versucher als haariges Ungetüm, welches – so Freud - das Animalische und das Männliche, „ja über- männlich mit Hörnern, Schweif und großer Penisschlange“ verkörperte. Das gesamte Kapitel des „psychischen Apparates“, das von Freud seinen Platz im Es zuge- sprochen bekam, fand danach in der Teufelsfigur ein passendes Bild.219

Das Monstrum, welches das Teufelsbild hervorgebracht hatte, wurde offenbar als ‘drittes Wesen‘ der Schöpfung begriffen und zwischen Mensch und Tier placiert, um wohl die nicht-tierische Existenz des Menschen zu bezeugen. So fand der (gläubige) Mensch seine andere Gestalt und Identität im scheinbaren Gegensatz zum dämonischen Tier. Aber Luzifer kann eher als ein Leidensbru- der des Menschen betrachtet werden, denn beide haben das Paradies verlo- ren. Nach Brittnacher fand aber nur Luzifer „in seinem prometheischen Aufbegeh- ren... sein Eigenrecht und seine Menschenwürde wieder.“220 Er ist das Geschöpf, dessen große Individualität ihn zum Herrn der Hölle und zum Widersacher Got- tes gemacht hat, der wie Prometheus mit Eigenwillen und Unnachgiebigkeit Zeus herausfordert. Aus diesem „Archetyp des Rebellen“ wurde erst in christli- cher Ägide ein viehischer Unhold und schließlich ein „intellektueller Nihilist“, der „Prototyp des romantischen Poeten“, der „am Ende zum Dandy verkommt“:221

Das gesamte Spektrum der hier skizzierten Teufelsbilder ist in unzähligen Spielfilmen zu sehen, welche ihre Narration aus der Dichtomie Gut / Böse her- leiten. Alfonso Di Nola222 ging davon aus, daß sich der Mensch aufgrund „des unausweichlichen Todes und Leides auf die quälende Frage nach der Ursache des Bö-

217 Ebd. 218 Sigmund Freud, Eine Teufelsneurose im siebzehnten Jahrhundert, in: Stud. Bd. VII, Zwang, Paranoia und Perversion, Frankfurt, a. M. 1973, S. 282-319, S. 287 219 Ebd. S. 304 220 Brittnacher, Der Leibhaftige, a.a.O., S. 182 221 Ebd. 222 di Nola, Der Teufel, a.a.O., S. 14

Der Bilddiskurs 31 sen eingelassen“ und „in die beiden Gegensätze von Gut und Böse aufgespalten und auf Gott und die Epiphonie des Bösen projiziert“ habe.223 Danach erscheint das Teu- felsbild als Antwort auf die Frage nach dem Tod.

Zusammenfassung

Der Beginn der Arbeit blättert die Historia von D. Johann Fausten (1587) als ein Buch auf, welches für Leserin und Leser einen Bilddiskurs des Grauens be- reithält und eine Ikonographie des Bösen festlegt. Mit bildhaften Beschreibun- gen von magischen Zeremonien, Teufelsauftritten, Blutspakt und Höllenfahrt wurde die Grundlegung einer ganz und gar modernen Dramaturgie der Angst- erzeugung durch Horror und Splatter eingeleitet. Wie Lichtbilder erscheinen die schauerlichen Darstellungen, die zu Sequenzen entwickelt und miteinander in Verbindung gebracht wurden, so daß die Historia den Eindruck vermittelt, sie sei angelegt wie eine populäre Fernsehserie: Faust, ein frühneuzeitliches Drehbuch, in dem der Serienheld fortlaufend neue Abenteuer erlebt, die ihn in verschiedene Genres führen, beispielsweise Thriller, Komödie, Sex und Hor- ror. Es sind kommerzielle Episoden, die im 16. Jahrhundert freilich nur den bewegten Bildern folgten, die in den Köpfen der Leser abliefen. Das reformato- rische Unterhaltungsbuch Historia von D. Johann Fausten erschien bereits 1588 als illustriertes Volksbuch. Auf dem Titelblatt veranschaulicht das Gespräch zwischen Faust und Teufel den Stellenwert des Wortes im Sinne reformatori- scher Ikonoklasten.

Etwa ab Ende des siebzehnten Jahrhunderts wurde Faust als alternder Ge- lehrter dargestellt, gleichzeitig veränderte sich das mittelalterliche Teufelsbild, welches Monster, Drache oder Tiermenschwesen zeigte, zum modernen Pro- tagonisten des Bösen. Die Ur-Bilder des Phantastischen traten in der Historia deutlich aus christlicher Bildsymbolik hervor, die nicht nur die Merkmale des Teufels bestimmte, sondern sich mit einem Faustmythos verband, der die Ver- teufelung des forschenden Wissenschaftlers als Allianz mit dem Bösen aus- wies. Faust wurde zur Anschauung epistemologischer Auffassungen erhoben, und zugleich wurde aus dem Blutspakt des Wissenschaftlers die Leibhaftigkeit des Teufels abgeleitet. Die literarische Fiktion trat mit dem Anspruch histori- scher Authentizität auf - oder, wenn man anders herum das literarische Er- zeugnis als Reflex seiner Zeitumstände betrachtet, die realen Auseinanderset- zungen in Glaube, Politik und Wissenschaft wurden auf geschickte Art in ima- ginäre Verhältnisse umgemünzt. Mit den Worten Freuds läßt sich sagen, die Historia schrieb den Familienroman der Reformatoren. Es ist eine Dichtung, die maßgeblich die Beziehung zwischen Höllenfürst und Erdensohn als aggressi- ve Verschmelzung kennzeichnete, die bis heute konstituierend für die Vater- Sohn-Paare in Horrorfilmen blieb.

3. Faust Höllenzwang August Wilhelm Schlegel hielt die Erfindung des Buchdrucks für einen „Mißbrauch der Schrift“ .224 Hierzu schrieb Arthur Henkel: „Schlegel setzt in Klam- mer... Faust Bündnis mit dem Teufel - und ist damit der erste, der von einer faustischen Kultur als der Kultur der Neuzeit spricht.“225 Bücher waren - wie Michael

223 Ebd. S. 425 224 Friedrich Wilhelm Schlegel, Über Literatur, Kunst und Geist des Zeitalters, Zit. n. Arthur Henkel, Was ist eigentlich romantisch?, in: Festschrift für Richard Alewyn, hrsg. v. H. Sin- ger und B. von Wiese, Köln 1967, S. 292-308, S. 297 (Hervorhebungen D.M.) 225 Ebd.

32 Der Bilddiskurs

Giesecke226 hervorhob – Teil neuer Informations- und Kommunikationstechni- ken, die mit der Erfindung des Buchdrucks eingeleitet und gleichzeitig durch Edition und Verbreitung von Druckwerken popularisiert wurden. Danach er- schien das Buch als ein Medium, „durch das man alles erfahren und auf ewig spei- chern“ konnte.227 Das gedruckte Buch wurde schnell ein verbreitetes „Mittel der Unterhaltungskunst“228, welche „in das Stadium einer durch technische Medien angelei- teten Reproduzierbarkeit eingetreten“ war.229 Wurde Büchern schon allein wegen ihrer Funktionen als Träger und Bewahrer des Wissens eine geheimnisvolle Kraft zugesprochen, vermochte Unterhaltungsliteratur in magische Welten zu versetzen und trug den literarischen Schrecken in die eigenen vier Wände. Das Magische, das Büchern anhaftete, dem gedruckten Buch aber eigens zu- geschrieben wurde, kam zum Ausdruck in einem Gemälde, das Johann Gu- tenberg als Faust darstellte.230 Den Gedanken, Gutenberg müsse ein Magier gewesen sein, griff Friedrich Maximilian Klinger231 in seinem Roman Fausts Le- ben, Taten und Höllenfahrt (1791) auf. Auch Klinger stellte Faust als Erfinder des Buchdrucks dar und schrieb gleich zu Beginn seines Romans: „Sein erster Ge- winn war die Buchdruckerei, der zweite war schlimmer.“232 Der Roman erzählt die Geschichte des Buchdruckers Faust, der einen Pakt mit dem Teufel schließt, weil niemand seine gedruckten Bücher kaufen will. In der Tat hatte sich ja schon 1676 Dürr gegen die Unterstellung gewandt, der Buchdrucker Fust sei Faust, weil dieser „den Mönchen das Bücherschreiben genommen“ habe.233

Daß speziell alte Bücher ein dämonisches Geheimnis verbergen können, war schon in der Historia festgeschrieben worden. Nicht zuletzt hatte sich an Fausts Beispiel die Vorstellung verbreitet, daß die ‘falschen’ Bücher zum Teu- fel führten. Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts tauchten plötzlich mys- teriöse Bücher auf, sogenannte Höllenzwänge234, die Teufelsbeschwörungen enthielten. Die Angst vor dem Leibhaftigen war offenbar der Fiktion gewichen, jeder könnte sich, ebenso wie Faust, einen Teufel als Diener zaubern. Diese Höllenzwänge waren teuere Bücher, vorgeblich alte Handschriften oder Dru- cke, die in mysteriösen Symbolen oder kryptischen Zeichen abgefaßt, Zauber- sprüche zur Teufelsbeschwörung enthielten. Für die Allgemeingültigkeit von Höllenzwängen kann folgende Anekdote gelten, die dem Diener Anton Les- sings zugeschrieben wurde. Beim Anblick eines Hebräischen Buches soll die- ser geäußert haben: „Solche Krakelfüße, solche fürchterliche Zickzacke, die kann ein Mensch lesen? Wenn das nicht wenigstens Fausts Höllenzwang ist.“235 Die anti- semitische Bemerkung verweist auf die skeptische Haltung unbekannten Schriften gegenüber, die hier zusätzlich eine dämonische Zuordnung erfahren.

226 Michael Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt am Main 1991 227 Ebd. S. 300 228 Ebd. 229 Ebd. S. 329 230 Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 18 231 Friedrich Maximilian Klinger, Faust Leben, Taten und Höllenfahrt (1791), S. 9 232 Ebd. S. 14 233 vgl. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 14 234 Nach Mahal erbte Faust in den Höllenzwängen „eine bereits im Mittelalter bekannte und damals meist dem weisen Salomon zugeschriebene Gattung von magischen Schriften,“ Günther Mahal, ABC um Faust, Freiburg 1985, S. 85 235 Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 30

Der Bilddiskurs 33

Abb. 11: Praxis Cabulae nigrae Doctoris Johannis Faustii Magi celeberrimi (Handschrift), Passau MDCXII, S.4

Meist waren Höllenzwänge zurückdatiert in eine Zeit, in der Faust diese Bücher hätte besitzen oder gar verfassen können. Manchmal waren sie auch mit Er- scheinungsorten versehen, an denen der Magier gewirkt haben sollte.236 „Die Meinung, daß Fausts literarischer Nachlaß vorhanden sei, war sehr verbreitet. Die Zim- merische Chronik berichtet, daß er dem Herrn von Stauten vor seinem Tode Bücher an- vertraut habe, ‘darumb doch hernach vil leut haben geworben und daran meins Erach- tens ein sorglichen und unglückhaftigen Schatz und Gabe begert.’ Die Volksbücher nährten den Glauben, denn in den Wagner hinterlassenen Aufzeichnungen mußten ja auch die ‘Conjurationes’ stehen. Den Glauben an ein in einer alten Bibliothek aufgefun- denes Autograph berichtet Neumann.“237 Eine irrige Mutmaßung, die zu einer mitun- ter besessenen Suche nach Fausts Büchern führte. So kamen 1699 zwei Höl- lenbezwinger in die Bibliothek von Zwickau und verlangten mit schweren Dro- hungen die Herausgabe der von ihnen dort vermuteten Bücher aus Fausts Nachlaß.238 In verschiedenen Kloster- oder Kirchenbibliotheken wurden Höllen- zwänge sogar mit Ketten befestigt, da sie immer wieder entwendet wurden.239

Der Höllenzwang Imprecationes Fausti, Zwang und Hauptbeschwörung, wodurch Ich Doktor Faust, aller Welt bekañt, Teufel und Geister bezwingen und beschworen, mir zu bringen was ich gewollt... Getuckt im Jahre 1575 enthielt mindesten zwei falsche Angaben, denn er war erst 1738 gedruckt und sicherlich nicht von Faust ge- schrieben worden.240 Ein anderer Höllenzwang hielt ein naives Faustporträt für seine Leser bereit.

236 Dies waren oft Passau, Lyon oder Wittenberg. Ebd. 237 Ebd. 238 Ebd. 239 Vgl. Stichwort: Höllenzwang, in: HDA, Bd. IV., a.a.O., Sp. 258-261, Sp. 259 240 Ebd.

34 Der Bilddiskurs

Abb. 12: Höllenzwang von der Hand des Kattundruckers Johann Gottfried Böhme aus Scharplau, etwa Ende des 17. Jahrhunderts

Faust wurde hier im Gelehrtenkostüm mit schwarzer Kappe, betonten Wangen und geschwärzten Händen gezeichnet. Er galt allemal als hitziger Magier, dem die Spuren der Schwarzen Magie noch an den Händen zu kleben scheinen.241 Das Alchemistengefäß mit der Öffnung nach unten und der zu zwei Drittel ge- schwärzte Spiegel können als Beigaben des Höllenzwangs betrachtet werden.

Höllenzwänge hielten eine ganze Schar teuflischer Dämonen bereit und zeig- ten mitunter auch Bilder der zu erwartenden Teufel. Die Handschrift Praxis Ca- bulae nigrae Doctoris Johannis Faustii Magi celeberrimi zeigt eine arglose Teufels- gestalt, deren Armbewegung auf ihr plötzliches Erscheinen hindeutet. Der Auf- tritt ist infernalisch, sechs Blitze begleiten ihn. Sie weisen auf den Dämon, der so eben auf die Erde kam.

241 Immer wieder trug der faustische Wissenschaftler im Phantastischen Film schwarze Handschuhe oder hatte mißgestaltete Hände, die ihn als Teufelsbündler kennzeichneten. Vgl. u.a. die Hände des Erfinders Rotwang in Fritz Langs Metropolis (1926) oder die Hände Dr. Strangelove in Stanley Kubricks Dr. Strangelove, or: How I learned to stop worrying and love the Bomb (1963).

Der Bilddiskurs 35

Abb. 13: Praxis Praxis Cabulae nigrae Doctoris Johannis Faustii Magi cele- berrimi (Handschrift), Passau MDCXII, S. 110

Diese magischen Bücher enthalten ein phantastisches Abrakadabra und ver- trackte Zauberformeln, beispielsweise für einen dreifachen Höllenzwang. Dazu benötige der Höllenzwinger „Sigillen mit kohlschwarzem Rabenblut auf geschwärztes Jungfrauenpapier zu schreiben, und an dem Rande des neunfüßigen Zauberkreises, mit den eingeschriebenen heiligen Namen, aufzustecken bestimmten Kreis, mit den einge- schriebenen heiligen Namen, aufzustecken an bestimmtem Tage und zu geordneter Stunde, an einem einsamen ungestörten Orte, während Rauchwerke aus schwarzem Mohnsamen, Schirlingskraut, Koriander, Sumpfeppich und Safran, in ungleichem Ge- wichte zusammengesetzt, angezündet werden muß.“242 Ein anderer Höllenzwang enthielt den Zauberspruch für den Mantelflug.243 Danach mußte ein roter Mantel auf den Boden gelegt und mit magischen Zeichen versehen werden. Nachdem der Höllenzwinger das Fenster geöffnet, auf dem Mantel Platz genommen und die richtige Formel gesprochen hatte, konnte die Reise losgehen. Höllenzwän- ge überschritten zweifellos die Grenze zwischen Fiktion und Realität. Für Ma- terialien, die zu ihrer Ausübung benötigt wurden, gab es einen regen Markt. Die Annalen der Gesamten Literatur für die Geschwinde Bekanntmachung verschiedener Nachrichten aus dem Gebiete der Gelehrsamkeit und Kunst (1798) enthielten sogar Werbungen für magische Instrumente, darunter Wünschelruten, Kupferplatten, Kalenderuhren, Amulette für die Erzeugung von Mondfinsternissen sowie aller- lei Meßinstrumente und Laborutensilien. Ferner priesen sie gesamte Nachläs- se von Zauberern zum Kauf an.244

Die literarische Fiktion überschritt hier zweifellos die Grenze zur Wirklichkeit. Der irreale Prozeß hebt nicht nur die Magie von Büchern hervor, sondern macht die Höllenzwänge mit modernen Spielfilmen vergleichbar. Im Um- kehrschluß verweist fast jeder Phantastische Film, insbesondere der Horror- film, auf den magischen Stellenwert von Büchern. Dabei tritt nicht selten das magische Buch an die Stelle der Filmmagie. So griff beispielsweise François Truffaut die Magie von Büchern in Fahrenheit 451(1966) auf und stellte im kon- kurrierenden Verhältnis von Wort und Bild die Fernsehfamilie der Buchkultur entgegen. Bei Truffaut wurde das Buch zum selbstreferentiellen Äquivalent des (sprechenden) Films. Wie eng Teufel und Bücher wiederum mit Film in Ver- bindung stehen, zeigte in jüngster Zeit auch Roman Polanskis Die neunte Pforte (1999), in dem ein Büchernarr einen Pakt mit dem Teufel schließt.245

242 Horst, Zauberbibliothek, Mainz 1820-1826, II, S .86, IV, S.141, Zit. n. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 30 243 Die Handschrift war auf das Jahr 1489 datiert, erschien aber erst Anfang des 18. Jahrhun- derts. Ebd. S. 32 244 Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 40-41 245 Dem (magischen) Buch wurde im Phantastischen Film die Rolle eines Höllenzwangs zu- gesprochen.

36 Der Bilddiskurs

„Solche Gesellen müssen doch den Teufel endlich sehen.“246

C. Faust und Teufel auf der Bühne

Die Popularität der Historia von D. Johann Fausten (1587) brachte bald eine Me- dienverschiebung hervor und etwa ab 1608 fand die Faustgeschichte eine neue Aktionsform im Bühnenspiel. Das Phantastische und die Bildlichkeit der Geschichte strebten nach bühnengerechter Darstellung. Waren Faust und Teufel in der Historia noch miteinander im engen Pakt verschmolzen und Fausts Höllenfahrt der Höhepunkt der Geschichte, veränderte das Bühnenspiel ihre Begegnungsform grundlegend, wie es sich an Christopher Marlowes Fausttragödie zeigen läßt.

1. Zauberformel statt Teufelsname Nur einige Jahre nach der Historia von D. Johann Fausten lag Christopher Marlo- wes Faust-Tragödie, Tragical History of the Life and the Death of Doctor Faustus, vor.247 Marlowes Theaterstück gab der Faustgeschichte einen tragischen Touch, der sich in erster Linie aus dem ungleichen Kräfteverhältnis der Paktie- rer ergab, denn Faust stand einer unbesiegbaren Macht gegenüber und war von Anfang an zum Untergang verurteilt. Diese zwangsläufige Unterlegenheit Fausts führte beim Teufel zu Vorbehalten und er entwickelte Skrupel. Marlo- wes Stück zeichnet sich dadurch aus, daß es erstmals eine Teufelsgestalt beschrieb, die mit Skrupeln ausgestattet war. Dagegen blieb die Faustfigur dem frühneuzeitlichen Magierbild verhaftet und schon die erste Szene zeigt den widersprüchlichen Wissenschaftler, welcher ermattetet hinter seinen Bü- chern sitzt.248 Er ist allein in seinem Arbeitszimmer und läßt sich über die wis- senschaftliche Eitelkeit aus. Das Studium Aristoteles‘, Galenus‘, des corpus juris und der Vulgata brachte ihn den Geheimnissen des Lebens keinen Schritt näher, folglich studiert er magische Schriften. Hierin fand er die Formel, mit der er den Teufel herbeirufen konnte. Marlowe ließ Faust Mephisto fragen, kurz nachdem er erschienen war:

„Faust: Did not my charge thee to appear to me? Meph.: That was the cause, but yet per accidens.“249

Bei Marlowe benutzt Faust eine Formel, um den Teufel herbeizurufen, in der Historia hatte er noch den Namen des Teufels kennen müssen. An die Stelle der persönlichen Anrufung trat nun eine abstrakte Formel, also eine theoreti- sche Idee, so daß sich die imaginäre Beziehung der Protagonisten ganz au- tomatisch in ein symbolisches Verhältnis verwandelte.

Auch bei Marlowe ging Faust den Pakt wohlüberlegt und mit kaltem Herzen ein. Er schrieb sogar den gesamten Vertrag mit seinem Blut. Als das Blut zu gerin- nen begann, wärmte es Mephisto in einer Feuerpfanne und er schrieb zügig

246 Historia, a.a.O. 247 Christopher Marlowe, The Tragical History of Doctor Faustus 1642, ed. by, Frederick Samuel, Boas, New York 1966 sowie Christopher Marlowe, Doktor Faustus. Tragödie in 5 Akten. Deutsch von Alfred van der Velde, Frankfurt am Main 1960. Marlowes Fauststück wurde auf 1588/89 oder 1592 datiert. Eine englische Übersetzung der Historia von D. Jo- hann Fausten diente ihm wahrscheinlich als Grundlage. Vgl. Walter F. Schirmer, Nachwort zu Marlowe, in: Ben Jonson, Dr. Faustus. Der Alchimist, Frankfurt 1961, S. 189 -193 248 Nach dem Prolog folgt die Studierzimmer-Szene. Die Handlung wird von einer starken Faustgestalt zusammengehalten. Fausts Schlußmonolog folgt die Spektakelszene und der Epilog. 249 Marlowe, The Tragical, a.a.O., S. 71

Der Bilddiskurs 37 weiter. Der so bereitwillig aufgesetzte Pakt ließ Faust zwar gewissenlos er- scheinen, aber seine Bedenken äußerten zwei Engel, wovon der eine als good angel, der andere als bad angel an seine Seite traten. Ihre Appelle veranschau- lichen seine Gespaltenheit:

„Bad Ang. Go farward, Faustus, in the famous art.“ Good Ang. Sweet Faustus, leave that execrable art.“250

Die himmlischen Agenten stellen nichts anderes dar, als eine Auslagerung und Personifizierung der bereits in der Historia angeführten Spaltung Fausts. Es ist der Widerspruch zwischen dem braven Theologen und dem neugierigen Na- turwissenschaftler. Entgegen den unüberwindlichen Gegensätzen der Paktie- rer knüpfte Marlowe ein sprachliches Band zwischen ihnen, denn er kleidete ihre Debatten in Verse, im Gegensatz zu den Gesprächen zwischen Wagner und den Studenten.251 Die Versform verweist zwar wiederum auf ihre Abhän- gigkeit, aber diese kann nicht mehr als imaginär betrachtet werden. Folglich war auch Fausts Tod durch die blutige Höllenfahrt nicht länger Konsequenz ih- rer aggressiven Verschmelzung, sondern sie wurde dramaturgisches Mittel. Der grausame Höhepunkt des Stückes entsprach Elisabethanischer Gewalt- auffassung. Rüpelszenen und blutigen Querelen ließen sich in allen, beson- ders auch in Shakespeares Stücken finden. Bei Marlowe schienen Wollust und Schmerz auffallend evident zu sein und die blutige Höllenfahrt wurde zur Fikti- on ewiger Verdammnis.252 Hans Meyer bemerkte, daß Marlowe Faust zwar aus der didaktischen Ecke der Reformatoren herausgeholt hatte, aber daß er ihn auch nicht vor der Höllenfahrt rettete, allerdings fand diese ganz „ohne Häme“ statt.253 Mit seiner Faustbearbeitung zeigte Marlowe durchaus Verständnis für den neugierigen Wissenschaftler, der mit dem Teufel paktierte, um das Ge- heimnis des Lebens kennenzulernen. Kreuzer beschrieb Marlowes Verhältnis zu seiner Tragödie als „ein gutes Stück auktorialer Selbstdarstellung; im Werk pro- testiert hier ein geborener Rebell gegen den Mangel an eigenen Freiräumen“.254 Danach „bewunderte“ Marlowe Faust sogar.

250 Ebd. S. 81 251 Nach Hans Mayer war die Tragödie ein „echtes Erzeugnis der elisabethanischen Drama- tik: Blankverse in den Auseinandersetzungen zwischen Faust und Mephistopheles, Prosa- gespräche zwischen den Studenten und Wagner.“ Mayer, Faust und Don Juan, a.a.O., S. 19 252 Mario Praz, Liebe, Tod und Teufel, die schwarze Romantik, (1948) München 1960, S. 42 253 Mayer betonte, die „atheistische Züge sind unverkennbar und haben möglicherweise dazu beigetragen, Marlowes Leben jäh zu verkürzen.“ (Marlowe wurde noch vor der Aufführung des Dramas, 1594, ermordet.) Mayer, Faust und Don Juan, a.a.O. S. 19 254 Kreuzer, Medien, a.a.O., S. 58

38 Der Bilddiskurs

„Da habt ihr’s nun! Mit Narren sich beladen Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.“ 255

2. Teufel und Lustigmacher Wie eng Horror, Tragik und Komik zusammenhängen und Lustempfindungen nicht nur durch zum Lachen reizende Komik erzeugt werden, zeigt der Weg, den die Tragical History auf der Bühne nahm. Mit englischen Wanderschauspie- lern gelangte Marlowes Fausttragödie wohl Anfang des 17. Jahrhunderts auf das Festland zurück und wurde 1608 in Graz gezeigt.256 Die ausländischen Komödianten kamen aber offenbar mit dem trübsinnigen Stück in englischer Sprache nicht besonders beim Publikum an. Den eigentlichen Durchbruch verdankte das eher ennuyante Drama dem Einfall, eine komische Figur in die Geschichte einzubauen. Dies war mitunter der komische Diener, der mit dem Namen „Pekel auf den Pickelhering der englischen Komödianten hinweist.“257. Fausts Pathos setzten die Schauspieler den Pickelhering entgegen. Er trat meist in der Rolle als Fausts Bediensteter auf, den Famulus Wagner eingestellt hatte, und vertrat den „gesunden Menschenverstand des mutterwitzigen Dieners.“258 Der Erfolg war so durchschlagend, daß 1683 bei Neumann zu lesen war, Faust wird „viel- mahl auffs Theatrum gezeigt“.259 Auf einem Theaterzettel einer Faust Aufführung des Volksschauspiels 1688 in Bremen heißt es: „Heute Freitag, dem 18. Mai wer- den die Sächsischen Hoch-Teutschen Comoedianten auf ihren Schau-Platz das unver- geßliche und weltbekannte Stück präsentieren / genannt: Das Leben und Todt des gro- ßen Zauberers D. Johannes Faustus Mit vortrefflicher Pickelhärings Lustigkeit von An- fang bis zum Ende“.260

Der Name Pickelhering für den elisabethanischen Clown wurde abgeleitet vom englischen Pickleherring, das soviel viel Pökel- oder Salzhering bedeutet.261 Der spaßige Name hat ähnlich wie der des Hans Wurst oder des französischen Lustigmachers Jean Potage (Hans Suppe) einen eindeutigen Bezug zum Es- sen, sieht man einmal von der psychoanalytischen Bedeutung des Fischs als Phallussymbol völlig ab.262 Hans Wurst, Jean Potage und Pickelhering kann ei- ne regressive orale Geltung nicht abgesprochen werden. Ihre vielsagenden Namen verbinden ein gefragtes Nahrungsmittel und eine burleske Theaterfigur miteinander. Eine Verdichtung, die aus psychoanalytischer Sicht auf ein infanti- les Begehren verweist, das im Mittelpunkt der unbewußten Wunschökonomie der Triebstruktur steht. Die völlige Befriedigung des leiblichen Wohls durch reichliches Essen und Trinken ist stets verbunden mit einer zentralen Lust- empfindung, die dem befreienden Lachen, das der Lustigmacher herbeiführen

255 Goethe, Faust II, V. 6564-6565 256 Englische Komödianten spielten seit 1592 in Deutschland. Ein Spielplan von 1608 weist das Stück Doctor Faustus aus, gespielt von englischen Komödianten. Vgl. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 48 257 Ebd. 258 Ebd. S. 50 259 Zit. n. ebd. 260 Mahal, ABC, a.a.O., S. 75 261 Mit dem Lustigmacher wurde Robert Reynolds, Schauspieler der Truppe ‘Queen Anne’s Men‘ in Verbindung gebracht. Die Truppe trat von 1616 bis etwa 1640 in Deutschland auf. Vgl. Stichwort: Pickelhering, in: Theaterlexikon, hrsg. v. Henning Rischbieter, Zürich und Schwäbisch Hall 1983, Sp. 1004. Die ‘Erfindung‘ der Figur des Pickelherings wurde auch John Greenes englischer Wanderbühne zugeschrieben. Vgl. Stichwort: Narr (Helga Ettl), in: Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, hrsg. v. Manfred Braun- eck und Gérard Schneilin, Reinbek bei Hamburg 1986, S. 614-618. (Vermutlich entstanden mehrere komische Figuren gleichzeitig.) 262 Vgl. Sigmund Freud, Die Traumdeutung (1900), Stud. Bd. II, Frankfurt am Main 1975

Der Bilddiskurs 39 kann, in nichts nachsteht.263 Die Namen beinhalten per os also mehr als fol- gender Theaterzettel kundtut, der in dem lethargischen Verhalten des „Salzbur- ger Bauern Hans Wurst mit seiner Wurstigkeit des ewig Egalen“264 eine Erklärung vorschlägt. Allerdings ist ein gesättigter Mensch - insbesondere ein reicher Bauer, der über genügend Essen verfügt - auch meist zufrieden, ihm kann vie- les egal sein und er kann sich über einiges hinwegsetzen und lustigmachen.

Hans Wurst wiederum kann mit dem akrobatisch-beweglichen Arlequin oder dem Crispin verglichen werden.265 Wie eng die komische Figur mit dem Teufel verbunden ist, läßt sich in der Etymologie des Namens Harlekin aufzeigen. Be- reits 1362 trat ein Teufel namens Harlekin im Spiel von der Blätterlaube von A- dam de la Halle auf. Im Altfranzösischen war Harlekin der Name des Herrn des wilden Totenheeres.266 Die mittelalterlichen Lustigmacher galten stets auch als unheimlich, denn in ihrem Aussehen und Benehmen verkörperten sie mitunter albdruckhafte Dämonen. An all diesen Gestalten ist bemerkenswert, daß ihre „männlichen Züge... mitunter betont männlich-geschlechtlich dargestellt worden sein dürften.“267 Leopold Schmidt verfolgte den Weg von Meister Hemmerlin zu Kas- perl. Danach wurde Kasperl im Scherz zum Teufel und tatsächlich wurde der Teufel in einem Hexenprozeß ‘Käsperl’ genannt. Aus Kasper wurde Hans ab- geleitet und verbindet sich wieder mit ‘Popanz‘. Es läßt sich eine Sprachlinie konstruieren, die Teufel, Geist und Popanz verbindet.

Aber auch das bizarre Äußere der komischen Figur verweist darauf, daß sie einige unverkennbare Merkmale und in gewisser Weise sogar charakteristi- sche Wesenszüge des Teufels erworben hat. Ähnlich all seinen erheiternden Artgenossen trägt Pickelhering eine skurrile Kopfbedeckung, auf der mitunter prachtvolle Federn oder Pelztierschwänze prangen.268 Unter dem augenfälligen Hut ist seine groteske Maske meist derb. Er hat vielfach eine ausgeprägte Langnase und aufgeworfene Lippen, trägt auch mitunter eine schwarze Halb- maske aus Stoff oder ein weiß geschminktes Gesicht. Daneben ist ein weite- res Accessoire der Narrenstab, ein Stock, eine Pritsche oder ein ähnlicher Ge- genstand, den er in der Hand trägt. Dem königlichen Zepter entgegengesetzt schwingt er einen simplen Holzstab, der ihm mitunter auch als Gehstock dient. Wie der Zepter verkündet der Stab seine (phallische) Macht. Muß der Stock

263 Helmut Asper erklärte im Gegensatz zu Friedrich Johann Fischer, der den Namen Hans- wurst aus Fastnachtsspielen Ende des 17. Jahrhunderts ableitete, in denen mitunter eine Wurst das männliche Glied symbolisierte, nichts deute auf einen „phallisch-kultischen Sinn“ hin. Der Name ließe „sich nicht in vegetativ-kultischem Sinn interpretieren... Die frü- hesten Belege für Hans Worst oder Wurst bieten die Familiennamen.“ Helmut Asper, Hanswurst, Emsdetten 1980, S. 1-2. Als Lustigmacher taucht Hans Worst zum erstenmal 1519 in der niederdeutschen Übersetzung Narrenschiff von Sebastian Brant auf. „Auch Lu- ther benutzte den Ausdruck in der ‘Vermahnung an die Geistlichen’ (1530) und in der Streitschrift ‘Wider Hansworst’ (1541)“, Jochanan Ch. Trilse-Finkelstein, Klaus Hammer, Lexikon Theater International, Berlin 1995, S. 565 264 Faust auf der Bühne, a.a.O. 265 Ebd. 266 Vgl. Wörterbuch der Theaterwissenschaft, a.a.O., S.170 267 Leopold Schmidt, Dämonische Lustigmacher im deutschen Puppenspiel des Mittelalters und früher Neuzeit, in: Zeitschrift für Volkskunde Jg. 56, (1960) S. 226-235, S. 227f 268 Kopfbedeckungen sind für Clowns geradezu obligatorisch: Spitzhut oder Zuckerstockhut trägt Pulcinella, eine Tellermütze hat Pierrot oder Brighella auf dem Kopf, einen Zweispitz findet man bei und einen Krempenhut bei Zanni. Auf dem Hut sind meist unter- schiedliche Verzierungen befestigt. Das Spektrum reicht von Hahnenfedern oder Pfauen- federn bis zu Fuchsschwänzen und Hasenschwänzen. Vgl. Ettl, Stichwort: Narr, a.a.O., S. 614

40 Der Bilddiskurs vielleicht eine Gehbehinderung ausgleichen269, der hohe Hut Hörner verdecken und später die schwarze Maske die groben Gesichtszüge einer tierischen Her- kunft verbergen?

Die unverkennbaren Merkmale des mittelalterlichen Teufelsbilds paßten sich dem derben Possenreißer an. Die skurrile Gestalt steht in einem charakteristi- schen Verhältnis zu Magus und Teufel, wie folgender sehr schematisch skiz- zierter Weg zeigt. Er beginnt mit den archaischen ‘Veräußerungen’, die den Menschen im Konflikt mit den Naturgewalten ins wilde Tierkostüm drängten und einen mächtigen Medizinmann als Vermittler zum Unerklärlichen erwähl- ten. Zentrale Grundzüge dieses archaischen Geschehens assimilierten ins christliche Teufelsbild. Die dauerhaften Lebenswidersprüche, die sich im reli- giösen Empfinden manifestieren, suchen fortgesetzt anschauliche Aus- drucksmöglichkeiten. Die theatralische Darstellung des ewigen Kampfes mit den unberechenbaren Naturgewalten und repressiven Herrschaftsverhältnis- sen fand durch elisabethanische Wanderschauspieler eine neue Kunstform auf der Bühne. Dabei bedienten sie sich der Figur des wißbegierigen Magiers, der einen Pakt mit dem Teufel schloß, und schufen eine komische Abspaltung aus beiden Figuren. Mit Pickelhering fanden Magus und Teufel im Theater eine neue Plattform.

Pickelhering war der Publikumsliebling und er ließ weder Faust noch Teufel in Ruhe. In der Konfrontation mit Doktor und Dämon verkörpert er die Freilegung und Erfüllung von Neugier, Lust und Befriedigung. Wünsche, für deren Erfül- lung sich Faust dem Teufel verschrieb und zur Hölle fahren mußte, befriedigt der Lustigmacher ganz nebenbei. Er überlebte stets, obwohl er den Teufel flei- ßig neckte und sich über das eifrige Streben Fausts belustige. Seine Bauern- schläue war der faustischen Genialität und der Teufelsmacht überlegen. In der komischen Figur verbirgt sich aber weitaus mehr als Günther Mahal ihr zu- sprach: „Lieber auf dem Boden bleiben, sich bescheiden, die eigenen Möglichkeiten nicht überreizen und sich ja nie mit höheren Instanzen einlassen.“270 Der Lustigma- cher trat schon in der Antike auf und vergnügte die Zuschauer im Laufe der Zeit als Tölpel, gerissener Intrigant oder auch als geprellter Teufel mit derben Spä- ßen. Er gehört zu einer langen Theatertradition und seine Rolle ist meist im- provisiert, aber seine Eigenschaften sind durchaus festgelegt: Er hat eine rie- sige Freß-, Sauf-, Prahl-, Spott- und Geschlechtslust. Erwartungsgemäß ver- kündet er mit hoher Kappe und Emblem seinen Wunsch nach Vergrößerung und Anschwellung, mit Pelzschwanz oder Federbusch verweist er auf Man- neskraft und Sexuallust. Während seine immense Schamlosigkeit im tieri- schen Antlitz verschwindet, schwingt er den immer verfügbaren Phallus als Stecken durch die Luft.

Verstanden als eine Abspaltung Fausts, verkörpert der komische Held den Part der Freiheit und bietet dem Publikum (auf dessen Seite er steht) eine Chance, dem Teufel zu entkommen. Indem die Zuschauer Teufel und Faust verlachen, entladen sich ihre verborgenen Ängste und momentanen Anspannungen, denn durch den befreienden Lacher fühlen sie sich nicht mehr länger (übernatürli- chen) Mächten ausgeliefert.271 Gleichzeitig scheint die Gefahr gebannt, die von

269 Einen auffälliger Gehstock trug die Teufelsgestalt Louis Cyphre (Robert de Niro) in Alan Parkers Angle Heart (1986). In Angle Heart schloß ein Soldat einen Pakt mit dem Teufel. (Der Gehstock kennzeichnet nicht nur in Horrorfilmen den Bösen.) 270 Mahal, Faustmuseum, a.a.O., S. 63 271 Die vielen Filmkomödien, die zu Beginn der Filmgeschichte entstanden, befreiten durch Lachen mitunter von den widersprüchlichen Gefühlen, die mit den Filmvorführungen ein- hergingen.

Der Bilddiskurs 41

Magie und Wissen ausgeht und der sich die einfachen Leute ausgeliefert füh- len. Der Lustigmacher ist aber auch die Figur auf der Bühne, die beobachtend und kommentierend der Geschichte folgt und sich dabei sowohl teilnehmend wie distanziert verhält (wie das Publikum selbst). Die komische Figur über- nimmt auch die Funktion des Kommentators. Sie ist ganz offensichtlich die dritte Hauptperson der Faustgeschichte, denn, „daß Hans Wurst nicht nur in sei- nen Hauptszenen als komischer Lazzi, den Anteil an Faust lahmlegte, beweist die Tat- sache, das er der Träger der eigenen parodistischen Handlung werden konnte“.272 Mehr noch: Er beanspruchte einen eigenen (Spiel-)Raum, den er vor allem in der „Wiener Haupt- und Staatsaktion und in der italienischen Commedia dell’ Arte... geltend (machte)“.273 Eine so starke Figur spielt mitunter die anderen an die Wand. Auf jeden Fall tritt sie durch ihre unberechenbaren Aktionen in das Verhältnis der Paktierer ein, die ständig neue Standpunkte illustrieren müssen. Der Lustig- macher – die fleischgewordene magische Formel - löst das imaginäre Verhält- nis zwischen Faust und Teufel (Höllensohn und Höllenvater) auf. Zwischen ihre imaginäre Gewaltbeziehung tritt die komische Figur. Sie ist so gesehen ein Fe- tisch, der gleichzeitig die beiden Protagonisten miteinander verbindet und sie voneinander trennt.274

Harlekin steht etymologisch im Spannungsfeld von Tod und Teufel. Pickelhe- ring tritt als Abspaltung von Faust und Teufel auf. Die komischen Figuren auf der Bühne verlachten Tod und Teufel. Sie verkörpern das pure Lustprinzip und mit ihnen genoß das Publikum die Schrecken, welche an dem Dämon hafte- ten. Mahal275 stellte heraus, daß die beträchtliche Popularität des Pickelherings im Fauststück über einen langen Zeitraum erhalten blieb und auch während des dreißigjährigen Krieges nicht abnahm. Das Publikum schien durch die Schrecken des Krieges nicht mehr angerührt vom schaurigen Tod des Ma- giers. Für die Darstellung von Gewalt und Horror stellte die komische Figur of- fenbar ein Art Transfer der grausamen Wirklichkeit dar, denn der Lustigmacher hielt für die Zuschauer einen Lacher bereit und damit einen kurzen befreienden Moment.

Die Faustgeschichte verbreitete sich etwa zwischen 1600 und 1750 nicht nur durch die populären ‘Volksbücher‘ und die Wanderbühnen, sondern auch durch das Faust-Puppenspiel.276 Handpuppentheater gab es in Europa etwa seit dem zwölften Jahrhundert, während sich das Marionettentheater offenbar erst im siebzehnten Jahrhundert verbreitete.277 Von der bunten Vielfalt der un- terschiedlichen Faust-Puppenspiele und ihrer großen Popularität sind nur we- nige Zeugnisse erhalten, da die Stücke mündlich und per Darstellung überlie- fert wurden. Aus dem süddeutschen Raum stammen eher katholische und aus dem norddeutschen Raum eher protestantisch gefärbte Varianten. Im ge- neralisierenden Puppenspiel wurde mit der Anfertigung der Puppen eine fest- schreibende Typisierung der Figuren vorgenommen. Die Teufelspuppe war meist rot-schwarz, hatte ein grob geschnittenes Gesicht und entstellende Hör- ner. Als Handpuppe war der Leibhaftige, wie es Brittnacher über die Verände-

272 Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 42 273 Ebd. 274 J.-B. Pontalis, Einleitung, in: J.-B. Pontalis (Hrsg.), Objekte des Fetischismus, Frankfurt am Main 1972, S. 7-24 275 Mahal, Faustmuseum, a.a.O. 276 Ebd. S. 62 277 vgl. Gerd Eversberg, „Ombres chinoises“. Zur Geschichte eines Medienspektakels seit dem siebzehnten Jahrhundert, in: Zur Mobilisierung des Sehens. Zur Vor- und Frühge- schichte des Films in Literatur und Kunst, hrsg. v. Harro Segeberg, München 1996, S. 45- 68, S. 46

42 Der Bilddiskurs rung der Teufelsgestalt im allgemeinen schrieb: „Eigentümlich unbedrohlich: Eher Kinderschreck als Heilsbedroher, eher Jahrmarktskuriosum als Gottes finsterer Gegen- spieler... Der mittelalterliche Fratzenteufel ist nur noch der simia dei (Affe Gottes), ein geduldeter Quälgeist, der Gottes Überlegungen niemals gefährdet.“278

Die Faustpuppe war meist eine äußerst ungepflegte Erscheinung, da der Ma- gier sich die vertraglich festgesetzten vierundzwanzig Jahre weder die Haare kämmen, waschen oder schneiden, noch die Fingernägel kürzen durfte.279 Aber trotzdem erscheint er den anderen als ein besonders begehrenswerter und schöner Mann. Ein Widerspruch, der sicherlich nicht nur für eine wunderbare Komik sorgte, sondern auch eine magische Verjüngung einschloß, die hier auf phantastische Weise in ihn hinein gesehen wurde. Mit ihrem wirren Haar- und Bartwuchs erinnert die Faustpuppe nicht nur an Murnaus Faust in Faust. Eine deutsche Volkssage, sondern die Darstellung wurde zur Ikone des vom Teufel heimgesuchten Wissenschaftlers schlechthin, dem die Haare wie Einstein zu Berge standen.280

Das Puppenspiel miniaturisierte und schematisierte den phantastischen Bilddiskurs und machte ihn beliebig reproduzierbar. Ohne großen Aufwand konnte das zauberische Geschehen inszeniert werden, denn die Puppenbühne war keineswegs wie das Theater der Einheit von Zeit, Ort und Handlung verpflichtet. Mit großer Leichtigkeit ließ sich das Erscheinen und Verschwinden des Teufels spektakulär wiederholen, dabei flog der Teufel mitunter schneller als ein Gedanke hin und her. Das hatte mitunter zur Folge, daß der Teufel, sobald Faust an ihn dachte, auf der Stelle vor ihm stand.281 Ebenso waren die vielen Abenteuer, die Faust mit dem Teufel erlebte kein Darstellungsproblem. Die Flüge auf Mephistos Mantel waren für die geschwinden Puppen keine Schwierigkeit, denn Reisen durch Zeit und Raum konnten leicht ins (bewegte) Bild gesetzt werden. Folglich wurde die mit beachtlichen Tricks, optischen und akustischen Effekten, inszenierte Höllenfahrt zu einem spektakulären Höhepunkt des Puppenspiels. Auf der Puppenbühne ging es ganz anders zu als bei den gleichzeitigen theatralischen Bühnendarstellungen. Während der dramatische Aufbau des Stücks bei Christopher Marlowe die Spannung hoch hielt, weil der erschreckende Teufelsauftritt zurückgehalten wurde, begannen die Puppenspiele meist sofort mit der Darstellung „der flammenden Hölle und gibt die schrecklichste Figur des ganzen Dramas, den Höllenfürsten Pluto, in der ersten Minute preis, samt dem gruseligen Totenfährmann und allerlei teuflischen Scheusalen“.282 Das Puppenspiel hielt mit großem Vergnügen an der Vielteufelei fest und zog die zahllosen, auch lustigen Teufel des Mittelalters dem einzigen schrecklichen der Reformation vor. Von Beginn an waren Faust und Teufel im dynamischen Puppenspiel voll in hi rem Element und bedienten sich einer phantastischen Magie. Im auf Schnelligkeit und Rasanz angelegten Pu p pentheater trat der ag i le Faust oft bei Donner und Blitz mitten in der Nacht 278 Brittnacher, Der Leibhaftige, a.a.O., S. 181 279 Vgl. Reinhard Runge, Das Faust-Mephisto-Motiv in deutscher Dichtung, Düren 1933, S. 9 280 Die über lange Zeit nicht geschnittenen, auffällig langen Fingernägel werden im Horrorfilm zu einem unverwechselbaren Attribut Draculas und anderer Teufelsgestalten. 281 Karl Simrock zeichnete 1846 das Puppenspiel Doktor Faust oder EX Doctrina Interitus. Das ruchlose Leben und erschreckliche Ende des bekannten Erzhexenmeisters“ auf. Runge stellte heraus, daß „Fragen nach Geschwindigkeiten... kein Eigenbesitz des Faust- stoffes sind.“ Er verwies auf die Materialsammlung von Reinhold Köhler „Schnell wie der Gedanke“, in: Euphorion I., S. 47-51. Runge, Das Faust-Mephisto-Motiv, a.a.O., S. 9 282 Otto Kreamer, Das Lieblingsstück der Puppentheater, in: Ansichten zu Faust, hrsg. v. Gün- ther Mahal, Festschrift Karl Theens zum 70. Geburtstag, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1973, S. 29-45, S. 30. Der Katalog Faust auf der Bühne stellte heraus, daß einer der Teufel, die Pluto benannte, dazu bestimmt war, Faust zu verführen. Die Eingangsszene des Puppen- spiels wurde der Laster Galerie von Teufeln des mittelalterlichen Dramas entnommen. (a.a.O., S. 49)

Der Bilddiskurs 43 le Faust oft bei Donner und Blitz mitten in der Nacht auf, war sofort umringt von einer Schar riesiger, schauerlicher Teufel, schwang den Zauberstab und rief „lateinische Beschwörungsformeln“ aus.283 Das Faust-Puppenspiel nahm in seiner Darstellungsform und in der theatralischen Gestaltung der special effects eine visuelle Erfahrung vorweg, die der des Kinos nahekommt.

In einem Straßburger Faustpuppenspiel von 1847 wurde die Kasperlpuppe als Gegenpol zur Faustpuppe besonders herausgestellt. Kasperl, die zur Puppe erstarrte Verkleinerung der komischen Figur, wurde die eigentliche Hauptfigur des Puppenspiels. Mit ihr entstand ein völlig neues Unterhaltungsmedium.284 Im Kasperltheater kam wiederum Faust ganz groß heraus. So wurde etwa im Geißelbrechtschen Puppenspiel Kasperl von Wagner als Fausts Diener einge- stellt.285 Folgender absurder Dialog zeigt die enge Verbindung zwischen Kas- perl und Hans Wurst, der seine Lust im Namen trägt, und der - wie die einfa- chen Leute - Essen und Trinken bevorzugt und mit den Gelehrten nicht viel am Hut hat:

„Kasper: Wer ist denn ein Herr? Wagner: Mein Herr ist ein Professor. Kasper: Was. Ein Brotfresser? Der bin ich auch. Wagner: Ei, ei! Du verstehst nicht recht, ein Professor ist soviel wie ein Gelehrter. Kasper: O! Ausleeren kann ich auch, alle Gläser, wenn was drin ist.“

Einmal als bockiger Diener eingestellt macht Kasperl, was er will. In einem an- deren Puppenspiel geriet er zufällig an einen Höllenzwang, entdeckte die ma- gische Formel und erkannte ihre dramatische Wirkung. Nun zauberte er un- verdrossen den unwilligen Teufel hin und her: „Perlicke und perlocke... die Teufel erscheinen und verschwinden.“286 Die gescheuchten Höllengeister kamen so außer Atem, daß sie sich nicht in der Lage sahen, Kasperl den Hals umzudrehen. Das große Kapitel und die lange Geschichte vom „Fort und Da“287 wurde hier in Szene gesetzt. Das Immerwiedertun, das aus grausamen Erfahrungen eine Alltäglichkeit werden läßt, findet sich in diesem Spiel wieder.288 Ob das Kasperl- theater durch Faust entstanden ist oder seine Geschichte das „Lieblingsstück

283 Kreamer, Das Lieblingsstück, a.a.O., S. 30 284 Dem Schauspieler Johann LaRoche (1745-1806) wurde die Erfindung der Kasperlfigur zugeschrieben. Kasper war eine Figur in einem volkstümlichen Lokalstück (Altwiener Volkskomödie) und ging aus dem Barockdrama hervor. Vgl. Wörterbuch der Theaterwis- senschaft, a.a.O., S. 170 285 Faust. Ein deutscher Mann, a.a.O., S. 52 286 Kreamer, Das Lieblingsstück, a.a.O., S.30. Perlicka, Perlacka ist der Titel eines von Joh. E. Rabe aufgeschriebenen Hamburger Handpuppenspiels und gleichzeitig das Zauberwort, mit dem Kasperl den Teufel aus der Kiste heraus- und wieder hineinzaubert. Perli-Perlà bedeutete in italienischen Komödien soviel wie „einmal hier, einmal da“. Perlippe- Perlappe fand im Faust-Puppenspiel ebenso Anwendung wie Berliques-Berloques im französischen Marionettentheater. „P.P. ist letztlich wohl ein als Zauberspruch fixiertes Laut- und Silbenspiel, ähnlich dem ‘Zicke-Zacke’, ‘Klipp-Klapp’ ‘Hick-Hack’... der Volks- und Kindersprache.“ Grohne leitete die Worte aus der Segensformel ab: „Conjuro te per lac genetricis dei, beatae virginus St. Mariae.“ Vgl. Stichwort: Perlicka, Perlacka, in: Wörter- buch der deutschen Volkskunde, a.a.O., S. 637. Vermutlich verdichtet sich in diesen Wor- ten das Fort/Da-Spiel des Säuglings, der in diesem Spiel das Kommen und Gehen der nährenden Mutter verarbeitet, die einmal als verfügbar, ein anderes Mal als nicht verfügbar, erlebt wird. Die durch Versagung erlittene Frustration wird hier sprachlich und spielerisch verarbeitet. Das Spiel veranschaulicht das Kommen und Gehen von Lustgefühlen. 287 Zu ‘Fort/Da‘ bei Freud vgl. Samuel Weber, Freud Legende, Fort/Da: Der Sinn im Spiel, Ol- ten 1979, S. 111-125 288 Vgl. Walter Benjamin, Spielzeug und Spielen, in: ders., Gesammelte Schriften Bd. III, Frankfurt am Main 1980, S. 127-132, S. 131

44 Der Bilddiskurs aller Kaspertheater“289 wurde, mag dahin gestellt sein, aber das Fauststück hat deutlich die Figurenkonstellation des Kasperltheaters festgeschrieben.290

Bereits der Anfang eines von Karl Simrock aufgezeichneten Faust- Puppenspiels, bezeugt die volkstümliche Verarbeitung des Stoffs im Puppen- spiel.291 Es beginnt mit Fausts Monolog, der sofort den Ton des Spiels an- schlägt: „So weit hab ich’s nun mit Gelehrsamkeit gebracht Daß ich allerorten wird’ ausgelacht. Alle Bücher durchstöbert von vorn bis hinten Und kann doch den Stein der Weisen nicht finden. Jurisprudenz, Medizin, alles umsonst, Kein Heil als in der nekromantischen Kunst. Was half mir das Studium der Theologie? Meine durchwachten Nächte, wer bezahlt mir die? Keinen heilen Rock hab ich mehr am Leibe. Und weiß vor Schulden nicht, wo ich bleibe. Ich muß mich mit der Hölle verbünden, Die verborgenen Tiefen der Natur ergründen.“

Und es endete mit Kasperls Epilog:

„Was hat’s denn hier gesetzt? Eine höllische Exekution? Pah, wie das stinkt! Hab mir’s gleich eingebild’t, daß es so kommen müßt. ‘s ist mir aber doch leid, daß ich’s nit ein bisserl vorausgewußt hab. Hätt ihm gern noch einen Gruß an meine Großmutter aufgetragen. Hört, ihr Herrn, ich laß euch wissen, Mit dem Teufel seid ihr stets besch... Er hält nicht, was er euch verspricht, Bis er euch gar den Hals zerbricht. Zwölf ist der Klock, zwölf ist der Klock.“

Im diesem Puppenspiel war Faust zu einem armen Gelehrten geworden, der sich aus Not mit dem Teufel einließ. Nach seiner Höllenfahrt ging Kasperl we- nig gerührt zur Tagesordnung über. Die Kasperlfigur kommentierte die Faust- geschichte in volkstümlicher Manier. Das Faust-Puppenspiel gehört samt Kasperl den armen Leuten. Es war melancholisch und zeichnete sich durch eine so „arge Verderbtheit“ aus, daß die Gebildeten der Aufklärung es als ein „Är- gernis, als Stoff für die Dummen als eine heruntergekommene Geschichte voller Aber- glauben und billigster Belustigung“ empfanden.292 Das Publikum verschaffte sich durch das Faust-Puppenspiel ein einzigartiges Unterhaltungsmedium und gleichzeitig einen phantastischen Ausweg aus dem Machtkreis von Herrschaft und Teufelspein. Im Faust-Puppenspiel waren die anderen nur ein Spielball für Kasperls Interessen.

Kinder und Erwachsene waren gleichermaßen vom Puppenspiel begeistert. Später fiel das Kasperltheater und die Kasperlpuppe den Kindern zu, deren VerVertreter Kasperl ja auch ist. Mit langer Nase und roter Zipfelmütze kennt

289 Kreamer, Das Lieblingsstück, a.a.O., S. 30 290 Nach dem Goethe die Faustgeschichte mit der Gretchentragödie erweitert hatte, trat auch im Kaspertheater eine neue Figur auf. Dies war Gretl, die Frau Kaspers. 291 Vgl. Margret Dietrich, Faust, München 1970, S. 157-191, S. 159 und 190f sowie Reinhard Kraemer und Peter Müller, Das Schattentheater von Professor Otto Kraemer, 1994 292 Mahal, Faustmuseum, a.a.O., S. 67

Der Bilddiskurs 45 ihn heute noch jedes Kind. Meist trägt er, wie der Teufel, ein rot-schwarzes Kostüm und kann auch als kleiner Teufel betrachtet werden, der ganz im Dienst seines Herrn steht, denn er mischt die Verhältnisse höllisch auf und denkt nur an die eigene Befriedigung und an seine Vorteile.

Weniger populär als das Faust-Puppenspiel war wohl das Faust- Schattenspiel293, wenn auch Eversberg einen Theaterzettel erwähnte, der das Schattenspiel Der große magische Zauberer oder Der große Zauber Drache in Nürn- berg ankündigte.294 Ein Bild aus dem Schattenspiel Doktor Faust295 von Otto Kraemer, entstanden in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, zeigt ein weiteres Mal Kasperls privilegierte Rolle, der sich nicht vor überdi- mensionalen Dämonen fürchten muß.

Abb. 14: Figuren aus dem Schattentheater von Otto Kraemer

Das Schattenspiel scheint aus dem Gaukelspiel hervorgegangen zu sein und wurde wohl in Deutschland erst im achtzehnten Jahrhundert als Unterhal- tungskunst bekannt. Schausteller erzeugten Schatten durch Fingerspiele, Pan- tomimen, Scherenschnitte und Puppen aller Art. Wahrscheinlich verbreiteten italienische Schausteller das Schattenspiel in Europa, als dessen Ursprungs- länder China oder Indien gelten, wo Schattenfiguren als Marionetten schon vor zweitausend Jahren zu sehen waren.

Schatten wurden immer wieder mit Magie geladen und einer übernatürlichen Welt zugeordnet. Mitunter galt auch das verkleinerte Abbild des Menschen als Träger einer Schattenseele.296 Puppen und Schatten waren Teil magisch- religiöser Weltvorstellungen und stellten eine Art „Ahnendienst“ dar.297 Das Dä- monenhafte, das Schattenbildern zugesprochen wurde, kommt auch in folgen- dem Bild zum Ausdruck, auf dem eine segnende Priesterhand einen Teufels- schatten wirft, obwohl hier sicherlich in erster Linie klerikale Zweideutigkeit dar- gestellt wurde.

293 Zum Schatten-, Schemen- und Silhouetten-Theater vgl. Theaterlexikon, a.a.O., S. 756-757 294 Eversberg, „Ombres chinoises“, a.a.O., S. 56 295 Otto Kraemer, Doktor Faust. Puppenspiel für das Schattentheater, o.O., 1953 296 Ivar Paulson, Die primitiven Seelenvorstellungen der nordeurasischen Völker, Stockholm 1958, Zit. n. Zeitschrift für Volkskunde, Jg. 59, S. 276-278, S. 276 297 Theaterlexikon, a.a.O., S. 756

46 Der Bilddiskurs

Abb. 15: Eliphas Levi, Per Enedictionem...

3. Last minute rescue In einigen Faust-Puppenspielen retteten christliche Symbole Faust vor dem Teufel. Mit einem Kreuz298, einer Hostie oder mit Weihwasser konnte er ihn ver- treiben, bisweilen genügte es aber auch den Namen des Gekreuzigten auszu- sprechen oder niederzuschreiben, und der Teufel mußte von ihm ablassen. In einem Puppenspiel befahl Faust Mephisto, daß er ihm Christus am Kreuz ma- len und dessen Namen darunter schreiben soll:

„Hör, du sollst mir jetzt abmalen, Christus an dem heiligen Kreuz; Was an ihm nur ist zu malen, darf nicht fehlen, ich sag es frei, Daß du nicht fehlst an dem Titul. Und dem heiligen Namen sein."299

Freilich konnte der Teufel dies nicht tun, so war Faust frei. In einem anderen Puppenstück zeigte sich Faust vom Kreuz so ergriffen, daß er es „küssen und verehren wollte, was aber des Teufels Drohung verhinderte."300 Vorwiegend von baye- risch-österreichischen und tschechisch-böhmischen Puppenspielern wurde der Faustgeschichte eine Kreuz-Szene zugefügt und damit die Rettung des Teufelsbündlers ermöglicht.301 Gegen die Macht Gottes konnte der Teufel nichts ausrichten. Auf einem Fliegenden Blatt aus Köln (um 1600) kamen sogar Engel Faust zu Hilfe und wollten ihn vor der Höllenfahrt retten. Aber der Teufel verblendete Faust erneut mit einem Venusbild.

Noch war die Höllenfahrt der Höhepunkt der Geschichte, obwohl sich die Tra- gödie längst in eine derbe Komödie gewandelt hatte. Mitte des 18. Jahrhun- derts war Faust eine so volkstümliche Gestalt, daß Gottfried Ephraim Lessing mit seinem Vorhaben, den Fauststoff zu einem bürgerlichen Trauerspiel zu

298 Das Kreuz war schon vor christlicher Symbollehre eines „der ältesten Schutzzeichen des germanischen Kulturkreises“. Stichwort: Kreuz, in: Wörterbuch der Deutschen Volks- kunde, a.a.O., S. 475 299Faust. Ein deutscher Mann, a.a.O., S. 26 300 Ebd. 301 Vgl. Faust auf der Bühne, a.a.O., S. 47

Der Bilddiskurs 47 verarbeiten, nicht besonders ankam. Ernsthafte Zweifel und grobe Kritik wur- den laut: „Eine einzige Exclamation, o Faustus! Faustus! könnte das ganze Parterre lachen machen."302 Ob Lessing seine Idee aufgab oder nur noch einzelne Teile seines Stückes erhalten geblieben sind, ist unklar. Nach Mayer war Lessing „nahezu als erster entschlossen, das Schauspiel nicht mit Untergang und Verdammung Fausts enden zu lassen.“303 Jedenfalls faßte Lessing im „aufklärerischen Glauben an die menschliche Vernunft und den menschlichen Erkenntnisdrang erstmals die Rettung des Teufelsbündlers ins Auge."304

In Lessings Doktor Faust treffen sich zu mitternächtlicher Stunde drei freche Teufel auf einem Altar und geben „dem Beelzebub Rechenschaft von ihren Verrich- tungen“.305 Die Dämonen waren ausgesandt worden, um Faust zu versuchen. Bereits ihr respektloses Erscheinen auf dem Altar zu mitternächtlicher Stunde verrät, daß die nun folgende Geschichte schaurig zu werden verspricht: „Itzt, sagt der eine Teufel, sitzt er noch bei der nächtlichen Lampe, und forscht in den Tiefen der Wahrheit. Zu viel Wißbegierde ist ein Fehler; und aus einem Fehler können Laster entspringen, wenn man ihm zu sehr nachhänget."306 Faust sitzt währenddessen „un- ter seinen Büchern bei der Lampe. Schlägt sich mit verschiedenen Zweifeln aus der scholastischen Weltweisheit. Erinnert sich, daß ein Gelehrter den Teufel über des Aris- toteles Entelechie zitiert haben soll.“307

Faust verdiente er hier aber auch, gerettet zu werden, denn er war arbeitsam, nicht leicht verführbar, und er hatte, wie Mayer schrieb, „nur einen Trieb, nur eine Neigung; einen unauslöschlichen Durst nach Wissenschaft und Kenntnis.“308 Seine Leidenschaft war vollkommen arglos, da er in angesehener Wissenschaftler- tradition handelt, wenn er die aristotelischen Experimente erweiterte. Gleich A- ristoteles‘ stieß er an seine Grenzen, sollte er den Teufel herbeirufen? Gott, der den Teufel geschaffen hatte, um den Menschen auf die Probe zu stellen, er- kannte an seinem inneren Widerstreit die Unschuld des Forschers. Schließlich beschwor Faust den Teufel, der sich zwischen sechs Höllengeistern versteck- te. Um herauszufinden, welcher von den sechs der Teufel war, befragte er die Geister. Der vierte Geist stellte sich mit den Worten vor: „Mein Name ist Jutta, denn ich fahre auf den Strahlen des Lichts“. Den fünften Geist fragte er danach, wie schnell er sei, und dieser antwortete: „So schnell als die Gedanken des Men- schen."309 Der siebte Geist gab sich als der Schnellste aus: „So sage: Wie schnell?" - „Nicht mehr und nicht weniger als der Übergang vom Guten zum Bösen."310 Mit einem Aha-Effekt verbunden, erkannte Faust den Beelzebub. „Ha! Du bist mein Teufel! So schnell wie der Übergang vom Guten zum Bösen! - Ja, der ist schnell; schneller ist nichts als der! - Weg von hier, ihr Schnecken des Orkus! - Weg! - Als der Übergang vom Guten zum Bösen! Ich habe es erfahren, wie schnell er ist!"311 Nur der Wissenschaftler konnte die Wahrheit dieser Aussage begreifen und den Teufel erkennen. Vor dem Antichristen grauste es ihm, nicht aber vor den anderen Höllengeistern, die nur aus Licht und Schatten zu bestehen schienen. Die Lichtgestalten machten Faust keine Angst, denn flimmernde Geister, die zur

302 Mayer, Faust und Don Juan, a.a.O., S. 27 303 Ebd. S. 28 304 Middel, Faust und kein Ende, a.a.O., Bd. 1, S. 12 305 Gotthold Ephraim Lessing, Doktor Faust, in: Werke, Bd.1 (Dichtungen), München o. J., S. 494-505, S. 497 306 Ebd. 307 Ebd. 308 Mayer, Faust und Don Juan, a.a.O., S. 25 309 Lessing, Doktor Faust, a.a.O., S. 500 310 Ebd. S. 501 311 Ebd.

48 Der Bilddiskurs mitternächtlichen Stunde auf den Strahlen des Lichts daherkamen, waren of- fenbar nichts anderes als Lichtbilder der Laterna magica. Der gerissene Teu- fels hatte sich zwischen dämonischen Lichtbildern versteckt.

In letzter Minute rettete Lessing Faust vor der Höllenfahrt mit einem erstaunli- chen Trick: Gott erklärt dem Teufel, Faust sei nur ein Trugbild, ein Phantom, und auch Faust habe alles nur geträumt. Die Teufelsgestalt ein Traumbild, der Pakt eine Halluzination, das ganze Spiel eine göttliche Vision, eine souveräne Machtdemonstration des Allmächtigen, der beide, Wissenschaftler und Teufel, in ihre Schranken verweist. Am Ende der Geschichte schrieb Lessing: „Trium- phiert nicht... ihr habt nicht über Menschheit und Wissenschaft gesiegt; die Gottheit hat dem Menschen nicht den edelsten der Triebe gegeben, um ihn ewig unglücklich zu ma- chen; was ihr sahet, und jetzt zu besitzen glaubet, war nichts als ein Phantom."312 Die Laterna magica war zu Lessings Zeit bereits über 100 Jahre alt. War der Teu- fel hier ein Lichtphantom in dunklen Räumen?

Lessings Faustfragment entstand etwa zwischen 1755 und 1781. 1767 spielte die Wiener Schauspieltruppe Josef Felix von Kurz’ in Frankfurt am Main eine Faustkomödie. Der erhaltene Theaterzettel gibt Auskunft über den Inhalt: „In doctrina interitus Oder: Das lastervolle Leben, und erschröckliche Ende des Weltbe- rühmten und jedermänniglich bekannten Erzauberers Doctoris Joannis Fausti Professo- ri Theologie Wittenbergis. Nach dem Sinnspruch: Multi de stygia sine fronte palude jo- cantur / Sed vereor fiat, ne jocus iste focus. Das ist: Viel pflegen von der Höll nur ein Gespött zu machen / Bis sich in Weinen kehrt ihr boshaft freches Lachen. Mit Crispin einem Excludirten Studenten - Famulo, von Geistern übel vexierter Reisender, geplag- ten Kameraden des Mephistopheles, unglücklichen Luftfahrt, lächerlichen Bezahler sei- ner Schuldner, natürlichen Hexenmeister und närrischen Nachtwächter. Hier folgen die besonderen Auszierungen, Maschinen, Verwandlungen und Vorstellungen. (1) Fausti gelehrte Dissertationen in seinem Musaco, ob das Studium Theologicum oder Micro- manticum zu erwählen. (2) Fausti merkwürdige Conjuration bey Nachtzeit in einem dunklen Wald, wobey verschiedene Höllische Ungeheuer, Geister, Furien und unter diesen Mephistopheles bei Donner und Blitz erscheinen. (3) Crispin hat in dem Zau- berkreis lächerliche Possen mit denen Geistern. (4) Fausts besonderer Contract mit der Hölle, welchen ein Raab aus der Luft abholt. (5) Crispin, aus Vorwitz, schlägt ein Buch in des Dr. Fausts Bibliotheque auf, aus welchem kleine Teufel herauskom- men. (6) Fausts Reise mit Mephistopheles durch die Luft. (7) Crispin erhält von Mephis- topheles einen feurigen Goldregen. (8) Faust repräsentiert an dem Hofe des Herzogs von Parma verschiedene sehenswürdige Vorstellungen aus der biblischen und Profan- historie, als nehmlich, (1) Wie Judith dem Holofernes im Bett in seinem Gezelt das Haupt abschlägt. (2) Wie Dalila dem starken Simson seine Haarlocken beraubet, und die Philister über Simson siegen. (3) Die Marter des Titius, dem die Raaben das Ein- weid aus dem Leib fressen. (4) Das Lager des Goliath, welcher von dem kleinen David mit einem Stein aus der Schleuder überwunden wird. (5) Die Zerstörung Jerusalems, welche gewiß gut in die Augen fallen soll.“

Welche Rolle Laterna magica Bilder, Lichtmanipulationen, Spiegeltricks oder Elektrisiermaschinen bei Faust-Theateraufführungen spielten, ist weitgehend ungeklärt. Aber vieles im vorliegenden Programmzettel deutet auf den Einsatz von maschinell erzeugten Effekten, die dazu dienten, flüchtige und übersinnli- che Vorstellungen sichtbar und sogar fühlbar zu machen.

Bei Gottfried Ephraim Lessing trat der Bilddiskurs der Faustgeschichte so leb- haft in Erscheinung, daß man schon geneigt war, die Bilder der Laterna magi- ca vor sich zu sehen. Johann Wolfgang von Goethe schrieb gegen den Bild- diskurs der Faustgeschichte an und stellte in Faust I (1808) und Faust II (1831)

312 Ebd. S. 502 (Hervorhebung D.M.)

Der Bilddiskurs 49

Lyrik gegen Bilder.313 Ein wahres Sprachwunder, geradezu ein Endlosgedicht, über das Theodor Adorno bemerkte, es sei eine Dichtung, „die wie kaum eine andere deutsche dem Wort den Vorrang erteilt vorm Sinn.“314 Als figuratives Sinnbild der Dichtung kann der Versuch gewertet werden, den Famulus Wagner315 un- ternahm, um auf chemischem Weg einen künstlichen Menschen nach den Angaben Paracelsus zu erschaffen. Der Homunculus war ein substanzloser Geist, der blockiert in einer Flasche saß und nach Verkörperlichung drängte.

Eine blutige Höllenfahrt fand auch bei Goethe nicht mehr statt, obwohl eigens im Aufzug auf dem Blocksberg düsterer Hexen- und Teufelsfiguren auftreten. Und Faust beileibe kein hitzköpfiger Magier mehr, sondern nur noch ein desil- lusionierter Wissenschaftler, der seiner eigenen Leidenschaftslosigkeit ratlos gegenüberstand. In tiefer Nacht saß er an seinem Pult im hohen, engen Stu- dierzimmer und reflektierte müde geworden, bevor er sich mit letzter Kraft der Magie verschrieb:

„Habe nun, ach! Philosophie Juristerei und Medizin Und leider auch Theologie - Durchaus studiert, mit heißem Bemühn, Da steh ich nun, ich armer Tor, Und bin so klug als wie zuvor! Heiße Magister, heiße Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf, herab und quer und krumm Meine Schüler an der Nase herum - Und sehe, daß wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen.“316

Der desillusionierte Wissenschaftler, der sich in diesem berühmten Studier- zimmermonolog vorstellte, ging schließlich einen Pakt mit dem Teufel ein, um sich seiner Aphanisis zu entledigen. Ödnis war an die Stelle der Lust getreten und Gott und Teufel wetteten, ob er sich überhaupt verführen lasse. Nach Mid- del317 veränderte die Wette der beiden ‘Großmächte’ die Paktbedingungen, da sie Faust und Mephisto nun zu gleichberechtigten Partnern machte. Aber beide Kontrahenten nahmen die Abhängigkeit von höheren Instanzen nicht einfach hin, sondern sie versuchten die Verhältnisse zu ihren Gunsten zu verändern. Ein ‘Dialogverhältnis’ prägte nun ihre Beziehung und verband sich mit der Vor- stellung eines bürgerlichen Ichs. Der Gewaltakt der Höllenfahrt war überflüssig geworden angesichts der abstrakten Ordnung, und ihre abhängige Struktur hatte sich vollkommen aufgelöst, nicht aber ohne daß sich ihre unterschiedli- chen Merkmale auf beide verteilt hatten. In Goethes Faustbearbeitung bezog sich der Wissenschaftler nicht mehr wirklich auf das Böse, und die Hölle brauchte auch keinen Stellvertreter mehr auf Erden. Nach Klaus Völkert318 ließ

313 Goethes erster Fausttext, der Urfaust (1775), war stark der Bildtradition der Historia und des Puppenspiels verhaftet. Er vernichtete den Text, der 1887 in einer Kopie wieder auf- tauchte und als Urfaust bezeichnet wurde. 314 Adorno, Noten zur Literatur, a.a.O., S. 137 315 Nach Albert Daur war Wagner größenwahnsinnig, als er glaubte, er könnte einen Homun- culus herstellen und des Meisters Wissen praktisch nutzen. Vgl. Albert Daur, Faust und der Teufel. Eine Darstellung nach Goethes dichterischem Wort, Heidelberg 1950 316 Goethe, Faust I, V. 354-367 317 Middel, Faust und kein Ende, a.a.O., Bd. 1, S. 11 318 Klaus Völkert, Die Geburt einer Legende und ihr Fortleben in den Köpfen, in: Faust. Ein

50 Der Bilddiskurs sich aus Goethes Faustdichtung ein „Symbolcharakter des Fausts“ ableiten, der es ermöglichte, daß aus der literarischen Figur eine internationale Gestalt wur- de: „Jedes Land, jede Zeit schuf sich von nun an einen eigenen Faust.“

Die Gretchentragödie319, die Goethe dem Stück hinzufügte, ist elementarer Ausdruck der grundlegenden Beziehungsveränderung der Protagonisten, denn es trat die Vorstellung der romantischen Liebe zwischen Mann und Frau an die Stelle einer abhängigen Männerbeziehung. Geradezu allegorisch für diese Struktur erscheint Völkerts Darstellung, daß Goethe mit Margaretes Geschich- te „das Unproduktive des im Bund mit dem Teufel gewonnenen Lebensgenusses“ ver- anschaulichte und „(..) auf diese Weise die Wandlung Fausts am Ende des zweiten Teils vor(bereitete), durch die jener den Teufel besiegt und ‘zum Produktiven über- geht’.“320 Margarete steht zwischen den Akteuren. Der Verblendung durch Neu- gier und Wißbegierde wurde die Täuschung durch Liebe und Verführung gleichgesetzt und so das ‚teuflische Werk‘ der Triebe ans Licht gebracht. Letztendlich aber opferte Faust Frau und Kind dem Teufel und der Magie. Mar- garete wurde zur tragischen Frauenrolle schlechthin. Nach Joachim Maas war sogar ein „Symbol für die fraulich passive, leidende Liebe, jene Liebe, die von der betroffenen Person als eine äußerste Schicksalserfüllung erlebt wird.“321

Zusammenfassung Eine erste Umsetzung des Fauststoffs auf die Bühne erfolgte durch Christo- pher Marlowes The Tragical History of Doctor Faust (1642). Marlowe setzte an die Stelle des Teufelsnamens eine magische Formel, so daß aus dem imaginären Verhältnis ein symbolisches wurde. Mit der Veränderung des Beziehungsgefü- ges zwischen den Protagonisten entwickelte sich eine dritte Hauptrolle, die komische Figur. Der Spaßmacher wurde der Repräsentant des Publikums und machte sich mal über diesen, mal über jenen, lustig. Etwa gleichzeitig wurde Faust auch auf der Puppenbühne modern und mit Kasperl eine Volksbelusti- gung ersten Ranges. Gottfried Ephraim Lessing gab offenbar sein Vorhaben auf, aus dem Lustspiel ein bürgerliches Trauerspiel abzuleiten. Es liegt gleich- wohl ein Faustfragment vor, in dem Lessing, Höllengeister aus Licht beschrieb und scheinbar auf Projektionen der Laterna magica verweist. Ein Theaterzettel aus dem achtzehnten Jahrhundert belegt, daß Lichtbilder durchaus im Theater verwendet wurden. Schließlich machte Goethe aus dem Fauststoff die deut- sche Nationaldichtung schlechthin und stellte gegen den grausamen Bilddis- kurs der Historia und den komischen des Puppenspiels ein ebenso visuelles

deutscher Mann, a.a.O., S. 184-198, S. 190 319 Bereits im Urfaust tritt Margarete auf. Hinter Margarete verbarg sich Susanna Margaretha Brandt, die in Frankfurt am Main als Kindsmörderin hingerichtet wurde. Goethe hatte mit der Fragestellung: „Ob eine Kindsmörderin mit dem Tode zu bestrafen sei?" sein juristi- sches Examen abgelegt. (In seiner Funkton als Geheimrat von Weimar unterschrieb er später in einem ähnlichen Fall ein Todesurteil.) 320 Ebd. S. 189. Völkert zitierte hier Brecht. (Hervorhebungen D.M.) 321 Joachim Maas, Die Geheimwissenschaft der Literatur, Frankfurt am Main 1949, S. 39

Der Bilddiskurs 51

Endlosgedicht, in dem jede Menge magisch herbeigerufene Geister und Höl- lengestalten sichtbar werden.

Prometheische Medien 53

„Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben. Was einmal war in allem Glanz und Schein, Er regt sich dort, denn es will ewig sein.“322

II. Prometheische Medien

Optische Apparate, die im Laufe der Jahrhunderte entwickelt wurden, um Bil- der vom Menschen und der Welt zu machen, um diese zeichenhaft zu begrei- fen, nennen wir prometheische Medien. Sie folgen dem Mythos Prometheus‘ und fertigen Abbilder (aus Licht) an, die durch die Kraft des Feuers ihr ‘Leben’ bewahren. Der Begriff prometheische Medien umfaßt aber nicht nur die Ge- schichte der bildzeugenden Apparate, sondern er beinhaltet auch den Symbol- charakter, den die Mythologie des Prometheus für die bilderzeugenden Appara- te hat.

Die Figur des Prometheus war Teil der griechischen Mythologie und schuf kei- neswegs erst einen eigenen Mythos.323 Viel mehr als die Erzählung steht je- doch ihre Exegese in Bezug zum modernen Kino, wie es einleitend eine kurze Wiedergabe des Prometheusmythos belegt. Ein monotheistischer Gott als Weltenschöpfer war den Griechen unbekannt. Theogonien standen an Stelle von Schöpfungsmythen. Unsterbliche Götter und unsterbliche Menschen traten in vorgefundene Verhältnisse und vorbestimmte Schicksale ein. Die Trilogie des Aischylos Der gefesselte Prometheus etwa 470 vor Christus stellt das Schicksal des Titanen Prometheus als Feuerbringer, Gefesselten und Befreiten heraus, die auf einer älteren Sage und ihrer Überlie- ferung durch Hesiod etwa 800 vor Christus basierte. Danach hatte der Titan Japetos, ein Bruder des Kronos, vier Söhne: Atlas, Meniotis, Epimetheus, Prometheus. Kronos, Sohn des Uranos und der Gaia, war der Herrscher am Götterhimmel. Um seine Macht zu erhalten, fraß Kronos seine Kinder auf. Rhea, die Mutter, versteckte eins der Kinder. Dies war Zeus, der seinen Vater stürzte und zum Herrscher im Olymp aufstieg. Vor der uneingeschränkten Alleinherrschaft des Zeus regierten mit Kronos seine Geschwister. Sie gaben in bestimmten Zyklen die Macht an die große Muttergöttin ab.

Prometheus wurde Zeus’ Verbündeter im Kampf um den Götterhimmel. Er hat- te Zeus den Blitz der Zyklopen ausgehändigt, mit welchem Kronos niederge- worfen und in die Unterwelt verbannt wurde. Zeus herrschte künftig allein, ge- sichert durch die mächtige Waffe. Er vergewaltigte die Göttin Metis und fraß sie auf. Ihr Kind wuchs in seinem Kopf heran, und Prometheus spaltete ihm den Kopf mit einem Doppelbeil, worauf das Kind, Athene, herauskam. Für sei- ne Tat lehrte Athene Prometheus Architektur, Astronomie, Mathematik, Naviga- tion, Medizin und Metallurgie.324 Die Menschen, die Prometheus aus Lehm ge- schaffen hatte, entstammten der alten Welt und wurden von Zeus bekämpft. Prometheus hielt sie dazu an, Zeus friedfertig zu stimmen und ihm ein Tierop- fer zu bringen. Zeus verweigerte aber den Menschen das Feuer, welches für die Zubereitung des Opfers benötigt wurde. Daraufhin stahl Prometheus Feuer von der Sonne, zu deren feurigen Wagen Athene ihm Zutritt verschafft hatte. Das Tieropfer wurde jedoch betrügerisch angelegt. Zeus strafte die Menschen

322 Goethe, Faust II, V. 6429-6421 323 vgl. Karl Kerényi, Prometheus. Die menschliche Existenz in griechischer Deutung, Zürich 1946, S. 7 324 Stichwort: Prometheus, in: Lexikon der Symbole, a.a.O., S. 182-184

54 Prometheische Medien für den Betrug, indem er ihnen Pandora325 mit einem Gefäß schickte, das alles Übel der Welt enthielt. Der Menschenbildner aber wurde zur Vergeltung seines Frevels an den Kaukasus gefesselt, wo nachts ein Adler seine Leber326 fraß, die ihm tagsüber wieder nachwuchs,327 bis Herakles ihn befreite.

In der Romantik wurde Prometheus zum Verkünder eines Paradigmenwech- sels, wie es beispielhaft an Robert Potters Übersetzung von Aischylos’ Der ge- fesselte Prometheus nachvollzogen werden kann. Hesiod hatte die Rebellion Prometheus‘ aus der Sicht Zeus‘ dargestellt und auch nach Aischylos war Prometheus Strafe gerecht, obwohl Zeus als rachsüchtiger Despot beschrie- ben wurde. Ebenso hob Francis Bacon in Prometheus, sive de statu homini (1609) vermessenes Erkenntnisstreben als legitimen Strafgrund hervor. Potter beschrieb nun die Tat des Titanen als Handlung, die zu Unrecht bestraft wur- de, da Prometheus für das Aufbegehren der Menschen gegen den Tod einge- treten war. Insbesondere Philosophen des neunzehnten Jahrhunderts bezogen sich nun auf den Stoff, der von jeher mehr als andere allegorische Auslegun- gen anstrebte. Nach Nietzsche war Prometheus die Gestalt in der Menschheitsgeschichte, welche „den Menschen den Blick für den Tod genommen“ hatte, weil jeder sich „für ein unsterbliches Wesen“ hält.328 Und Schopenhauer lieferte die griechische Mythologie „Schemata zur Veranschaulichung fast jedes Grundgedankens (..), ja gewissermaßen die Urtypen aller Dinge und Verhältnisse enthält, welche aber als solche immer und überall durchscheinen; ist sie ja doch ei- gentlich aus dem spielenden Triebe der Griechen, alles zu personifizieren, entstanden... Überhaupt haben wir die meisten Mythen als den Ausdruck mehr bloß geahndeter als deutlich gedachter Wahrheiten anzusehen... sie vermochten gar nicht ihre Gedanken anders als in Bildern und Gleichnissen auszudrücken.“ 329 Faßt man beide Lesarten einfach zusammen, kann der Prometheusmythos als eine Verbildlichung des Unsterblichkeitsgedankens angesehen werden. Wie noch gezeigt werden wird, wurde im neunzehnten Jahrhundert der jahrhundertealte Traum des Alchemisten „trotz (..) radikaler Säkularisierung“ wieder aufgegriffen, weil „die Ideologie der neuen Epoche, die sich um den Mythos des unendlichen Fortschritts kristallisiert und durch die Experimentalwissenschaft und die Industrialisierung ihre Bestätigung gefunden hat.“330 Schopenhauer erklärte die Bedeutung der einzelnen Figuren am griechischen Götterhimmel durch die Etymologie ihrer Namen. Danach vertraten Uranus und Gais die ursprünglichen Bedingungen, die Kronos im Stillstand bewahrt: Aus der Gewalt von Entmannung und Vernichtung riß sich Zeus - die Materie - heraus, so daß neue Götter und Menschen hervortraten. Schopenhauer schrieb: “Uranos ist der Raum, die erste Bedingung alles Daseienden, also der erste

325 Pandora war ursprünglich die alles Gebende und wahrscheinlich dazu bestimmt, in ihrem Füllhorn Gutes auf die Erde zu bringen. Bei Zeus wurde sie zur Plage. Epimetheus heirate- te sie, trotz der Warnung seines Bruders Prometheus. „Aber gerade bei dem Pandora Komplex ist mit mannigfachen Umbildungen und Mißverständnissen zu rechnen... der My- thos ist überhaupt pessimistisch und frauenfeindlich.“ Stichwort: Pandora, in: Der kleine Pauly, a.a.O., Sp.453-454, Sp. 453 326 Während Herzfunktion und Lungenfunktion bekannt war, blieb die Aufgabe der Leber lange Zeit unklar. Dem ungewöhnlich großen, zentral liegenden Organ wurde in der Antike der „Sitz der Seele und der Lebenskraft“ zugesprochen. Eine Einstellung, die sich jedoch nur selten im Volksglauben wiederfindet. Vgl. Stichwort: Leber, in: HDA, Bd. V, a.a.O., Sp. 976- 985, Sp. 976 327 Den Tag- und Nachtrhythmus, den der wiederkehrende und hungrige Adler verkörpert, kann im Sinne Freuds als die Kraft der Libido betrachtet werden. 328 Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1869-1874, in: ders., Kritische Studien- ausgabe, hrsg. v. Giorgio Colle und Mazzino Montinari, München 1988, S. 836 329 Arthur Schopenhauer, Einige mythologische Betrachtungen, in: ders, Sämtliche Werke, Bd. V, S.482-489, S. 483 (Hervorhebungen D.M.) 330 Mircea Eliade, Schmiede und Alchimisten, Stuttgart 21980, S. 191

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Erzeuger, mit der Gaia, der Trägerin der Dinge. - Kronos ist die Zeit. Er entmannt das zeugende Prinzip: die Zeit vernichtet jede Zeugungskraft, oder genauer, die Erzeugung neuer Formen, die Urerzeugung der lebenden Geschlechter hört nach der ersten Welt- periode auf. - Zeus, welcher der Freßgier seines Vaters entzogen wird, ist die Materie: sie allein entgeht der alles andere vernichtenden Gewalt der Zeit: Sie beharrt. Aus ihr aber gehen alle Dinge hervor: Zeus ist der Vater der Götter und Menschen.“331

Prometheus galt Schopenhauer als Personifizierung der menschlichen Vor- sorge, welche schon aus dem Namen abzuleiten ist, der soviel wie „Vorbe- dacht“ und „Vordenker“ bedeutet.332 Er hob hervor: „Im Prometheus ist ganz eigent- lich die menschliche Vorsorge personifiziert, das Denken an morgen, welches der Mensch vor dem Tiere voraus hat. Darum hat Prometheus Weissagungsgabe: Sie be- deutet das Vermögen der bedächtigen Vorhersehung. Darum auch verleiht er dem Men- schen den Gebrauch des Feuers, den kein Tier hat, und legt den Grund zu den Künsten des Lebens.“333 Mensch und Tier unterschieden sich so gesehen allein durch „das Denken an morgen“ und den Gebrauch des Feuers. Prometheus galt als „Helfer, besonders in der Förderung ihrer materiellen Zivilisation und in den Nöten des bescheidenen Lebens.“334 Der gegeißelte Titan verkörperte als Vater der Men- schen und des Feuers die Idee menschlicher Entwicklung und den Anfang der Technikgeschichte. Das Feuer brachte den Menschen Wissenschaft und Kul- tur und das Feuer machte - wie es Gaston Bachelard herausstellte - die Dicho- tomie von Gut und Böse fühlbar: „Unter allen Phänomenen ist das Feuer wahrhaft das einzige, dem mit der gleichen Bestimmtheit die beiden entgegengesetzten Wertun- gen zugesprochen werden können: Das Gute und das Böse. Es glänzt im Paradies. Es brennt in der Hölle. Es ist Milde und Qual. Es ist Küche und Apokalypse... Es ist Wohlsein und es ist Ehrfurcht. Es ist ein Schutzengel und ein strafender Gott, gut und böse. Es kann sich widersprechen: Es ist eins der Prinzipien mit universeller Erklä- rung.“335 Da in der griechischen Mythologie Prometheus für die vernichtende Kraft und gleichzeitig für die progressive Kraft des Feuers stand, wurde sein Name Sinnbild für die Doppelgesichtigkeit der technischen Entwicklung.

Schopenhauer verwies auf eine grundlegende Ähnlichkeit zwischen Prome- theus und Satan und schrieb: „Der Sturz der Titanen, welche Zeus hinab donnert in die Unterwelt, scheint dieselbe Geschichte zu sein mit dem Sturz der gegen den Jehova rebellischen Engel“.336 Auch Jurgis Baltrusaitis337 beschrieb eine Teufelsgestalt, (der chinesische Lei-Kong), die als Herr des Donners und Blitzes an Prome- theus erinnert und unmißverständlich mit Satan identifiziert wurde. In der Of- fenbarung des Johannes heißt es: „Ich habe Satan vom Himmel stürzen sehen wie einen Blitz.“ Ernst Bloch338 stellte Prometheus als „griechischen Luzifer“ heraus und nach Vilém Flusser339 wurde aus Prometheus im Laufe der Jahrtausende der wissenschaftliche und schöpferische Philosoph, „der heute den Teufel dar- stellt“. Flusser betrachtete „die ganze Symphonie der Gattung, das Stürmen der Menschheit gegen die göttlichen Grenzen, das prometheische Ringen um das Feuer der Freiheit, mit anderen Worten: Wissenschaft, Kunst und Philosophie" als ein „herrliches Werk des Teufels.“ Danach war der Teufel auf der Welt, um die Kultur zu erhal-

331 Schopenhauer, Einige mythologische Betrachtungen, a.a.O., §197, S. 485 332 Vgl. Stichwort: Prometheus, in: Der kleine Pauly, a.a.O., Sp.1174-1178 333 Schopenhauer, Einige mythologische Betrachtungen, a.a.O., S. 468 334 Stichwort: Prometheus, in: Der kleine Pauly, Bd. 4, a.a.O., Sp.1177 335 Gaston Bachelard, Psychoanalyse des Feuers, Stuttgart 1959, S. 19 336 Schopenhauer, Einige mythologische Betrachtungen, a.a.O. § 203, S. 488 337 Vgl. Baltrusaitis, Das phantastische Mittelalter, a.a.O., S. 251 338 Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt am Main 1959, S. 127 339 Vilém Flusser, Die Geschichte des Teufels, Göttingen 1993, S. 9, 10, 11

56 Prometheische Medien ten, während Gott, Schöpfer und Erhalter der „Dinge an sich" war. Fortschritt wurde bei Flusser Sache des Teufels, da „die Geschichte des Teufels,... die Ge- schichte des Fortschritts (ist)... und Fortschritt ist... mit Geschichte identisch... Teufel und Fortschritt und Geschichte sind synonym.“ Das prometheische Feuer des Fort- schritts scheint die Hölle der Christen geschürt zu haben, in der sich Prome- theus offensichtlich in Alchemisten und Teufel spaltete. Die Vorstellung, daß Prometheus „Verkünder oder auch Vollstrecker einer Epochenwende“ ist, blieb bis heute erhalten, „sei es, daß er als Feuerbringer und technisches Genie den Siegeszug der Industrie verheißt.“340 Der prometheische Parameter hatte scheinbar den Teu- fel von seinem angestammten Platz verdrängt. Es herrschte eine allgemeine Technik-Euphorie und eine technische Zeitschrift, die ab 1889 erschien, trug den Titel Prometheus. Das Periodikum berichtete über die neuesten techni- schen Erfindungen und freilich auch ausführlich über den Kinematographen. Der gleich dem Prometheusmythos den Gedanken der Unsterblichkeit verbild- lichte und Bilder der Unsterblichkeit produzierte.

A. Illusion des Abbildes Die Entwicklung der prometheischen Medien ist die Geschichte der Aufladung bilderzeugender Apparate mit Magie. Im piktoralen Vorfeld von Fotografie und Kinematographie stehen die lichtbilderzeugenden Apparate Camera obscura und Laterna magica. Ihre Bildproduktion steht asymptotisch der Wahrnehmung des Auges gegenüber. Technisch erzeugte Bilder lassen sich mit den Spielen der Kinder vergleichen: Sie tun so, als ob. Die Kinder tun so, als ob sie Er- wachsene sind, wenn sie im Spiel die Eltern nachahmen. Die Bilder der Bild- apparate tun so, als ob sie die Realität abbilden. Dabei zeigen sie ebenso wie das Kinderspiel nur einen Ausschnitt der gestalteten und vorgefundenen Welt. Beide Nachahmungsformen, das Spiel und das technisch erzeugte Bild, brin- gen eine neue Realität und eine eigene kulturelle Praxis hervor.

1. Lichtbild der Camera obscura In einem dunklen Raum erscheint durch ein Loch in der Wand mit dem Einfall von Lichtstrahlen ein seitenverkehrtes und auf dem Kopf stehendes Lichtbild, auf der dem Loch gegenüberliegenden Wand.341 Das schon im Mittelalter be- kannte physikalisches Prinzip der Camera obscura diente schon zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts der Unterhaltung. Giovanni Baptista della Porta reiste mit einer Camera obscura durch Europa und zeigte Projektionen von In- szenierungen, die vor der Camera obscura aufgebaut und mit Fackeln ausge- leuchtet wurden. Hierüber schrieb er: „Denn da werden in einer finsteren Kammer auf einem weißen Tuch Jagden / Gastereyen / Feldschlachten / Spiele und alles was man haben will / so klärlich / deutlich und artig zu sehen seyn / als ob man sie vor Au- gen hätte.“342 Zur selben Zeit prahlten Gaukler damit, sie könnten den Teufel aus

340 Eberhard Lämmert, Die Entfesselung des Prometheus, Paderborn o.J. (1985), S. 5 341 Die erste Beschreibung, daß sich von Objekten reflektiertes Licht in geraden Linien fort- setzt, findet sich 1038 bei Ibn al Haitam. Vgl. Museumsführer, Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main, München 1986, S. 41. Haitam verwies auch auf die Beziehung zwischen Lochgröße und Bildqualität. Leonardo da Vinci beschrieb Ende des 15. Jahrhunderts die Funktionsweise und die Analogie zum menschlichen Auge. Zur Geschichte der Camera obscura vgl. u.a. Von der Camera obscura zum Film, Mülheim 1992 sowie Thomas Ganz, Die Welt im Kasten, Zürich 1994 342 Giovanni Baptista della Porta, Magica Naturalis, (1588) deutsche Übersetzung 1713, S. 962 (Giovanni Baptista della Porta lebte von 1541 bis 1615) Die Kapitelüberschrift lautet: „Wie man im Finstern dasjenige sehen kann, was auswendig von Fackeln erleuchtet wird.“ Auch Della Porta wurde als Schwarzkünstler angeklagt. Zu della Porta vgl. Von der Camera obscura zum Film, a.a.O., S. 7-8

Prometheische Medien 57 der Hölle holen.343 Mit Wolfsfell, Hörnern, Klauen und Schwanz verkleidet, spiel- te ein Gehilfe des Vorführers den Bösen und das Teufelsbild in der Camera obscura jagte – so Liesegang - „dem abergläubischen Volk für ihr gut’ Geld gar höl- lische Angst“ ein.344

Abb. 16: Als Teufel verkleideter Gehilfe, Liesegang Archiv, Düsseldorf

Bereits aus dem 13. Jahrhundert stammt folgende Illustration, welche die Funktion der Camera obscura an einer Teufelsfigur illustriert.

Abb. 17: Illustration, Kupferstich, Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Romae 1646

343 Paul Liesegang, Vom Geisterspiegel zum Kino, Düsseldorf 1918, S. 17 344 Ebd.

58 Prometheische Medien

Das Bild zeigt drei Camerae obscurae in einem Turm übereinander. Die untere zeigt eine Sonnenuhr als Zeichen für Vergänglichkeit, die mittlere eine Reihe von Kreuzen als Symbol der Auferstehung und die obere einen Teufel. Alle drei Motive stehen freilich in der Abbildung auf dem Kopf. Da der Antichrist als real betrachtet wurde, erscheint auch sein Lichtbild in der Camera obscura. Offen- bar wurde das physikalische Prinzip der Camera obscura mit Magie geladen und das Lichtbild als übernatürlich erklärt.

Im Prozeß, die Welt aufs Genaueste zu erfassen, bekam die Camera obscura einen festen Platz, denn sie zeigte in Farben, Formen und Proportionen ein genaues Bild der Natur, so daß der Künstler nur noch „die Farben recht ähnlich mischen“ mußte, bevor er das Bild abmalte.345 Durch die Benutzung einer Linse, die Daniele Barbaro 1568 einsetzte, ließ sich dann das flüchtige Bild sogar auf Papier projizieren.346 Schrittweise wurde aus der fest installierten Dunklen Kammer eine transportable Zelt-Camera obscura347 entwickelt, mit dessen Hil- fe Johannes Kepler seine Topographien zeichnete. Die Camera obscura wur- de bis Mitte des siebzehnten Jahrhunderts so verkleinert, daß man sie bequem unter dem Arm transportieren konnte.348 In der Renaissance galt als höchstes Ziel der Kunst das genaue Abbild der Natur zu schaffen und so wurde die Ca- mera obscura notwendige Zeichenhilfe für Naturwissenschaftler und Maler, welche für die grafische Wiedergabe Projektionen auf Papier oder auf Matt- scheiben lenkten, dann abzeichneten und später auf unterschiedliche Druck- platten (Holz, Kupfer, später Stahl und Stein) übertrugen. Der Druck hob schließlich die Seitenverkehrung wieder auf. Ein anderes Mittel, um die Seiten- verkehrung aufzuheben, war der Einsatz eines Spiegels. Dieser diente dem Zeichner darüber hinaus auch dazu „die Welt nicht mehr auf dem Kopf stehend zu sehen. Dies ist eine wesentliche Erleichterung bei der Erforschung der Perspektivenge- setze.“349 Das Lichtbild der Camera obscura schulte die perspektivische Wahr- nehmung und den perspektivischen Blick. Zielinski verwies sogar auf die Schwarze Kammer als „apparative Vergegenständlichung des planperspektivischen Blicks“.350 Auch die Entwicklung von Teleskop und Mikroskop trugen durch den „Zoom“ in unbekannte Räume dazu bei, Sehen und die Vorstellung von der Welt zu verändern.

Die Camera obscura fand Verbreitung in Form unterschiedlicher Taschenap- parate, darunter ein kompliziertes optisches Gerät von 1750, das wie ein Buch aussieht. Der Titel Theatre De L’Univers ist in den Ledereinband gestanzt.351 Das

345 Ebd. S. 7 346 Vgl. Museumsführer, Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main, a.a.O., S. 42 347 „Durch eine Öffnung in einem schwarzen Zelt wird ein drehbares Objektivrohr geführt... Un- terschiedliche Linsenkombinationen vergrößern oder verkleinern die Abbildung der Land- schaft.“ Von der Camera obscura zum Film, a.a.O., S. 11 348 Von einer kleinen, auf dem Arm tragbaren Camera obscura schrieb Caspar Schott, Magia Optica, 1685. Johannes Kern entwickelte 1685 eine tragbare „Spiegelreflex-Camera- obscura“. Ebd. S. 11 349 Ebd. S. 14. „Die Abweichung von der Perspektive faszinieren die Maler als Zerrbilder oder als Anamorphosen.“ (Ebd.) Die Verkleinerung des Apparates basierte auf unterschiedli- chen Linsenkombinationen, optischen Kunstwerken, wie die konvexe Linse, die in den Griff eines Bechers eingearbeitet war und über einen Spiegel von 45° ein Bild auf die O- berfläche des Wassers warf. Dies ermöglichte ein unauffälliges Beobachten der Umge- bung. Das bewegliche Objektiv erfand Daniel Schwenter 1636. Vgl. ebd. S. 12 350 Siegfried Zielinski, Zur Entstehung des Films für das Kino im Spannungsverhältnis von Technik und Kultur, in: Fischer Filmgeschichte, Bd.1, Von den Anfängen bis zum etablier- ten Medium 1895-1924, hrsg. v. Werner Faulstich und Helmut Korte, Frankfurt am Main 1994, S. 48-68 351 Von der Camera, a.a.O., S. 13. Schon der Titel des ‘falschen Buches‘ verweist auf die Bild- haftigkeit der Unterhaltungsbücher.

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Buch, welches zwei Bildmedien verbirgt, wird erneut zum Geheimnisträger. Nimmt man es zur Hand, kann man entweder eine Projektion der Camera obscura oder ein Guckkastenbild betrachten.

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„Le monde à la portée de la main.“352

2. Bildreise in barocke Räume Das Guckkastenbild erscheint wie ein Lichtbild der Camera obscura, dem Dauer verliehen wurde. Die im Guckkasten seit Mitte des 18. Jahrhunderts vorgeführten Bilder - meist Landschafts-, Städte- und Gebäudeansichten - wurden auf die hintere Wand eines Kastens geschoben und durch ein Guck- loch - meist war davor eine Linse angebracht - betrachtet.353 Der Blick in den Kasten ließ den Eindruck entstehen, der Betrachter befände sich mitten im Bild. Schwerpunkte der Guckkastenbilder lagen auf Raumdarstellungen, so daß eine Bildreise in barocke Außen- und Innenräume unternommen werden konnte. Es gab aber auch Guckkastenbilder, die Desaster zeigten, wie Erdbe- ben, Vulkanausbrüche, Stadtbrände oder Kriegsszenen. Im Katastrophenbild hielt der Guckkasten zwar einen kurzen Schreckensmoment bereit, aber der Kasten war kaum mit der Magie geladen und zeigte weder Bilder überirdischer Welten noch dämonischer Gestalten. Die folgende Lithographie zeigt aber, daß der ‘Teufel‘ mitunter in dem voyeuristischen Blick zu finden ist, der in den Guckkasten geworfen wurde.

Abb. 18: Louis Le Poittevin, Diaboleries érotiques, Zeichnung

Die Karikatur nimmt den voyeuristischen Aspekt des Mediums auf. Ein Teufel bietet sein Geschlecht zwei jungen Frauen dar. Wojciech Sztaba berichtete von einem China-Reisenden aus dem neunzehnten Jahrhundert, der in „China eine Menge von Kindern an einem Guckkasten sah, der gerade eine Art Sexualkunde- Programm ‘ausstrahlte‘.“354 Mit dem Blick durchs Guckloch konnte der Betrachter

352 Le monde à la portée de la main (Die Welt in Reichweite) - war das Motto der Star-Film- Gesellschaft Méliès‘. Es stand auch auf Méliès Briefköpfen. Vgl. Andrè Gaudreault, Theatralität, Narrativität und Trickästhetik. Eine Neubewertung der Filme Georges Méliès, in: KinTop, Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films, Basel, Frankfurt am Main 1994, S. 33 353 Andere Guckkasten waren mit Spiegeln ausgestattet und zeigten am Boden liegende Bil- der. 354 Wojciech Sztaba, Die Welt im Guckkasten, in: Die Mobilisierung des Sehens, a.a.O., S. 27- 111, S. 100

Prometheische Medien 61 für sich allein und in aller Ruhe einen räumlichen Eindruck gewinnen.

Der optische Kasten war um 1750 so modern, daß geradezu eine Guckkas- tenmanie herrschte.355 Die Unterhaltung lag vor allem in der räumlichen Illusion des Bildes, welche sich dem Betrachter darbot. Passende Musik und pointierte Beleuchtung verwandelten Durchleuchtungsbilder, die sonnige Tagesszenen zeigten, in dämmerige Nachtszenen, oder aus Bildern, die einsame Straßen zeigten, wurden Bilder belebter Alleen. Die räumlich-bildhafte Illusion wurde so perfektioniert inszeniert, daß die Bilder des Guckkastens „eine Reise um die Welt bei Tag und bei Nacht“ vorführten.356 Im Bildraum des Kastens fand die ganze Welt Platz und ermöglichte sogar, wie es Bachelard über die Miniatur schrieb, die zur selben Zeit wie der Guckkasten sehr beliebt war, den ‘Besitz der Welt‘, denn: „Ich besitze die Welt um so besser, je geschickter ich sie zur Miniatur machen kann. Aber man muß berücksichtigen, daß in der Miniatur die Werte dichter und ra- scher werden. Eine platonische Dialektik des Kleinen und Großen genügt nicht, um die dynamischen Kräfte der Miniatur zu erkennen. Man muß über die Logik hinausgehen, um zu erleben, wieviel Großes im Kleinen Platz haben kann.“357

Der geschlossene Guckkasten war im deutschsprachigen Raum beliebter als das offene Zogarscope, welches in England und Frankreich (L’Optique) mo- dern war. Es bestand aus einem Ständer, der eine große Lupe mit einem im 45° Winkel angeordneten Umlenkspiegel hielt, unter dem die Bilder ausgelegt wurden. Erst ein Blick durch die Lupe ließ das Bild plastisch wirken. 358 Diese Art der Bildbetrachtung schien weniger geheimnisvoll als der intime Blick in ei- nen geschlossenen Kasten. Die Bildapparate verbanden die Bildillusion mit ei- ner komplexen Vorführpraxis und popularisierten das perspektivische Sehen. Schon im Namen der Geräte verschmelzen das Seherlebnis und der optischer Apparat miteinander. Bilder, die durch optische Geräte zur perspektivischen Betrachtung gebracht werden sollten, fertigte schon 1551 Androuet Ducerceau an.359 Auch seine Architekturkupferstiche Venustisimas optices, quam perspectivam nominant verweisen auf ein apparatives Sehen.

Das apparative Raumbild wurde zum beliebig wiederholbaren Illusionsbild. Gertrud Koch beschrieb „den neugierigen Blick durchs Guckloch in einen präzisen Apparat“ als „Deutungsmetapher vom Film als Beobachtungsmedium,... der festhält ‚wie‘ die Welt ist. Darin steckt bereits eine Option, die über die einfache Tätigkeit des Registrierens hinausgeht und die Perspektive in ihrer doppelten Funktion einbezieht. Zum einen als Voraussetzung des räumlichen Sehens und zum anderen als Vorausset- zung der Herstellung eines Illusionsraums. Mit dieser doppelten Funktion scheint das Dilemma schon fast komplett beschrieben in dem sich Film- und Kinotheorie befinden: Einerseits impliziert die fotografische Herkunft jedes einzelnen Bildes einen spezifi- schen Bezug empirischer Wirklichkeit, andererseits basiert die gesamte filmische Wahrnehmung auf einer optischen Illusion, die aus unbewegten Einzelbildern den Ein-

355 Die Verkaufszahlen der Firma Probst aus Augsburg schnellten in die Höhe. Zahlreiche Verleger stellten sich auf die Produktion von Guckkastenbilder um. Selbst in England wur- de für Pariser Verleger gearbeitet. Im italienischen Verlag Remondini in Bassano waren über tausend Arbeiter (meist Kinder und Frauen) in der Guckkastenbild-Produktion tätig. Vgl. Ganz, Die Welt im Kasten, a.a.O., S. 55. 356 Von der Camera obscura zum Film, a.a.O., S. 18. Der Reiz der Reisebilder und Reisebe- schreibungen läßt sich sicherlich von dem ursprünglichen Bedürfnis ableiten, sich ein Bild von der Welt machen zu wollen. 357 Gaston Bachelard, Poetik des Raumes, München 1975, S. 180 358 Von der Camera obscura zum Film, a.a.O., S. 56. L’Optique steht eher in der Tradition der ‘Spiegelgeräte’, die zur Unterhaltung dienten, vgl. Baltrusaitis, Der Spiegel, a.a.O. 359 Vgl. Ganz, die Welt im Kasten, a.a.O., S. 52. Nach Ganz waren Ducerceaus Kupferstiche bereits für die Betrachtung in einen Guckkasten produziert worden, weil sie bei Betrach- tung unter der Lupe in einem bestimmten Blickwinkel pseudoplastisch wirken.

62 Prometheische Medien druck bewegten Lebens hervorbringt, von dem doch der Zuschauer weiß, daß es bloße Lichtbilder aus einem Apparat sind.“360

3. Trugbild der Laterna magica Die Geschichte der Laterna magica läßt sich zwar bis ins fünfzehnte Jahrhun- dert zurückverfolgen, aber erst während der Romantik wurde die Vorführung von Lichtbildern beliebte öffentliche Unterhaltung. Im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts büßte das phantastische Projektionsgerät seinen geheimnisvol- len Ruf ein und wurde zum Spielzeug im Kinderzimmer, wo die bunt bemalten, nicht selten humoristischen Projektionen auf weiße Tischtücher, Türen oder Wände geworfen wurden.361 Daneben illustrierten Lichtbilder der Laterna magi- ca etwa seit den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts mit phantas- tischen und sachkundlichen Bildfolgen naturwissenschaftliche, länderkundliche und literarische Vorträge. Kaleidoskopartige, beinahe psychedelische Farbspiele leiteten diese Veranstaltngen ein und ließen sie ausklingen. 362 Die Vorstellungen fanden in verdunkelten Räumen statt und wurden fast immer mit Geräuschen, Musik oder durch Rauminszenierungen animiert. So untermalte etwa ein heftiger Donnerschlag das Bild eines Hauses, in welches gerade ein Blitz einschlug: „Plötzlich donnerte es, das Bild wird dunkler, der Donner stärker, ein Blitzstrahl zuckt und zündet das Haus an, das in wenigen Sekunden ein Raub der Flammen wurde.“363 Aber nicht dieser reale Schreck brachte der Laterna magica den Namen Schreckenslaterne ein, sondern es waren die Lichtbilder von Teu- fel, Geistern und lebenden Toten.

Eine Handschrift um 1420 zeigt das Bild einer Ordensfrau, die eine Laterna magica hochhält und damit den Teufel an die Wand malt.

360 Gertrud Koch, Das Bild als Schrift der Vergangenheit, in: Mimesis, Bild und Schrift. Ähnlich- keit und Entstellung im Verhältnis der Künste, hrsg. v. Birgit Erdle und Sigrid Weigel, 1996, S. 7–22, S. 8 361 Besonders verbreitet waren Karikaturen bestimmter Berufsgruppen oder Typen auf Glas, wie Nachtwächter, Polizist, Lehrer, Bauer, Tante, Hans Wurst oder Trinker, dessen Nase sich bei längerer Betrachtung dunkelrot färbte. Die Lichtbilder der Laterna magica brachten auch militärische Motive ins Kinderzimmer: Soldaten im Manöver, bei der Parade, auf dem Marsch usw.. 362 Vgl. Almut Junker, Paul Hoffmann und seine Laterna-Magica-Bilder, in: Laterna magica. Vergnügen, Belehrung, Unterhaltung, a.a.O., S. 7-8, S. 12ff. (Hoffmanns Lichtbildinszenie- rung von Dantes Göttliche Komödie zeigte 71 Bilder. Die Darstellungen von Hölle und Fe- gefeuer wurden besonders hervorgehoben. Vgl. Programmzettel zu Paul Hoffmanns Vor- führung von Dantes Göttliche Komödie, Wien 1868, in: Laterna magica, a.a.O., S. 15) 363 Der Vorläufer des Kinematographen, in: Der Kinematograph, No. 70, (1908) (Flammen verweisen auf die reale Flamme der Laterna magica und der Blitz kann als Zeugnis des prometheischen Mediums gelten.)

Prometheische Medien 63

Abb. 19: Laterna magica Darstellung, 1420

Die Teufelsgestalt ist ein halb menschliches, halb tierisches Wesen. Sie hat eine weibliche Statur und die Physiognomie eines Schafbocks. Die Füße sind Klauen und die Flügel ledern. Die schaurige Gestalt stellt eine Art Drache dar, eine Mischung aus Fledermaus und Greif. Aufrecht steht sie dar und hält an- griffslustig einen Speer hoch.

Offensichtlich war das Bild des Teufels schon eine Projektion der Laterna ma- gica, bevor ihre Funktionsweise in physikalischen Lehrbüchern beschrieben wurde. Zu den frühsten Büchern, welche die Laterna magica erklärten, gehörte Athanasius Kirchers Ars magna lucis et umbrae.364 Kircher beschrieb die Ge- setze der Laterna magica und Experimente mit Lichtstrahlen und Spiegeln.365 Er schlug Verbesserungen für die Laterna magica vor, wie etwa Öllampen statt Kerzen als Lichtquelle zu benutzen und anstelle der Einzelbilder verschiebbare Glasbildstreifen zu verwenden.

364 Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Amstelodami 21671 (1. Aufl., Romae 1646) (Erst die zweite Auflage von Ars magna lucis et umbrae zeigt Bilder der Laterna ma- gica, vgl. ebd. S. 768) Kircher lebte von 1601-1680, ihm wurde fälschlicherweise die Erfin- dung der Laterna magica zugeschrieben. 365 Experimente mit Lichtstrahlen, die durch Spiegel umgelenkt wurden, brachten in Abel Gance La Folie du Docteur Tube (1915) Dr. Tube um den Verstand. Vgl. Das Kapitel: Un- sichtbare Kraftlinien

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Abb. 20: Illustration, Kupferstich, Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Amstelodami 21671

Die Illustration der Laterna magica zeigt anhand des seitlich geöffneten Kas- tens Kirchers Verbesserungsvorschläge. Die technische Darstellung der Zau- berlaterne ist fehlerhaft. Freilich muß die Linse vor dem Bildstreifen sitzen. In diesem Zusammenhang wurde spekuliert, Kircher habe absichtlich, um einen Nachbau zu verhindern, eine falsche Darstellung veröffentlicht.366

366 Vgl. Glanz, Die Welt im Kasten, a.a.O.

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Abb. 21: Illustration, Kupferstich, Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Amstelodami 21671

Im Schein der Öllampe erscheint an der Wand das lebensgroße Bild eines Skelettmanns und einer Frau im Fegefeuer. Beide Bilder erinnern an das Le- ben nach dem Tod. Die projizierten Motive scheinen eher beliebig und zufällig, aber die acht Bilder auf dem Glasstreifen sind freilich lehrhaft gemeint und soll- ten zum gottesfürchtigen Glauben anhalten. Von links nach rechts ist eine Taube, ein Mann mit (Wander-)Stab, ein Skelett, ein Kreuz, eine Frau im Fege- feuer, ein Mann mit erhobenem Zeigefinger, ein kniender Mönch mit gesenkten Armen und ein Mönch, der ein Kruzifix hochhält, zu sehen. (Die beiden letzten Bilder erzeugen offenbar in ihrer Abfolge eine Bewegung.) Das Bild des Vogels ist das erste in der Glasbildreihe und kann als Allegorie der erneuernden Kraft Gottes betrachtet werden. Die Taube galt als Gottestier und war neben dem Lamm das einzige Tier, dessen Gestalt der Teufel nicht annehmen konnte.367 Christus, der Heilige Geist und die Engel wurden mitunter als Tauben darge- stellt. Der Vogel steht für Unsterblichkeit und Auferstehung. Gott ist der Anfang und folglich steht das Bild des Vogels vorne. (1) Der Mensch ist ein Wanderer (zwischen den Welten) (2), der auf Knien vor dem Schöpfer sein Haupt neigen soll (7 und 8) und dem das Bild des Kreuzes (4) - gemahnt durch das Fege- feuer (5) - eine immerwährende Anschauung (6) des Sühnetods (3) sein soll. Die Bildreihe stellt das Fundament des christlichen Glaubens dar. Neben dem Bild des sühnenden Mannes, steht das der Frau im Fegefeuer.

Aber Athanasius Kircher experimentierte nicht nur mit Glasbildern zur christli- chen Belehrung, sondern zur Abschreckung entwarf er eine Reihe von schau- rigen Teufelsbildern, über die er schrieb: „Durch diese Kunst könten gotlose Leute leichtlich von Begehung vieler Laster abgehalten werden/ wenn man auff den Spiegel des Teufels Bildnis entwürffe und an einen finstern Ort hinschläge.“368 Paul Liese- gang369 berichtete über ein erschreckendes Schattenbild, das Kircher folgen- dermaßen produziert hatte: „Lebende Fliegen, die er mit Honig am Spiegel anklebte, (ließ er) in mächtiger Größe auf der Zimmerwand erscheinen.“370 Über andere beweg- liche Gestalten, die er aus Karton fertigte und als Schattenfiguren projizierte, bemerkte Kircher: „Siehe, da werden die Schattierungen allerley Bewegungen (ein förchterliches Gesicht) an der Wand nicht ohne der Anschauenden Zittern“ zu sehen sein.371 Die Lichtbildprojektionen von beweglichen Schauergestalten erwiesen sich allerdings für Kircher nicht gerade als ungefährlich, denn es war zu be- fürchten, daß jemand der „Gesichter des Menschen nach des Urbildes Gelegen- und Beschaffenheit lebhafftig“ darstellen konnte, eine Gefahr für „scharffssinnige Welt- weisen“ war, denn sie konnten als „Urheber (..) nicht nur einmal in der Schwarz- künstlerey Verdacht gezogen und gebracht“ werden.372 Jemand, der in der Lage war, bewegliche Teufelsbilder zu projizieren, konnte schon in den Verdacht ge- raten, ein Schwarzkünstler zu sein.

In Physices elementa mathematica illustrierte G. Jacques s’Gravesandes 1721373

367 Der Teufel konnte nicht die Gestalt eines Vogels annehmen. Eine Vorstellung die Alfred Hitchcock in The Birds (1963) unterlief. 368 Magia optica, Bamberg 1671, S. 404 369 F. Paul Liesegang, Vom Geisterspiegel zum Kino, Düsseldorf 1918, S. 20 370 Zur Rolle der Fliege im modernen Horrorfilm vgl. das Kapitel Fledermäuse, Fliegen, Motten 371 Magia optica, a.a.O., S. 407 372 Ebd. S. 404 373 G. Jacques s’Gravesandes, Physices elementa mathematica, 1721

66 Prometheische Medien die Funktionsweise der Laterna magica mit dem folgenden Teufelsbildnis.374

Abb. 22: Illustration, Kupferstich, G. Jacques s’Gravesandes, Physices ele- menta mathematica, 1721

Die Teufelsgestalt ist halb Mensch, halb Tier. Sie hat einen animalischen Kopf, Fell, Tierohren, Hörner, Reißzähne und wurmförmige Brustwarzen. s’Gravesandes nahm wie Athanasius Kircher bei der Beschreibung der opti- schen und physikalischen Gesetze der Laterna magica keinen Bezug auf das abgebildete Motiv der Lichtbildprojektion. Teufelsporträt und Zauberlaterne schienen sich zu ergänzen. s’Gravesandes zeigte allerdings im Gegensatz zu Kircher, daß die abschreckende Teufelserscheinung nur ein Lichtbild der La- terna magica war.

Gleichwohl schien die Laterna magica einen Zugang zur überirdischen Welt bereitzustellen. Das folgende Bildpaar zeigt eine bewegte Teufelsprojektion, wie sie schon Athanasius Kircher angestrebt hatte.

Abb. 23: Bewegungsprojektion der Laterna magica: a) Gefesselter Teufel

374 Zit. n. Jürgen Berger, Die Projektion, Anmerkungen zur Geschichte der Laterna magica, in: Laterna magica – Vergnügen, Belehrung, Unterhaltung. Der Projektionskünstler Paul Hoffmann, (Ausstellungskatalog) Frankfurt am Main 1981, S. 29-54, S. 48

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Abb. 24: b) Teufel hat die Ketten zerrissen

Das kindliche Aussehen der Teufelsfigur täuscht, denn beim schnellen Vorbei- ziehen der Bilder entsteht der Eindruck, der Teufel zerreißt seine Kette mit ei- nem einzigen Ruck. Bewegung wurde auf verschiedene Weise vorgetäuscht: So brachte schon ein langsames Vorbeiziehen der Glasbilder während der Vorführung, den Eindruck von Bildbewegung hervor. Pieter Muschenbroek ar- beitete etwa ab 1730 mit gegeneinander verschiebbaren Glasscheiben. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich Zieh-, Hebel-, Dreh- oder Schiebeme- chanismen entwickelte, welche eine Bewegung auf den Lichtbildern vortäusch- ten.375 Die Projektionskunst der Laterna magica wurde anspruchsvoller und das Lichtbild des Teufels anthropomorphisiert sowie durch andere Gruselgestalten ergänzt.

Athanasius Kircher vermochte sicherlich keine Unterhaltung im Erschrecken durch die Teufelsprojektionen zu erblicken, aber während des 18. Jahrhunderts wurden die Schreckensbildnisse der Laterna magica zu einem öffentlichen Gruselvergnügen ohne gleichen. Bereits 1770 projizierte der Leipziger Café- hausbesitzer Schröpfer Schreckgespenster in einem Hinterzimmer seines Ca- fés. Um das Publikum in die richtige Stimmung für die Vorführung zu verset- zen, ließ Schröpfer die Personen zunächst fasten und machte sie anschlie- ßend betrunken. Die Schau fand dann in dem verdunkelten Raum statt, dessen einzige Lichtquelle neben einem Totenkopf auf einem Altar stand. Lie- segang beschrieb Schröpfers Darbietung folgendermaßen: „Der Magus macht im Sande auf dem Boden einen Kreis, den beileibe niemand überschreiten darf... Nun geht die Beschwörung und Räucherung los. Auf einmal verlöscht das Licht und unter furchtbarem Gepolter erscheint der vorgeladene Geist über dem Altar, ständig hin und her wallend. Natürlich ist dies nichts anderes als ein Laterna magica Bild, das von rück- wärts gegen den aufsteigenden Rauch geworfen wird. Der Magus haut mit dem Degen auf den Geist los, um ihn zum Reden zu zwingen. Dieser stimmt ein jämmerliches Ge- heul an - das macht der Gehilfe nebenan, indem er durch ein bis zum Altar laufendes Rohr schreit - und beantwortet dann die Fragen mit einer fürchterlichen rauhen Stimme. Endlich verschwindet der Geist wieder unter schrecklichem Gepolter, wobei die Anwe- senden zum Abschiede einen Denkzettel erhielten, indem sie an allen Gliedern heftig erschüttert wurden, was wiederum der Gehilfe nebenan durch Antreiben einer Elektri- siermaschine besorgte, von der aus ein Draht über den Boden lief.“376

375 Ebd. S. 40 376 Liesegang, Vom Geisterspiegel, a.a.O., S. 29. (Hervorhebungen D.M.)

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Auch in Friedrich Schillers Spukgeschichte Der Geisterseher (1789) erschienen Geister im Strahl des Lichts. Ein kurzer Ausschnitt aus der Erzählung be- schreibt den schaurig vorbereiteten Schauplatz: „Zugleich ließ er alle Meubeln aus dem Saale räumen, die Fenster ausheben, und die Läden auf das genaueste verschie- ßen. Dem Wirth... befahl er, ein Gefäß mit glühenden Kohlen zu bringen, und alle Feuer im Hause sorgfältig zu löschen... Es war eilf Uhr, und eine toten Stille herrschte im gan- zen Hause... Es war beinahe zwei Uhr, als der Magier wieder erschien... Wir fanden, als wir in den Saal zurückkamen, ihn, mit einer Kohle einen weiten Kreis beschreiben, der uns alle zehn bequem fassen konnte. Ringsherum, an allen vier Wänden des Zimmers, waren die Dielen weggehoben, daß wir gleichsam auf einer Insel standen. Ein Altar mit schwarzem Tuch behangen, stand mitten im Kreis errichtet, unter welchem ein Teppich von rotem Atlas bereitet war. Eine chaldäische Bibel lag bei einem Totenkopf aufge- schlagen auf dem Altar, und ein silbernes Crucifix war darauf fest gemacht. Statt der Kerzen brannte Spiritus in einer silbernen Capsel. Ein dicker Rauch von Olibanum ver- finsterte den Saal, davon das Licht beinahe erstickte... Eine halbe Viertelstunde dauer- te die Beschwörung, von welcher wir nichts verstanden... Unter den heftigsten Zuckun- gen rief er den Verstorbenen dreimal mit Namen; und das Drittemal streckte er nach dem Crucifixe die Hand aus - auf einmal empfanden wir alle zugleich einen Streich, wie vom Blitze, daß unsere Hände auseinanderflogen; ein plötzlicher Donnerschlag er- schütterte das Haus, alle Schlösser klangen, alle Thüren schlugen zusammen, der De- ckel an der Capsel fiel zu, das Licht löschte aus und an der entgegenstehenden Wand über dem Kamine zeigte sich eine menschliche Figur in blutigem Hemde, bleich und mit dem Gesicht eines Sterbenden“377

Die magischen Gegenstände - das geheimnisvolle Buch, der Totenkopf, das silberne Kruzifix auf dem schwarz-roten Altar - sind wohlbekannte und bis heu- te unersetzliche Insignien für ein dämonisches Vorhaben. Schiller entlarvt am Ende die okkulte Vorstellung als Machenschaft eines gerissenen Halunken. Er schrieb: „Nachdem man den Altar weggeräumt und die Dielen des Saales aufgebro- chen, entdeckte man ein geräumiges Gewölbe, worin ein Mensch gemächlich aufrecht sitzen konnte, mit einer Thur versehen, die durch die schmale Treppe nach dem Keller führte. In diesem Gewölbe fand man eine Elektrisirmaschine, eine Uhr und eine kleine silberne Glocke, welche letztere, so wie die Elektrisirmaschine, mit dem Altar und den darauf befestigten Crucifix Communication hatte. Ein Fensterladen, der dem Kamine gerade gegenüberstand, war durchbrochen und mit einem Schieber versehen, um, wie wir nachher erfuhren, eine magische Laterne in seine Öffnung einzupassen, aus wel- cher die verlangte Gestalt auf die Wand über dem Kamine gefallen war. Vom Dachbo- den und aus dem Keller brachte man verschiedene Trommeln, woran große bleierne Kugeln an Schnüren befestigt hingen, wahrscheinlich um das Geräusch des Donners hervorzubringen. Als man die Kleider des Sizilianers durchsuchte, fand man in einem Etui verschiedene Pulver, wie auch lebendigen Mercur in Phiolen und Büchsen, Phosphorus in einer gläserne Flasche, einen Ring, den wir gleich als magnetischen erkannten, weil er an einem stählernen Knopfe hängen blieb... in den Rocktaschen ein Paternoster, einen Judenbart, Terzerole und einen Dolch.“378

Der Geist war ein Lichtbild, das an die Wand über einen Kamin geworfen wur- de.379 Schiller erklärte die unheimliche Erscheinung als geschicktes Ränkespiel eines lang gesuchten Gauners, der eine Laterna magica und eine Elektrisir- maschine zu bedienen wußte. Der metaphysische Schrecken wurde durch

377 Friedrich Schiller, Der Geisterseher. Aus den Papieren des Grafen von O**, in: Schillers sämtliche Werke in zwölf Bänden, Stuttgart und Tübingen 1838, Bd. X, S. 129-272, S. 147- 154. (Hervorhebungen D.M.) 378 Ebd. S. 154 379 Der Platz über dem Kamin, an dem das Lichtbild erschien und häufig auch Spiegel oder Porträts hängen, ist ähnlich magisch besetzt, wie der Platz hinter dem Ofen, der als Er- scheinungsort des Teufels galt.

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Maschinen erzeugt. Die Laterna magica war Der Geisterseher, und den hapti- schen ‘Blitz‘ erzeugte eine Elektrisiermaschine. Der geschickte Einsatz von Chemie und Physik wies den Schausteller als einen Magier aus. Der Aufklärer Schiller stellte die Geistererscheinung keineswegs als übernatürliches Phä- nomen hin, wie dies häufig in anderen Schauergeschichten der Fall war.

Ab 1799 waren unheimliche Lichtbild-Inszenierungen fast täglich, sechs Jahre lang, in der Kirche eines ehemaligen Kapuzinerklosters in der Nähe des Place Vendôme zu sehen. Hier inszenierte ein Laternenmagier, der sich den Namen Ètienne Gaspar Robertson380 und den phantastischen Titel professeur physicien– aèronaute gegeben hatte. Der selbsternannte Professor für Physik und Luft- schiffahrt hielt vor seiner Show eine Ansprache, die Passagen aus Schillers Der Geisterseher enthielt. Allerdings verkehrte er dessen aufklärerischen An- spruch ins Gegenteil. Robertsons Vortrag unterstützte seine Selbstdarstellung als faustischer Wissenschaftler. Das Programm begann meist mit der Projek- tion eines Skeletts381, das freilich nicht wie bei Athanasius Kircher an die eigene Vergänglichkeit gemahnen sollte, sondern Gevatter Hein stand hier für den e- lementaren Schrecken des Todes. Im Anschluß hieran erschienen die Geister geköpfter Revolutionäre, die bis zu drei Meter groß wurden und wieder zu- sammenschrumpften. Ein Kupferstich aus Robertsons Memoiren illustriert ei- ne der zahlreichen Vorstellungen.382

Abb. 25: Illustration, Kupferstich, Ètienne Gaspard Robertson, Mémoires récréatifs scientifiques et anecdotiques, Paris 1831

Der Kupferstich zeigt, daß ein Teil des Publikums aus den Kirchenbänken auf- geschreckt ist. Männer haben ihre Degen gegen die Lichtgestalten gezogen, und Frauen wenden sich mit Entsetzten ab. Die Lichterscheinungen über ihren Köpfen sind zum Greifen nah. Ein geflügelter Totenkopf und eine Teufelsge- stalt mit Vogelklauen und wurmförmigen Brustwarzen erinnern an mittelalterli-

380 Zu Robertson (1763-1837) vgl. u.a. Erik Barnouw, The Magician and the Cinema, New York, Oxford 1981, S. 19f 381 Vgl. Hans Schmid, Film und der Frankenstein-Komplex, in: Frankensteins Kinder. Film und Medizin (Ausstellungskatalog), hrsg. v. Jutta Phillips-Krug und Cecilla Hausheer, Zürich 1997, S. 16-21, S. 16 382 Vgl. Ètienne Gaspard Robertson, Mémoires récréatifs scientifiques et anecdotiques, Paris 1831

70 Prometheische Medien che Teufelsbilder. Auf dem Sims des Beichtstuhls liegen sechs Totenköpfe.383 Aus einer Amphore steigt Rauch.

Robertson wählte mit der alten Kirche einen Schauplatz aus, der bis heute für Furcht und Grusel steht. Nicht nur in Lessings Faust ließen sich die Teufel auf dem Altar nieder, sondern auch in John Carpenters The Prince of Darkness (1988) erscheint der Teufel auf dem Altar einer alten Kirche. Aber Robertsons Zuschauer wurden zu Mitwirkenden des schauerlichen Spiels, weil sie den ‘Ort des Geschehens’ betreten mußten. Es war ein dunkles Gewölbe, das ausge- schmückt war mit Ketten, ausgestopften Eulen, Gerippen und Totenköpfen. Die sinnliche Dramaturgie wurde auf allen Ebenen angestrebt: Geräusche, Lichtverhältnisse, Gerüche und nicht zuletzt das grausige Lichtbild versetzten die Zuschauer in Angst und Schrecken. Der Zaubertrick Robertsons verbarg sich in einer neuen Laterna magica-Technik. Dies war – so Liesegang - „eine durch Exzenter bediente Hebelvorrichtung,“ die „beim Verschieben des Apparats das Objektiv selbsttätig auf Schärfe ein(stellte).“384 Mit Hilfe von halbdurchsichtigen Trickspiegeln schwebten auf Nebel projizierte Gestalten385 vorwärts und rück- wärts, während Helligkeit und Bildschärfe bei Distanzveränderung erhalten blieben. Robertson hatte die herkömmliche Laterna magica in ein Fantosco- pe386 verwandelt und den Zoom erfunden.387

Eine weitere Illusion Robertsons war die Vervielfältigung des Lichtbildes, womit er einen Teufelstanz inszenierte.

Abb. 26: Teufelstanz, Liesegang Archiv, Düsseldorf

383 Der Ort des ikonographischen Topos ‘Totenkopf’ ist Golgatha, da „Golgatha (..) auf Heb- räisch Schädel(stätte)“ bedeutet. Vgl. Roelof van Straten, Einführung in die Ikonographie, Berlin 1989, S. 58. 384 Liesegang, Vom Geisterspiegel, a.a.O., S. 31 385 Schon 1770 hatte M. Guyot in Paris in Nouvelles recréations physiques et mathematiques Geisterprojektionen auf Rauch beschrieben. Henry Langdon Childe arbeitete später (1837) mit Nebel als Projektionfläche und Projektionskegeln von zwei Laternen, so daß Überblendungen möglich wurden. Vgl. Museumsführer, Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main, a.a.O., S. 46 386 Das Fantoscope war eine große Laterna magica auf Rädern, die mehräugig und mit kom- plizierten Linsen ausgestatteten war. 387 Vgl. Glanz, Die Welt im Kasten, a.a.O., S. 76

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Eine ausgeschnittene Teufelsfigur befestigte Robertson hinter der transparen- ten Projektionswand und beleuchtete sie mit einer Kerze, jede weitere Kerze ließ ein neues Bild entstehen.388 In dem er ähnlich wie Athanasius Kircher seine Figuren mit beweglichen Armen und Beinen ausgestattet hatte, erzeugte er die Illusion der Bewegung und machte daraus einen Teufelstanz, wie später Georges Méliès im Film.

Ob die Laterna magica auf der Theaterbühne und insbesondere bei Faustaufführungen zum Einsatz kam, ist ungeklärt. Offenbar war die Lichtquelle zu schwach, um sie dort einzusetzen. Aber nach Bartels389 wurde ein Hohlspiegel zur Schriftprojektion in der Theateraufführung von Marlowes Dr. Faustus in Am sterdam 1650 eingesetzt.390 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Argandlampe erfunden, so daß das Lichtbild stärker wurde und die Laterna magica offenbar zum Bühneneinsatz kam. Lichtbilder scheinen auch Goethe beeinflußt zu haben, zumal es in Faust, ja um nichts anderes als um (visuelle) Magie geht. Magische Wunscherfüllung korrespondiert in Faust I und Faust II wiederholt mit teuflischen Schreckensbildnissen. In Faust I wünschte sich Faust Geister herbei, damit sie ihm den begehrten Zaubermantel bringen.

„O, gibt es Geister in der Luft, Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben, So steiget nieder aus dem goldenen Duft Und führt mich weg zu neuem, bunten Leben! Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein Und trüg mich in fremde Länder.“391

In Faust II erscheinen Geister in dem schummrigen Licht eines Rittersaals. Vor Kaiser, Hofstaat, Mephisto und Faust beginnt die Szene mit der Ansage des Herolds, die in dem Vers endet:

„Und so, da alle Platz genommen, Sind wir bereit, die Geister mögen kommen.“

Es erschallen Posaunen und der Astrologe kommentiert:

„Beginne gleich das Drama seinen Lauf, Der Herr befiehlts, ihr Wände, tut euch auf! Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand, Die Teppiche schwinden wie gerollt vom Brand; Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um, Ein tief Theater scheint sich aufzustellen, Geheimnisvoll ein Schein uns zu erhellen.“

Die Regie der Vorführung übernimmt Mephisto, der sein Zusammenwirken mit dem Astrologen bekräftigt:

„Du kennst den Takt, in dem die Sterne gehen, Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.“ Der Astrologe fährt fort: „Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau, Massiv genug, ein alter Tempelbau...

388 Vgl. Paul F. Liesegang, Die Phantasmagorie, Geistererscheinungen und andere Illusio- nen, in: Laterna magica, H. 4 (1897), Nr. 52, S. 73-88, S. 79f 389 Vgl. Bartels, Proto-Kinematorische Effekte, a.a.O., S. 135 390 Ebd. 391 Goethe, Faust I, V. 1118-1124

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Mit Augen schaut nun, was ihr kühn begehrt! Unmöglich ists, drum eben glaubenswert.“ Worauf Faust nachdenklich resümiert: „Des Lebens Bilder, regsam. Ohne Leben, Was einmal war in allem Glanz und Schein, Es regt sich dort, denn es will ewig sein.“

Die Vorführung beginnt, und der Astrologe verkündet:

„Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum.“

Da erscheint plötzlich Paris, gefolgt von Helena. Faust ist entzückt von ihrer Erscheinung und schwärmt:

„Die Wohlgestalt, die mich voreinst entzückte, In Zauberspiegelung beglückte, War nur ein Schaumbild solcher Schöne!“

Faust greift nach der Luftspiegelung trotz Mephistos Warnung, wurde aber durch eine Explosion (eine Elektrisiermaschine?) zu Boden geworfen und die Geister lösten sich in Luft auf.392 Auch Helena war für Faust nur ein Trugbild, wie später die Herzogin von Parma in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage.

Ob Lichtbildprojektionen die Erscheinungen hervorbrachten, sei dahingestellt, aber nach Julius Böllner393 wurden ab 1863 Geistererscheinungen auf der Büh- ne mittels einer neuen Technik hervorgerufen. Der englische Physiker Pepper hatte sie entwickelt. Der Pepper Ghost zog im Londoner Polytechnikum jede Menge Publikum an und brachte es, wie Böllner unterstrich, „zum Schaudern.“ Peppers Erfindung verbreitete sich in vielen Theatern. Böllner stellte dar: „Ver- setzen wir uns in den Zuschauerraum eines größeren Theaters. Es wird ein Stück ge- geben, dessen Kern auf der Erscheinung eines Geistes beruht, die Katastrophe ist na- he. Die Lichter brennen matter und matter, das Haus ist ziemlich dunkel, die Bühne selbst sehr wenig beleuchtet; ...da erhebt sich auf der Bühne ein heller Schein, er wird deutlicher... - eine unbeschreibliche Gestalt steht plötzlich vor dem ergriffenen Helden... Er erkennt in ihr das Wesen eines längst schon Todten, und doch ist sie kein Körper, sie ist Luft; sie spricht,... sie bewegt sich und ihre Bewegungen werden durch keinerlei Gegenstände gehindert;... den umschlingenden Arm läßt sie ins Leere greifen, dem durchborenden Degen setzt sie keinen Widerstand entgegen. Endlich verschwindet sie eben so plötzlich und geheimnisvoll vor unseren Augen, wie sie kam.“

392 Goethe, Faust II, Rittersaal, Erster Akt 393 Julius Böllner, Die Kräfte der Natur und ihre Benutzung. Eine physikalische Technologie, Leipzig und Berlin 1865. Böllner beschrieb unter anderem die Dampfmaschine, das Licht, die Camera obscura, das Auge und das Stereoskop, die Elektrisirmaschine, den Blitzab- leiter sowie den Spiegel und verschiedene Spiegelapparate.

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Abb. 27: Geister auf der Bühne, Illustration, Julius Böllner, Die Kräfte der Na- tur und ihre Benutzung. Eine physikalische Technologie, Leipzig und Berlin 1865

Peppers Geisterspiegel betrachtete Paul Liesegang als einen Vorläufer des Ki- nos. Er beschrieb den physikalischen Prozeß der Geistererscheinung mit fol- genden Worten: „Pepper benutzte... eine riesig große, unbelegte, also durchsichtige Spiegelglasscheibe, welche die ganze Breite der Bühne einnimmt und so eingebaut ist, daß sie von Publikum nicht bemerkt wird. Die Lichtstrahlen, die von der unten sich be- wegenden, sehr stark beleuchteten Person... nach oben laufen, werden durch die spie- gelnde Glasfläche derart in die Augen der Zuschauer... geworfen, das diese ein Bild der Gestalt... hinter der Scheibe im Raume der Bühne wahrnehmen. Gleichzeitig aber sieht der Zuschauer durch die Scheibe hindurch den Schauspieler auf der Bühne. Der Schau- spieler selbst kann das Gespenst nicht sehen (denn das Bild kommt ja nur im Auge des Zuschauers zustande), noch auch der Geisterdarsteller den Schauspieler. Die Sze- ne muß daher zuvor gut einstudiert werden, damit beide richtig ineinander spielen.“ 394 Aus zwei verdichteten Bühnen entstand mittels spiegelnder Oberfläche und Licht eine Art ‘Kinobild‘. Pepper hatte den in der Romantik modern gewordenen Geistern zur realistisch bewegten Lichtbild-Darstellung verholfen. Sein Trick knüpfte an die Technik an, phantastische Bilder durch Spiegel oder spiegelnde Oberflächen zu erzeugen.395

394 Ebd. 395 Ähnlich wie der Geisterspiegel oder die Zauberlaterne wurden in der Romantik Transpa- rentbilder in dunklen Räumen zur Ansicht gebracht. 1832/1833 führten Ernst Ferdinand Oehme und Otto Wagner Transparentbilder vor. Reale Lichtquellen erweiterten die Malerei mit ‘kinematographischen Mitteln’. Vgl. Birgit Verwiese, Transparentmalerei und Romantik. Zur Vorgeschichte moderner Lichtmedien, in: Spiel im Ernst, a.a.O., S. 532-537

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Liesegang berichtete, daß auch Robertson in Hamburg mit Spiegelreflexionen eine neue Illusion vorführte und zwar die Verwandlung eines Menschen in ein Tier. Durch einen Wandschlitz konnte man sehen, daß auf einem Stuhl, auf dem gerade noch der Magier selbst saß, sich plötzlich ein Tier befand. Es war ein Verwandlungsprozeß, wie ihn später Georges Méliès im Film anwandte, als er eine Frau in ein Skelett verwandelte. Méliès hatte den Stoptrick und Robert- son etwas Ähnliches, wie ein räumliches Thaumatrop erfunden. Der Trick funktionierte ganz einfach: Durch einen Spalt, vor dem sich Fensterglas be- fand, erblickte der Zuschauer einen Raum, in dem ein leerer Stuhl stand. Hier- auf nahm Robertson Platz, und auf Zurufe hin wurde das Tier bestimmt, wel- ches er werden sollte. In einer Rinne hinter dem Spalt lief ein Schieber entlang, der - so Liesegang - „mit zwei Öffnungen von der Größe des Spaltes (ist). In der ers- ten Öffnung befindet sich ein gewöhnliches Fensterglas, in der anderen ein Prisma. Wenn das Glas vor der Spalte steht, dann erblickt der Zuschauer den unteren Teil der Kammer mit einem Stuhl. Wird nun der Schieber weitergerückt und das Prisma vor den Spalt gebracht, so sieht er den oberen Teil des Zimmers mit der Decke aber umge- kehrt, da das Prisma hier genau wie ein Spiegel wirkt. Robertson hatte nun eine Reihe ganz genau gleicher Stühle. Einer stand in dem Arbeitszimmer, auf den anderen waren ausgestopfte Tiere: Ziege, Katze, Fuchs, Affe u.s.w. fest angebracht. Diese Stühle konnten von einem darüber liegenden Raume her mittels einer Falltüre an die Decke gehängt werden.“396 Die Illusion wurde dadurch perfekt, daß die Decke und der Boden völlig gleich gestaltet waren. Forderte also der Zuschauer, der Magier möge sich in ein bestimmtes Tier verwandeln, dann wurde der Stuhl mit dem genannten Tier an die Decke gehängt und das Prisma vorgeschoben.

Belege dafür, daß Faust im Lichtbild der Laterna magica auftaucht, konnten nicht gefunden werden. Aber in kindlicher Manier zeigen folgende farbenfrohe Glasbilder das plötzliche Erscheinen des Teufels auf die Geste des Magiers hin.

Abb. 28: Magier zwingt Teufel hervor,Glasbilder für Laterna magica Projekti- on

In ihrer Abfolge belegen die beiden Glasbilder nicht nur den Wunsch, Bewe- gung zu zeigen, sondern sie werden zum lustigen Zauberbild. Auf dem ersten Bild streckt ein bunter Zauberer seinen Zauberstab über einer schwarzen Flä- che aus. Er trägt einen rosaroten Zaubermantel, einem Zauberhut und eine dunkle Brille. Hinter ihm sind Sanduhr und Erdball zu sehen. Die Magie über-

396 Liesegang, Die Phantasmagorie, a.a.O., S. 81f

Prometheische Medien 75 windet Zeit und Raum. Auf dem zweiten Bild steht nun ein fideler Höllenhund im Leerraum unter dem erhobenen Zauberstab. Er hat beide Arme nach oben geworfen, so als sei er aus der Hölle hervorgerissen worden. Der kleine Troll ist ein lustiges froschartiges Wesen. Vermutlich stammen diese Bilder aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der garstige Höllenhund hatte zu diesem Zeit- punkt schon allen Schrecken verloren und die Wissenschaft die Magie längst über Bord geworfen.

Ein vergleichbares Bildpaar zeigt einen Magier, der durch ein Teleskop blickt. Plötzlich reitet ein nackter Teufel auf einem Besen heraus.

Abb. 29: Teufel fliegt aus dem Teleskop des Magiers heraus, Glasbilder für Laterna magica Projektion

Der Teufel hat einen kindlichen Körper, ein tierhaftes Antlitz und sein langer Schwanz ragt in Luft.

Die naiven Lichtbilder weisen eine signifikante Verkehrung auf, denn der Ma- gier, der den Teufel hervorzauberte, ist wieder an die Stelle des optischen Ap- parates getreten und im Umkehrschluß verweist er auf die Laterna magica, die

76 Prometheische Medien an die Stelle Fausts gesetzt wurde. Faust verschmolz mit dem bilderzeugen- den Apparat und ist nun im Lichtbild des bunten Zauberers eingeschlossen. Die Laterna magica wurde inzwischen serienmäßig hergestellt und so konnte ein jeder den technischen Höllenzwang bedienen, um den Leibhaftigen er- scheinen zu lassen. Die Zauberformel lautete fortan: „The Medium is the Messa- ge“ (McLuhan) und der Preis für den Teufelspakt wurde hinfällig. Der Teufel war nichts anderes als ein Phantom in Strahl des Lichts. In gewisser Weise grün- dete der schlechte Ruf, den die Laterna magica Ende des 19. Jahrhunderts genoß, auf ihre übernatürlichen Projektionen.397 Sie nahm im Gefolge Fausts den schlechten Leumund der Schwarzen Magie an.

397 Bartels sprach sogar von einer „kuriosen Ächtung“ des Lichtbildapparates, die sich noch bis in die dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts verfolgen ließ. Vgl. Bartels, Proto- kinematographische Effekte, a.a.O., S. 125

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„Seit jeher war es der Traum des faustischen Menschen, lebende Bilder dem Auge vorzuzaubern.“398

B. Illusion der Bewegung Apparate, die durch zwei und mehrere Bilder die Illusion der Bewegung erzeu- gen konnten, waren bis ins 19. Jahrhundert unbekannt. Etwa 1826 wurde das Thaumatrop und 1832 das Lebensrad entwickelt, kleine mechanische Appara- te begannen mit dem bewegten Spiel der Bilder. Nach Leopold Beierl399 brachte das 19. Jahrhundert zwei „Wundermaschinen“ hervor, die eine Bewegung in neu- en Dimensionen ermöglichten. Dies waren das Flugzeug und der Kinema- tograph, Maschinen, die – so Beierl - aus den „physikalischen, mechanischen, a- natomischen und medizinischen Erkenntnissen“ des 17. Jahrhunderts hervorge- gangen waren. Schließlich erscheinen Fliegen und Kino schon deshalb miteinander verwandt, weil das Kino die Gedanken zum Fliegen bringt.400 Indes haftet schon dem Fotoapparat ein Mythos vom Fliegen an, wie es dem Ausruf des Fotografen: „Hier kommt das Vögelchen heraus!“, entnommen werden kann.401 Entsprechend barocker technischer Apparaturen wurden – so Beierl - auch die modernen Wundermaschinen mit Magie geladen. Er schrieb: „Die Entdeckungen des barocken Mikroskopes: der Blutkreislauf, die Feinstruktur der Muskeln, Nerven und Zellen, zeigen sich im Film und Fernsehen allen, die Augen haben zu sehen... Die Ma- schine wird spiritualisiert, - noch durch Galilei - die Maschine wird mit Magie geladen.“402 Mag die Spiritualisierung daran liegen, daß es eine Maschine ist, die Bilder des Lebens zur Ansicht brachte, die dem Auge bis dahin verschlossen waren, oder weil der Film immer wieder dasselbe zeigte: Den Prozeß des Lebens, der sich im Bild der Bewegung veranschaulichte. Gleichwohl kann, wie im folgenden gezeigt wird, die Erforschung alter und moderner Bildapparate nur zusammen mit der Betrachtung von Magie einhergehen, mit der sie geladen sind, und die sich so trefflich im Teufelsbildnis veranschaulicht.

Den einfachsten Mechanismus, um ein Bewegungsbild zu erzeugen, liefert das Thaumatrop.403 Es läßt ein Bewegungsbild mittels Drehung zweier zu- sammengeklebter Pappscheiben, auf denen ergänzende Bildmotive gemalt sind, entstehen. Durch die Mitte der Flächen läuft ein Faden. Zieht man nun an beiden Enden des Fadens gleichzeitig, dreht sich die Scheibe, und die beiden Bildmotive vermischen sich. Ist etwa auf einer Seite ein Seiltänzer aufgemalt und auf der anderen das Seil, springt der Seiltänzer bei Drehung immer wieder auf das Seil. Das griechische Wort thauma stand wohl für das Wunder des Be- wegungsbildes. Das Thaumatrop funktioniert aufgrund des Nachbildes auf der Netzhaut, dem Stroboskopeffekts.404 Der rätselhafte Wahrnehmungsvorgang enthielt offensichtlich Magie genug, um ein Thaumatropbild nach einem populä- ren Bild von Johann Heinrich Fuessli zu gestalten. Ein kleiner Dämon setzt

398 Gottfried Müller, Dramaturgie des Theaters und des Films, Würzburg 21942, S. 178 399 Leopold Beierl, Der Film als Wirklichkeitswunder. Antrittsvorlesung vom 11.10.1958, hrsg. von der Internationalen, geisteswissenschaftlichen Hochschule in Amsterdam, Riehen 1959, S. 3 ff 400 Ebd. S. 10 401 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 41 402 Ebd. 403 Wie bei vielen einfachen Erfindungen ist auch beim Thaumatrop die Urheberschaft unklar. Es wurde Paris und Fitton gleichermaßen zugeschrieben. 404 Kann das Auge Bilderfolgen (kürzerer zeitlicher Abstand als 1/16 Sekunde) nicht mehr trennen, entsteht der Eindruck einer kontinuierlichen Bewegung. Vgl. u.a. Johannes M. Lehmann, Die Kinematographie, ihre Grundlagen und ihre Anwendung, Leipzig 1911

78 Prometheische Medien sich beharrlich auf die Brust einer Schlafenden.

Abb. 30: Der Teufel springt einer Schlafenden auf die Brust, Thaumatrop

Abb. 31: Johann Heinrich Fuessli d. J., Die Nachtmahr, 1781, Öl auf Lein- wand, 101 x 127 cm, Detroit, The Detroit Institute of Arts

Das Thaumatropbild, welches Beelzebub in der Bewegung zeigt, wie er sich immer wieder auf die Brust der Schlafenden setzt, wird unversehens zur dien- lichen Interpretation des Gemäldes Fuesslis. In der Bewegung seines ständi- gen Verschwindens und Auftauchens veranschaulicht der kleine Dämon wahr- scheinlich nichts anderes als das Bild für ein sexuelles Verlangen, das wie Hunger immer wieder neu entsteht. Der unendliche Prozeß des Begehrens wird an den weiblichen Körper gebunden, der sich dem Betrachter darbietet und der den kleinen Dämon im Rhythmus der Bewegung anzieht und wieder abstößt.

Gilles Deleuzes Ausführungen zum Bewegungsbild405 lassen sich nur einge-

405 Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, Frankfurt am Main 1989, S. 13-26. Deleuze

Prometheische Medien 79 schränkt auf das Thaumatrops anwenden, geben aber zur Erklärung der Wir- kungsweise von Bewegungsbildern grundlegende Erklärungsmuster vor, die hier kurz vorgestellt werden sollen. Ausgang der Überlegungen Deleuzes wa- ren Henri Bergsons Thesen zur Bewegung. Nach Bergson war Bewegung zu- nächst grundlegend ein „nicht-zentriertes Ensemble, aus variablen Elementen, die aufeinander einwirken“, aber das kinematographische Bewegungs-Bild betrachte- te er als „kinematographische Illusion“.406 Deleuze sah dagegen das kinema- tographische Bild nicht als Illusion an, sondern betrachtete es vor dem Hinter- grund von Bergsons Bewegungsregel. Danach reproduzierte das Kinobild nicht die Idee der natürlichen Wahrnehmung und erschien als Wiedergabe ei- ner Illusion, sondern der Film war für Deleuze unmittelbar Bewegungsbild und kein Bild, das erst - wie ein Thaumatrop - in Bewegung gesetzt werden muß- te.407 Da der Film nach Deleuze „weder Kunst noch Wissenschaft“ ist, befand sich das Bewegungsbild von Anfang an zwischen gegensätzlichen Positionen und war gleichzeitig etwas grundsätzlich Neues. Der Film war ein System, „das die Bewegung als Funktion eines beliebigen Moments reproduziert“, und die Kamera, das „verallgemeinerte Äquivalent der Fortbewegungen... Somit hat Bewegung gewisserma- ßen zwei Gesichter. Zum einen ist sie das, was sich zwischen Objekten oder Teilen er- eignet; zum anderen gibt sie die Dauer oder das Ganze wieder.“408

Das Bewegungs-Bild kann so gesehen als das Reale409 gelten, eine Betrach- tungsebene, die sich frei hält von technologischen Linien der Vorgeschichte des Films, denn „man fällt unter Umständen in konfuse Überlegungen, weil man nicht genau weiß, wie weit die für ihn charakteristische technologische Linie zurückverfolgt werden soll, ja welche denn überhaupt für ihn maßgeblich ist. Man kann natürlich immer chinesische Schattenspiele oder die altertümlichen Projektionssysteme heranziehen.“410 Zweifellos können Überlegungen zur technischen Vorgeschichte des Films den Blick auf das Reale täuschen, jedoch klammert die Trennung von Kultur- und Technikgeschichte die Magie aus, welche am modernen Bewegungsbild haf- tet. ‘Bewegungs-Bilder’ auf die Realebene zu transportieren, bedeutet, bündel- weise Narrationen zu sortieren, die sich in neuen Apparaten mit alten Gefühlen mischen. Der ikonographische Vergleich hebt die imaginären und symboli- schen Einschlüsse hervor, die den Faust-Bilddiskurs im Bewegungs-Bild bestimmen.

Dem Thaumatrop folgte das Lebensrad411, dessen andere Variante das Zootrop war, welches als Wundertrommel412 bekannt wurde. Ein Rad, daß sich drehte

bezog sich auf Bergsons Text, L’ évolution créatrice (1896). 406 Ebd. S. 322 407 Deleuze argumentierte hier im Benjaminschen Sinn. Freilich ist das Fotobüchlein kein Film, aber in Film und Fotobüchlein können vergleichbare Bildmotive auftreten, die auf eine Spiritualisierung von Bild und Apparat hinweisen. 408 Deleuze, Das Bewegungs-Bild, a.a.O., S. 322 409 Zum Begriff des Realen vgl. Serge Leclaire, Das Reale entlarven. Das Objekt in der Psychoanalyse, Olten und Freiburg im Breisgau 1976 410 Deleuze, Das Bewegungs-Bild, a.a.O., S. 17f. Es mag Zufall sein, daß Deleuze hier Schat- tenspiele erwähnte, die ja in allen Kulturen zu finden sind. Auch drang der Schatten tief in die filmische Narration ein. 411 Das Lebensrad wurde gleichzeitig von Joseph Plateaú in Belgien und Simon Stampfer in Österreich erfunden. Plateaú nannte sein Gerät zunächst Fantaskop, dann Phenakitisko- pe, Stampfers hieß Stroboskop. Lebensräder werden zu stroboskopischen Scheiben, in- dem Einzelbilder, die in fortlaufender Reihenfolge auf eine drehbare Schlitzscheibe ge- zeichnet waren, bei Drehung und gleichzeitiger Betrachtung durch die Schlitze vor einem Spiegel den Eindruck von flüssigen Bewegungsabläufen hervorbrachten. 412 Die Wundertrommel war eine Verbesserung des Lebensrads durch William G. Horner (1786-1837). Horner beschrieb die Wundertrommel 1833. Er ersetzte die Scheibe durch eine drehbare Schlitztrommel. 1869 ließ Desvigne die Wundertrommel in England paten- tieren. Mit einem Bildstreifen versehen, gab das Zootrop oder Zoetrop bei Rotation durch

80 Prometheische Medien und bewegte Bilder vor einem Spiegel zur Betrachtung brachte, bekam den Namen Lebensrad und eine Trommel, in der Bildstreifen kreisten, die durch Schlitze betrachtet wurden, hieß Wundertrommel. Bereits in den Namen klingt an, daß das Sehen von bewegten Bildern nicht unabhängig war von der Vor- stellung magischer Verlebendigung. Wundertrommel und Lebensrad zeigten in ihren Bildfolgen unendlich wiederholbare Bewegungsabläufe, wie etwa den Spitzentanz einer Tänzerin oder einen turnenden Akrobaten, fliegende Vögel oder springende Hunde. Die Inhalte beschränkten sich auf Zeigen von Bewe- gungsabläufen, was ja auch der Sinn des Mediums war. Das folgende Blatt für das Lebensrad zeigt die Schattenfigur eines schlanken, beweglichen Teufels mit langem Schwanz und beachtlichen Hörnern, der auf einen Stuhl springt, einen Überschlag, dann einen Salto macht und wieder vor dem Stuhl steht, um erneut mit seinen akrobatischen Übungen zu beginnen.

Abb. 32: Phénakistiskop-Scheibe

Es kann schon etwas Diabolisches darin liegen, Bewegung und damit ‘Leben’ im Bild zu zeigen. Der bildhafte Bewegungsablauf des Teufels erzählt mehr über die Magie der Verlebendigung als die Betrachtung des eigenen Spiegelbil- des. Auch im nachfolgenden Bildstreifen, der für die Wundertrommel angefer- tigt wurde, turnt ein wendiger Teufel mit Dreizack auf einer (Welt-)Kugel. Ein weiterer Bildstreifen zeigt einen Springteufel, der immer wieder aus einem Kasten springt, um eben so kontinuierlich darin zu verschwinden.

die Schlitze den Blick auf bewegte Bilder frei. Die leicht verzerrte Wiedergabe der Bilder in der Wundertrommel korrigierte das Praxinoskop von Emile Reynaund (1877). Im seinem Praxinoskop Theater, dem Théâtre optique (1888 - 1900), führte Reynaund bis zu 15 Minu- ten lange Filme vor, indem er über ein Rollensystem laufende Bildstreifen mittels Laterna magica - über ein Spiegelsystem in einen Gliederrahmen aus Glas mit Leinwand be- spannt - projizierte. An dieser Stelle soll nicht die technische Leistung Reynaunds nach- vollzogen oder sein trauriges Schicksal erzählt werden. Das Théâtre optique war das erste geschlossene System, das laufende Bilder zeigte und farbig gezeichnete kleine Geschich- ten erzählte, wie Un rève au coin de feu oder Auour d'úne cabine.

Prometheische Medien 81

Abb. 33: Praxinoscope-Streifen. Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main

Abb. 34: Praxinoscope-Streifen. Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main

Je nach Belieben konnte das Teufelsbild in Bewegung versetzt werden. Die komischen Szenen grenzten sich im Verhältnis von Stillstand und Bewegung, Auftauchen und Verschwinden in ihrer bildlichen Lebendigkeit von menschli- cher Vergänglichkeit ab.

1861 wurde Prager Medizinstudenten mit dem Lebensrad die nie zuvor gese- hene Bewegung des pochenden menschlichen Herzens vorgeführt. Ein schla- gendes Herz ist aber der Inbegriff des Lebens selbst, und das Bewegungsbild des menschlichen Herzens, in einem medizinischen Lehrsaal vorgeführt, ver- bindet sich mit der Vorstellung künstlicher Verlebendigung. Gleichzeitig flackert ein Gedanke auf, der den unerschütterlichen Glauben an die menschliche Un- sterblichkeit ins Gedächtnis ruft. Bereits das simple Bewegungsbild des Le- bensrads schaffte ein Paradigma für die Vorstellung vom Leben, die mit der Il- lusion künstlicher Verlebendigung einherging.

L. S. Beale hatte den Einfall, nachfolgende Bewegungsphasen mittels einer Kerbe auf einer Scheibe zu verzögern, so konnte sich das Bild einen Abschnitt weiter bewegen, während sich gleichzeitig der Verschluß öffnete.413 Das Cho- reutoskop von 1866 erzeugte Bewegung durch eine Art Malteserkreuz und brachte das makabre Spiel des bewegten Skeletts hervor.

413 Vgl. C.W. Cream, Eine Archäologie des Kinos, Reinbek bei Hamburg 1965, S. 70

82 Prometheische Medien

Abb. 35: Ein Skelett tanzt und nimmt seinen Kopf ab

Im Moment seiner Bewegung wird das menschliche Gerippe zur Darstellung der Todes-Überwindung. Es ist schon ein surreales Bild, über dessen Realität sich die Zuschauer keine Gedanken mehr machen.

Ein Dämon springt einer Schlafenden auf die Brust, ein Skelett nimmt seinen Kopf ab, eine Teufelsfigur turnt auf der Weltkugel oder auf einem Stuhl, und ein menschlichen Herz schlägt im Rhythmus des Lebensrads. Die neuen mecha- nischen Bildmaschinen kamen mit alten Bildern daher und hoben scheinbar Grenzen zwischen Leben und Tod auf - aber nicht, ohne das Bild des Teufels und des Todes zu bemühen, denn, der Wunsch eine Kopie des Lebens zu schaffen, war Satan eigen.

1. Verweilender Augenblick Die Erfindung der Fotografie414 brachte das dauerhafte Abbild hervor und ent- sprechend des Wunsches, Bewegung abzubilden, verwundert es wenig, wenn bereits Mitte des 19. Jahrhunderts Fotos in Lebensrad und Wundertrommel eingesetzt wurden.415 Noch gelang es nicht, Momentaufnahmen in rascher Fol- ge zu fertigen, so daß aufwendig Bild für Bild eines Bewegungsablaufes foto- grafiert werden mußte, was freilich zur Folge hatte, daß das Bewegungsbild viel zu stockend erschien, um als natürlich gelten zu können. Der Versuch, die Fotografie ins Lebensrad zu transportieren, war geradezu metaphorisch für das ästhetische Dilemma, in dem sich die Fotografie befand. Gleich ihrer Ap- paratur war die Fotografie ein starres, festes Standbild und nicht dazu be- stimmt, sich in Bewegung zu versetzen. Von Anfang an fand sich das fotogra- fische Abbild der ästhetischen Kritik ausgesetzt, es ließe Lebendiges erstarren und habe den Charakter des Toten und des Leblosen.416 Ulrike Schneider schrieb über die Todesmetapher der Fotografie: „Jede Fotografie (besitzt) die Ambivalenz eines Leichnams, wobei dieser Umstand die Verwendung der Leichenmeta- pher im Zusammenhang mit Porträtfotografien sicherlich noch zusätzlich begünstigt.“417 (Das Foto diente ja auch dazu, eine letzte Erinnerung an einen Toten für die Hinterbliebenen zu bewahren.)

Die Ikonographie des Todes und der Starre ist gewissermaßen eine ‘Aufgabe’

414 Josef Niepce (1765 – 1833) fixierte als erster die Bilder der Camera obscura (Niepcotypie). 415 1849 hatte Plateau die Idee, Fotografien im Lebensrad zu verwenden, vgl. Paul Liesegang, Vom Geisterspiegel zum Kino, Düsseldorf 1918, S. 39 416 „Seit den Anfängen der Fotografie werden Begriffe aus dem Vorstellungsbereich ‘Tod’ zur Verdeutlichung medienspezifischer Wesenszüge verwendet. Sei es, daß man der Fotogra- fie in der Frühzeit vorwarf, nur ein ‘totes Bild der Natur’ zu sein, die ‘Totenstarre’ der me- chanisch erzeugten Abbilder kritisierte oder fotografisch porträtierte Menschen als ‘Lei- chen’ bezeichnete - der bildhafte Vergleich mit dem Tod basiert durchgängig auf einer Gegenüberstellung von Fotografie und Leben.“ Ulrike Schneider, Der Tod als Metapher für das fotografische Verfahren, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, (1996), H. 59, S. 5-14, S. 5, vgl. auch Roland Barthes, Die helle Kammer. Be- merkungen zur Fotografie, Frankfurt am Main 1989 417 Schneider, Der Tod als Metapher, a.a.O., S. 8

Prometheische Medien 83 der Fotografie, da sie, gleich dem Guckkastenbild, das Leben im Stillstand zur Betrachtung brachte. Das bewegungslose Abbild war ein der Schwarzen Kam- mer entnommener Augenblick. Nach Beierl benutzte der moderne Mensch den Fotoapparat, um seine eigene Realität mit der Realität eines anderen vergleichbar zu machen. Beierl hob hervor, daß „in der Welt der Serie das Singulare zum Nichtsein gehört, oder weil angeblich den heutigen Menschen jegliche Einmaligkeit irritiert und er von ihr als Angehöriger eines Serien Universums in tiefe ‘prometheische’ Scham verfällt.“418 Momentaufnahmen dienen der bildhaften In- besitznahme des privaten Lebens oder, besser gesagt, seiner ‘schönen’ Au- genblicke (Hochzeit, Geburt, Reisen). Aber auch Beerdigungen werden foto- grafiert, so daß das gesamte Leben allmählich apparativ verzeichnet wird. Fo- tos statten Personen mit Biographien aus, die dem Leben durch die aggressive Geste des ‘shooting’ abgewonnen wurden.419 Das Fotoalbum ist nichts anderes als ein Familienroman im Sinne Freuds. Im „Bitte Lächeln!“ vor dem Druck auf den Auslöser verbirgt sich die soziale Dimension, die das Lichtbild in den kollektiven Prozeß der Familienideologie420 stellt. Ferner ver- schaffte das fotografische Porträt eine permanente Anwesenheit in der Familie und führte - so Beierl weiter - zu einer Renaissance des Familienkults, die dem Foto innerhalb der Familie einen magischen Platz zuweist, der über „die endli- che Begrenzung des Seins hinaus wirksam bleibt. Nur noch Amulett und Fetisch kön- nen, allerdings auf unvollkommenere symbolische Weise, die Gegenwärtigkeit von Ab- wesenden realisieren.“421 Die Fotografie schuf als Familienfetisch nicht nur die magische Gegenwärtigkeit der Familienmitglieder über Tod und Abwesenheit hinaus, sondern die Magie des Fotos kennzeichnet gleichsam ein faustisches Motiv: Die (bildhafte) Unsterblichkeit.

Edgar Morin422 verband die Bemerkung, die häufig vor dem Druck auf den Aus- löser gemacht wird: „Gleich kommt das Vögelchen raus...“, mit einem „naiven Exor- zismus.“ Danach war der kuriose Ausspruch, um die Aufmerksamkeit auf das zu machende Foto zu lenken, „eine magische Restitution, die der rudimentären Furcht vor einem schlimmen Zauber entspricht. Die gefühlsmäßige Identifikation von Vogel und Seele ist allgemein verbreitet. In gewissen afrikanischen Kulturen entweicht die Seele als Totenvogel, und jene große Seele, die der Heilige Geist ist, verkörpert sich in einem Vogel. ‘Gleich kommt das Vögelchen raus’ meint also die Seele. Sie wird fest- gehalten, aber sie wird befreit werden und auf leichten Schwingen davonfliegen.“ Das Bild des Vogels, der hoch in die Luft steigt, scheint die Vorstellung geschürt zu haben, die Seele trete nach dem Tod aus dem Körper aus und steige in den Himmel hinauf.423 Der Glaube an die unsterbliche Seele war der „Ausgangspunkt für alle Jenseits- und... Höllenvorstellungen.“ Danach kam dem „naiveren Menschen der Gedanke gar nicht (..), daß mit dem Aufhören des körperlichen Lebens das Leben des Menschen endgültig abgeschlossen sein könnte. Die Erinnerung an den Abge- schiedenen, die durch Träume lange nach dem Tod noch belebt wird, die Veränderung des verwesenden Körpers, die Nachwirkung der Autorität des Toten in der Familie, end- lich die Furcht vor dem Toten als einen gefährlichen, den Lebenden etwa beneidenden

418 Beierl, Der Film als Wirklichkeitswunder, a.a.O., S. 8 (Hervorhebung D.M.) 419 Zur Analogie von Fotografien und Schießen, vgl. Thilo König, „Die Kamera muß wie eine nimmer fehlende Büchse in der Hand des Herren liegen.“ Gedanken zu einem medien- spezifischen Sprachgebrauch, in: Fotogeschichte, H. 30 (1988), S. 3-11 420 Zur Familienideologie vgl. u.a. Jacques Donzelot, Die Ordnung der Familie, Frankfurt 1980 421 Beierl, Film als Wirklichkeitswunder, a.a.O., S. 9 422 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 41 423 Ohne den Vogel zu sehen, kann auch ein Vogelschrei als akustische Erinnerung an die Seele eines Verstorbenen gelten. Nicht nur im Horrorfilm unterstreicht der warnende Schrei (meist eines Nachtvogels) häufig eine angstbesetzte Szene. Die Idee der Seele, die in der Gestalt eines Vogels die Schwerkraft überwindet, erinnert auch an den Wunsch Ika- ros.

84 Prometheische Medien

Wesen wirken zusammen dahin, daß man überzeugt war, der Gestorbene führe sein Leben weiter, nur in einer anderen Form, einem anderen von der Menschenwelt abge- trennten Lande.“424 Die Vorstellung der unsterblichen Seele ging mit dem Gedan- ken einher, der Tote wechsele nur seine Existenz und könne jederzeit zurück- kehren. Zwar liegt der Tote als steifer Körper da, aber seine Seele scheint an- derswo weiter zu leben. Schon im Mittelalter galt die Seele als der Teil des Menschen, der Unsterblichkeit versprach. Ein Glaube, der zahllose Geschich- ten hervorbrachte über Seelen, die schon zu Lebzeiten den Körper verlassen und als guter oder böser Geist wirken. Die Dissoziation von Körper und Seele erinnert - so Schneider - „an die traditionelle, dualistische Auffassung vom Tod... und an die Idee vom Sterben als dem Ablegen einer leer zurückbleibenden Körperhülle.“425 Der Glaube an die unsterbliche Seele erfüllt zweifellos nichts anderes als den Wunsch nach Unvergänglichkeit.

Über Jahrhunderte hinweg wurde der Seele eine materielle Existenz zuge- sprochen, der überdies in unzähligen wissenschaftlichen Versuchen nachge- spürt wurde.426 Die Seele, die vermeintlich als ‘Vögelchen’ beim Fotografieren den Körper verläßt, wurde offensichtlich seit Beginn der Fotografie auf Fotos sichtbar. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand die sogenannte ‘Geister- fotografie’. Sie basierte auf der Phantasie, fotografische Bilder können flüchtige Geister oder die Seele abbilden. Auf manchen Fotos führten technische Män- gel zu mysteriösen Verdoppelungen oder rätselhaften Lichterscheinungen, ge- heimnisvolle Bildphänomene, die als Geisterfotografien betrachtet wurden. Der flüchtige Geist schien wirklich, festgehalten durch das Objektiv der techni- schen Apparatur. Tatsächlich galten Geisterfotografien mitunter als Beweis übernatürlicher Existenzen. Ein Prozeß, der nicht nur belegt, wie stark die Fo- tografie mit Magie geladen war, sondern diese Trickbilder oder Fehlbilder ent- fachten eine frühe Diskussion um Objektivität und Wahrheitsgehalt von Fotos im allgemeinen.

Die Geisterfotografie verbirgt im Glauben an das Sichtbarmachen von Geist oder Seele durch Fotografie, eine weitere spiritistische Illusion: Es ist dies die Wiedererkennung im fotografischen Porträt, oder anders gesagt, die Fotografie erfüllt den Wunsch nach einem festen Bild von sich selbst, denn mit dem Druck auf den Auslöser wird das flüchtige Spiegelbild - wie der flüchtige Geist - auf die Platte gebannt und tritt dem Betrachter im Foto als ein Anderer entge- gen. Zwar zeigt die Fotografie nur einen Körper, dem der ‘Geist entflogen’ ist, aber sie stellt ein dauerhaftes Spiegel-Porträt zur Verfügung. Weil das Foto das Vergangene bezeugt, wird es zum Spiegel des Selbst des Betrachters. So gesehen veranschaulicht die Geisterfotografie mit dem Foto des ‘Geistes‘ eine grundlegende Funktion der Fotografie: Es ist der zum Scheitern verurteilte Versuch, die Ich-Spaltung des Subjekts durch fotografische Verdoppelung auf- zuheben. Folglich erweisen sich Fotos als trügerisch und austauschbar, mit- unter nehmen sogar Fremde von den ‘Körperhüllen‘ auf den Fotos Besitz. In Ridley Scotts Blade Runner (1982) benutzten Replikanten in „prometheischer Scham“ (Beierl) fremde Fotos, um allgemeingültige Vergangenheit in identitäts- sichernde Geschichte zu überführen. Don Siegel machte aus der fotografi- schen Trennung von Körper und Seele den (selbstreferentiellen) Science Ficti-

424 Stichwort: Hölle, in: HDA, a.a.O. 425 Schneider, Der Tod als Metapher, a.a.O., S. 7 426 Die wissenschaftliche Erforschung der Seele hatte um 1900 bereits eine hundert Jahre alte Geschichte. Vgl. Wolfgang Pircher, Seelenapparate, in: Wunderblock eine Geschichte der modernen Seele, hrsg. v. Jean Clair, Cathrin Pichler, Wolfgang Pircher, Wien 1989, S. 25-28. Die Phrenologie ist seit etwa 1790 bekannt. Das Gehirn wurde zum Organ des Geistes erklärt.

Prometheische Medien 85 on-Film Invasion of the Body Snatchers (1958).

Kracauer stellte die Fotografie ins Verhältnis zu der angehaltenen Zeit und ver- glich das Foto der Filmdiva mit dem Foto der Großmutter,427 eine Gegenüber- stellung, die den Widersinn der Fotografie neben Ich-Identität und Geschlech- terrolle stellte. Gertrud Koch schrieb zu Kracauers Bildvergleich: „Die Lesbarkeit der Photographie, das Erkennen ihrer Ähnlichkeit nimmt im Laufe der Zeit ab; was an ihr mit einem ‘Gruseln’ erkannt wird, ist der Ablauf der unwiederbringlichen Zeit. Wie un- ter einer ‘Schneedecke’ begräbt die Photographie die Dargestellten, weil sie ihre ‘Ge- schichte’ nicht erfassen kann. Zwar zeichnet das Photo ‘Wirklichkeit’ auf, aber sie ent- hüllt sich in ihm als räumliche Fixierung eines gewesenen Moments, als Totes.“428 Fo- tos werden danach für ihren Betrachter das, was für Faust der Teufel war, ein Spiegel des vergänglichen Seins. Die Momentaufnahme gaukelt dem Betrach- ter eine autonome und lineare Geschichte vor, auch weil er mit dem Foto ein Bild seines Lebens in die Hand nimmt. Die Aufnahme birgt eine Erinnerung an das Selbst (imaginär) und ist überdies ein Andenken an die Vergangenheit (symbolisch). Im Moment der Betrachtung erzeugt das Foto sofortige - immer wieder gegenwärtige - Narrationen (die Erinnerung) und es stellt die Weichen für den Wunsch nach ewiger Jugend und widerspruchsfreiem Sein, wie es Goethe Faust in den Mund schrieb:

„Zum Augenblick durfte ich sagen: Verweile doch nur, du bist so schön! Es kann die Spur von meinen Erdentagen Nicht in Äonen untergehen.“

Erst wenn Faust völlig befriedigt dem Augenblick huldigte, erfüllte sich sein Schicksal, ein Wunsch, aus dem Freud den Todestrieb ableitete. Aber wenn der Tod ins Spiel kommt, fühlt sich der Teufel so recht in seinem Element, denn er wartet auf eine neue Seele. Gott hatte die Wette längst verloren, denn Faust befand sich wie die Fotografie in dem paradoxen Dilemma zwischen Lebenswunsch und Todestrieb. Schneider stellte das Paradox der Fotografie so dar: „Nur indem die Fotografie die Bewegung des Lebendigen in ‘tote’ Augenblicke verwandelt, kann sie einen - vergangenen - Moment des Lebens konservieren und auf- bewahren. Damit suspendiert letztendlich jede fotografische Abbildung das Leben, das sie eigentlich verfügbar machen will.“429

2. Lebende Fotografien und humanoider Filmdiskurs Der verweilende Augenblick, die Starre, die den Tod bedeutet, stellt den Kont- rapunkt zur Funktion der Fotografie im Lebensrad dar. Die Illusion der Bildbe- wegung wurde gleichsam zur Fata morgana der künstlichen Verlebendigung und mithin zum ‘Spiegelstadium‘ der kinematographischen Täuschung. Die bewegte Abfolge der Fotos war die ‘lebendigste‘ Aufzeichnung des Lebens. Voraussetzung für diese Fiktion war die Serienfotografie.430 1882 entwickelte Ètienne-Jules Marey für Vogelflugaufnahmen431 die fotografische Flinte.432 Ead-

427 Siegfried Kracauer, Die Photographie, in: ders., Der verlorene Blick, Leipzig 1992, S. 185- 203 428 Gertrud Koch, Kracauer zur Einführung, Hamburg 1996, S. 129 429 Schneider, Der Tod als Metapher, a.a.O., S. 9 430 Seit Beginn der sechziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts wurden Apparate für eine Reihe rasch aufeinanderfolgender Belichtungen konstruiert, deren nasse Kollodiumplat- ten allerdings eine zu geringe Lichtempfindlichkeit hatte. 431 Das Motiv Vogel in der Fotografie erscheint keineswegs zufällig, sondern es verweist auf die Magie des Mediums und den Ikaros-Mythos. Über das Bild des Vogelflugs im frühen Film schrieb Georges Sadoul: „Die fliegenden Vögel gehörten zu den Hauptanziehungs-

86 Prometheische Medien weard Muybridge gelangen 1878 Reihenaufnahmen von laufenden Tieren, die er auch projizierte. Ottmar Anschütz433, dem erste Serienaufnahmen 1885 ge- langen, konstruierte für die Vorführung das Elektrotayskop. Auf dieser Grundla- ge stellte die Firma Siemens & Halske einen Vorführapparat mit Namen Schnellseher her. Allein der Name Schnellseher beinhaltet eine bemerkenswerte Verschiebung, da der Zuschauer ja eigentlich ein Schnellseher ist und das Ge- rät eher ein Schnellzeiger. Die Bezeichnung bezieht sich auf das nicht stillste- hende Bild und sein Thema gleichermaßen, Zeigen der Bewegung. Der Schnellseher war wie das Kinetoskop434 oder das Mutoskop435 zur individuellen Betrachtung gleich einem Guckkasten konstruiert. Nach Lehnert436 war der Zu- schauer, der durch den Sehschlitz sah, ein Beobachter. Danach war der Pro- jektionsapparat ein „allseits geschlossener Kasten, in dessen oberer Wand ein Schlitz eingearbeitet ist. Innen im Kasten wurde das Bildband mit gleicher Schnellig- keit, wie die Aufnahme vorgenommen war, und zwar ebenfalls ruckweise, vor dem Schauspalt vorbei bewegt und der Beobachter sah durch den Spalt eine bewegliche Szene.“ Der Blick durch den Sehschlitz ist dem Blick durch das Schlüsselloch vergleichbar, mit dem man unerkannt ins Leben anderer einzudringen vermag. Ein aufregender Effekt, der ohne Zweifel ausgelöst wurde durch das Sehen kultureller Tabuzonen.

punkten des damaligen Films, weil sie eine im Theater unbekannte Neuheit darstellten.“ Georges Sadoul, Geschichte der Filmkunst, (Paris 1957) Frankfurt am Main 1982, S. 22 432 Die fotografische Flinte war eine Reihenbildkamera, mit der in der Sekunde zwölf Aufnah- men möglich waren. Einige Jahre später benutzte Marey Negativbänder, die er ruckweise durch eine Kamera führte. 433 Anschütz lebte von 1846-1907 434 Edison hatte zur Vorführung der Reihenfotografien das Kinetoskop entwickelt. Vgl. Abbil- dung 435 Ab 1894 stellte die älteste amerikanische Produktionsfirma Biograph das Mutoskop her. Es war ein ähnliches Gerät wie das, welches Edison zuvor herausgebrachte hatte. Von 1896 an stellte Biograph auch das Kinetoskop her und drehte entsprechende Filmbänder. 436 Fr. H. Lehnert, Das lebende Bild, in: Der Kinematograph, Nr. 22 (1907), o. S. Die Zeitschrift Der Kinematograph erschien von Januar 1907 an.

Prometheische Medien 87

Abb. 36: Kosmoskop, Oskar Messter, 1898

Wenn man im Kinetoskop die Lebende Fotografie oder im Guckkasten die Ganze Welt ansah, war das, was man sah, vor den Blicken der anderen geschützt. Der Kinematograph machte das Sehen (von Bewegung) öffentlich und das kol- lektive Sehen ließ eine moderne Schwarze Kammer, eine kulturelle Fiktion und ein neues soziales Gefüge entstehen: Im dunklen Kino wurde das Publikum in Angst und Schrecken versetzt oder konnte sich vor Lachen nicht halten.

Andere Vorläufer des Kinematographen hießen Velograph, Vitagraph, Projek- tograph, Photoskope, American-Bio oder Bio-Tableaux.437 Ein anonymes Ge- dicht, Der Kinematograph (1907), bezeugt, daß es eine reiche Vielfalt an unter- schiedlichen Vorführgeräten mit klangvollen Namen gab.438

„Der Kinematograph Hier rufet mich der Bioscope, Dort aber steht ein Photoscope, An jener Eck’ ein Biophon, Dann heißt es wieder Photophon, Ein andrer nennt es Vitascope, Bald lese ich nur Kosmograph Mit großen Lettern Biograph, Zum Biorama mancher rennt, Der den Electrograph schon kennt, Im Zentrum, wie abseits im Prater Steht auch ein Edisontheater. Wozu nach solchen Worten dürsten? Ist Euch Kinematograph zu wenig, So nennt Euch Kinematofürsten, Den größten: Kinematokönig! Ihr habt ja doch die selben Sachen Und jeder will Geschäfte machen.“

Aber nicht hinter jedem klangvollen Namen steckte ein neues oder verbesser- tes Vorführgerät. Alle Bezeichnungen klingen phantastisch und zugleich wis- senschaftlich. Das altgriechische Wort Kinema439 heißt Bewegung und Kinema- tographie bedeutet recht wörtlich übersetzt, die Kunst, Bewegung niederzu- schreiben, danach ist der Kinematograph ein Bewegungsschreiber. Die erste Worthälfte der euphonischen Gerätenamen besteht meist aus kine, vita oder bio (Leben, Bewegung), während der angehängte Wortteil mediale oder sinnli- che Techniken benennt, wie -graph (-schreiber, -schrift), -phon, (-schall, -laut, - stimme, -ton) oder scopein (sehen, zuschauen). Die so zusammengesetzten Namen verbinden die Elemente von Bewegung und Leben mit dem Prozeß der Wahrnehmung und des Promemorias. Karsten Witte440 betrachtete die Namen der Vorführgeräte, wie Vitascope und Bioscope, als ein Versprechen an das Publikum, es werde nicht nur bewegte Bilder, sondern das Leben und repro- duzierte Zeit sehen. Danach hatte der Name einer Maschine, der so spektaku- lär ‘Verlebendigung’ proklamiert, gewiß mehr mit dem Tod zu tun, als gemein- hin angenommen wird. Ist der Kinematograph etwa – so Witte - „eine Maschine, die den Tod bedeutet?“ Aber das Leben wird mit Bewegung und der Tod mit

437 Vgl. Die Vorläufer des Kinematographen, in: Der Kinematograph, Nr. 70 (1908), o. S. 438 Der Kinematograph, Nr.1 (1907), o. S. 439 Ampére benutzte den Ausdruck Kinema als erster. 440 Karsten Witte, Was haben Kinder, Amateure, Sterbende gemeinsam? Sie blicken zurück! in: Kino und Tod. Zur filmischen Inszenierung von zeitlicher Vergänglichkeit, hrsg. v. Ernst Karpf, Doron Kiesel, Karsten Visarius, Marburg 1993

88 Prometheische Medien

Starrheit assoziiert, folglich verbreiteten die Projektionsapparate das Trugbild einer künstlichen Verlebendigung und verdrängten, in dem das Foto zum Lau- fen gebracht wurde, dessen Todesmetapher. Das Bewegungsbild war Lebende Fotografie geworden und hatte den Tod überwunden. Nach Theodor Heinrich Mayer sagte „der Name Lebende Photographien (..) schon alles.“ Danach war die Lebende Fotografie „ein Abbild des Wirklichen, nichts Geschaffenes, bloß Reprodukti- on und doch in einer Beziehung allen Möglichkeiten, Geschautes wiederzugeben, über- legen: es bewegt sich, lebt... Aber ein Leben, gleich weit entfernt von der Wirklichkeit wie von der glatten Realistik des Theaters, wirklicher als jedes Theater, weil sich alles Dargestellte greifbar ereignet haben muß und doch nur ein Spiel von Licht und Schat- ten, nicht von lebenden Menschen, ein Lebensscheinen mit dem sinnfälligsten Attribut des Lebens, der bewußten Bewegung.“441 Mayer placierte Lebende Fotografien zwi- schen „Abbild des Wirklichen“ und „Lebensscheinen“, in dem Grenzbereich war die Bewegung das „sinnfälligste Attribut“ des Lebens. Wie ein Hexenmeister, der einen Homunculus erzeugt hat, rief Mayer aus: „Es bewegt sich, lebt!“

Gleichgültig, welchen Namen die Maschine trug, welche die Bilder bewegte, Lebende Fotografien zeigten Bewegungen von Mensch, Tier und Maschine.

Abb. 37: Ankündigung einer Messter Vorführung, 1896

Das abgebildete Programm für Lebende Photographien verspricht sechs kurze Vorführungen von Bewegungsfilmen aller Art: Als erster Film wird ein Serpentin- Tanz angekündigt, dann ein Film über die maschinelle Bewegung des funken- den und qualmenden Eisenrosses, als drittes eine Straße in Paris, vermutlich belebt von Menschen und Fahrzeugen aller Art. Es schließt das ‘bewegte‘ Ba- deleben Am Strand an. Auch der fünfte Film Gestörte Nachtruhe deutet schon in seinem Titel auf eine, wenn auch unfreiwillige Bewegung hin, und schließlich findet das Programm seinen Höhepunkt und Abschluß in dem selbstreferentiel- len Beitrag Der Schnellmaler. (Das ist ja die Kamera.) Ebenso häufig traten Sportler und Tänzerinnen, die ihren Körper professionell bewegen konnten, in den frühen Bewegungsfilmen auf. In kurzen Szenen sprangen sich Artisten wechselseitig über den Rücken oder ließen, wie Professor Sandow, einfach nur die Muskeln spielen. Georges Sadoul berichtete über diesen kleinen Film: „Wenn der Athlet 'Professor Sandow' halbnah seine Muskeln spielen läßt, gewinnen sein Gesicht und sein Körper eine derartige Wichtigkeit, daß die Abstraktion des schwarzen Hintergrunds bedeutungslos wird. Wir stehen jetzt wirklich vor einer lebenden Photogra-

441 Theodor Heinrich Mayer, Lebende Photographien, in: Österreichische Rundschau, H. 1 (1912), S. 53-61, S. 53

Prometheische Medien 89 phie.“442 Sadoul betrachtete die differenzierte Bewegung des Gesichts und des Körpers als eine Erweiterung der Fotografie zur Lebenden Fotografie. Die Vor- stellung, daß ein fotografisches Porträt sich plötzlich bewegt, kann schon be- klemmende Gefühle auslösen. Aber kein namenloser Sportler führt hier sein Können vor, sondern Professor Sandow, ein Magier des Bewegungsbildes.

Im sprachlichen Konnex von Bewegung und Leben steht auch der Projektions- apparat, den die Brüder Max und Emil Skladanowsky443 1895 entwickelten. Das Bioscope versprach ‘Leben sehen’ und so wurden 1895 in ihrem Wintergar- tenprogramm folgende Filme gezeigt: Italienischer Bauerntanz, Komisches Reck, Der Jongleur, Das boxende Känguruh, Kamarinskaja, Akrobatisches Potpourri, Ring- kampf, Apotheose.444 Auch diese Filme hatten ausschließlich ‘Bewegung’ zum Thema. Schon im Juni 1896 erschien in Der Artist folgende Anzeige:

Abb. 38: Ankündigung einer Skladanowsky Vorführung, 1896

Auch die Dramaturgie der kurzen Filme der Skladanowskys war auf Zeigen von Bewegungsabläufen gerichtet, bezog aber technische Bewegungsbeschleuni- ger wie Straßenbahn, Auto und Fahrrad mit ein.445 Mayer unterstrich, daß man sich „im Anfang (..) damit (begnügte), gegebene Bewegung kinematographisch festzu- halten. Lebende Photographien im wörtlichen Sinn. Marschierendes Militär, einfahrende Eisenbahnzüge, Straßenszenen, sportliche Sachen leichterer Art... Automobilrennsze- nen.“446 Auch Louis und Auguste Lumière zeigten in ihren ersten Filmen Bewe- gung. Sie hatten die Frauen und Männer gefilmt, die im Winter und im Sommer

442 Sadoul, Geschichte der Filmkunst, a.a.O., S. 24 443 Max Skladanowsky zeichnete und kolorierte für seinen Vater Glasbilder für Nebelbildvor- stellungen. 444 Vgl. Heide Schlüpmann, Unheimlichkeit des Blicks. Das Drama des frühen deutschen Ki- nos, Basel, Frankfurt am Main 1990, S. 351 445 „Die komischen Streifen haben männliche Protagonisten: den stürzenden Radfahrer... Die Komik trägt sadistische Züge...“, Schlüpmann, Unheimlichkeit des Blicks, a.a.O., S. 26 446 Mayer, Lebende Photographien, a.a.O., S. 55

90 Prometheische Medien in ihre Fabrik hinein- und wieder herausströmten.447 Die Lumières führten auch die Bewegung der großen Flammenmaschine Eisenbahn vor.448 Schnellere Bewegungen waren Wirklichkeit geworden. Der Zug kommt an: Er ist im Bahnhof Ciotat. Die Zuschauer flüchteten vor den bewegten Bildern aus dem Raum. Vor der imaginären Drohung, überfahren zu werden, nahmen manche durch die Aufregung tatsächlich körperlichen Schaden. Noch Jahre dauerten die Prozesse, in denen die Lumières auf Schadenersatz verklagt wurden. 1895 war die Zeit der Bewegungen, der größeren Geschwindigkeit und des Festhal- tens von Bewegungen. Es steht außer Zweifel: Der Lumièresche Film verhaftet die Figuren in ihrem Realitätsbezug, im Bewegungsablauf ihres Lebens. Nach Marshall McLuhan wurde der Film aus der „Beschleunigung der Mechanik“ gebo- ren, und er brachte uns „von der Welt als Folge und Verbindung zur Welt der schöpfe- rischen Gestalt und Struktur. Die Botschaft des Mediums Film ist die des Übergangs von linearer Verbindung zur Gestalt.“449 So betrachtet, beschreibt die Geschichte der Bildapparate die Entwicklung einer neuen Kulturtechnik, die am Ende des Jahrhunderts einen Anfang im Rhythmus der Maschinen fand. Der frühe Stummfilm hielt Bewegungen in bewegten Bildern fest und unterstrich die Vor- stellung, daß Bewegung Leben sei, wie es die Namen der Apparate bezeugen.

Wie eng Sprache mit der Vorstellung verbunden ist, daß der Kinematograph etwas mit ‘Verlebendigung’ zu tun habe, zeigt sich nicht nur im Namen der Bildmaschinen, sondern es lassen sich immer wieder Texte finden, die den Prozeß der Filmentstehung beschrieben, als gelte es die biologische Entwick- lung des menschlichen Lebens nachzuzeichnen. Diese Kohärenz nennen wir einen humanoiden Filmdiskurs. An Beispielen, die von unterschiedlichen Standorten aus Film betrachten, kann gezeigt werden, daß auf der sprachli- chen Ebene Film, Bewegung und menschliches Leben viel enger ineinander- fließen, als es gemeinhin angenommen wird. Damit ist auch gleichzeitig der ‘Zauber’ des Lebens angesprochen, der sich ebenfalls in der humanoiden Filmsprache wiederfinden läßt.450

Nach Toeplitz waren Louis und Auguste Lumière die „Schöpfer... der lebenden Fotografie“, und der Kinematograph war ein „Embryo,... das erste Gehversuche star- tet“.451 Der Schöpfermythos vermenschlicht hier die technische Erfindung und spricht dem Apparat ein Eigenleben zu. Johannes M. Lehmann452 betrachtete den Film nicht nur als „lebendes Bild“, sondern bevor der Jenaer Physiker die

447 La Sortie de l’usine Lumière à Lyon (1895) 448 L’arrivée d’un train en gare (1895) 449 Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle, Düsseldorf, Wien 1968, S. 18 450 Etliche Buchtitel verweisen auf einen humanoiden Filmdiskurs. So etwa Paul Liesegang, Das Lebende Lichtbild, Düsseldorf 1910 und Béla Balázs‘, Der Geist des Films (Halle 1930) und Der sichtbare Mensch (Halle 1923). Curt Wesse schrieb Großmacht Film. Das Geschöpf von Kunst und Technik, Berlin 1928. (Ein Kapitel trägt ohne Bezug zum Inhalt die Überschrift: Der Teufel an der Wand.) 1940 erschien Walter Panofskys Die Geburt des Films (Würzburg). In der Nachkriegszeit erschienen Friedrich Porges, Schatten erobern die Welt (Basel 1946) und 1952 der Aufsatz Das Gesicht des Films (H. Böhmler, in: Film, Bild, Ton 2), Mitte der 50er Jahre Unsterblicher Film (Heinrich Fraenkel, München 1956/57). Le- opold Beierl hielt seine Antrittsvorlesung in Amsterdam 1959 über den Film als Wirklich- keitswunder (Rieken 1959). Aus den 80er Jahren stammt das Buch Die Unsterblichen des Kinos ( Frankfurt am Main 1982). Auch in Der 2. Atem des Kinos (Jean-Luc Godard, Mün- chen 1996) klingt die Idee des (Über-)Lebens an. 451 Das vollständige Zitat lautet: „Der Kinematograph der Brüder Lumière war ein technisches Wunder, selbst seine Schöpfer konnten nicht voraussehen, daß ihre Erfindung entspre- chend kommerziell genutzt werden könnte und daß sie noch ein Embryo einer Entwick- lung besaßen, ein Embryo, bei dem man noch nicht von der künstlerischen Zukunft der ‘lebenden Fotografie’ sprach“, Toeplitz, Geschichte des Films, Bd. 1, a.a.O., S. 17 452 Johannes M. Lehmann, Die Kinematographie, ihre Grundlagen und ihre Anwendung, Leip- zig 1911

Prometheische Medien 91

Grundlagen und Anwendungen der Kinematographie beschrieb und die Tech- nikgeschichte des Films in seinem Buch darlegte, verglich er die Erfindungen von Phonograph, Grammophon, fotografische Kamera, Buchdruckpresse, Stroboskop, Kinematograph, Bioskop, Telegraph und Telefon mit dem menschlichen Körper und seinen Sinnesorganen. Alle genannten technischen Erfindungen sind für ihn „eine Nachahmung der ganzen Funktion irgend eines unserer Sinnesorgane oder unserer Gliedmaßen... Die Erfindungen dieser neuen Gruppe ent- sprechen den Bestrebungen des Menschen, sich wohlfeile und vor allem zuverlässige dienstbare Kräfte zu verschaffen... Die optischen Apparate sind im wesentlichen Nachbildungen der Linse des Auges... Der Phonograph (besteht)... wie das Ohr aus Muschel, Trommelfell, Gehörknöchel."453

Lehmann beschrieb hier gelassen die Herstellung eines Androiden. Alle Erfin- dungen, die Teile des menschlichen Körpers technisch nachahmen, dringen in das Geheimnis des Lebens ein und erzeugen neues, künstliches Leben. Wenn der Autor die technischen Apparate als „eine Nachahmung der ganzen Funktionen unserer Sinnesorgane oder Gliedmaßen“ betrachtet, korrespondiert dieser huma- noide Technikdiskurs mit Fausts Bestrebungen, sich wohlfeile und dienstbare Kräfte zu verschaffen. Nach Paul Liesegang „gebar die Verbindung von Lebensrad und Zauberlaterne (..) den Kinematographen.“454 Nicht selten ging der humanoide Filmdiskurs von der Vorstellung einer (geschlechtlichen) Vereinigung der bei- den Erfindungen Kamera und Film aus, die das Bewegungsbild erzeugten. Für die Beschreibung des Kinematographen wurden immer wieder medizinische Termini benutzt. So war der Projektionsapparat für Goldberg455 beispielsweise das schlagende Herz des Kinos: „Kein Mensch denkt in diesem Augenblick an den kleinen Raum im Hintergrund des Theaters, in dem ein stählernes Herz mit der Ge- schwindigkeit von 25 Schlägen pro Sekunde arbeitet und den ganzen Spuk auf der Leinwand hervorzaubert.“ Das Lichtbild, nur ein Spuk, den ein künstliches Herz hervorrief? Gewiß reflektiert die Metapher des stählernen Herzens mehr als die Vorstellung eines kalten, gefühlsarmen Seins, denn der Film wird hier zum prometheischen Wesen erklärt, das zugleich künstlich und biologisch ist. Die Textbeispiele schrieben dem Kinematographen das Vermögen künstlicher Ver- lebendigung zu, dies ist zweifellos ein besonders mephistophelischer Spuk.

Nach Knut Hickethier456 legte auch die neue Medienwissenschaft457 das Axiom zugrunde, Medien seien die technische Verlängerung menschlicher Sinne. Er schrieb: „Dabei kommt es zu einer theoretisch interessanten Verschränkung. Weil diese Theorien vom Axiom ausgehen, die Medien seien nur als technische Verlängerung der menschlichen Sinne zu verstehen und daraus auf eine enge Koppelung von mensch- licher Wahrnehmung und Medienkonstruktion schließen, erscheint die Beschreibung der Technik als Modell für die Beschreibung der Denkstrukturen des Menschen: Die Netz- struktur des Internets z.B. wird als Abbildung der neuronalen Netzstruktur verstanden,

453 Ebd. S. 12 454 Paul Liesegang, Das lebende Lichtbild, Düsseldorf 1912 (Hervorhebung D.M.) 455 Goldberg, Die Filmindustrie, Nr. 10/1925, S. 215, Zit. n. Zielinski, Zur Entstehung des Films, a.a.O., S. 60 456 Knut Hickethier, Zwischen Gutenberg-Galaxis und Bilder-Universum, in: Geschichte und Gesellschaft (1999), S. 146-172 457 Seit Beginn der neunziger Jahre etablierte sich eine neue Medienwissenschaft. Nach Hi- ckethier verbanden Vilém Flusser (Vilém Flusser, Ins Universum der technischen Bilder, Göttingen 1985), Friedrich A. Kittler (Friedrich A. Kittler, Aufschreibesysteme 1800/1900, München 1985) u. a. (vgl. u.a. Norbert Bolz, Am Ende der Gutenberg Galaxis, München 1993 sowie Derrick de Kerckhove, Schriftgeburten. Vom Alphabet zum Computer, München 1995) die Entstehung neuer Medien mit einem Epochenwechsel, der vom Buchdruck zum Computer führte und neue Kommunikationsverhältnisse schuf, die Geschichte überde- terminieren und ein neues Paradigma hervorbrachten: Medien. Danach führten virtuelle Räume, Cyberspace und der Anschluß an Computernetze von der Schriftlichkeit zur Bild- lichkeit zurück.

92 Prometheische Medien in denen sich menschliches Denken abspielt.“458 Das menschliche Gehirn erscheint als Netzwerk eines Computers, wie zuvor das stählerne Herz dem Kinema- tographen die Stoßkraft verschaffte. Der Computer, gedacht als Bild vom menschlichen Gehirn, ergänzt das virtuelle Bild des künstlichen Menschen, welches das Kino erzeugte. Nach Norbert Bolz459 bedeutete der Name „Kinema- tograph als Kamera“ die Speicherung „von Bewegung im technisch Realen, ohne sie zu motivieren.“ Danach war der „technische Sinn der modernen Medien... in einer an- tiphysischen Überbietung der fünf Sinne“ zu suchen. Ohne der Frage nachgehen zu wollen, worin die Motivation der Bewegung im ‘technisch’ Realen liegt und in welchem Verhältnis der Lacansche Begriff zur Motivationstheorie steht, oder gar, welche Eigendynamik den technischen Sinn moderner Medien ausmacht, wird hier ähnlich wie bei Lehmann der Kinematograph als technische „Überbie- tung der fünf Sinne“ betrachtet. Freilich kann der Vergleich von Medien und Le- ben dem humanoiden Filmdiskurs zugerechnet werden, in dem auch Vilém Flusser460 nicht anders als Lehmann technisch erzeugte Bilder mit „menschli- chen Aktionsformen (Imaginieren, Tasten, Vorschreiben, Besprechen, Spielen u.a.)“ vergleicht.461

Dem humanoiden Filmdiskurs entsprechen die Körperbilder der frühen Stummfilme. Auch die Kamera befand sich auf der Suche nach dem Leben und drang tief in den menschlichen Körper ein. Der Film wurde wie das Le- bensrad von Anfang an in den „Dienst der Naturwissenschaft“ gestellt. Insbeson- dere der Medizin galt das moderne Medium schnell als „Förderer der Wissen- schaft“.462 Welche Rolle der „Kinematograph in der Medizin“ 463 spielte, beschrieb die Zeitschrift Der Kinematograph464 bereits in seinem zweiten Heft (1907). Danach standen medizinische Filme in erster Linie im „Dienste des medizinischen Unter- richts“ und sollten der Anschauung des kranken Körpers und der Methoden medizinischer Eingriffe dienen. Als Beispiel für „krankhafte Bewegungsphänome- ne“465 wurde ein medizinischer Film über Epilepsie besprochen. Danach waren „das bloße Wort, ja selbst die Abbildung... viel zu schwach, um den Studierenden von gewissen krankhaften Bewegungsphänomen eine lebendige Vorstellung zu geben... alle Formen epileptischer Zuckungen (sind) dargestellt, und sie allein erfordern 500 Meter Films, die 22500 mit größter Sorgfalt hergestellter Aufnahmen epileptischer Er- krankung enthalten.“466 Der Film über die unkontrollierbaren krampfhaften Zu- ckungen repräsentierte hier wohl den Kinematographen selbst. Die Bewegung, die der Film zeigte, scheint in der krankhaften Abweichung das ursprüngliche Filmthema, Bewegung zu zeigen, übertreffen zu wollen.

Im selben Jahr führte die Deutsche Röntgengesellschaft „kinematographische Bilder der Atmung von Kranken und Gesunden“ vor. Der Kinematograph berichtete:

458 Hickethier, Zwischen Gutenberg-Galaxis, a.a.O., S. 151 459 Nobert Bolz, Die Schrift des Films, in: Diskursanalysen 1, Medien, hrsg. v. F.A. Kittler, M. Schneider, S. Weber, Opladen 1987, S. 26 -34, S. 33 460 Flusser, Ins Universum der technischen Bilder, a.a.O. 461 Hickethier, Zwischen Gutenberg-Galaxis, a.a.O., S. 60 462 Der Projektions-Apparat im Dienste der Naturwissenschaft und Der Kinematograph als Förderer der Wissenschaft, in: Der Kinematograph, Nr. 14 (1907), o. S. 463 Der Kinematograph in der Medizin, in: Der Kinematograph, Nr. 2 (1907), o. S. 464 Der Kinematograph war das Organ der Kinematographenindustrie, vgl. Victor Noack, Der Kino. Etwas über sein Wesen und seine Bedeutung, Gautzsch bei Leipzig 1913 465 Es entstand sogar ein eigenständiger Diskurs über Die Kinematographie der Bewegungs- störungen, vgl. Hans Hennes, in: Die Rundschau Nr. 191, S. 605-606, sowie Hans Hen- nes, Die Kinematographie im Dienste der Neurologie und Psychiatrie, nebst Beschrei- bung einiger selteneren Bewegungsstörungen, in: Medizinische Klinik, Nr. 51 (1910), S. 2010-2014 466 Der Kinematograph in der Medizin, a.a.O. (Hervorhebung D.M.)

Prometheische Medien 93

„Dr. Köhler-Wiesenbach hat damit zum ersten Male die inneren Vorgänge der Atmung, wie sie sich in der Bewegung und Kuppelbildung des Zwerchfells, im Heben und Sen- ken der Rippen und den Mitbewegungen des Herzens ausprägen, lebendig festgehal- ten.“467 Hier wurde mit Hilfe der Röntgenkamera468 die unsichtbare Atmung durch rhythmische Herz- und Zwerchfellbewegung sichtbar gemacht. Der Röntgenfilm stellte den Vorgang der Atmung dar und war gleichzeitig ein all- gemeingültiger Versuch, etwas festzuhalten, das eben so flüchtig war wie der Atem, die Bewegung und das Leben selbst. Neben der Bewegung gilt die At- mung als der elementare Beweis dafür, daß ein Mensch lebt. Ein Film, der At- mung durch Bewegung zeigt, wird unwillkürlich zum Bild für Leben und Verleb- endigung. Das Bewegungsbild der Atmung verweist aber auch auf den großen Mangel der Kinematographie: Der Film konnte bis dato keine Sprache hervor- bringen, aber er konnte die entsprechenden Organe in Funktion zeigen.

Der Pakt zwischen Medizin und Film machte selbst vor dem Operationssaal nicht halt.469 Richard Treidel schwärmte: „Während den Operationen nur wenige Studenten beiwohnen können, können unzählige Menschen die Reproduktion der Ope- ration durch den Kinematographen an sich vorüberziehen lassen und die Handgriffe be- obachten und erlernen, die dieser Arzt angewandt hat, um einem Menschen ein krankes Bein zu amputieren.“470 Der didaktische Einsatz des Films ging bei Treidel471 mit einer blutigen Beinamputation einher. Der aufmerksame Zuschauer kann in unzähligen Spielfilmen unabhängig des Genres verfolgen, daß Beinamputatio- nen quasi filmisches ‘Allgemeingut’ wurden. Vermutlich lassen sich Beinampu- tation meist in Western und Kriegsfilmen finden, wo Pseudoärzte oder Medi- zinmänner472 zu Werke gehen. Das Bild der Beinamputation deutet wiederum auf den Aspekt der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit und verweist damit auf den Anfang des Films, ‘als die Bilder laufen lernten.’ Auch Lehmann griff auf das Beispiel der Beinamputation zurück, um einen Filmtrick zu erklären.

Abb. 39: Illustration, Johannes M. Lehmann, Die Kinematographie, ihre Grundlagen und ihre Anwendung, Leipzig 1911

Im medizinischen Bilddiskurs wurde Splatter keinesfalls als anstößig betrach- tet, sondern das körperzerstückelnde Motiv stärkte eher die Vorstellung, der Arzt blicke ‘zum Wohl der Menschheit’ auf das Elend. Bereits 1898 zeigte Dr. Eugène-Louis Doyen auf einem medizinischen Kongreß in Edinburgh einige seiner Operationen, die Clément Maurice, ein ehemaliger Kameramann der Firma Lumière, aufgenommen hatte. 1902 filmte Clément Doyen dabei, wie er siamesische Zwillinge trennte. Die Schwestern Doodica und Radica Neik wa- ren an der Brust zusammengewachsen. Thierry Lefebvre beschrieb die ab-

467 Der Kinematograph, Nr. 14 (1907), o. S. (Hervorhebung D.M.) 468 Zum Röntgenfilm vgl. das Kapitel: Unsichtbare Kraftlinien 469 Für Fernsehkonsumenten ist eine Operation (ein tiefer chirurgischer Einschnitt in den menschlichen Körper) eher ein alltägliches Bild. 470 Richard Treidel, Der Phongraph und das Grammophon, in: Der Kinematograph, Nr. 62 (1908), o. S. - Splatter beginnt häufig mit einer Beinamputation. (Hervorhebung D.M.) 471 Ebd. 472 Der Medizinmann (oder sein Vertreter) spielt in Western eine wichtige Rolle. Wie Faust ruft er übernatürliche Kräfte an. Als Indianer ist er meist ein Schamane, in der Rolle Doc Holi- day, ein gescheiterter Arzt, ein alkoholkranker Quacksalber.

94 Prometheische Medien surde Situation der Operation: „Dem berühmten Chirurgen steht ein erweitertes Ope- rationsteam zur Seite. Es besteht aus fünf Assistenten, den Doktoren Thévenard, Po- devin, Warden, Toupet und Tissier sowie drei katholischen Schwestern. Auch die Frau und der älteste Sohn des Chirurgen, Dr. J.-A. Fort, Professor für Anatomie an der Ecole de Médecine, der Bildhauer Bernstamm sowie Kameramann Clément Maurice... befin- den sich im Saal. Der chirurgische Eingriff wird alles in allem ungefähr zehn Minuten dauern. In dieser Zeitspanne darf dem Aufnahmeapparat des Kameramanns auch nicht das geringste Detail des Ereignisses entgehen.“473 Doyen stand ganz offensichtlich unter enormem Zeitdruck. Es schien (so Lefebvre), als paßte er den chirurgi- schen Eingriff der begrenzten Aufnahmezeit an. Gegen den Eingriff polemisier- te bereits zwei Tage später Le Petit Parisien auf der ersten Seite. Die Empörung wandte sich in erster Linie gegen das Profitinteresse des Vormundes der Kin- der, eine Frau Colemann, welche die Schwestern schon zuvor gegen Geld auf dem Jahrmarkt ausgestellt hatte. Doyen und sein Sohn wiesen den kommer- ziellen Vorwurf zurück und legitimierten den Operationsfilm mit dem Hinweis, daß es sich um einen medizinischen Lehrfilm handele, der nur von Heilkundi- gen zu wissenschaftlichen Zwecken angesehen werden solle. Jedoch landete der Film auf dubiosen Wegen wiederum auf dem Jahrmarkt.474

Auch andere medizinische Filme, die ursprünglich für den Hörsaal bestimmt waren, wurden zur Jahrmarktsattraktion. Nach Torkel-Breslau wurden 1907 auf einer Freiburger Kirmes folgende Filme gezeigt: „Vorführung des Operationsti- sches; Wiederholung dieser Vorführungen mit einer aufgelegten nackten weiblichen Person; Ausführung einer Kniegelenk-Aussägung, Gehirneinstich nach breiter Eröff- nung der Schädelkapsel; eine Blasenoperation; eine Unterleibsoperation. Der Ausrufer nannte als Operateur einen bekannten Chirurgen."475 Torkel-Breslau glaubte nicht daran, daß hier ein Arzt zu sehen war, „dem das Wohl des Kranken das höchste Gesetz ist.“ Danach war „die Unterleibsoperation (bei einer Frau) (..) wegen der gewal- tigen Blutung geradezu scheußlich... Wollust, Grauen und Abscheu... sind die einzi- gen Früchte solcher Vorführung.“476 Schaulust auf nie gesehene Bilder verband sich offenbar mit widersprüchlichen Gefühlen, nicht zuletzt deswegen, weil die Filme auf dem Jahrmarkt und nicht im medizinischen Hörsaal gezeigt wurden. Die widersprüchlichen Gefühle, welche die Operationsfilme auch im medizini- schen Vortragsaal zu erzeugen vermögen, treten auf der Kirmes ungeschützt auf. Wird aber die anstößige Handlung, die schamlose Zerstückelung eines Körpers auf der Kirmes oder als Spielfilm an das Publikum herangetragen und so dem Zweck der Unterhaltung durch Ekel und Grauen zugeführt, ist die Mög- lichkeit einer Distanzierung wieder gegeben, da ja „alles nur ein Spiel“ ist. Le- febvre sprach in Anlehnung an Léon Schwarzenberg von einem „sadistischen Voyeurismus.“477 Zweifellos erfolgte hier eine Umwertung der anatomischen in erotische und sexuelle Szenen, zumal der Arzt (legitimiert den Körper zu be- rühren) meist zum Objekt des Begehrens und Vaterersatz erhoben wird.

Operateur Doyen trennte mit dem Skalpell zusammengewachsene Zwillinge und machte aus einem Organismus zwei unabhängige Körper. Gleichzeitig trennte Operateur Maurice mit der Kamera das Bild vom Leben. Unerwartet werden Operateur und Operateur zur Anschauung des imaginären Prozesses

473 Thierry Lefebvre, Die Trennung der Siamesischen Zwillinge Doodica und Radica durch Dr. Doyen, in: KinTop. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films, Aktualitäten (6), Basel, Frankfurt am Main 1997, S. 97-101, S. 97 (Hervorhebung D.M.) 474 Lefebvre stellte dar, daß eine Kopie des Films von den Brüdern Pathé vertrieben wurde. Vgl. ebd. S. 100. Medizinische Filme dieser Art brachte aber auch Gaumont heraus. 475 Dr. Torkel-Breslau, Kinematographische Bilder, in: Der Kinematograph, Nr. 2 (1907), o. S. (Hervorhebung D.M.) 476 Ebd. (Hervorhebung D.M.) 477 Lefebvre, Die Trennung der Siamesischen Zwillinge, a.a.O., S. 100

Prometheische Medien 95 realer und phantastischer Verdoppelung. Walter Benjamin478 zog die semanti- sche Verdopplung Operateur heran, um das Verhältnis von Kameramann, Chi- rurg, Magier und Maler zu bestimmen. Danach stellte der Chirurg „den einen Pol einer Ordnung dar, an deren andern der Magier steht. Die Haltung des Magiers, der ei- nen Kranken durch Auflegen der Hand heilt, ist verschieden von der des Chirurgen, der einen Eingriff in den Kranken vornimmt. Der Magier hält die natürliche Distanz zu dem Behandelten aufrecht; genauer gesagt: Er vermindert sie - kraft seiner Autorität - sehr. Der Chirurg verfährt umgekehrt: Er vermindert die Distanz zu dem Behandelten sehr - indem er in dessen Inneres dringt - und er vermehrt sie nur wenig - durch die Behutsam- keit, mit der seine Hand sich unter den Organen bewegt. Mit einem Wort gesagt: Zum Unterschied von Magier (der auch noch im praktischen Arzt steckt) verzichtet der Chi- rurg im entscheidenden Augenblick darauf, seinen Krank en von Mensch zu Mensch ge- genüberzustellen; er dringt vielmehr operativ in ihn ein. Magier und Chirurg verhalten sich wie Maler und Kameramann.“479

Operateur – Magier - Maler stellten nach Benjamin zwei Pole einer Ordnung dar. Gegenpole bilden Chirurg und Magier, Kameramann und Maler, während Chirurg und Kameramann sowie Magier und Maler sich von ihrer Technik her annähern. Die Kamera brachte den verdoppelten Operateur und keineswegs den malenden Magier hervor. So als ob er einen chirurgischen Eingriff vor- nimmt, dringt der Kameramann ins Leben ein und trennt das Bild davon ab. Sein distanzloser Kamera-Blick schneidet aus dem Leben eine dem Auge bis- lang verschlossene Ansicht heraus. Da, wo der scharfe Schnitt des geschick- ten Mediziners mit dem des Operateurs - Tschelowjek s Kinoappratom (Der Mann mit der Kamera,Dziga Vertov, 1929)480 - zusammentreffen, stellt sich Doktor Sa- tansohn (Edmund Edel, 1916) seinem Publikum vor.

Der moderne Prometheus war die Kamera, die den Menschen auseinander- schnitt und wieder zusammensetzte. Das Kameraauge war der Schöpfer, ein neuer Gott, der sich seine eigene Spezies schuf. Dziga Vertov, der in Tschelow- jek s Kinoappratom Filmschnitt sowie Montage zum Mittelpunkt gemacht und sogar Bilder seines Schneidetischs in den Film montiert hatte, schrieb: „Ich bin Kinoglaz. Ich bin ein Baumeister. Ich habe dich heute von mir geschaffen, in die wun- derbarste, bis zu diesem Augenblick nicht existierende und ebenfalls von mir geschaf- fene Kammer gesetzt...Ich bin Kinoglaz, ich schaffe einen Menschen, der vollkomme- ner ist als Adam, ich schaffe Tausende verschiedener Menschen nach verschiedenen, vorher entworfenen Plänen und Schemata. Ich bin Kinoglaz. Von einem nehme ich die stärksten Hände, von einem anderen die schlanksten und schnellsten Beine, von ei- nem dritten den schönsten und ausdrucksvollsten Kopf und schaffe durch Montage ei- nen neuen vollkommenen Menschen.“481 In dem Wunsch, den menschlichen Kör- per zu zerlegen und neu zusammenzusetzen, um eine Verlebendigung ohne krankhafte Bewegung und ohne körperliche Deformation zu erzeugen, begeg- nen sich Operateur und Operateur wieder.

Der medizinische Eingriff war auch für Georges Méliès ein ergiebiger Filmstoff. In Une Indigestion ou Chirurgie Fin De Siècle (1902) setzte er die Kamera an die Stelle des Chirurg/Operateurs und zeigte nicht nur einfach eine Operation, sondern eine vollkommene Zerstückelungsorgie. Filmschnitt und Operations-

478 Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter, in: Gesammelte Schriften, Bd.2, Frank- furt am Main 1980, S.431-508, S. 458f 479 Ebd. S. 457f 480 Zu Dziga Vertov vgl. u.a. Stichwort: Rußland und UdSSR, in: Lexikon des internationalen Films Bd. 2, hrsg. v. Ulrich Kurowski unter Mitarbeit von Jürgen Römhild, München 1975, S. 47f 481 Dziga Vertov, Kinoki - Umsturz (1923), in: Texte zur Theorie des Films, hrsg. v. Franz Josef Albertmeier, Stuttgart 1979, S. 24-38, S. 32-33. Aus dem Russischen übertragen bedeutet Glaz nichts anderes als Auge. Vertow = das Kinoauge. (Hervorhebung D.M.)

96 Prometheische Medien schnitt produzierten gleichermaßen eine makabere Splatterästhetik. In Méliès‘ Film diagnostiziert ein Arzt bei seinem Patienten Magenschmerzen, und sofort beginnt er mit der Operation. Er trennt zunächst Arme und Beine mit einer rie- sigen Säge vom Leib ab. Dann nimmt er ein großes Messer und schneidet den Bauch auf. Er langt mit dem Arm hinein und zieht aus der Öffnung allerlei Ge- genstände wie Flaschen, Gabeln, Messer und Lumpen. Weil der Patient Schmerzen hat, schneidet er ihm den Kopf ab. Er pumpt Wasser in den Ma- gen und näht die Öffnung zu. Die Wunde verschließt sich sofort.482 Er setzt dem Patienten den Kopf wieder auf, vertauscht aber Arme und Beine. Er be- richtigt seinen Irrtum. Der Patient verläßt völlig zufrieden die Praxis. Thierry Le- febvre ging davon aus, daß Méliès „während seiner ganzen Karriere... immer wieder auf die Welt der medizinischen Scharlatane seiner Zeit“ zurückgriff und insbesonde- re die Filme von Dr. Eugène-Louis Doyen persiflierte.483 Aus heutiger Sicht können Méliès‘ Filme sicherlich als Verspottung durch übertriebene Nachah- mung betrachtet werden. Une Indigestion ou Chirurgie Fin De Siècle ist jedoch viel eher eine künstlerische Verarbeitung der Erfahrung Film, wie sie auch Dziga Vertov beschrieb: Film nimmt durch Schnitt und Montage den Menschen aus- einander und setzt ihn neu zusammen. Die Kamera, der moderne Prome- theus, schafft einen künstlichen Menschen. Beide Filme nehmen Bezug auf die Urerfahrung menschlichen Sehens - der eigene Körper wird als zerstückelt wahrgenommen, da nur Teile ins Blickfeld treten - und setzen dies Splatterbild dem vollkommenen Spiegelbild entgegen. Ein Schöpfungsprozeß, den die frü- hen medizinischen Filme ebenso beschreiben wie Méliès‘ Filme über Heilkun- de. Der menschliche Körper wurde zur Schnittstelle des verdoppelten - teurs. Die Filmzerstückelung484 kann im Sinne Freuds als ein Bild der elemen- taren Angst vor der eigenen Demontage gelten, denn, „die abgetrennten Glieder, ein abgehauener Kopf, eine vom Arm abgelöste Hand, Füße, die für sich allein tanzen... haben etwas ungemein Unheimliches an sich,... wir wissen es schon, daß dieses Un- heimliche von der Annäherung an den Kastrationskomplex herrührt“485 Splatter folgt stets nur einem Zweck, nämlich dem Zuschauer das Bild der Zerstückelung eines Anderen zu zeigen, um ihn selbst als den Nicht-Beschädigten zu bestä- tigen.

3. Faust und Teufel im Lebenden Bild Ein erster Blick auf die unüberschaubare Anzahl der kurzen Filmproduktionen, die allein Der Kinematograph, in seinen ersten Jahrgängen 1907 und 1908, er- wähnt, zeigte keineswegs, daß Faust oder der Teufel im Mittelpunkt der frühen Stummfilmproduktionen standen. Die Stoffe, die verfilmt wurden, kannten keine Grenzen, wiederholt wurden sie dem alltäglichen Familienleben486 entnommen, wie etwa in Nur keinen Schwiegersohn oder in Fritzchen amüsiert sich. 1907 warb Eclipse für die Filmkomödie Wie der Vater, so der Sohn oder: In den Schritten seines Vaters. Die zwanzig Sequenzen des Films zeigten einen eher belanglosen Streifzug durch einen Tag im Leben eines jungen Mannes.487 Daneben wurden

482 Die magische Heilung ist ein beliebtes Bild in Science Fiction-Filmen. Beispielsweise schließen sich Wunden von Androiden in Sekunden. 483 Thierry Lefebvre, Georges Méliès und die Welt der Scharlatane, in: KinTop. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films. (2) Georges Méliès. Magier der Filmkunst, Frankfurt am Main 1993, S. 59-65, S. 61 und S. 59 484 Die abgetrennten Teile stehen für das Ganze und haben trotzdem ihre eigene Symbolik. 485 Freud, Das Unheimliche, a.a.O., S. 268 486 Es wäre interessant, Spielfilme über das häusliche Leben auf ideologische und familien- analytische Aspekte hin zu untersuchen. 487 Vgl. Der Kinematograph, Nr.1 (1907). Der Film Wie der Vater, so der Sohn oder: In den Schritten seines Vaters hatte zwanzig Szenen. „1. Der Abschied. 2. Die Schritte seines Va- ters. 3. Beim Rasieren. 4. Geschnitten. 5. Ein schlechtes Frühstück. 6. Donnerwetter. 7. Auf

Prometheische Medien 97

Filme vorgeführt, die ferne Länder und fremde Städte zeigten, wie etwa Indianer des fernen Westens, Carneval in Nizza oder Eroberung der Dolomiten.488 Auch aus christlichen Geschichten wurden populäre Filme gemacht, wie etwa Pathés Passionsspiele489 in vier Teilen oder Eclipses Heiliger Abend auf Erden.490 Diese bunte Mischung kleiner Produktionen - die bis 1904 nie länger als etwa 170 Me- ter waren, also nur acht bis neun Minuten dauerten - erinnern an das Spektrum der Laterna magica. Der Kinematograph, den Messter 1896 mit dem Malteser- kreuz versah, war auch im Prinzip nichts anders als eine Laterna magica mit einem vorgesetzten Transportmechanismus.491 Für die Vorführung der Stumm- filme, die allmählich die Laterna magica Veranstaltungen verdrängten, ver- mehrten sich eigene Vorführstätten. Aber bis Filmtheater oder Lichtspielhäuser entstanden, wurden die Lebenden Fotografien mitunter in leerstehenden Laden- lokalen oder anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Räumen gezeigt. Bereits 1899 hatte der Schauspieler Otto Pritzkow in Berlin ein Ladenkino mit dem Namen Abnormitäten - und Biograph-Theater eröffnet.492 Die Namen einiger früher Kinos tragen ein weiteres Mal der Verbindung von ‘Film und Leben’ Rechnung. Um 1900 waren Filmvorführstätten mit dem Namen Das lebende Bild keine Sel- tenheit.493 In Gelsenkirchen gab es 1908 das Volkstheater lebender Photogra- phien.494

nach der Stadt. 8. Morgenzeitung. 9. Politische Ereiferung. 10. Am Rendez-vous. 11. Sein Schätzchen. 12. In der Droschke. 13. Beim Champagner. 14. Eine Rede im Verein. 15. Zerstreut. 16. Benebelt nach Hause. 17. Das Schlüsselloch, 18. Der Hut brennt. 19. Gros- ser Durst. 20. Endlich im Bett. Länge: 152 Meter.“ 488 Der Film Eroberung der Dolomiten war in fünfzehn Szenen unterteilt: „1. Ein Führer. 2. Schweizer und italienische Führer. - Barbaria, Verzi und Bergenci - In der Drei Zinnenhüt- te. 3. Der Aufbruch. 4. Lago Fadera - Becco di Mozoddi im Hintergrund. 5. Italienische Do- lomiten. 6. Aufstieg des Becco-Schornstein. 7. Erklettern einer Wand des Croda da Lago. 8. Croda da Lago-Schornstein. 9. Panorams der Dolomiten-Felsen. 10. Der gefährlichste Punkt. 11. Besteigen der Arete. 12. Die Spitze des Croda da Lago. Länge: 155 Meter.“ (Ebd.) 489 Vgl. Filmwerbung der Firma Pathé, in: Der Kinematograph, Nr. 7 (1907) 490 Ebd. („Heiliger Abend auf Erden. 1. Der Weihnachtsmann verläßt den Himmel. 2. Petrus öffnet sein Fenster. 3. Der Weihnachtsmann auf Erden. 4. Ein dreifaches Ereignis. 5. Die Schildwache. 6. In der Fischerwohnung. 7. Auf hoher See. 8. Ein Familienfest. 9. Freudiges Erwachen. 10. Die Witwe. 11. Die Reichen. 12. Hilfe in der Not. Länge: 180Meter.“) 491 Vgl. Von der Camera obscura zum Film, a.a.O., S. 42 492 Vgl. Hans Helmut Prinzler, Chronik, 1895-1993. Ereignisse, Personen, Filme, in: Geschichte des deutschen Films, a.a.O., S. 519-558, S. 519 493 Vgl. Heinrich Fraenkel, Unsterblicher Film. Die große Chronik von der Laterna magica bis zum Tonfilm. Mit einem Bildteil von Wilhelm Winckel, München 1956 494 Neue Kino-Theater, in: Der Kinematograph, Nr. 65, (1908)

98 Prometheische Medien

Abb. 40: Das lebende Bild, Kino von Karl Knübbel, Berlin 1903

Schließlich ließen sich auf den Spielplänen der frühen Kinos vereinzelt Faust- filme finden. Dreschers Theater lebender Photographien in Köln (Ehrenstraße 8) zeig- te im Mai 1907 Faust und Gretchen. In Richard Boneskys Kunsttheater, verbunden mit dem Theatrum mundi und lebenden Photographien, wurde Dr. Fausts Reise durch die Hölle gegeben und zugleich stand Dr. Johannes Faust oder der Triumph der Hölle auf dem Spielplan des Theaters Otto Stopp, verbunden mit dem neu eingerichteten Theatrum mundi.495 Faustfilme waren offensichtlich nur ein kleiner Bestandteil des Lichtspielprogramms zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber auch Teufelsfilme ließen sich nur vereinzelt finden. Nicht in jedem Film, der den Teufel im Titel führte, traf der erwartungsvolle Zuschauer tatsächlich mit Luzifer zusammen oder fand ein Bild der Hölle vor. So hatte Pathé 1907 den Film Der Sohn des Teufels496 im Programm. Sein Inhalt bezog sich aber keines- wegs, wie es der Titel ankündigt, auf ein diabolisches Inferno, sondern es wur- de die offenbar komische Situation inszeniert, in der ein Vater mit seinem Sohn Kuchen backt. In der Filmwerbung hieß es: „Ein Zauberkünstler weiht seinen jun- gen Sohn, der vier Jahre alt ist, in die Kunst ein, einen Kuchen in einem Zylinder zu ba- cken vermittels der gewöhnlichen und künstlichen Substanzen. Der Junge, der gleich zeigen möchte, was er gelernt hat, geht zu seinem Großvater, der im Garten schläft, weckt ihn, damit er an dem Experiment, welches er versuchen will, teilnehmen kann. Er bereitet als dann den Kuchen so zu, wie er es von seinem Vater gelernt hat, aber als er den Hut auf den Kopf seines Großvaters setzen will, fällt der Kuchen, den er so schön zurecht gemacht hatte, in eine elende Suppe zusammen, und zwar auf dem Kopf des unglücklichen Großvaters, welcher glaubt, daß dies ein schlechter Scherz ist und daher beschließt, sich zu rächen. Es entsteht eine heiße Verfolgung des Kleinen, welche mit komischen Zwischenfällen, die alle zum Nachteil des Verfolgers ausfallen, verknüpft ist. Ganz außer Puste flüchtet sich der junge Schuldige zu seinem Vater, der seinen Sohn als Rauch verschwinden läßt, gerade im Augenblick, wo der Alte ihn eingeholt zu haben glaubt, um ihm die verdiente Züchtigung zu geben. Der Zauberkünstler nimmt so dann einen Eimer Wasser, welchen er in die Luft wirft, macht hieraus einen Springbrunnen, aus welchem der junge Schüler lächelnd herauskommt, ganz bereit, andere Schelmen-

495 Faust auf der Bühne, a.a.O. Zu den Lebenden Riesenphotographien vgl. Hans Helmut Prinzler, Chronik, a.a.O., S. 519 496 Werbung der Firma Pathé, in: Der Kinematograph, Nr. 1 (1907), o. S.

Prometheische Medien 99 streiche zu begehen.“497

Komödiantisch gemeint, wird die Geschichte eines Großvaters erzählt, der seinem Enkel nachjagt und dabei eher unfreiwillig in komische Situationen ge- rät. Die Produkionsfirma Eclipse bot gleichzeitig den Film Der Zauberkünstler o- der Unterricht in der magischen Kunst an.498 Im Januar 1908 warb Léon Gaumont für den Film Die Frau des Teufels. Es war, folgt man der Filmwerbung, ein Zau- bermärchen, eine „Feenhafte Darstellung, Staunenswerte Virage499“.500 Nach Schlüp- mann waren die frühen Stummfilme ein Kino „der Schaustellung und des Spiels.“501 Es war offenbar ein Spiel mit der Kamera, denn viele dieser frühen Produktionen erwecken den Eindruck, sie seien im kreativen Spiel mit der Ka- mera entstanden. Welchen großen Stellenwert das Kameraexperiment hatte, wurde durch Oskar Messter deutlich, der 1898 „Serienbilder vom fahrenden Zug aus aufgenommen“ als Patent anmeldete.502

Abb. 41: Ankündigung einer Messter Vorführung, 1896

Manchmal brachte offensichtlich ein besonderes Kamerageschick originelle Bilder hervor. So gesehen kann die Verfilmung der Verfolgungsjagd des Großvaters hinter seinem Enkel her sinngebend für eine Verfolgung mit der Kamera sein. Der Titel des Films trägt dann diesem kreativen Prozeß

497 Ebd. 498 Werbung der Firma Eclipse, in: Der Kinematograph, Nr. 3 (1907), o. S. 499 In chemischen Bädern eingefärbte - viragierte - Positivkopien erzeugten Kontraste und vermittelten, ob Szenen innen oder außen, tags oder nachts spielten. Einfärbungen tragen Stimmungselemente. 500 Werbung der Firma Léon Gaumont, in: Der Kinematograph. Nr. 54 (1908), o. S. Über die- sen Film und über den Film Teufelsflammen im Pathé-Vertrieb konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. 501 Schlüpmann, Unheimlichkeit des Blicks, a.a.O., S. 9 502 Oskar Messter, Mein Weg mit dem Film, Berlin 1936, S. 91 und S. 149. Vgl. auch Wolfgang Jacobsen, Frühgeschichte des deutschen Films, in: Geschichte des deutschen Films, hrsg. v. Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes und Hans Helmut Prinzler, Stuttgart 1993, S. 13- 38, S. 24

100 Prometheische Medien sein. Der Titel des Films trägt dann diesem kreativen Prozeß Rechnung und Der Sohn des Teufels ist die Kamera selbst. Kamerafahrten und Schwenks (fil- mische Mittel der Verfolgungsjagd), der Wechsel von der Totalen zur Großauf- nahme, Ab- und Überblendungen, Mehrfachbelichtungen, Tiefenschärfe und Perspektivwechsel, Lichteffekte und Tricks, Masken für Bildausschnitte, die gesamte Palette filmischer Methoden mußte ja von jedem Kameramann neu erfunden werden.

Das phantasievolle Experimentieren mit der Kamera wurde in Der Sohn des Teu- fels durch Kuchenbacken in einem Zylinder illustriert. Der Hexeneinmaleinsku- chen läßt sich als ein Produkt begreifen, das aus einzelnen Zutaten etwas gänzlich anderes entstehen läßt, einem chemischen Prozeß gleich, der den Film zur Metapher macht für einen Vater, der seinen Sohn in die alchemisti- schen Geheimnisse des Films einweist. Der Film zeigt Großvater, Vater und Sohn in spiritistischer Verquickung mit dem neuen Medium. Die Weitergabe des filmischen Mysteriums ist auch in der Produktion Der Zauberkünstler oder Un- terricht in der magischen Kunst enthalten. Die magische Kunst des Films ist ‘Be- wegungszeigen’, das in Verfolgungsjagden seinen Höhepunkt findet. Selbst für Lehmann waren Verfolgungsjagden die entscheidenden Sequenzen des komi- schen Films: „Alle komischen Begebenheiten aber, welche auf derartigen Films dar- gestellt sind, haben in der Regel einen gemeinsamen roten Faden: Sie laufen schließ- lich sämtliche in ein großes ‘Rennen’ aus, meistens in der Weise, daß zunächst eine Person oder ein Tier oder ein Gegenstand, wie z.B. ein ganzer Schweizerkäse, sich in Bewegung setzt, denen sich nach und nach immer mehr Personen zugesellen und hin- terher rennen, so daß oft ein langer Zug von abenteuerlich gekleideten Personen in ra- sender Eile dahinstürzt, teilweise über die merkwürdigsten Hindernisse stürzend, wie z.B. über Hökerfrauen mit Eierkörben, deren Inhalt sich über die Stürzenden ergießt, oder Händler mit Gipsfiguren überrennend u. dgl. mehr. Dabei wird die scheinbare Ge- schwindigkeit der Personen vergrößert; es geschieht dies auf die Weise, daß die Auf- nahme nur mit der halben Bildwechselfrequenz gemacht wird.“503 Rasche Bewe- gungsabläufe, die unkontrollierbare Kettenreaktionen auslösen, sind bis heute konstitutiver Teil von Filmkomödien.

Bewegung bedeutet Leben, und das Kino schafft die „wirkliche Präsenz der Be- wegung“, schrieb Christian Metz.504 Danach erzeugte die filmische Bewegung „einen starken Realitätseindruck. Diese Antwort ist selbstverständlich schon oft gege- ben worden, aber vielleicht nicht vollständig.“505 Metz bezog sich auf Edgar Morin, der herausgestellt hatte, daß „die Verbindung zwischen der ‘Realität’ der Bewegung und der ‘Erscheinung’ der Formen (..) das Gefühl konkreten Lebens und den Eindruck einer objektiven Realität (erzeugt). Die Formen geben der Bewegung das äußere Ske- lett, und die Bewegung verleiht ihnen Fleisch und Blut.“506 Diese Verbindung zwi- schen Form und Bewegung brachte für Metz „den Eindruck der Realität“ hervor und damit „auch die Realität des Eindrucks“. Hierin scheint das „Geheimnis des Films“ verborgen zu sein.507 Film legt „viele Realitätsindizien ‘in Bilder’ (..) die, so be- reichert, dennoch als Bilder perzipiert werden.“508 Aber das Rätsel Film lag für Metz nicht in der Realität der Bewegung, sondern es ließ sich in der „Irrealität des Bil- des“ wiederfinden. Die Irrealität des Bildes verdoppelt sich beispielsweise im

503 Lehmann, Die Kinematographie, a.a.O., S. 88 (Hervorhebung D. M.) 504 Christian Metz, Semiologie des Films, München 1965, insbesondere Phänomenologische Untersuchungen des Film, S. 20-35, S. 28 505 Ebd. S. 25 506 Zit. n. Edgar Morin, Le cinéma ou l’homme imaginire, Paris 1956, S. 123 (Hervorhebung D.M.). Morin bediente sich hier des humanoiden Filmdiskurses. Vgl. auch Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O. 507 Metz ging davon aus, daß der Film ein Geheimnis berge. 508 Metz, Semiologie des Films, a.a.O., S. 28

Prometheische Medien 101

Filmbild des bewegten Skeletts. Das häufige Vorkommen bewegter Gerippe im frühen Stummfilm stellt das Knochengerüst als Beweis des unausweichlichen Todes hin, aber im Moment seiner Bewegung scheint der Tod überwunden. Ein sich bewegendes Skelett ist ein völlig phantastisches und surreales Bild, dessen Realität sich der Zuschauer im Film zu vergewissern vermag. Aber das Gerippe in Bewegung verweist auf die Lebende Fotografie als Überwindung der fotografischen Leichenmetapher.

Eine solche Erfindung wie der Film wird nicht alt werden, behauptete Antonie Lumière und meinte damit, daß sie sich schnell erschöpfe. Ähnlich schrieb Marshall McLuhan, „wenn es funktioniert, ist es überholt“.509 Daß jedoch die Idee, Bewegung in Bildern festzuhalten, Bestand hatte und das Interesse nicht nach der ersten Überraschung verflogen war, hängt offenbar weniger mit dem wie- derholten Sehen von bewegten Bildern zusammen, als vielmehr mit der Magie des Bewegungsbildes. Es streckt seine Fühler in den Bereich des Imaginären aus und bedient sich der Mechanismen des Unbewußten. Der humanoide Filmdiskurs ist eine Spur dieses widersprüchlichen Empfindens beim Betrach- ten bewegter Bilder. Wenn ein Mensch auf der Leinwand erscheint, sich be- wegt und wieder verschwindet, bleibt scheinbar - gegen alle Rationalität und Technikerklärung - ein ungutes Gefühl zurück, Grenzen verletzt oder über- schritten zu haben. Grenzüberschreitungen sind gewöhnlich mit Angst verbun- den - ein Verstoß, der auch durch Lachen abgewehrt werden kann, wovon die vielen Komödien zu Beginn der Filmgeschichte zeugen.510

Filmbildern haftet der Mythos der Verlebendigung an, und sie kreuzen das Le- ben auf der Ebene des Abbilds. Es regieren die unbewußten Mechanismen der Wiederholung, der Verdoppelung, der Spaltung und der Spiegelung. Die Lein- wandbilder gestalten gleichsam das Eigenleben der Spiegelbilder, deren filmi- sche Existenzen über die menschliche Zeit hinaus bestehen. Vilém Flusser hob hervor, daß das lateinische copia soviel wie Überfluß bedeutet „und kopieren daher sich ‘überflüssig machen’.“511 Die Kopie eines Menschen, die sich auf der Leinwand bewegt, macht den archaischen Schrecken vor dem eigenen Abbild und die Angst vor dem unbekannten Ich sowie vor dem unvermeidlichen Tod, nicht immer erinnerbar - aber dennoch fühlbar. Das bewegte Bild hält diese widersprüchlichen Gefühle in einem vorbewußten Schwebezustand, so daß der Kinematograph in regressiver Manier gleichzeitig beseelt und dämonisiert, schließlich mit Magie geladen wird.

Obwohl der Kinematograph zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr wirk- lich als Zauberei, die im Dienste der Macht eines Bösen stand, betrachtet wur- de, sprach man dem Filmapparat mitunter etwas ‘Teuflisches’ zu. Die Firma Glüer & Co, eine um die Jahrhundertwende in Berlin ansässige Kinema- tographen-Fabrik mit Filmverleih, vertrieb Kinomatophone mit dem Namen Luci- fer u. Excelsior - Apparate für lebende Photographien.512

509 McLuhan, Die magischen Kanäle, a.a.O., S. 18 510 Das Angst durch Lachen abgewehrt werden kann, davon zeugte schon der Einsatz der komischen Figur im Fauststück. 511 Vilém Flusser, Ins Universum der technischen Bilder, Göttingen 1985, S. 81 512 Werbung der Kinematographen-Firma Glüer & Co, in Der Kinematograph, Nr. 10 (1907), o. S.

102 Prometheische Medien

Abb. 42: Werbung der Kinematographen-Fabrik mit Filmverleih, Glüer & Co, Berlin 1907

Ein Apparat, der lebende, sprechende, singende und musizierende Fotografie hervor- brachte, wurde Luzifer u. Excelsior genannt. Der Name stand für das magische und diabolische Vermächtnis des Kinomatophons, welches das Wunder des Lebens zu kennen, es gleichzeitig zu schöpfen und zu vernichten, vorgab. Als hervorragender Lichtbringer (Lumière) stand Excelsior Luzifer für den Mythos des Prometheus‘, der Technikgeschichte mit den Entstehungsmythen der Menschheit mischte. Nach Vilém Flusser513 war Prometheus Personifizierung der Technikgeschichte, die irgendwann dem Teufel zufiel. Ein Zusammen- hang, der sich in der Bezeichnung des Kinematophons‘ der Firma Glüer & Co verdichtete.

Die Firma Heinrich Ernemann in warb für Präcisions-Kinematographen mit dem Bild eines Teufels und einer Fledermaus.

Abb. 43: Werbung für den Präcisions-Kinematographen der Firma Heinrich Ernemann Dresden, 1908

„Filmschoner! Absolut feststehende Bilder! - Modell III, einfacher, billiger aber sehr zuverlässiger Apparat für kleine Wandertheater, Schulen, Vereine etc. Ernemann Pris- menlampen, die besten der Gegenwart! Kompl. Theatereinrichtungen.“514

513 Flusser, Ins Universum, a.a.O. 514 Werbung der Firma Ernemann, in: Der Kinematograph, Nr. 10 (1907), o. S. (Hervorhebung D.M.). Die Firma Ernemann war in Dresden ansässig und hatte eine Zweigstelle in Paris.

Prometheische Medien 103

Der Teufel schaut aus der unteren linken Bildhälfte nach oben zu einer Fle- dermaus mit ausgebreiteten Flügeln. Auf seinem kahlen Schädel515 hat er gro- ße, spitz zulaufende Ohren und kurze abgerundete Hörner. Grobe Stirnfalten verdecken zusammengekniffene Augen. Es hat ein grobschlächtiges Gesicht mit ausgeprägten Sinnesorganen. Das scharfkantige Kinn, der zusammenge- kniffene Mund und die entblößten Zähne verweisen auf seine Gefährlichkeit. Neben dem Teufelsbild ist Ernemann Kino zu lesen. Eine Fledermaus mit aus- gebreiteten Flügeln überspannt das Bild. Leonardo da Vinci stellte heraus, daß „nur die Fledermaus zum Vorbild“ des Flugapparates taugt, „weil ihre Häute als Ver- steifung oder, richtiger gesagt, als Verband für die Versteifung, das heißt Streben der Flügel dienen.“ Ihr lichtscheues Verhalten galt ihm übrigens als Übel, denn da, wo die Tugend wohnt, hält sich die Fledermaus nicht auf.516 Ihr Umriß ist mit kleinen ungleich starken Punkten gefüllt, so daß der Eindruck entsteht, sie werde beleuchtet. Teufel und Fledermaus scheinen vom Licht des Ernemann Kinos erfaßt und aufgescheucht worden zu sein. Die beiden Kinder der Nacht sind verloren und zugleich gefangen im Lichtspiel des Kinematographen.

Wie Luzifer, der nach seinem Himmelssturz zur Schlange, zum Erdkriecher Satan wurde, war auch aus dem Vogel, der sich offenbar gegen die Natur ver- sündigt hatte, eine Fledermaus geworden. Bereits der Name des Handflüglers ist durch Aberglauben bestimmt.517 Die Fledermaus galt als fliegende Maus, als ein Mittelding zwischen Vogel und Maus oder Vogel und Ratte.518 Sie zählte schon seit Moses zu den unreinen Tieren und galt als Todesbote. Ihre biologi- schen und mythologischen Merkmale stellten sie an die Seite des Teufels. Sie ist weder völlig Flugtier noch Erdtier und weder im Himmel noch auf der Erde zu Hause, folglich ein Doppelwesen wie der Teufel. Das entscheidende über- einstimmende Merkmal zwischen ihnen ist aber beider Vorliebe für die Nacht. Sie sind Gestalten der Dunkelheit und jagen in der Finsternis. Sie werden als blutsüchtige und lichtscheue Wesen betrachtet, vor denen man sich in acht nehmen muß. Die Fledermaus hatte ursprünglich dem Teufel im 13. Jahrhun- dert ihre Flügel geliehen519, und in der Filmfigur des Grafen Dracula verschmel- zen sie überdies zu einer phantastischen Gestalt.

Teufelsbild und Teufelsname als Werbung für Kinoapparate bezeugen, daß Film in der Tradition der lichtbilderzeugenden Apparate stand und, wenn auch eher unbewußt, mit einer magischen Welt in Zusammenhang gebracht wurde. Ein Filmapparat, der Luzifer genannt wurde, beinhaltet im Stigma christlicher Mythologie neben der Vorstellung des Bösen auch dessen Tradition als Licht- bringer. Wenn Athanasius Kircher ein Teufelsbild ins Lichtbild der Laterna ma- gica setzte, zuckte das Publikum angstvoll zusammen, da es glaubte, dem Leibhaftigen gegenüberzustehen. Im grellen Licht des Ernemann Kinema- tographen erschauert aber der Teufel und seine Gefährtin, die Fledermaus, flattert erschreckt auf. Es scheint, als zucke der Fürst der Finsternis vor dem unerwarteten Licht eines neuen Schöpfers zusammen. Der Schrecken wird sich legen, denn es ist nur eine neue Bild-Spezies entstanden. Der Kinema-

515 Die Fledermaus galt im Volksglauben auch als Haardämon. „Die vollständige Kahlheit der Flughäute ist dem Volk aufgefallen und hat den Aberglauben gezeitigt, diese Kahlheit sei ansteckend.“ Stichwort: Fledermaus, in: HDA, Bd. II, Sp.1579-1591, 1584 516 Zit. n. Baltrusaitis, Das phantastische Mittelalter, a.a.O., S. 198 517 Stichwort: Fledermaus, in: HDA, Bd. II, a.a.O., Sp.1579 518 Wahrscheinlich wurde der Name Fledermaus von „flattern“ und „mus“(Maus) abgeleitet, auch im Neuenglischen als „flittermouse“ bezeichnet. In den romanischen Sprachen be- deutet „rata vulora“, „rad volat“ soviel wie „fliegende Ratte.“ Vgl. ebd. 519 Ebd. S. 197

104 Prometheische Medien tograph löst die Frage des künstlichen Lebens und der Unsterblichkeit auf teuf- lische Weise lediglich für das Abbild. Das animalische Teufelsbild war freilich Anfang des 20. Jahrhunderts weder furchteinflößend noch angsterzeugend. Das Dämonische des Films wurde allenfalls auf den schwarzen Strich proji- ziert, den das menschliche Auge zwischen den Einzelbildern nicht wahrnimmt und der das Bewegungsbild entstehen läßt.

Von 1919 an erschien in Berlin die Filmzeitschrift Film-Hölle.520 Diese Publikation stellte offenbar wie der Kinematograph mit Namen Lucifer den Film in den ‘Bannkreis des Teufels‘. Schon als der Teufel zum Gefährten Fausts wurde, ging es darum, in die Geheimnisse des Lebens einzudringen und Unsterblich- keit zu erlangen. Auch im Kinematographen steckte der unerschöpfliche Wunsch nach ewigem Leben, so daß die Maschine zum augenscheinlichen Garanten für Unsterblichkeit wurde. Flusser521 stellte die Frage danach, mit welcher Absicht die Bild-erzeugenden-Apparate erfunden wurden und machte geltend, „das unsichtbare Mögliche zu Sichtbarem Unmöglichen zu ballen... aus seiner Suche nach Unsterblichkeit sind unter anderem, die Apparate entstanden. Sie sollen Informationen erzeugen, erhalten und weitergeben. So gesehen, sind die technischen Bilder Staudämme von Informationen, die im Dienst unserer Unsterblichkeit stehen.“ An die Stelle Fausts war endgültig die Filmmaschine getreten, die den Teufel ins Licht des Kinematographen zwang.

Zusammenfassung

Der Begriff Prometheische Medien umfaßt nicht nur die Geschichte der bilder- zeugenden Apparate, sondern beinhaltet den Symbolcharakter, den die Mythologie des Prometheus für diese bereitstellt. Da in der griechischen Mythologie Prometheus für die vernichtende Kraft und für die progressive Kraft des Feuers stand, wurde sein Name Sinnbild für die Doppelgesichtigkeit der technischen Entwicklung. Das prometheische Feuer scheint auch die Hölle der Christen geschürt zu haben, in der sich Prometheus in Alchemist und Teufel spaltete. Die Geschichte der prometheischen Medien ist die Geschichte der Aufladung bilderzeugender Apparate mit Magie. Im piktoralen Vorfeld von Foto- grafie und Kinematographie stehen Camera obscura und Laterna magica. Lichtbilder der Camera obscura zeigten ein perspektivisches Bild und gleich- zeitig Illusionsbilder kleiner theatralischer Szenen oder phantastischer Figuren. Darunter ließ sich freilich auch das Lichtbild des Teufels finden. Das Bild des Teufels war ebenfalls eine Projektion der Laterna magica, bevor Athanasius Kircher ihre Funktionsweise im 17. Jahrhundert beschrieb. Das Spiel mit phy- sikalischen Gesetzen bewegte bei Kircher verschiedenartige dämonische Lichtgestalten. Im Gegensatz zum Teufelsbild war Faust keine Projektion von Camera obscura oder Laterna magica. Es ließen sich jedoch einzelne roman- tische Glasbilder für die Laterna magica finden, die einen Zauberer zeigen, der den Teufel hervorzwingt.

Apparate, welche die Illusion der Bildbewegung erzeugen, entstanden zu Be- ginn des neunzehnten Jahrhunderts. Wundertrommel und Lebensrad zeigten mitunter bewegte Bilder lustiger Teufelsgestalten. Mit der Entwicklung der Fo- tografie kamen auch Fotos in den Geräten zum Einsatz. Das Foto wurde zur Geisterfotografie spiritualisiert. Über die Gegenwärtigkeit des Todes, welche die Fotografie verbreitet, verweist das Bewegungsbild auf das faustische Motiv

520 Vgl. Herbert Birett, Standortverzeichnis früher deutscher Filmzeitschriften, in: KinTop. Jahr- buch zur Erforschung des frühen Films (1), Früher Film in Deutschland, Basel, Frankfurt am Main 1993, S. 136-143, S. 139 521 Flusser, Ins Universum der technischen Bilder, a.a.O., S. 19

Prometheische Medien 105 der Auferstehung und der Unsterblichkeit. Sprachlich schlug sich der Verle- bendigungsprozeß, der aus Fotos Film machte, in einem humanoiden Schöp- fungsdiskurs nieder. Filmbildern haftet der Mythos der Verlebendigung an, sie kreuzen das Leben auf der Ebene des Abbilds. Es regieren die Mechanismen der Wiederholung, der Verdoppelung, der Spaltung und der Spiegelung. Bewe- gungsbilder lösten aber die Frage des künstlichen Lebens und der Unsterblich- keit auf teuflische Weise lediglich für das Abbild. Eine Untersuchung der Pro- metheischen Medien erscheint nicht möglich, wenn nicht gleichzeitig die Magie betrachtet wird, mit der sie geladen sind und wofür das Teufelsbild Zeugnis ist.

Doktor Satansohn 107

„Und der Gott sprach zu dem Teufel: Ich der Herr kopier’ mich selber, Nach der Sonne mach’ ich Sterne, Nach dem Ochsen mach‘ ich‘ Kälber; Nach den Löwen mit den Tatzen Mach‘ ich kleine, liebe Katzen, Nach dem Menschen mach’ ich den Affen: Aber du kannst gar nichts schaffen.“522

III. Doktor Satansohn

Edmund Edels phantastischer Spielfilm Doktor Satansohn523 (1912) verknüpft in verblüffender Weise eine Anspielung auf die schillernde Rolle des alten Magiers als Sohn des Teufels mit den Impulsen der Filmpioniere, die magi- sche Kunst der Filmmaschine im Faustfilm zu erproben. Doktor Satansohn ist keineswegs eine traditionelle Faust-Literaturverfilmung, sondern eine phantastische Filmkomödie, in der Ernst Lubitsch eine Doppelrolle als Dr. Satansohn und Mephisto spielte. Als genialer Wissenschaftler verfügt Dr. Satansohn über eine elektrische Verjüngungsmaschine, die er als Mephisto betreibt. Heimlich verliebt in den Mann ihrer Tochter, läßt sich eine Alte ge- gen das Versprechen, nie wieder einen Mann zu küssen, auf einen Pakt mit dem Teufel ein und wird verjüngt.

Abb. 44: Ernst Lubitsch als Mephisto in Edmund Edels, Doktor Satansohn, 1912

Im Vergleich der ästhetischen und ikonographischen Merkmale der stum- men Faustfilme, die zwischen 1896 und 1926 entstanden, zeichnen sich - schematisch betrachtet - zwei Gruppen ab. Die erste Gruppe beinhaltet Faustfilme, die ab 1896 komplexe Faustbilder entwarfen, die zweite Gruppe Faustfilme, die etwa ab 1912 Faustgeschichten erzählten. Der Filmtitel Doktor

522 Karl Rosenkranz, Ästhetik des Häßlichen (1853) Leipzig 1990, S. 220 523 Der Film lag nicht vor. Zum Inhalt vgl. Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein! Faust im Film. Eine Dokumentation von Hauke Lange-Fuchs, Bonn 1985, S. 45

108 Doktor Satansohn

Satanssohn dokumentiert in exemplarischer Weise die verdichtete Struktur der filmischen Faustbilder und verweist gleichzeitig auf die narrative Auswei- tung späterer Faustfilme. In welcher Weise der Fauststoff Grundlage für die Entfaltung des Phantastischen Films wurde, veranschaulicht der Weg des Stummfilms, auf dem aus Faustbildern Faustgeschichten wurden.

A. Faustbilder Helmut Korte und Werner Faulstich524 unterteilten die Entwicklung des Stummfilms von 1895 bis 1924 in vier Etappen. Danach war die erste Epo- che des Films ein „technisches Spektakel“, ein „plebejisches Amüsement“, ein Jahrmarkts- und Varietévergnügen. (1) Bis 1905 bildeten sich das Sujet und die Anfänge der Filmindustrie heraus. In der zweiten Phase entstanden „orts- feste Filmvorführstätten, erste Genregrundformen, filmische Ausdrucksmöglichkei- ten und scharfe Konkurrenzkämpfe... zwischen nationalen Filmindustrien.“ (2) Der Erste Weltkrieg setzte Film zu Propagandazwecken ein (3), und erst an- schließend etablierte sich das Kino „als künstlerisches Medium für alle gesell- schaftlichen Schichten durch Verfeinerung der Dramaturgie und der Themen mit der Vorherrschaft des Hollywoodfilms.“525 Schließlich wurde der Film nach 1918 ein künstlerisches Medium. (4) Freilich sagt eine solche Einteilung kaum etwas über die narrative Struktur oder die ikonographischen Merkmale der frühen Stummfilme aus. Nach Heide Schlüpmann waren die frühen Stummfilme „eine Produktion ganz eigenen Charakters.“526 Die Länge des Filmmaterials be- stimmte das Geschehen. Dies zeigt schon die Aufnahme der Operation Doyens, aber auch die auf Schnelligkeit angelegten Spielhandlungen schei- nen hiervon zu zeugen. Das Tempo schlug sich sogar in der Vorführpraxis nieder, denn es wurden stets mehrere kurze Filme hintereinander gezeigt. Der frühe Stummfilm erschloß einen Wahrnehmungsprozeß, für den der Name des Anschütz‘schen Vorführapparates geradezu programmatisch erscheint: Der Schnellseher.

Nach Lehmann hatte „das nur minutenlange Kinodrama als Ausdrucksmittel für Leidenschaft und Gefühlsäußerungen, als Darstellungsmittel für Tugend und Laster“ eine „ungeheuere Macht.“527 Und über das Zusammentreffen von zeitlicher Be- grenzung und Bildverdichtung schrieb er: „Infolge der Kostbarkeit der Filmbän- der hat man dramatische Pantomimen von besonderer Kürze verfaßt, in denen natür- lich alles ‘Handlung’ ist, und die gerade deshalb äußerst spannend und packend wir- ken.“528 Im allgemeinen werden die frühen Stummfilme eher als belanglos angesehen und ihr Sinn in der Erprobung der neuen Technik vermutet. Ein folgenschweres Mißverständnis, denn die kurzen Stummfilme brachten eine umwälzende Bildkultur hervor. In der Zeit von 1896 bis etwa 1911 entstan- den massenhaft kurze Stummfilme, die als anonyme Bildmetonymien be- trachtet werden können. Es war eine Kunstproduktion, die zunächst außer- halb herrschender Norm stand und die sich – wie alle neuen Bilder - dem theoretischen Zugriff entzog. Die phantastischen kurzen Stummfilme erreg- ten zuerst Neugierde, schließlich Unverständnis und Ablehnung, weil sie

524 Helmut Korte und Werner Faulstich, Der Film zwischen 1895 und 1924: Ein Überblick, in: dies., Fischer Filmgeschichte Bd. 1, Von den Anfängen bis zum etablierten Medium 1895-1924, Frankfurt am Main 1995, S. 13-47. Korte und Faulstich beschrieben primär den kontinuierlichen Fortschritt des Stummfilms im Zeichen seiner technischen Ent- wicklung. 525 Ebd. S. 14 526 Schlüpmann, Feministischer Blick, a.a.O., S. 465-478, S. 466 527 Lehmann, Die Kinematographie, a.a.O., S. 88 528 Ebd. S. 87

Doktor Satansohn 109 sich einer (lustvollen) Wiedererkennung entzogen.

Die neue Kunstform hatte zu Anfang einen ‘namenlosen’ Freiraum.529 Der Künstlermythos des 19. Jahrhunderts, dem die Vorstellung zugrunde lag, ein genialer Schöpfer gestalte ein einzigartiges Original, war den erfinderi- schen Filmkünstlern meist fremd, zumal der Operateur sich eher als Tech- niker und weniger als Künstler verstand, und der kurze Stummfilm nicht als Kunstwerk betrachtet wurde. Oskar Messter schrieb in seiner Autobiogra- phie über den Wechsel vom nicht als künstlerisch anerkannten kurzen Stummfilm zur ‘Kunstgattung‘ des abendfüllenden stummen Spielfilms: „Kunst konnte natürlich nur von Künstlern ausgehen, und damit mußte mein unmit- telbarer Einfluß auf das Resultat aufhören.“530 Hier unterscheidet sich Messter von Méliès, der seine künstlerischen Ambitionen vollständig ins neue Bild- medium legte. Speziell in Méliès‘ kurzen Stummfilmen dokumentiert sich das mit Magie geladene neue Medium als technischer Zauberer.

1. Faust und Film Ernest Prodolliet (1978)531 und Hauke Lange-Fuchs (1985)532 trugen einen Großteil aller Faustfilme zusammen und führten eine auffällige Koinzidenz von ‘Faust und Film’ seit 1896 an. Danach entstanden Faustfilme überall dort, wo es frühes Filmschaffen gab.533 Filmpioniere wie George Albert Smith, Georges Méliès, Auguste und Louis Lumière, David Wark Griffith534, Edwin S. Porter535, Alice Guy536 und Oskar Messter, um nur einige zu nen- nen, drehten Faustfilme. Allein Méliès stellte zwischen 1896 bis 1912 mehr als zehn Filme her, die Faust im Titel führen. Auch Georges Hatot drehte be- reits 1896 für Louis Lumières Société du Cinematographe Lumière den Film Faust. Im selben Jahr inszenierte Eugen Promio537 für den Lumière Vertrieb Faust et Mephisto. 1898 verfilmte George Albert Smiths Faust and Mephistopheles. Aus Edisons Werkstatt ging die früheste amerikanische Faustverfilmung hervor, Edwin S. Porters Faust and Marguerite (1900). 1905 entstand in Dänemark Peter Elfelts Faustinus.538 1906 inszenierte Alice Guy für Léon Gaumont zweiundzwanzig Tonbilder539 Faust nach der Oper von Charles Gounod. 1907 erschien auch bei Oskar Messter das Tonbild Marga-

529 Dies gilt weniger für Faustfilme. Die Regisseure von Faustfilmen sind auch deswegen weniger anonym, weil das Fauststück als nationales Kulturgut gilt und Bearbeitungen mehr gesammelt und verzeichnet werden. 530 Messter, Mein Weg mit dem Film, a.a.O., S. 96 531 Ernst Prodolliet, Faust im Kino. Die Geschichte des Faustfilms von den Anfängen bis in die Gegenwart, Freiburg 1978 532 Lange-Fuchs, Faust im Film, a.a.O. 533 Faustfilme entstanden in Deutschland, Frankreich, England, Amerika, Italien und Dä- nemark. „In vielerlei Varianten finden wir ‘Faust’ auf Spanisch und Rumänisch, Dänisch und Niederländisch, Tschechisch, Serbokroatisch und Ungarisch, sogar auf Jiddisch.“ Lange-Fuchs, Faust im Film, a.a.O., S. 10 534 Griffith arbeitete etwa ab 1908 als Regisseur. 535 Edwin S. Porter war ab 1900 Kameramann und leitete nach dem Erfolg seiner Filme The Life of an American Fireman und The Great Train Robbery die Filmproduktionen der Edison-Gesellschaft. 536 Alice Guy hatte als Sekretärin bei Léon Gaumont begonnen, wurde aber schnell Re- gisseurin. Sie drehte von 1897-1906 etwa 200 Filme für Gaumont. Vgl. Alice Guy, Auto- biographie einer Filmpionierin, Autobiographie einer Filmpionierin 1873-1968, Münster 1981 537 Eugen Promio war seit 1896 Kameramann bei Louis Lumière. 538 Peter Elfert war Hoffotograf in Kopenhagen. Vgl. Lange-Fuchs, Faust im Film, a.a.O., S. 30 539 Bei Tonbildern handelt es sich um ein synchrones Abspiel von Schallplatte und Film.

110 Doktor Satansohn rete nach Gounods Oper. Die Firma Pathé540 produzierte gleich mehrere Faustvariationen. 1908 drehte Griffith The Devil, in dem ein Maler einen Pakt mit dem Teufel schloß.541 Mit dem Fauststoff erobern sich offensichtlich die Filmpioniere das neue Medium.

Die Schwierigkeit, Faustfilme zu kategorisieren und eine Begriffsbestim- mung vorzunehmen, läßt sich an den beiden Faust-Filmografien ablesen. Spielfilme, die Faust, Mephisto oder Margarete im Titel führen, machten einen großen Teil der von Prodolliet und Lange-Fuchs aufgelisteten frühen Stummfilme (bis etwa 1911) aus. In den Titeln der Faustfilme tauchte der Name Faust dreiundzwanzigmal und der Name Mephisto sechsmal auf. Me- phisto und Faust kamen gemeinsam in vier Filmtiteln vor. Faust und Margarete standen rund vierzehn Mal im Titel. Etwa sieben Filme bezogen sich in ih- rem Titel auf die Schauplätze Studierzimmer542, Garten543 und Kerker.544 Einmal wurde aus der Walpurgisnacht und viermal aus der Verdammung der Filmtitel abgeleitet. Mephisto und Harlekin tauchten zusammen in einem Filmtitel auf. Arlequin et Mephistopheles (1903) war eine Lumière Produktion, die mit anderen phantastischen Filmen, die Reihe „films de fiction“ in der Ver- kaufskategorie „vues fantasmagoriques“ bildete.545 Darüber hinaus erfaßten die Filmografien Literatur- und Theaterverfilmungen, wie etwa Peter Gorskis Faust I (1961) nach der Hamburger Gründgens-Inszenierung oder Aleksan- dar Petrovics Der Meister und Margarita (1972) nach Michail Bulgakows Faust- roman.546 Andere Faustfilme waren nach Prodolliet und Lange Fuchs Spiel- filme, die ein faustähnliches Bündnis mit dem Teufel beinhalteten, bei- spielsweise Der Student von Prag (Rye, 1913; Galeen, 1926; Robison, 1936) oder All that Money can buy (Dieterle, 1941).

Insgesamt listete Prodolliet bis 1978 über sechzig Faustfilme auf und Lan- ge-Fuchs bis 1985 mehr als einhundert.547 Siebzig der genannten Faustfilme entstanden zwischen 1896 und 1911. Die Frage danach, was eigentlich ein Faustfilm ist, blieb von beiden Autoren unbeantwortet. Die Grenze der Fil- mografien lag in der wenig differenzierten Auflistung der Faustfilme. Die Gründe, die aufzeigen sollten, warum der Fauststoff von Anfang an ein ma- nifestes Thema des Films war, blieben insgesamt unklar. Prodolliet hob be- reits im ersten Satz hervor: „Der Fauststoff gehört zu den unerschöpflichen Quel- len künstlerischer und geistiger Betätigung. Literatur, Kunst, Musik und Film haben sich seiner umfassend angenommen - die Kinematographie gleich seit ihrer Erfin- dung Ende des vergangenen Jahrhunderts. Mehr als vierzig Filmversionen behandeln das Thema - mit unterschiedlichem künstlerischen Erfolg zwar, aber doch meistens lebendig und von der immerwährenden Präsenz der Faustgestalt Zeugnis able-

540 Charles Pathé gründete 1896 das französische Filmunternehmen Pathé Frères. 541 The Devil erzählt die Geschichte eines Künstlers, der von seinem Modell (dem Teufel) verführt wird. Er verliert seine Seele und erschießt seine Frau und sich. 542 Das Studierzimmer des Faust, Deutschland 1908, (Alfred Duskes?), vgl. Lange-Fuchs, Faust im Film, a.a.O. 543 Faust. Gartenszene, Deutschland 1910, Daten unbekannt, vgl. ebd. 544 Kerkerszene, Deutschland 1909, mit Franz Porten, vgl. ebd. 545 Vgl. ebd. S. 28. Die Zuordnung kann als erste Genreeinteilung betrachtet werden. (Vermutlich eine Verfilmung der musikdramatischen Pantomime Harlequin and Faus- tus von Johann Erst Gayllard aus dem Jahre 1715.) 546 (Michail Bulgakow, Der Meister und Margarita, Darmstadt 1968) Allein ein Vergleich der beiden Faustfilme verweist auf das enorme Spektrum der Faustbearbeitungen und der Faustfilme. 547 Lange-Fuchs nannte über Prodolliets Aufzählung hinaus zweiundzwanzig Faust- Tonbilder, die Alice Guy für Gaumont aufgenommen hatte, dann neun Faustfilme, die nach 1978 entstanden und die Filmkomödie Doktor Satansohn (Edel, 1912).

Doktor Satansohn 111 gend.“548 Danach war es „erstaunlich“, daß Filmschaffende bereits so früh auf den Fauststoff zurückgriffen, aber ein erfreulicher Zufall, der den zunächst kulturell gering geschätzten Film aufwertete. Nach Prodolliet waren die frü- hen Faustfilme „sehr primitiv“ und „verrieten wenig künstlerisches Engagement.“549 So gesehen, stellten die frühen Faustfilme zwar ein ästhetisches Problem, aber kein filmtheoretisches Thema dar. Den künstlerischen Rang der frühen Faustfilme schätzte auch Lange-Fuchs gering ein und ordnete so manchen Faustfilm den kunstsinnigen Niederungen zu. Lange-Fuchs stellte der Dar- stellung den Vers, „Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!“, aus Goethes Faust voran, wies aber die Vorstellung, ‘Film kann zaubern’ mit der Frage zurück: „Sollte das Phantastische nicht besser der Phantasie überlassen bleiben?“ Auch wollte er mit folgender Frage: „War es also wiederum ein Pakt mit dem Bösen?“, das klassische Drama nicht überstrapazieren. Das Interesse der Filmpio- niere am Fauststoff führte Lange-Fuchs auf die Befreiung „von den irdischen Fesseln des bühnentechnisch Machbaren“ zurück.550 Beide Autoren zogen exo- gene, nichtfilmische Gründe für die frühe Verbindung von ‘Faust und Film’ heran, wie die Popularität des Stoffes, der in alle Medien drängte, dabei blieb der theoretische Bezugsrahmen diffus. Der Hinweis, Faustfilme basierten auf der Verfilmung eines literarischen Stoffs, verweist auf das Dilemma der Begriffsbestimmung. Ikonologie und Bildanalyse, Periodisierung und Genre- einteilung spielten für die Kategorisierung der Faustfilme keine Rolle.

Nach Roy Kinnard551 zählten Faustfilme zu den ersten Horrorfilmen. Etliche Faustfilme, die weder Prodolliet noch Lange-Fuchs erfaßt hatte, verzeichne- te das Nachschlagewerk über stumme Horrorfilme. Dazugehören Horrorfil- me, die Geschichten über wißbegierige Magier erzählen, die mit ihrem Tun ganz zwangsläufig in den Bereich des Teufels geraten, oder Spielfilme, die zeigen wie Satan sich vor frömmelnden Wissenschaftlern in acht nehmen muß. Auch können stumme Horrorfilme als Faustfilme gelten, in denen ü- bereifrige Wissenschaftler zu gefährlichen Verderbern werden oder in de- nen sie in Unbekanntes vorstoßen. In diesem Sinn ist auch der Spielfilm ü- ber den Marsflug eines Chemieprofessors als Faustfilm lesbar, den Johan- nes M. Lehmann552 schon 1911 in seinem Grundlagenbuch über die Kinematographie beschrieb: „Der Professor erfand in seinem Laboratorium einen Stoff, der die Schwere der Körper aufhebt, mit denen er in Berührung kommt, d.h. alle diese Körper schweben in die Höhe. Der Professor überschüttet sich selbst mit dem Stoff, und beginnt nun sofort in die Höhe zu schweben; man sieht ihn über die Stadt schweben, dann in den Wolken (wobei die schwebende auf- und abtanzende Bewegung durch die wirkliche Bewegung des Aufnahmeapparats erzielt wurde.) Die fortschreitende Bewegung wurde scheinbar hervorgebracht durch die Bewegung von Rauchwolken, die über den Boden geblasen wurden, oder die vorher schon auf den Film aufgenommen waren, und welche die Wolken am Himmel vorstellen sollten. Schließlich kam dann der Herr Professor auf dem Mars an und hatte unter den rie- senhaften Marsbewohnern die fürchterlichsten Erlebnisse; durch ihren feurigen Atem wurde er einfach hinweggeblasen; oder als er einen Berg besteigen wollte, wurde die- ser plötzlich lebendig und entpuppte sich als ungeheurer Riese usw. Diese zuletzt erwähnten Täuschungen beruhten auf einem weiteren Prinzip: nämlich auf der ‘Kom-

548 Prodolliet, Faust im Kino, a.a.O., S. 7. 549 Ebd. S. 11 550 Lange-Fuchs, Faust im Film, a.a.O., S. 9 551 Roy Kinnard, Horror in Silent Films, A Filmography, 1896-1929, North Carolina, London 1993. Kinnards Filmografie des stummen Horrorfilms enthält fast alle stummen Faust- filme, die Lange-Fuchs und Prodolliet nannten. 552 Johannes M. Lehmann, Die Kinematographie, ihre Grundlagen und ihre Anwendung, Leipzig 1911, S. 87 552 Ebd. S. 88

112 Doktor Satansohn bination durch Übereinanderdruck‘.“ Obwohl Lehmann den Titel des Films nicht nannte, handelt es sich hier um die Edison Produktion A Trip to Mars (1910). Der fünf Minuten Film offenbart naturwissenschaftliche Forschung und Film zugleich als apokalyptische Vorstellung, die erschreckende Teufelsgestal- ten hervorrufen. Durch Stoptrick, Bildaneinanderreihung und Kameraeinstel- lung entstanden phantastische Bilder, die mühelos einen Flug ins All und Schwerelosigkeit verbildlichen.

Kinnard führte von 1896 bis 1912 etwa vierzig kurze phantastische Stumm- filme an, die grenzüberschreitende Wissenschaftler zeigen, darunter war auch Georges Méliès’ Le ‘Hallucination de l’ Alchémiste (1897). Schon der Titel des handkolorierten Films macht aufmerksam auf alchemistisches Streben, das mit magischen Bildern, eben Halluzinationen, einhergeht. Gezeigt wird das Bild eines überdimensionalen Sterns, dessen Mitte ein großes Antlitz bildet. Die fünf Zacken des Himmelskörpers bestehen aus jeweils einem heiteren Frauengesicht.553 Der Mund des Gesichts im Mittelpunkt spuckt fortwährend Menschen aus. Die sorgenfrei lächelnde und gebärende Sternmaschine ist der Traum des Alchemisten, der sich seinen schöp- fungsmythischen Allmachtsphantasien hingibt. Der märchenhafte Stern spuckt ebenso wie der Film, unendlich und immer wieder aufs Neue, künst- liches Leben aus. L’ Hallucination de l’ Alchémiste verweist auf die trügerische Hoffnung alchemistischer Wünsche, die sich stets als Fata morgana erwei- sen, denn das filmische Abbild wird ewig eine Halluzination des Lebens sein.

In frühen Alchemistenfilmen experimentieren - durch Gelehrtenkostüm und magische Gesten ausgewiesene - faustische Wissenschaftler mit Mensch und Tier. Beispielsweise in The Doctor’s Experiment (1908) und in The Profes- sors Secret (1908) verwandeln geschäftige Forscher Menschen in Affen.554 Schon in der Historia von D. Johann Fausten hatte Faust einen Affen für Wag- ner gezaubert. Der Affe galt als Tier, in dessen Gestalt der Teufel gerne er- scheint.555

Nicht nur Horrorfilme, die Alchemisten bei ihrer Arbeit zeigen, können als Faustfilme interpretiert werden, sondern auch solche, in denen eine Teufelsfigur auftritt und einen Pakt anstrebt. Kinnard listete von 1896 bis 1912 weit mehr als 40 Teufelsfilme auf, abgesehen von den Produktionen, in denen teuflische Gehilfen, Hexen, Gespenster, Skelette, Halbwesen oder diabolische Menschen an die Stelle des Bösen rückten. Einer der ersten Teufelsfilme war The Cavalier’s Dream (1898), den Porter für Edison drehte, sowie die Méliès Filme Le Trésor de Satan (1902), Les Filles du Diable (1903) und Les Quatre Cents Farces du Diable (1906). In Les Quatre Cents Farces du Di- able betreibt der Teufel ein Labor und bietet dem Ingenieur William Crack- ford für seine Seele einen Sternenwagen an, den ein Pferdeskelett zieht.556

553 Das Bild des gebärenden Sterns erscheint wie das Logo von Star-Film. 554 Es kann sich um den selben Film handeln, der unter zwei Titeln lief. 555 Auch King Kong (Merian C. Cooper, 1932) steht in dieser Tradition. Im Film sind Affen aber nicht nur Teufelsvertreter, wie es die Historia von D. Johann Fausten vorgab, son- dern sie treten auch als Humanisten und Menschenfreunde auf. In Planet of the Apes (Franklin J. Schaffner, 1968) verkehren sich die Vorzeichen und die Affen sind Wissen- schaftler, die sich dem Bösen verweigern. Im allgemeinen kann der Affe als Bild des männlichen Trieblebens betrachtet werden. In Tarzan (Scott Sidney, 1917) spielt der Af- fe allerdings zunächst die Rolle der Mutter, dann die der Frau Tarzans. (Wenn Jane und Boy hinzukommen, wird der Affe zur Tochter.) 556 Vgl. Rolf Giessen, Sagenhafte Welten. Der phantastische Film, München 1990, S. 14. Nach Giessen war Ingenieur William Crackford „ein moderner Faust.“

Doktor Satansohn 113

Die Figur des Alchemisten verkündet in wenigen Minuten Film die Magie des neuen Mediums und jede Menge Teufelsgestalten, Geister und Skelette las- sen fürchten, der Film habe eine Tür zur supranaturalen Welt geöffnet. Nicht nur Teufelsauftritt und Magiertätigkeit bezeichnen einen Faustfilm, sondern etliche Horrorfilme weisen Spuren des Fauststoffs in Namen und Schauplätzen auf. Mitunter flossen einzelne Szenen in neue filmische Nar- rationen ein. So gesehen können etwa 304 der von Kinnard bis 1912 aufge- zählten 364 Horrorfilme als Faustfilme gelten. Das tiefe Erschrecken vor dem Film scheint maßgeblich durch den Fauststoff das Horrorgenre hervorgebracht zu haben.

Faust und Teufel mögen zwar deutlich dem Horrorgenre zugesprochen werden, aber das Paar erweist seine Anpassungsfähigkeit auch in anderen Filmgenres. Das Kinopublikum konnte Faust mit und ohne Teufel in schwär- merischer Filmoperette und in getragenen Filmopern sehen, oder als liebenswerten Trickfilmhelden, sowie in der alten Tradition des Puppen- spiels oder im klassischen Salondrama. Selbst der pornographische Film schreckte nicht vor dem Liebesspiel zwischen Faust und Gretchen zurück. Die Fülle der Faustfilme läßt sich empirisch kaum vollständig erfassen. Es muß in jedem einzelnen Fall geprüft werden, ob ein Faustfilm vorliegt oder nicht. Selbst noch die literarische Figur Sherlock Holmes kann als Verwandter Fausts gelten: Holmes ist ja ebenfalls ein omnipotenter Geisteswissen- schafter, der mit Dr. Watson (Famulus Wagner) an seiner Seite ein Wis- senschaftlerpaar abgibt, das mit Verwandlungsgeschick gegen das absolut Böse, den Teufel in Gestalt des genialen Professors Moriarty, ankämpft. Am Ende der Geschichte fährt auch Holmes - wie Faust - gemeinsam mit sei- nem übernatürlichen Widersacher in einen tiefen Abgrund. Sherlock Holmes gilt als meist verfilmte literarische Figur. Der erste Sherlock Holmes Film Sherlock Holmes Baffled (1903)557 zeigt, wie auf mysteriöse Weise ein Mann verschwindet.

2. Zauberkünstler und Geisterphotograph Im frühen kurzen Faustfilm ging es gar nicht darum, die bekannte Geschich- te des Teufelsbündlers abermals - nunmehr im Film - nachzuerzählen, sondern der frühe Stummfilm wies sich durch Faust und Teufel aus und machte sich durch eine erstaunliche Verdoppelung des magischen Bildes bemerkbar. Die kurzen Faust-Stummfilme wurden nicht etwa als ein gewal- tiger Bilddiskurs über Gut und Böse inszeniert, sondern sie wurden aufge- blättert als ursprüngliche Filmtricks, als Experimente mit dem neuen Medi- um, wie es sich vor allem an den Produktionen Georges Méliès‘ und George Albert Smith zeigen läßt.

Es verwundert wenig, daß Georges Méliès558, Leiter des Théâtre Robert Hou-

557 1914 folgte Der Hund von Baskerville 558 Méliès (1861-1938) produzierte von 1896 bis 1912 annähernd 500 Filme, in denen er häufig selbst mitspielte. (Hiervon sind heute etwa noch etwa 137 bekannt.) Zusammen mit seinem Techniker Eugene Calmels gründete er das Produktionsstudio Star Films und entwickelte mit Lucien Reulos eine Kamera auf Rädern und einen Dolly. Méliès‘ erfolgreichste Zeit lag zwischen 1901 und 1904. Er managte das Theater Robert Hou- din in Paris und baute mit seinem Bruder Gaston eine Zweigstelle der Star Films in New York auf. Etwa ab 1905 ging es mit Star Films bergab. Méliès produzierte bis zum vollständigen Ruin 1913. Zu Méliès vgl. Hartmut Bitomsky, Un Locataire Diabolique. Ein Film über George Méliès, 35 Min., WDR 1979 sowie Andrè Gaudreault, Theatralität, Narration und Trickästhetik. Eine Neubewertung der Filme Georges Méliès‘ und Frank Kessler, Georges Méliès und die Star Film. Eine Bibliographie, in: KinTop. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films, Basel, Frankfurt 1994, S. 187-201

114 Doktor Satansohn din, mit Hilfe des Kinematographen neue Zaubertricks erfand. Die Magie, der Faust in der Historia diente, verblaßte gegenüber den rätselhaften Zauber- tricks, die Méliès mittels des Kinematographen einem staunenden Publikum darbot. Und wie es das Plakat des Théâtre Robert Houdin darstellt, entledigte sich der moderne Magier des alten Magus.

Abb. 45: Plakat des Théâtre Robert Houdin, etwa 1895

Der moderne Magier steht oben rechts im Bild dem staunenden alten Ma- gier gegenüber. In der Mitte des Bildes trennt er ihm den Kopf ab, während am unteren Rand des Plakates eine surreale Verfolgungsjagd stattfindet.

Die Kunst des Illusionstheaters war trotz surrealer Splatterästhetik den Täuschungsmöglichkeiten des Films maßlos unterlegen. Méliès, nach ma- gischer Perfektion strebend, ließ im Film, wie zuvor auf der Bühne, eine Frau verschwinden. In Escamontage d’une Dame Chez Robert-Houdin559:(1896) führt der Illusionist eine Frau in einem barocken Kleid560 auf die Bühne und bittet sie, auf einem leeren Stuhl Platz zu nehmen. Er verhüllt sie mit einem gestreiften Tuch.561 Nachdem der Magier das Tuch beiseite genommen hat, ist die Frau verschwunden. Er weist mit einer Handbewegung auf den lee- ren Stuhl, nimmt ihn hoch, dreht ihn herum. Er macht ein paar Zeichen in die Luft und zaubert ein Skelett auf ihren Platz. Nun nimmt er wieder das Tuch, deckt es über das Skelett, führt einige schnelle Handbewegungen aus und die Frau sitzt wieder da. Sie steht auf, beide verbeugen sich und ver- lassen die Bühne, um im nächsten Moment wieder zu erscheinen - ein End- losband.

559 Escamontage d’une Dame war für Kinnard der erste Horrorfilm überhaupt, vgl. Kinnard, Horrorfilms, a.a.O., S. 8 560 Wie noch gezeigt wird, sind barocke Kleider für Frauen in Horrorfilmen unentbehrlich. 561 Das Muster der Zauberdecke erinnert an Filmstreifen.

Doktor Satansohn 115

Abb. 46: Escamontage d’une Dame Chez Robert-Houdin, Starfilm, Georges Méliès, 1896, Méliès als Magier, Cinémathéque Française – Eine Frau verschwindet...

Abb. 47: ...unter einem Tuch

116 Doktor Satansohn

Abb. 48: und ein Skelett nimmt ihren Platz ein

Frau, Tuch, leerer Stuhl, Skelett, Tuch, Frau, Tuch, leerer Stuhl, Skelett, Tuch, Frau... In diesem Endlosband bewegter Bilder wird nicht nur das Fort und Da nachgestellt, der frühkindliche Mechanismus der Verarbeitung der schmerzlichen Erfahrung, keinen fortwährenden Zugriff auf das nährende und geliebte Objekt zu haben, sondern Méliès inszenierte die gleichzeitige aggressive Abwehr des versagenden Objekts. Gerade noch begehrenswert, ist sie im nächsten Moment ein knochiges Gerippe. Frau und Tod verbinden sich in psychoanalytischer Sicht mit der Vorstellung vom weiblichen Körper, aus dessen Schoß das Leben entspringt und der gegenteiligen Idee, im schwarzen Loch ihres Geschlechts verberge sich ein Grab.562 Das entschei- dende Merkmal dieses Films ist jedoch nicht die Anschauung der Vergäng- lichkeit des weiblichen Körpers, sondern der Film transportiert mit der fort- laufenden Bilderfolge Frau-Skelett-Frau-Skelett... Zeit in den Film hinein und macht damit die Bedingungen des Zeit-Bildes563 sichtbar.

Das Zeitbild wird in diesem Film grundgelegt, herausgestellt und einem staunenden Publikum vorgeführt. Der Trick findet eben nicht auf der Bühne, sondern im Film statt. Film ist zeitlos, unterliegt nicht dem Tod und kann selbst das knochige Skelett wieder zum Leben erwecken und zur begehrten Frau machen. Escamontage d’une Dame ist in doppelter Weise ein ‘Erinne- rungsbild‘. Es erinnert an das Illusionstheater auf der Bühne - dabei nimmt es die Zukunft der filmischen Mittel, Flashback und Zyklus, vorweg – und es ruft ins Gedächtnis, daß die rasche Aufeinanderfolge der Einzelbilder das Zeitbild erst möglich macht. Die Wiederholbarkeit des Zeitbildes liegt aber nicht nur in der Wiederholbarkeit der Abspielung, sondern auch in der Wie- derholbarkeit der Aufnahme, das eingefrorene Zeitbild wird hier als Motiv transportiert. Ohne das Tuch des Übergangs bliebe der Stuhl leer, denn der schwarze Streifen zwischen den Bildern macht den Prozeß der Verwand- lung erst möglich. Der leere Stuhl, der magisch besetzt wird, war bereits ein Motiv des Thaumatrops und des Magiers Robertson.564 Hält der Betrachter die fortlaufende Bewegung der Aufnahme von Einzelbildern an, werden im

562 Vgl. Luce Irigaray, Das Geschlecht, das nicht eins ist, Berlin 1977 sowie dies., Specu- lum – Spiegel des anderen Geschlechts, Frankfurt am Main 1979 563 Vgl. Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild, Kino 2, Frankfurt am Main 1991 564 Vgl. das Kapitel Die Illusion der Bewegung

Doktor Satansohn 117 dunklen Raum unter dem Tuch die Motive getrennt und neu zusammenge- setzt. Wird die Bewegung wieder gestartet, beginnt der Ablauf von vorn, wird schneller und Frau und Skelett wechseln sich damit ab, auf dem Stuhl zu sitzen. Als wahrer Illusionist erweist sich die Kamera.

Die Frau erscheint in diesem Film als wenig begehrenswert, denn im nächsten Moment könnte man ja ein Skelett küssen. Trotzdem wird sie als verfügbar und dem männlichen Willen unterlegen präsentiert. Mehr noch, der Film stopft das schwarze (Zeit-)Loch der Erinnerung, weil der Prozeß der weiblichen Macht von Geben und Nehmen, Leben und Tod im (endlo- sen) Film die frühkindliche Verkehrung der Geschlechterordnung aufzuhe- ben weiß.565 Indem der Film die Zeit aufhebt und eine Art Leben hervorbringt, erzeugt er die Illusion, eine Frau verschwinden lassen zu können.

Ein Jahr später ließ Méliès in Faust et Marguerite (1897) auf dem selben Weg den Teufel erscheinen und verwandelte den alten in den jungen Faust. In der viragierten Kopie Faust et Marguerite (1910) kommt Mephisto direkt von unten aus der Hölle herauf und erscheint in einer gelben Rauchwolke in Fausts Kabinett. Natürlich ist der gelbe Dunst, der die Erscheinung beglei- tet, der Schwefelgestank der Hölle. Im (gelben) Rauch erschien und ver- schwand nicht nur bei Méliès der Böse. Rauchschwaden dienten als Pro- jektionsflächen bei Laterna magica-Vorführungen und auch die Lichtquelle, die eine offene Flamme lieferte, entwickelte übelriechenden Smog. Es war stickig in dem dunkeln Vorführraum, der jedes Geräusch verbot. In den dreißiger Jahren, als sich der Tonfilm der stummen Bildmagie entzog, tra- ten die teuflischen Helden der Gangsterfilme nur rauchend auf: Zigarre, Zi- garette - aus ihren rauchenden und sprechenden Mündern trat der Dämon des Bösen wie in den Urzeiten des Illusionsbildes hervor.

Während sich der gelbe Nebel auflöst, tanzt Mephisto um Faust herum, ver- doppelt, verdreifacht und vervielfältigt sich, bis es den Anschein hat, daß der Teufel überall ist. In der ersten Fassung von Faust et Marguerite (1897) spielten Jehanne d’ Alcy Marguerite und Méliès Faust. Mit Hilfe des Stop- tricks wurde aus dem betagten Greis ein junger Mann. Méliès schlüpfte - nachdem die Kamera gestoppt hatte – in das Kostüm des jungen Faust, stellte sich an den alten Platz und die Kamera lief weiter. Den Trick der Er- setzung, den sogenannten Stoptrick, erfand er per Zufall. Was Méliès über diesen Zufall sagte, verrät die Magie, die er dem neuen Medium zusprach: „Eines Tages, als ich ganz prosaisch den Place della Opera filmte, zeitigte eine Blo- ckierung des Apparates, dessen ich mich damals bediente, einen unerwarteten Ef- fekt, eine Minute reichte, den Film vom Hemmnis zu befreien, um den Apparat wie- der in Gang zu setzen, aber während dieser Minute hatten wohlgemerkt Passanten, Busse, Wagen ihren Platz gewechselt. Bei der Projektion sah ich an der Stelle, wo der Film gerissen und wieder geklebt worden war, wie sich plötzlich ein Omnibus in einen Leichenwagen und Männer in Frauen verwandelt hatten.“566 Der Film war ge- rissen und für Méliès hatten sich Lebende in Tote und Männer in Frauen verwandelt.

In Méliès‘ Die Versuchung des heiligen Antonius erscheint der Teufel dem le- senden Antonius567 per Stoptrick als hübsche junge Frau, die ihn verführen will. Aber Antonius reißt sich los, fällt auf die Knie und fleht Gott um Hilfe an.

565 Ein Skelett erscheint geschlechtslos. 566 Vgl. Bitomsky, Un Locataire Diabolique, a.a.O. 567 Die Lektüre verlebendigt sich. Auch Faust erschien der Teufel aufgrund seines Lese- stoffs.

118 Doktor Satansohn

Plötzlich ist die Erscheinung wieder verschwunden. Er will weiterlesen, da erscheinen zwei Frauen. Sie verschwinden als er sie wegstößt. Dankbar küßt er eine Reliquie, einen Totenkopf. Aber schon im nächsten Moment er- scheinen drei Frauen, die ihn verführen wollen. Er kniet vor Christus am Kreuz nieder, der sich augenblicklich in eine weitere schöne Frau verwan- delt. Antonius weicht entsetzt zurück. Im Moment größter Verzweiflung er- scheint aus dem Nichts der Erzengel und rettet ihn.

Abb. 49: Starfilm, Georges Méliès, Die Versuchung des heiligen Antonius, Cinémathéque Française

Aber nicht nur mittels Stoptrick ließ Méliès „Perlicke, perlocke“ das Böse er- scheinen und wieder verschwinden, sondern auch per Spiegeltrick oder durch das Spiel mit der Perspektive sowie dem Übereinanderkopieren und Zusammensetzen von Fotografien, durch Doppel- und Mehrfachbelichtun- gen oder per Bildmaske fand Satans und der Höllengeister Auftritt als mit- reißendes, handkoloriertes Spektakel statt. Was die Kamera nicht leisten konnte, wurde im Atelier produziert. Bereits 1896 baute Méliès in der Nähe von Paris ein Glasatelier auf, in dem er einen fiktiven Zugang zur Unterwelt mit einer 10 Meter tiefen Bühne, diversen Falltüren und Versenkungen schuf. Ferner sorgten Walzen für die Bewegung der Hintergrundpanora- men. Vor Ort befindliche Schneiderateliers, Schreinerwerkstätten und Labo- ratorien trugen ihren Teil zur Professionalität phantastischer Star-Film Pro- duktionen bei.

In Le Cake-Walk Infernal (1903) öffnet sich eine dunkle Grotte wie ein Höllen- schlund. Durch eine Rauchwolke springen zwei Teufel aus dem Dunkel hervor und beginnen einen akrobatischen Tanz. Plötzlich verschwinden sie wieder. Nun erscheinen vier von ihnen und schwingen brennende Fackeln. Aus dem Boden taucht eine Gestalt im Mönchsgewand auf. Blitzschnell verwandelt sie sich in einen weiteren Teufel, der mit Feuer hantiert. Auf sei- ne Geste hin erscheinen sechs Tänzerinnen und ein Tanzpaar. Auf einmal tragen zwei schwarze Gestalten eine große Torte herein, die sofort von den Tanzenden umringt wird. Es pufft und aus der Torte kommt ein mächtiger Beelzebub hervor. Es ist Méliès ausgestattet mit Hörnern, Buckel und auf- fälligen Beinen, die in barocken Pumphosen stecken. Er führt auf der Torte einen wilden Tanz auf. Große Feuer kommen links und rechts ins Bild. Plötzlich wirft sich der tanzende Teufel auf sein Hinterteil, die Beine lösen

Doktor Satansohn 119 sich vom Körper ab und tanzen in der Luft. Die Arme machen es den Bei- nen nach. Es pufft ein weiteres Mal und die Erscheinung ist verschwunden. Natürlich erzählt der Film von nichts anderem als von der Macht des Opera- teurs und des Filmschnitts. Der Teufelstanz der Gliedmaßen setzt auf die Furcht des Betrachters, die mit der Vorstellung vom Leibe abgetrennter Tei- le einhergeht.

Schon 1896 entstand Méliès Le Manoir Du Diable. Es ist wahrscheinlich der erste Faustfilm. Der Film zeigt die Protagonisten in der Halle eines Schlos- ses. Plötzlich zaubert Mephisto eine schöne Frau hervor. Faust kniet vor ihr nieder, aber in dem Moment, als er ihre Hand küßt, verwandet sie sich in ei- ne Hexe. Sie trägt einen Geisterumhang und droht Faust mit einem Stock. Er weicht zurück und zieht seinen Degen gegen sie. Aber im Nu stehen sechs Gespensterhexen mit Stock und Besen vor ihm. Plötzlich kommt ein Soldat herbeigelaufen und hilft ihm. Die Hexen vertreiben den Soldaten, der sich durch einen Sprung aus dem Fenster vor ihnen rettet. Faust führt eine magische Geste aus, die Hexen bilden einen Kreis, gehen in die Knie und verschwinden im Boden. Er dreht sich um und will die Halle verlassen, aber der Teufel, der bislang ungerührt in der hinteren Bogentür stand, stellt sich ihm in den Weg. Faust springt auf eine Bank, nimmt das Kreuz von der Wand und richtet es gegen ihn. Der Teufel weicht entsetzt zurück.

Abb. 50: Starfilm, Georges Méliès, Le Manoir Du Diable, 1896, Cinémathéque Française

Frei nach dem Motto vita brevis ars longa zaubert Mephisto zunächst eine verführerische Frau, Eva oder Gretchen, die Braut. In ihr stecken gleich mehrere Hexen. Faust kann die Höllengeister weder mit dem Degen noch mit Hilfe eines Soldaten abwehren. Mit Magie gelingt es ihm schließlich, die bösen Geister zu vertreiben, aber den Teufel beeindruckt seine Zauberei nicht. Schließlich bannt Faust ihn erfolgreich mit dem Kreuz. In Konfrontati- on mit den göttlichen Insignien muß Satan weichen. Der Film gibt ein Muster für die narrative Struktur der meisten Horrorfilme vor: Der oder das Böse wird mit allen möglichen Mittel (auch mit Hilfe des Militärs) bekämpft, aber es verschwindet erst im Zeichen der göttlichen Macht. In Méliès‘ Faust et Méphistophélès oder Le Cabinet de Méphistophélès (1897) erscheint der Teufel im abgerissenen Gewand eines Bettlers vor zwei Rittern. Er wird vor ihren Augen zu einem Gespenst, dessen Kopf sich ablöst und durch das Zimmer

120 Doktor Satansohn fliegt. Ein Tisch springt in die Luft, eine Kanone speit Feuer und Rauch, der Teufel geht durch das Gitter eines verschlossenen Käfigs, die beiden Ritter folgen ihm.

Ein Jahr später (1898) verfilmte Méliès die Oper Damnation de Faust von Hec- tor Berlioz und schuf damit eine neue kinematographische Illusion. Er scheute nicht davor zurück, Musik mit dem Stummfilm zu verbinden und steuerte gleich Berlioz in der Fahrt zum schauerlichen Ort der Verdammnis, den Höhepunkt des Films an. Den „Weg zum Abgrund des Verderbens“ markie- ren fünfzehn Bilder. Ihre Titel lauten: „Phantastischer Ritt - Düstere Passage - Der Katarakt - Eingang zu den Regionen der Hölle - Die wunderbaren Grotten - Die kristallenen Stalaktiten - Die Höhle des Teufels - Die Eistaverne - Die Göttin des Al- tertums - Der unterirdische Wasserfall - Die Nymphen der Unterwelt; die Hydra mit den sieben Köpfen; die Dämonen - Abstieg in die Hölle - Der Feuerofen - Apotheose: Triumph des Mephistopheles.“ Geradezu wagnerianisch muten die Bilder und ihre Titel an, die einen Weg in den ewigen Feuerofen durch wunderbare kristallene Grotten beschreiben, die bewacht werden von einer siebenköpfi- gen Hydra, die vorgibt, auf ihren Bezwinger zu warten und doch von ihrer Unbesiegbarkeit weiß.

1903 drehte Méliès Faust aux Enfers, in dem Teufelserscheinung und Fausts Höllenfahrt durch eine auf- und abfahrbare Plattform wirksam inszeniert wurde. Der Eingang zur Hölle war im Erdboden einer dunklen Grotte ver- steckt. Hier überwältigt Mephisto Faust und augenblicklich verschlingt sie die Erde. Aus dem Abgrund pufft es noch einmal kräftig, eine dicke Rauch- wolke steigt empor und sie sind verschwunden. Eng umschlungen gleiten sie den Höllenschlund hinunter, vorbei an felsenartigen Gebilden, die Schlangen und andere Höllentiere vorstellen. Faust und Mephisto fahren in die Unterwelt hinab, während hinter ihnen „eine auf Leinwand gemalte Land- schaft mit Grotten, Wasserfällen und Felsen“568 vorbeigezogen wurde.

Abb. 51: Starfilm, Méliès, Faust aux Enfers, 1903, Cinémathéque Française

Charles Gounods569 Faustoper Marguerite verfilmte Méliès unter dem Titel

568 Prodolliet schrieb hierzu: „Von Berlioz’ romantischer Faustinterpretation ist in Méliès Film nichts mehr zu spüren.“ Prodolliet, Faust im Kino, a.a.O., S. 16 569 Die Oper wurde in Deutschland unter dem Titel Margarete bekannt. Berlioz und Gounod bearbeiteten mit Faust ein ‘Zauberthema‘ und magische Elemente, die schon in Mo- zarts Zauberflöte enthalten waren. (In der Zauberflöte leitet eine magische Flöte das Geschehen. Einen Wechsel von jung zu alt erlebt Papagena und der Magier Sarastro

Doktor Satansohn 121

La Damnation du Doctor Faust, ou Faust et Marguerite(1903/1904). Der vierzehn Minuten Film besteht aus zwanzig Bildern, zu denen Méliès die No- ten der bekanntesten Melodien gleichzeitig an die Kinos lieferte. Der vira- gierte Film zeigt Méliès als alten, bärtigen Faust im Kostüm des frühneuzeit- lichen Gelehrten. Faust befindet sich in seinem Studierzimmer und ringt mit Selbstzweifeln.570 Utensilien des ambitionierten Naturwissenschaftlers sind zu erkennen: Tiegel und Reagenzgläser mit geheimnisvollen Ingredienzen sowie ein Skelett. Im Bildhintergrund neben einer Tür befindet sich ein Regal mit alten Büchern, im Vordergrund steht ein Arbeitstisch. Das Skelett mahnt an den Tod, die Bücher an einen verbotenen Hang zur Neugier, die Tiegel, Gläser und Instrumente an zweideutiges Forschen. Plötzlich erscheint im rot viragierten Bild mit einem Blitz Mephisto. Das rote Bild erinnert an das Höllenfeuer und den Blutspakt gleichzeitig. Mephisto trägt einen Hut mit hochstehendem Horn (er kann seine tierische Herkunft nicht wirklich ver- bergen), einen kurzen, weiten Schultermantel und barocke Pluderhosen.571 Mephisto will Faust dazu bringen, den Pakt einzugehen, aber Faust weigert sich, bis er ihm ein Bild Gretchens zeigt.572

Die berühmten Faustopern des 19. Jahrhunderts573 gaben ideale Filmdreh- bücher ab. Méliès Faust-Opernfilme profitierten von der dramatischen Mu- sik, die Fausts Höllenfahrt packend einleitete, zum Gipfel brachte und er- schöpfte. Prodolliet erwähnte eine Vorführung von Faust et Marguerite dans le jardin, die von einem Phonographen begleitet in Lausanne (1910) gezeigt wurde. Hierüber bemerkte ein Kritiker: „Man glaubt, einer Opernaufführung bei- zuwohnen.“574 Durch das ‘Zauberkunststück‘, Stummfilme in große Opernauf- führungen zu verwandeln, erlangte Méliès einen internationalen Ruf. Er schien den tragischen Mangel des Stummfilms durch den Einsatz großer Musik kompensieren zu wollen.575 Ein genialer Streich, der „a new and magni- ficent cinematographic opera“ schuf.576 Méliès Faust-Opernfilme haben einen

kann mit seiner Stimme nicht tiefer hinabsteigen.) 570 Der Sequenz entspricht folgender Operntext: „Laboratorium des Dr. Faust - Erster Akt, erste Szene - Faust: Vergebens forsche ich in ruhelosen Nächten nach dem Wesen der Natur und keine Stimme flüstert mir ins Ohr ein Wort des Trostes zu.“ Zit. n. Prodolliet, Faust im Film, a.a.O., S. 17 (Hervorhebung D.M.) 571 Der Operntext lautet: „Erscheinung des Mephistopheles. Erster Akt, zweite Szene – Me- phisto: Ich bin da! – Was soll das Erstaunen? – Du bist wohl mit mir nicht zufrieden. Zweifelst du an meiner Zaubermacht?“ Ebd. 572 Der Operntext lautet: „Erscheinung Margaretes - Erste Szene, zweiter Akt - Mephisto: Hast Du Furcht? Fehlt dir denn der Mut? Sieh, es lockt dich die Jugend! Wag es nur, sie anzuschauen! (Erscheinung Margaretes) Faust: Welch ein Wunder! Dr. Faust verkauft seine Seele an den Teufel.“ Ebd. 573 Die wichtigen Faustopern des 19. Jahrhunderts waren Berlioz’ , Gounods Faust und Boitos . Die romantischen Opern sind libretistische Be- arbeitungen Goethes Faust I. „Im Gegensatz dazu griffen modernistische Kompositio- nen wie Busoni (Doktor Faust) und Eisler (Johann Faust) für ihre Opern auf Quellen aus dem 16. Jahrhundert zurück. Komponisten wie Pousseur (Votre Faust) und Stravinsky (The Rake’s Progress), machten zwar viel Gebrauch von Goethes Text, parodierten ihn aber zugleich häufig in ihren Opern.“ Steven R. Cerf, The Faust Theme in Twentieth- Century Opera: Lyric Modernism, in: Faust und Satan multimedial, hrsg. v. Helmut Kreuzer, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, H. 66, Göttingen1987, S. 29-41, S. 41 574 Zit. n. Prodolliet, Faust im Film, a.a.O., S. 14 575 Méliès Opernfilme führen zurück zur Faustdarstellung der elisabethanischen Wander- schauspieler, da er mit ihnen die Idee einer Verlebendigung des Mediums teilte. 576 Prodolliet, Faust im Film, a.a.O., S. 20. Nach Deleuze war „mit der Einführung des Tonfilms... das Kino imstande... aus dem Musical eine der großen Filmgat- tungen zu machen.“ (Deleuze, Das Bewegungs-Bild, a.a.O., S. 20) Die Méliès‘schen Opernfilme zeigen wohl eher, daß sich aus der Synthese von Film und Musik das Filmmusical entwickelte.

122 Doktor Satansohn bildhaft erzählenden Charakter und weder die Technik der Synchronisation noch das Vortragen der Arien standen – wie bei den späteren Tonbildern von Alice Guy und Oskar Messter - im Vordergrund der Darbietung, sondern das verdichtende Prinzip der Musik mischte sich mit der verdichteten Ästhe- tik des frühen Stummfilms. Film erwies sich als neue musische Technik.

Von 1896 bis 1912 drehte Méliès etwa zehn Filme, die Faust im Titel führen. Aber allein im Jahre 1896 produzierte er etwa achtzig (!) Filme577, die mit genialen Wissenschaftlern, wunderheilenden Ärzten oder Teufelsauftritten faustähnliche Gestalten und magische Handlungen in den Mittelpunkt stell- ten. In Les Filles du Diable (1903) ließ Méliès beispielsweise einen Sternen- wagen durch die Luft fahren, oder er setzte forschende Wissenschaftler ins Bild, wie Professor Barbenfouillis, der mit weißem Bart und dem Mantel des Zauberkünstlers aus dem Theater Robert Houdin auftrat. Professor Barben- fouillis richtete in Le Voyage Dans La Lune (1902)578 einen bemerkenswerten Kongreß des „Inkohärenten Astronomie-Instituts“ aus, an dem Gelehrte aus al- ler Welt teilnahmen. Bei ihrer Zusammenkunft stellte er seinen Kollegen sein neuestes Projekt vor: Er will zum Mond fliegen. Die internationalen Wissenschaftler tragen allesamt phantastische Zaubermäntel und bunte Spitzhüte.

Abb. 52: Georges Méliès, Le Voyage Dans La Lune, 1902, Cinémathéque Française

In A la Conquête du Pôle konstruiert der geniale Ingenieur Maboul eine giganti- sche Flugmaschine, mit der er und andere Gelehrte zur Forschungsreise ins Universum aufbrechen, während Professor Mabouloff in Le Voyage À Tra- vers L’Impossible(1904) mit den Mitgliedern der „Gesellschaft für inkohärente Geographie“ in einem Spezialfahrzeug zur Sonne reist. Es entstanden phan- tastische technische Apparaturen zur Fortbewegung, die dazu bestimmt waren wie der Kinematograph Zeit und Raum zu durchqueren.

577 Vgl. Kinnard, Horrorfilms, a.a.O. 578 Der Film entstand nach Motiven von Jules Verne (Von der Erde zum Mond sowie Die Reise zum Mond) und H. G. Wells (Die ersten Menschen im Mond)

Doktor Satansohn 123

Abb. 53: Starfilm, Georges Méliès, Le Voyage À Travers L’Impossible, 1903, Cinémathéque Française

Maboul stattet sogar den Sternkreiszeichen einen Besuch ab. „Le professeur doublant les constellations, rend visite aux signes du Zodiaque“ lautet der Zwischentitel, und im leeren Bild des Kosmos taucht in der rechten oberen Bildhälfte das Flugobjekt in beschwingter Fahrt auf. In der endlosen Weite malen Tänzerinnen Körperbilder der Sternzeichen nach. Sternschnuppen, Sternregen, Kometen und gleißendes Licht kreuzen ihren Weg, während die Wissenschaftler gelegentlich durch das Teleskop blicken. Nach Sadoul „(pa- radierten) die Gestirne (..) in Überblendung auf dem schwarzen Hintergrund, während die Forscher träumen.“579 In Höhe des Saturn gibt es plötzlich eine kleine Exp- losion und voll Übermut schlägt der Luftbus ein paar Purzelbäume. Auch Maboul war wie Ikarus zu hoch hinaus geflogen und nun fallen sie tief hinab, aber er hat vorgesorgt, denn ein Fallschirm öffnet sich und fängt den freien Fall ab. Wie Faust war ihm kein Reiseziel zu weit, auf seinen wundersamen Reisen in unbekannte Welten. Professor Mabouloff Forschungsreise endet dagegen mit einem Supergau, denn das seltsame Gefährt rast unaufhalt- sam auf die Sonne zu und eine Kollision ist unvermeidlich. Die Bilder am Ende des Films zeigen, wie die Sonne explodiert und sich die Erde in Feuer und Rauch auflöst. In der Werbung für diesen Film hieß es: „Die Katastrophe endet mit einer vulkanischen Erschütterung der Sonne, vermischt mit Eruptionen von Feuer und Unmengen von Strahlungen von einer prächtig dekorativen Wirkung. Ab- solut neuer Trick“580

579 Sadoul, Geschichte der Filmkunst, a.a.O., S. 41 580 Filmwerbung. Zit. n. Bitomsky, Méliès Film, a.a.O.

124 Doktor Satansohn

Abb. 54: , Georges Méliès, Le Voyage À Travers L’Impossible, 1903, Cinémathéque Française – Die Sonne explodiert

Abb. 55: , Georges Méliès, Le Voyage À Travers L’Impossible, 1903, Cinémathéque Française - Die Katastrophe tritt ein: Weltuntergang

Möglich wurden die phantastischen Reisen durch das moving panorama, ei- nem Filmtrick, den Jacques Malthête so beschrieb: „Zuerst filmt Méliès die Drehleinwand, auf der im allgemeinen ein Himmel aufgemalt ist; dann nimmt er in Doppelbelichtung die Personen und Fahrzeuge auf, die sich bewegen sollen. Wichtig dabei ist, daß sich die Drehleinwand bei Méliès fast immer nach rechts bewegt, daß also jede Doppelaufnahme von Personen oder Gegenständen vor solch einen beweg- ten Hintergrund die Illusion einer Fortbewegung nach links erzeugt.“581 Die Kamera stand bei Méliès stets vor der Bühne, da, wo sonst die Zuschauer sitzen. Er verließ diese Perspektive nie und brachte die Filme im Kino wie in einem Guckkasten zur Anschauung.

Méliès Faustfilme erzählen die Geschichte des Magiers und die der Magie

581 Jacques Malthête, Die Organisation des Raums bei Méliès, in: KinTop 2. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films. George Méliès, Magier der Filmkunst, Frankfurt am Main 1993, S. 50

Doktor Satansohn 125 des Films gleichzeitig. Er legte die Bilder für Wissenschaftler und Teufel fest, wie sie später in Horrorfilmen und in Science Fiction-Filmen auftauch- ten und verwies auf eine Kinozukunft, die mittels special effects Teufelser- scheinung und künstliche Verlebendigung nie wieder aus den Augen lassen wird. Méliès war einen Pakt mit dem Medium eingegangen und wurde pro- metheischer Schöpfer: Regisseur, Kameramann und Schauspieler, Faust und Mephisto im Wechsel. Das Faustthema war für ihn - so Sadoul - „eine Art Leitmotiv“582 Mehr noch als die Rolle Fausts, schien er jedoch die des Me- phistos‘ zu lieben, wie John Frazer hervorhob: „Of all the characters he played none was more relishes by Méliès than Mephistopheles.“583 Er zeichnete den Höl- lenfürsten als einen spitzen munteren Gesellen, dem allerdings das spitze Wort, daß er sicherlich zu führen wußte, im Stummfilm versagt blieb.

Abb. 56: Mephisto, Ausschnitt aus einer Zeichnung Méliès‘

In allen Filmen, in denen sich Méliès verdoppelte, vervielfachte, hin- und her- sprang, jung und alt wurde, plötzlich auftauchte und auf geheimnisvolle Weise wieder verschwand, entwickelte er den Faust-Bilddiskurs weiter, wie etwa in Le Chrysalide et le Papillon, wenn sich eine Raupe verpuppt, aus der Puppe eine bunte Tänzerin schlüpft, die schließlich als Schmetterling da- vonfliegt. Seine Produktionen heben sich von denen anderer Filmpioniere ab, weil er sofort damit begann, das Medium selbst nachzuzeichnen und dessen Möglichkeiten als künstlerische Ausdrucksmittel einzusetzen.

Auch George Albert Smith584 nahm den magischen Aspekt des Mediums in seine Arbeit auf. Fiktionen, die schon mit der Fotografie einhergingen, setzte er gleich im Film ein. Er hatte sich als Geisterfotograf585 betätigt und war - so Toeplitz - durch „Mesmerismus, Geisterphotographie und ähnliche magische The-

582 Vgl. Sadoul, Geschichte der Filmkunst, a.a.O., S. 40f 583 John Frazer, Artificially Arranged Scenes. The Films of Georges Méliès, Boston, Massachusetts 1992, S, 131 584 George Albert Smith lebte in Brighton. Toeplitz stellte heraus, daß der Porträtfotograf Smith die Doppelbelichtung noch vor Méliès entwickelt hatte. Ferner setzte Smith als erster die Großaufnahme und die Montage ein. „Gewisse Tricks (wie die Doppelbelich- tung, um einen entmaterialisierten Geist auf der Leinwand erscheinen zu lassen) führte er schon vor Méliès durch“, Toeplitz, Geschichte des Films. Bd.1, a.a.O., S. 28 585 Zur Geisterfotografie vgl. das Kapitel Der verweilende Augenblick

126 Doktor Satansohn men, ein reicher Mann“ geworden.586 1898 drehte Smith den kurzen Stummfilm Photographing a Ghost. Der Film zeigt, wie aus einer Box mit der Aufschrift „Ghost“ ein Geist emporsteigt, den ein Fotograf zu knipsen beabsichtigt.587 The Britisch Film Catalogue schrieb hierzu: „Photographer tries to take picture of a gost, but it won’t keep still and then vanishes.“588 Nach Barnouw war Smith „the English technician... who later invented Kinemacolor... unleashed a succession of short spirit films.“589 Schon 1897 ließ Smith die Doppelbelichtung patentieren und in The Corsican Brothers (1898), einer Dumas Adaptation, verdoppelte er wahrscheinlich zum ersten Mal den Protagonisten. The Britisch Film Catalogue faßte den zwei Minuten Film so zusammen: „Ghost of man’s twin shows him vision of how he was killed in duel.“590 Zu einem Geist wurde auch Ma- ry Jane in Smith kurzem Horrorfilm Mary Jane’s Mishap (1901). Hierin gießt Mary Jane Petroleum in den Herd, um Feuer anzuzünden. Die unvermeidli- che Explosion tötet sie und ihre verkohlten Reste werden hinausgeschleu- dert. An ihrem Grab spukt fortan ihr Geist. Die schwerelos schwebenden Filmgeister waren den Geistererscheinungen auf den Fotos absolut überle- gen, und das fotografische Phänomen verlor sich bald im Zauberland des Films, in dem neue Tricktechniken Erschrecken auslösten. Smith benutzte als erster den Insertschnitt, der durch den Wechsel von der Totalen zur Großaufnahme eine andere Art Schrecken einflößte, wie es sein Film The Mouse in the Art School (1901) zeigt, in dem die Großaufnahme einer Maus Panik erzeugt.

Schon 1898 hatte Smith Faust and Mephistopheles gedreht, der die Szene Fausts Verführung darbietet. Mephisto erscheint in einer Rauchwolke dem alten Faust im Labor und zeigt ihm ein Bild Gretchens am Spinnrad, das sich flink unter ihren Händen dreht.591 Das Bild erscheint als Lebende Photo- graphie oben rechts im Film. Angesichts der weiblichen Verlockung unter- schreibt Faust den Pakt und verwandelt sich unmittelbar darauf - mit einem Puff - in einen schönen wie Mephisto gekleideten Jüngling. Als jugendliche Freunde verlassen sie gemeinsam den Raum. Smith wählte als Schauplatz der Begegnung zwischen Faust und Mephisto einen zeitgemäßen Ort für grenzüberschreitende Forschungen, das Labor, und ersetzte damit das Studierzimmer, meist eine düstere Bibliothek.

Die großen Bibliotheken waren den gelehrten Gesellschaften einstmals, was ihnen heute die gut eingerichteten Laboratorien sind, und zwar die - so Foucault - „institutionelle Basis“ der „Aufschließungssysteme“ für das Wissen in

586 Toeplitz, Geschichte des Films. Bd.1, a.a.O., S. 28 587 Eine wohl eher ironische Darstellung seiner Tätigkeit als Geisterfotograf. 588 Zit. n. Barnouw, The Magician and the Cinema, a.a.O., S. 89 589 Ebd. 590 Zit. n. ebd. 591 Das Bild ‘Gretchen am Spinnrad‘ bezieht sich auf die Liebesmonolog-Szene, Gret- chens Stube. allein, Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, Vers 3374-3413. Die Jungfrau am Spinnrad ist ein altes Märchenmotiv, das Metaphern für Defloration, Gebär- und Zeugungsfähigkeit beinhaltet. Die jüngste Tochter eines Bauern sollte beispielsweise in Rumpelstilzchen Gold aus Stroh spinnen oder in Dornröschen löste der blutige Stich der alten Spindel einen hundertjährigen Schlaf aus. Vgl. Handwörterbuch des deutschen Märchens, hrsg. v. Lutz Machensen, Berlin, Leipzig 1930-1933, Stichwort: Dornröschen, S. 408-410 sowie Walter Scherf, Das Märchenlexi- kon, Bd. 1 und 2, München 1995, Stichwort: Dornröschen, S. 172-177 sowie Stichwort: Rumpelstilzchen, S. 1000-1005. Rumpelstilzchen ist unverkennbar eine weitere Teu- felsgestalt, in der sich - wie in Kasperl – ein eigenwilliger Phallus verbirgt. Das ge- sponnene Gold steht für die Zeugungskraft (ein Kind bringen oder rauben). Dornrö- schen ist dagegen eine Deflorationsgeschichte, die sich bereits im Namen Dorn- Röschen mitteilt.

Doktor Satansohn 127 einer Gesellschaft.592 Freilich wurden die Orte wissenschaftlicher Forschung mystifiziert und als Stätten beschrieben, an denen der Teufel leichte Beute macht. Das schummrige Arbeitszimmer, erweitert zum futuristischen La- bor, und das alte Gemäuer, häufig eine Ruine, waren die Orte des Teu- felsauftritts, die Méliès’ und Smiths dem Faustfilm zuschrieben. Sie gaben die Räume vor, an denen das zukünftige filmische Geschehen des Phan- tastischen Films seinen Platz findet.

3. Lebend tönende Fotografie Zwar brachte der Film inzwischen glühende Leidenschaft und bedrohliche Apathie - das gesamte Spektrum abwechslungsreicher Mimik, Gestik und Bewegung, das Leben heißt – hervor, aber keinen einzigen Ton heraus.593 Béla Balázs594 erhob die Tonlosigkeit des Stummfilms zu dessen Stärke und erklärte die „sichtbare Gebärde“ des Menschen nicht nur zum „Urstoff“ des Films schlechthin, sondern in der Verkehrung von Stummfilm und Leben fand er in der stummen Filmgeste das ursprüngliche Sprachverhalten der Menschen angelegt. Balázs schrieb: „Die ganze Menschheit ist heute schon da- bei, die vielfach verlernte Sprache der Mienen und Gebärden wieder zu erlernen. Nicht den Wortschatz der Taubstummensprache, sondern die visuelle Korrespon- denz der unmittelbar verkörperten Seele.“ Kurzerhand sprach er der biologi- schen Entwicklung des Kindes die Absicht ab, „Töne von sich zu geben... der Ursprung der Sprache (ist) die Ausdrucksbewegung. Das heißt, der Mensch, der zu sprechen beginnt (wie auch das kleine Kind), bewegt Zunge und Lippen nicht anders wie seine Hände und die Muskeln seines Gesichtes, also ursprünglich nicht mit der Absicht, Töne von sich zu geben.“595

592 Foucault, Die Ordnung des Diskurses, a.a.O., S. 13 593 Die im Stummfilm vorherrschende Technik durch Kameraeinstellung und Schnittfolge sowie durch Schauspielergeste den Sprachmangel zu kompensieren, brachte mitunter expressionistische Bilder hervor, vergleichbar Eduard Munchs Der Schrei. 594 Béla Balázs, Der sichtbare Mensch, in: Béla Balázs, Schriften zum Film, hrsg. v. Helmut H. Diederichs, Wolfgang Gersch, Magda Nagy, Bd. 1, Berlin 1962, S. 53f, S. 60 595 Ebd. S. 53f

128 Doktor Satansohn

Abb. 57: James A. Williamson, The Big Swallow, zirka 1901

Im Stummfilm war aber, wie es Walter Benjamin erklärte, bereits „der Tonfilm verborgen.“596

Ein Weg, den Mangel des Stummfilms zu kompensieren, konnte mittels Bilddramaturgie gegangen werden. Kameraeinstellung, Schnitt, Montage, und insbesondere das für den Stummfilm charakteristische Bild der At- mungs- und Sprechorgane (etwa die Aufnahme des sich öffnenden und

596 Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter, a.a.O., S. 436

Doktor Satansohn 129 schließenden Mundes oder des Rhythmus‘ der durch Sprache und Atmung sich bewegenden Brust sowie das Bild des stummen Griffs ans Herz als letzte Worte) traten für den fehlenden Ton ein. Ferner ersetzten etwa ab 1907 Zwischentitel die Sprache, die als Schriftstücke ins Geschehen integ- riert waren, oder die als Schrifttafeln den Handlungsablauf unterbrachen. Theodor Heinrich Mayer beschrieb noch 1912 die Aufnahme eines Briefes als einen „geschmackvollen Notbehelf.“597 Neben den filmischen Mitteln gab es auf der Ebene der Filmvorführung weitere Methoden, das Manko auszuglei- chen. Bisweilen faßte im Kinosaal ein Erzähler den Stummfilm in Abschnit- ten zusammen oder sprach Dialoge mit. Die Funktion des Sprechers wurde bisweilen von mehreren Schauspielern übernommen. Jossé berichtete, daß in USA etwa ab der Jahrhundertwende die Filmrollen von Schauspieltruppen nach dem Drehbuch einstudiert wurden und der Film dann mit den dazu gehörigen Sprechern vermietet wurde.598 Eine weitere Praktik den Stumm- film zu ‘beleben‘, war die Begleitung des Handlungsablaufes mit Musik, die meist auf einem Klavier oder einem Harmonium gespielt wurde. Es gab be- stimmte Musikstücke um Liebes- und Horrorszenen, Landschaftsdarstel- lungen oder Rückblenden zu untermalen. Oskar Messter und Charles Pathé benutzten ab 1896 Phonographenmusik zur Untermalung ihrer Filme.599 Nicht selten komponierten Filmpioniere auch ihre eigene Filmmusik wie et- wa Max und Emil Skladanowsky.

Da es seit 1877 funktionstüchtige Sprechmaschinen600 gab, verwundert es nicht, wenn mit der Entstehung des Kinematographen etliche Versuche un- ternommen wurden, einen Synchronismus zu erzielen.601 Zwar hatte sich die Reproduzierbarkeit des Tons - so Walter Benjamin - „einen eigenen Platz un- ter den künstlerischen Verfahrungsweisen erobert“602, aber Edison verband schon 1891 den Phonographen mit einem fotografischen Serienapparat. Die so entstandene Lebend-tönende Photographie wurde das maßgebliche Modell für die Suche nach einer maschinellen Verbindung von Kinematograph und Phonograph.603 In gewisser Weise wurde die gesamte Leben- nachahmende-Technik im Kino zur Anwendung gebracht, um den nicht vorhandenen Ton zu ersetzen. Ab 1908 gab es sogar Geräuschmaschinen, wie das Bruitophone. Es wurde in Hamburg auf der ersten Internationalen Ki- nematographen-Industrie-Ausstellung vorgestellt und lieferte Pferdegetrap-

597 Mayer, Lebende Photographien, a.a.O., S. 57 (Hervorhebung D.M.) 598 Vgl. Harald Jossé, Die Entstehung des Tonfilms. Beitrag zu einer faktenorientierten Mediengeschichtsschreibung, Freiburg, München 1948, S. 47f 599 Ebd. 600 Die „maschinelle Kunst des Sprechens“ wurde von Edison 1877 erfunden. Vgl. Maschi- nelle Kunst des Sprechens, in: Der Kinematograph, Nr. 54 (1908). Zu den Sprechma- schinen vgl. Wolfgang Scherer, Klaviaturen, Visible Speech und Phonographie. Margi- nalilen zur technischen Entstellung der Sinne im 19. Jahrhundert, in: Diskursanalysen 1. Medien, hrsg. Friedrich A. Kittler, Manfred Schneider und Samuel Weber, Opladen 1987, S. 37-54, sowie Friedrich A. Kittler, Grammophon, Film, Typewriter, Berlin 1986 601 Hans Römer, Lebende = Tönende Photographie und Synchronismus, in: Der Kinema- tograph, Organ für die gesamte Projektionskunst, Nr. 20 (1907). Die Schwierigkeiten des Synchronismus wurden in Der Kinematograph im gesamten ersten Jahrgang (1907) immer wieder diskutiert. Vgl. auch Hans-Jürgen Brandt, Die Anfänge des Kinos, in: Fischer Filmgeschichte. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum etablierten Medium 1895- 1924, hrsg. v. Werner Faulstich und Helmut Korte, Frankfurt am Main 1994, S. 86-98 602 Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter, a.a.O., S. 437 603 Die Firma Gaumont & Co brachte 1901 ein Verfahren heraus, „das die Stromverteilung in einem den Kinematograph antreibenden Elektromotor durch ein Organ geschieht, das in konstanter Winkelbeziehung mit der Sprechmaschine steht“, Römer, Lebend = tönende Photographie, a.a.O. (Hervorhebung DM.) Lee De Forest war es 1906 gelun- gen akustische in elektrische Signale umzusetzen, vgl. James Monaco, Film verstehen, Hamburg 1980, S. 112

130 Doktor Satansohn pel, Sirenen, Meeresrauschen und viele andere Geräusche. Schon bald er- gänzten weitere Geräuschmaschinen mit den Namen „Noiseograph, Soun- dograph, Dramagraph, Excellsior Sounds Effects Cabinet und Deagan Electric Bells“ das Angebot.604

Emaille Altenloh betrachtete 1912 die „möglichste getreue Nachahmung der na- türlichen Vorgänge“ als „Hauptziel“ der Kinematographie. Dazu gehörte auch „die Belebung des Filmbildes mit Farbe.“ Aber das wesentliche Merkmal einer wirklichen Illusion des Lebens war für Altenloh der Ton. Sie schrieb: „Um die Illusion der Wirklichkeit noch zu erhöhen, hat Edison den kinematographischen Ap- parat mit einem Grammophon gekuppelt, so daß die Gesten der Personen durch gleichzeitig gesprochene Worte unterstützt werden. Endlich ist eine Erfindung ge- macht worden, die die Figuren aus der Fläche heraustreten läßt in den Raum, und zwar so, daß Personen sich als Mitspieler zwischen den projizierten Figuren herum- bewegen können.“605 Danach war die „Belebung des Filmbilds mit Farbe“, wie es durch Virage und Kolorierung leicht erreichbar war, kein Vergleich zur „Illusi- on von Wirklichkeit“, die der Ton zu verschaffen versprach.606

Auch Léon Gaumont wollte den Film mit Ton, Farbe und Tiefe607 ausstatten. Er strebte eine vollkommene Simulation des Lebens an und realisierte 1900 den ersten ‘Sprechfilm‘. Der Ton wurde synchron zum Film auf einer Wachsmanschette aufgenommen und bei Vorführung synchron abgespielt. Solche Tonbilder produzierte Gaumont serienmäßig ab 1903.608 Alice Guy berichtete über das ungläubige Verhalten der Zuschauer, als sie zum ersten Mal mit einem Tonbild konfrontiert waren: „Ich habe gesehen, wie sie, einen Schwindel vermutend, hinter die Leinwand schauten, um sich zu vergewissern, ob nicht Komplizen die Szene mimten.“ 609 Um den „sprechenden Film“ zu ermögli- chen, entwickelte Oskar Messter610 das Biophon (1903).611 In Der Kinema- tograph warb Messter mit folgender Anzeige für das Gerät: „Biophotophon, Ers- ter und erprobtester Apparat zur Vorführung sprechender, singender, lebender Pho- tographien, Messters Projektion.“612 Auch die Akustikträger für das Biophotophon, Tonplatten, wurden als „sprechende, singende und musizierende lebende Photographie“ verkauft. Für die „sprechenden und singenden Filme“ wur-

604 Ebd. S. 48 605 Emaille Altenloh, Zur Soziologie des Kinos, Jena 1914, S. 7 606 Ebd. (Hervorhebung D.M.) 607 Auch Messter experimentierte mit Dreidimensionalität. 1896 meldete er einen stereoskopischen Schnellseher als Patent an. Vgl. Oskar Messter, Mein Weg zum Film, Berlin 1936, S. 76. „Ich habe dann wiederholt Stero-Glasdiapositive als Projektionsbilder stereoskopisch gezeigt, indem ich das rechte und das linke Bild nebeneinander auf die Leinwand warf und durch Prismenbrillen dem Beschauer das rechte Bild seinem rechten Auge und das linke Bild seinem linken Auge zuleitete. Eine andere alte Methode, das sog. Anaglyphenverfahren, benutzt ein rechtes grün und linkes rot gefärbtes Bild, welches sich übereinander gelagert auf einem Diapositiv befindet. Die Beschauer b enutzen Brillen.“ 608 Alice Guy, Autobiographie einer Filmpionierin, a.a.O. „Dank der Ingenieure (P. Frely und Georges Laudet) konnte der erste Sprechfilm im Jahre 1900 realisiert werden.“ 609 Alice Guy, Autobiographie, a.a.O. Es gab Versuche, Stummfilme durch hinter der Lein- wand sprechende Schauspieler zu vertonen. 610 Vgl. zu Oskar Messter, Ausstellungskatalog des Museums für Technikgeschichte, Mün- chen 1996. Messter erstes Kunstlichtatelier war das Biorama. (1905 eröffnete Messter das erste ständige Kinotheater in Berlin, Messters Biophon unter den Linden 21.) 611 Messter führte das Biophon auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis vor. Aus dem Biophon wurde später das Biophotophon (1907). Jossé schrieb hierzu: „Für 25 Cents konnte man 5-6 Tonbilder sehen. Das Biophon-Theater hatte mit seinen 280 Sitzplät- zen bei mehrmaliger Vorführung am Tag einen Durchschnittsbesuch von 500 Perso- nen.“ Jossé, Die Entstehung des Tonfilms, a.a.O., S. 75 612 Der Kinematograph, Nr. 57 (1908)

Doktor Satansohn 131 den Sprechplatten und Konzertplatten aufgenommen, aber auch im Handel erhältliche Platten verwendet.613 Von 1903 bis etwa 1912 stellte Messter eine Vielzahl von Tonbildern her, darunter 1910 das euphonische Tonbild Faust, in dem Henny Porten614 Gretchen und ihr Vater, der Opernsänger Franz Por- ten, Faust spielten. Die Schauspieler bewegten synchron ihre Lippen zu ei- ner Schallplatte der Oper Faust von Gounod, die etwa Enrico Caruso und andere aufgenommen hatten. Die Tonbilder waren meist dreieinhalb bis vier Minuten lang und nach Opern, Operetten oder Tänzen ausgerichtet. Messters Tonbilder wurden manuell abgespielt, ein Verfahren, über das er schrieb: „Bis 1913 hatten sich 500 Lichtspieltheater mit meinen Biophonen einge- richtet. Die Übereinstimmung zwischen Ton und Bild war einwandfrei, solange meine Techniker vorführten. Unter Benutzung zweier abwechselnd wirkender Plattenteller führte ich eine Anzahl längerer Tonbilder vor... Zur Erzielung einer höheren Lautstär- ke benutzte ich mehrere Tonträger zu gleicher Zeit. Im Berliner Apollotheater ließ ich 5 Platten gleichzeitig laufen. Jede der fünf Membranen wirkte auf einen zwei Meter langen Trichter. Die Lautstärke erhöhte sich zwar nicht um das Fünffache, dafür trat das durch die Nadeln hervorgerufene Nebengeräusch stärker hervor.“ 615

Nicht nur Messter brachte Faustopern als Tonbild heraus, sondern Edison hatte bereits 1900 den tönenden Faustfilm Faust and Margueritte und 1909 ei- ne Opernserie nach Gounods Faustoper aufgenommen. Alice Guy insze- nierte ab 1906 für Gaumont zweiundzwanzig Tonbilder nach Gounods Faustoper von insgesamt 70 Minuten Spielzeit.616 Hierzu zählten die Tonbil- der Faust et Méphistophélès und Faust. Salut,ô mon Dernier Matin. Das zehnte Tonbild Evocation zeigt die Beschwörungsszene und fünf Tonbilder Liebes- szenen zwischen Faust und Margarete. Der Tonbildzyklus endete mit dem Duell-Terzett und dem Terzettfinale. Ein weiteres Tonbild Faust (1910) war eine englische Produktion von Thomassin. Die Gounod Faustoper wurde wahrscheinlich auch deshalb so häufig verfilmt, weil die Musik bereits auf ein entsprechendes Bild zugeschnitten war. Gounods Faustoper war zu- dem äußerst populär und eine Verfilmung mit gleichzeitiger Vertonung Profit versprechend. In gewisser Weise bringt die Hinwendung zur Oper den Wunsch nach der Vervollkommnung des Films durch Ton und Klang mit sich. Der mangelnde Ton wurde zum klangvollen Singspiel erhöht.

Der Synchronismus versprach den körperlosen Tönen einen Körper und den stummen Körpern eine (klangvolle, fremde) Stimme. Als der erste Jahrgang der Zeitschrift Der Kinematograph (1907) erschien, lagen noch etwa zwanzig Jahre vor dem Tonfilm, aber die Anzeigenseiten waren voller Re- klame für Apparate, die eine sprechende und singende Photographie verspra- chen.617 So warb etwa die Internationale Kinematographen- und Licht-Effekt- Gesellschaft m.b.H. aus Berlin für „eine neue Erfindung! Vivandophon, automatisch sprechender Kinematograph... Was unmöglich schien, ist erreicht. Lebende, spre- chende, singende musizierende Films.“618 Ein weiteres Gerät, die „Lauteste Stark-

613 Vgl. Tonplatten für sprechende, singende und musizierende lebende Photographie, in: Der Kinematograph, Nr. 53 (1908), o. S. 614 Henny Porten war seit 1906/1907 beim Film und stieg mit ihm auf. Sie wurde ein be- liebter und außerordentlich populärer Star des pathetischen Ausdrucksstils des stummen Films. Sie gründete eine eigene Filmgesellschaft, vgl. Corinna Müller, Der verkaufte Star, Henny Porten - Schauspielerin und Kapitalanlage, in: Das Ufa-Buch. Kunst Krisen, Stars und Regisseure, Wirtschaft und Politik, hrsg. v. Hans-Michael Bock, Michael Töteberg, Frankfurt am Main 1992, S. 48-51 615 Messter, Mein Weg mit dem Film, a.a.O., S. 65 616 Die Tonbilder zeigen Lieder, gesungene Tänze und Monologe, vgl. Lange-Fuchs, Faust im Film, a.a.O. 617 Vgl. Der Kinematograph, Jg. 1907 und Jg. 1908 618 Der Kinematograph, Nr. 42 (1907)

132 Doktor Satansohn ton-Maschine“, war das Elgéphon.619 Bei Pathé hieß der „Apparat für lebende, singende und sprechende Photographie“ oder kurz: „Synchronismus“.620 Es ist si- cherlich nicht nur metaphorisch zu sagen, daß es den stummen Film ei- gentlich gar nicht gab. Auch wenn kein Ton aus dem Munde eines Darstel- lers kam, von Beginn an versuchte der Film die Stummheit (wie eine Behin- derung) zu kompensieren.

Entgegen den langjährigen Bestrebungen Film mit Ton auszustatten, waren die Positionen dem Tonfilm621 gegenüber am Anfang äußerst konträr.622 Nach der ersten öffentlichen Vorführung des Ufa-Tonfilms Das Mädchen mit den Streichhölzern im September 1925, schrieb der Film-Kurier: „Jeder Fach- mann sollte sich klarmachen, daß im allgemeinen zwar der Film eine stumme Kunst ist und auch bleiben soll, aber oft ihm das Wort, der Laut fehlt. Man denke nur an hochdramtische Momente, deren Sprache heute noch in mehr oder minder langen, die Stimmung zerreißenden Titeln wiedergegeben wird.“623 In seinem Essay Interna- tionaler Tonfilm? (1931) schrieb Siegfried Kracauer: „Der tönende Film hat dem durch den stummen eingeleiteten Prozeß ein Ende gemacht. Genauer gesagt: der Sprechfilm.“624 Wie Balázs stellte auch Kracauer die sprachlose grenzüber- windende Internationalität des Stummfilms heraus, aber unterstrich, daß „den Gesetzen des Tonfilms gemäß, das Optische beinahe stärker akzentuiert ist als das Akustische.“625 Das Neuartige und gleichzeitig das Unheimliche626 des Tonstreifens beschrieb er627 in den Rezensionen der Tonfilme Deutscher Rundfunk 628 (Walter Ruttmann, 1928) und Ein Tag Film629 (Max Mack, 1927). Kracauer sprach von „Tonbildfilm“ und entwarf damit eine Kategorie zwi- schen Tonbild und Tonfilm. Er vermochte sich nicht der geheimnisvollen Kraft der „sprechenden Filme“630 zu entziehen, als er schrieb: „Den Laien mutet es wie höhere Zauberei an.“ Und er stellte heraus, selbst wenn die „Eingeweih- ten“ genau Bescheid über die neue Technik wissen, „übertrumpft die Esoterik der Technik heute bereits die der eleusinischen Mysterien.“631 Der Tonfilm war völ- lig in die Zauberei der künstlichen Verlebendigung verstrickt, und Kracauer blieb der Magie des Films auf der Spur, als er schrieb: „Der Tonbildfilm ist einstweilen das letzte Glied in der Reihe jener gewaltigen Erfindungen, die mit blinder Sicherheit und wie von einem geheimen Willen geleitet auf die vollständige Abbil- dung der menschlichen Realität hindrängen. Durch ihn wäre es im Prinzip möglich,

619 Der Kinematograph, Nr. 72 (1908) 620 Der Kinematograph, Nr. 63 (1908) 621 Seit etwa Mitte der zwanziger Jahre wurde in Deutschland mit Tonfilm experimentiert. Im September 1929 führte die Ufa vier neue Tonfilmateliers der Öffentlichkeit vor. Vgl. Hans Helmut Prinzler, Chronik des deutschen Films. 1895–1994, Stuttgart, Weimar, 1995, S. 87 622 Die Diskussion der Frage, die mit Einführung des Tonfilms entbrannte, ob der Stumm- film oder der Tonfilm künstlerisch wertvoller sei, soll hier nicht nachvollzogen werden. Vgl. hierzu u.a. Roman Jakobson, Verfall des Films (1933), in: Sprache im technischen Zeitalter, Zeichensystem Film, hrsg. v. Walter Höllerer, Stuttgart 1968, S. 185. Zur Posi- tion der Filmschaffenden vgl. Jossé, Die Entstehung des Tonfilms, a.a.O., S.194f 623 Film-Kurier, 19.12.1925. Zit. n. Prinzler, Chronik des deutschen Films, a.a.O., S. 70 624 Siegfried Kracauer, Internationaler Tonfilm? (1931), in: ders., Der verbotene Blick, Leip- zig 1992, S. 318-323, S. 320 625 Kracauer, Internationaler Tonfilm, a.a.O., S. 323 626 Mitunter erschienen körperlose Stimmen bedrohlicher als stumme Lichtbilder. 627 Siegfried Kracauer, Zur Vorführung im Frankfurter Gloria-Palast, Tonbildfilm (1928), in: ders., Der verbotene Blick, a.a.O., S. 298-301 628 Auch dieser Titel verweist auf die Bedeutung des Tons für den Film. 629 Dieser Titel setzt Film und Leben gleich. 630 Kracauer, Tonbildfilm, a.a.O., S. 298 631 Ebd. S. 299

Doktor Satansohn 133 das Leben in seiner Totalität der Vergänglichkeit zu entreißen und der Ewigkeit des Bildes zu überliefern.“632

Mit der Einführung des Tonfilms wechselte die Ausdrucksform des Films vollständig. Eine völlig andere Ikonographie und Ästhetik lag der neuen Film- dramaturgie zu Grunde. Während der Stummfilm den fehlenden Ton durch Musik auszugleichen suchte633, kam der Tonfilm von Anfang an mit Musik und Gesang daher634, so als ob das Singen die bedeutendere Art des Spre- chens sei. Nach Sigrid Weigel wurde „die zunächst zögernde Haltung gegenüber dem neuen Medium... vor allem durch den Musikfilm überwunden; er war es, der dem Tonfilm zum Durchbruch verhalf und zu jenem in der Mediengeschichte einzigartig raschen Wechsel beitrug, mit dem in Deutschland zum Beispiel der Stummfilm in- nerhalb von zwei Jahren (1929/1930) nahezu vollständig durch den Tonfilm abgelöst wurde.“635 Im Wechsel der kinematographischen Ästhetik war der Musikfilm (ähnlich wie schon zuvor das Tonbild) zunächst ein (magisches) ‘Über- gangsprodukt‘ später ein eigenständiges Genre. Freilich war der Tonfilm lange vorbereitet und waren Musik, Gesang sowie der Klang vom Körper abgetrennter Stimmen durch den Stummfilm und durch das Grammophon als eigenständige Unterhaltungsmedien eingeführt, aber ein Zögern gegen- über dem Tonfilm - wenn es denn eins gab - kann auf der einen Seite der Vorführpraxis zugeschrieben werden, denn die Kinos waren bei weitem nicht für den Tonfilm ausgerüstet und Kinobesitzer scheuten die Ausgaben für die teuren Abspielanlagen. Auf der anderen Seite konnte die Erfüllung des prometheischen Traums nicht ohne Widerspruch bleiben.

Zusammenfassung In der Zeit von 1896 bis etwa 1911 entstanden massenhaft kurze Stumm- filme, die als anonyme Bildmetonymien betrachtet werden können. Kurze Faustfilme zeigten signifikante Szenen der Faustgeschichte in bewegten Bildern. Eher Bilder als Geschichten und mehr Verdichtung als Ausweitung waren Méliès Les Quatre Cents Farces du Diable (1906) und Pathés Mephistos Son (1906) mit etwa zwanzig Minuten die längsten Faustfilme dieser Epo- che, während die kürzesten dagegen nur knapp eine Minute dauerten und ein entsprechend verdichtetes Bild entwarfen. Georges Méliès und George Albert Smith bestimmten den Filmraum, in dem sich zukünftig der Teu- felsauftritt im Faustfilm abspielen sollte, in Studierzimmer, Labor und altem Gemäuer. Méliès‘ Faustfilme erzählten mit der Faustgeschichte die Magie des Mediums. Insbesondere die frühen Faustfilme entwickelten eine Ästhe- tik der Bildverdichtung, die sich beispielhaft in den Szenentiteln von Georges Hatots Faust (1896) ausdrückt. Hatots Faust umfaßt zwei Szenen: Erschei- nung des Mephistopheles und Fausts Verwandlung und Erscheinung Margaretes. Nach Prodolliet636 war Hatots Faustfilm kein moderner Film, aber die Sze- nentitel lassen erkennen, daß Hatot den Fauststoff auf die magischen Auf- tritte der Hauptfiguren (Erscheinung und Verwandlung) konzentrierte und damit auf den Einsatz moderner Filmtricks setzte. Die Filmbilder der magi-

632 Ebd. S. 301 633 Hier sei an Murnaus, Der letzte Mann (1924) erinnert, in dem Karl Freund den fliegen- den Trompetenton inszenierte. 634 Der erste amerikanische Tonfilm The Singing Fool hatte am 3. Juni 1929 im Berliner ‘Gloria-Palast‘ seine Deutschlandpremiere. 635 Sigrid Weigel, Die geraubte Stimme und die Wiederkehr der Geister und Phantome. Film- und Theoriegeschichtliches zur Stimme als Pathosformel, in: Der Sinn der Sinne, Bonn 1998, S. 190–206, S. 193 636 Ebd.

134 Doktor Satansohn schen Szenen des Fauststücks lassen ahnen, wie spiritistisch geladen der frühe Stummfilm war. Die drastische Verknappung des Magierstoffs auf wenige Minuten führte zur Hervorhebung der tragenden Rollen, der folgen- schweren Szenen und der maßgeblichen Schauplätze. Mittels Virage oder Kolorierung sowie durch die Vorführpraxis zielten die kurzen Stummfilme (ähnlich wie Laterna magica Vorführungen) auf totale Darstellung ab. Durch die starke Orientierung am Einzelbild und dem Wunsch nach Ton entwi- ckelten sich Tonbilder, welche die berühmten Faustopern von Gounod und Berlioz ins Bild setzten und aus dem Stummfilm lebende tönende Fotogra- fie machten.

Es entstand ein bewegtes Faustbild, das nach vollkommener Simulation des Lebens strebte. Die frühen Faustfilme lassen sich in ihrer Dichte durchaus mit heutigen Trailern, Werbestreifen637 oder Videoclips verglei- chen, die ‘am laufenden Band’ gezeigt werden und größtenteils ebenso a- nonym sind wie die kurzen Filme der Gründerzeit. Die Faustbilder des frü- hen Stummfilms, Bildmetonymien von eigener Ästhetik, wurden allmählich durch abendfüllende Stummfilme abgelöst. Die filmische Narration ver- drängte nicht nur Méliès ‘Zauberfilme‘, sondern auch Messters Tonbilder, die bis 1909 sehr modern gewesen und bis 1913 wie die Filme Méliès völlig verschwunden waren.638 Messter berichtete über das Verschwinden der Tonbilder: „Ein Grund für das allmählich nachlassende Interesse für Tonbilder auch in den Lichtspielhäusern lag in der mangelhaften Handhabung des Grammophons... Dazu kam, daß die Lautstärke den Raum der damals immer größer werdenden Lichtspielhäuser bald nicht mehr ausfüllt. Auch die Tonqualität konnte auf die Dauer nicht befriedigen.“639 Faustgeschichten, welche der Stummfilm etwa ab 1911 zu erzählen begann, leiteten einen ästhetischen Umbruch ein.

B. Faustgeschichten Der ästhetische Umbruch des Stummfilms fand etwa zwischen 1911 und 1914 statt.640 Filme wurden länger, aus Einaktern Mehrakter, und allmählich setzte sich der abendfüllende Spielfilm durch und eroberte sich einen Platz im herrschenden Kulturbetrieb.641 Die Länge der Produktionen veränderte die Filme vollständig, da durch die Aneinanderreihung von Sequenzen eine geschlossene Narration erzeugt wurde. Faustgeschichten ersetzten bald die Faustbilder im Film. Der erste erzählende stumme Faustfilm war Stellan Ryes Der Student von Prag (1913) und der letzte war Friedrich Wilhelm Mur- naus Faust. Eine deutsche Volkssage (1926). Die beiden Faustfilme standen am Anfang und am Ende der Epoche des abendfüllenden stummen Kino- dramas der Weimarer Republik642, in der sich die gesamte Kinokultur um- wälzte. Nach Elsaesser stand das Kino durch „das Streben nach kultureller

637 Schon Méliès machte Werbefilme. Er warb für Senf, Mehl, Korsetts, Hüte, Whisky, Wein, Schuhcreme, Haarwasser und für sein eigenes Theater. Vgl. Bitomsky, Méliès Film, a.a.O. 638 Elsaesser, Wilhelminisches Kino, a.a.O., S. 18 639 Messter, Mein Weg mit dem Film, a.a.O., S. 66 640 Elsaesser stellte heraus, „daß tatsächlich 1913, 1914 eine Umbruchperiode war, aber daß der Ausbruch des Ersten Weltkrieges ganz andere Folgen hatte, als man norma- lerweise angenommen hat, und sich der Aufschwung des deutschen Films nicht 1918/1919, mit der Weimarer Republik... sondern schon 1916“ begann. Thomas Elsa- esser im Gespräch, a.a.O., S. 580 641 Vgl. Wolfgang Jacobson, Frühgeschichte des deutschen Films. Licht am Ende des Tunnels, in: Geschichte des deutschen Films, a.a.O., S. 13-38, S. 29 642 Zum Kino der Weimarer Republik vgl. Thomas Elsaesser, Das Weimarer Kino – auf- geklärt und doppelbödig, Berlin 1999

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Anerkennung“ in einen „Konflikt mit der Bühne“, und es war genötigt „Leihkapital heranzuschaffen, um Filmproduktionen finanzieren zu können.“643 Folglich entwi- ckelte sich ein komplexes Produktionssystem, welches nicht länger die Au- tonomie einzelner Filmschaffender in den Vordergrund stellte. Dem Um- wandlungsprozeß trugen Kinos Rechnung, die sich den großen Theater- häusern anpaßten. Etwa ab 1910 entstanden mancherorts phantastische Kinopaläste mit märchenhafter und pompöser Ausstattung.644 Bühnenstars wurden zu Stummfilmstars, und Stummfilmstars überstrahlten berühmte Bühnenmimen.

1911 waren aber abendfüllende Stummfilme noch die absolute Ausnah- me.645 Das erzählende Prinzip des Spielfilms setzte sich in Deutschland et- wa ab 1912 durch. In diesem Jahr produzierte beispielsweise Oskar Messter Schatten des Meeres, bei dem Curt A. Stark Regie führte.646 Der po- puläre Spielfilm mit Henny Porten in der Hauptrolle, erzählt in knapp vierzig Minuten die Geschichte einer jungen Frau, die dem Geist ihres Geliebten (Curt A. Stark) ins Wasser folgt. Die unheimlichen Elemente der Produktion liegen unverkennbar in der Auferstehung des Toten, der Mystik des Was- sers und der hierfür anfälligen Frau. Sicher will dieser Film trotz des signifi- kanten Titels Schatten des Meeres keine kritische Metapher für das Kino sein, dabei ist das Gleichnis allzu eingängig: Das neue Medium, das nur Schatten produziert, bringt durch die scheinbare Macht zur Wiederbelebung seine gebannten Besucher, insbesondere naive Mädchen, dazu, sich ihm willen- los zu unterwerfen und sich in der Flut bewegter Bildgeschichten zu verlie- ren.

Schatten des Meeres ist kein Faustfilm. Die Filmerzählung demonstriert je- doch in eindringlicher Weise die Grundzüge der grenzenlosen narrativen Ausweitung des Spielfilms, die in dieser Zeit begann. Geradezu das Gegen- teil zu Messters Film ist der etwa gleichzeitig entstandene sechsminütige Film The Lion Tonic647, der einen Chemiker zeigt, der eine Droge erfunden hat, die seine Frau wachsen läßt und seinen Hund in einen Löwen verwan-

643 Jacobson, Frühgeschichte des deutschen Films, a.a.O., S. 15 644 1910 gab es schon mehr als 1500 Kinos, 1913 bereits 2871 und im Kriegsjahr, 1917, 3130. Vgl. Hätte ich das Kino, a.a.O. Vermutlich tragen die Namen der Kinos ihrem his- torischen Stellenwert Rechnung (etwa vom Lebenden Bild zum Apollo-Filmtheater). Die großen Filmpaläste entstanden in Berlin mit Gründung der Ufa. Der Ufa-Filmpalast am Zoo eröffnete am 18. September 1919 mit Lubitschs Madame Dubarry. Das Kino bot rund 14 700 Zuschauern Platz. Vgl. Michael Töteberg, Warenhaus des Films. Film- paläste in Berlin, in: Das Ufa-Buch, a.a.O., S. 106-107 645 Kinnard nannte zwei italienische Horrorfilme, die sich mit einer Spielzeit von fünfzig und sechzig Minuten deutlich von den zuvor und gleichzeitig entstandenen Produktionen un- terschieden. Dies sind The Golden Beetle (60 Min.) und The Mysterie of Souls (50 Min.). Beide Filme entstanden 1911 in Italien. Weder Originaltitel noch andere Daten konnten in Erfahrung gebracht werden. Nach Kinnard zeigt The Golden Beetle die Geschichte eines Mörder mit gespaltener Identität. Das wiederkehrende Motiv der Persönlichkeits- spaltung, das gleichzeitig eine Verdopplung der Figur bedeutet, kann als faustnahes Thema betrachtet werden. Ebenso verweist The Mysterie of Souls in den Bereich des Magischen. Im Mittelpunkt des Films steht ein Hypnotiseur, der eine junge Frau zu Verbrechen verleitet. Vgl. Kinnard, Horrorfilms, a.a.O., S. 42 und S. 44 646 Der Film erzählt die Geschichte von Evelyne, einer jungen Malerin (Henny Porten), die ans Meer fährt, um zu zeichnen. Sie wird von der Flut überrascht und vom Fischer Sven Nansen (Curt A. Stark) gerettet. Sie verlieben sich ineinander. Die Mutter des Fischers und dessen Verlobte Inge (Lizzy Krüger) stehen der Verbindung entgegen. Evelyne reist ab und Sven nimmt sich das Leben, indem er zu weit aufs Meer hinausfährt. Als Evely- ne einen Brief an ihn mit dem Vermerk Adressat verstorben zurückerhält, reist sie wie- der ans Meer. Eines Nachts folgt Evelyne dem Geist Sven Nansens ins Meer und er- trinkt. 647 Kinnard, Horrorfilms, a.a.O., Nr. 396

136 Doktor Satansohn delt. In seiner kurzen Spieldauer verdichtet der Film die ‘Zauberfunktion‘ der Kamera mit den grenzüberschreitenden Experimenten des Alchemisten. Der Vergleich der beiden Filme Schatten des Meeres und The Lion Tonic stellt die unterschiedlichen ästhetischen Prinzipien der Filmkunst deutlich heraus: Während The Lion Tonic das Geschehen verdichtet und ästhetisch dem frü- hen Stummfilm angehört, weitet Schatten des Meeres sich aus und zählt be- reits zu den Filmen, die ihre bewegten Bilder entfalten und - wie das Bild vom stets bewegten Meer - zur Narration erklären.

In der Tradition der kurzen, stummen Faustfilme steht auch noch 1915 der Zweiakter Faust, den Edward Sloman für Lubin in Hollywood drehte. Sloman spielte hierin einen romantischen Mephisto, der im Frack auftrat.648 Er be- richtete über die Verwandlungsszene folgendes: „Ich saß bei der einen Szene fest, in der Faust sich aus einem schäbigen alten Mann in einen hübschen Jungen verwandelt und aus einer Hütte in einen schimmernden Palast versetzt wird. Dann hatte ich eine Idee. Ich ließ vom Zimmermann eine Plattform mit vier Fahrradrädern bauen. Dann fuhren wir, während wir kontinuierlich die Schärfe nachzogen, auf ihn zu, bis wir seinen Kopf in Großaufnahme hatten. Dann begannen wir mit der Abblen- de. Wir markierten die Position des Kopfes im Bildsucher und schicken Faust zur Maske, damit er sein Make-up in das des schönen Jünglings änderte. In der Zwi- schenzeit wurde die Dekoration von der Hütte zum Palast umgebaut. Der verjüngte Faust kehrte in seine vorherige Position zurück, der zweite Teil der Überblendung begann, die Kamera fuhr rückwärts zur Totale - und zeigte Faust, makellos geklei- det, vor einem riesigen Kamin. Presto!“649 Sloman inszenierte die magische Verwandlung in Méliès Art. Wie weit jedoch die möglichen filmischen Varian- ten reichen können, die aus der Faustgeschichte hervorgehen, zeigt nach- stehende Anekdote, die sich aus Lubitsch‘ Vorhaben, einen Faustfilm zu drehen, ableiten läßt.650 Ernst Lubitsch wollte in den zwanziger Jahren in Hollywood Mary Pickford als Gretchen verpflichten. In der Konfrontation mit ihrer Mutter, die den Vertrag unterzeichnen sollte, erklärte Lubitsch zu der Rolle, sie solle die Mutter eines nichtehelichen Kindes spielen. Mary Pick- fords Mutter lehnte dies entschieden ab und Lubitsch machte keinen Faust- film. Im Grunde ist diese Anekdote bereits der Plot für ein (Faust-) Dreh- buch, wie es sich nur Lubitsch ausdenken konnte. Die Anekdote verweist jedoch auf die unglaublichen erzählerischen Möglichkeiten, die der Faustge- schichte abgewonnen werden können.

Der abendfüllende Spielfilm als großes Kinodrama wurde nicht von allen Filminteressierten geschätzt. Theodor Heinrich Mayer kritisierte bereits 1912 den abendfüllenden Stummfilm und schrieb: „Anfänglich waren die Stü- cke meist kurz bis zu zwanzig Minuten Spieldauer, so daß man beruhigt der nächs- ten Nummer entgegensehen konnte, falls einem das Spiel nicht behagt. Erst in aller- jüngster Zeit entstand das große ‘abendfüllende’ Kinodrama... In wesentlichen han- delt es sich nur um dramatisierte Kolportageromane schlimmster Sorte.“651 Er nahm den ästhetischen Wechsel in der Kinokultur nicht einfach hin. Die gemischte Reihung der kurzen Filme boten dem Publikum meist ein vielseitiges und informatives Programm und ermöglichten einen fließenden Ein- und Auslaß sowie die Wahrscheinlichkeit, eine momentane Stimmungslage zu treffen. Dagegen konnte der abendfüllende Spielfilm ein „Kolportageroman der schlimmsten Sorte“ sein. Grund genug, vor dem Besuch des Kinos auf ein Wiedersehen mit geschätzten Schauspielern und anerkannten Autoren zu

648 Vgl. Kevin Brownlow, Pioniere des Films, Basel, Frankfurt 1997 649 Ebd. S. 171 650 Vgl. ebd. 651 Mayer, Lebende Photographien, a.a.O., S. 56-57

Doktor Satansohn 137 setzen.

1. Lebenshauch des Stummfilms Der Zusammenschluß von Film und Literatur brachte dem Kino der Weima- rer Republik die Bezeichnung ‘Autorenfilm‘652 ein. Autorenfilme waren mo- derne Literaturverfilmungen. Schreiben für das Kino war unter Literaten mo- dern geworden und bildete auch die Motivation für Das Kinobuch653, in dem 1913 fünfzehn Schriftsteller Kinostücke vorlegten.654 Es waren Liebesge- schichten und Melodramen, Historien- und Sozialdramen sowie Märchen. Ein Drehbuch für einen Faustfilm war nicht dabei. Im Gegenteil, die filmbe- geisterten Schriftsteller wandten sich entschieden gegen Magie im Kino. So schrieb Franz Blei am Ende des Kinobuches: „Wie lebt der Mensch? Dies zu zeigen halte ich für wertvoller als die gefilmten Ausgeburten einer Phantasie, die Himmel und Hölle braucht, um sich auszudrücken und um nichts zu sagen.“655 Spiritistische Filmideen verdoppelten offenbar die Schwarze Kunst des Ki- nos. Nach Kurt Pinthus war der Kitsch der größte „Feind der höheren Kunst.“ Er schrieb: „Auch ausgedörrte Seelen lassen gern und billig süßen, wilden Saft in sich kochen. Und so müssen sich die ernsten Kunstfreunde mit der vielleicht schmerzlichen Erkenntnis abfinden, daß der Kinobesucher das Ungewöhnliche, das Übertriebene im Kino sucht... das, was man Kitsch nennt.“656 Indem sich Blei und Pinthus gegen Kitsch und Horror aussprachen, wandten sie sich gegen wesentliche Merkmale des Spielfilms, aber vor allem gegen seine Magie. Das Kinobuch wollte den Spielfilm neben das Theaterstück stellen, die ‘gute‘ literarische Vorlage sollte Film aus der Ecke der Trivialität und des Spiritis- mus herausholen.

Die Ablehnung des stummen Spielfilms durch den herrschenden Kulturbe- trieb war kaum übersehbar. Viktor Noack657 berichtete, daß der Verband deutscher Bühnenschriftsteller auf seiner Generalversammlung 1913 sei- nen Mitgliedern verbot, sich in der Filmindustrie zu betätigen.658 Auch für No- ack schrumpfte die Dichtung im Film völlig zusammen. Er schrieb: „Der sprechende Dichter - im Unterschiede vom stummen Film Dichter - hat das nicht mißzuverstehende, eindringliche, beseelende und erhabene Wort für seine sittliche Idee... veredelt. Das Wort ist das Wesentliche der Dichtung, ist der Träger des Dich- tergeistes. Nimmt man - wie bei der Verfilmung - der Dichtung das Wort, so raubt man ihr Wesentlichstes, ja ihr Wesen überhaupt.“659 Ebenso machte der Vorsit-

652 Es ist schon bemerkenswert, daß der stumme Autorenfilm Sprache in den Mittelpunkt stellte. 653 Das Kinobuch, hrsg. v. Kurt Pinthus, Leipzig 1913, Neuauflage Zürich 1963 und Frank- furt a.M. 1983. Die Marbacher Ausstellung „Hätte ich das Kino!“ stellte heraus, daß Das Kinobuch kaum Beachtung fand. Vgl. Ausstellungskatalog, Hätte ich das Kino! Die Schriftsteller und der Stummfilm, Marbach a. N. 1976, S. 87 654 Die Autorinnen und Autoren waren zwischen zweiundzwanzig und siebenundvierzig Jahre alt. Darunter die Autorinnen Else Lasker-Schüler, Elsa Asenijeff und Julie Jolo- wicz. 655 Franz Blei, Kinodramen. Ein Brief, in: Pinthus, Das Kinobuch, a.a.O., S. 150 (Hervorhe- bungen D.M.) 656 Ebd. S. 23 657 Victor Noack, Der Kino. Etwas über sein Wesen und seine Bedeutung, Gautzsch bei Leipzig 1913, S. 26 658 Aber noch im selben Jahr schloß Max Reinhardt einen Vertrag mit der Pagu (Projekti- ons-Aktien-Gesellschaft Union), die ihm für die Inszenierung von vier Filmdramen als Mindesteinnahme 200.000 DM garantierte. Die Pagu gehörte zum Union-Theater. Ihr Leiter war Hermann Davidson). Die Union Filmtheater wurden 1910 jährlich von über 2,5 Millionen Zuschauern besucht, 1913 annähernd von 6 Millionen, vgl. ebd. S. 18f 659 Ebd. S. 22 (Hervorhebungen D.M.)

138 Doktor Satansohn zende Hermann Häfker des seit 1909 bestehenden Vereins Wort und Bild, der sich für die neuen Medien Kinematograph und Grammophon als „Volks- bildungsfaktor“ einsetzte, die Soldschreiber für die schlechten Kinofilme ver- antwortlich: „Keine Firma ist... in der Lage... mit Soldschreibern einen ‘Faust’... (zu) schaffen.“660

Die Beziehung zwischen Literatur und Film hatte für Ernest Prodolliet eine doppelte Funktion für den Faustfilm. Er schrieb: „Aus der Geschichte des Faustfilms ist ersichtlich, daß der Film eine zweifache Funktion hat. Er ist einerseits ein künstlerisches Medium mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, das durchaus ein Ei- genleben führen kann. Der Film ist aber zugleich auch ein Gefäß für eine literarische Aussage, mithin ein Stück Literatur, oder anders gesagt: eine literarische Gattung, die demzufolge auch von der Literaturwissenschaft in ihre Forschung miteinbezogen werden sollte.“ 661 Nach Prodolliet war der Fauststoff die „literarische Aussage“, die in das „Gefäß“ Film gefüllt wurde. Die Zeugungsmetapher stellte Film er- neut in einen kühnen Schöpfungsdiskurs. Nach Christian Albert Gollub stand noch 1984 außer Zweifel: „Der Film erhielt von der Literatur den Lebens- hauch.“662 Danach war beim frühen Stummfilm: „Von Kunst... im Anfangsstadi- um gar nicht die Rede.“ Gollub betrachtete die frühen Filmproduktionen als ni- veaulos und hob hervor: „Nach der ersten sich zum Teil in einem literarischen Nebel technisch entwickelten Phase (1895-1911) bewegte sich das Schrifttumspen- del noch über die Leinwand... Film wird Film. In der Ära des Stummfilms, die von un- gefähr 1912-1929 dauerte, sehen wir, d.h. wir konzentrieren uns auf das Optische und nicht so sehr auf das Schriftliche. Eine nicht unbedingt auf literarischen Werken basierende Sprache kommt im Film zum Vorschein... Der Film erzählt nun in einer Sprache, die bisher unbekannt war. Im Gegensatz zu dem filmischen Sehen eines literarischen Textes lernt man jetzt eine optische Sprache.“663 Die heikle Sprach- verwirrung hob Gollub mit Hilfe des Brecht Zitats auf: „Ehre dem Dichter, der grundsätzlich seine Werke nicht verfilmen läßt.“664 Den Verdacht, Film sei ohne literarische Vorlage eher Schund, schien auch Kracauer geteilt zu haben, als er schrieb: „As soon as the movies learned to tell stories, they began to film the classics.“665 Alfred Estermann666 stellte 1965 die Literatur sogar als Retter des Stummfilms dar, denn sie habe den Film aus dem minderwertigen Sta- dium herausgeholt. Nach Estermann waren „klassische Werke“ verfilmt wor- den, weil „bei denen am ehesten mit der Bekanntheit einzelner Szenen gerechnet werden konnte.“ Einen weiteren Grund für Literaturverfilmungen sah er im „Reichtum der Literatur an vorgeformten und bewährten Handlungen.“667 Estermann unterstrich die künstlerische (literarische) Qualitätslosigkeit der frühen Stummfilme und bezeichnete den „ersten Teil der Filmgeschichte... als ‘Zeit- raum des Experiments’... bis zur Konstituierung des Films als eigenwertige Kunst- möglichkeit.“ Danach befand sich, „technisch gesehen... dieser Zeitraum natur- gemäß auf einer zunächst niederen Stufe... alles wurde unterschiedslos und ohne Rücksicht auf etwaige Qualität betrachtet, die Vorführungen fanden im Milieu des Rummelplatz statt... Bei... roher ‘Mimik.’“668 Auch nach Jürgen Paech669 war die

660 Zit. n. ebd. S. 25 661 Prodolliet, Faust im Kino, a.a.O., S. 9 662 Christian-Albert Gollub, Deutschland verfilmt. Literatur und Leinwand 1880-1980, in: Film und Literatur. Literarische Texte und der neue deutsche Film, hrsg. v. Sigrid Bau- schinger u.a., Bern und München 1984, S. 18-49, S. 20, (Hervorhebung D.M.) 663 Ebd. S. 19 (Hervorhebungen D.M.) 664 Ebd. S. 18 665 Siegfried Kracauer, The Nature of Film: The Redemption of Physical Reality, London 1961, S. 12 666 Alfred Estermann, Die Verfilmung literarischer Werke, Bonn 1965, S. 185 667 Ebd. S. 187-188 668 Ebd. S. 186

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„Literarisierung des Films“ das entscheidende Mittel für die Etablierung des Films im Kulturbetrieb. Danach bedeutete die Literarisierung für den Film „den Zugang zur (bürgerlichen) Institution Kunst und Literatur zu suchen und zugleich ein unerschöpfliches Reservoir an erzählenden Geschichten für das eigene, filmische Erzählen vorzufinden und in Anspruch zu nehmen, sowie die eigenen Fä- higkeiten des Erzählens am Vorbild der Literatur ständig weiterzuentwickeln.“670 Paech betrachtete den Autorenfilm als einen Sprößling der Literatur und die „Literaturgeschichte des Films“ zeigte, daß „seit etwa 1908/1910 (..) Filme fähig (waren)... mit filmischen Mitteln literarisch Erzähltes weiterzugeben.“ Weder für Paech noch für Estermann oder Prodolliet waren die frühen Faustfilme Lite- raturverfilmungen, obwohl den meisten frühen Faustfilmen Szenen aus Goethes Faust I als Vorlage dienten.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts war Goethes Faust zum Inbegriff der deut- schen Kultur erklärt worden, und die literaturwissenschaftliche Forschung griff die Figur als Mythos und Symbolträger auf. Der gespaltene Held wurde gar zum „Symbol eines Weltverhältnisses" erklärt.671 Und Kloos stellte heraus: „Den Ideologen des Kaiserreichs um 1900 galt der strebsame ´faustische´ Mensch als ein Wesen, an dem die Welt genesen sollte.“672 Für nationalbewußte Interpre- ten war Faust der Deutsche schlechthin. In Landquists psychoanalytischer Betrachtung (1920) war er „ein Symbol des strebenden Mannes in seinen Konflik- ten zwischen Wißbegierde, Sinnlichkeit und Tatendrang.“673 Besonders nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde Goethes Faust hoch besetzt und stand für deutsche Kultur und Identität schlechthin. Die gespaltene Gestalt, die nach Höherem strebte und dazu einen Pakt mit dem Teufel schloß, recht- fertige auf ihre Weise - durch die Hand des genialen Dichterfürsten unan- greifbar gemacht - die demütigende Erfahrung des verlorenen Ersten Welt- kriegs.

2. Ars magna lucis et umbrae Kein Wunder, wenn Friedrich Wilhelm Murnaus Faust. Eine deutsche Volks- sage (1926) die Literaturverfilmung schlechthin und das „kinematographische Nationaldenkmal der Deutschen“674 werden sollte. Die Ufa675 wollte mit diesem Faustfilm internationale Standards übertreffen und den Weltmarkt erobern, entsprechend international war die Besetzung.676 Da während der Drehar- beiten in den Studios der Ufa gleichzeitig mit dem Tonfilm677 experimentiert wurde, überlegte Erich Pommer678 sogar eine mehrsprachige Nachverto-

669 Jürgen Paech, Literatur und Film, Stuttgart 1988, S. VII 670 Ebd. 671 „Sein Name (ist) zum Symbol eines Weltverhältnisses geworden (..) ...die Art und Wei- se, wie sich die Generationen dieses Symbols bedienen, (sagt) mehr über ein jeweili- ges, historisch bedingtes Weltverhältnis aus (..) als über das historische Urbild." Middel, Faust und kein Ende, a.a.O., Bd. 1, S. 6 672 Bernhard Kloos, Faust. Leben und Legende des Doktor Faustus und des Faust, S. 15- 23, Pressemappe zum Film Faust von Dieter Dorn, S. 19 673 John Landquist, Das künstlerische Symbol, Imago IV, 1920, S. 297-322, S. 298 674 Kreimeier, Geschichte der Ufa, a.a.O., S. 164 675 Zur Geschichte der Ufa (Universum-Film AG), die im Dezember 1917 gegründet wurde, vgl. Klaus Kreimeier, Die Ufa Story, München, Wien 1992 676 vgl. Elsaesser, Das Weimarer Kino, a.a.O., S. 178 677 Im Dezember 1925 wurde der erste Tonfilm Das Mädchen mit den Streichhölzern nach dem Tri-Ergon-Verfahren hergestellt. Vgl. ebd. 678 Erich Pommer war von Februar 1923 bis Januar 1926 der Leiter aller Ufa- Produktionsbetriebe. Er verließ die Firma und ging nach Amerika. Im November 1927 kehrte er zur Ufa zurück. Mitte Oktober hatte Murnaus Faust Premiere. Vgl. ebd. sowie Herbert Holba, Günther Knorr und Peter Siegel, Reclams deutsches Filmlexikon, Stutt-

140 Doktor Satansohn nung. Faust. Eine deutsche Faustsage war 1926 die letzte stumme Faustver- filmung, aber es war der erste Film, der zusammenhängend Goethes Faust I verfilmte, wenn er auch viele Elemente der Historia von D. Johann Fausten und der Fausttragödie Marlowes aufweist. Kracauer schrieb, „die Ufa schien entschlossen, aus diesem Film ein Kulturdenkmal zu machen.“ Aber die Schwar- ze Kunst setzte sich vor den nationalen Auftrag, denn wie Kracauer hervor- hob, ergoß sich „technischer Erfindungsgeist... über Engelserscheinungen und teuflische Zaubertricks.“679 Murnau erweiterte die Zauberszenen der Geschich- te auf die Ebene der bewegten Kamera und schuf neunzig Minuten Film voll magischer Bilder.680

Die Erwartungen, die in Murnaus Faustfilm gesetzt worden waren, brachen sich offenbar an der (verdoppelten) Magie des Stoffes und des Films. Die Premierenkritiken beurteilten den Film als „bestenfalls weniger bemerkenswert“ und „schlimmstenfalls... als Schändung der deutschen Nationaldichtung.“681 Bern- hard von Brentano schrieb unmittelbar nach der Uraufführung: „Man ging ins Theater, um Faust, eine deutsche Volkssage, zu sehen. Man sah eine Illustration zu dem Werk Goethes mit einer Reihe von Abänderungen, welche ein Regisseur unbe- kümmert vorgenommen hatte. Wußte Herr Murnau nicht, daß in der Volkssage kein Wort von Gretchen steht, das eine ureigene Erfindung Goethes ist? Er tat von Goe- the weg, was er nicht verstand, und fügte aus eigenen hinzu, was kein Zuschauer begriff. Daß diesen Stoff kein zweiter Sterblicher bewältigen würde, war vorauszuse- hen, ihn zu verfälschen, blieb dem Jahre 1926 vorbehalten.“682 Und Willy Haas bemerkte lakonisch in Literarische Welt: „Er (Murnau D.M.) durfte nicht alles auf einmal tun.“683

Die hohe Besetzung des Dichterwortes läßt sich auch am Intermezzo der Zwischentitel nachzeichnen. Etwa ab 1907 waren Zwischentitel ‘der Ort für Literatur‘ im Film. Im „Einfügen der Zwischentitel“ sah noch Gollub ein wichti- ges Mittel, „den Film einen literarischen Schritt weiter“ zu bringen.684 Für Faust. Eine deutsche Volkssage hatte Hans Kyser, der Drehbuchautor, die Zwi- schentitel verfaßt. Die Ufa engagierte als Garanten einer erfolgreichen Lite- raturverfilmung jedoch Gerhard Hauptmann für deren erneute Abfassung. Hauptmann ging davon aus, er könne „diesem stummen Werk diejenigen Worte mitgeben, die, wie Zündungen den geistigen Motor des Zuschauers beleben und ihn selbst, den Zuschauer immer wieder sozusagen ins Bild setzen... Ich sah den Film, dessen Materie ohne Beschriftung einer naiven Menge nicht verständlich wer- den kann. Die Schriften aber im Filmmanuskript, so genannte Titel in der Filmspra- che, waren... von einer so vollendeten Leere und Nichtigkeit, daß keine Verbesse- rung dieses dürftige und leichtsinnige Zeug lebensfähig gemacht hätte... die Direkti- on der Ufa (hatte) durchaus Grund (..), sich nach anderen Titeln umzusehen um so einem kostbaren Filmwerk eine Vollendung zu geben.“685 Gegen Hauptmann, der zügig neue Zwischentitel entwarf, polemisierte Kyser, der als „fanatischer Verfechter der Filmkunstidee“686 galt: „Wer diese Verse (und wären sie von Goethe)

gart 1984 679 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 158 680 Elsaesser unterstrich: „Der Film wurde... ein Spektakulum dermaßen verblüffender Spezialeffekte, das bis zu Kubricks 2001 – A Space Odyssee fast fünfzig Jahre später unübertroffen blieb.” Elsaesser, Das Weimarer Kino, a.a.O., S. 178 681 Hans-Joachim Neumann, Faust. Eine Deutsche Volkssage, in: Lexikon der phantasti- schen Films, Stichwort: Faust, Ergänzungslieferung, März 1987, S. 1-7, S. 6 682 Bernhard von Brentano, Frankfurter Zeitung, 18.10.1926 683 Literarische Welt, Jg. 2, 1926, Nr.44, S. 7 684 Gollub, Deutschland verfilmt, a.a.O. 685 Briefentwurf an Hans Kyser, in: Hätte ich das Kino, a.a.O., S. 264 (Hervorhebung D.M.) 686 Oskar Kalbes, Vom Werden Deutscher Filmkunst, Hamburg 1935, S. 68-70

Doktor Satansohn 141 nachträglich einzufügen wagte den stummberedten Bildern, die in Murnaus genialer Inszenierung wahrlich in einem hinreißenden Rhythmus von Spiel, Licht, Einstellun- gen, Linie bewegten Apparat selbständig schwingen, gehört in die Klippschule für Filmdramaturgie.“687 Über diesen Konflikt schrieb Estermann noch 1965: „Wo er (Hauptmann D.M.) mit dem Film in Berührung kam, mußte er sich auf ein nicht mehr zumutbares literarisches Niveau begeben. Das aber liegt am Film.“688 Schließlich wurden Hauptmanns Zwischentitel, die durchweg als „Knittelver- se“ betrachtet wurden, in einem Programmheft abgedruckt, und Kysers Titel in den Film gefügt.689

Erich Rohmer690 verglich (wie Lotte Eisner691) das Licht in Murnaus Faustfilm mit dem Licht auf Rembrandts Gemälden und stellte den Film erneut ins Verhältnis zur etablierten Kunst. Er stellte die Ordnung des Filmraumes (Bild- und Architekturraum) in den Mittelpunkt seiner Untersuchung und drang nahezu mikroskopisch in jedes Filmbild ein. Die Bildlichkeit der Faustgeschichte schrieb Rohmer Goethe zu. Er hob hervor, „daß Murnau und Kyser Goethe schließlich doch ziemlich treu blieben, trotz ihrer Neigung, sich von ihm zu entfernen und zu den Quellen des Mythos zurückzugehen (‘eine deutsche Volkssage’ heißt es im Vorspann), hat seinen Grund vielleicht auch darin, daß im Stück selbst die kinematographische Transskription schon angelegt ist... Die Fausttragödie ist, im zweiten Teil eher film- als bühnengerecht.“ In der Anmer- kung hierzu hieß es: „In seiner Einleitung zur Übersetzung von Faust II erinnert Henri Lichtenberger daran, wie stark bei Goethe die Neigung zum Bildnerisch- Visuellen war: ‘In Faust II ist Goethe noch mehr Augenmensch als sonst, sein Dra- ma ist ein phantastisches Zauberstück, eine ununterbrochene Folge von Kunstvisi- onen.‘“692 Rohmers Analyse schloß einen Vergleich von Murnaus Faustfilm mit anderen Faustfilmen aus, auch wurde das filmgerechte Zauberstück nicht mit dem Medium in Zusammenhang gebracht. Indem Rohmer in das Bildinnere eindrang, verlor er die charakteristischen Merkmale des Faust- films aus den Augen und verband die „kinematographische Transskription“ des Faust mit der Begegnung von Genies wie Goethe, Rembrandt und Murnau.

Folgendes Filmplakat kündigte den Faustfilm Murnaus an. Es folgt eher ei- ner zeichnerischen Linie als der Technik eines Ölgemäldes. Im oberen Teil des Plakates sind die drei apokalyptische Reiter Not, Pest, Krieg abgebildet. Sie galoppieren auf die Erde zu, die unter einer Banderole mit der Aufschrift Faust zu sehen ist.

687 Hätte ich das Kino, a.a.O., S. 262. 688 Estermann, Die Verfilmung literarischer Werke, a.a.O., S. 219 689 „Hauptmanns Knittelverse, prompt geschrieben, verstörten die Ufa.“ (Hätte ich das Ki- no, a.a.O., S. 264) Seine Faustgedichte wurden bei der Premiere, so Lotto Eisner (Die Dämonische Leinwand, a.a.O., S. 301) noch gezeigt, später aber entfernt. Nach Krei- meier lief „der Film (..) mit Kysers Texten. Hauptmanns Verse ließ der Konzern als Bro- schüre drucken und in seinen Kinos verkaufen.“ Ders., Geschichte der Ufa, a.a.O., S. 165. Vgl. auch Gerhard Hauptmann, Worte zu Faust. Eine deutsche Volkssage, Berlin 1926 690 Eric Rohmer, Murnaus Faustfilm. Analyse und szenisches Protokoll, (1977) München, Wien 1980 691 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O. 692 Rohmer, Murnaus Faustfilm , a.a.O., S. 43 (Hervorhebungen D.M.)

142 Doktor Satansohn

Abb. 58: Filmplakat, Friedrich Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volks- sage, 1926

Unterhalb des Schriftbandes ist der alte Faust abgebildet, der einen Kran- ken behandelt. Zwei dämonische Gestalten in weißen Kapuzenmänteln ste- hen hinter ihm. Eine der Figuren reicht Faust eine Desinfektionsschale, Rauch steigt auf. Die andere blickt aus dem Bild in Richtung des Betrach- ters. Im Vordergrund steht eine Frau mit Kind. Sie blicken zu Faust und wenden dem Betrachter den Rücken zu. Margarete mit geschlossenen Au- gen und gefalteten Händen steht links hinter Faust. Ein herzförmiger Kragen umschließt ihr Dekolleté. Auf dem Filmplakat ist Mephisto nicht zusehen, es scheint er befindet sich unter den Betrachtern und die Kapuzengestalt spie- gelt seinen Blick wieder. Die kolorierte Zeichnung erscheint als endloser Streifen eines abgewickelten Filmbandes, aus dem flüchtige Figuren hervor- treten. Die Zeichung steht in Opposition zu Murnaus malerischen Filmbil- dern, über die Lotte Eisner schwärmte: „Formen blühen opalisierend aus dem Dunkeln heraus.“693

Das erste Bild des Films ist eine Texttafel. Sie lautet: „Siehe: Aufgetan sind die Pforten der Finsternis und die Schatten der Völker jagen über die Erde...“ Die Fins- ternis, welche die Schatten versteckt, wird von einem Lichtsturm aufgeris- sen. In den Spalten erscheinen in Doppelbelichtung drei apokalyptische Rei- ter. Sie werden von Lichtstrahlen getroffen, die das Bild zerschneiden und wiegen sich wie überdimensionale Marionetten im düsteren Himmel. Unmit- telbar hinter ihnen erscheint der Gehörnte (Emil Jannings) auf einem riesi-

693 Eisner, Die Dämonische Leinwand, a.a.O.

Doktor Satansohn 143 gen Vogel. Im Zentrum der Großaufnahme seines Gesichts stehen diabo- lisch leuchtende Augen. (6. Bild) Er ist ein animalisches Wesen mit kahlem Schädel, kurzen Hörnern, buschigen Augenbrauen und den spitzen Ohren einer Fledermaus. Wie im Faustpuppenspiel erscheint gleich in der ersten Szene die ganze Schar angsteinflößender Höllengeister. Der Erzengel (Werner Fuetterer), hell wie das Licht, stellt sich ihnen mit ausgebreiteten Flügeln und erhobenem Flammenschwert entgegen. Der schwarze Teu- felsvogel wendet sich mit zum Kampf geöffneten Flügeln gegen den leuch- tenden Götterboten im hellen Strahlenkranz.694 Ganz offensichtlich werden hier Licht und Schatten - die Quelle des Lichtbildes - zum Thema erhoben. Eric Rohmer betonte, daß Murnaus Faustfilm „am meisten mit Malerei zu tun (hat), weil der Kampf zwischen Licht und Schatten sein Thema ist."695 Klaus Krei- meier verwies auf den Kampf zwischen Licht und Schatten als Metapher des Kampfes zwischen Faust und Mephisto. Die Teufelsgestalt trat seit al- tersher in Camera obscura und Laterna magica aus dem ‘Kampf‘ von Licht und Schatten hervor, deren Schöpfer der gebündelte Lichtstrahl war.

Der Erzengel pariert Mephisto und zeigt ihm den alten Faust (Gösta Ek- man), der einen großen Folianten aufgeschlagen und seine Schüler um sich versammelt hat. Faust ist ein alter Mann im Gewand eines mittelalterlichen Gelehrten. Neben ihm steht ein beleuchteter Globus. Licht fällt auf das ge- öffnete Buch und wirft Fausts Schatten an die Wand.696 Eine Großaufnahme zeigt Fausts nachdenklichem Gesicht und beendet die Sequenz. Die Debat- te der übernatürlichen geflügelten Wesen beginnt. (Zwischentitel: „Sahst Du den Faust? - Ein Schelm wie alle. Er lehrt das Gute und treibt das Böse. - Gold will er schaffen und den Stein der Weisen.“) Ein Schnitt führt zu Faust, der in sei- nem Labor hantiert. Es brodelt, zischt, Licht flackert, elektrische Funken sprühen. Das Licht wird heller, die Dämpfe werden undurchdringlicher, Faust weicht zurück, hält sich schützend den Arm vor das Gesicht. Satan und Erzengel wetten, ob Faust vom Teufel verführbar sei. Mit einer Groß- aufnahme des Teufelsgesichts ist der Gegenspieler Fausts bestimmt, und der Prolog im Himmel beendet.

Die folgende Sequenz beginnt mit dem Bild einer friedlichen, gotischen Stadt, deren Mittelpunkt ein Kirchturm ist. Es ist ein Gemälde von Albrecht Altendorfer, der etwa von 1480 bis 1538 lebte, eine Zeit, in der auch Faust gelebt haben soll. Das Gemälde bleibt drei Sekunden stehen und wirkt wie eine Pause in der Musik, denn es leitet einen Wechsel der Bilder ein. Wäh- rend die Anfangssequenz eher Theaterbilder aufgriff, werden in nachfolgen- der Jahrmarktssequenz ganz und gar Filmbilder inszeniert. Die Kamera be- obachtet die Aktionen eines Lustigmachers von einer Position seitlich hinter ihm und blickt gleichzeitig ins Publikum. Er schlägt Purzelbäume, springt in die Luft und neckt seine Zuschauer. Ausgestattet mit Narrenkappe, Pelerine und langer Nase muß nicht lange daran erinnert werden, daß er wesentliche Merkmale des mittelalterlichen Teufels trägt. Der Spaßmacher wurde ein konstitutiver Bestandteil der Faustgeschichte. Toeplitz unterstrich, daß sich

694 Rohmer schrieb: „Das Licht kommt, wie man sieht, aus zwei Quellen. Erzengel und Teufel kämpfen mit derselben Waffe, ausgestattet mit derselben Kraft, die anzieht - wenn sie schmückt, was sie berührt - und abstößt - wenn das Auge ihren heftigen Glanz nicht ertragen vermag.“ Rohmer, Murnaus Faustfilm a.a.O., S. 57 695 Ebd. S. 14 696 Es ist das einzige Bild, das auf eine Spaltung des Magiers verweist. Im Zwischentitel lobt Faust all die wunderbaren Dinge im Himmel und auf Erden, bezeichnet aber die Freiheit des Menschen, zwischen Gut und Böse wählen zu können, als das größte Wunder. Bei Lessing hatte Faust den Teufel daran erkannte, daß er sich zwischen Gut und Böse schneller hin und her bewegte als Lichtstrahlen.

144 Doktor Satansohn

Faust und Film auf dem Jahrmarkt trafen. Ein Schnitt zeigt einen Mann, der auf einer Schaukel sitzt und in das Bild hinein und wieder heraus schwingt. Mit einem weiteren Schnitt folgt der Film dem Schaukelnden. Halbnah wer- den nun drei Schaukeln gezeigt, die hin- und zurückschwingen. Hier wurde der Film als Film – die Bewegung der Bilder als Bewegungsbild - inszeniert. Eine Totale führt das Kinopublikum über den Jahrmarkt zur Aufführung ei- nes Schattenspiels. Das folgende Bild ist aufgeschlagen wie ein Buch. Es teilt die Leinwand in der Mitte und zeigt zwei Bilder. Auf einer Bildhälfte ist das Schattenspiel zu sehen, auf der anderen die erheiterten Zuschauer. Die Jahrmarktssequenz kann gegenüber der bühnengerechten Einführung als filmischer Prolog betrachtet werden. Der filmische Prolog schließt mit dem wiederum für drei Sekunden feststehenden Filmbild des Altendorfer Gemäl- des die verdoppelte Einleitung ab.

In der folgenden Sequenz fällt Mephistos Schatten auf die Stadt und ein auf- kommenden Sturm verdunkelt das Bild. Der lustige Akrobat stürzt zu Boden – die Pest bricht aus. Die Seuche wütet verheerend. Faust arbeitet vergeb- lich, um ein Mittel gegen die tödliche Krankheit zu finden. Verzweifelt wirft er Bücher, auch die Bibel, ins Feuer. Carl Hoffmann filmte durch die Flammen in Fausts Ofen.697 Der Ofen gilt als Sitz des Bösen, und die Kameraeinstel- lung bringt den Blick des Teufels ins Spiel. Eine Großaufnahme zeigt einen alten Folianten im Feuer, der wie von Geisterhand aufgeschlagen und um- blättert wird. Auf halb verkohlten Seiten ist zu lesen: Der Dreyfach gewaltige Schlüssel zum Zwange der höllischen Geister, und es wird eine Zeichnung von einem Dämon sichtbar, der einem Wissenschaftler die Bücher durcheinan- derwirft. Faust ist aufmerksam geworden und liest den Höllenzwang.

Die vierte Sequenz zeigt die Beschwörung des Teufels auf einer Wegkreu- zung, die von knochigen Bäumen eingerahmt ist.698 (Totale) Faust (halbnah) tritt mit dem Höllenzwang in Händen zu mitternächtlicher Stunde bei Voll- mond auf den Schnittpunkt des einsamen Kreuzweges.699 Er zieht mit dem Buch700 einen magischen Kreis um sich herum. Er wiederholt den Vorgang und auf einmal beginnt der Kreis zu glühen, leuchtet hell auf und entwickelt sich zu immer neuen flammenden Feuerringen, die in die dunkle Nacht hi- naufsteigen. Plötzlich zucken Blitze; ein Sturm bricht los und ein siedender Feuerball fällt auf die Erde. Flammen lodern hell auf. Das Feuer brennt her- unter und eine fremde, in Lumpen gehüllte Gestalt, eine Kappe auf dem Kopf, sitzt am Wegesrand.701 Carl Hoffmann702 beschrieb wie die Rauchwol- ke des Spuks entstand: „Entfesselte Feuerlöscher, Wasserdampf, der aus Dut- zenden von Rohren hervorquillt, dazu noch Dämpfe der verschiedensten Säurearten, alles durch Flugmotoren im Chaos herumgewirbelt.“ Nach Kreimeier dienten die

697 Ein Motiv der europäischen Folklore ist auch das der Verjüngung durch das Ofenfeuer. Vgl. Eliade, Schmiede und Alchimisten, a.a.O., S. 113. Den Teufel hatte Luther mit dem Einsatz des Tintenfaß vertrieben. Er warf just jenen Gegenstand, welcher die für den Pakt wichtige Flüssigkeit enthielt, an die Wand hinter den Ofen, wo der Sitz des Teufels vermutete wurde. Auch bei Faust kam der Teufel hinter dem Ofen hervor. Vgl. Stichwort: Mephistopheles, in: HDA, Bd. V, a.a.O., Sp.174-177, Sp. 174 698 Knochigen, alten Bäumen wird mitunter eine magische Kraft zugesprochen. 699 Der Kreuzweg gilt von altersher als schicksalsträchtiger Ort, da hier die Wege zusammenlaufen, aber niemand weiß, wohin sie führen. Das Symbol des Kreuzes, das den Bösen abschreckt, spielt für die magischen Kräfte des Kreuzweges nur eine untergeordnete Rolle. Vgl. Stichwort: Kreuzweg, in: HDA, Bd. V, a.a.O., Sp. 517-542 700 Das Buch beinhaltet nicht nur die magische Formel, sondern es kommt beim Höllen- zwang sogar zu Einsatz. 701 Der Böse erschien im prometheischen Feuer und ist wie in Méliès Le Cabinet de Méphistophélès (1897) ein Bettler. 702 Zit. n. Kreimeier, Die Geschichte der Ufa, a.a.O., S. 127

Doktor Satansohn 145

Ufa-Studios dem Murnau-Team als Alchemistenküche, in der sie den Faust- film hervorzauberten. Danach waren die Filmateliers „eine Mischung aus Fab- rikhalle und mittelalterlichem Laboratoriums“, worin „jene geheimnisvoll, von Langlois als magisch empfundene Kommunikation der Talente, jene ’Alchemie’ der Geister entstand, die im Filmprodukt in der Tat zu neuen Legierungen führte.“703 Faust und Film, das ist eben eine Fusion magischer Vorstellungen und technischer Tricks.

Entsetzt flieht der Magier beim Anblick der kümmerlichen Gestalt davon.704 Aber überall, wo er hinkommt, hockt schon der schauerliche Unbekannte. Als er schließlich zurück in die Studierstube gelangt, erwartet ihn auch dort der verlotterte Höllengeist705, der sofort den aufgesetzten Pakt706 aus der Ta- sche zieht und Faust auffordert, mit einem Tröpfchen Blut zu unterschrei- ben. Faust verschreibt sich für einen Tag dem Teufel. Eine Sanduhr beginnt zu laufen. Kaum ist der Vertrag unterzeichnet707, hat Faust heilende Kräfte, und er beginnt mit der Rettung der Pestkranken. Als er aber das Kreuz auf der Brust einer Kranken nicht überwinden kann, beginnt die aufgebrachte Menge, ihn zu steinigen. Er flieht gebrochen zurück in sein Arbeitszimmer und will sich töten, aber der Teufel verführt ihn erneut mit dem Bild eines schönen Jünglings.

Die erste Verführungssequenz des Films findet zwischen dem werbenden Teufel und dem hoffnungslosen Faust statt. Der Teufel ist ein aktiver Ver- führer, der Faust liebevoll umgarnt. Mephisto hält seine Hand über Faust (halbnah), legt seine Wange an Fausts Kopf. Wange an Wange schmei- chelt sich der Böse ohne jegliche körperliche Distanz ein. Mephisto flüstert Faust ins Ohr (nah - groß wird Mephistos Mund an Fausts Ohr gezeigt). Faust schließt die Augen. (Zwischentitel: „Ich bin zu alt!“) Faust geht nach vorn (halbnah), läßt sich auf den Stuhl fallen. Mephisto faßt an seine Schul- ter und holt den kleinen Spiegel hervor, indem das Bild des schönen Jüng- lings zu sehen ist. Faust wendet sich ab und verlangt nach der Jugend (nah). Er fällt auf den Tisch, Mephisto beugt sich über ihn und schaut ihm in die Augen. Es sind durchweg halbnahe, nahe und große Einstellungen, de- ren weiche Montage dem empfindsamen Verführungsprozeß entspricht. Ohne großen Abstand zwischen ihren Körpern und zur Kamera sowie ohne harte Schnitte konstituiert sich das Paar Faust Mephisto in inniger Begeg- nung.

703 Ebd. 704 Auch Frankenstein floh entsetzt, nachdem er das Monster erschaffen hatte. 705 Auch Balduins Spiegelbild war am Ende von Ryes Der Student von Prag Allzeit da. 706 Der Vertrag lautet: „Ich entsage Gott und seinen himmlischen Heerscharen, und dafür soll mein sein alle Macht und Herrlichkeit der Welt.“ (Zwischentitel) 707 Mephisto ritzt Fausts Ader mit einem Federkiel auf und taucht das Schreibwerkzeug in das Blut. (Zwischentitel: „Es schreibt sich bindender mit Blut.“)

146 Doktor Satansohn

Abb. 59: Erste Verführungssequenz, Friedrich Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926, Gösta Ekman als Faust, Emil Jannings als Me- phisto

Abb. 60: Erste Verführungssequenz, Friedrich Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926, Gösta Ekman als Faust, Emil Jannings als Me- phisto

Dem Teufel gelingt es, Faust mit dem Gift der Jugend zu verführen. Er setzt hierzu seinen ganzen Körper ein. Der tänzelnde Mephisto umschwärmt Faust, kommt ihm nahe und nimmt den Wehrlosen schließlich in seine Ar- me. Mephisto zeigt ihm den jungen Mann im Spiegel, und Faust sieht ihn begehrlich an. Das Feuer des Begehrens beginnt zu lodern und er bittet den Dämon: „Gib mir die Jugend!“ (Zwischentitel) Eine schummerige Stimmung, die das flackernde Licht des Kaminfeuers erzeugt, begleitet die dämonische Verführungsszene. Mephisto holt ein Tuch, wirft es über den Ohnmächti- gen, bläst ins Kaminfeuer, dies breitet sich aus, verbrennt das Tuch über Faust und der schöne Jüngling liegt da. Nach Gaston Bachelard war das Feuer ursprünglich „eine sexuelle Eroberung.“708 Das Feuer stellt die Kraft der Zeugung dar. Aber das Feuer kann erlöschen, wie im Alter die Manneskraft

708 Gaston Bachelard, Psychoanalyse des Feuers, Stuttgart 1959, S. 73

Doktor Satansohn 147 und das Begehren versagen können. In Murnaus Faustfilm entzündete Me- phisto den alten Faust und gab ihm die Kraft, das Feuer der Jugend, zurück. Der Alchemist war stets allein in seinem Laboratorium, allein mit dem Feu- er, allein mit der prometheischen Macht. Schon vor der Erscheinung des Dämons zeigte sich – so Bachelard -, „daß sich durch die ganze Alchemie eine weitverzweigte sexuelle Träumerei, eine Träumerei vom Reichtum und von der Ver- jüngung, eine Träumerei von der Allmacht zieht.“709 Murnau zeigte in der Ver- wandlungsszene, wie der Teufel das Begehren in Faust wieder weckt, wie er das innere Feuer anbläst und wie die Flammen (der Liebe und der Ju- gend) auf den alten Mann überspringen. Den alten Faust hatte Satan wäh- rend des Umwandlungsprozesses flugs in einen Taschenspiegel eingefan- gen und unter seiner Jacke versteckt.

So ein schöner Jüngling ist eine Herausforderung, und auch Mephisto ist gezwungen, sich zu verändern.

Abb. 61: Emil Jannings als verdoppelter Mephisto, Friedrich Wilhelm Mur- nau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926

Aus dem angegrauten Beelzebub kommt ein attraktiver Verführer hervor. Es ist das Bild eines romantischen Teufels. Er trägt ein seidiges dunkles Cape, dessen Kragen wie bei einem Königsmantel hochgestellt ist. Seine dunklen Haare laufen auf der Stirn spitz zusammen und aus seinem Hut ragt eine lange Pfauenfeder empor. Für einen kurzen Moment zeigt das Bild zwei Gestalten des Bösen nebeneinander, dann verschwindet die ungepflegte Erscheinung, und der stolze Diabolus bleibt zurück. Natürlich erinnern die beiden Gestalten des Bösen an Dr. Jekyll und Mr. Hyde - nur sind hier beide herzlos. Der edle Geselle tritt zu dem ‘Prinzen‘ ans Bett und ‘küßt’ ihn zwar nicht wach, aber bringt wiederum sein Gesicht sehr nahe an das Faust‘s und fährt mit der Hand darüber hinweg. Vor Mephisto liegt ein schöner, be- gehrender und begehrenswerter Jüngling voller Potenz, ein femininer Prinz aus einem Märchenland, dessen Gesicht sanft und zart ist. Er liegt ent- spannt da im Gewand eines Edelmanns mit passendem Samtbarett.710 Der Jüngling schlägt die Augen auf (groß), und das nächste Bild zeigt ihn in der Totalen, seinen Oberkörper zurückgelegt, mit leicht geöffneten Beinen. Er

709 Ebd. S. 84 710 Das Kostüm erinnert an die Kleidung Georges Méliès als Faust in Damnation de Faust.

148 Doktor Satansohn hat überhaupt kein Interesse daran, seine infernalische Verwandlung im Spiegel zu betrachten, so wie etwa Dr. Jekyll nach der Einnahme des Ver- wandlungselixiers zum nächsten Spiegel läuft. Eine seltsame Auslassung, die allerdings einen bemerkenswerten Hinweis auf die folgende Szene gibt, in der ihm Mephisto die Erscheinung der Herzogin von Parma (Hanna Ralph) zuführt.

Die Vision Gretchens diente in den Faustfilmen Méliès‘ und Smiths dazu, den Magier zum Vertragsabschluß zu bewegen. Hier erscheint die Fata morgana einer schönen Frau nach der Verwandlung und stellt sich Faust wie sein eigenes Spiegelbild gegenüber. Faust steht kraftvoll von seinem Lager auf, hat aber das Trugbild in seinem Rücken noch nicht entdeckt. Er dreht sich ahnungslos um und erblickt die zauberhafte Erscheinung. Voller Entzücken fällt er euphorisch vor ihr auf die Knie. Die allmächtige Illusion der Parade vor dem Spiegel läßt ihn augenscheinlich sein eigenes Spiegel- bild in dem Bild der schönen Frau erblicken.

Abb. 62: Weibliche Vision 1, Gösta Ekman als Faust, Hanna Ralph als Her- zogin von Parma

Doktor Satansohn 149

Abb. 63: Weibliche Vision 2, Gösta Ekman als Faust, Hanna Ralph als Her- zogin von Parma

Abb. 64: Weibliche Vision 3, Gösta Ekman als Faust, Hanna Ralph als Her- zogin von Parma

Seine nach der weiblichen Vision begehrlich ausgestreckten Arme machen aus dem Phantombild gleichzeitig eine Fata morgana des Begehrens. Das Wahnbild des weiblichen Körpers, das hier zum Spiegelbild des magisch verjüngten Faust wird, ist gleichzeitig ein Fetisch, der – so Pontalis - die Aufgabe hat, Freunde zu vereinen und gleichzeitig zu trennen. In diesem Sinn ist das illusionäre Bild der schönen jungen Frau auch der Versuch ei- ner visuellen Auflösung der diabolischen Verschmelzung der männlichen Protagonisten. Pontalis hob hervor: „Als bestünde am Ursprung der Einsetzung des Fetisches eine unerträgliche Nichtbefriedigung angesichts dessen, was das Lie- besobjekt bietet - oder nicht bietet... so als spiele bei der Aneignung des Fetisch die Forderung mit, daß es mein Besitz, mein Geheimnis, für mich der konkrete Zeu- ge jenes Widerspruchs sei: Das Ausüben der Macht auf das was mich be- herrscht.“711 Das weibliche Phantom geht langsam auf Faust zu, blickt wie ein Spiegelbild zurück, dreht sich bedächtig um, als wolle es sich von allen Seiten zeigen, löst sich plötzlich auf und ist verschwunden. Mephisto ist während dieser Szene nicht im Bild. Der nun folgende Schnitt zeigt ihn, wie er voll Voyeurismus Faust beobachtet. Er kneift ein Auge zu. „Zu ihr... zu ihr!“ lautet der Zwischentitel, und sogleich zaubert Mephisto einen gleißenden Flug-Mantel aus dem Feuer und legt ihn vor Faust nieder. Dieser - noch kniend, so daß es scheint, er bete Mephisto an - richtet sich auf. Mit ausge- breiteten Armen stehen sie einander gegenüber, Faust betritt den Mantel und Mephisto legt schützend sein Cape um ihn. Eine Scheibe des Fensters zerspringt, Wind dringt ins Zimmer und schon fliegen sie davon. Auch bei George Albert Smith verließen Faust und Mephisto als jugendliche Freunde das Zimmer, und mit dieser Szene endete Smith‘ Faustfilm. In gewisser Weise ist auch hier Murnaus Faustfilm zu Ende.

Der schon in den Höllenzwängen angestrebte zauberische Mantelflug stellt sich auch hier als zentrales Thema dar und war filmtechnisch beispiellos

711 J.-K. Pontalis, Objekte des Fetischismus, Frankfurt a.M. 1972, S. 13

150 Doktor Satansohn gemacht. Carl Hoffmann berichtete, daß „eine schmale Gipsbahn gebaut wurde, über die ein auf hohen Gummirädern laufender Wagen mit darauf montierter Kamera gezogen wurde. Die Gipsbahn stieg an und fiel ab wie eine sogenannte Geisterbahn. Dadurch sollte das Auf-und-ab-Schwenken demonstriert werden,- die Landschaft be- stand aus Modellen, denn Aufnahmen aus dem Flugzeug hätten nur Schnittwerk er- geben und wären nur real und nicht mittelalterlich romantisch gewesen.“712 Die Landschaftsmodelle713, über die der Wagen rollte, entstanden ebenfalls nach Gemälden von Albrecht Altendorfer. Im Gegensatz zur Bewegung des gefilmten Motivs ist der Filmraum hier von der Bewegung der Kamera be- stimmt. Im Mantelflug verdichtet sich die Vorstellungen des Fliegens - als Bild einer Erregungsform - und des Mantels in seiner Schutzfunktion. Der Mantel bedeckt das intime Geschehen zwischen den Protagonisten. Faust - von Mephisto während des Flugs schützend im Arm gehalten - duckt sich ängstlich und schaut noch zweifelnd, während Mephisto zuversichtlich einer gemeinsamen Zukunft entgegenstrebt.

Abb. 65: Mephisto und Faust fliegen auf dem Zaubermantel, Gösta Ekman, Emil Jannings

In dieser Sequenz ist der Film als Film in seinem Element. Trotz des Rück- griffs auf die Historia von D. Johann Fausten verzichtete Murnau auf das spek- takuläre Ende des Teufelsbündlers, dessen grausame Höllenfahrt. Diese Ausklammerung verweist jedoch auf ihr Äquivalent, welches im Mantelflug gesehen werden kann. Eine Höllenfahrt metaphorischer Art, denn Faust be- findet sich auf dem verachteten und mit Strafen belegten Weg einer verbo- tenen Beziehung.

Nun beginnt der zweite Teil des Films, oder besser gesagt, der zweite Film, denn mit Fausts Verjüngung verändern sich auch gänzlich die Filmbilder. War die Kamera bislang teilnehmend (sie flog beispielsweise mit den Pro- tagonisten), ist sie jetzt kühle Beobachterin, so wie Mephisto, der eher dis- tanziert und kühl das Ende des Schauspiels abwartend beobachtet. – Ihr Flug bringt sie an den in Lichterglanz erstrahlenden Hof der Herzogin von Parma, wo gerade deren Hochzeit gefeiert wird. (Es ist eine bunte Revue, in der Tänzerinnen fließende Stoffe exotischer Kostüme fliegen lassen.) Me-

712 Zit. n. Kreimeier, Die Ufa-Story, a.a.O., S. 129-130 713 Robert Herlth und Walter Röhrig modellierten die Landschaft.

Doktor Satansohn 151 phisto verschafft Faust eine Liebesnacht. Rohmer schrieb hierzu, daß „die Kamera ihren Bewegungen leicht nach unten folgt... noch ein Kuß in dem schwin- genden Licht. Faust dreht sich um, als ob er die Gegenwart einer dritten Person spü- re.“ 714 Just in dem Moment als Faust mit der Herzogin ins Bett sinkt, ist die Probefrist des Teufelspaktes abgelaufen. Eilig unterschreibt Faust das Ab- kommen auf immer, und verfällt dem Teufel für die momentane sexuelle Befriedigung. Vom Baldachin aus beobachtet Mephisto die Liebenden. Er steckt distanzlos den Kopf über den Rand, mit seinem Mantel verschließt er die Szene wie mit einem Theatervorhang vor den Augen des Zuschauers.

Nach der Liebesnacht scheint Faust in tiefe Depressionen zu fallen. Das erste Bild der folgenden Sequenz zeigt ihn auf einem Felsgipfel niederge- schlagen sitzend, Nebel steigen empor, den Kopf gebeugt, die Hand vor Augen. Offenbar leidet er unter der doppelten Enttäuschung: Zum einen hielt ihn nichts bei der Herzogin (sein weibliches Spiegelbild ging also verloren) und zum anderen muß Mephisto nicht mehr um ihn werben. Ein unerklärli- ches Verlangen treibt ihn nach Hause. Sie erreichen die Heimat zu Ostern. Während die Gläubigen zur Kirche gehen, beobachtet Mephisto voll Mißmut wie Faust Gretchen (Camilla Horn) begegn. Er hebt ihr vor der Kirchentür das heruntergefallene Gesangbuch und ein Blumensträußchen auf. Ein Schnitt zeigt, wie der Bruder Gretchens, Valentin (Wilhelm Dieterle), nach Hause kommt. Mutter (Frida Richard) und Valentin fallen einander in die Ar- me.

Eine Totale zeigt Gretchen links im Mittelgrund des Bildes und Faust im Vor- dergrund an die Kirchentür gelehnt. Weder er noch Mephisto kann die Kirche betreten. Mephisto windet sich vor Schmerz und verbirgt sein Ge- sicht. Er wartet hinter einer Ecke, während Faust ungeduldig auf das Ende des Gottesdienstes und auf Gretchen wartet. Mephisto versucht vergebens Faust wegzulocken. Er scheint irritiert, wird sich aber schnell wieder seiner Macht bewußt und bietet sich als intrigierender Verbündeter an. Mit Gret- chens Tante, Marthe Schwerdtlein (Yvette Guilbert), beginnt er seine Intrige zu spinnen. Parallel zu Faust fängt er eine Liebelei mit ihr an, worin George Sadoul „eine fast sadistische Karikatur der Liebe“ sah. 715

Die zweite Verführungsgeschichte des Films spielt in einem sommerlichen Garten und zeigt, wie nun Faust, eine Funktion Mephistos übernehmend, Verführer wird. (Ein Rollentausch, der für Gretchen Fausts Part offenhält.) Eine Totale leitet ein: Faust läuft auf Gretchen zu, sie will entrinnen, er hält sie fest, tanzende Kinder schließen einen Kreis um sie. Lotte Eisner unter- strich, daß die Szene, „in der Gretchen auf der Blütenwiese von Faust verfolgt wird, gewissermaßen so eingefangen wurde, als ob der unsichtbare Mephisto ein iro- nischer Zuschauer sei.“716 Offensichtlich vertauschte Mephisto seinen Platz nicht nur mit dem des Publikums, sondern ebenso mit dem der Kamera, die ihn im Wechselspiel der Voyeure immer wieder als Beobachter einfängt. (Schon auf dem Filmplakat tauchte Mephisto nicht auf, aber gerade diese Leerstelle verwies auf den mysteriösen Beobachter.) Gretchen läuft wieder davon, Faust folgt ihr um einen Baum herum und küßt das Mädchen, das ihm in die Arme läuft. Marthe und Mephisto beobachten schmunzelnd das Paar. Als Faust Gretchen wieder küßt, hat sich Mephisto so nah herange- schlichen, daß Gretchen ihn erschreckt entdeckt. Ärgerlich beschimpft

714 Rohmer, Murnaus Faustfilm, a.a.O., S. 178 715 Sadoul, Geschichte der Filmkunst, a.a.O., S. 161 716 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 300

152 Doktor Satansohn

Faust den spottenden Teufel. Als Faust Gretchen seine Liebe an Blättern einer Margerite abzählen sieht, kniet er vor ihr nieder und steckt ihr einen Ring an.

Abb. 66: Zweite Verführungssequenz, Gösta Ekman als Faust, Camilla Horn als Gretchen

Parodiert wird das romantische Paar durch Marthe und Mephisto. Übertrie- ben hält Mephisto sein Liebchen im Arm, das selig den Kopf an seine Schul- ter schmiegt (halbnah). Die Sequenz endet mit dem Bild der ebenfalls Blü- tenblätter abzählenden Marthe.

Diese Verführungsgeschichte wurde mit viel Abstand gefilmt. Zusätzlich wurde durch die komische Nachahmung des Liebespaares diese Distanz in Szene gesetzt. Die Bilder der romantischen Liebe zwischen Mann und Frau werden dabei von schablonenhaften Bildern getragen: Kinder spielen Rin- gelreihen auf einer Blumenwiese, Faust steckt Gretchen einen Ring an und so weiter... Die Atmosphäre der Verführungssequenz zwar hell und sonnig, steht aber der kalten Emotionalität der Einstellungen (überwiegend Totale) und der Montage (Parallelmontage mit der Karikatur der Verliebtheit) entge- gen. Sadoul schrieb über diese Darstellung: „Er (Murnau D.M.) verkuppelte auf seltsame Weise sein Gretchen mit einem effeminierten Faust. Sein Sinn für das Plastische, der sonst so raffiniert, so anspruchsvoll, so sehr auf Avantgardeneue- rungen aus war, verfiel in den Kitsch der farbigen Ansichtskarte, als er ihre Liebe beschreiben wollte.“717 Das heterosexuelle Paar wurde weitaus kühler und kli- scheehafter inszeniert als das homosexuelle Paar, welches von einer inti- men Kamera bei loderndem Feuer gezeigt wurde.

Weil Gretchen sich Faust hingab, kamen Mutter und Bruder zu Tode. Die Abwesenheit des Vaters im Faustfilm steht in enger Verbindung zur Abwe- senheit der Mutter im Frankensteinfilm. Es kann geahnt werden, wer da ei- gentlich mit dem verblendeten Gretchen ins Bett geht. Der alte Faust verbirgt sich im jungen, eine folgenschwere Sachlage, die eine prekäre Inzestsitua- tion zu belegen weiß, zumal der Fall nach der Rückkehr Fausts in die Hei- mat stattfand. Aber er ist nicht der unwissende Sohn, der zurückkommt und die Mutter heiratet, wie es die parallelen Bilder der Heimkehr Valentins nahe-

717 Ebd.

Doktor Satansohn 153 legen. (Während Mutter und Valentin sich stürmisch umarmen, erwartet Faust Gretchen vor der Kirche.) Der mitleidlose Teufel entledigte sich radi- kal der familialen Begehren. Er gab Faust das tödliche Schlafmittel für Gret- chens Mutter, und er tötete Valentin, der Faust zum Duell forderte. Der ster- bende Bruder schickte die gebrochene Schwester an den Pranger, und die Frucht ihres Leibes erfror im Schnee. Die Kindsmörderin wurde zum Tod verurteilt. Faust, der nach Valentins Ermordung fliehen mußte, fordert von Mephisto die Rettung Gretchens.

Während der Scheiterhaufen errichtet wird, klagt Faust reuevoll: „O hätt’ ich nie die Jugend mir gewünscht, die solchen Kummer schuf! Verflucht... verflucht der Wahn der Jugend!“ (Zwischentitel) Das läßt sich Luzifer nicht zweimal sagen und holt das Spiegelbild des alten Mannes wieder hervor. Ein alter Mann folgt Gretchen auf den Scheiterhaufen, den sie nicht zu erkennen vermag. Erst als der Alte ihren Namen ruft, erkennt sie seine Stimme . Auf dem Scheiterhaufen festgebunden, wie Jesus ans Kreuz genagelt, blickt Gret- chen den Alten fragend an. In der Stunde des Todes wird er wieder ein jun- ger Mann. (Überblendung) Sie lächelt erleichtert. Nach Sadoul folgte Faust Gretchen auf den Scheiterhaufen, „um zu sterben und mit seinem Opfer zu neu- em Leben zu erstehen oder sich von der Befleckung eines sinnlichen Kontakts zu reinigen.“718

Der Epilog wird eingeleitet, indem die Kamera dem Rauch des Scheiterhau- fens zum Himmel folgt. Der Rauch löst sich im Strahlenkranz des Erzen- gels auf. Mephisto erscheint wie am Anfang als schwarzer Vogel und hält stolz in der rechten Hand den bindenden Vertrag. Der Himmelsbote zieht aber sein Schwert gegen ihn und bedeutet ihm, daß ein einziges Wort den Pakt zunichte gemacht hat (halbnah, Gegenschuß). Im Strahlenkranz eines klopfenden Herzens erscheint das Wort Liebe, das langsam herangezoomt wird. Das Wort wird von den weißen, herzförmigen Flügeln des Engels ü- berblendet. Machtlos muß Mephisto zusehen, wie eine Feuerböe den Ver- trag in seiner Hand verbrennt.

Abb. 67: Ein liebendes Herz, Schlußbild, Wilhelm Murnau, Faust. Eine deut- sche Volkssage, 1926

Aber das erlösende Wort Liebe, welches den Zuschauer vor dem Splatter der Höllenfahrt bewahrte und die Befreiung des alten Mannes bewirkte,

718 Sadoul, Geschichte der Filmkunst, a.a.O., S. 161

154 Doktor Satansohn scheint jedoch im Sinn Lessings nur das verblüffende Trugbild einer jungen Frau gewesen zu sein, die ihre gesamte Familie verlor und einen qualvollen Feuertod sterben mußte, weil sie zwischen das gleichgeschlechtliche Paar trat. Sie allein trug die Schuld an dem Familiendrama, jedoch rettete sie den alten Faust/Vater vor dem Teufel und der ewigen Verdammnis. Die Flam- men des Scheiterhaufens reinigten und erlösten Gretchen und Faust, wäh- rend das alchemistische Feuer das schummrige Begehren zwischen Me- phisto und Faust erst richtig anfachte.

Das alchemistische Verlangen steht aber der Liebe zwischen Mann und Frau entgegen. Sie sind in diesem Film nicht dazu bestimmt, ein Paar zu werden. Sadoul schrieb: „Im gleichem Maße, wie Murnau sich in diesen angeekel- ten und anekelnden Parodien gefiel, war er unfähig, eine normale Leidenschaft zu schildern.“719 In Faust. Eine Deutsche Volkssage gibt es nicht wirklich ein Begeh- ren zwischen Mann und Frau. Begehren richtet allenfalls der Teufel auf Faust oder der Vater auf die Tochter. Schwester und Vater werden geopfert, damit Mutter und Sohn rein bleiben. Mutter und Sohn, das eigentliche ödipa- le Paar, sterben unmittelbar nach der abgründigen Erkenntnis der schändli- chen Tat. Das Familiendrama verdeckt die ödipale Tragödie durch eine klassische Verkehrung. Eine Verkehrung, die aus dem Vater den Sohn und aus der Tochter die Mutter macht. Ein Spannungsverhältnis, das in den All- machtsphantasien homosexueller Männer entsteht, um der Mutter Mann und Frau zugleich werden zu können. Murnaus Faustfilm transportiert im Paar Faust und Teufel eine Kritik der romantischen Liebe und zeigt auf, daß für die Frau nichts anderes bereit gehalten wird als eine Fata morgana des männlichen Begehrens zu sein.

Murnau versetzte den Widerspruch des intellektuellen Naturwissenschaft- lers - nachdem das Bündnis mit dem Teufel formal bestand, aber faktisch mit dem Hinzutreten Gretchens auseinanderbrach - in die Struktur der Fa- milienordnung. Der alte Mann und der greise Vater verschwinden in der Gestalt des jungen Faust. Der Vater wird so zu seinem eigenen Sohn. Dem Vater, dem die Mutter die Braut war, streben die Söhne nach. Zum Wissen des Vaters zählt auch die Erkenntnis der Mutter, die dem Sohn verweigert ist. Bachelard schlug vor, „unter dem Namen ‘Prometheuskomplex’ all diejenigen Tendenzen einzureihen, die uns dazu drängen, ebensoviel zu wissen, wie unsere Vä- ter, mehr zu wissen als unsere Väter, ebensoviel wie unsere Meister, mehr als unse- re Meister. Aber nur, wenn wir das Objekt handhaben, wenn wir unsere objektive Er- kenntnis vervollständigen, können wir hoffen, uns besser auf dem intellektuellen Ni- veau zu bewegen, welches wir bei unseren Eltern und unseren Meistern bewundert haben... Der Prometheuskomplex ist der Ödipuskomplex des intellektuellen Le- bens.“ 720

Murnaus Faustfilm stellte das prometheische Prinzip des Films als Film dar. Es ist ein ebenso kryptischer wie offener Film, vielleicht führte dieser Widerspruch Rohmer dazu, jedes Bild genau zu betrachten, die gezeigten Gegenstände zu zählen und zu katalogisieren. Nach Deleuze war es Roh- mer, der „in einer exemplarischen Studie zu Murnaus Faust (..) gezeigt (hat), wie Expansion und Kontraktion von Bewegungen zwischen Personen und Objekten in einem ‘Bild-Raum’ verteilt sind, in einem ´Film-Raum´ aber auch echte Ideen ausdrü- cken: Gut und Böse, Gott und Satan."721 Diese echten Ideen, die Murnau ins Licht setzte oder in den Schatten stellte, halten aber keineswegs die Dicho-

719 Ebd. 720 Bachelard, Psychoanalyse des Feuers, a.a.O., S. 26 721 Deleuze, Das Bewegungsbild a.a.O., S. 33

Doktor Satansohn 155 tomien aufrecht, in denen Gott das Licht und das Gute sowie Satan das Dunkel und das Böse ist, wie es die Bilder Glauben machen und es die Ver- kehrung des ödipalen Familiendramas nahelegt, sondern beleuchtet wird das sexuelle Begehren des Protagonisten.

Der leidenschaftliche Wissenschaftler, der wegen des unstillbaren Drangs nach Erkenntnis zum Teufelsbündler wird, spielte für Murnau keine Rolle. In diesem Film wurde Faust, der Arzt, aus Mitgefühl mit den Leiden der Kran- ken für einen Tag zum Teufelsbündler. Er verschrieb sich dem Teufel aber erst aufgrund eines spontanen sexuellen Begehrens auf ewig. Fausts Schuld ist in Murnaus Film eher sexueller Natur. Murnaus Faustfilm ist ein Film über das sexuelle Begehren und die unterschiedlichen Formen seiner Befriedigung. Aus dem tödlichen Konflikt zwischen Gut und Böse ging zu Beginn des Films ein homoerotisches Begehren hervor. Es wurde abgelöst von einem kurzen, aber verhängnisvollen heterosexuellen Verlangen. Die nachfolgende romantische Liebe war Teil eines inzestiösen Wunsches. A- ber das unerwartet libidinöse Thema des Films ist die Begierde des Se- hens. Ein Drängen, das durch den direkten Blick der Kamera erfüllt wird. Eine Sicht, die hier häufig mit dem Blick des Teufels übereinstimmt, der das selbe Bild sieht wie der Zuschauer. Für Murnau ist nicht die Kamera Luzifer, sondern für ihn steckt Satan in ihrem schneidend scharfen, teuflischen und voyeuristischen Blick. Murnaus Film ni szeniert geradezu den voyeuristi- schen Blick (mit) der Kamera, die nie die Augen niederschlägt und bei ver- botenen Szenen wegsieht, wie die Einstellungen es zeigen, in denen Me- phisto ganz nah herangeht, um das sich vereinigende Liebespaar aus der Nähe zu sehen.

Abb. 68: Faust küßt Gretchen und wird dabei von Mephisto beobachtet, Ek- man, Horn, Jannings

Voyeurismus722 ist ein Sexualverhalten, das durch die Verdrängung eines unverarbeiteten Bildes hervorgerufen werden konnte. Es ist das verbotene Sehen einer kränkenden und niederschmetternden Szene - des Liebesak- tes der Eltern. Das Sehen der Urszene, die den Verzicht einleitete und den Ausklang des Ödipus‘ vorbereitete, kompensiert sich im fetischistischen Beobachten anderer sinnlicher Stelldicheins. Der Voyeurismus, den die

722 Freud, Die Disposition zur Zwangsneurose (1913) in: Stud. Bd. VII, Frankfurt a.M. 1975, S. 107-117; sowie ders., Bemerkungen über ein Fall von Zwangsneurose (1909), ebd. S. 31-103

156 Doktor Satansohn brennenden Augen Mephistos zu Beginn des Films markieren, taucht das Bild des unermeßlichen Liebesverlustes in eine egalisierende Bilderflut, um es zu eliminieren und den ursprünglichen Wunsch aufrechtzuerhalten. Das immer wieder Sehenwollen des (gleichen) Bewegungsbildes wird zum teuf- lischen Drang eines sexuellen Verlangens. - Da ist er wieder, der Teufel des technischen Apparates, und schießt als Springteufel des Blicks hervor, ausgestattet mit satanischer Lust auf das Bewegungsbild.

3. The Magician Etwa gleichzeitig mit Murnaus Faustfilm entstand Rex Ingrams Stummfilm The Magician (1926).723 Hierin spielte Paul Wegener724 in Anzug und Melone den Magier Dr. Haddo. Auch er ist in ein schwarzes Cape gehüllt und trägt einen Gehstock, der den Zauberstab ersetzte. Sein magisches Können demonstrierte er zu Beginn des Films in einer öffentlichen Vorstellung mit einer Giftschlange. William K. Everson betonte, daß Wegener, „ein richtiger Hexenmeister ist und mit Hilfe alter Aufzeichnungen einen Weg gefunden hat, künst- liches Leben zu erschaffen.“725 Haddo benötigt für seine Neuschöpfung das Herz einer blonden Jungfrau. Margaret (Alice Terry) ist seine Auserwählte, die er mittels Hypnose von sich abhängig macht und in sein Labor in den Schloßturm verschleppt, um ihr das Herz heraus zu operieren.726

Abb. 69: Haddo kurz vor der Operation Margaretes, Rex Ingram, The Magici- an, 1926, Paul Wegener als Dr. Haddo

Nachdem sich Haddo die Formel noch einmal durchgelesen und das Ope- rationsbesteck zurechtgelegt hat, schaufelt er Kohle ins Feuer und entfacht eine gigantische Höllenglut. Nicht nur das Laborexperiment im Schloßturm, das bei heftigem Gewitter stattfindet, verweist auf James Whales Franken- stein-Filme, sondern auch der Gehilfe Haddos erinnert an Frankensteins Famulus bei Whales. Er ist gleichzeitig die komische Figur des Films.

723 Rex Ingrams produzierte The Magician für Metro-Goldwyn in seinen Riviera-Studios. 724 Paul Wegener stellte als Magician eine Mischung aus dem diabolischen Spiegelbild Balduins in Der Student von Prag und dem steinernen Koloß in Der Golem dar. 725 William E. Everson, Klassiker des Horrorfilms, München 1974, S. 24 726 Das Herz stehlen steht ja im übertragenen Sinn auch für Abhängigkeit Gretchens.

Doktor Satansohn 157

Abb. 70: Haddos Famulus

In letzter Minute wird die Bedrohte von ihrem Verlobten Arthur (Ivan Petro- vich) davor gerettet, daß Haddo ihr das Herz aus dem Leib reißt. Kurz nach ihrer Rettung geht das Labor in Flammen auf.

Die Rolle Wegners als Magician enthält mehr Faustelemente als die Rolle Gösta Ekmans als Faust in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage. The Ma- gician zählt zu den Faustfilmen, die im zweiten Teil der Arbeit behandelt werden. Sie greifen auf die ursprünglichen Mythen des Fauststoffs zurück und entwickeln den Faust-Bilddiskurs im Genre des Phantastischen Films. Der Durchbruch des Phantastischen Films fand – so Rolf Giesen - in Deutschland statt, einem Land, in dem „die Dämonie stets eine ganz besonde- re, eigentümliche Kraft“ hatte und „alles gipfelnd in der faustischen Erkenntnis von den zwei Seelen, die - ach! - in unserer Brust wohnen.“ Die Spaltung des Subjekts ist allerdings nicht ausschließlich ein deutsches Motiv, selbst wenn das Gel- tungsbedürfnis der Dichter und Denker diesen gespaltenen Standpunkt seit Goethes Faust gerne für sich reklamiert.727 Ikonographisch steht The Magician gleichzeitig in der Tradition der frühen Faustfilme und der späteren Fran- kensteinfilme. Die ikonographische und die narrative Struktur des Films er- weist sich als Übergang von Faust zu Frankenstein.

727 Fausts Pakt mit dem Teufel wurde mitunter zum Bild eines Volkes, welches blind sei- nem Führer folgt.

158 Prometheusmythos und Fausteffekt

IV. Prometheusmythos und Fausteffekt

Umberto Eco728 beschrieb den filmischen Code getrennt vom kinematographischen Code. Der kinematographische Code kodifiziert danach „die Reproduzierbarkeit der Wirklichkeit durch kinematographische Apparate“ (kinematographische Denotation). Diese Ebene stellt sich uns als der Prometheusmythos des Films da. Die Geschichte der lichtbilderzeugenden Apparate wird ins Verhältnis zur Magie des Abbildes gesetzt. Der filmische Code kodifiziert demgegenüber „eine Kommunikation auf der Ebene bestimmter Erzählregeln“ (filmische Konnotation). Dies ist in unserer Betrachtung des Fausteffekts im Film der selbstreferentielle Rückgriff des Mediums auf die Darstellung der Faustgeschichte. So wie sich der kinematographische mit dem filmischen Code mischt, verweisen Prometheusmythos und Fausteffekt auf eine imaginäre Dyade von Apparat und Bild. Die semiotische Gliederung des visuellen Codes der filmischen Kommunikation stellt sich auf der Ebene der Ikonographie des Phantastischen Films als die unbewußte Zirkulation von Bildern heraus, die mit der magischen Besetzung von Naturwissenschaft, Technikgeschichte und Bildmaschine einherging. Die Faustverfilmungen erwiesen sich als das Bindeglied, das den Film zwischen Phantastik und Wissenschaft stellt. Faust bildet quasi das Relais zwischen ihnen. Wenn man dem Faustfilm überhaupt eine eigene Definition zuschreiben möchte, dann kann dies nur geschehen in der Vorstellung einer Verbindung von Filmkunst und Technik, wie sie Georges Méliès vorführte. Im Sinn scheinbarer Aufhebung der Na- turkräfte zwischen Raum und Zeit, Leben und Tod, Schwerkraft und Schwe- relosigkeit, entwickelte sich die rationale Anordnung der realisierenden Illu- sionsketten, der Filmkunst. In der frühen Stummfilmzeit läßt sich eine künst- lerische Filmproduktion finden, die aus dem kreativen Einsatz des neuen technischen Bildapparats hervorging. Es ist bemerkenswert, daß die kurzen Faustfilme kaum Beachtung oder Anerkennung in der Filmgeschichte fanden. Sie wurden bislang nur aufgelistet und waren kein eigenständiger Gegenstand filmtheoretischer Untersuchungen. Thomas Elsaesser729 sah die Gründe für die Vernachlässigung der frühen deutschen Stummfilme im allgemeinen in der Quellenlage vor 1919, aber auch in dem Vorurteil, „daß die Filmproduktion ‘vor Caligari’... ohne Bedeutung war. Eine Auffassung die von Siegfried Kracauer und Lotte Eisner geteilt wurde.“730 Eisners und Kracauers Interesse galt eher dem Autorenfilm. Der Autorenfilm war für Elsaesser wiederum ein „Teufelspakt“, den das erzählende Kino schon früh „mit der literarischen Kultur geschlossen“ hatte.731 In Abgrenzung zu Elsaessers Ansatz, den frühen Stummfilm mit Noël Burchs732 Unterscheidung der „zwei Arten des Imaginären“ des Kinos zu be- trachten, soll hier die imaginäre Dyade von Apparat und Bild näher darge- stellt werden. Burch sprach – so Elsaesser - „von einem ‘Edinsonschen’ Imagi- nären, das am kinematographischen Apparat als dem Streben nach einem totalen Simulacrum des Lebens interessiert ist, und von einem ‘analytischen’ Imaginären à la Marey und Muybridge, das Bewegung in immer kleinere Einheiten zergliedern

728 Umberto Eco, Einige Proben: Der Film und das Problem der zeitgenössischen Malerei, (1968), in: Texte zur Theorie des Films, Stuttgart 1979, S. 308-323, S. 308 729 Thomas Elsaesser, Wilhelminisches Kino: Stil und Industrie, in: KINtop 1, Früher Film in Deutschland, Basel, Frankfurt am Main 1992, S. 10-28 sowie Thomas Elsaesser (Hg.), Early Cinema. Space, Frame, Narration, London 1990 730 Elsaesser, Wilhelminisches Kino, a.a.O., S. 10 731 Ebd. 732 Vgl. Noël Burch, Life in Those Shadows, London 1990

Prometheusmythos und Fausteffekt 159 will.“733 Elsaesser verglich in derselben Weise die Filme Oskar Messters (a- nalytisches Imaginäre) mit denen der Brüder Skladanowsky (Edison‘sches Imaginäre). Folgt man aber der Benjaminschen Interpretation einer entwi- ckelten Kunstform, dann stellt sich jedoch eine Inkompatibilität der vergli- chenen Bildproduktionen heraus. In Das Kunstwerk im Zeitalter seiner techni- schen Reproduzierbarkeit war für Walter Benjamin „eine entwickelte Kunstform“ dann gegeben, wenn drei Entwicklungslinien - Technik, Expansion und Prä- sentation - zusammentreffen. Die Technik entscheidet zunächst über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kunstform. Benjamin schrieb: „Ehe der Film auftrat, gab es Photobüchlein, deren Bilder durch einen Daumendruck schnell am Beschauer vorbeihuschend einen Boxkampf oder ein Tennismatch vorführten; es gab Automaten in den Passagen, deren Bilderablauf durch die Drehung einer Kurbel in Bewegung erhalten wurde.“734 Das (mechanische) Fotobüchlein ist ebenso- wenig Kino wie die Serienfotografie von Marey und Muybridge, auch wenn beide Elemente einer zukünftigen Filmkunst aufweisen. Worin die zweite von Benjamin beschriebene Entwicklungslinie einer neuen Kunstform ent- halten ist, denn die „überkommene Kunstform“ arbeitet auf Effekte hin, die spä- ter „von der neuen Kunstform erzielt“ werden. Das Fotobüchlein und die Serien- fotografie gingen dem Kino voraus wie Camera obscura oder Laterna magi- ca. Drittens brachte das Kino wie jede neue Kunstform eine „Veränderung der Rezeption“ mit sich. Das Edisons Kinetoskop zeigte Bewegungsbilder und die fotografische Flinte Serienfotografie. Die Bildproduktionen unterscheiden sich sowohl im Herstellungsprozeß wie im Präsentationsverfahren. In der Ablösung der Serienfotografie durch den Film liegt ein charakteristischer Umbruch der Bildproduktion (oder der Kunstformen) vor. Es war ein deutli- cher Wechsel, der sich kaum zwischen den Produktionen Messters und Skladanowskys finden läßt.

Ein Wechsel der Kunstform kann jedoch nicht mit der Vorstellung von „zwei Arten des Imaginären“ einhergehen. Die Verwendung des Wortes imaginär setzt eine Standortbestimmung voraus. Im allgemeinen wird mit imaginär das Eingebildete, das Täuschende und das Illusorische, „nur in der Einbildung und im Scheine bestehend“735, bezeichnet. Karl Günter Simon736 fand die ima- ginäre Welt des Films in der Phantastik des Films wieder. Danach war der Film eine technische Erfindung, die in ihrer Abbildung von Wirklichkeit eine imaginäre Wirklichkeit reproduziert. Simon schloß sich den Überlegungen Jean-Paul Satres zum Imaginären an, als er hervorhob, „die technische Erfin- dung muß aus dem Wunsch verstanden werden... etwas Irreales real zu machen, ei- ne imaginäre Wirklichkeit zu reproduzieren."737 Der Film besitzt danach nicht nur die Möglichkeit das Phantastische abzubilden, sondern ist auch ein Mittel, etwas zu reproduzieren, das nicht real, aber doch existent ist.738 Simon ar- beitete die imaginäre Welt des Films als eine Mischung aus Phantasti- schem, Märchenhaftem und Traumhaftem sowie der technischen Apparatur als Teil der reproduzierten Wirklichkeit heraus und gab der imaginären Welt des Films einen gegenständlichen Touch.

733 Elsaesser, Wilhelminisches Kino, a.a.O., S .19 734 Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter, a.a.O., S. 457 735 Stichwort: Imaginatio, in: Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch, a.a.O., S. 352 736 Karl Günter Simon, Die imaginäre Welt in Film und Roman des modernen Frankreich, Berlin 1958 737 Ebd. S. 34, vgl. Jean-Paul Satre, L' imagination, Paris 1948 738 Simon stellte zwei Filmrichtungen gegeneinander, die gleichzeitig zwei Formen imagi- närer Filmwelten aufzeigen sollten. Dies waren zum einen Filme von Feuillade, Grier- son, Rotha (1929), welche Wirklichkeit offenbaren sollten. (Ein Ansatz, den Simon bis zum italienischen Neorealismus verfolgte.) Zum anderen erzeugten vor allem Filme von Georges Méliès eine imaginäre Filmwelt.

160 Prometheusmythos und Fausteffekt

Die Kategorie Das Imaginäre, wie sie Jacques Lacan739 in die psychoanaly- tische Literatur einführte, trennte die Vorstellung ab, daß das Imaginäre et- was Phantastisches sei. Die Lacansche Betrachtungsweise fand innerhalb psychoanalytischen Filmtheorien unterschiedliche Auslegungen. Christian Metz740 verband Kino und das Imaginäre mit der Idee vom „Geheimnis des Films“. Das Imaginäre des Kinos schien für Metz etwas zu verbergen, das „Traum und Film“ miteinander verbindet. Dies war nicht nur die Bildsprache des Films, die sich mit Mitteln der Freudschen Traumdeutung aufschließen ließ, sondern es ging Metz vor allem um den träumenden Zustand, den „Grad der Wachheit“, in dem der Zuschauer die Kinobilder aufnimmt. Danach wirkte das Imaginäre an diesem Schnittpunkt, den Metz so beschrieb: „Der Grad der Realitätstäuschung ist umgekehrt proportional zum Grad des Wachseins... Im filmischen Zustand läßt eine Verminderung der Wachsamkeit (mindestens) zwei verschiedene Grade zu.“741 Diese Auffassung des Imaginären läßt sich auch in dem lateinischen Wort imaginor finden, das soviel wie „im Schlafe träumen“ heißt.742 Gilles Deleuze743 trennte zunächst die Begriffpaare „real-irreal“ und „wahr-falsch“ vom Imaginären ab, während Metz deren Berührung und Zu- sammenwirken auf folgende Weise hervorhob: „Das Imaginäre ist nicht das Irreale, sondern die Nicht-Unterscheidbarkeit von Realem und Irrealem.“ Im ganzen maß Deleuze dem „Begriff des Imaginären nicht viel Bedeutung bei“ und glaubte „nicht an die Spezifik des Imaginären“ für das Kino.744

Die Bedeutung, die das Bild für das Imaginäre hat, ist der Dyade gleich, die aus Apparat und Serienfotografie das Bewegungsbild erzeugt. Der Prozeß, der das Bewegungsbild und das Imaginäre zusammenführt, besteht aus der „Parade vor dem Spiegel“745, deren Effekt die Imago ist. Im Sinn der Philo- sophie der Stoiker war die Imago „das dem Geist vorschwebende Abbild eines gesehenen oder gedachten Gegenstandes“.746 Die Imago funktioniert ihrer wörtli- chen Bedeutung nach wie ein psychischer Stroboskopeffekt, denn sie bleibt als Nachbild des Spiegelbildes im Gedächtnis haften. Das Bildnis auf der spiegelnden Fläche zeigt die „totale Form des Körpers“747 - eine vollendete Ein- heit der zuvor ausschließlich partikulär gesehenen Teile. Bereits ein etwa sechs Monate altes Kind erfährt bei der Betrachtung des eigenen Spiegel- bildes eine fundamentale narzißtische Erfahrung, die mit höchster Freude und einer unvorhersehbaren Besetzung des Bildes einhergeht. Lacan schrieb, „daß ein Bild für einen solchen Phaseneffekt prädestiniert ist, zeigt sich bereits in der Genüge in der Verwendung, die der antike Terminus Imago in der The- orie findet.“748 Die Imago wird zum geliebten Objekt. Das Kind hat sich in sei- nem Spiegelbild selbst zum Liebesobjekt genommen und ist - unterstützt

739 Zum Begriff des Imaginären vgl. Jacques Lacan, Das Spiegelstadium als Bildern der Ichfunktion, wie sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint, in: Schriften I, Olten/Freiburg 1973, S. 61-70 740 Metz, Semiologie des Films, a.a.O., S. 25, sowie ders., Traum und Film, in Psyche 11 (1994), S. 1004-1045, S. 1010 u. 1011 741 Metz, Traum und Film, a.a.O., S. 1010 742 Stichwort: Imaginatio, a.a.O., S. 352 743 Gilles Deleuze, Zweifel am Imaginären, in: Gilles Deleuze, Unterhaltungen 1972-1990, Frankfurt 1993, S. 92-100 744 Ebd. S. 97f 745 Jacques Lacan, Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoana- lyse, in: Schriften I, a.a.O., S. 88 746 Ebd. 747 Ebd. 748 Lacan, Das Spiegelstadium, a.a.O., S. 67

Prometheusmythos und Fausteffekt 161 durch die Erfahrung des Schlafes und des Traumes - zu einem Doppelwe- sen geworden. Die „Aufnahme des Bildes“749 löste die Verwandlung des Sub- jektes aus. Leo Kaplan stellte schon Ende der zwanziger Jahre heraus: „Das charakteristische Merkmal des Narzißmus ist in der Verdoppelung des Menschen zu suchen.“750

Das Subjekt hält trotz „der lockeren Täuschung der räumlichen Identifikation“ an dem Bild seines Begehrens fest. Fortan führt die Imago zu einer lebenslan- gen Verkennung, da sie „auf einer fiktiven Linie situiert“ ist. Entstanden ist ein Nachbild im Gedächtnis, das zur „Fata morgana der Reifung“751 wurde. Indem der verliebte Betrachter mit seinem Spiegelbild verschmilzt, lockert sich die komplexe Situation der dyadischen Mutter-Kind-Beziehung. Durch orale Einverleibung inszenierte sich pränatal das Verschlingen des geeigneten Objekts im mörderischen Verlangen der beiden Fragmente, den tödlichen Kampf mit dem eigenen Spiegelbild auszufechten. Zusammenfassend läßt sich sagen: „Unter einer solchen Perspektive, bei der das Ich durch die Identifika- tion mit dem Bild des Anderen definiert wird, ist der Narzißmus... die Verinnerlichung einer Beziehung.“752 Die Imago trägt das Imaginäre in das alltägliche Sein und richtet das Leben in der Verschmelzung seines Begehrens aus. Das Imagi- näre kennzeichnet eine Verschmelzung zweier Wesen oder Elemente, die sich gegenseitig bedingen, wie Mutter und Kind, Ich und Imago, Faust und Teufel oder Kamera und Film. Das Imaginäre des Kinos ist demnach zu- nächst nichts anderes als die grundsätzliche Dyade Apparat und Bild, die Untrennbarkeit des Bewegungsbildes vom technischen Gerät. Das Bild oh- ne Apparat zu betrachten, ist bereits symbolisch, spricht eine eigene Spra- che und kann anderen signifikanten Ketten (der Fotografie) zugeordnet wer- den.753 Wie Walter Benjamin schrieb: „Es arbeitet nämlich einmal jede Technik auf eine bestimmte Kunstform hin.“754

Das Imaginäre ist keineswegs etwas Verdecktes, Phantastisches oder ein Geheimnis des Lebens, sondern sein Gesetz. Das Imaginäre ist das Leben, das Reale somit die Wirklichkeit seiner Existenz, die es zu „entlarven“ gilt.755 Dem Imaginären gegenüber steht das Reale, wie es Serge Leclaire aus- drückte, als „das, was widersteht, was hartnäckig dasteht, was nicht reduzierbar besteht, und sich, indem es sich entzieht, als Lusterleben, Angst, Tod oder Kastra- tion darbietet... Dem Realen geht’s wie mit jenen intelligenten kleinen Tieren, die, wenn sie herkommen sollen, sich ganz sicher aus dem Staub machen.“756 Das Re- ale konstituiert die materiellen (Macht-)Strukturen des Imaginären, die im Prozeß der Aneignung des Lebens gleichzeitig erkannt und verkannt wer- den. Das Begehren bestimmt aber auch den Blick auf das kulturelle Sys- tem, auf eine Sprache, auf Bilder und auf die Ordnung des Vaters. Damit sind Prozesse des Symbolischen genannt, die Ebene, auf der sich das Im a- ginäre und das Reale mischen und entmischen.

749 Ebd. S. 64 750 Leo Kaplan, Das Problem der Magie, Heidelberg 1927, S. 106 751 Lacan, Das Spiegelstadium, a.a.O., S. 63 752 Stichwort: Narzißmus, in: Laplanche, Pontalis, Das Vokabular der Psychoanalyse, a.a.O., S. 319 753 Vgl. Samuel Weber, Rückkehr zu Freud. Jacques Lacans Ent-stellung der Psychoana- lyse, Frankfurt am Main und Berlin 1978, S. 20-26 754 Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter, a.a.O., S. 456 755 Serge Leclaire, Das Reale entlarven. Das Objekt in der Psychoanalyse, Olten und Frei- burg im Breisgau 1976 756 Ebd. S. 11

162 Prometheusmythos und Fausteffekt

Das Bild der Parade vor dem Spiegel ist als Reproduktion der Imago bereits ein technisch erzeugtes Bewegungsbild (Wiederholung der Wiederherstel- lung und Wiederherstellung durch Wiederholung). Das eigene Spiegelbild wird für das Subjekt zum größten Kunstwerk. Die Imago ist das Bewe- gungsbild, das auf einer Fläche lebendig wurde, die sich wesenhaft von der erstarrten Fotografie unterscheidet, welche sich auf ihre eigene Art ins Le- ben einschrieb. Dem Betrachter erscheint das Bewegungsbild im Spiegel und im Film gleichermaßen als Imago. Daß der Spiegel als magischer Ge- genstand betrachtet wird, weist in der Verkehrung des Gedankens auf die magische Kraft der Imago hin. Baltrusaitis757 beschrieb die Geschichte der Magie des Spiegels als eine Ewigwährende. So tauchte der Spiegel bereits in der Bildkunst des Mittelalters als ein Werkzeug des Teufels auf, und dem Adel dienten trickreich aufgestellte Spiegel, ungeachtet ihrer Verwendung zu wissenschaftlichen Zwecken, dem Amüsement mit dem (bewegten) Abbild. Das bewegte Bild im Spiegel bleibt ebenso flüchtig wie der Augenaufschlag, zwischen dem es betrachtet wird. Es scheint auf und verschwindet im Blick des Betrachters. Der tiefe Eindruck, den das Spiegelbild hinterläßt, ist nicht feststehend. Der Film machte das Bewegungsbild mittels physikalischer Trägerschaft manifest. Aber auch das Zelluloid ist eine höchst empfindliche Materie, nicht so flüchtig wie das Spiegelbild, aber einem Alterungsprozeß unterworfen, der seine Haltbarkeit beschränkt. So betrachtet ist der Spiegel - wie Camera obscura und Laterna magica - als Medium ein Vorläufer und Verwandter des Films. Es verwundert daher wenig, wenn im Film von An- fang an mit Spiegeln gearbeitet wurde. Nicht nur Abel Gance hantierte in La Folie du Docteur Tube (1914) ausgiebig mit Zerrspiegeln. Der Spiegel ist schon deshalb ein prometheisches Medium, weil Prometheus wie Raphael Mirami schon 1582 hervorhob, „das Feuer nicht durch das Aufeinanderschlagen von zwei Steinen erzeugt, sondern mit Hilfe des Spiegels“ entzündete.758

Die Imago, die im spiegelnden Apparat erscheint, ist das eigentliche Produkt des Imaginären, das durch seine technische Reproduzierbarkeit Teil der symbolischen Ordnung wurde. Wie alle bilderzeugenden Apparate Teil des kulturellen Systems sind, mischt und entmischen der Spiegel und der filmi- sche Prozeß Imaginäres und Reales. Wie mit dem ersten Blick auf das Spiegelbild eine völlig neue Weltordnung aufbegehrt, ist auch der Augen- schein des Films nach Walter Benjamin ein „Anblick, wie er vorher nie und nir- gends denkbar gewesen ist“759 und die Wirklichkeit ist das Ergebnis der Auf- nahme: „Im Filmatelier ist die Aufnahme derart tief in die Wirklichkeit eingedrungen, daß deren reiner, vom Fremdkörper der Apparatur freier Aspekt das Ergebnis einer eigenen technischen Prozedur, nämlich der Aufnahme durch die besonders einge- stellte Kamera und ihrer Montierung mit anderen Aufnahmen der gleichen Art ist.“760 Im Filmatelier dringt die Aufnahme tief in die Wirklichkeit ein. Der Wirklich- keit reiner Aspekt ist jedoch das Ergebnis einer eigenen technischen Pro- zedur: Die Wirklichkeit ist eine Aufnahme der besonders eingestellten Kame- ra und ihrer Montierung mit anderen Aufnahmen gleicher Art. Dabei war „die illusionäre Natur“ des Films für Benjamin „eine Natur zweiter Ordnung“ und die illusionäre Natur ein „Ergebnis des Schnitts.“761 Der Filmschnitt beschreibt das Metier von Operateur/Operateur und ist die signifikante Grenze762 zwischen

757 Baltrusaitis, Der Spiegel, a.a.O. 758 Raphael Mirami (1582), Zit. n. ebd. S. 107 759 Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter, a.a.O., S. 458 760 Ebd. 761 Ebd. 762 Es sei an (frühkindliche) Wahrnehmungsstrukturen erinnert, die außerhalb der Vorstel- lung vom Spiegel-Ich oder der Imago liegen, die immer nur einzelne Körperteile ins ei-

Prometheusmythos und Fausteffekt 163 den Teilen. (Der Filmschnitt führt als eine Natur zweiter Ordnung zum Ver- gleich verschiedener Filme.) Der Begriff des ‘zweifachen Imaginären‘ von Noël Burch erwies sich als eine verwirrende Kategorie, denn das Imaginäre läßt sich weder vervielfältigen noch aufteilen. Die Filme Oskar Messters und der Skladanowskys können ebenso wenig unterschiedlichen imaginären Prozessen zugeschrieben werden, wie die Arbeiten Edisons, Mareys und Muybridges. Sie unterscheiden sich lediglich im Bereich der „Natur der zwei- ten Ordnung“ (Benjamin) des Films in ihren verschiedenen Aufnahme-, Herstellungs- und Vorführpraxen.

gene Sichtfeld treten lassen. Sie werden daher wie abgeschnitten erfahren. Dies er- zeugt wiederum eine eigene Dynamik innerhalb des Kastrationskomplexes.

Teil 2

166 Montage des Bilddiskurses

Montage des Bilddiskurses 167

„Wir sind in dem Zeitalter des Faust, wo sich der moderne Wissenschaftler - zwischen magischer Praktik und kosmologischer Mathematik - den Denkraum der Besonnenheit zwischen sich und dem Objekt zu erringen versuchte.“763

I. Montage des Bilddiskurses

Im zweiten Teil der Arbeit wird die Montage des Faust-Bilddiskurses in Literatur und Spielfilm herausgestellt und verglichen. Insbesondere die Romantik764 stell- te sich als Epoche dar, in der die Faustgeschichte neu bearbeitet wurde und in der Schauergeschichten entstanden, die Dämonisches und Übernatürliches stark betonten. Weltliche Schauplätze des Grauens ersetzten mittelalterliche Höllenvorstellungen und wahnhafte Schreckensbilder schufen eine neue At- mosphäre für die Begegnung des faustischen Wissenschaftlers mit dem Teu- fel, der als schwarzer Engel seine romantische Darstellung fand. Beispiels- weise war im Schauerroman Ann Radcliffes The Mysteries of Udolpho (1794) der Teufel kein animalisches Ungeheuer mehr, sondern trat als unheimlicher und charakterloser Mensch auf. Der Schreck schien sich in die Seele zurück- gezogen und gleichsam die ‘schreckliche Seele‘ als Ort des Erschreckens hervorgebracht zu haben. Entsetzen und Ekel vor dem Animalischen haftete aber noch den Tieren an, die einst dem Teufel zugeschrieben worden waren, Fledermaus, Schlange und Ungeziefer. Percy Shelley erhob in dem Gedicht Das Haupt der Medusa (1819) die Schlange zum grausigen Schönheitsideal.765

Im gotischen Licht romantischer Laterna magica Bilder begehrten „Nachtseiten des Lebens“766 auf, um gleich wieder in ihren Dämmerzustand zurückzufallen, und begründeten das präkinematographische Arrangement des Phantasti- schen Films. Im ikonographischen Vergleich zwischen Faust- und Schauerlite- ratur, romantischer Malerei und Phantastischem Spielfilm erwies sich, daß Film nicht nur magische Geschichten und Geschichten über Magier erzählt, sondern als magische Kunst inszeniert wird. Prometheische Schöpfungen wachsen in phantastischen Gebärmaschinen und im Abrakadabra bewegter Bilder erwachten Tote zu neuem Leben. Luzifer-Excelisior hieß die Bildma- schine, die im Reich der Medien die Herrschaft an sich riß.

Romantische Bilder des Grauens sind heute Ikonen des Phantastischen Films. Alle Spielfilme, die magische Elemente enthalten, oder besser gesagt, ‘Magie in Aktion‘ zeigen, gehören zum Genre des Phantastischen Films. Drei Spaten umfassen das moderne Kino des Phantastischen, dies sind Märchenfilme, Horrorfilme und Science Fiction-Filme. Besonders Märchenverfilmungen ver- weisen auf eine metaphorische und metonymische Bildsprache, deren Motive archaischen und unbewußten Strukturen entlehnt sind.767 Märchenfilme bieten

763 Aby M. Warburg, Ausgewählte Schriften und Würdigungen, hrsg. v. D. Wuttke, Baden-Baden 1980, S. 267 764 Im folgenden werden nur einige Großbuchstaben der Romantik und romantischer Schau- erliteratur geschrieben. Zur Romantik vgl. u.a. Gerhard Hofmeister, Deutsche und europäi- sche Romantik, Stuttgart 21990 765 vgl. Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S.43-44 766 Ricarda Huch, Die Romantik. Blütezeit, Ausbreitung unf Verfall, (1951) Reinbek bei Ham- burg 1985, S. 190 767 Auf den ersten Blick erscheint die große Anzahl von Märchenfilmen, die aus der DDR und den Ländern des Realen Sozialismus stammen als Ersatz für Horrorfilme, die dort fast nie gedreht oder gezeigt wurden. Vgl. hierzu das Kapitel: Prometheisches Reich

168 Montage des Bilddiskurses zwar Raum für alle möglichen phantastischen Gestalten und magischen Er- scheinungen, aber faustische Wissenschaftler und mephistophelische Ge- schöpfe lassen sich am häufigsten in Horrorfilmen, aber auch oft in Science Fiction-Filmen, finden.768

Drei Bestseller romantischer Literatur eroberten sich die Schwerpunkte des Phantastischen Films: Mary Shelleys Frankenstein, or the Modern Prome- theus (1818), Bram Stokers Dracula (1897) und Robert Louis Stevensons The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1886). Sie wurden zu den drei tra- genden Säulen des Horrorfilms. In den Draculafilmen, den Frankensteinfilmen und den Jekyll-Hyde-Filmen erscheinen Faust und Mephisto in neuem Ge- wand. Wie Faust waren Frankenstein, Jekyll und van Helsing (der Gegner Dra- culas), einem diabolischen Widersacher ausgeliefert, der ihren Untergang an- strebte. Diese drei literarischen Figuren wurden zu den meist verfilmten in der Filmgeschichte. Dracula ist die zweithäufigste Filmgestalt nach Sherlock Holmes, Frankenstein wurde etwa zweitausendsechshundert Mal verfilmt, und nicht minder häufig erscheint Dr. Jekyll auf der Leinwand. Bei den Verfilmungen der literarischen Werke von Shelley, Stoker und Stevenson stand jedoch keineswegs Werktreue im Vordergrund769, sondern es ging immer wie- der um die Darstellung des Konfliktes zwischen Gut und Böse, Zauberei und Magie sowie um wissenschaftliche Grenzbereiche. Faust und die anderen Ma- gier der Literaturgeschichte verkörpern die Magie des Kinos.

A. Faustische Wissenschaftler und Schwarze Engel Etwa seit Ende des achtzehnten Jahrhunderts erlebte der Fauststoff eine lite- rarische Renaissance, in der die Gestalten Faust und Mephisto neu geformt und ihr Pakt neu interpretiert wurde.770 Der Teufelspakt wurde gar in einer Zeit zu einem literarischen Topos, in der „kaum jemand... im Ernst an den Teufel glaub- te.“771 Goethe wandelte in Faust I (1808) den Pakt in eine Wette und beschrieb den frühneuzeitlichen Wissenschaftler, dem die grenzenlose Forschung alles bedeutet hatte, als einen unstimmigen Zweifler, der die Grenzen von Wissen- schaft und Magie bloßlegt. Und aus dem viehischen Unhold, Mephistopheles, wurde ein armseliger Teufel, in dessen Dienstleistungen Faust nur noch wenig Vertrauen hatte.772 Beide waren sie gequält von inneren Widersprüche, so als

768 Neben Horrorfilmen repräsentieren Science Fiction-Filme den zweiten großen Bereich des Kinos des Phantastischen. Auch hier sind faustische Wissenschaftler und schwarze Engel zahlreich Mittelpunkt eines Geschehens, welches freilich in ein zukünftige Welt verlegt wurde. Narrative Elemente und ikonographische Merkmale der Faustgeschichte durchset- zen auch das Genres des Science Fiction-Films. 769 Alle drei Geschichten wurden bald nach ihrer Veröffentlichung ziemlich werkgetreu auf die Theaterbühne gebracht. Paul G. Buchloh stellte heraus, daß von Bram Stokers Dracula und Mary Shelleys Frankenstein nicht das Werk, sondern der Stoff verfilmt wurde. Paul G. Buchloh, Die Erweiterung des Studiums der Englischen Philologie: Programmatische Ü- berlegungen zu den Möglichkeiten der Filmphilologie, in: Filmphilologie, Kiel 1992, S. 23f 770 Hierzu zählen Goethes Faust I (1808) und Faust II (1831), Friedrich Maximilian Klinger, Faust Leben, Taten und Höllenfahrt (1791), Julius Heinrich von Soden, Doktor Faust (1797), Albert von Chamisso, Faust (1803), August Klingemann, Faust (1815), Franz Grill- parzer, Faust (1812, 1813, 1822), Achim von Armin, Die Kronenwächter (1817), Alexander Puschkin, Szene aus dem Faust (1825), Christian Dietrich Grabbe, (1829), Nikolaus Lenau, Faust (1840), Adam Mickiewicz, Die Totenfeier (1832), Heinrich Heine, Der Doktor Faust (1847), Friedrich Theodor Vischer, Faust. Der Tragödie Dritter Teil (1862-1886). 771 Brittnacher, Der Leibhaftige, a.a.O., S. 187 772 Der Wandel dämonischer Figuren läßt sich auch an Goethes Faustbearbeitungen nach- zeichnen: Im Urfaust (1775, hrsg. 1888) tritt noch ein mächtiger auf, der in Faust I (1808) verschwunden ist.

Montage des Bilddiskurses 169 hätten sie den Pakt in ihre Seelen verlegt.

Vermutlich führte Goethes Faustbearbeitung und die Popularität des Stückes dazu, daß er zeitweise als Chef der „l’école satanique“ galt, eine literarische Richtung, die heute als satanischer Romantik“ betrachtet wird.773 Der Glaube an Dämonen, aber auch an ein Leben nach dem Tod sowie an Wiederbelebung schloß Dichter in diesem Kreis zusammen, die „das Verhältnis zwischen Gott und Satan, Gut und Böse zum Gegenstand ihrer Dichtung machten, also die Frage der The- odizee, der Herkunft des Bösen, anschnitten und dabei zu einer skeptischen Überzeu- gung gelangten.“774 Offenbar traten die dunklen Figuren romantischer Schauerli- teratur aus dem gottgewollten Leben der supranaturalen Welt heraus. Die sä- kularisierten Helden des Bösen wurden in einer Zeit festgeschrieben, in der sich die Abhängigkeit des Einzelnen von Staat und Kirche verringerte und sich eine „neue Epoche“ der „poetischen Bewußtwerdung“ eröffnete.775 Maurice Blanchot schrieb über die Wirkungen der Französischen Revolution auf die deutschen Romantiker: „Es war die Französische Revolution, die den deutschen Romantikern diese neue Form, diesen programmatischen Anspruch und dieses Auftreten mit Mani- festen vorgeführt hat... Das Schafott, die dem Volke präsentierten Feinde des Volkes, die Köpfe, die man rollen läßt, nur um zu zeigen, die Gewißheit - die Emphase - der Nichtigkeit des Todes - all das konstituiert keine historischen Fakten, sondern eine neue Sprache.“776

Die rollenden Köpfe wurden nicht nur Thema Robertsonscher Laterna magica Aufführungen777, sondern brachten etwa ab Ende des achtzehnten Jahrhun- derts eine literarische Phantastik hervor, die dem Adeligen eine Rolle als wi- dersprüchliche Teufelsgestalt zuschrieb. Auch die Mächtigen der Kirche wurden mitunter zu Protagonisten der Schauerromane. Ann Radcliffe778 ent- warf etwa die Figur des unheimlichen Mönchs. Dies war ein romantischer Bö- sewicht, dessen Wurzeln sich bis in die Historia von D. Johann Fausten zu- rückverfolgen lassen. Der Teufel war ja schon Faust verkleidet als Mönch er- schienen, und für Luther stand fest, der Teufel verführte am liebsten die Frömmsten.779 Auch der Mönch in Radcliffes Gruselgeschichten war ein schrecklicher Dämon, der die schlimmsten Verbrechen beging, er raubte, mordete und beging Inzest. Seine Gestalt hatte aber nichts Animalisches mehr an sich, er war groß und mager, ja sogar von gewisser Schönheit. Praz hob sein „bleiches Antlitz, die unvergeßlichen Augen“ hervor, die ihn neben seinem schlechten Charakter zu einer Angst einflößenden Figur machten.780 Die Bläs- se verrät seine Nähe zum Tod, und die stechenden Augen lassen in ihm einen Magier des Blicks erkennen. Auch zeichnete er sich durch ausgeprägten Indi- vidualismus und ungewöhnliche Leidenschaftlichkeit aus. Praz betonte seine geheimnisvolle Herkunft, die auf „hohe Ahnen“ und „Spuren erloschener Leiden- schaft“ schließen ließen. Auch schien eine „furchtbare Schuld“ auf ihm zu las-

773 Hofmeister, Deutsche und europäische Romantik, a.a.O. S. 4 774 Ebd. 775 Maurice Blanchot, Das Athenäum, in: Romantik, Literatur und Philosophie, Frankfurt am Main 1987, S. 103-121, S. 114 776 Ebd. S. 112f 777 Zu den Laterna magica Aufführungen von Robertson vgl. das Kapitel Trugbild der Laterna magica 778 Ann Radcliffe, The Mysteries of Udolpho (1794), dies., The Italian, or The Confessional of the Black Penitents (1797. (Ann Radcliffe lebte von 1764-1825.) 779 Vgl. Kurt Victor Selge, Luther und die Macht des Bösen, in: Das Böse. Eine historische Phänomenologie des Unerklärlichen, hrsg. v. Carsten Colpe und Wilhelm Schmidt- Biggemann, Frankfurt am Main 1993, S.165-186, S.168 780 Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S. 58 (Hervorhebung D.M.)

170 Montage des Bilddiskurses ten.781 All dies, aber insbesondere sein „melancholisches Verhalten“, offenbaren ihn als christliche Teufelsgestalt, denn die Dämonologie beschrieb den Melan- choliker als Besessenen, weil er sich der göttlichen Vitalität verweigerte.782 Der Mönch war ein romantischer Negativheld, das abgrundtiefe Böse. Er beschwor das heilige Recht des autarken Individuums und war ein prometheischer Au- ßenseiter, der bereits Züge der Vampirgestalt trug783 und sich gleichzeitig als christliche Satansfigur zu erkennen gab.

Erheblichen Einfluß auf die literarische Phantastik hatten technische und na- turwissenschaftliche Entwicklungen, die mit dem Forschen nach einer Kraft- maschine begonnen und durch James Watts 1776 in Betrieb genommene Dampfmaschine einen Höhepunkt fanden. Maschinen vervielfachten die Mus- kelkraft und gleichzeitig wurden der Natur neue medizinische, biologische und geographische Geheimnisse abgerungen. Darüber hinaus schrumpften Ent- fernungen durch Funkverkehr rund um die Erde und Ausbau der Eisenbahnli- nien. Die dem Übersinnlichen und Wunderbaren aufgeschlossenen romanti- schen Dichter bezogen sich freilich auf diese Entwicklungen. So baute beispielsweise E. T. A. Hoffmanns Der Magnetiseur (1813) auf der Lehre des Mediziners Franz Mesmer (1734-1815) (Mesmerismus) auf, der etwa 1770 behauptet hatte, es gibt auch einen biologischen Magnetismus.

Einen neuen Typ des faustischen Wissenschaftlers entwarf schließlich Mary Shelley 1818 in der Gestalt des naturwissenschaftlichen Forschers Franken- stein in ihrem Roman Frankenstein or, the Modern Prometheus.784 Auch sie griff populäre naturwissenschaftliche Kenntnisse auf und verband sie mit der uralten Idee der künstlichen Erschaffung eines menschlichen Wesens. In Frankenstein verschmilzt der frühneuzeitliche Faust, der wie Gott Schöpfer sein wollte, mit der romantischen Vorstellung von Faust, den Goethe als ratlos suchenden Wissenschaftler darstellte. Gleich den Alchemisten wollte Fran- kenstein die Natur beherrschen. Er folgte einem Dogma des 19. Jahrhunderts, das - so Mircea Eliade - frühneuzeitlichen magischen Vorstellungen entlehnt war. Danach war die „wahre Aufgabe des Menschen... die Natur zu ändern und umzu- formen, was er besser und schneller könne als die Natur, daß er dazu berufen sei, Be- herrscher der Natur zu werden - in diesem Dogma muß man die authentische Fortset- zung des Traums der Alchemisten suchen... Man weiß, in welchem Grade die ‘syntheti- sche Herstellung des Lebens’ - selbst in der bescheidenen Form einiger Protoplasmazellen - der kühnste Traum der Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewesen ist: Auch dies wieder ein al- chemistischer Traum vom Homunculus.“785

Bereits ein erster Blick ließ erkennen, daß Frankenstein sowohl die fr ühne u zei t l i che als auch die romantische Faustfigur verkörpert.786 Die folgende 781 Ebd. 782 di Nola, Der Teufel, a.a.O., S. 21 783 Neben den dämonischen Gestalten, die eine ‘böse Seele‘ hatten, entwickelten sich in der romantischen Literatur nicht minder eigenwillige Draufgänger mit ‘schöner Seele’. Es wa- ren – so Hofmeister - „Banditen, Piraten, Verbrecher, Wilde, Bohemiens und Rebel- len“, die den hinterhältigen Edelmännern, den verschlagenen Mönchen oder den kriminel- len Künstlern, die gemeine Verbrecher oder leichtfertige Libertins waren, entgegenstan- den. Daneben gab es die passiv träumende Helden wie „Waise, Pilger, Bettler, Gefangene, Selbstmörder, melancholische Künstler“, die Hofmeister zu den „Prome- theus-, Don Juan- oder Hamlet-Typen“ zählte. Im Vordergrund stand jedoch der nihilisti- sche Libertin, dessen oberstes Gebot die Freiheit war, der ohne jede moralische Unter- werfung oder soziale Bindungen gegen Gott und die Menschen rebellierte und seinem An- spruch skrupellos Leben opferte. Vgl. Hoffmeister, Deutsche und europäische Romantik, a.a.O. 784 Mary Wollstonecraft Shelley, Frankenstein or, The Modern Prometheus, (1818) London 1994 (Reprint), Mary Shelley, Frankenstein oder Der moderne Prometheus, Stuttgart 1986 785 Eliade, Schmiede und Alchemisten, a.a.O., S. 191

Montage des Bilddiskurses 171 zeitliche als auch die romantische Faustfigur verkörpert.786 Die folgende In- haltsanalyse zeichnet den Wandel der Faust- und Teufelsgestalt nach und lenkt das Augenmerk auf die Medialität der Geschichte.

Mary Shelleys Roman beginnt mit Briefen des Polarforschers Robert Walton an seine Schwester Margarete, die er auf dem Weg zum Nordpol schrieb. Hierin berichtet er ihr von Frankenstein, dem er im ewigen Eis auf der Fährte seiner Kreatur begegnete. Gleich einer Rückblende wird Frankensteins Famili- engeschichte aufgeblendet, und es werden die Schlüsselpunkte seiner Biogra- phie erzählt: Tod der Mutter, Nachfolge des Vaters als Arzt und Naturwissen- schaftler, Begegnung mit der Zukünftigen im Kindesalter. Beim Studium in In- golstadt stößt er auf die Lehren Paracelsus und anderer Magoi. „It was on an dreary night of November“ als Frankenstein ihre Ideen verwirklicht und einen Kunstmenschen erschaffen will, aber eine Mißgeburt erzeugt, vor der er ent- setzt davonläuft. Die Biographie erscheint auch hier als Handlungserklärung, und ebenso wie in der Historia von D. Johann Fausten führte das Studium magischer Schriften zur Erscheinung des ‘Leibhaftigen‘. Im folgenden wird die Entwicklung des Monsters - ähnlich wie in Parallelmontagen – in eigenen Kapi- teln beschrieben.787 Obwohl Frankensteins Kreatur auf sich selbst gestellt ist, lernt sie sprechen, lesen und schreiben. Eher zufällig stößt das Monster auf unterschiedliche Bücher, darunter das Tagebuch Frankensteins, das zum Do- kument seiner Geburt und Existenz wird. Identitätsentwicklung und Moralvor- stellungen gewinnt das Monsters aus der Lektüre Goethes Werther (1774) und Miltons Paradise Lost (1667).

Schon im Motto des Romans bezog sich Mary Shelley auf Miltons religiöses Epos, in dem Adam schuldlos an seiner Existenz bekannte: „Did I request thee, Maker, from my clay / To mould me man? Did I solicit thee / Form darkness to promote me?“788 Miltons Satan war weder ein mittelalterliches Ungeheuer noch ein kulturloses Scheusal, sondern ein gefallener Engel mit der verführerischen Kraft des unbeugsamen Rebellen. Trotz seiner aussichtslosen Situation begehrte er auf und ergab sich auch nach seiner tragischen Niederlage nicht. Praz hob den durch Schwermut getrübten Glanz hervor, der Satan nach seiner Niederlage noch majestätisch wirken ließ: „Der böse Feind wird eigentümlich schön... Verfluchte Schönheit gehört zu den festen Attributen Satans; Donner und Gestank... Überreste der düsteren Dämonengestalt des Mittelalters, sind verschwunden."789 Mary Shelley übertrug demnach die widersprüchliche Darstellung der Schöpfungsgeschichte Miltons auf das widersprüchliche Bild des Monsters. Aus der anderen Leküre, Goethes Erfolgsbuch Werther, leitete Shelley das ge-

786 Auch der Frankenstein-Diskurs brachte die Forschung nach einem histrorisches Vorbild hervor. Als dies wurde Dr. Dippel ausgemacht, der auf Burg Frankenstein am Rhein lebte. Er war Arzt und erforschte Knochen und Blut. Neues Rheinland berichte: „Es (gab)... of- fenbar wirklich, den Doktor Frankenstein... Als Frankenstein steht er jedenfalls im Matrikelbuch der Universität Gießen, dort promovierte er, ganz ketzerisch, ‘De Nihi- lo’... und startete ein abenteuerliches Alchemistenleben. Sein Name: Johann Konrad Dippel, geboren am 10. August 1693 - auf der Burg Frankenstein... Der Alchemist, der mit Leichen experimentierte, war den Leuten auch hundert Jahre nach seinem Tod noch als ‘Darmstädter Faust’ in Erinnerung... die Ärzte attestierten einen unnatürli- chen Tod... für die Dienerschaft stand fest: Der Teufel hat Dippel geholt.“ Mary und Percy Shelleys besichtigten offenbar diese Burg auf ihrer Reise nach Genf. 787 In der Historia wird Mephisto als Agent seines gewaltigen Imperiums vorgestellt, das Monster hingegen agiert allein und steht nur in Bezug zu seinem Schöpfer. 788 John Milton, Paradise Lost, (1667), 10. Buch, V. 936-939. (Milton lebte von 1608 bis 1674.) Bei Milton löste sich Adam nach dem Sündenfall, der Schuld und der Verdammnis im Kampf zwischen Gott und Teufel von den göttlichen Mächten ab. 789 Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S. 55

172 Montage des Bilddiskurses spaltene Verhältnis des Monsters zur Entwicklung subjektiver Freiheit ab. Goe- the hatte ja in Die Leiden des jungen Werthers (1774) die Idee einer individuel- len, freien Existenz beschrieben und an einen Protagonisten geknüpft, der ge- gensätzliche Strebungen und Standpunkte verinnerlichte, die er durch die sub- jektive Entscheidung für seinen Freitod ausdrückte.790 Die Haltung zum eigenen Tod bildete das souveräne Zeichen seines individuellen Freiheitsstrebens. Werther wurde zum Paradigma des romantischen Helden, der in der autono- men Selbsttötung eine elementare Freiheit forderte und den Tod nicht mehr länger als gottgewollt akzeptierte. Mit der Subjektivierung des Todes waren auch Entsetzen und Grauen nicht länger an eine übernatürliche Weltvorstel- lung gebunden, sondern gingen mit der Wahrnehmung der „Nachtseiten des Le- bens“791 einher.

Angeregt durch diesen Lesestoff beginnt das Monster über sich nachzudenken und erkennt sich als verlorenes Individuum, abgeschnitten von jeglicher gemeinsamen Herkunft. Da der Kunstmensch geschichtslos ist, bleibt er auch namenlos. Einsam sucht das Geschöpf seinen Schöpfer, tötet dessen Bruder und Frau und geht am Ende mit ihm unter. Während in Frankenstein unmittel- bar der faustische Wissenschaftlers zu erkennen ist, bleibt die Teufelsfigur, die man freilich im Monster erblicken kann, wenig mephistophelisch. Aber beide Protagonisten weisen eine subjektive Spaltung auf, die auch ihre Handlungen bestimmt. Ähnlich wie Faust und Mephisto in der Historia von D. Johann Faus- ten sind auch Frankenstein und das Monster in einen Vater-Sohn-Konflikt ver- wickelt, der sich als Spiegelkonflikt erweist und aus dem es keinen Ausweg gibt.

Deutlicher als in der Figur des Monsters tritt die Gestalt des Antichristen in ei- ner anderen literarischen Figur der Romantik hervor. Es ist die Figur des Vam- pirs, dessen literarische Verbreitung mit der Entstehungsgeschichte des Fran- kenstein Romans verbunden zu sein scheint. Nach Mary Shelley diente ein verregneter Ferienaufenthalt der Shelleys bei Lord Byron und John Polidori am Genfer See im Sommer 1816 dazu, moderne Gruselgeschichten zu schrei- ben.792 Mary Shelley schrieb den Roman Frankenstein, während Percy Bysshe Shelley das lyrische Drama Prometheus Unbound793 entwickelte, John Polidori schrieb die Geschichte Vampyre794 und Byron verfaßte das tragische Gedicht Manfred.795

Manfred, eine faustische Gestalt, erscheint als Prototyp des romantischen Bö- sewichts, hinter dem sich wiederum Miltons Satan verbirgt. Er ist ein Unsterb- licher, dessen Tragik sich hieran entzündet, denn voll Qual blickt er auf ein un- endliches Leben. Ein beklagenswertes Geschöpf, unversöhnlich wie Franken-

790 Goethe drückte in Werther ein subjektives Todesbegehren aus, „daß Werthers Selbst- mord nicht als beklagenswertes Finale einer Existenzverfehlung, sondern als freudige Quittung eines Moments höchster Lust gelesen werden muß.“ Gerhard Plumpe, Epo- chen moderner Literatur. Ein systemtheoretischer Entwurf, Opladen 1995, S. 65. Das To- deserlebnis wurde – wie Hoffmeister hervorhob - zu einer „Zentralerfahrung der Roman- tik“. Hoffmeister, Deutsche und europäische Romantik, a.a.O., S. 168 791 Huch, Die Romantik, a.a.O., S. 190 792 Vgl. Mary Shelley, Frankenstein, a.a.O., S. 5-12, S. 8. Vgl. auch Grawe, Nachwort a.a.O., S. 314f 793 Bysshe Percy Shelley, Prometheus Unbound, (1820), dt. Der entfesselte Prometheus, 1840 794 Polidoris Vampyre erschien 1819 in New Monthly Magazine zuerst unter Byrons Namen. („Goethe erklärte sie für das Beste, das der Dichter je geschrieben habe“, Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S. 71. Goethe hatte in Die Braut von Korinth (1797) Vampirgeschichten verarbeitet, die im 18. Jahrhundert in Illyrien entstanden waren.) 795 (George Gordon Noel) Lord Byron, Manfred. Ein dramatisches Gedicht, Frankfurt am Main

Montage des Bilddiskurses 173 stein-Monster und voller Zwiespalt, weil er ebensowenig siegen kann wie Sa- tan. Der schwermütige Haltung Satans zum ewigen Leben bei Milton, folgte bei Byron, Manfreds Einsamkeit des intellektuellen Mannes, der ewig im Schmerz lebend, gebildet und kühn, wie Prometheus an den Felsen gekettet, seine qual- volle Strafe erleidet.796 Ein anonymer Stahlstich illustriert Byrons Gedicht. Das Bild zeigt Manfred am Abhang eines Totenkopf-Felsens zum tödlichen Sprung bereit, vor dem er gewaltsam zurückgehalten wird.

Abb. 71: Lord Byron, Manfred, Edinburgh 1857, Illustration,Stahlstich, ano- nym

Einen weiteren Typ des romantischen Schwarzen Engels entwarf Polidori in der Erzählung The Vampyre (1819). Polidoris Teufelsgestalt ist der junge Ade- lige und Lebemann Lord Ruthven. Der ausbeuterische und ‘blutleere‘ Adelige - im Zuge der Französischen Revolution zum widerwärtigen Abschaum erklärt - wurde der Prototyp der romantischen Teufelsgestalt.

Attribute, die in der Historia zwischen Faust und Mephisto aufgeteilt waren, wurden bei Mary und Percy Shelley, Byron und Polidori nun zwischen Teufels- und Wissenschaftlerfigur hin und her verschoben. Grob skizziert lassen sich Prometheus797 und Frankenstein als Faustfiguren, Manfred und Lord Ruthven als Teufelsfiguren erkennen. Der Pakt, den die unterschiedlichen Figuren schließen, erweist sich als verinnerlichte Widerspruchsstruktur.

Aus der Geschichte des gemeinsamen Ferienaufenthaltes der Shelleys mit Byron und Polidori am Genfer See und aus der Lust der jungen Dichter an Gruselgeschichten, entwickelte Ken Russel den Horrorfilm Gothic (1986), der die von den Romantikern geschätzte gotische Atmosphäre in der Villa Diodati

796 Nach Praz war Byron aufgrund seiner eigenen „Unlust“, seinem „Hang zur Einsamkeit“ und seinem „freiwilligen Exil“, „Gemeingut der beginnenden Romantik“. Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S. 63. Danach kann Manfred als Byrons düsteres, tief romantisches literarisches Selbstporträt betrachtet werden. 797 Nach Viebrock vertrat Percy Shelley in Prometheus unbound nicht die simple Doktrin der Aufklärung, wonach „alles Böse von außen komme und als Irrtum nur korrigiert zu werden brauche“, sondern Shelley „hielt das Böse für überwindbar... durch diejenigen, die sich von Haß und Irrglauben selbst befreit hätten.“ Helmut Viebrock, Wer ist Demogorgon? Versuch einer Deutung von Shelleys Prometheus unbound, Wiesbaden 1971, S. 14f

174 Montage des Bilddiskurses nachzustellen suchte. In Russels Horrorfilm mischen sich literarische und his- torische Gestalten sowie literarische und historische Begebenheiten und füh- ren in eine romantische Phantasiewelt wahnhafter Rauschzustände. Ein ver- dichtendes Bild zeigt Byron in Pose und Kostümierung Draculas.

Abb. 72: Gabriel Byrne als Lord Byron, Ken Russel, Gothic, 1986

Polidoris Vampirgeschichte zog eine Welle von Vampirgeschichten nach sich, die am Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Bram Stokers Roman Dracula (1897)798 einen Höhepunkt fanden. Dracula799 wurde gar zum Synonym für Vampir. Stokers Figuren Graf Dracula und Professor Abraham van Helsing er- scheinen als Resümee des Wandels der literarischen Gestalten Faust und Mephisto durch die Romantik. Die Darstellungen Stokers wurden geradezu I- konen des modernen Vampirfilms. Hier noch einmal kurz der Inhalt der Ge- schichte.

Graf Dracula erwirbt über die Kanzlei Peter Hawkins einen Wohnsitz in Lon- don. Hawkins Angestellter, Jonathan Harker, reist nach Transsylvanien, um den Kauf abzuschließen. Harker, bald schon Opfer des Vampirs, gelingt es zu entkommen, während Dracula schon per Schiff auf dem Weg nach England ist. In England stillt Dracula sein Verlangen nach Blut an Lucy800 Westenra, die gleichzeitig hofiert wird von drei Männern, Quincey P. Morris, Arthur Holmwood und Dr. Seward. Seward ist der Leiter der städtischen Irrenanstalt, in dessen Obhut sich Renfield, ein Jünger des Vampirs befindet. Die Irrenanstalt grenzt an den Besitz Draculas. Mina Murray, die Verlobte Harkers und Freundin Lu- cys, wird Draculas nächstes Opfer. Im Lauf der Geschichte gelingt es dem holländischen Wissenschaftler „Prof. Abraham van Helsing, Dr. med. et phil.“801, der sich auf seltene Krankheiten spezialisiert hat, und den Freunden Lucys, Dracu- la mit den Insignien der kirchlichen Macht zu bekämpfen und schließlich zu vernichten. Am Ende heißt es lapidar: „Was dann kam, war wie ein Wunder; denn vor unseren Augen und im Zeitraum eines einzigen Atemzugs zerfiel sein Körper zu

798 Bram Stoker, Dracula, (1897). Aus dem Englischen von Karl Bruno Leder, Frankfurt am Main 1988, S. 170 799 Dracul bedeutet im Rumänischen soviel wie Teufel, vgl. Wolfgang Lottes, Dracula & Co. Der Vampir in der englischen Literatur, in: Archiv für das Studium der neueren Sprache, Nr. 220, 1983, S. 285–299. - Auch Draculas ‘wahres Lebens’ wurde erforscht. 800 Allein schon durch ihren Namen steht Lucy in Verbindung zu Luzifer. 801 Stoker, Dracula, a.a.O., S. 170

Montage des Bilddiskurses 175

Staub und löste sich auf.“802

Stoker erzählte die Geschichte des Untoten Graf Dracula, der mit Hilfe von Wissenschaft und Magie verfolgt und schließlich vernichtet wird. Unterschiedli- che Schriftdokumente (Tagebücher, Briefe, „Aufschreibsysteme“803) berichten über diesen Kampf, so daß das Phantastische eine dokumentarische Färbung erhält. Verschiedene Ich-Erzähler schildern die Begebenheiten in einzelnen ‘Büchern‘, wie das Buch Jonathan Harker, das Buch Mina und das Buch Lucy. Reise- und Abenteuerberichte wechseln sich mit Elementen einer romanti- schen Liebesgeschichte und eines Detektivromans ab. Das sequentielle Er- zählen und die Bildhaftigkeit machen den Roman vergleichbar mit der Historia und mit der Bibel.804

Dracula war bei Stoker „ein großer alter Mann. Er war glattrasiert, mit Ausnahme ei- nes langen weißen Schnurrbartes, und war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Auch nicht der winzigste Farbtupfer war an ihm zu entdecken.“805 Er konnte entsprechend mittelalterlicher Teufelsbilder die Gestalt eines Wolfes oder einer Fledermaus annehmen. Überdies löste er sich plötzlich in Nebel auf oder erschien aus dem Nichts. Er war gebildet und verfügte über eine reiche Bibliothek mit seltenen Büchern. Praz beschrieb Dracula als einen „rußgeschwärzten Narziß, ein Phaëton des Abgrunds.“806 In England nannte er sich Count de Ville (Devil). Der adelige Vampir war der Antichrist, der den Menschen ihr Blut beim Nachtmahl nahm, sowie Christus ihnen das seine zum Abendmahl reichte. Beider Blut verlieh ewiges Leben. Nach Helga Pohl stand die masochistische Position Christus der sadistischen Draculas gegenüber. Sadist und Masochist schienen sich zu begegnen wie Gott und Teufel und waren „zwei Seiten der selben Person oder zwei Personen, die derselbe unbewußte Konflikt miteinander verbindet, den sie in verteilten Rollen spielen, die jederzeit wechseln können.“807 Stokers Roman ist voll christlicher Symbolik. Zur Abwehr des Bösen dienten etwa Kreuz, Hostie und christliche Riten. Am Ende löste sich die dämonische Welt im Glauben an den Erlöser und im Triumph des Guten auf. Dracula zerfiel zu Staub, eben zu jener Mate- rie, aus der Prometheus den Menschen und Gott Adam erschaffen hatte. Gott taucht in Stokers Roman nicht auf, sieht man einmal davon ab, daß van Hel- sing als autoritärer Vater, Gottes Exekutive, Dracula, dem sexuell begehrenden Vater, dem Vater der Gier und des Triebes, entgegentritt.808

Dracula kam aus Transsylvanien auf einem Schiff namens Demeter in die englische Hafenstadt Whitby. Demeter war die Mutter der Erde und des Ge- treides.809 Aber nicht nur das Schiff trug den Namen der griechischen Göttin der

802 Ebd. S. 539 803 Vgl. Friedrich A. Kittler, Aufschreibesysteme, Berlin 1986 804 Das sequentielle Erzählen kann als Voraussetzung für Drehbuch und Verfilmung betrach- tet werden. Die doppelte Plot-Struktur öffnet den Zugang in andere Genres. Thomas Elsa- esser beschrieb einen Aspekt des postmodernen Films am Beispiel Coppolas Bram Sto- kers Dracula (1993) und zwar die „doppelte Plot-Struktur, die in der Regel eine Abenteuer- und eine Liebesgeschichte ineinander verschränkt.“ Thomas Elsaesser, Augenweide am Auge des Maelstroms? – Francis Ford Coppola inszeniert Bram Stoker’s Dracula als den ewig jungen Mythos Hollywood, in: Die Filmgespenster der Postmoderne, hrsg. v. Andreas Rost und Mike Sandbothe, Frankfurt am Main 1998, S. 63-106, S. 91 805 Ebd. S. 30 806 Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S. 53 807 Helga Pohl, Die Gruselgeschichte – ein Beitrag zur Psychoanalyse und Horrorliteratur, in: Zeitschrift für psychosomatische Medizin, Nr. 31 (1985), S. 187- 199, S. 189 und S. 198 808 Die Vorstellung einer in gut und böse gespaltenen Vaterfigur tritt in vielen Kinderphanta- sien auf. Vgl. Melanie Klein, Die Psychoanalyse des Kindes, München 1932 809 Zu Demeter vgl. Stichwort: Maria, in: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, Stuttgart 1974, S. 536 - 539

176 Montage des Bilddiskurses

Agrikultur, deren „mütterlich-nährende Wesenheit“810 den ‘Sohn des Teufels‘, den ‘Fürsten der Finsternis‘, sicher in ein anderes Land fuhr, sondern er reiste in einem Sarg voller Erde wie in ihrem Uterus. Das Wesen aus der Hölle fand seine Tagesruhe im dunklen Schoß der Mutter Erde, deren Schutz er nur ge- gen den der Nacht eintauschte.811 Mircea Eliade812 beschrieb die Vorstellung von der Erdmutter, „die mit allen möglichen `Embryonen` schwanger ist.“ Danach wurde die Erde mit dem Leib der großen Mutter verglichen und die „Bergwerke mit ihrer Matrix, und die Erze mit ‘Embryonen‘.“813 Eliade hob zwei steinzeitliche My- then hervor: „Die Mythen von den aus Steinen hervorgegangenen Menschen und jene von der Schwangerschaft und Reifung der Steine und Erze im Mutterschoß der Erde.“814 Erze und Metalle wurden als lebende Organismen betrachtet, ja „man sprach von ihrer Schwangerschaft, ihrem Wachstum und ihrer Geburt, ja selbst von ihrer Hoch- zeit.“815 Wird die Erde als die Mutter der Erze betrachtet, so ist der Weg zu Prometheus nicht mehr weit, dessen Anteile an der Draculagestalt Stokers völ- lig verschwunden zu sein schienen. Eliade stellte heraus, daß die Alchemisten behaupteten, „daß das Opus alchymicum die Auferstehung der Natur gewährleisten kann, genau wie Christus die Menschheit durch seinen Tod und seine Auferstehung er- rettet hat.“816

Professor Abraham van Helsings Gegnerschaft war unerbittlich und ohne Gnade. Er war im Gegensatz zu Faust ein Wissenschaftler, welcher sich vom Bösen abgewandt hatte, ein geläuterter Experte, der die Magie beherrschte und den unsterblichen Diabolus in die Hölle zurückjagte. Stoker beschrieb van Helsing als einen „Philosophen und Metaphysiker und einen der gelehrtesten Wissen- schafter unserer Zeit. Außerdem tritt er allen Problemen ganz unvoreingenommen ent- gegen. Die sowie seine eisernen Nerven, sein sprühendes Temperament, sein unbe- zähmbarer Wille, seine Selbstbeherrschung, seine Toleranz und das freundlichste und zuverlässigste Herz, das in einem Menschen schlägt, sind seine Ausrüstung für die edle Arbeit, die er für die Menschen leistet, und zwar sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis, denn seine Ansichten sind ebenso allumfassend wie seine Menschenliebe.“817 Hinter diesem souverän dargestellten Wissenschaftler verbirgt sich offenbar ein reaktionärer Forscher im Stil Cesare Lombrosos. Salli J. Kline verwies auf die „allegorische Umsetzung von Ideologemen der zeitgenössischen Kulturkritik“ und fand in Stokers Auffassung von Wissenschaft „Cesare Lombrosos Theorien zum Atavismus, zur Degeneration, zum ‘geborenen Kriminellen’ und zum ‘moralischen Schwachsinn’ bei Kriminellen skizziert, Theorien, die der Psychiater, Gerichtsmediziner und Anthropologe Lombroso in seinem aufschlußreichen Buch L’Uomo delinquente (1876) dargelegt hat.“818

Van Helsing trägt den Vornamen Stokers, so daß naheliegt, Stoker habe sich mit dem ‘göttlichen‘ Sieger identifiziert, der die Streitmacht Gottes gegen den Teufel anführt.819 Stoker war Manager und Freund des Schauspielers Henry Ir-

810 Stichwort: Demeter, in: Der kleine Pauly, a.a.O., Sp. 1459-1464, Sp. 1459 811 Umschlossen von ‘nährender‘ Dunkelheit ging Dracula auf die Reise wie das Kinopubli- kum. 812 Mircea Eliade, Schmiede und Alchemisten, Stuttgart 21980, S. 58 813 Ebd. 814 Ebd. S. 47 815 Ebd. S. 160 816 Ebd. S. 184 817 Stoker, Dracula, a.a.O., S. 169 818 Salli J. Kline, The Degeneration of Women. Bram Stoker’s Dracula as Allegorical Criticism of the Fin de Siècle, Reinbach - Merzbach 1992, S. 280 819 Nach Friedrich A. Kittler identifizierte sich Stokers mit Mina, da sein Roman „mit Mina Har- kers Archiv restlos identisch“ war. Friedrich A. Kittler, Draculas Vermächtnis, Leipzig 1993, S. 5

Montage des Bilddiskurses 177 ving und leitete das Lyceum Theater in London, in welchem Irving in Goethes Faust I als Mephisto große Erfolge feierte. Irving sah im Kostüm Mephistos Stokers Dracula beachtlich ähnlich.820 Aber beide Protagonisten, Van Helsing und Dracula, tragen bei Stoker mephistophelische und faustische Züge, so trägt der Vampir den Mantel des mittelalterlichen Gelehrten und verfügt über ei- ne große Bibliothek - (er ist ein Wiedergänger wie Faust), während van Helsing dämonische Kenntnisse und archaische Jagdgelüste hat. Der Magier ist wie- der einmal gespalten in einen triebhaften und in einen sittsamen Gelehrten.

Den gegensätzlichen und gleichsam ineinander verschobenen Figuren des Guten und Bösen entsprechen die weiblichen Figuren des Romans, Mina und Lucy, die sich als verfolgte Unschuld und verdorbene Schönheit offenbaren. Sie können auch als figurative Ausformung der Spaltung Gretchens betrachtet werden. Gretchen erwartet Faust ebenso willenlos und fiebernd wie Lucy und Mina Graf Dracula. Sie monologisiert über ihr Verlangen:

„Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer Und nimmermehr.

Wo ich ihn nicht hab, Ist mir das Grab, Die ganze Welt ist mir vergällt.

Mein armer Kopf Ist mir verrückt, Mein armer Sinn, Ist mir zerstückt.

Nach ihm nur schau ich Zum Fenster hinaus, Nach ihm nur geh ich Aus dem Haus.

Sein hoher Gang, Sein’ edle Gestalt, Seines Munde Lächeln, Seiner Augen Gewalt.

Und seiner Rede Zauberfluß, Sein Händedruck Und, ach, sein Kuß!

Und küssen ihn, So wie ich wollt, An seinen Küssen Vergehen sollt!“821

Hörigkeit und Gemütsverfassung Gretchens, sowie die Gewalt, die sie Fausts Augen und seinem Kuß zuspricht, entsprechen der magischen Macht der Dra- cula-Figur bei Stoker. Es ist ihre Hörigkeit, die beide, Gretchen und Lucy, aber

820 Vgl. Karsten Prüßmann, Die Dracula-Filme. Von Friedrich Wilhelm Murnau bis Francis Ford Coppola, München 1993, S. 39 821 Goethe, Faust I, V. 3374 –3411, (Hervorhebungen D.M.)

178 Montage des Bilddiskurses auch Mina, zum Opfer machen. Das Liebesopfer wird sogar noch über ihren Tod hinaus festgeschrieben. In Goethes Faust I erscheint Gretchen Trugbild Faust in der Walpurgisnacht. Mephisto erkennt sofort die Gefahr des Blend- werks und warnt Faust:

„Laß das nur stehen! Dabei wird's niemand wohl. Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol. Ihm zu begegnen, ist nicht gut: Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut, Und er wird fast in Stein verkehrt; Von der Meduse hast du ja gehört.“

Ist das Trugbild Gretchens hier ein Bild der Laterna magica? Eugène Delacroix Lithographie Faust sieht den Geist Gretchens aus dem Jahr 1828 zeigt Gret- chen als Nebelbild, das von einem geflügelten Dämonen in den Strahl des Mondlichtes gezogen wird.822 Mephisto stellt Faust das Illusionsbild Gretchens als Schreckensbildnis der Medusa vor, das zur tödlichen Gefahrenquelle werden kann.823 Faust unter- scheidet im ersten Moment nicht Realität und Abbild, sondern ist einer tödli- chen Gefahr ausgesetzt. Angriffslustig antwortet er Mephisto:

„Welch eine Wonne! Welch ein Leiden! Ich kann von diesem Blick nicht scheiden. Wie sonderbar muß diesen schönen Hals Ein einzig rotes Schnürchen schmücken, Nicht breiter als ein Messerrücken.“

Das aggressive Begehren richtet sich hier nicht allein gegen das Trugbild, son- dern wird durch den Wunsch zu töten wieder der Realität zugeführt, so daß die Aggression gegen die frühere Geliebte nicht unbemerkt bleiben kann. Auch für den Vampir ist die Verletzung des Halses einer schönen Frau ein erotisches Vergnügen. Das Liebesverbrechen wurde zu einem festen Bestandteil der Vampirgeschichten und in der Deduktion des Vampirismus aus der Faust- geschichte wurde die liebende Frau zum Opfer des Bösen erklärt. Horror und Splatter blieben in Vampirgeschichten nicht länger auf Teufelserscheinung und Höllenfahrt begrenzt, die durch grauenvolle Riten - Pfählen, Herausreißen des Herzes und Abschlagen des Kopfes - Draculas Schicksal besiegeln, sondern an die Stelle des Blutpaktes der männlichen Protagonisten trat das weibliche Blutopfer.

Ernest Jones beschrieb den Vampirismus in psychoanalytischen Betrachtung von Alptraum und Aberglauben als eine „fortgesetzte Beziehung zwischen einem Lebenden und einem Toten.“824 In Stokers Dracula Roman ist dies freilich die sa- distische Beziehung des dämonischen Protagonisten zu einer Frau, die ver- nichtet oder Untertan seines Reiches wird. Die literarische Figur des Vampirs galt vielfach als Ausdruck unbewußter Seelenprozesse, die mitunter als Zu- sammenfassung aller sexueller Verdrängung betrachtet wurden und zwar als „Mischung aus mörderischer Aggression nicht verschuldeter Schuld, verschlingender Liebe, sadomasochistischer Sexualität, tödlicher Oralität, symbiotischer Verschmel- zung, Kannibalismus und Nekrophilie.“.825 Darüber hinaus erschien ‘Vampirismus‘

822 vgl. Eugène Delacroix , Faust sieht den Geist Gretchens, 1828, 35x26cm, Berlin, staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett. 823 Vgl. zu Medusa das Kapitel: Bild des Schreckens 824 Ernest Jones, Der Alptraum in seiner Beziehung zu gewissen Formen des mittelalterlichen Aberglaubens, Leipzig, Wien 1912 825 Pohl, Die Gruselgeschichte, a.a.O., S.189

Montage des Bilddiskurses 179 auch als Metapher sozialer Strategien, die von „vampirartigen Bindungen“ und „Techniken der Macht“ bestimmt waren. 826

1. Schauplatz des Grauens In der Historia von D. Johann Fausten war die Hölle der elementare Ort des Grauens. Dem supranaturalen Ort der Verdammnis wurde in romantischer Li- teratur die Wirkungsstätte des Teufelsbündlers als irdischer Schauplatz des Grauens gegenübergestellt. Heinrich Heine beschrieb in seinem Ballettentwurf Der Doktor Faust das schlecht beleuchtete Arbeitszimmer des Magiers als „Studierzimmer, groß gewölbt, in gotischem Stil. Spärliche Beleuchtung. An den Wän- den Bücherschränke, astrologische und alchymistische Gerätschaften (Welt- und Him- melskugel, Planetenbilder, Retorten und seltsame Gläser), anatomische Präparate (Skelette von Menschen und Tieren) und sonstige Requisiten der Nek romantie.“827 Das gotische Arbeitszimmer des Wissenschaftlers stellte hier ein Schreckenskabi- nett dämonischer Macht vor. Aber nicht nur Heine beschrieb die Giftküche des Alchemisten als irdische Hölle, Tártaros und dunklen Ort des Teufelspaktes, sondern auch andere romantische Dichter828 stilisierten den wissenschaftli- chen Arbeitsraum, aber auch andere Schauplätze – so alte Gebäude, Friedhö- fe oder Wälder - als schaurig und tauchten sie in eine geheimnisvolle Atmo- sphäre. Der Schauplatz des Grauens, die Hölle, wurde auf die Erde verlegt und bot einen entsprechenden Hintergrund für den Auftritt der romantischen säkula- risierten Teufelsgestalt. Diese Szene ging freilich mit der Darstellung von Na- turgewalten wie Blitz, Donner, Sturm, Erdbeben, Sonnen- oder Mondfinsternis einher.

Das folgende Bild, Gotischer Dom am Wasser, das Wilhelm Arborn 1832 nach einem verschollenen Gemälde von Karl Friedrich Schinkel (1813) 829 mal- te, vermittelt die neugotische Atmosphäre romantischer Schau(er)plätze.

826 In Anlehnung an Bernd Nitschke beschrieb Joachim Metzner den Vampirismus als soziale Metapher. Vgl. Joachim Metzner, Die Vieldeutigkeit der Wiederkehr. Literaturpsychologi- sche Überlegungen zur Phantastik, in: Phantastik in Literatur und Kunst, hrsg. v. Christian W. Thomsen und Jens Malte Fischer, Darmstadt 1980, S. 86 827 Heinrich Heine, Der Doktor Faust (Entwurf eines Faustballetts), a.a.O., S. 247 828 Im folgenden werden u.a. Horace Walpole, Ann Radcliffe, Friedrich Schiller erwähnt. 829 vgl. auch Karl Friedrich Schinkel, Gotische Kirche auf einem Felsen am Meer, 1815, Öl auf Leinwand, 72x98 cm, Berlin, Staatliche Museen, Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie

180 Montage des Bilddiskurses

Abb. 73: Wilhelm Ahlborn nach Schinkel, Gotischer Dom am Wasser, 1823, Öl auf Leinwand, 80 x 106,5 cm, nach dem vernichteten Original von1813, staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie Berlin

Im ‘Halbdunkel der amerikanischen Nacht’ steht die gotische Kathedrale830, de- ren Türme bereits zerfallen sind, im Gegenlicht der Sonnenstrahlen. Ahlborn malte zwanzig Jahre später Schinkels Bild nach und verweist damit auch auf die Dauerhaftigkeit von Motiv und Metapher. Das Gemälde kennzeichnete am Ende der Epoche im beklemmenden Zwielicht eine widersprüchliche Stim- mung. Aus dem Zwielicht leitete Ricarda Huch den Norden als Heimat der Romantiker ab. Sie schrieb: „Das Zwielicht ist es, das den Norden zur Heimat der Romantik macht. Und die Gefahr des modernen Künstlers liegt darin, daß er, von der Dämmerung verzärtelt, den Tag nicht mehr ertragen kann.“831 Mitunter wurden Land- schaften und Menschen mit einer so „radikalen Sentimentalität“ (Blanchot) be- trachtet, daß sich eine bislang unbekannte spiritistische Vorstellungswelt ent- wickelte, die zu einer Wiedergeburt alles ‘Zauberischen’, von Geheimwissen- schaften und anderen von der Aufklärung verpönten Aberglauben sowie zu einer Neubelebung volksnaher Stoffe führte.832 Mit Rückgriff auf den katholi- schen Glauben und die mittelalterliche Welt kam das Gotische in Mode.833

Die Darstellung von Angst und Bedrückung durch übermächtige Architektur, abgründige Bauwerke und unheimliche Innenräume ging mit einer „Morphologie des Bildkomplexes ‘unheimlicher Architektur‘ einher, „zu dem die bekannten Elemente

830 Die gotische Kathedrale wurde im Zuge der Herrschaft Napoleons über Preußen nicht nur für Schinkel zum nationalen Bild patriotischer Begeisterung. 831 Huch, Die Romantik, a.a.O., S. 108 832 Hoffmeister betonte, daß der volkstümliche Begriff der Romantik (der mit der Vorstellung von romantischer Landschaft und romantischer Liebe einherging) „neben dem literatur- wissenschaftlichen her(lief).“ Hoffmeister, Deutsche und europäische Romantik, a.a.O. S. 4 833 Die Romantik folgte freilich keinem einheitlichen Stil, so wurden neben den spätmittelalter- lichen auch antike Vorbilder herangezogen. Nach Jürgen Klein traten „starke traditionale Strömungen, die oft mit der politischen Reaktion einhergingen“ auf, und das Mittelalter diente mitunter als Modell der angestrebten Staatsordnung. Jürgen Klein, Der gotische Roman und die Ästhetik des Bösen, Darmstadt 1975, S. 137

Montage des Bilddiskurses 181 des Schauerromans gehören: Die Burg mit einem Labyrinth, dunkle Korridore, unterirdi- sche Gänge und Gewölbe, dämmerige Hallen und Treppenfluchten, Zugbrücken, Ge- heimtüren, Verließe und Wachsleichen.“834 Ikonographische Einzelheiten lassen sich „in der Konzeption des Raums als Szene für eine Thematisierung der Angst“ be- schreiben. Es ist eine Raumkonstruktion, die Unheil verkündet und den Auftritt des Bösen nahelegt. In The Castle of Otranto (1765) beschrieb erstmals Hora- ce Walpole835 ein unheimliches Gebäude, ein fiktives Schloß mit unterirdischen Gängen und geheimnisvollen Erscheinungen als Schau(er)platz der Handlung und initiierte damit die Gothic Novel836, der eine endlose Reihe von Tales of Terror folgten. Neben Beschreibungen von mittelalterlichen Bauwerken sorgten schauerliche Darstellungen einsamer Friedhöfe und dunkler Wälder, entweih- ter Kirchen oder entlegener Gasthäuser für eine beklemmende Atmosphäre. In Die Braut von Messina dichtete beispielsweise Schiller, „Gräuelthaten ohne Na- men, Schwarze Verbrechen verbirgt dies Haus“837, und über einen unbekannten Raum in einem riesigen Schloß, „fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume, Ver- lier’ ich mich im grenzenlosen Raume.“838 Innere und äußere Räume wurden zu ei- ner gruseligen Ausdruckslandschaft.

Offenbar hatte Walpole den kleinen Roman The Castle of Otranto unter dem Eindruck eines quälenden Traums geschrieben.839 Traumbilder sind freilich e- bensowenig stofflich wie Lichtbilder der Laterna magica, an die Walpoles Be- schreibung erinnert, in der Mondlicht, das durch ein gotisches Kirchenfenster fällt, ein phantastisches Bild hervorbringt. Nach Klaus Bartels840 diente Walpo- les Schauerdichtung wesentlich dazu, Lichtbilder zu beschreiben und mitein- ander zu verknüpfen. Am Ende der Gruselgeschichte tritt der Großvaters des dämonischen Protagonisten, Manfred, sogar aus seinem Gemälde hervor. Eine magische Verlebendigung, der Bartels ein „Hohlspiegelprojektion auf Rauch“ gleichsetzte.841 Danach war The Castle of Otranto „Laternenprosa, ...der eine wahre Flut von Laternenprosa folgen sollte... Die Zauberlaterne konnotierte zu dieser Zeit of- fensichtlich automatisch das von Walpole eingeführte Genre der ’gothic story‘.“842 Traumbilder und innere Angstbilder fanden anscheinend ihren Ausdruck in be- klemmenden Schauergeschichten und bedrohlichen Lichtbildprojektionen. Der Glaubensverlust an eine supranaturale (angstbesetzte) Welt schien mit einer frei florierenden Angstbereitschaft einherzugehen, die sich schwarz und dunkel über das eigene Leben legte.

Auch in Walpoles The Mysterious Mother843 führten mysteriöse Schauplätze

834 Martin Christadler, Giovanni Battista Piranesi und die Architekturmetapher der Romantik, in: Miscellanea Anglo-Americana. Festschrift für Helmut Viebrock, hrsg v. K. Schuhmann, W. Hartmann, A. P. Frank, München 1974, S. 79-107, S. 80 835 Vgl. Norbert Miller, Strawberry Hill. Horace Walpoles und die Ästhetik der schönen Unre- gelmäßigkeit, München 1986. Horace Walpole, The Works of Horatio Walpole, London 1798. (Horace Walpole lebte von 1717-1797) 836 vgl. Grawe, Nachwort, a.a.O., S. 318f 837 Schiller, Die Braut, a.a.O., S. 423 838 Ebd. S. 424 839 Vgl. Jürgen Klein, Literarischer Schrecken - Konvergenz der Temporalitäten: Zur Ästhetik und Semantik der Gothic Novel, in: Schönheit und Schrecken, Gewalt und Tod in alten und neuen Medien, hrsg. v. Peter Gendolla und Carsten Zelle, Heidelberg 1990, S. 93-128 840 Bartels, Proto-Kinematographische Effekte, a.a.O. 841 Ebd. S. 136f 842 Ebd. S. 135 843 The Works of Horatio Walpole, a.a.O., Bd. 1. S. 38-129. The Mysterious Mother veranlaßte Friedrich Schiller zu Die Braut von Messina, oder die feindlichen Brüder (1809). (Ein Trau- erspiel mit Chören, in: Schillers sämtliche Werke in zwölf Bänden, Stuttgart und Tübingen 1838, Bd. V, S. 373-504)

182 Montage des Bilddiskurses und Erscheinungen zu einer zerstörerischen Familientragödie. Der scheinbare Schutzraum Familie wurde durch den Schauerroman zum Angstraum und die unheimliche Unterhaltungslektüre brachte einen neuen Lustgewinn hervor, der den seelischen Schmerz innerer Angst erlebbar machte. Das Vergnügen am Gruselgefühl konnte offenbar am stärksten durch übernatürliche Bedrohung ausgelöst werden. Wie schon die Historia von D. Johann Fausten strebten Gothic novels mit synästhetischen Schilderungen eine Ganzheitlichkeit des Grauens und ein lustvolles Schaudern in den eigenen vier Wänden an. In die häusliche Beschaulichkeit drang die Beschreibung bedrohlicher Geräusche al- ler Art ein, wie eine unerwartet schlagende Totenglocke oder plötzliche Don- nerschläge. Daneben sorgte die Darstellung von unerklärlichem Türenschla- gen oder klirrendem Schlösserrasseln für weitere Schauder.

2. Phantastik als Wahn Literarischer Auslöser von Furcht war nicht länger allein die Beschreibung der animalischen Teufelsgestalt, die aus der Hölle kam, sondern an den dunkel und beängstigend beschriebenen Orten erschien in romantischen Schauerge- schichten ein dämonischer Mensch mit finsterer Seele. Die finstere Seele des faustischen Wissenschaftlers fand ihre literarische Beschreibung in der Figur des viehischen Unholds Mr. Hyde in Robert Louis Stevensons Novelle The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1886).844 Stevensons schilderte in dieser Erzählung den nicht enden wollenden Kampf zwischen Wissenschaftler und Teufel, der sich hier vollends in der Seele des Wissenschaftlers abspielt. Jekyll, ein ehrgeiziger Wissenschaftler wie Faust, trank voll Wissensdurst das zwischen Gut und Böse spaltende Elixier. Schon in mittelalterlicher Magie spielte die Suche nach der Formel für das „trinkbare Gold“, einem Zaubertrank, der verjüngen sollte, eine bedeutende Rolle.845 Das Elixier, welches Jekyll ent- wickelte, brachte den Bösen in ihm zum Vorschein.846 Nach Jorge Luis Borges war „Dr. Jekyll moralisch entzweit, wie alle Menschen, während seine Hypostase - Ed- ward Hyde - ein rastloses Übeltäter durch und durch ist.“847 Hyde war keine Gestalt einer supranaturalen Welt mehr, sondern er trat aus der Hölle der eigenen Seele hervor.848

Auch Stevensons Novelle ist von großer Bildhaftigkeit und Medialität, so erin- nert schon eine Beschreibung zu Beginn der Geschichte an einen flashback, der von einem Dämmerzustand vor dem Einschlafen ausgehend, zu einem neuen Schauplatz führt. Die Beschreibung des imaginären Bildes verwandelt sich geradezu in die Beschreibung eines erleuchteten Guckkastenbildes oder eines Lichtbildes einer Laterna magica Vorführung: „And as he lay and tossed in the gross darkness of the night and the curtained room, Mr. Enfield’s tale went by before his mind in a scroll of lighted pictures. He would be aware of the great field of lamps of a nocturnal city... Or else he would see a room in a rich house.“849 Die Existenz der zunächst immagiär angelegten Gestalt Hyde trat im Verlauf der Novelle wie aus einem Traumbild oder aus einem Lichtbild heraus in die literarische Realität ein.

844 Robert Louis Stevenson, The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1886), Stuttgart 1994 845 Alexander Roob, Das Hermetische Museum. Alchemie und Mystik, Köln 1990, S. 32 846 Georg Seeßlen erinnerten lautsprachlich „die Namen Jekyll an das Englische to kill, mor- den, und Hyde an to hide, verstecken“, Georg Seeßlen, Dr. Jekyll and Sister Hyde, in: Lexi- kon des phantastischen Films, a.a.O., S. 4 847 Jorge Luis Borges, Dr. Jekyll und Edward Hyde, verwandelt, in: Filmkritik Nr. 24, 1980, S. 413-414, S. 413 848 Wie noch gezeigt wird, findet die Verwandlung im Film als Teufelsbeschwörung statt. 849 Stevenson, The Strange Case, a.a.O., S. 17

Montage des Bilddiskurses 183

Dr. Jekyll war ein faustischer Wissenschaftler, der den Bösen, ohne es zu ahnen, in sich trug. Am Ende der Geschichte, im Kapitel Henry Jekyll’s Full Statement of the Case, räumte Stevenson ein, er, Jekyll, habe sich als Hyde nicht mit ich ansprechen können, sondern: „He, I say – I cannot say I.“850 Mit der Darstellung der Verinnerlichung eines fremden Dämons schrieb Stevenson nicht nur die Dualität von Wissenschaftler und Teufel fest, sondern stellte wissenschaftliche Phantastik als Wahn vor, der als verinnerlichte animalische Teufelsgestalt hervortrat.

Das ‘Schreckliche‘ zog sich in die Seele zurück, und gleichsam wurde die ‘schreckliche Seele‘ der neue Ort des Bösen, des Erschreckens und der To- desfurcht. Die dämonische Seele, die in den romantischen Schauergeschich- ten heraufbeschworen wurde, ging mit der Vorstellung der kranken Seele ein- her. Joachim Metzner851 beschrieb die Schauerliteratur im Verhältnis zur Vor- stellung von Normalität, die der psychiatrische Diskurs Ende des 18. Jahrhunderts gerade erst zu definieren begonnen hatte. Danach wurde ‘die kranke Seele‘ als ‘phantastischer‘ Wahn definiert und das Phantastische diente ähnlich den Traumbildern dazu, die Strukturen des Wahns aufzuschließen.852 Nach Metzner kam der ‘phantastische’ Wahn mit der „Internierung des Wahnsinns am Ende des 18. Jahrhunderts“ auf, in einer Zeit, in der auch die Schauerliteratur entstand.853 Mit Rückgriff auf die Darstellung der Entwicklung des Asyls bei Foucault854 stellte Metzner die dort beschriebene gewaltige Reserve an Phan- tastischem als „eine schlafende Welt von Monstern“ (Foucault) vor. Die gegen Vernunft, Sitte und Moral verstoßenden Irren, die weggeschlossen wurden, sollten (zeitgenössischen Therapievorschlägen folgend) gesund geschreckt werden. Nach Foucault hatten Phillippe Pinel855 und Johann Christian Reil856 e- lektrische Androiden gebaut, um die Verrückten gesund zu schrecken. Es wa- ren – so Metzner - „menschenähnliche Apparate mit glühenden Augen und dröh- nender Stimme.“ Die Kranken sollten „durch das Umherirren in Gewölben, den Sturz in Abgründe und die Flucht vor monströsen Puppen gesund geschreckt werden."857 Schon die Laterna magica war von Athanasius Kircher dazu benutzt worden, um Frevlern mit dem Lichtbild des Teufels Angst einzujagen. Es verwundert wenig, wenn nun der apparative Schrecken den abweichenden Menschen gleichschalten soll. Der Maschinenschreck war dem Schreck durch die Schauerliteratur abgeschaut, deren Angriffspunkt eine Seele war, in der ein Dämon steckte. Im Umkehrschluß wurde dem Erschrecken unterstellt, es ma- che die kranke Seele gesund.

850 Ebd. S. 103 851 Metzner, Die Vieldeutigkeit der Wiederkehr, a.a.O. 852 Metzner stellte den Zusammenhang von Phantastik und Wahn bei Laing und Freud her- aus. Danach ließ sich bei Ronald D. Laing das Phantastische in der Psychose zu Beginn des Ausbruchs der Krankheit finden, wenn „sich das Wirklichkeitsgefühl eines Men- schen verflüchtigt und dem sogenannten Wahn Platz macht.“ (Ronald D. Laing, Das geteilte Selbst, Reinbek 1976. S. 118) Auch Freud sah im ‘Phantastischen’ jene Schwelle, „an der im Wahn wie in der Dichtung, die von den Gesetzen der Wissenschaft be- herrschte Welt verlassen wird.“ (Sigmund Freud, Der Wahn und die Träume in W. Jen- sens Gradiva, a.a.O., S. 79) Die kranke Seele produziert danach Phantastik in (Traum- o- der Wahn-)Bildern. 853 Metzner, Die Vieldeutigkeit der Wiederkehr, a.a.O., S. 83 854 Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft, Frankfurt am Main 1969, S. 367 855 Phillippe Pinel, Traité médico-philosophique sur l´aliénation mentale ou la manie, Paris 1801 856 Johann Christian Reil, Rhapsodien über die Anwendung der psychischen Curmethode auf die Geisteszerrüttungen, Halle 1803 857 Metzner, Die Vieldeutigkeit der Wiederkehr, a.a.O., S. 83

184 Montage des Bilddiskurses

Metzner griff zur Erklärung des literarischen Schreckens auf die Definition des Phantastischen bei Freud zurück, wonach das Phantastische eine ‘Wieder- kehr des Verdrängten’ beinhaltete und auf der „Natur der Sexualität“ basierte.858 Das Verdrängte kehrte danach in zwei Formen wieder: Die eine bezog sich auf den Anlaß der Verdrängung, die andere auf den Verdrängungsinhalt. Die ‘phan- tastische’ Dramatik romantischer Schauerliteratur lag für Metzner im ödipalen Konflikt des Subjekts verborgen, da die Schauergeschichten Vater-Ungeheuer in Hülle und Fülle enthielten, wie auch die Figuren des steinernen Gastes, des ehernen Reiters, des Golems oder des Vampirs.859 Neben den Vater- Ungeheuern machte Metzner eine ebenso große Zahl „männermordender Unge- heuer weiblicher Provenienz“ aus.860 Folglich fand der steinerne Gast sein Pendant in der Marmorvenus. Die Destruktivität der phantastischen Figuren erklärte Metzner aus verbotenen und daher abgewehrten Wünschen, die das ödipale Schema repräsentieren. Ihre Zeitenthobenheit oder ihre Unsterblichkeit wurden als von der Verdrängung nicht tangierte Unausrottbarkeit des ödipalen Wun- sches betrachtet: Ein Konflikt, der nur durch eine Umkehr der Affekte – der Auf- lösung der phantastischen Gestalten - beendet werden konnte. Dies erwies sich freilich als aussichtslos, denn das Vaterbild war konstituierender Teil einer romantischen Familienideologie, die neben das Bild des allmächtigen Vaters jenes des bösartigen Unholds stellte. Das phantastische Bild eines in gut und böse gespaltenen Vaters (verdoppelter Vater) entfaltete sich in der Vorstellung einer seelischen (gespaltenen) Struktur, in deren Über-Ich der gute Vater wirkt, während im Es, der christliche Unhold haust.

Nach Theodor Reik861 war der Schreck, mit dem die Schauerliteratur einher- ging, eine grundlegende unbewußte Unheilserwartung, die sich in der Ätiologie der traumatischen Neurosen verbarg. Er schrieb: „Das dunkle Unheil, das wir un- bewußt erwartet haben, ist plötzlich da... Das Fremde, das da plötzlich drohend in unser Leben eingreift, ist etwas Altbekanntes, nur Entfremdetes, etwas, das wir unbewußt längst erwartet hatten und das gerade in einem Augenblicke, da wir nicht daran dachten, Realität zu werden scheint. Wir verstehen hier, es handelt sich dabei um die plötzliche Verwandlung einer versunkenen psychischen Realität von Angstcharakter in eine aktuel- le - ein Vorgang, der der plötzlichen Aufhebung eines Verdrängungswiderstandes ver- gleichbar.“862 Reik ging davon aus, daß die unbewußte Unheilserwartung eine Bereitschaft für Befürchtungen grundlegte. Die ‘negative’ Erwartungshaltung stellte das befürchtete Unheil als unvermeidbar hin. Das stets zu erwartende Unheil, ein großes Unglück oder eine schlimme Katastrophe, trat plötzlich ein und verband sich mit dem Glauben an eine strafende Macht. In Angst und Schrecken versetzt, trat der menschliche Willen außer Kraft und die unerklärli- che Macht wirkte, „ohne zu wissen, vom wem sie aus geht."863 Diese Macht führte Reik auf die kindliche Erfahrung der übermächtigen Eltern zurück. Gleichzeitig stellte er heraus, daß alles Bedrohliche und Schreckliche wie eine Bestrafung erlebt würde und sich in der Ohnmacht und der Hilflosigkeit in einer realen Ge- fahrensituation mit den infantilen Erlebnissen mische. Der Schrecken, der Schock und die Angstsituation des Erwachsenen standen hiernach in einem direkten Verhältnis zur infantilen Libidoorganisation. Reik führte aus: „Das gefes- tigte Ich hat plötzlich die drohende Macht des Schicksals, seines Vaterersatzes, zu spüren bekommen; es ist von dem (wieder in die Außenwelt rückprojizierten) Über-Ich

858 Ebd. S. 84 859 Ebd. S. 188 860 Ebd. 861 Theodor Reik, Der Schrecken und andere psychoanalytische Studien, Wien 1929 862 Ebd. S. 22 863 Ebd. S. 24

Montage des Bilddiskurses 185

überwältigt worden."864 Der Erwachsene reagierte wie ein eingeschüchtertes und schuldbewußtes Kind „auf das plötzliche Erscheinen des strengen Vaters, von dem es Strafe erwartet.“ Es kommt daher in Angstsituationen zu einer Regression, die auf eine frühere Angsterfahrung trifft und so mit einer Intensivverstärkung ein- hergeht. Die Angst teilt mit, daß eine Bedrohung vorliegt, der das Ich ausgelie- fert ist und die den Tod bedeuten kann, oder die einen Teil-Tod, die Kastration, in sich birgt.

Reik bezeichnete die unbewußte Angsterwartung oder Angstbereitschaft, die sich durch infantile Erfahrungen einstellt, als „Vorangst“ und setzte sie analog zur „Vorlust“. Die Vorangst erfüllte die Funktion, „eine aktuelle Angstbereitschaft zu reduzieren" und sollte „die alte Angstbereitschaft möglichst ausschalten."865 Diese Vorangst („freiflottierende Angst") bezog sich auf ein unbewußtes Schuldgefühl. Eine bestimmte Tat scheint ungesühnt geblieben zu sein und wurde verdrängt. Es ist für die Angstentwicklung gleichgültig, ob die Gefahr lebensbedrohlich ist oder nur eine Phantasie, denn Todesängste können sich an realen Situationen oder an fiktiven Geschichten entzünden, die an einen Verlust erinnern und dro- hen, das Subjekt „ins Leere stürzen“ zu lassen. Es kommt durch die traumatisie- rende Situation zu einer „plötzlichen Störung der narzißtischen Libidobesetzung."866 Die Vorangst hat nach Reik eine hohe Affinität zum Schlaf und zum Traum. Da der Reiz der Vorangst nicht zu stark ist, bleibt der Schlaf ungestört und der Angsttraum erzwingt kein Wachwerden. (Der Schlaf ist ein erhöhter Reiz- schutz.) Indem Reik Vorlust und Vorangst gleichsetzte, eröffnete er einen libi- dinösen Weg, eine Verbindung von Lust und Angst zu denken. Ein Vergnügen, auf dem Schauerromane und Horrorfilme gleichermaßen aufbauen.

B. Bild des Schreckens Als „Manifest des Schönheitsideals der Romantik“ bezeichnete Praz Percy Shelleys Gedicht Haupt der Medusa (1819), welches Shelley unter dem Ein- druck eines Gemäldes schrieb, das ein von Schlangen umringtes Medusen- haupt zeigt.867 Shelley zählte in der lyrischen Wiedergabe des Porträts alle Mo- tive auf, die „Schauder einflößen“, wie „das fahle Antlitz des abgetrennten Hauptes, der Schlangenknäuel, die Unerbittlichkeit des Todes, das unheimliche Licht, die ekel- erregenden Tiere, Eidechse und Fledermaus.“868 Mehr noch als vom griechischen Mythos der Medusa schien Shelley beeindruckt vom Bild des abgeschlagenen Hauptes, welches die „stürmische Anmut des Schreckens“ im weiblichen Ant- litz hervorhob. In gleicher Weise zeigt auch das in der Romantik wiederent- deckte Gemälde Das Haupt der Medusa von Peter Paul Rubens (1617/1618) ein erschreckendes Porträt.

864 Ebd. 865 Ebd. S. 27 866 Ebd. S. 30 867 Ein unbekannter flämischer Künstler hatte es zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts gemalt. Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S.43 868 Ebd. (Hervorhebung D.M.)

186 Montage des Bilddiskurses

Abb. 74: Peter Paul Rubens, Das Haupt der Medusa, 1617/1618, Wien, Kunsthistorisches Museum.

Ihr Schlangenhaar kriecht über das Bild und verbreitet ein Entsetzen, welches sich in ihrem Antlitz spiegelt. Gleichzeitig scheinen die Gesichtszüge noch nicht erstarrt, so als sei die Enthauptung unerwartet und soeben erst gesche- hen. Das Interesse am Bild des abgeschlagenen Medusenkopfes reflektiert aber nicht nur romantische Empfindungen des Grauens oder gar realer Hin- richtungspraxen, sondern es verweist auf den elementaren Schrecken, der sich in diesem griechischen Mythos verbirgt. Es sind dies, die magischen Vor- stellungen vom Sehen und Gesehenwerden. Das folgende romantische Medu- senbild verbindet sogar Medialität und Sehen in einem simplen Bewegungsbild. Die Augen, das Instrument ihrer Macht, rollen bei Bewegung des Blattes hin und her. Ihr Mund ist zum furchterregenden Schrei geöffnet. Schlangen kräu- seln sich zu verspielten Haarlocken.

Abb. 75: Medusenbild als Minial-Bewegungsbild

Romantische Angsterfahrung, Bildwahrnehmung und Selbstdarstellung schei- nen sich im Bild der Medusa zu verdichten. Aber nicht nur in der Romantik fand

Montage des Bilddiskurses 187 das Medusenbild seinen Platz im Zusammenhang von Angst und Sehen, son- dern auch der Phantastische Film bediente sich von Anfang an des Medusen- Mythos‘, der nun hier noch einmal kurz wiedergegeben wird.

In der griechischen Mythologie stellt Medusa (auch Gorgo genannt) ein Unge- heuer vor.869 Der direkte Blick in ihr Antlitz ließ den Betrachter vor Schreck erstarren. Die Medusa galt als ein Zwischenwesen, das weder Tier noch Mensch war und zwischen Leben und Tod stand. Das antike Medusenbild war eine flache Maske, die nur von vorn betrachtet werden konnte. Jean-Pierre Vernant machte darauf aufmerksam, das die flache Maske nur die Frontalansicht zuließ und somit eine „direkte Begegnung mit der Macht“ einschloß, da die Maske „verlangt, in das Feld ihrer Faszination einzutreten..., mit der Gefahr, sich darin zu verlieren.“870 Homer hatte die Funktion der Medusenmaske auf der Bühne erwähnt, die dazu diente, „das Erschrecken im Reinzustand, den Horror als Dimension des Übernatürlichen“ darzustellen.871 Ihr Blick wurde mit dem ‘Aufblitzen’ kriegerischer Wut in Verbindung gebracht, der sich an den glänzenden Rüstungen entzündete und als „Leuchten bis zum Himmel emporstieg und Panik verbreitete.“ Die grauenvollen Schreie aus ihrem Mund ließen die To- desschreie verstummen, die aus dem Hades erschallten, vor dessen Tür sie Wache hielt und den Lebenden den Zutritt verwehrte.872 Das Ungeheuer wurde von Perseus getötet. Ihm gelang es schließlich, mit Hilfe einer magischen Ausrüstung, die aus Tarnkappe, Flügelschuhen und einem Sichelschwert bestand, sich ihr zu nähern und sie auf einer spiegelnden Fläche zu betrachten, so daß er ihr das Haupt abschlagen konnte. Eine direkte Umsetzung fand der Medusen-Mythos in Terence Fishers Horrorfilm The Gorgon873 (1964). Hierin ließ eine sich verlebendigende Medusenstatue in einem Schloßpark ihre Betrachter zu Stein erstarren. Der Film vermochte keine Angst zu erzeugen, nicht nur weil der Kinogänger sich ebenso unverletzt wie Perseus dem bildhaften Schrecken auszusetzen vermochte, sondern der Mythos verlor in der filmischen Inszenierung seine Kraft, weil ein Bild gezeigt wurde, welches den Schrecken nur veranschaulicht. Der Medusen-Mythos steht für das ‘Prinzip des Schreckens des Kinos’, und der vernichtende Blick ging seit Anfang des Kinos von einem anderen ‘Ungeheuer‘ aus. Es war dies der tödliche Blick, der alles verderbenden Frau, die ihr grauenvolles Antlitz in ihrem schlechten Charakter verbarg. Das Medusenbild erscheint als ‘Relais’, welches wie Film zwischen Leben und Tod steht. 1. Spiegelbild und Rückenansicht Die Vorliebe der Romantiker für dämonische Porträts, dunkle Selbstbildnisse und magische Spiegelbilder, scheint einherzugehen mit veränderten Ich- Vorstellungen, die das Bild in ein neues Verhältnis zum Subjekt stellten. Zu Be- ginn des neunzehnten Jahrhunderts wurde es modern, sich gegenseitig zu

869 In der griechischen Mythologie war Medusa die Tochter Phorkys und Ketos. Gegenüber ihren Schwestern Stheno und Euryale war sie sterblich. Vgl. Herbert Hunger, Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Reinbek bei Hamburg 1974, S. 144-145 870 Jean-Pierre Vernant, Tod in den Augen. Figuren des Anderen im griechischen Altertum: Artemis und Gorgo, Frankfurt am Main 1988, S. 68. (Mit Rückgriff auf die Figur der Baubo stellte Vernant heraus, daß die Medusa „reduziert (ist) auf ein Gesicht, das zugleich Unterleib ist.“ Baubo hebt, um Demeter zum Lachen zu bringen, „ihr Gewand..., um das Geschlecht zu entblößen..., ein als Gesicht geschminktes Genitale.“ Ebd. S. 27) 871 Ebd. 872 Ebd. S. 33 873 Der deutsche Titel lautete: Die brennenden Augen von Schloß Bartimore. Im Vorspann heißt es: „Hoch über der Ortschaft Vandorf erhebt sich Schloß Bartimore. Seit der Jahrhundertwende haust hier ein Ungeheuer aus dem Altertum. Niemand überlebte seinen Anblick und das todbringende Phantom lauert schon auf sein nächstes Op- fer.“

188 Montage des Bilddiskurses porträtieren, wobei das Bild des Anderen, aber auch das Selbstporträt, wie ein Spiegelbild sein sollte, wahrheitsgetreu und wirklichkeitsnah. Freilich blieben die Darstellungen, wie es unzählige Porträts zeigen874, meist romantischen An- schauungen unterworfen und ließen kaum ähnliche Zweifel oder Widersprüche erkennen, wie sie etwa Goethe in Werther oder Byron in Manfred formuliert hatten. Die Flüchtigkeit des Spiegelbildes sowie die Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung ließ wahrscheinlich zu allen Zeiten den Wunsch ent- stehen, ein dauerhaftes Porträt zu besitzen. Den besonderen Stellenwert des Porträts für die Romantiker unterstreichen auch die etwa gleichzeitig in Mode gekommenen Silhouettenbilder. Seit Ende des achtzehnten Jahrhunderts konnten apparativ erstellte Scherenschnitte auf dem Jahrmarkt erworben wer- den. Schattenrißgeräte produzierten die ersten vergrößer- und verkleinerbaren seriellen dunklen Selbstbildnisse. Diese Schattenporträts werden heute als Vorläufer der Fotografie betrachtet875, verbunden mit einem Wandel der Seh- gewohnheiten.876

Als magisches Bildinstrument schlechthin galt allerdings der Spiegel, dem als magischer Gegenstand eine besondere Funktion bei der Angsterzeugung zu- gesprochen wurde. Seit altersher war der Spiegel mit magischen Vorstellun- gen besetzt. Seine Geschichte ist die der menschlichen Selbstwahrnehmung und gleichzeitig die Geschichte des ersten bilderzeugenden Apparates. Bis der Flachspiegel in Gebrauch kam, zur Zeit der italienischen Renaissance, zeigten konkave Spiegel nur ein verzerrtes und verkleinertes Abbild des Menschen. Der Spiegel war ein phantastisches Bildmedium, das durch komplizierte phy- sikalische Anordnungen oder einfach mit Hilfe eines Hohlspiegels und einer Lichtquelle die wundersamsten Bilder darbot. Nach Jurgis Baltrusaitis877 gab es Spiegelkünstler, die phantastische Bilder auf den Spiegel projizieren konn- ten. Es war die Rede von Abbildungen fliegender Menschen, von auf dem Kopf stehender Menschen oder von Menschen, die viele Köpfe hatten. Die Bilder waren bewegt, farbig und konnten größer und kleiner werden. Es waren phan- tastische Unterhaltungsbilder, über die man lachte oder die dem Betrachter Furcht einflößten. Dem Spiegel haftete immer auch die Magie des Übernatürli- chen an, so daß unterstellt wurde, er könne andere Zeiten und andere Orte zeigen. Nach Paul Liesegang ließ Nostradamus durch eine komplexe Spiegel- anordnung Katharina von Médici den Thronfolger im Spiegel sehen.878 Des Spiegels bedienten sich Zauberer und Gelehrte. Baltrusaitis hob hervor, daß Decartes, der darüber Bescheid wußte, daß Luftbilder mittels sphärischer Konkavspiegel erzeugt werden konnten, dies nie öffentlich anführte, „weil er fürchtete der Hexerei angeklagt zu werden.“ Und „Immanuel Kant (1766) hat dieses Phänomen erwähnt, als er die ‘Träume eines Geistersehers’ kritisierte.“879

Der Spiegel erwies sich als wie geschaffen für romantische Bildphantasien. Ein herausragendes literarisches Beispiel für romantische Spiegelmagie und Medialität ließ sich in dem Schauerroman von Matthew Gregory Lewis‘ The Monk (1796) finden. In The Monk macht ein Zauberspiegel jeden Menschen

874 Vgl. hierzu u.a. Porträts von Carl Friedrich Lessing (1808 – 1880) 875 Vgl. Georg Jacob, Die Geschichte des Schattentheaters im Morgen- und Abendland, Han- nover 21929 876 „Eine Vorbereitung der Menschen auf eine neue Form des Sehens, die der Film ihnen ab- verlangte,“ Eversberg, „Ombres chinoises“, a.a.O., S. 67 877 Vgl. Jurgis Baltrusaitis, Der Spiegel. Entdeckungen, Täuschungen, Phantasien, (Paris 1978), Giessen 1986 878 Vgl. Paul F. Liesegang, Die Phantasmagorie, Geistererscheinungen und andere Illusio- nen, in: Laterna magica, H. 4 (1897), Nr. 52, S. 73-88, S. 82f 879 Baltrusaitis, Der Spiegel, a.a.O., S. 332

Montage des Bilddiskurses 189 sichtbar, den man sehen will. Die magische Zeremonie beschrieb Lewis so: „Matthilde sprach einige magische Worte über den Spiegel: sogleich ging ein dicker Rauch... hervor, der sich über den ganzen Spiegel verbreitete und dann unmerklich wie- der verschwand. Sie forderte jetzt... eine Person zu sehen... Verschiedene Farben gin- gen aus dem Spiegel hervor, die nach und nach ineinander flossen und die begehrte Person bildeten.“880 Die Beschreibung erinnert erneut an die Praxis der Laterna magica Vorführungen und verweist abermals auf die enge Beziehung zwi- schen phantastischen Bildmedium und Schauerliteratur. Auch die Phantasie vom Spiegelbild, das sich ablöst und zum Doppelgänger wird, die E. T. A. Hoffmann erzählte, ist ein berühmt gewordenes Beispiel romantischer Spie- gelmagie.

Welche Bedeutung dem Spiegelbild für die Selbstwahrnehmung zukommt, be- schrieb Rudolf Kleinpaul schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Danach war „ein Spiegelbild, das wir alle Tage sehen, so oft die Sonne scheint (..) unser Schat- ten... Ein Schatten oder ein Schemen entspricht dem Nebelbild, das wir auf dem Bo- den, dem Spiegelbild, das wir im Wasser sehen.“881 Im Spiegelbild, im Traumbild und im Schattenbild fand schließlich die Seele ein Substitut des Körpers. Das Kind erfährt schon früh im Traum, daß, während es daliegt und schläft, sein Körper von Ort zu Ort geht. Spiegel-, Traum- und Schattenbild sind elementa- re, imaginäre Bewegungsbild-Erfahrungen, welche die Fiktion einer Doppel- existenz nähren. Wir brauchen also gar nicht erst ins Kino zu gehen, um das Bewegungsbild des Menschen zu sehen, sondern es ist uns von klein an ver- traut durch Traum, Spiegel und Licht. Diese imaginären Ich-Bilder führten nach Freud zum Glauben an den Doppelgänger, darüber hinaus war der Glaube an „die ‘unsterbliche Seele’ der erste Doppelgänger des Leibes.“882

Romantischen Malern wie Carl Blechen, Karl Friedrich Schinkel, Carl Friedrich Lessing oder Casper David Friedrich, galt offenbar nicht nur das menschliche Abbild als „innere Wahrnehmung der Wirklichkeit als ‘Wahrheit’“ der eigenen Exis- tenz, sondern ihr Augenmerk richtete sich auf die Natur, so daß sich der ro- mantische Maler „zum Seher“ entwickelte.883 Viele romantische Zeichnungen scheinen „in ihrem Virismus die Fotografie geradezu heraufzubeschwören.“884 Die Rü- ckenansichten auf den Bildern Casper David Friedrichs, die er etwa ab 1818 malte, verweisen auf einen veränderten Standpunkt des (sich selbst) Sehens und zeichnen einen Wahrnehmungsprozeß nach, der gewissermaßen eine Verkehrung des ‘Spiegelbild-Porträts’ darstellt. Das Auge des Malers scheint zu funktionieren wie die ‘subjektive Kamera’.

880 Matthew Gregory Lewis, Der Mönch, (1796), München 1965 881 Rudolf Kleinpaul, Die Lebendigen und die Toten im Volksglauben, Religion und Sage, Leipzig 1898, S. 7 882 Freud, Das Unheimliche, Stud. Bd. IV, a.a.O., S. 241-271, S. 258 883 Jürgen Glaesemer, Traum und Wahrheit. Überlegungen zur Romantik am Material der Ausstellung, in: Traum und Wahrheit. Deutsche Romantik, (Ausstellungskatalog) Bonn 1985, S. 12-29, S. 22. S. 13 884 Ebd.

190 Montage des Bilddiskurses

Abb. 76: Casper David Friedrich, Frau am Fenster, um 1822, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin

Auf Friedrichs Gemälde Frau am Fenster blickt eine Frau aus der häusli- chen Welt durch das geöffnete Fenster hinaus. Ein vorbeifahrendes Schiff wird zum Zeichen einer uneingestandenen . Nach Hans H. Hofstätter885 war das Fenster ein Leitmotiv Friedrichs, nicht nur weil durch das Fenster Licht einfällt, sondern weil es Innen und Außen trennt.886 Os- wald Spengler beschrieb das offene Fenster als „eines der bedeutendsten Symbole des faustischen Tiefenerlebnisses und gehört ihm allein. Hier wird der Wil- le fühlbar, aus dem Inneren ins Grenzenlose zu dringen.“887 Danach wurde für den romantischen Maler der Blick aus dem Fenster zu einem faustischen Tie- fenerlebnis, dem die wissensdurstige Inbesitznahme der Welt zu entspre- chen schien. Das Fenster erscheint auf einmal als magisches Auge, da es die eingerahmte Natur zu einem Bewegungsbild macht.

885 Casper David Friedrich. Das gesamte graphische Werk. Mit einem Nachwort von Hans H. Hofstätter, München 1974. Hofstätter erinnerte an Goethes Roman Wahlverwandtschaften (1807-1809), in dem es heißt: „An der Tür empfing Charlotte ihren Gemahl und hieß ihn dergestalt niedersitzen, daß er durch die Tür und Fenster die verschiedenen Bilder, welche die Landschaft gleichsam im Rahmen zeigten, auf einen Blick übersehen konnte:“ (Zit. n. ebd. S. 812) 886 Ebd. S. 808 887 Zit. n. ebd. S. 809. (Hervorhebung D.M.)

Montage des Bilddiskurses 191

Abb. 77: Casper David Friedrich, Wanderer über dem Nebelmeer, um 1818, Öl auf Leinwand, Hamburger Kunsthalle

Der Mann auf dem Gemälde Wanderer über dem Nebelmeer steht auf dem Gipfel eines Berges. Er blickt frei und uneingeschränkt nach vorn. Als das We- sentliche der beiden Gemälde erscheint weder der abgebildete Mensch888, noch die Einschränkung des Weiblichen und das Freiheitsstreben des Man- nes, sondern es ist der für den Betrachter nicht sichtbare Blick, den die Abge- bildeten auf das Bild der Natur werfen. Der Betrachter des Bildes wird zum Zu- schauer, und in der Identifikation mit dem oder der Abgebildeten ist er oder sie gleichzeitig Betrachter eines Naturbildes. Es ist die Ebene des Sehens und die des Zuschauens gleichzeitig vorhanden. Beide Gemälde geben dem Betrach- ter (ähnlich wie zuvor das Guckkastenbild) einen Überblick über die neue Art und Weise des Sehens. Im Grunde stellt das Raum- und Zeitgefüge der beiden Bilder kein anderes Gefühl bereit als der moderne Science Fiction-Film. Das Ich ist aufgelöst in der Unendlichkeit des Raumes, aber gleichzeitig gefangen im Ausschnitt des Bildes.

Carl Gustav Carus889 malte Fausts Osterspaziergang ebenfalls als Rückenan- sicht der beiden Gelehrten Faust und Wagner, die vom umherspringenden Pu-

888 Hofstätter hob hervor, Friedrichs Landschaftsbilder sind „immer von Menschen bewohnt und besetzt, immer beobachtet der Maler Menschen in der Natur, begegnen ihm Men- schen, werden zu flüchtigen Bekannten, die wiederum von anderen Begegnungen abge- löst werden... Die ganze menschliche Figur macht durch Körperhaltung und Bewegung ih- re Seelenlage sichtbar; letztere ist das Eigentliche, das ausgedrückt wird und wofür die Fi- gur als Medium fungiert“. Ebd. S. 806 889 Carus lebte von 1789 bis 1869. Er war Wissenschaftler und Künstler.

192 Montage des Bilddiskurses del begeleitet werden.

Abb. 78: Carl Gustav Carnus, Faust, Osterspaziergang, 1821, Öl auf Leinwand, 49 x 40cm, Essen, Folkang Museum

Der Rahmen des Gemäldes von Carl Gustav Carus Faust, Osterspaziergang, wölbt sich um den Himmel und kreist ihn ein. Magier, Gehilfe und Pudel sind vor die Stadt spaziert. Auf den Titelblättern der beiden Faustbücher, Der Zau- berteuffel und Illustrierte Ausgabe der Historia, begegnen sich Mephisto und Faust weit vor der Stadt. Carus malte das Paar des Paktes nur indirekt: Der Magier erscheint verdoppelt und Mephisto ist im Pudel versteckt. Faust und Wagner schauen auf die Stadt, die wie ein Bild vor ihnen liegt. Als ob sie durch ein Fenster sehen, folgt der Blick des Bildbetrachters dem Blick der Gelehrten auf die Stadt. Es ist eine Halbtotale, die den Zuschauer animiert, genauer hin- zusehen und zu erwarten, daß die Kamera das Bild gleich heranzoomt, um Näheres zu zeigen. (Die Szene erscheint wie aus einem vorbeifahrenden Zug- fenster betrachtet. - Für den mit der Eisenbahn Reisenden offenbarte sich im Zugfenster ein bildhafter Ausschnitt der vorbeigleitenden Natur als Bewe- gungsbild.)

Die drei Gemälde verweisen in der Darstellung des Schauens auf das Sehen eines Ausschnittes, der gleichzeitig ein Ganzes bildet. Im Raum der Camera obscura folgte der Blick des Betrachters dem Sonnenstrahl, der das Bild proji- zierte. Der Zeichner, der danach sein Bild anfertige, stand keineswegs außer-

Montage des Bilddiskurses 193 halb des Raumes oder des Bildes, auch wenn er sein Motiv außerhalb fand, sondern er war Teil des bilderzeugenden Apparates. Die Rückenfiguren verra- ten eine neue fokussierende Betrachtung. Nach Glaesemer entzogen sich die Rückenfiguren Casper David Friedrichs der Konfrontation, und der Betrachter des Bildes blickte auf den Abgebildeten, „ohne daß er etwas davon zu wissen scheint.“890 Es geht aber weniger um den Voyeurismus, der diesen Szenen an- zuhaften scheint, als um den Blick, der das Bild gestaltet, als sei es eine Ka- meraeinstellung aus dem Auge der Romantik. Der ‘sehende‘ Blick scheint wie aus dem Auge Gottes auf die Natur geworfen zu werden. Die Kirche und damit der Blick Gottes hatte einen großen Teil von (All-)Macht verloren, und das menschliche Auge bemächtigte sich der (göttlichen) ‘Naturschönheiten’. Es war der Gesichtspunkt einer Verkehrung, wonach – so Mario Praz - „die Natur das Kunstwerk nachzuahmen hat und nicht umgekehrt."891 Der moderne Prome- theus entfaltete sich im Blick der Romantik. - Der Tod Casper David Friedrichs fiel mit der Entdeckung der Daguerrotypie892 zusammen, und fotomechanische Verfahren verdrängten den Holzstich. Die Porträtfotografie benutzte noch bis ins zwanzigste Jahrhundert gemalte Hintergrundkulissen.

Ein Vergleich der Bilder Casper David Friedrichs mit denen William Turners stellt die Bilder Friedrichs als Voraussetzung eines Kamera-Blicks, denen Tur- ners als eine „neuartigen Suggestion von Bewegung“893 entgegen. Bei Turner er- scheint der Mensch den Bewegungen der eruptiven Naturgewalten und der neuartigen Maschinen ausgeliefert. Turners Bilder wurden unter anderem als „orgiastischen Höhepunkte der Natur“ beschrieben. Er schien geradezu „süchtig nach der Katastrophe und Sensationen der Natur. Den Brand des englischen Parla- mentsgebäudes..., den Abgang einer Lawine..., Ausbruch des Vesuvs... Und doch ist Turner alles andere als ein Reporter... Es geht ihm um die Suggestion, nicht um die Er- zählung... Turner ist immer mitten im Geschehen, nicht Beobachter von außen.“894 Die Fiktion von bildhafter Bewegung wird von Turners Bildern eingefangen wie zu- vor vom Guckkasten die Fiktion bildhafter Dreidimensionalität. Monika Wagner sah den Grund für die Kritik der Zeitgenossen an Turners Bildern darin, weil „das Auge in Turners Bildern keine Ruhe fände und weil sie sich um die Details betro- gen sahen.“895 Das ‘Bewegungsbild‘ Turners zeichnete den ‘entfesselten Prome- theus‘ nach und traf außerhalb aller Bildproduktion mit dem ‘Schöpferblick‘ Friedrichs zusammen.

Ein überraschender Erinnerungsprozeß führte zur Wiederentdeckung der Bil- der Casper David Friedrichs, der nach 1830 fast völlig vergessen war, um die Jahrhundertwende, gleichzeitig mit der Verbreitung des Kinematographen.896 Die Kinoerfahrungen schienen den ‘Schöpferblick der Romantik‘ in Erinnerung zu rufen. Gleichzeitig zeichneten Kinofilme die magische Seite der Romantik nach mit Bildern von Himmel und Hölle.897

890 Ebd. S. 25 891 Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S. 31 892 Louis Jacques Mandé Daguerre (1789 – 1851) entwickelte 1839 ein Verfahren fotografi- sche Unikate herzustellen. Zu Daguerre und die Daguerrotypie vgl. u.a. Geschichte der Fo- tografie 1839 bis heute, George Eastman House, Rochester, NY, Köln 2000, S. 40-77 893 Monika Wagner, Bewegte Bilder und mobile Blicke, in: Die Mobilisierung des Sehens, a.a.O., S. 169-188, S. 185 894 Wieland Schmied, Die verschiedenen Gesichter der Romantik. Friedrich, Delacroix, Turner, Constable, in: Ernste Spiele. Der Geist der Romantik in der deutschen Kunst, 1790-1990, (Ausstellungskatalog) München 1995, S. 30-37, S. 35f 895 Wagner, Bewegte Bilder und mobile Blicke, a.a.O., S. 185 896 1906 fand in Berlin die Ausstellung der deutschen Kunst von 1775-1875 statt, welche die Wiederentdeckung der romantischen Maler einleitete. 897 Um 1920 entwickelten Neoromantiker die Neue Sachlichkeit und erinnerten mit Dingma-

194 Montage des Bilddiskurses

„Le romantisme est une grâce, céleste ou infernale

à qui nous devons des stigmates éternels.“898

2. Romantische Totalität Schon ein erster Blick auf die Kunst der Romantik ließ einen Konflikt zwischen Vernunft und Phantasie erkennen, der sich nicht nur an verschiedenartigen Texten und Bildern ablesen ließ, sondern gleichsam einherzugehen schien mit einem Widerstreit von Wort und Bild, der sich eingebunden in romantischer Totalität zeigte. Irreale Stimmungen begleiten Sinnbilder elementarer Naturgewalten, dämoni- sche Gewitterstimmung und Sturmwolken suggerieren Angst und Tod. Der Glaube an eine göttliche Ordnung erscheint in neuem Gewand. Die Verführung des Menschen durch dämonische Kräfte, der Glaube an das Übernatürliche, steht der Freiheit und der Mündigkeit des Bürgers entgegen. Todessehnsucht und körperlose Existenz fanden beispielhaft Ausdruck in Jean Pauls Über die natürliche Magie der Einbildungskraft. Darin hieß es:

„Das Christenthum vertilgte, wie ein jüngster Tag, die ganze Sinnenwelt mit allen ihren Reizen, sie drückte sie zu einem Grabeshügel, zu einer Himmels-Staffel zusammen und setzte eine neue Geister-Welt an die Stelle. Die Dämonologie wurde die eigentli- che Mythologie der Körperwelt, und Teufel als Verführer zogen in Menschen und Göt- terstatuen; alle Erden-Gegenwart war zu Himmels-Zukunft verflüchtigt. Was blieb nun dem poetischen Geiste nach diesem Einsturze der äußeren Welt noch übrig. - Die, wor- in sie einstürzte, die innere. Der Geist stieg in sich und seine Nacht und sah Geister. Da aber die Endlichkeit nur den Körpern haftet und da in Geistern alles unendlich ist oder ungeendigt: so blühte in der Poesie das Reich des Unendlichen über der Brandstätte der Endlichkeit auf. Engel, Heilige, Selige und der Unendliche hatten keine Körper-Formen und Götter-Leiber; dafür öffnete das Ungeheuere und Unermeßliche sei- ne Tiefe... In der weiten Nacht des Unendlichen war der Mensch öfter fürchtend als hof- fend. Schon an und für sich ist Furcht gewaltiger und reicher als Hoffnung... ,weil für die Furcht die Phantasie viel mehr Bilder findet als für die Hoffnung, und dieß wieder dar- um, weil der Sinn und die Handhabe des Schmerzes, das körperliche Gefühl uns in je- dem Haupt-Punkte die Quelle eines Höllenflusses werden kann, indeß die Sinnen für die Freude einen so mageren und engen Boden bescheeren. Die Hölle wurde mit Flam- men gemalt, der Himmel höchstens durch Musik bestimmt, die selber wieder unbe- stimmtes Sehnen gibt. So war der Aberglaube voll gefährlicher Mächte. So war der A- berglaube öfter drohend als verheißend.“899

Danach erklärte das Christentum die sinnliche Körperwelt zur teuflischen Besessenheit und stellte ihr die Geister-Welt als Ort der Zukunft gegenüber. In der semantischen Verdopplung des Wortes Geist schien Jean Paul die Quelle der romantischen Poesie gefunden zu haben. Eine neue imaginäre Situation war hervorgetreten: Die Verschmelzung des endlichen Körpers mit seinem unendlichen Geist im Reich der ewigen Poesie. Todesangst erschien Jean Paul als Quelle eines Höllenflusses, aus dem der körperliche Schmerz zu ent-

gie, menschenleeren Landschaften und vereinsamten Figuren, an die kontemplative Früh- romantik. Vgl. Christopher Vitali und Hubertus Gaßner, Einführung in die Ausstellung in München, Ernste Spiel. Der Geist der Romantik in der deutschen Kunst, 1790-1990, (Aus- stellungskatalog) München 1995, S. 8-12, S. 9. Dies steht freilich in einem interessanten Zusammenhang zur Dämonischen Leinwand der Weimarer Republik. 898 Charles Baudelaire, L’art romantique, Paris 1968, S. 22 899 Jean Paul Werke, hrsg. v. Norbert Miller, Bd. VII, München 1975, S. 195-205

Montage des Bilddiskurses 195 springen schien.900 Ähnlich wie Faust beschwor Jean Paul die „Geister der Un- sterblichkeit“ aus der „schwarz-samtenen Dunkelheit des poetischen Schmerzes“ her- vor.

Das ‘Ich‘ stellte sich als Hölle und Abgrund der Subjektivität dar und ließ den Schmerz hervortreten, der zum Ausdruck romantischer Befindlichkeit wurde. Leid und Schmerz verbanden sich augenfällig mit wollüstigen Gefühlen, die sich vielleicht am deutlichsten im Werk Marquis de Sades901 nachlesen lassen. Die Dichtung der „grauen Eminenz der Romantik“ (Praz) richtete Perversion ge- gen Konvention. Voller erotischer Symbole steckte aber auch romantische Schauerliteratur, die sexuelles Verlangen ebenfalls durch Lust an Schreck und Schmerz zu stillen suchte.902 In Schauerromanen lebten vor allem Themen auf, welche - so Praz - „die gequälte und entstellte Schönheit zum Gegenstand haben... jener höchsten Schönheit, die eine verfluchte Schönheit ist... welche die Verwandtschaft der Schönheit mit dem Tod bekundet“.903 Schmerzvolle Lust schien Ausdruck wi- dersprüchlichen Seins und gespaltener Ich-Wahrnehmung, welche literarische Figuren und individuelles Leben zugleich kennzeichnete. Der Geist schien sich vom Körper abgeschieden zu haben, und wie es Ricarda Huch hervorhob, „da nun der Geist so unabhängig vom Körper ist oder sein kann, so muß er auch unabhän- gig von ihm leben und erscheinen können.“904 Huch sprach dem „bewußten Geiste des Menschen“ eine „körperliche Erscheinungsform, das Zentralsystem“ zu. Danach war das Wirken des Geistes nicht an „körperliche Vermittlung gebunden“, sondern er war einer Kraft gleich, die „wie ein elektrischer Funke, auf andere Geister“ über- sprang.905 Im Zuge semantischer Verdoppelung erscheint der Geist als prome- theisches Gebilde.

Das Wort meldete einen Herrschaftsanspruch gegenüber dem Bild an. Carus, der seine Malerei theoretisch begründete906, galten Dichter- und Philosophen- Wort als letzte Instanz der Darstellung. Die romantischen Schriften schienen alles zu vereinnahmen, jedoch wie Maurice Blanchot907 einschränkend über die Literatur bemerkte, „sie vereinnahmt nicht etwa jeden Augenblick, so wie er sich ge- rade ereignet, noch jede einzelne Erscheinung, wie sie sich soeben ereignet, vielleicht dasjenige Ganze, das geheimnisvoll und verborgen in allem waltet.“908 Der Schrift wur- de sogar eine Art von ‘Subjekteffekt‘ zugeschrieben. Dies war die romantische Selbstreferentialität, denn die Literatur kämpfte darum, „sich zu reflektieren und sich durch die Selbstreflektion zu erfüllen“, und „die Literatur... wird sich plötzlich ihrer selbst bewußt, manifestiert sich und hat in dieser Manifestation keine andere Aufgabe, kein anderes Charakteristikum als die, sich selbst zu erklären.“909 Die Schriftsteller schienen auf der Suche nach dem absoluten Buch zu sein, denn wie Blanchot

900 Jean Paul beschrieb das Wesen der romantischen Empfindung in Über die natürliche Magie der Einbildungskraft. Danach verband sich Sehnsucht und Erinnerung mit dem Fer- nen, dem Unbekannte und dem Tod. 901 vgl. Marquis de Sade, Die Philosophie im Boudoir, München 1980 (La philosophie dans le boudour. Ouvrage posthume de l’auteur de Justine, 2.Bde., Londres 1795, zweite Ausgabe 1805) 902 vgl. Rein A. Zondergeld, Zwei Versuche der Befreiung. Phantastische und erotische Litera- tur, in: Phaicon 2, hrsg. v. ders., S. 65-68 903 Praz, Liebe, Tod und Teufel, a.a.O., S. 36f 904 Ebd. 905 Huch, Die Romantik, a.a.O., S. 109 906 Vgl. Carl Gustav Carus, Psyche. Zur Entwicklung der Geschichte der Seele (1846) sowie ders., Briefe über Landschaftsmalerei (1831). Im Einfluß Schellings und im Austausch mit Goethe entwickelte Carus eine Seelenkunde, die unbewußte Kräfte anerkannte. 907 Blanchot, Das Athenäum, a.a.O., S. 110 908 Ebd. S. 114 909 Ebd. S. 112

196 Montage des Bilddiskurses ausführte, ließ „die romantische Kunst (..) die kreative Wahrheit in der Freiheit des Subjektes zusammenschließen, sie bildet zugleich den Anspruch eines absoluten Bu- ches aus, einer Art von Bibel in permanenten Wachstum, die nicht mehr das Tatsächli- che darstellen, sondern es vielmehr ersetzen sollte.“910

Dies allmächtige Buch war der Roman, eine Bildgeschichte der Affekte, die der Autorenfilm der zwanziger Jahre in Bewegung versetzen sollte. Novalis hatte Schreiben in die Zukunft projiziert und als kollektiven Prozeß beschrieben: „Man wird vielleicht einmal in Masse schreiben, denken und handeln. Ebenso, wie das Genie nichts anderes als ein System von Talenten ist.“911 Als Werk eines Systems von vie- len Talenten erscheinen heutige Filmproduktionen. War vielleicht der romanti- sche Roman die Beschreibung einer Bildfolge? Nach Kittler trat das Kino an die Stelle des Romans, denn „weil Geister bekanntlich nicht sterben, ist neben der Literatur eine neue Phantastik entstanden. Das Kino und seine Drehbuchlieferanten be- setzen die von der Romantik geräumten Stellungen... Film ist totale Macht... Literatur des Zentralnervensystems in direkter Medienkonkurrenz und deshalb womöglich auch immer schon zur Verfilmung bestimmt.“912 In der Tat zeigte der frühe Faustfilm nur noch das Bild des (magischen) Buches und in der Schauerliteratur, die um 1900 entstand, fehlten geisterhafte, fremdbelebte Apparate.913

Die Romantiker taten „die ersten Schläge an der Pforte der Geisterwelt“, schrieb Ri- carda Huch, und aus ihr strömte „bald das unheimliche Nachtvolk in Scharen.“914 Doppelgänger, Spiegelbilder, Schatten, Geister, Vampire und künstliche Ge- schöpfe traten aus dem Schrecken der eigenen Vergänglichkeit hervor und faustische Wissenschaftler schlossen einen Pakt mit dem Teufel. Romanti- sche Literatur verband Phantasien vom ewigen Leben mit prometheischen Strebungen. Es wurde – so Huch - eine „Periode der Magie“ beschrieben, in der „der Körper der Seele oder der Geisterwelt“ diente und Gott zum physischen Magus erhoben wurde. Sie schrieb: „Der physische Magus weiß die Natur zu beseelen und willkürlich wie seinen Leib zu behandeln. Als solchen Magus schilderte die Bibel Gott, der sagte: Es werde Licht! Und es ward Licht.“915

910 Ebd. S. 117 911 Novalis, Zit. n. ebd. S. 118 912 Kittler, Draculas Vermächtnis, a.a.O., S. 97 und S. 100 913 Vgl. Ingeborg Vetter, Das Erbe der schwarzen Romantik in der deutschen Dekadenz. Stu- dien zur Horrorgeschichte um 1900, Graz 1977, S. 5 914 Huch, Die Romantik, a.a.O., S. 110 915 Ebd. S. 109 (Hervorhebungen D.M.)

Nachtseiten des Lebens 197

„Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten, Das Doppelreich, das große, sich bereiten.“916

II. Nachtseiten des Lebens

In diesem Kapitel wird anhand historischer und aktueller Filmbeispiele, die künstlerische und technische Umsetzung des Faust- und Prometheusstoffes im Spielfilm außerhalb sogenannter Faustfilme untersucht. Dabei stehen durchweg neben romantischer Narration Bild und Montage, Ton und Mischung sowie special effects im Vordergrund der Filmanalysen. Die Verfilmungen der romantischen Literaturbearbeitungen des Faust- und Prometheusstoffes durch Mary Shelley, Bram Stoker und Robert Louis Stevenson ließen eine eigene Ka- tegorie von Faustfilmen entstehen. Dementsprechend ist das folgende Kapitel in die drei Bereiche unterteilt, die zum Gegenstand der Untersuchung Jekyll- Hyde-Filme, Frankenstein-Filme und Dracula-Filme haben. Phantastische Spielfilme, die Geschichten von Geistern, Skeletten, Doppelgängern und Schatten erzählen, werden in dem Abschnitt Wave of Spooks vorgestellt. Schon in den frühen Stummfilmen tauchten Skelette und Nebelgespenster auf, groteske Darstellungen einer Vorstellung der Trennung von Leib und Seele und eines Weiterlebens nach dem Tod in der Tradition der Laterna magica Vorfüh- rungen. Gespensterbilder brachten aber das moderne Kinopublikum eher zum Lachen. Dagegen waren von sonderbarer Unheimlichkeit abendfüllende Stummfilme, die Doppelgänger und Schatten zu Protagonisten des Schre- ckens erklärten, wie etwa in Max Macks Der Andere (1912) oder Stellan Ryes Der Student von Prag (1913). Risse in der psychischen Struktur des fausti- schen Wissenschaftlers und seines dämonischen Gegenspielers beschrieben schließlich unzählige Jekyll-Hyde-Filme. Entsprechend der Reihenfolge ihres Entstehens werden die Variationen von Barrymore (1920); Mamoulian (1931); Fleming (1941), Renoir (1959) untersucht.

Nachfolgend, in Künstliche Geschöpfe, werden klassische Frankenstein- Verfilmungen herangezogen, um die imaginäre Verbindung zwischen Narration und Filmtechnik herauszuarbeiten. Künstliche Wesen werden sowohl mit Hilfe moderner Technikphantasien – wie in Otto Ripperts Homunculus (1916) - als auch mit Hilfe von Zaubersprüchen - wie in Paul Wegeners Der Golem (1914) - erzeugt. Während Wissenschaftler vor männlichen Schöpfungen entsetzt fliehen, gehen sie häufig vor Liebe zu ihren weiblichen Geschöpfen unter. Dies zeigen Henrik Galeens Alraune (1927) und Fritz Langs Metropolis (1926). Der dritte Teil, Blutsaugende Adelige, beschäftigt sich mit dem Vampirfilm als Gat- tung, in der Wissenschaftler- und Teufelsgestalt zu dem bekannten Fürsten der Finsternis amalgamieren. Splatterdarstellungen und magische Phantasien treten in Vampirfilmen ebenso ungehemmt hervor wie in der Historia von D. Johann Fausten. Der Auftritt der Vampirgestalt im Horrorfilm wird zur Darstel- lung der romantischen Teufelsgestalt schlechthin. Am Ende des Kapitels wird der rumänische Historienfilm Vlad Tepes (1976) von Daru Nastase bearbeitet, welcher das Leben Draculas als Nationalheld nachzeichnet. Die Untersuchung dieses Spielfilms ist gleichzeitig der Übergang zu dem anschließenden Kapitel, in dem Horrorfilme und Science-fiction Filme dargestellt werden, welche diabo- lische Wissenschaftler zu Herren der Welt erklären.

916 Goethe, Faust II, V. 6554-6555

198 Nachtseiten des Lebens

„Das geht über meinen Verstand. Du willst doch nicht etwa behaupten, ich könnte deiner bedürfen?“917

A. Wave of Spooks Die Filmgeschichte begann mit einer Spukwelle ungewöhnlichen Ausmaßes. Seit 1896 bevölkerten schwebende Nebelgeister, tanzende Skelette, dämoni- sche Doppelgänger, Spiegelbilder und Schatten den Stummfilm. Der frühe Phantastische Film paarte sich mit der Idee der Unsterblichkeit und zeigte - gleich den präkinematographischen Apparaten - Bilder von Skeletten und Geis- tern. Nach Kinnard wurden zwischen 1896 und 1910 mehr als dreißig Filme produziert, die Geister und Skelette zeigten.918 Der bekannteste Film, in dem ein Skelett erscheint, ist wohl Méliès Escamontage d’une Dame Chez Robert- Houdin aus dem Jahre 1896. Eine Frau in ein Skelett zu verwandeln, war schon zuvor ein Zaubertrick auf der Varietébühne, den etwas später auch Ed- win S. Porter in The Mystik Swing (1900) verfilmte. In Pathés Wave of Spooks (1908) verwandelt sich ein Geist in ein Skelett und in A Lively Skeleton (1910)919 erschreckt ein bewegtes Skelett Patienten einer Arztpraxis. Méliès ließ in Le Palais des Mille et une Nuits (1905) gleich ein ganzes Skelettballett auftreten.

Abb. 79: Starfilm, Georges Méliès, Le Palais des Mille et une Nuits, 1905, Cinémathéque Française,

Während das Gerippe im frühen Stummfilm eher dazu eingesetzt wurde, für einen kurzen Schreckmoment zu sorgen, war der Auftritt von Nebelgespens- tern häufig an eine kurze Narration gebunden. Schon 1899 hatte Méliès in Evo- cation Spirite Geister erscheinen lassen und auch in Le Chaudron Infernal (1903) schwebten Nebelgespenster durch die Luft.

917 Valéry, Mon Faust, a.a.O., S. 293 918 Vgl. Kinnard, Horrorfilms, a.a.O., S. 8-33. Eine Tendenz, die sich allmählich verlor, denn etwa ab 1924 tauchen kaum noch Geister und Skelette auf. 919 Es war eine Produktion der London Cinematograph Company.

Nachtseiten des Lebens 199

Abb. 80: Starfilm, Georges Méliès, Le Chaudron Infernal (1903), Cinémathéque Française

Méliès Film zeigt ein Höllenlabor, in dessen Zentrum ein mächtiger Eisenkes- sel steht. An der Wand hängt eine dämonische Maske. In rascher Bilderfolge erscheint eine Teufelsgestalt, die mit einem Dreizack eine Frau vor sich her- treibt. Sie wird von einem anderen Teufel in den Höllenkessel geworfen und verbrennt mit heller Stichflamme. Nun werden zwei Männer in den Höllenkes- sel geworfen. Während die Teufelsgestalt aufgeregt hin und her läuft, steigen die Seelen der drei Verbrannten als Nebelgeister aus dem Kessel auf. Sie ver- wandeln sich in Feuerbälle, die verglühen und als Asche zu Boden fallen. Am Ende springt der Teufel selbst in den Kessel.

Neben Geistern und Skeletten trat als ein weiterer Agent einer phantastischen Welt die Figur des Doppelgänger als grundlegende Gestalt des Phantasti- schen Films hervor. George Albert Smith verfilmte wohl als erster in The Cor- sican Brothers (1898) eine Doppelgängergeschichte. Der Höhepunkt Smiths Duma Verfilmung war die gleichzeitige Präsenz der Zwillinge. Smith arbeitete mit double exposure.920 Wie schon Edgar Morin hervorhob, ist die Doppelbe-

920 Auch Robert William Paul, der 1896 bereits das Patent für den Theatographen (einen 35millimeter Filmprojektor) anmeldete, realisierte Doppel- und Mehrfachbelichtungen mit

200 Nachtseiten des Lebens lichtung eine filmische Schlüsseltechnik, „weil sie... die vertrauten Züge einer be- reits erwähnten ‘Magie’ sind... Es sind Tricks von einer zunächst phantastischen Wir- kung, die jedoch in der Folge zu technischen Mitteln des realistischen Ausdrucks wer- den.“921

Die Verdoppelung enthält nicht nur ein Hinweis auf das prometheische Medi- um, sondern verweist auf die Spiegelfunktion des Films und gibt gleichzeitig die Bedeutung des Spiegels für das Subjekt preis. Der Horrorfilm Dead Rin- gers von David Cronenberg (1988) verweist bereits im Titel auf die tödliche Spiegelsituation, in der sich Zwillinge befinden können. Anknüpfend an das alte Magierinteresse für Anatomie und Fortpflanzung sind die männlichen Zwillinge bei Cronenberg Gynäkologen. Vergleichbar dem Brüderpaar Epimetheus und Prometheus wird ihr Konflikt ausgelöst durch eine Frau, die beide begehren und die ihnen - wie Pandora – den Tod bringt. Den Brüdern öffnet sie den Spiegel des Bösen (ihrer verdoppelten Existenz) und das Animalische bricht aus ihnen hervor wie aus Dr. Jekyll in Stevensons The Strong Case of Dr. Je- kyll and Mr. Hyde. Die Verdopplung findet in Zwillingsfilmen weniger dunkel und rätselhaft statt als die Verdoppelung, die in vielen Phantastischen Filmen durch Zauberei und wissenschaftliches Experiment hervorgerufen wurde, sie ist aber von derselben Intensität einer mörderischen Auseinandersetzung.922 Zwillingsfilme machen auf die traumatische Situation aufmerksam, die mit ei- ner Ich-Verdoppelung einhergehen kann. Das Double erscheint zwar primär als Versicherung gegen den Untergang des Ichs, aber es birgt zugleich die Ge- fahr einer Platzvertauschung, so daß niemand weiß, wer dieser oder wer jener ist. Dies kann mitunter sehr komisch sein, wie es viele Zwillings- und Ver- wechslungskömodien im Kino zeigen.

Der Doppelgänger konstituiert dann einen Horrorfilm, wenn eine pathologische Beziehung zum anderen dargestellt wird, in der sich der Protagonist und sein Substitut auszulöschen drohen.923 Es wird der Vorgang einer Ich-Auflösung ge- zeigt, die nach Freud durch eine totale Identifizierung mit einer anderen Person gekennzeichnet ist, „so daß man an seinem Ich irre wird oder das fremde Ich an die Stelle des eigenen versetzt, also Ich-Verdoppelung, Ich-Teilung, Ich-Vertauschung - und endlich die beständige Wiederkehr des Gleichen, die Wiederholung der nämlichen Ge- sichtszüge, Charaktere, Schicksale. Verbrecherische Taten, ja der Namen durch meh- rere aufeinanderfolgende Generationen.“924 Die zweite Existenz kann das Ich nicht vor dem Untergang bewahren.925

einer eigens hierfür konstruierten Kopiermaschine, vgl. Giessen, Phantastische Welten, a.a.O., S. 17 921 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 61 922„Nach dem alten Testament ist der erste Mord ein Brudermord, bekämpfen sich die Brüder (Zwillinge) Jakob und Esau schon im Mutterleib“, Stichwort: Bruder, in: HDA, Bd. I, a.a.O., Sp. 1667 923 Wie Spiegelidentifikationen zu einer aggressiven Gewaltentladung führen können, be- schrieb Jacques Lacan in dem Fall der Geschwister Papin. Vgl. Jacques Lacan, Das Prob- lem des Stils und die psychiatrische Auffassung paranoider Erlebnisformen, in: Salvador Dali, Unabhängigkeitserklärung der Phantasie und Erklärung der Rechte des Menschen auf seine Verrücktheit, Gesammelte Werke, hrsg. v. Axel Matthes und Tilbert Diego Steg- mann, München 1974, S. 352-366 924 Freud, Das Unheimliche, a.a.O., S. 256 925 Freud stellte heraus: „Den primären Narzißmus, entsprechend welchem der Doppel- gänger das eigene Ich bedeutet, das durch diese zweite Existenz vor dem Untergang durch den Tod geschützt werden soll. In dieser Hinsicht bedeutet der Doppelgänger eine ‘energische Dementierung des Todes’ (Rank)Freud, Stichwort: Doppelgänger, in: Richard Sterba, Handwörterbuch der Psychoanalyse, Wien 1936/1937, S. 85. Es war je- doch nicht allein die Dementierung des Todes, die in der Romantik dazu führte, unheimli- che Doppelgänger zu erfinden, sondern im Doppelgänger konnte das Ich allseitig betrach- tet und vervollständigt werden.

Nachtseiten des Lebens 201

Film (die beliebig häufige Kopie) stellt im Doppelgängermotiv seine Kraft her- aus, das Double in eine Imago zu verwandeln. Der Doppelgänger ist in vierfa- cher Weise mit dem Film verbunden: Zum einen erzählt der Film immer wie- der verschiedene Geschichten von ihm (1), andererseits ist der Film eine Wei- terentwicklung des archaischen Wunsches ein menschlichen Abbild zu schaffen (2), nicht zuletzt tritt der Film dem Zuschauer selbst als imaginärer Doppelgänger gegenüber (3), der sich unendlich häufig kopieren läßt (4). Filme lassen sich beliebig vervielfältigen, die Kopien werden wiederum in vielen Ki- nos gleichzeitig gezeigt. Mit den Verdopplungen en masse gelangen auch die filmischen Doppelgänger der Schauspieler gleichzeitig in zahllose Filmthea- ter.926 Georges Méliès nahm die Idee der Kopie in seine Produktionen auf, als gelte es, in einen unendlichen Vexierspiegel zu schauen. In L’Homme- Orchestre (1900) kopierte er sich selbst gleich sieben Mal und bildete ein gan- zes Orchester.

Abb. 81: Georges Méliès, L’Homme-Orchestre, 1900, Cinémathéque Française

Der kurze Stummfilm zeigt, wie Méliès eine Bühne betritt, deren Vorhänge ge- malt sind. Er zählt sieben Stühle und nimmt ohne zu zögern auf dem ersten Platz. Er sitzt noch nicht ganz, da steigt bereits seine Kopie aus ihm heraus, die auf dem Stuhl daneben Platz nimmt: Hieraus entwickelte sich die nächste und so weiter, bis alle sieben Plätze mit Méliès besetzt sind. Jeder hat ein an- deres Instrument in der Hand, und für einen kurzen Moment wird ein gemein- sames Spiel begonnen, dann erhebt sich das Orchester und verbeugt sich. Seine Mitglieder setzen sich erneut hin und indem sich die äußeren Figuren gleichzeitig auf den Schoß der nächstfolgenden setzen, schrumpft es wieder bis auf den Dirigenten zusammen. Méliès macht eine magische Handbewe- gung und die leeren Stühle sind verschwunden. Nun steht er allein auf der Bühne, zaubert die sieben Stühle wieder herbei und läßt sie wieder - bis auf ei- nen - verschwinden. Er verbeugt sich und möchte die Bühne verlassen, aber plötzlich versperrt ihm ein großer Fächer den Weg. Er setzt sich auf dem üb- riggebliebenen Stuhl. Der Boden öffnet sich, und er fährt hinab in den Abgrund, kommt aber sofort wieder von oben zurück auf die Bühne gesprungen und löst sich in einem Puff auf. Der Fächer verschwindet, Méliès kommt hinter ihm her- vor, tritt an den Bühnenrand und verbeugt sich. Der Film ist zu Ende.

926 Im Stummfilm lenkt der Doppelgänger den Blick auf den mangelnden Ton -auch das menschliche Spiegelbild bewegt die Lippen ohne zu sprechen.

202 Nachtseiten des Lebens

Anschaulicher kann das Prinzip des filmischen Doppelgängers nicht darge- stellt werden. Der kurze Film enthält alle Momente, die Das Kunstwerk im Zeit- alter seiner technischen Reproduzierbarkeit auszeichnen. Die leeren Stühle auf der Bühne stehen für sieben Schauspieler bereit. Ihnen gegenüber, auf dem Platz, wo sonst die Zuschauer sitzen, steht die Kamera. Nun erscheint siebenmal derselbe Schauspieler. Er kann sich beliebig vervielfältigen, so oft, daß jeder Zuschauer einen eigenen Darsteller für sich haben könnte. Méliès spielt eben nicht im Theater (der Theaterraum ist nur gemalt) - wo ein Mime allen gehört -, sondern er spielt vor einer Filmkamera und taucht unüberschau- bar oft auf den Leinwänden in den Kinos auf. Er kann die Stühle besetzen oder sie verschwinden lassen, er kann im Boden versinken oder von oben auf die Bühne springen. Wenn eine Kopie verpufft ist, erscheint sofort wieder eine neue. L’Homme-Orchestre zeigt im verdichteten Bewegungsbild, daß die Ko- pie keine Kopie mehr ist, weil es nie ein Original gab, das sich unter den Ko- pien hätte verlieren können.927 Alle Auftretenden sind kongenial. Der Film lief für diese Darstellung siebenmal durch die Kamera und erläutert das Prinzip des verdichteten Bewegungsbildes an der Filmtechnik selbst. Méliès‘ zahllose Col- lagen, Montagen und Schnitte erzeugten eine äußerst extreme Verdichtung, denn nicht selten machte er dreißig Schnitte in fünfzig Meter Film.928 Eine auf engstem Raum zusammengesetzte und etliche Male wiederholte technische Geste brachte den verdichteten Stummfilm hervor. Ohne eine Narration anzu- streben, setzte L’Homme-Orchestre das Prinzip der (Film-)Kopie ins Bild.

In Le portrait mystérieux (1899) verfilmte Méliès das Verhältnis zwischen Ori- ginal (Film-Abbild) und Kopie. Der Filmausschnitt zeigt Méliès, der in ein Zim- mer kommt, seinen Hut ablegt und die Zuschauer auf einen leeren, türgroßen Bilderrahmen hinweist.

Abb. 82: Starfilm, Georges Méliès, Le portrait mystérieux, 1899, Cinémathéque Française - Méliès zeigt auf den leeren Bilderrahmen

927 Zur Kopie vgl. Hillel Schwartz, The Culture of the Copy. Striking Likenesses, Unreasonable Facsimiles, New York 1996 928 In Le Melomane (1903) vervielfältigt Méliès seinen Kopf und wirft die Köpfe als Noten an Telegrafenleitungen, die Notenlinien darstellen. In L’Homme-Orchestre und Le Melomane steht Musik ein weiteres Mal im Vordergrund eines Stummfilms und macht aufmerksam auf den mangelnden Ton.

Nachtseiten des Lebens 203

Abb. 83: Méliès geht durch den Bilderrahmen

Er durchschreitet den Rahmen (wie eine Türöffnung) und rollt die Ansicht des Zimmers hoch, das auf die hintere Wand gemalt ist. Das Bild darunter ist die (gemalte) Ansicht eines Schloßdachs. Im Nu wechselt die Sicht von innen nach außen. In den leeren Bilderrahmen stellt er das Gemälde einer Land- schaft (als Hintergrund) und einen Hocker. Er selbst setzt sich auf einem wei- teren Hocker vor das Bild. Er macht einige magische Gesten und die Fläche im Rahmen beginnt zu verschwimmen. Plötzlich sitzt sein gestikulierender Doppelgänger auf dem Hocker im Bilderrahmen.

Abb. 84: Starfilm, Méliès, Le portrait mystérieux, 1899, Cinémathéque Française – Selbstporträt und...

Nach etwa fünf Sekunden verschwimmt die Darstellung und die Fläche im Rahmen wird schwarz.

204 Nachtseiten des Lebens

Abb. 85: Projektionsfläche

Der Doppelgänger ist verschwunden. Méliès läuft hinter das Bild und sucht ihn vergeblich.

An der Wand des Zimmers, das Méliès am Anfang betritt, ist ein weibliches und ein männliches Porträt zu sehen. Er stellt sich zwischen die beiden Port- räts in den leeren Bilderrahmen und verweist damit auf seine Absicht, ein Selbstporträt herzustellen. Der Raum im leeren Bilderrahmen wird zu Projekti- onsfläche für das zu inszenierende filmische Selbstporträt. Méliès erklärt die schwarze Fläche zum zweiten Filmraum. Sie erscheint als Raum im Raum. Der Porträtmaler mit der unsichtbaren Kamera beginnt nun, sein Filmbild zu inszenieren. Plötzlich erscheint zunächst unscharf (ein noch zu regulierendes Kamerabild), das Filmporträt Méliès. Es bewegt sich lebhaft. (Der Film hat die Leinwand erobert.) Dann verschwindet das Porträt wieder, läßt aber die schwarze Projektionsfläche zurück. Er schaut hinter die Leinwand, aber das Filmbild ist ein Bild, hinter dem sich nichts verbirgt, kein teuflischer Trick, kein unerklärliches Phänomen. Der Filmemacher fertigte ein Bild von sich selbst in seiner Methode an. Das Filmporträt kann weder an die Wand gehängt, noch wie ein Foto in die Hand genommen werden. Es verlebendigt sich im vorgege- benen Raum.

1. Schatten Der Auftritt des unheimlichen Doppelgängers im Phantastischen Stummfilm der Weimarer Republik ging mit den elementaren Eigenschaften des Films, seiner Abbildfunktion und seiner Kopierbarkeit, einher. Es verwundert wenig, wenn die ‘Doppelgängerfunktion‘ des Films selbst zur Narration wurde. 1912 drehte Max Mack für Vitascope den Stummfilm Der Andere929. Albert Basser- mann930 spielte hierin den Rechtsanwalt Dr. Haller, der durch einem Sturz vom Pferd eine Persönlichkeitsspaltung erlitt. Als Anderer führte er eine zwielichtige Existenz. Kinnard faßte den Plot so zusammen: „A doctor suffers from a split

929 1930 inszenierte Robert Wiene ein Tonfilm-Remake von Der Andere. 930 Albert Bassermann, Schauspieler am Max-Reinhard-Theater, galt als besonders foto- scheu. Dies machte freilich den Film besonders interessant. Paul Lindau schrieb sein gleichnamiges Theaterstück, das 1893 in München uraufgeführt wurde, zum Drehbuch um.

Nachtseiten des Lebens 205 personality.“931 Der gespaltene (und gleichzeitig verdoppelte) Doktor besaß aber nur einen Leib für seine zwei Seelen. Die dunkle Seite seiner Seele hatte sich nach dem Unglücksfall als Schatten über seine Existenz gelegt.

Die Firma Unger & Hoffmann, A.G., Dresden932, warb für ihre Projektionsappa- rate mit der Zeichnung eines Kinematographen, vor dessen Lichtkegel ein Mann und sein Schatten zurückweichen.

Abb. 86: Werbung für Projektionsapparate der Firma Unger & Hoffmann AG Dresden, 1907

Die Graphik zeigt einen wohlbeleibten Mann in knapp sitzendem Frack und zu- geknöpfter Weste, der vor dem grellen Scheinwerferkegel des Kinema- tographen zurückweicht, dessen Licht ihn wie Pfeile treffen. Sein Haar ist or- dentlich gescheitelt und seine Augen sind unschuldig geschlossen. Der Frack ist die Abendkleidung des Wohlhabenden. Eng wie eine zweite Haut um- schließt ihn das Kostüm des nächtlichen Vergnügens und es verweist gleich- zeitig auf seine dunkle Existenz, die schon als bedrohlicher Schatten hinter ihm steht. Die gespreizten Finger seiner linken Hand greifen nach hinten, als wollten sie den aminalischen Schatten abwehren. Während der gutsituierte Bürger seine Schattenseite zu verbergen sucht, wird er scheinbar gegen sei- nen Willen vom Kinematographen ins Licht gezwungen. Das Kino stellt die doppelte Existenz des Citoyen ins Licht.

In Der Andere wurde etwa acht Jahre später das Bild der Werbung von Unger & Hoffmann zur Filmerzählung. Max Macks Phantastischer Stummfilm beginnt mit einer Szene, die im Hause Haller spielt. In lockerer Teerunde wird über ein Buch von Hippolyte Taine933 debattiert. Taine beschreibt in diesem Buch Be- wußtseinsspaltungen, die auf problematische Stürze zurückgeführt werden konnten. Eine Buchseite informiert den Zuschauer über das kommende Ge- schehnis: „Infolge eines Sturzes, einer schweren Krankheit, infolge von Überanstren- gung kann sich im Menschen ein Doppelwesen bilden, neben dem gesunden ein krank- haftes. Das eine weiß nichts von dem anderen. Das Krankhafte kann in einer Art Däm- merzustand Handlungen begehen, von denen das Gesunde nicht das geringste

931 Kinnard, Horrorfilms, a.a.O., S. 57 932 Der Kinematograph, a.a.O., (1907) 933 Hippolyte Taine war um die Jahrhundertwende einer der meist gelesenen Philosophen. Husserl übernahm Taines „Idee des Widerstreits als Fundament der Bildlichkeit“ aus des- sen 1880 ins Deutsche übersetzte Buch Die Bilder. Widerstreit bedeutete, Bildwahrneh- mung und Wahrnehmung zu unterscheiden. Taine charakterisiert das Bild als doppelte Gegenständlichkeit. Danach war die Entstehung des Bildobjektbewußtseins das „Produkt eines Kampfes“. Lambert Wiesing, Phänomenologie des Bildes nach Husserl und Sartre, in: Die Freiburger Phänomenologie, hrsg. v. Ernst Wolfgang Orth, Freiburg, München1996, S. 255-281, S. 265f

206 Nachtseiten des Lebens

Bewußtsein hat.“934 Das wissenschaftliche Buch nimmt Hallers zukünftiges Schicksal vorweg. Mack sprach hier dem Druckwerk eine magische Funktion zu und setzte den Philosophen an die Stelle des Magiers. Bei dem Gespräch über Taines Buch ist auch Agnes (Nelly Ridon) zugegen, in die Haller offenbar verliebt ist.

Am Abend wird Amalie (Hanni Weisse), das Dienstmädchen Agnes, zu Un- recht eines Diebstahls bezichtigt und entlassen. Am nächsten Morgen stürzt Haller vom Pferd und erleidet die beschriebene Bewußtseinsspaltung. Nach dem Unglücksfall treibt es Haller nachts in die Bar Zur lahmen Eule. Hier trifft er Amalie, die in der Bar als Kellnerin Arbeit gefunden hat und lernt dort den Einbrecher Dickert (Leon Rosemann) kennen, mit dem er in seine Villa ein- bricht. Beim Verlassen des Hauses wird Dickert von der Polizei geschnappt. Haller, ohnmächtig zurückgeblieben, kann sich an nichts erinnern. Seine Haus- jacke wird zum Beweis und Amalie zur Zeugin seines Doppellebens. Sanitäts- rat Dr. Feldmann (Otto Collot) diagnostiziert eine Bewußtseinsspaltung und ordnet einen sofortigen Sanatoriumsaufenthalt an. Mit Hilfe eines Seelenarztes erinnert sich Haller und kehrt gesund nach Hause zurück. Er heiratet Agnes, die Amalie wieder eingestellt hat.

Folgt der Zuschauer der Narration, dann beruhte alles nur auf einem Unglücks- fall, durch den ein respektabler Bürger zum Kriminellen wurde. Daß der Teufel jederzeit von einem Menschen Besitz ergreifen kann, wurde schon in der Historia von D. Johann Fausten prophezeit. Ebenso kann ein unvorhersehba- res Unglück jemanden grundsätzlich verändern. Weit ab von der fratzenhaften Teufelsgestalt erscheint das Böse in diesem Film in der säkularisierten Form eines tragischen Unfalls. Auch in Hallers Brust wohnten eine gute und eine schlechte Seele. Sein Doppelgänger wurde zu seinem Verderber und gleich- zeitig zu seinem Retter. Nach Heide Schlüpmann935 war Der Andere ein Auto- renfilm, der im Kino „ in der ‘niederen Kunst’ eine andere Seite der bürgerlichen er- kennen und realisieren“ wollte. Schlüpmann stellte einen engen Zusammenhang der Autorenfilme zur Psychoanalyse heraus: „Hatten die Bildungsbürger immer wieder betont, daß der Film schon deswegen minderwertig sei, weil er Seelisches nicht darstellen könne, so hat die Psychoanalyse den Autoren vorgemacht, wie die romanti- sche Poesie der Seele im Begriff der Seele im technischen Zeitalter wiederkehrt.“ Da- nach war Der Andere „eine filmische Studie zum Unbewußten“, und verband „zwei Diskurse, den semantischen, die über die Zitierung moderner Wissenschaft möglich gewordene Reflexion des männlichen Trieblebens, mit dem pragmatischen, dem Nach- weis, daß das Kino nicht nur ein kulturell niedriges, moralisch abwegiges Vergnügen der Dienstmädchen darstellt.“936

In Der Andere wurde das Unbewußte als Doppelgänger personifiziert und als dunkler Schatten abgespalten, wie es das Plakat der Kinematographenwer- bung der Firma Unger & Hoffmann auswies. Macks Phantastischer Film sollte - so Schlüpmann - dem Publikum mit dem Protagonisten eine Lektion erteilen, denn der Film richtet „sich an die ‘Hallers’, die sich in der bürgerlichen Wohlgeordnet- heit des Lebens sicher fühlen und zum Nachdenken gebracht werden sollen. Über die Belehrung über die Nachtseite der menschlichen Individualität, reflektiert der Autoren- film implizit auch seinen eigenen Auftrag: das Bürgertum zum Umdenken über das Kino zu bewegen; es ist das ‘Andere’ der eigenen Kultur.“ Schlüpmann fand in der Ge- schichte des gespaltenen Rechtsanwalts „Züge einer psychoanalytischen Fallge- schichte“ und in der Anamnese des Falls Haller fand das Unbewußte seine dia-

934 Es ist die Seitenzahl 113 zu erkennen. 935 Schlüpmann, Unheimlichkeit des Blicks, a.a.O., S. 108 - 112 936 Ebd. S. 110 (Hervorhebung D.M.)

Nachtseiten des Lebens 207 bolische Darstellungsform. Da sich aber Haller und der Andere in keiner Film- szene gegenüberstehen, wurde der Film selbst zum (bösen) Anderen. Damit war ein Übertragungsprozeß eingeleitet, der den Bildungsbürger - der schon lange nicht mehr an den Leibhaftigen glaubte - legitimierte, ins Kino zu gehen und der ‘Magie des Films‘ zu folgen. Die Figur des Teufels war im Gegenstand einer abstrakten Theorie (das Unbewußte, die Psychoanalyse) gleichzeitig verschwunden und identifiziert. In Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage war vierzehn Jahre später die Dramaturgie von Licht und Schatten nicht dazu bestimmt, ‘Gott und Teufel‘ dichotomisch ins Bild zu setzten, sondern es wur- de die Macht der dunklen Triebe und das Teuflische Fausts unbewußter eroti- scher Wünsche beleuchtet. Bei Haller war es die Verdrängung seiner sexuel- len Wünsche, die seine Bewußtseinsspaltung hervorbrachte.937 Die Idee vom Teufel fand sich in den sexuellen Trieben wieder, die das Unbewußte verbirgt und die im Licht der Psychoanalyse erscheinen. Der Magier, der den ‘Teufel des Unbewußten‘ hervorgerufen hatte, ihn aber auch gleichzeitig zu besiegen vorgab, hieß in diesem Film nicht Faust, sondern Freud. Der Andere endete wie Murnaus Faustfilm mit einem Hinweis auf die Kraft der Liebe, die Haller, den Gespaltenen, aber nur halb rettete - der erlösende Ratschlag, den der Film erteilte, kam von der Seelenheilkunde. So gesehen läßt sich auch Der Andere als Faustgeschichte lesen: Der Teufel (das Unbewußte), der immer schon im Menschen (Faust/Haller) wohnt, tritt durch ein übermächtiges Begehren (Gret- chen/Agnes) hervor, bemächtigt sich seiner, wird aber mit Hilfe der Liebe Gret- chens (Gretchen/Amalie/Agnes) und des Allmächtigen (die psychoanalytische Therapie) vor dem diabolischen Untergang gerettet.

Noch am Ende der Stummfilmzeit in Geheimnisse einer Seele (1926) von Ge- org Wilhelm Pabst ist der Protagonist ein psychisch Kranker, dessen Rettung die psychoanalytische Therapie verspricht. Der Film war als psychoanalyti- scher Lehrfilm konzipiert und unter Mitarbeit der beiden Psychoanalytiker Hanns Sachs und Karl Abraham bei der Ufa realisiert worden. Geheimnisse einer Seele erzählt die Geschichte eines Chemikers - eines modernen Alche- misten -, gespielt von Werner Krauß), dessen Angst vor Stichwaffen zur Be- sessenheit wird, und der sich einer heilsamen Psychoanalyse unterzieht. Ähn- lich wie in Der Andere geht es auch in diesem Phantastischen Lehrfilm um die schwierige Visualisierung seelischer Prozesse. Ähnlich wie bei der Geisterfo- tografie ging es darum, das dem Menschen innewohnende, die (verletzte) See- le, sichtbar zu machen. Die Vorbemerkung des Films lautet: „Im Dasein jedes Menschen gibt es Wünsche und Leidenschaften, die dem ‘Bewußtsein’ unbekannt blei- ben. In dunkeln Stunden seelischer Konflikte versuchen diese ‘unbewußten’ Triebe sich durchzusetzen. Aus solchen Kämpfen entstehen rätselhafte Erkrankungen, deren Aufklärung und Heilung das Arbeitsgebiet der Psychoanalyse bildet. In der Hand des psychoanalytisch geschulten Arztes bedeutet die Lehre des Univ. Prof. Dr. Sigmund Freud einen wichtigen Fortschritt bei der Behandlung derartiger seelischer Erkrankun- gen. Die Vorgänge dieses Films sind dem Leben entnommen. In keiner wesentlichen Tatsache wurde von der Krankengeschichte abgewichen.“938 Auch die Historia von D. Johann Fausten war angeblich ein wahrer Bericht, ähnlich stellt dieser Einlei- tungstext den Film als „dem Leben entnommen“ dar und gibt ihn als filmische Do- kumentation aus.

Das Mysterium Buch bleibt zwischen zwei Pappdeckeln und seinen schwar- zen Zeichen verborgen, der Film dagegen scheint in seinen Bildern keine Ge- heimnisse zu bewahren, denn die Kamera dringt - hier auf der Suche nach der

937 Der Sturz vom Pferd kann als sexuelle (Versagens-)Angst interpretiert werden, im Sinn des Freud’schen Beispiels vom kleinen Hans. 938 Filmvorspann (Hervorhebung D.M.)

208 Nachtseiten des Lebens

Seele - tief in den menschlichen Körper ein. In Der Andere und in Geheimnisse einer Seele wurden die ‘triebhaften Kräfte’ als dämonisches Teufelswerk dar- gestellt, das den Menschen quält. Der Kampf mit der dunklen Seite der (männ- lichen) Existenz galt der Impotenz und der Eifersucht der Protagonisten. Sie waren willenlose Doppelgänger ihrer aggressiven Triebe, die sie weder verste- hen noch beherrschen konnten. Versagens- und Verlustängste wurden als ein gefährliches Ringen mit einem diabolischen Widersacher dargestellt, der sich ihrer unbarmherzig bemächtigte. Aber die magische Kraft der Seelenheilkunde vertrieb schließlich die bösen Geister und heilte die Besessenen mit der Magie des Wortes, dem entscheidenden Mangel des Stummfilms. Die Darstellungen der psychoanalytischen Sitzungen, in denen Pabst trickreiche Traumbilder in- szenierte, stehen geradezu für eine magische Teufelsaustreibung, die das (stumme) Bild an die Stelle des Wortes setzte. Die innere, imaginäre Welt, in der die Traumbilder erscheinen, ist aber keineswegs von der äußeren Welt, in welcher der Träumende lebt, getrennt. Dies haben Filmbilder mit dem Traum gemein: Entlehnt dem Leben, fließen sie in die reale und imaginäre (Lebens- )Welt zurück. Traumbilder und Filmbilder sind also durchlässig für imaginäre und für reale Impulse. In Geheimnisse einer Seele werden die (magischen) Traumbilder durch den zauberischen Eingriff des Meisters wieder geordnet und in die Realität (aus dem Traum und aus dem Film heraus) zurückgeführt. Die imaginäre Welt muß der realen Welt weichen. Daß der Film die Methode der talking cure zeigt, macht deutlich, daß Geheimnisse einer Seele zwar nicht die Gestalt des Teufels ins Bild setzte oder herbeirief, um ihn wieder auszu- treiben, sondern daß sich die Magie des Mediums mit der Magie der analyti- schen Therapietechnik mischt. Die Doppelbelichtungen, Überblendungen und andere filmische Tricks, die Pabst zur Anwendung brachte, setzen wie in der Historia von D. Johann Fausten das wissenschaftliche Begehren mit dem Er- scheinen einer dämonischen Teufelsgestalt gleich.

Freud wandte sich deutlich gegen die Darstellung der Psychoanalyse im Film und verlor über das Bewegungsbild kein Wort.939 Diese Leerstelle verweist auf die Gemeinsamkeiten von Film und Psychoanalyse. Die Psychoanalyse und der Film entstanden fast gleichzeitig. Beides hat mit der Erfahrung bewegter Bildern zu tun: Der Traum zeigt nicht etwa eine Fotografie, sondern bewegte Bilder. Das Traumbild und der Phantastische Film verarbeiten die Widersprü- che des Lebens. Dem aufmerksamen Betrachter kann nicht entgehen, daß sich Freud, der in der Traumdeutung quasi ein Lexikon der Bildsymbole vorleg- te, nie mit dem Kino oder dem Bewegungsbild befaßt hat. Beide Systeme, Psychoanalyse und Film, sind magisch geladen. Sie scheinen einander aus- zuschließen, weil das Unbewußte, der Gegenstand der Psychoanalyse, und der Film offenbar den gleichen Prinzipien gehorchen, wie der Verdichtung, der Verschiebung, der Verkehrung und so weiter. Vielleicht ist Film sogar der bild- hafte Doppelgänger der Verarbeitungsstrategien des Unbewußten.940

939 Der Beginn von Max Macks Stummfilm Der Andere (1912) ist eine Erzählung, die im Lauf des Films ‘wahr‘ wird. Ähnlich geht die Psychoanalyse von einer Erzählung aus, die Einfluß auf den Lauf des Lebens nehmen soll. Beide Erzählformen, die des Films und die der talking cure, nehmen Geschichte(n) vorweg, schon damit zeichnen sie sich als magi- sche Praxen aus. 940 Kittler bemerkte, daß „Stummfilme implementieren in technischer Positivität, was Psycho- analyse nur denken kann: Ein Unbewußtes, das keine Worte hat und von Seiner Majestät dem Ich nicht anerkannt wird.“ Friedrich A. Kittler, Draculas Vermächtnis, Leipzig 1993, S. 91. Das Unbewußte und der Kinematograph erzeugen eine andere Vergleichsebene als das Ich und sein Bild. Die Magie des Bewegungsbildes (und der Psychoanalyse) entsteht in kulturhistorischer Praxis.

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2. Verdopplung Die meisten phantastischen Stummfilme, die in Deutschland zwischen 1912 und 1926 entstanden, können als technische und narrative Entwicklung des frühen Faustfilms betrachtet werden. Der frühe Faustfilm führte schließlich zum phantastischen Autorenfilm der Weimarer Republik. Dies läßt sich insbe- sondere an dem ersten abendfüllenden Faustfilm Der Student von Prag, den Stellan Rye941 1913 drehte, zeigen. Ähnlich wie in Max Macks Der Andere (1912), in dem die Spaltung des Protagonisten zum Gegenstand des Films wurde, stand bei Rye dessen Verdoppelung, resultierend aus dem Pakt mit dem Teufel, im Mittelpunkt des Films. Diese Herausforderung wurde auch mit- tels Verdoppelung von Rauminszenierungen angenommen. – Der Student von Prag wurde in Deutschland noch zweimal verfilmt, nach Stellan Rye inszenier- ten den Stoff Henrik Galeen942 (1926) und Arthur Robison (1935).943 Die literari- sche Vorlage verfaßte Hanns Heinz Ewers nach Adelbert Chamissos Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814).944 Eine bedeutende Wissen- schaftlerrolle kommt hierin nicht vor, sieht man einmal von dem gescheiterten Studenten Balduin ab, der mehr vom Fechten als von Wissenschaft verstand.

Ryes Faustfilm, einer der ersten abendfüllenden Stummfilme, war noch gänz- lich im Stil der verdichteten Ästhetik der frühen Faustfilme inszeniert worden, welcher ganz ohne Exposition auskam. Dagegen verzichtete Galeen, dessen Version erst am Ende der Stummfilmzeit entstand, vollständig auf Bildverdich- tungen und antizipierte bereits den aufkommenden Tonfilm. Wie komplex die Strukturen der Verdoppelung Filmtechnik und Filmerzählung in Ryes phantastischen Stummfilm mischen, zeigt ein Vergleich der beiden Anfangssequenzen der dreizehn Jahre auseinander liegenden Verfilmungen des romantischen Stoffs. Die im Laufe der Jahre entstandenen Unterschiede der Bildästhetik schlossen einen Bedeutungswandel in der Darstellung der Magie ein.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die säkularisierte Teufelsfigur Scapinelli. Bei Stellan Rye spielte John Gottowt Scapinelli als eine kleine, schmächtige Teufelsgestalt mit weißem Haar, Bart, Zylinder und schwarzem Gehrock, des- sen flatternde Rockschöße an die ledernen Flügel des gefallenen Engels erin- nern. Er scheint mehr lästiges Insekt als reißendes Raubtier zu sein. Seine Brille, die schwarzen Handschuhe und sein schwarzer Stock mit Silberknauf vervollständigen die luziferischen Attribute. Im Vorspann stellt er sich dem Pub- likum mit einem Papageien auf der Schulter vor.

941 Zu Stellan Rye (1880-1914) vgl. u.a. Buchers Enzyklopädie des Films, München, Luzern 1977 942 Galeens Der Student von Prag (1926) wurde bereits mit Ton gedreht, kam dann allerdings stumm und mit Zwischentiteln in die Kinos. Ein Grund dafür lag auch darin, daß nur weni- ge Kinos über Tonanlagen verfügten. 943 Robisons Der Student von Prag (1935) stand ganz im Dunst Nazideutscher Spielfilme und wird im Kapitel Das Prometheische Reich untersucht.. 944 In Peter Schlemihls wundersame Geschichte von Adelbert Chamissos (1814) bringt der Verkauf des Schattens an den Teufel Schemihl großen Reichtum.

210 Nachtseiten des Lebens

Abb. 87: Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, John Gottowt als Scapi- nelli

In Henrik Galeens Remake spielte Werner Krauß Scapinelli. Trotz Ähnlichkei- ten mit Gottowt wirkte Krauß - mit Regenschirm statt Stock, schwarzem Man- tel und hohem Zylinder - eher wie ein bösartiger Rabe.

Abb. 88: Henrik Galeen, Der Student von Prag, 1926, Werner Krauß als Scapinelli

Schon in der ersten Filmszene zeigte Rye die entscheidende Begegnung zwi- schen dem Studenten Balduin, den Paul Wegener spielte, und dem Teufel, Scapinelli. Balduin wird als Einzelgänger gezeigt. Er betritt in der Uniform eines Corpsstudenten ein sonniges Gartenlokal und setzt sich an einen separaten Tisch, während seine Kameraden Unterhaltung bei Bier, Musik und Tanz mit Lyduschka, einem Zigeunermädchen (Lyda Salmonova), suchen. Ein Zwi- schentitel weist ihn als besten Fechter Prags aus.945 Henrik Galeen inszenierte Balduins Auftritt, gespielt von Conrad Veidt, im vollen ‘Klangraum’ des auf- kommenden Tonfilms.946 Inmitten einer singenden und musizierenden Studen- tengruppe tritt Veidt auf, und wie in späteren Operrettenfilmen oder Musicals

945 Balduin gilt als bester Fechter Prags. Dies wird dem Zuschauer im Zwischentitel und nicht etwa durch eine Fechtszene mitgeteilt. (Zwischentitel: „Es lebe Balduin, Prags bester Fechter und wildester Student!“) Rye zeigte Balduin nur ein einziges Mal fechtend, als er vor dem Spiegel die Klinge gegen sich selbst zog. 946 Noten und Texte der Lieder werden eingeblendet.

Nachtseiten des Lebens 211 werden seine Fechtkünste zur choreographischen Darstellung. Die Fechtküns- te Balduins bilden bei Galeen ein durchgängiges Motiv.947 (Rye zeigte Balduin nur ein einziges Mal fechtend, als er vor dem Spiegel die Klinge gegen sich selbst führte.)

Unvermittelt fährt bei Rye eine Droschke in diese Szene hinein. Scapinelli steigt aus und setzt sich direkt an Balduins Tisch. Er vermittelt den Eindruck eines skurrilen Fremden, der als Äquivalent zu Balduins Degen, einen Stock unter den Arm geklemmt hat. Heide Schlüpmann948 sah, daß die vorfahrende Kutsche „für Augenblicke den im Vordergrund sitzenden Balduin von seinen ‘Kommili- tonen’ (trennt). Dann rollt sie weiter. Das Bild scheint wieder hergestellt.“ Diese plötzli- che Veränderung des Bildes verband sie mit der Ankunft des Unheimlichen. Der Auftritt Scapinellis folgt hier den Méliès’schen Teufelsauftritten. Allerdings erscheint der Böse nicht im gelben Rauch des Alchemistenlabors oder der Hexenküche, sondern an die Stelle des infernalischen Auftritts ist ein magi- scher Realismus getreten: Scapinelli fährt ins Bild hinein. Seine Ankunft aus heiterem Himmel verweist auf den künstlerischen Stil der kurzen Stummfilme.

Der auf einmal auftretende, merkwürdige Fremde wurde zum bedeutenden Protagonisten des modernen Spielfilms. Er spielte zum Beispiel als Vertreter der Unterwelt in Horrorfilmen oder als Abgesandter einer fremden Welt in Science Fiction-Filmen eine bedeutende Rolle. Im Western läßt er sich als lo- nesome rider finden, welcher in einer fremden Stadt ankommt, einen Auftrag erledigt und weiter zieht. Und in der Tat ist Der Student von Prag in seiner ers- ten Fassung eher angelegt wie ein moderner Western. Das Drama trägt die einfachen Mechanismen des tödlichen Kampfes zwischen zwei (spiegelbildli- chen) Gegnern, die sich mit einem reichen Halunken einlassen. Die Helden bleiben auf sich fixiert und ihre Haltung zur (folkloristischen) Frau bleibt gespal- ten. Das, was in Der Student von Prag von der Faustgeschichte übrig bleibt, liegt in der Essenz dieser Western Kriterien verborgen. Der tödliche Kampf ei- nes Mannes macht im Wechsel des Degens gegen den Revolver die Differenz der Genre aus.

In Ryes Version nimmt Scapinelli direkt Kontakt zu Balduin auf. Er tippte ihm auf die Schulter und Balduin zeigte seine leeren Hosentaschen. Als Degenheld hatte er sich zwar einen Namen aber kein Geld gemacht. (Zwischentitel: „Rui- niert bin ich! Verschaffen Sie mir das große Los oder eine reiche Erbin!“) Die beste Gelegenheit für den Teufel als Kuppler ins Geschäft zu kommen. (Zwischenti- tel: „... nun, soll der beste Fechter und Prags wildester Student nicht eine reiche Partie machen können?“) Scapinelli streckt Balduin die Hand entgegen, dieser schlägt ein.949 (Lyduschka beobachtet mißtrauisch das Geschehen.950) Der folgende Schnitt zeigt schon das Angebot, welches Scapinelli für den Pakt bereithält: Es ist Comtess Margit951Schwarzenberg, gespielt von Grete Berger. Den Hinter-

947 Galeens Balduin weist Gemeinsamkeiten mit dem späteren Degenheld Zorro auf. Zorro führt auch eine doppelte Existenz, die er hinter einer schwarzen Maske verbirgt. Als Rächer der Entrechteten, die er mit Degen und Peitsche vertritt, ist er, mit schwarzem Umhang, wie Batman und Superman Botschafter des Guten. 1937 hält Zorro in Zorro Rides Again etwa gleichzeitig mit den beiden anderen Good Angels Einzug in die Filmlandschaft. 948 Heide Schlüpmann, Je suis la solitude. Zum Doppelgängermotiv in Der Student von Prag, in: Frauen und Film, H. 36, 1984, S. 11-24, S. 21 949 Drexlers Szenenprotokoll lautet: „Scapinelli will dem von Geldsorgen bedrückten Baldu- in helfen.“ Dies eröffnet freilich eine andere Narration. Drexler, Geheimnisvolle Welten, a.a.O., S. 230-233, S. 230 950 Zwischentitel: „Die eifersüchtige Lyduschka kennt die geheimnisvollen Kräfte des Alten und fürchtet um ihren Balduin.“ 951 Der Name Margit kann in Bezug zu Goethes Margarete gesehen werden. Aber sie ist nicht das Gretchen der Geschichte, auch wenn sie Paktmotiv ist.

212 Nachtseiten des Lebens grund für die Szene, in welcher die teuflische Zuführung der reichen Braut stattfindet, bildet eine Jagdgesellschaft, an der Margit und ihr Vetter, Baron Waldis-Schwarzenberg (Fritz Weidemann), teilnehmen. Waldis drängt Margit zur Heirat952, aber sie weicht ihm aus und galoppiert davon. In dem Moment als ihr Pferd durchgeht, begegnen ihr Balduin und Scapinelli. Als Margit stürzt 953, kann Balduin sie retten. Scapinelli kreist seine Opfer ein und zieht das Netz dichter. Er schreitet quasi einen magischen Kreis um seine Opfer ab. Diese Personenbewegung wurde in modernen phantastischen Spielfilmen häufig durch einkreisende Kamerabewegungen ersetzt.954

Abb. 89: Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, John Gottowt als Scani- nelli, Paul Wegener als Balduini

Zum Dank schenkt Margit Balduin ein Medaillon mit ihrem Bild. (Zwischentitel: „Nehmt das Medaillon zum Andenken - es birgt mein Bild.“)955 Dieses Bildchen wird Balduin von nun an stets bei sich tragen.956

In Galeens Verfilmung der Geschichte wird die Zuführung der reichen Braut, die Rye nicht explizit als magische Handlung inszenierte, zur zentralen Be- schwörungsszene. Die erste Einstellung ist eine Totale, die auf einem düste- ren Hügel einen verkrüppelten Baum zeigt. Scapinelli betritt mit wehenden Mantel die Szene - der Wind geht scharf. Licht fällt von hinten gegen ihn, so daß eine Art verrissenes Schattenbild entsteht. Halbnahe, amerikanische und nahe Einstellungen folgen aufeinander. Scapinelli führt magische Gesten mit Schirm und Händen aus. Von unten aufgenommen, erscheint er gewichtig und übergroß. Im Ablauf schneller werdender Schnitte bemächtigt er sich der Na- turgewalten und dirigiert die Jagdgesellschaft. Hunde, Pferde und Menschen bewegen sich im Rhythmus seiner lenkenden Hände. Margit kann ihr Pferd

952 Zwischentitel: „Margit! Wir stammen aus einem Geschlecht; es ist der Wunsch unserer Vä- ter, daß das Erbe der Familie erhalten bleibt.“ 953 Das Bild des Sturzes vom Pferd steht häufig - wie auch in Max Macks Der Andere (1912) - für einen psychischen oder sozialen Abstieg. 954 Vgl. u.a. Francis Ford Coppola, Bram Stokers Dracula, 1994 955 Bereits 1898 hatte George Albert Smith in Faust und Mephistopheles ein Bild Gretchens in den Film eingebaut, welches Faust dazu veranlaßte, sich dem Teufel zu verschreiben. 956 Das Foto der geliebten Frau oder Mutter spielt auch in Western eine nicht unerhebliche Rolle.

Nachtseiten des Lebens 213 nicht länger halten, es läuft auf Balduin zu, der sie rettet. Zum Dank schenkt sie ihm ein Kettchen mit Kreuzanhänger. Es wird zum Zeichen des göttlichen Schutzes für den vom Teufel Versuchten.

Galeen setzte neben das Licht die Montage zur Darstellung von Magie und Teufelsmacht. Die neue Tontechnik spielte für die Beschwörungssequenz al- lerdings nur eine untergeordnete Rolle. Bei seinem Abrakadabra auf dem Hü- gel legte sich Scapinelli sogar die Hand vor den Mund, so, als habe er das ge- sprochene Wort gar nicht nötig. Höllenkünste sind in phantastischen Spielfil- men meist stumme Inszenierungen und benötigen allenfalls - abgesehen von unheimlichen Geräuschen, wie etwa dem Schrei eines Nachtvogels oder spannungsgeladener Musik - einige fremde oder unverständliche Worte, Zau- berformeln eben. (Eine deutliche Stimme und gut verständliche Worte wirken ja dem Magischen eher entgegen.)

Der entscheidende Unterschied der beiden Versionen von Der Student von Prag liegt in dem Geschenk, das Balduin von Margit bekommt. Dies ist bei Rye ihr Bild, bei Galeen ein kleines goldenes Kreuz. Der Austausch des Bildes ge- gen das christliche Symbol läßt den Handlungsablauf seine entscheidende In- tention verlieren, so daß die Spiegelszenen bei Galeen Sinn entleert zurück- bleiben. Welche Bedeutung das Bild Margits für den Handlungsablauf hat, läßt sich schon an der ersten Spiegelszene in Ryes’ Film darstellen. In Balduins Studentenbude ist ein türgroßer Spiegel das bestimmende Element. Bogentür und Bogenfenster - auf dessen Sims ein Totenschädel (Reminiszenz an den alten Magier) liegt – lassen das Zimmer sakral wirken. Im Vordergrund steht ein Arbeitstisch, auf dem ein auffälliges Tintenfaß mit eingetauchter Feder (das notwendige Schreibzeug für die entscheidende Unterschrift) zu sehen ist, daneben liegen einige Bücher. Balduin steht vor dem Spiegel und führt eine geschickte Klinge gegen sich selbst.957 Das blutleere Gegenüber pariert mit denselben Angriffen. An seinem Spiegelbild wenig interessiert, wirft Balduin lustlos den Degen weg, greift in die Hosentasche und zieht das Medaillon her- vor. Er öffnet das Schmuckstück und betrachtet sehnsuchtsvoll das Bild der unerreichbaren weiblichen Schönheit.

Abb. 90: Erste Spiegelszene, Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, Paul

957 Das Bild eines Mannes, der vor dem Spiegel die Waffe zieht, ist ein bekanntes Motiv in Western.

214 Nachtseiten des Lebens

Wegener als Balduin

Anders als in Galeens Film wurde das Fechten vor dem Spiegel bei Rye nicht zur Metapher eines inneren Ringens, eines imaginären Kampfes, mit dem ei- genen Spiegelbild. Die erste Spiegelszene ist hier ein ‘Filmporträt‘ und gibt, wie Méliès in Le portrait mystérieux (1899), Auskunft über Person und Medium. Darüber hinaus ist es das zweite Porträt des Films, auch wenn der Zuschauer das Bild Margits, das Balduin in seiner Tasche trägt, nie sehen wird. Margits Bild und sein Spiegelbild wurden nicht zufällig hintereinander montiert, son- dern, wie es auch eine ganz ähnliche Szene958 zeigt, die den Schluß des Fil- mes einleitet, scheint es, als wolle er sein (fehlendes) Spiegelbild durch ihr Porträt ersetzen.

In der nächsten Sequenz kommt es zur zweiten Begegnung zwischen Balduin und Margit. Auf dem Weg dorthin trifft er Lyduschka, die ihm einen Wiesen- blumenstrauß959 schenkt. Balduin will dieses Sträußchen Margit geben, aber er muß - angesichts eines edlen Buketts, welches Waldis Margit überreicht - er- kennen, mit Wiesenblumen kann er die Comtess nicht gewinnen. So werden die Blumen Lyduschkas zum Auslöser für den Pakt. Der junge Draufgänger, der sich reich verheiraten will, benötigt Anfangskapital. Dies bringt ihm Scapi- nelli, der Balduin in seinem Zimmer aufsucht. Den Stock unter den Arm ge- klemmt, den Zylinder in der Hand, tänzelt der Teufel hinein. Balduin erweist sich keinneswegs als St. Georg, der den Dämon mit ritterlicher Lanze vertreibt, sondern seine Degen hängen gekreuzt an der Wand und der Federkiel steht bereit. Der Teufel zieht mit Vertrag und Geld gegen Balduin ins Gefecht. Er holt aus der Innentasche seines Gehrocks die bedeutungsvolle Schriftrolle in zwei- facher Ausführung hervor, und aus einer Geldkatze läßt er einen scheinbar un- endlichen Fluß von Goldstücken auf den Tisch gleiten. Balduin liest den Ver- trag960, der Scapinelle das Recht einräumt, aus Balduins Stube mitzunehmen, was er will. Scapinelli ergreift den Gänsekiel, taucht ein und Balduin unter- schreibt. Der sonderbare Kontrakt scheint eine maßlose Ungleichheit zu ent- halten: Viel Geld für wertloses Zeug.

Auch Peter Greenaways The draughtman’s contract (1982) zeigte die ver- hängnisvolle Wirkung eines divergierenden Kontraktes. Der Pakt wurde bei Greenaway allerdings zwischen einer diabolischen Verführerin und einem jun- gen Landschaftsmaler geschlossen. Jedoch war der (naive) Künstler ebenso wie Balduin der Betrogene. Opfer wurden beide erst im Verhältnis von Bild (Spiegelbild) und Realität. Balduins Spiegelbild und die Zeichnungen des Land- schaftsmalers Neville machten sich nach Vertragsabschluß selbständig. Die fremdbelebten Bilder schildern eine eigenständige Geschichte, die schließlich zum Untergang ihrer Schöpfer führt. Freilich kann Greenaways Film als Faust- geschichte betrachtet werden, in welcher der Teufel in Gestalt schöner Frauen erscheint.

958 Sie zeigt Balduin tief versunken in Margits Bild. Er küßt es sogar, doch plötzlich wirft er es mit entsagender Handbewegung fort, entnimmt einer Schatuelle einen Handspiegel, blickt hinein und schüttelt den Kopf. 959 Das Sträußchen leitet ähnlich wie in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage (1926) in die Gretchentragödie der Geschichte ein. Sie findet hier freilich unter verkehrten Vorzeichen statt, denn Lyduschka schenkt Balduin die Blumen und dreht mit dieser werbenden Geste die klassischen Verhältnisse zwischen Mann und Frau um. 960 Zwischentitel: „Ich bestätige den Empfang von 100 000 Goldgulden. Ich gebe dafür Herrn Scapinelli das Recht, aus diesem Zimmer mitzunehmen, was ihm beliebt. Prag, den 15. Mai 1820.“

Nachtseiten des Lebens 215

In Der Student von Prag spielt erstmalig Geld für den Pakt die entscheidende Rolle.961 Dem diabolischen Alten floß das Geld aus dem Geldstrumpf wie einst Faust das Blut aus der Ader, welche die Tinte hergab für den blutigen Na- menszug. Geld wird hier eine ähnlich magische und bindende Kraft zugespro- chen wie Blut. Es macht aus dem Teufelspakt einen Kaufvertrag. Der Handel wurde in der ersten Filmsequenz per Handschlag geschlossen und mit Vertragsabschluß trat die geschäftliche Übereinkunft in Kraft. Der Degenheld engagierte einen Kuppler, um ihm eine reiche Frau zu verschaffen. Eine libidi- nöse Bindung (Lyduschka) sollte durch einen Heiratsvertrag ersetzt werden (Margit).962 Balduins erster Versuch, die Comtess für sich zu gewinnen, schlug fehl. Der mittellose Student konnte sie nicht mit dem Wiesenblütengebinde be- eindrucken. Damit das Geschäft in Gang kommen konnte, wurde Startkapitel nötig. Die angestrebte Heirat scheint eine ähnlich magische Geldvermehrung zu versprechen, wie sie das Bild des nicht enden wollenden Flusses aus Sca- pinellis Geldkatze zeigte.963

Geldvermehrung ist, wie es Jürgen Manthey964 schrieb, keine „Vermehrung... durch Beteiligung der körperlichen Liebe, sondern durch den Einsatz des den Tausch in Fortsetzung (Fortpflanzung) haltenden Geldes.“ Scapinelli legte sein Kapital in Bal- duin an und brachte so die Macht des Vaters ins Spiel, denn er kaufte sich ei- nen Sohn und wurde den über Kapital verfügenden Vätern der Kinder von Schwarzenbergs gleich. In Der Student von Prag wurde Balduin durch Geld zum ‘Sohn des Teufels‘. Der Geldvertrag schaffte (wie der Blutspakt) ein ima- ginäres Verhältnis und ordnete dessen symbolische Struktur. Aber allein das Wort Geld verweist schon auf Vergeltung965, die der Sache innewohnt, und im Sinne der Etymologie wurde das Geld zum Fetisch im Konflikt zwischen dem Sohn (der lieber mit dem Degen hantierte als zu studieren) und den Interessen des Vaters, ihn reich zu verheiraten, um sein Geld zu vermehren. (Auch Mar- gits Vater liegt ja die Vermehrung seines Kapitals mehr am Herzen als das Glück seiner Tochter.)

Ohne zu zögern zeigt Scapinelli mit seinem Stock auf den Spiegel und fordert das Spiegelbild Balduins. Rye inszenierte die Übergabe des Spiegelbildes an Scapinelli in wirkungsvollen, selbstreferentiellen Bildern. Der Teufel umarmt den Spiegel, zeigt auf Balduins Spiegelbild, legt seine linke Hand an den Rand des Spiegels, zieht mit der rechten seinen Zylinder und macht eine tiefe Vor- beugung vor der unheimlichen Gestalt, die bedächtig aus dem Spiegel hervor- tritt.

961 Ein Motiv das – wie noch gezeigt wird - René Clair in La beauté du diables (1949) besonders ausschmückte. 962 Für Balduin sind beide Frauen eine Art (mütterliche) Versorgungsinstanz: Lyduschka steht für seine emotionale und Margit für seine finanzielle Absicherung. 963 Auch der Vater Margits strebt durch Heirat der Blutsverwandten die Geldvermehrung an. 964 Jürgen Manthey, Wenn Blicke zeugen könnten. Eine psychohistorische Studie über das Sehen, München, Wien 21984, S. 99 965 Vgl. Stichwort Geld, in: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, a.a.O., S. 270

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Abb. 91: Scapinelli holt sich Balduins Spiegelbild. Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, John Gottowt als Scaninelli, Paul Wegener als Balduin

In der zweiten Spiegelsequenz wird der Spiegel zum magischen Medium. Der ‘Spiegeltrick‘ war bei Rye eine Türöffnung, die in das noch einmal spiegel- bildlich aufgebaut Zimmer führte. Selbstreferentiell fiel der Blick der Kamera in ein identisches Zimmer, aus welchem schließlich der verdoppelte Protagonist heraustrat. Auch hier war der Teufel der Operateur, der dem Bild magisches Leben gab. In vielen Horrorfilmen bietet der Spiegel einen übernatürlichen Durchgang ins Höllenreich, so auch in John Carpenters Prince of Darkness (1988).966 Dem entspricht das ‘säkularisierte‘, nicht weniger magische Motiv des Leinwandhelden, der die Leinwand verläßt, wie etwa auch in Woody Allens melodramatischer Komödie The purpel rose of Cairo (1984). Rye zeigte erst- malig, wie Film und Spiegel ihren Platz im Reich der magischen Medien tau- schen. Der Doppelgänger aus dem Spiegel stand nur für einen kurzen Moment Balduin gegenüber, bevor er den (filmischen) Raum verließ, in dem er sich in Nichts auflöste. Scapinelli erscheint hier weniger mächtig als Mephisto, dem traditionellen Statthalter des Bösen. Er erinnert mit seinem insektenhaften Ver- halten auch eher an spätere Darstellungen des Maklers Renfield, der für sei- nen Meister Dracula tätig wird.

Nachdem der Doppelgänger den Spiegel verlassen hat, legt Balduin seine alte Identität mit seiner Studentenuniform ab. In Gehrock und Zylinder fährt er in prächtiger Kutsche zum Ball auf die Prager Hofburg, wo er Margit wiedertrifft und erneut um sie wirbt. Lyduschka folgt ihm und klettert die steile Schloß- mauer empor. Sie beobachtet, wie Balduin Margit hofiert und Margits Verlobter hinzutritt. Einen kurzen Moment lang sind alle vier im Bild.

966 In Carpenters Horrorfilm benutzt der Teufel einen Spiegel als Tür zur Unterwelt.

Nachtseiten des Lebens 217

Abb. 92: Unbefriedigende Paarkonstellation, Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, Grete Berger als Comtesse Margit Schwarzenberg, Lyda Sal- monova als Zigeunermädchen, Fritz Weidemann als Baron Waldis- Schwarzenberg, Paul Wegener

Nach Drexler waren Charaktere und Beziehungen in Ryes Film noch nicht richtig herausgearbeitet.967 Die verdichteten Filmbilder scheinen mit Sehge- wohnheiten zu kollidieren, da Figuren und Paarkonstellationen konsequent an- gelegt sind. Das vorhergehende Bild hebt die Beziehungsstrukturen der Figu- ren hervor: Baldiun steht dem Baron gegenüber, ihre abschätzenden Blicke treffen sich und die Gegner verweilen kurz in herausfordernder Haltung. Sie weisen vergleichbare Strukturen auf, da sie beide keinen leiblichen, sondern nur einen erworbenen Vater haben, bei gleichzeitiger Abwesenheit der Mutter. Beide wollen durch Heirat Geld und Namen erlangen. Margit, festlich gekleidet, steht zwischen ihnen und reicht jedem eine Hand. (Sie verbindet die Kontra- henten.) Hinter ihr taucht Lyduschka auf, so als wachse sie aus ihr heraus. Sichtbar in Szene gesetzt, bleibt sie jedoch den anderen Protagonisten ver- borgen. Otto Rank968 beschrieb Lyduschka als Spiegelbild Margits. Sie er- scheint jedoch eher als Teil von ihr. Nach Heide Schlüpmann verkörperte Ly- duschka „die Anarchie der Triebe“ und kann als „Doppelgängerin die verdrängte Sexu- alität der ‘Dame’“969 betrachtet werden.

Das Bild zeigt die Männer als Kontrahenten und die Frauen als Doppel. Es ver- anschaulicht die Strukturen des Begehrens, das in den Spielarten seiner sexuellen Entladung (auch im Voyeurismus dieser Situation, in der Lyduschka die Zuschauer vertritt) einmal mehr das alte ödipale Dreiecksspiel entzündet, das zwei Männer in die eifersüchtige Rivalität um die Frau treibt. Dabei verbild- licht Lyduschka ein Begehren, das den präödipalen Allmachtsphantasien ent- springt und sich sowohl weiblich wie männlich zu identifizieren sucht. Die denkbaren Paarkonstellationen dieses Bildes verraten die Muster des Verlan- gens. Der Spiegeleffekt findet also weniger zwischen Margit und Lyduschka statt als vielmehr zwischen Balduin und dem Baron. (Schließlich verkaufte Balduin ja sein Spiegelbild für eben solch eine aristokratische Erscheinung.)

967 Peter Drexler, Geheimnisvolle Welten. Der Student von Prag (1913), in: Fischer Filmge- schichte, Bd. 1, a.a.O., S. 219-232, S. 224 968 Otto Rank, Der Doppelgänger, in: Imago 1914, S. 7 – 127. Rank schrieb unter dem Ein- druck des Films von Stellan Rye die psychoanalytische Abhandlung über den Doppelgän- ger. 969 Schlüpmann, Je suis la solitude, a.a.O., S. 18

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Die Spiegelung vermittelt sich auf geschickte Weise durch die Position Mar- gits, welche die beiden männlichen Protagonisten gleichzeitig trennt und zu- sammenführt. Aus ihr heraus wächst Lyduschka als eine fremde und unge- hemmte Art des Begehrens.

Die Initiative für ein intimes Treffen geht schließlich von Margit aus: Sie über- läßt Balduin ihr Taschentuch. Auf ein Stück Papier schreibt er Zeit und Ort für ein Rendezvous, packt den Zettel in das Taschentuch und verschließt es mit seiner Krawattennadel. Hierbei wird er von der eifersüchtigen Lyduschka beo- bachtet. In dieser Situation erscheint sein Spiegelbild in der Montur des Corps- studenten und Balduin erschreckt zu Tode. – Margit liest Balduins Nachricht in ihrem Schlafgemach, aber zuvor entkleidet sie sich vor einem großen Spiegel, wobei sie von Lyduschka beobachtet wird, die an der Fassade des Hauses hinaufgeklettert war. In der dritten großen Spiegelszene des Films betrach- tet sich Margit selbstverliebt im Spiegel. Lyduschka und das Kinopublikum ha- ben hieran teil. Damit ist freilich ein weiteres Mal auf einen Voyeurismus ver- wiesen, welcher sich in Lyduschka verkörpert.

Margits Weg zum Rendezvous mit Balduin, welches auf dem Judenfriedhof stattfinden soll, führt sie am Heiligen Brunneni970 vorbei und durch die Alche- mistengasse. Flüchtig trifft sie Scapinelli, bevor sie Balduin an einen Grabstein gelehnt entdeckt. Steinmonumente christlicher und jüdischer Religion wurden hintereinander montiert, aber während der Heilige Brunnen zum Ort des Schutzes erklärt wurde, erweist sich der Judenfriedhof als dämonischer Platz. Grabsteine mit hebräischen Schriftzeichen scheinen Höllenzwänge und Türen ins Höllenreich. Als Balduin Margit küssen will, tritt aus einem Grabstein sein Ebenbild hervor.971 Ängstlich versucht sich Balduin hinter Margit zu verstecken, sie blickt nur erstaunt und eilt davon. Das Spiegelbild verschwindet wieder hin- ter einem Grabstein.

Mit Vorbereitung und Durchführung des entscheidenden Fechtduells wird das Ende des Films eingeleitet. Lyduschka sucht Waldis auf und bringt ihm die aus Margits Zimmer entwendeten Beweise der Untreue seiner Verlobten, Taschen- tuch und Krawattennadel. Daraufhin fordert Waldis Balduin zum Duell. Nicht die Eroberung Margits - vor deren körperliche Inbesitznahme Balduin zurück- schreckte – brachte ihn in die Nähe seines Ziels, sondern erst dieser Fehde- handschuh macht ihn zum gleichwertigen Mitglied einer Kaste, in die er mittels Teufelspakt aufstieg. Sogar Margits Vater kommt und bittet Balduin, den Kampf abzusagen und das Leben seines Neffen zu schonen. Balduin verspricht dies, aber als er am nächsten Morgen zum Duellplatz kommt, stellt er fest, daß der Kampf bereits statt gefundenen und sein Spiegelbild die tödliche Klinge gegen seinen Nebenbuhler geführt hat. Nachdem Waldis beseitigt ist, scheint der Weg zur reichen Heirat frei. Aber Margit will nichts mehr von ihm wissen. Trost sucht er bei Tanz und Spiel. Dabei trifft er Lyduschka, die ihm (in Verkehrung seiner eigenen Absichten Margit gegenüber) erklärt: (Zwischentitel) „Deine Liebe will ich und nicht Dein Geld!“ Am Spieltisch ist Balduin unschlagbar, er gewinnt unaufhörlich. Als niemand mehr mit ihm spielen will, setzt sich sein Spiegelbild zu ihm und richtet das Wort an ihn: „Wagst Du es, auch mit mir zu spielen?“ (Zwi- schentitel) Balduin fragt zurück: „Um was gilt’s?“ (Zwischentitel) Die Antwort lau- tet: „Um einen von uns!“ Ohne zu Zögern deckt Balduin die erste Karte auf. Er hat verloren und verläßt den Spieltisch.

970 Eine Kreisblende umrahmt die Kreuzigungsszene. 971 Zum Steinwesen wurde Paul Wegener, der sich hier mit den Grabsteinen körperlich zu verbinden scheint, erst in der Darstellung des Golem.

Nachtseiten des Lebens 219

Die folgende Sequenz zeigt, wie Balduin in Margits Schlafzimmer eindringt und dort abermals auf sein Spiegelbild trifft. (Balduin, der hier bekleidet mit einem schwarzen Umhang, zu nächtlicher Stunde in das Schlafgemach einer schö- nen Frau eindringt, erinnert freilich an den bekannten Fürsten der Dunkelheit.) Margit versucht Balduin abzuwehren, aber früher als gedacht gibt sie sich ihm hin. Er löst sich jedoch aus ihrer Umarmung und führt sie vor den großen Spiegel in der Mitte des Zimmers. In der vierten Spiegelszene betrachtet Balduin wohlgefällig – wie zuvor ihr Bild im Medaillon – Margits Spiegelbild als ob es das eigene sei. Erst als sie ihn fragend anblickt, zuckt er zusammen und vergräbt sein Gesicht in seinem schwarzen Umhang, den er unter den Arm geklemmt hält.

Abb. 93: Margit, Lyda Salmonova, und Balduin, Paul Wegener, vor dem Spiegel

Plötzlich steht Balduins Spiegelbild in der Terrassentür. Als Balduin auf es zu- geht, ist er für einen Moment hinter dem Spiegel verschwunden, so daß es scheint, Margit sei allein mit dem Phantom im Raum.

Abb. 94: Lyda Salmonova, Paul Wegener

220 Nachtseiten des Lebens

Bei genauer Betrachtung des Bildes fällt auf, daß die Blickachse zwischen Margit und Balduins Spiegelbild von einer gedachten Linie gekreuzt wird, die Balduin (der hinter dem Spiegel verschwunden ist) mit einem Porträt Margits verbindet, das an der Wand gegenüber dem Spiegel hängt und gleichzeitig vom Spiegel reflektiert wird. Es sind also wieder zwei ungleichzeitige Paare anwesend: Margit und das Spiegelbild, Balduin und das Porträt stehen sich gegenüber. Tatsächlich funktionieren die vier großen Spiegelszenen hinterein- andergestellt wie ein Film im Film, welcher Mann und Frau in den Rollen zeigt, die das Kino für sie bereitstellt: In der ersten und zweiten Spiegelszene wird Balduin als identitätsloser Degenheld gezeigt, in der dritten Spiegelszene zieht sie sich aus und in der vierten erscheint das animierende Filmpaar, das sich zwischen Bild und Spiegelbild nicht finden kann. Dies bestätigt die Entwicklung der Geschichte: Margit fällt ohnmächtig zu Boden, und Balduin flüchtet mit flat- terndem Cape in die Nacht. Die ohnmächtige Margit und Balduins Spiegelbild sind nun allein miteinander im Raum. Sie bilden in der Verkehrung der Ge- schlechter ein Paar wie zuvor Balduin und Margits Bild. Hierdurch wird neben das weibliche Porträt der männliche Leinwandstar als Bild des Begehrens ge- zeigt. Diese Spiegelkonfrontation der Geschlechter stellt sich als Besetzung des Bildes des anderen heraus. Das Begehren eines Bildes, welches der Film inszeniert und der Kinobesuch offenbart, stellt sich als Phantom der eigenen Existenz heraus.

Diese grundlegende Bild-Dynamik Ryes ging in Galeens Film vollständig verlo- ren. Zwar dringt Balduin auch bei Galeen in Margits Zimmer ein, aber Balduin macht sie auf seinen ‘Mangel‘, das fehlende Spiegelbild, selbst aufmerksam, so daß die Situation ihren selbstreferentiellen Anspruch verliert. Durch Ryes Film zog sich wie ein roter Faden Balduins Verliebtheit in Margits Bild. Nach- dem er das Medaillon erhalten hatte, ging sein altes, von ihm wenig geliebtes Spiegelbild zum Teufel. Mit dem Austausch des Medaillons gegen das Kreuz entfernte Galeen das Bild als Quelle des Begehrens aus dem Film. Dies ging mit einer Veränderung der Rolle Lyduschkas einher. Lyduschkas vertrat bei Rye aktiv ihr Begehren, folgte Balduin auf Schritt und Tritt, kletterte gar an Mauern hoch und brachte sich in Gefahr, fädelte Intrigen ein oder tanzte für sich allein. In Galeens Bearbeitung kehrte sich ihr aktives Begehren gegen sie. Ihre Zuneigung läßt sie untertänig seine Schuhe putzen. Auf diese Weise wur- de das Weibliche als dienender Teil des Männlichen inszeniert und seiner Ei- genständigkeit enthoben. (Das Medaillon wurde durch das Kreuz ersetzt.) Die phallische Gleichung, die Rye in diesem frühen Autorenfilm umsetzte und die mit der Ästhetik des verdichteten Bewegungsbildes einherging, zeigt das weib- liche Bild als Fetisch972 des männlichen Begehrens. Nun ist aber (wie noch zu zeigen sein wird) der Fetischismus die Grundlage jedes Horrorfilms. Das ge- samte Genre des Grauens basiert auf der Darstellung des Fetischismus, der hier so unzensiert in eindrucksvollen Bildern gezeigt wird. Vor dem Einsatz des Fetischs liegt aber ein frühkindliches Begehren, das dem Knaben die Mutter als Gleiche erschienen läßt. Die spätere Wahrnehmung der körperlichen Diffe- renz legt die Vorstellung eines elementaren Verlustes nahe, die mit einer hefti- gen Leugnung der Ungleichheit einhergehen kann und sich im Bild des Weibli- chen zu tarnen versteht. Anstelle des (unvollständigen) Weibes wird ihr perfek- tes Bild geliebt. Balduin ersetzte mit dem begehrten Bild sein eigenes Spiegelbild und leistet damit einer Allmachtsphantsie Vorschub, die das Sub- jekt glauben macht, es könne beide Geschlechter besitzen und folglich sich

972 Zum Begriff Fetisch vgl. Sigmund Freud, Fetischismus, in: Studienausgabe Bd. III, Frankfurt am Main 1975, S. 379-388 sowie ders., Der Wahn und die Träume in Jensens Gradiva, in: Studienausgabe Bd. X, S. 9-85

Nachtseiten des Lebens 221 selbst gebären. Eine unmäßige Wunschvorstellung, die allerdings in Der Stu- dent von Prag im teuflischen Spiegelbild ihre dämonische Erfüllung fand.

Der voyeuristische Blick verleibt sich den Fetisch ein, wie Balduin das geliebte Bild. Es ist jedoch nicht Balduins Perversion eine göttliche Allmacht anzustre- ben, die sich ja in der Erzeugung eines künstlichen Ebenbildes am deutlichs- ten offenbart, sondern das (unabhängige) Bewegungsbild ist der Fetisch des Kinos, der in diesem Film durch Balduins Fetischismus selbstreferentiell in ei- nen filmisch-diabolischen Pakt zum Ausdruckt kommt. So gesehen, ist Der Student von Prag kein wirklicher Faustfilm. Der Einsatz des Fetischs, der den Verzicht auf die reale Frau begleitet, ist die erschöpfende Dramatik der Horror- filme, in denen die vehemente Leugnung der männlichen (sexuellen) Be- grenztheit eine Allianz mit dem Teufel nicht scheut, um ausgestattet mit über- natürlichen Kräften göttliche Allmachtsphantasien zu verwirklichen.

Das Ende des Films besiegelt das Schicksal Balduins. Voll Panik flüchtet er aus Margits Haus. Verstört klettert er über das große Tor, dabei geht er äu- ßerst sorgsam mit seinem hinderlichen schwarzen Umhang um. Er scheint das schwarze Cape - wie einen Schatten, ein drittes Ich - an die Stelle des ver- lorenen Spiegelbildes gesetzt zu haben. Es bietet ihm Schutz und Tarnung zugleich und verbirgt ihn in der Dunkelheit. In diesem Sinn überdeckt das schwarze Cape der Dunkelheit die voyeuristischen Situation der Kinos. Es ist das schwarze Cape des Homunculus sowie Draculas und gleichzeitig das Tuch unter dem Méliès die Dame verschwinden ließ. Das schwarze Tuch ist der schwarze Streifen zwischen den Bildern, der das Bewegungsbild erst er- möglicht, und es ist die Projektionsfläche der geschlossenen Augen, die im dunklen Schlaf nicht nur die Traumphantasien des Kinos hervorruft und ihnen folgt.

Balduin flüchtet vor seinem Ebenbild wie Faust vor dem Teufel, der, einmal aus der Hölle heraufbeschworen, sich nicht mehr abhängen läßt. Panisch und wild gestikuliert er mit seinem schwarzen Mantel und hält eine vorbeifahrende Kutsche an. Die Kamera blickt ihrer vollen Fahrt entgehen und läßt die Kutsche an sich vorbeifahren, während der Kutscher die Pferde mit der Peitsche an- spornt.973 Voller Entsetzen sieht Balduin beim Aussteigen, daß der Kutscher sein Spiegelbild ist. Erschöpft läuft er in sein Haus, aber vor der Tür steht be- reits wieder das Phantom. Das neurotische Verhältnis zur Frau ließ für den Fe- tischisten im Moment seiner Entdeckung die wahnhafte Vorstellung zur Wirk- lichkeit werden. Nicht einmal zu Hause kann er sich sicher fühlen. Erschöpft beginnt er die Zusammenhänge zu ahnen. (Zwischentitel: “Scapinelli! Hol’ Dein Gold!“) Er nimmt aus dem Schrank seine Pistole - will nicht den selben Fehler machen wie der Graf - und wählt nicht den Degen, um seinem unheimlichen Spiegelbild zu trotzen, als es bedächtigen Schrittes von hinten an ihn herantritt. Balduin weicht nicht mehr aus, greift zur Pistole und schießt es nieder. Augen- blicklich ist es verschwunden. Freudig greift er zum Handspiegel und erblickt sein Spiegelbild.974 Etwa gleichzeitig bemerkt er, daß er selbst getroffen ist und stürzt tot zu Boden. Leichten Fußes tänzelt Scapinelli herein und betrachtet entzückt den Toten. Er zieht den Zylinder und dann den Schuldschein aus der Jacke, den er zerreißt. Balduin könnte seinen Teil des Paktes nicht erfüllen und die reiche Erbin für sich gewinnen, also blieb er in Scapinellis Schuld. Das letz-

973 In Murnaus Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens (1921) sitzt ein ähnlich diabolischer Kutscher auf dem Kutschbock. Die unaufhaltsame Zeit wird häufig durch eine Kutschen- fahrt symbolisiert. 974 Der ovale Handspiegel kommt dreimal zum Einsatz. (Balduin blickt in einen Handspiegel nach Verkauf des Spiegelbildes, nach Annahme des Duells und vor seinem Tod.)

222 Nachtseiten des Lebens te Bild zeigt Balduin als Wiedergänger auf seinem Grab. Im Wind wiegen sich die Zweige einer Trauerweide.975

Abb. 95: Schlußbild (Paul Wegener)

Die Tägliche Rundschau lobte kurz nach der Premiere: „Dieser Student von Prag ist natürlich ein dramatischer Alpdruck und sehr literarisch. Sehr literarisch. Seine er- lauchten Gevatter sind Goethe, Chamisso, Amadeus Hoffmann und Oscar Wilde.“ Nach Heide Schlüpmann spiegelte der Film „weniger ein literarisches Werk... als die Kontinuität einer Motivik.“976 Die Filmszenen, in denen Balduin verliebt auf ein Bild schaut, verweisen auf den Film als Kopie des Lebens. Dies ist die Ge- schichte, die der Film über sich selbst erzählt. Die filmischen Möglichkeiten des verdichteten Bild lieferte die metonymische Ästhetik des frühen Stumm- films. In den dreizehn Jahren bis zu Henrik Galeens Remake verlor sich diese Selbstreferentialität, weil die Filmbilder narrativ ausgeweiteten wurden - wie es Gertrud Koch ausdrückte: „Was diesen frühen Formen des Kinos an Schauwerten zufloß, auf die hin sie organisiert waren, wurde später durch narrative Auffütterung wie- der zurückgedrängt.“977 Danach strebten die Filmschaffenden nach verbaler Ein- heit, der Synchronität des Tonfilms, was der „Ästhetik der Attraktionen und Sensa- tionen“978 des frühen Stummfilms entgegenstand.

Die wenig schauerlichen Auftritte Scapinellis in Ryes Film verweisen auf den Stellenwert der Teufelsgestalt. Das Unheimliche wurde an das dämonische Spiegelbild gebunden und damit auf die Wahrnehmung des Films als Kopie bezogen. Auf diese Weise wurde das menschliche Bewegungsbild als Fetisch des Kinos dargestellt. Es bleibt auch dann noch übrig, wenn der Schauspieler schon lange gestorben ist. So gesehen läßt sich die Geschichte auch folgen- dermaßen lesen: Der Agent Scapinelli engagiert für eine Filmfirma einen Schauspieler, der sich als Degenhelden einen Namen gemacht hat. Aber erst in seiner Rolle als Frauenheld verdient er eine Stange Geld. Nun geht die Ge- schichte auf der Ebene der Bilder weiter. Des eigenen Bildes überdrüssig, ver-

975 Henrik Gaalens Der Student von Prag (1926) beginnt mit einem Bild des Grabsteins Bal- duins. 976 Schlüpmann, Je suis la solitude, a.a.O., S. 14 977 Gertrud Koch, Das Starprinzip am Beispiel des Vamp: Die Schöne der neunziger Jahre (Belle of the Nineties), in: Fischer Filmgeschichte Bd. 2, Der Film als gesellschaftliche Kraft 1925-1944, a.a.O., S. 191-203, S. 195. 978 Ebd.

Nachtseiten des Lebens 223 liebt er sich in das Bild einer Frau und strebt an, das seine durch das ihre zu ersetzen. Der Austausch der Bilder kommt jedoch nicht zustande.

3. Spaltung Die Darstellungen von Schatten und Verdopplungen in phantastischen Stumm- filmen erwiesen sich, ebenso wie der hiermit austauschbare Prozeß der Spal- tung, als eine komplexe filmische Struktur, die von dauerhafter Wirkung war. Aber besonders die Spaltung des moderen Wissenschaftlers blieb bis heute Grundlage fast aller Horrorfilme. Sie folgen ihrer historische Vorgabe, den frü- hen Jekyll und Hyde-Filmen, und bewahren deren Magie als Vermischung von Plot und Technik. William Selig produzierte 1908 die erste Verfilmung von Ste- vensons Jekyll und Hyde Geschichte.979 Unzählige Variationen folgten, die wie Seligs Dr. Jekyll and Mr. Hyde sich nicht etwa an Stevensons literarischen Pointierungen hielten980, sondern die Verwandlung des Protagonisten als Teu- felsbeschwörung inszenierten. Dies entsprach freilich den frühen Faustfilmen und setzte gleichzeitig die Selbstreferentialität des Mediums ins Bild.

Drei Jahre vor Selig hatte Gaumont bereits den kurzen phantastischen Stummfilm D. T.’s or the Effects of Drink (1905) gemacht, in dem D.T. durch die Einnahme einer chemischen Mixtur, Visionen von Dämonen und Monstern erlebte. August Blom981 drehte 1909 den siebzehn Minuten Film Den skaeb- nesv angre opfindlse, worin der Wissenschaftler, wie Faust bei Lessing, seine Verwandlung nur träumte. Auch in Louis B. Mayer-Produktion Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1920) hatte Dr. Jekyll nur einen schlimmen Alptraum. 1910 entstand in England The Duality of Man, ein phantastischer Stummflim, der nur noch durch seinen Titel bekannt ist. 1911 drehte Lucius Henderson Dr. Jekyll and Mr. Hyde mit James Cruse in der Doppelrolle des gespaltenen Wissenschaft- lers.982 Carl Laemmle produzierte 1913 Dr. Jekyll and Mr. Hyde, wofür Herbert Brenon das Drehbuch schrieb und die Regie führte.983 Im selben Jahr kam in England der erste Dr. Jekyll and Mr. Hyde in Farbe heraus.984 Den Farbeffekt produzierte ein Projektor mit einem drehbaren Rot- und Grünfilter, der in dop- pelter Geschwindigkeit lief. Cinemacolor nannte sich dieses Verfahren, das George Albert Smith 1906 entwickelt hatte. Es ist anzunehmen, daß die beiden Farben des Films, den gegensätzlichen Charakteren des Protagonisten zuge- ordnet waren. Fast gleichzeitig machte Robert Dinesen in Dänemark den Spielfilm Doktor X, der unter dem Titel Dämons Triumphe in Deutschland lief. Der Film erzählt von zwei rivalisierenden Ärzten, die an der Entdeckung eines Krebsserums arbeiten. Die Kontrahenten stellen ähnliche Rollen wie Faust und Mephisto dar.

Dinesens Doktor X verweist auf die Austauschbarkeit der grundlegenden Ele- mente des Jekyll-Hyde Stoffs und der Faustgeschichte. In unzähligen filmi- schen Varianten flossen die Geschichten ineinander, so auch in The Devil’s

979 Vgl. Kinnard, Horror in Silent Films, a.a.O., S. 24. Dies war der erste amerikanische Horror- film. Er dauerte fünfzehn Minuten und folgte folgte der Bühnenbearbeitung der Stevenson Novelle durch Thomas Russell Sullivan, die seit 1887 in Londons Theatern gespielt wur- de. 980 Erst am Ende der Erzählung lüftete Stevenson Jekylls doppelte Identität, während in den Filmen die Verdoppelung meist plotpoint one ausmacht. 981 Den Film produzierte und vertrieb die dänische Produktionsfirma Nordisk Films Kam- pagnie. 982 Der zweite amerikanische Jekyll-Hyde-Film war ebenfalls etwa fünfzehn Minuten lang. 983 Kinnard, Horror in silent films, a.a.O., S. 54 984 Der Film war dreissig Minuten lang.

224 Nachtseiten des Lebens

Profession, in dem die Teufelsgestalt ein Arzt ist, der ein tödliches Elixier ver- breitet. Auch The Crimson Stain Mystery (1916) trägt Züge der Faustgeschichte. Der gespaltene Doktor Montrose ist gleichzeitig medizini- scher Wissenschaftler und Chef der kriminellen Bande ‘Crimson Stain’. Das Experiment, ein Superhirn zu schaffen, schlägt fehl, und es entstehen bedroh- liche Monster. Auch Flames (1918) von Maurice Elvey, in dem ein guter und ein schlechter Mann die Seelen tauschten, erinnert an Jekyll-Hyde und Fausts Wandel gleichzeitig. 1920 entstand When Quackel Did Hyde. Schon der Tiel läßt erkennen, daß der anpassungsfähige Stoff auch als Kömodie inszeniert wurde. Vitagraph produzierte Miss Jekyll and Madame Hyde (1915).985 Dies war eine Variante, welche die Hammer Production Ltd. noch in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in Dr. Jekyll and Sister Hyde (1971) aufgriff. Hierin veränderte sich Dr. Jekyll in einen verführerischen Vamp.

Friedrich Wilhelm Murnau verarbeitet 1920 den Jekyll — Hyde Stoff in Der Ja- nuskopf. Eine Tragödie am Rande der Wirklichkeit.Den gespaltenen Wissen- schaftler Jekyll/Hyde spielte Conrad Veidt als Doktor Warren und O’Connor.986 Kein Medikament, sondern die antike Büste eines Januskopfes, löste bei War- ren die Persönlichkeitsspaltung aus. Janus987, der römischer Gott des Anfangs, war ein Schöpfer und Erfinder. Er wurde doppelgesichtig dargestellt. Die eine Gesichtshälfte zeigt sein gutes, die andere sein böses Gesicht. Hans Janowitz schrieb das Drehbuch. Neben einigen Produktionsunterlagen, Stills und zeit- genössischen Kritiken blieb auch das Drehbuch des verschollenen Films er- halten. Nach Neumann blieb Janowitz‘ Drehbuch stark dem märchenhaften, romantischen Doppelgängermotiv verhaftet.988

Ebenfalls 1920 entstand in Hollywood John S. Robertsons phantastischer Stummfilm Dr. Jekyll and Mr. Hyde. Hierin führte Robertson entsprechend der Spaltung von Dr. Jekyll zwei Frauengestalten ein, wovon die eine sinnlich und lüstern, die andere unschuldig und rein war.989 Die Unschuldige war Jekylls Ver- lobte, Milicent Carew, (Martha Mansfield). Sie stand der russischen Tänzerin Gina (Nita Naldi) entgegen. Robertson unterstrich durch Hinzufügung der Frauenrollen die sexuellen Wesenszüge der Teufelsgestalt. Fast alle nachfol- genden Jekyll-Hyde-Filme griffen die Idee der verdoppelten Paarstruktur auf. Dieser initierenden Rollenzuschreibung entsprach das native Menschenbild, welches der Film schon vorab in seinem Motto verkündete: „In each of us, two natures are at war - the good and the evil. All our Lives the fight goes on between them, and one of them must conquer. But in our own hands lies the power to choose - what we most want to be, we are.“

Folglich zeigte Robertson auch weniger den Konflikt einer inneren Spaltung, als vielmehr den Auftritt des Bösen und den Weg, den Mr. Hyde nimmt. Die filmische Inszenierung der Verwandlung ist schwungvoll wie der Teufelsauftritt in einem Faust-Puppenspiel, denn sofort sieht der Zuschauer den Ort des Schreckens und bereits nach dreihundert Metern Film ist Jekylls Verwandlung

985 Die kurze Inhaltsangabe bei Kinnard lautete: „A villain’s soul is chained by Satan.“ Kinnard, Horror in silent films, a.a.O., S. 76. 986 Die Namen wurden aus urheberrechtlichen Gründen verändert. 987 Vgl. Stichwort: Ianus, in: Der Kleine Pauly, a.a.O., Sp. 1311-1314. Das Bild des Januskop- fes veranschaulicht in ähnlicher Weise wie Prometheusmythos und Faustgeschichte die magischen Motive, die auch dem Kinematographen zugesprochen wurden. 988 Hans-Joachim Neumann, Doktor Jekyll und Mister Hyde, in: Enzyklopädie des Phantasti- schen Films, Hrsg. v. Norbert Stresau und Heinrich Wimmer, Meitingen 1986–1999, Stich- wort: Doktor Jekyll und Mister Hyde (S.4) 989 Die konträren Frauenfiguren können verglichen werden mit Lucy und Mina in Stokers Dra- cula sowie mit (dem gespaltenen) Gretchen in Goethes Faust.

Nachtseiten des Lebens 225 vollzogen. Ein Schwenk durch das düstere Labor Jekylls kündigt Hyde an. Ge- ordnete Tiegel, Gefäße und Gläser sowie der obligatorische Alchemistenofen werden gezeigt, dann sind die beiden Ausgänge des Labors zu sehen. Der ei- ne führt in die Unterwelt, der andere ins bürgerliche Leben – die Spaltung wird auf den Raum übertragen. Im Vordergrund des Bildes liegt ein Totenkopf. Der Schwenk endet mit einer Nahaufnahme Jekylls (John Barrymore ), vor ihm steht ein Glas mit einem zischenden und dampfenden Elixier. Licht fällt auf den Forscher, schwarzer Rauch steigt auf, Jekyll gießt die brodelnde Essenz in das Glas, nimmt es an den Mund und trinkt. Sofort beginnt er zu zittern und fällt zu Boden. Die nächste Aufnahme zeigt seine Hand auf einem Buch liegend (Detail), seine Finger spreizen sich, Knochen und Adern treten hervor, Haare sprießen, Fingernägel wachsen. Auf dem (magischen) Buch verwandelt sich die (ausführende) Hand des Wissenschaftlers in die Pranke der animalischen Teufelsgestalt.990 – Hyde ist da.991

Abb. 96: Hyde im Endstadium, John S. Robertson, Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1920, John Barrymore als Jekyll/Hyde

Für den Verwandlungsprozeß Jekylls, der allmählich außer Kontrolle gerät, fand Robertson ein berühmt gewordenes Bild. Es zeigt den schlafenden Jekyll, über den vom Fußende des Bettes aus eine menschengroße Spinne kriecht.992 (Überblendung) Die Spinne legt sich auf die Brust des Schlafenden.993 Die Ka- mera wandert über Jekylls Gesicht zu seiner Hand, die bereits wieder Hydes Klaue ist.

Hyde führt wie der Andere in Max Macks gleichnamigen Spielfilm (1912) eine kriminelle Existenz. Wenn Jekyll als Hyde das Laboratorium verläßt, läuft er

990 Die Verwandlung der Hand auf dem Buch in die Teufelsklaue kann als Bild für den Teu- felspakt gesehen werden. 991 John McCarty verglich Barrymores Hyde mit dem ‘Napoleon of Crime’: Professor Moriarty. Er stellte heraus: „Barrymore’s Hyde makeup, in fact, even foreshadows Gustav von Seyfferitz’s as Moriarty in a Sherlock Holmes film released two years later, Barrymore himself as the supersleuth.“ John McCarty, Psychos. Eighty Years of Mad Movies, Manicas, and Murderous, New York 1986, S. 6 992 Im Gegenlicht erscheint ein Mensch in dem Spinnenkostüm. Die Spinne wird bei Robert- sons zum diabolischen Doppelwesen und stützt die Idee der Teufelsgestalt als ‘Insek- tenmensch‘ (etwa Scapinelli). Zur Rolle der Insekten im Horrorfilm, Vgl. Lästige Fliegen 993 Ein Bild des Thaumatrops zeigt einen Dämon, der auf die Brust einer schlafenden Frau springt.

226 Nachtseiten des Lebens durch eine enge dunkle Gasse, auf die spärliches Licht aus verschlossenen Fenstern fällt. Sein Schattenbild geht ihm bedrohlich voraus, sein schwarzes Mantelcape weht ihm nach. Ein zu hoher Zylinder verdeckt den deformierten Kopf. Er treibt sich in zwielichtigen Bars herum und trifft auf Gina, die seine Geliebte wird. Sie schenkt ihm einen Giftring. Das Ende des Films findet wie- der in Jekylls Labor statt. Jekyll zürnt gegen Gott, seine Verlobte fordert Einlaß, Hyde öffnet die Tür. Im Schuß- Gegenschußverfahren stehen sie einander ge- genüber, Hyde lächelt, sie weicht ängstlich zurück (subjektive Kamera). Als Polizisten ihr zu Hilfe kommen, bricht er tot zusammen. Er hat sich vergiftet. Durch Überblendung wird er wieder zu Jekyll.

Mit dem Tonfilm tat sich für den phantastischen Film, insbesondere für den Horrorfilm, eine neue Dimension des Schreckens auf, und auch die Spaltung des Wissenschaftlers wurde schon im ersten Jekyll-Hyde-Tonfilm von 1931 hörbar, bei dem Rouben Mamoulian Regie führte. Fredric March spielte Dr. Je- kyll als kultivierten Interlektuellen und Mr. Hyde als einen animalilschen Affenmenschen. Mamoulian sagte über diese Rollen: „Hyde is the primitive, the animal in us, whereas Jekyll is a cultures man, representing the intellect. Hyde is the Neanderthal man, and March’s make-up was designed as such.“994 Nicht wie bei Franz Kafka995 tritt Jekyll zu Beginn des Films etwa als Affe vor seine Studenten, son- dern er hält einen Vortrag über den Affen in sich selbst und in jedem anderen. Er glaubt, durch ein Medikament den Affen in sich töten zu können. (Der Ton- film stellt eine Vorlesung an den Anfang.)

Das Animalische in ihm wird durch die Tänzerin Ivy Pearson (Miriam Hopkins) geweckt. Zufällig ist er bei einem Konflikt Ivys zugegen und eilt ihr mit wehen- dem schwarzen Cape zu Hilfe. Im Gegensatz zu seiner Verlobten, fordert Ivy ihn auf: „Komm wieder!“ Jekylls Labor wird erst nach dieser Verführungsszene gezeigt. Die Kamera schwenkt von der Destillationsanlage (groß) auf Jekyll, der Flüssigkeiten mischt. Das Labor liegt im Keller und hat wieder zwei Aus- gänge, die in die gegensätzlichen Welten führen. Ein Skelett steht am unteren Ende der Treppe. Jekyll hält das Glas mit der Mixtur vor sich hin und tritt schon vor seiner Verwandlung vor einen Spiegel, der hier recht unvermittelt im Labor hängt. Der Verwandlungsakt findet ohne Worte statt.

994 McCarty, Psychos, a.a.O., S. 6 995 Franz Kafka, Rede an die Akademie, in: Sämtliche Erzählungen, hrsg. v. P. Raabe, Frank- furt am Main 1972

Nachtseiten des Lebens 227

Abb. 97: Jekyll vor dem Selbstversuch, Rouben Mamoulian, Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1931, Fredric March als Jekyll/Hyde Jekyll vor dem Selbstversuch

Wie Balduin in Der Student von Prag (1913) sein Spiegelbild zum Kampf her- ausfordert, stellt sich Jekyll vor den Spiegel, in der Hand die Waffe, das Glas mit dem Elixier. Im Hintergrund des Bildes sind zwei gekreuzte Degen zuse- hen. Henry Jekyll trinkt die glasklare Flüssigkeit und augenblicklich schwinden ihm die Sinne. Das Bild verschwimmt und die Tageserlebnisse kehren zurück (Flashback). Der weibliche Dämon lockt. Als erstes Zeichen seiner Verwand- lung sind animalische Schreie zu hören. (Der Tonfilm ist im seinem Element.)

Abb. 98: Jekylls Sicht während der Verwandlung. Rouben Mamoulian, Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1931

Die subjektive Kamera schwenkt durch den Raum, als gelte es, die Geschich- te des Horrorfilms zu zeigen. Vorbei an magischen Instrumenten, einem Ske- lett und einem überdimensionalen Schattenwesen, fährt die Kamera auf den barocken Spiegel zu. Die Verwandlung ist vollzogen und Hyde zu sehen.

Abb. 99: Jekyll ist durch den Spiegel gegangen. Rouben Mamoulian, Dr. Je-

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kyll and Mr. Hyde, 1931, Fredric March als Jekyll/Hyde

Auch für Hyde hängen die gekreuzten Degen bereit. Jekyll und Hyde, das sind Die korsischen Brüder (George Albert Smith), die im Kampf um das Dasein stehen. Aber wenn der eine auftritt, ist der andere verschwunden. Hyde spricht seine ersten Worte: „Frei, endlich frei!“ Die Kamera ist an die Stelle des Spiegels getreten, und in die Abfolge der ‘Spiegelbilder’ hielt sie für Jekyll und für Hyde die Degen bereit. Aber den ungleichen Kampf hat Jekyll bereits verloren. Hyde wird nicht mehr von seiner Seite weichen. Die Kamera wechselt ihren subjekti- ven Standort und zeigt, wie sich der ‘Leibhaftige‘ an seinem Spiegelbild erfreut. (Der Film inszeniert das Spiegelstadium des Affenmenschen, den er erschuf.)

Abb. 100: Das Aha-Erlebnis

Animalisch reckt er seine Glieder und gibt tierische Laute von sich gibt. Noch ist er namenlos, aber bald schon nennt ihn Jekyll, Mister Hyde. Jekyll hat sei- nem dämonischen Doppelgänger mit dem Namen eine Existenz gegeben. Er blickt in den Spiegel, als könne er den fremden Bewohner seiner Seele entde- cken.

Nachtseiten des Lebens 229

Abb. 101: Jekyll mißtraut seinem Spiegelbild

Die Kamera hat die beobachtende Position verlassen und ist wieder an die Stelle des Spiegelbilds getreten. In der Abfolge der Bilder wurde die Kamera selbst zum imaginären Doppelgänger. Kamera, Spiegel und die glasklare Chemikalie waren an die Stelle der Dämpfe und des Feuers der Hexenküche getreten. Die spiegelnden Flächen ersetzten bei Mamoulian das Alchemisti- sche Feuer.

Die Ursachen des Selbstversuchs waren bei Jekyll wie bei Faust grenzüber- schreitende Forschungen. Aber zum entscheidenden Auslöser wurde in Ma- moulians Film die Tänzerin Ivy. Sie weckte das Tier im Mann. Folglich ist Je- kylls, aber auch Hydes Interesse an der Wissenschaft (wie das Fausts nach seiner Verjüngung) vergessen. Sein erster Weg führt ihn zu Ivy. Hyde erweist sich als brutaler Sadist, der Sexualität und Lust in ungehemmter Gewalt ent- lädt. Ivys Bestrafung für Jekylls Untergang vollzieht Hyde durch Vergewalti- gung, Folter und Mord. Jekyll, der Hyde loswerden will, vernichtet den Schlüs- sel für den ‘dunklen’ Ausgang des Labors. Aber auch ohne das Elixier wird er zu Hyde. Vor den Augen von Doktor Lanyon verwandelt sich Hyde durch ein Gegenmittel in Jekyll. Die Einnahme des Gegenmittels inszenierte Mamoulian in den alten Bildern der Höllenküche: Es brodelt, zischt und qualmt.

Abb. 102: Mister Hyde als Alchemist

Entsetzt stellt Doktor Lanyon fest: „Es gibt weder Hilfe für Sie in dieser Welt, noch Erbarmen im Jenseits. Sie sind ein Rebell.“ Aus dem Himmel hinunter geworfen wie Luzifer, an den Felsen geschmiedet wie Prometheus, ist eher Hyde als Je- kyll der alte Rebell. Jekyll betrachtet sich als seelenlos und erklärt sich zum le- benden Toten. Mit den Worten: „Ich habe keine Seele, ich bin ein Lebender Toter.“, löst er seine Verlobung mit Muriel. Er verläßt ihr Haus und beobachtet ihre Trauerreaktion durch die Fenstertür. Aber die Liebe einer Frau kann Jekyll nicht retten, im Gegenteil, der Schmerz, den er dort sieht, läßt seine Silhouette unter dem schwarzen Cape anschwellen.

230 Nachtseiten des Lebens

Abb. 103: Hyde/Jekyll aufgerichtet wie Homunculus

Der diabolische Sadist und Voyeur, der hier am Fenster steht, um sich im nächsten Moment sein Opfer zu greifen, stellt wie Dracula, der in ähnlicher Pose und Kostüm auftritt, den Aspekt des verborgenen Animalischen im ge- pflegten Äußeren heraus. Der Showdown wird zur Höllenfahrt. Vor seinen Ver- folgern ins Labor geflüchtet, wird er dort gestellt und erschossen. Im Moment seines Todes verwandelt sich Hyde wieder in Jekyll. Die Kamera fährt zurück und zeigt einen brodelnden Kessel, der im Vordergrund der Totalen des Labors zu sehen ist. Die Höllenküche filmte Karl Struss für Mamoulian wie Carl Hoff- mann in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage durch ein offenes Feuer hindurch, in dem die Flammen schlagen und ein Kessel brodelt. Die Höllenvi- sion wird zum Standort der Kamera.

Mamoulians Film weist Parallelen zu Max Macks Der Andere (1912) und zu Stellan Ryes Der Student von Prag (1913) auf. Für den Studenten Balduin ist der Kampf mit dem Doppelgänger tödlich, während Rechtsanwalt Haller den ‘Teufel’ aus seinem Inneren vertreiben kann. Aber wie Jekyll sind sie Gefange- ne ihres doppelten Lebens, dem eine duplizierte Paarstruktur entspricht. Ly- duschka, die Zigeunerin, Ivy, die Tänzerin und Am alie, das Dienstmädchen stehen Muriel, der Gräfin und Agnes entgegen. Die Frauenrollen entsprechen der Spaltung der Protagonisten. Der Student von Prag (Rye, 1913) und Dr. Je- kyll and Mr. Hyde (Mamoulian, 1931) breiten im Doppelgängermotiv das Spiel von Spiegel und Kamera als eine diabolische Kraft aus. Wie Balduins Ebenbild aus dem Nichts erscheint, so kommen Hyde und der Andere, das böse Ich, aus der immateriellen Seele. Im Vergleich von Stummfilm und Tonfilm erweist sich, daß das Bild im Vordergrund des Verwandlungs- und Verdopplungspro- zesses steht, die Szene bedarf kaum eines Wortes.

Worte und Geräusche standen in diesem frühen Tonfilm gleichwertig neben- einander. So wurde das Klopfen eines Herzens auf die Tonspur gelegt, als sich Jekyll zum ersten Mal in Hyde verwandelte, animalische Schreie kündigten Hydes Erscheinung an und der Film endet mit dem Geräusch eines brodeln- den Kessels. In der Verwandlungsszene ließ Mamoulian Bilder ‘sprechen’. Karl Struss fand neue Bilder für den Auftritt der Teufelsgestalt. Nachdem die erste Verwandlungsszene als selbstreferentieller ‘Spiegeleffekt‘ inszeniert wurde, fanden die weiteren Verwandlungen ohne Schnitt statt. Mamoulian berichtete über diesen Prozeß: „The secret of transformation of Dr. Jekyll into Mr. Hyde in one

Nachtseiten des Lebens 231 continuous shot - without cuts and without rewinding the film backwards in the camera to permit the application of additional make-up - lay in the use of color transparencies which gradually revealed more and more of the actor’s make-up. As you know, a red filter will absorb red and reveal all the other colors, and a green filter will do the reverse. ---working on that principle, we held graduating color filters one by one before the camera thus allowing successive portions of March’s colored make-up to register on film. It was all rather primitive - the filters were hand-made - but it worked.“996 So, als ob sich unter der Oberfläche der Existenz noch etwas anderes verberge, das nur unter einen bestimmten Licht sichtbar gemacht werden kann, folgte die Kame- raarbeit dem Prinzip der Übertragung der Geschichte auf die Einstellungen und den Aufnahmeprozeß. Ein Verfahren, das durch den gesamten Film zu verfol- gen ist: So stellten geradezu liebkosende Nahaufnahmen und lange, zögernde Überblendungen eine erotische Intensität heraus, und Zeitsprünge wurden mit- tels Überblendungen sichtbar gemacht. Langsame Abblenden und eine geteilte Leinwand wurden zu Äquivalenten des Spaltungs- und Verwandlungsprozes- ses des Protagonisten.

Victor Fleming997 inszenierte den Stoff zehn Jahre später (1941) mit Spencer Tracy als Jekyll/Hyde und Ingrid Bergmann als Ivy Pearson sowie Lana Turner als Jekylls Verlobte Muriel.998 Die erste Einstellung zeigt eine Kirche, (Expositi- on: Posaunenspiel und Kirchengesang), Zoom auf die Kirche, von oben nach unten, Überblendung auf den Altar, Zoom auf den Geistlichen. Die Linie, die die Kamera von oben nach unten, von außen nach innen zeichnet, bildet ein Kreuz. (Auch das Kreuzzeichen, das die Kamera schlägt, scheint der Abwehr des Bösen zu dienen.) Das Bild bleibt auf der Kanzel stehen (Totale der Kir- che) und die ersten Worte des Films spricht der Prediger. Die Kamera fährt über die singende Gemeinde hinweg. Ein Zwischenruf stört den Gesang, und der Störende wird hinausgeführt. (Zoom auf Jekyll, der dem Störenfried nach- blickt.) Vor der Kirche verabschiedet sich Jekyll von seiner Verlobten mit einem zärtlichen Biß in ihre Hand. Die nächste Sequenz zeigt Jekyll bei seiner Arbeit als Arzt im Irrenhaus. Jekylls moderne Einstellung zur Wissenschaft wird durch seine Kleidung verstärkt.999 Er trägt im Gegensatz zu seinen Kollegen im Gelehrtenkleid des 19. Jahrhundert (hoch geschlossener Kragen, dunkle Wes- te und Rock) einen modernen hellen Anzug, Hemd und Schlips. Im konfliktge- ladenen Gespräch mit seinen Kollegen geht Jekyll eine Treppe hinunter, die Kamera folgt ihnen. Die Sequenz in der Irrenanstalt stellt Jekyll Forscherinte- resse verstärkt in den Mittelpunkt der Handlung. Das Bild des Treppenabstiegs kündigt seinen beruflichen Abstieg an. Auch sein Weg ins Labor führt über mehrere Treppen und ist wie ein Abstieg in die Hölle inszeniert. Von seinem Wohnhaus aus geht eine Treppe hinunter, die zu einem Nebenhaus führt, von dort führt eine weitereTreppe in den Keller. Das Laboratorium ist ein altes Ge- wölbe, ausgestattet mit den entsprechenden Utensilien. Auf einer Feuerstelle brodelt eine Flüssigkeit in einem Reagenzglas. Im Zwielicht sind Tierkäfige er- kennbar. Die Kamera schaut aus einem Käfig heraus auf Jekyll. Der Forscher scheint hinter Gittern zu sein.

Tagsüber arbeitet Jekyll als Arzt, nachts in seinem Labor. Nach der Begeg- nung mit Ivy startet er den ersten Selbstversuch, der von Fleming nicht als

996 Interview mit Mamoulian in The Celluloid Muse, Zit. nach: McCarty, Psychos, a.a.O., S. 8f 997 Der Film lief in Deutschland unter dem Titel Arzt und Dämon. 998 Die Produktionsfirma MGM erwarb die Rechte von der Paramount und schlachtete Mamou- lians Film ziemlich aus. 999 In gleicher Weise zeigte Fritz Langs Dr. Mabuse, der Spieler (1922), den Seelenarzt Mabu- se im modernen hellen Anzug, während seine Kollegen den schwarzen Rock des konser- vativen Gelehrten tragen.

232 Nachtseiten des Lebens

Teufelsbeschwörung, sondern als sexuelle Entladung inszeniert wurde. Die Kamera verfolgt aus einer halbnahen Perspektive Jekylls Handlungen im La- bor. (unheilverkündende Musik) Überblendung auf sein zwischen den Händen aufgestütztes Gesicht. (groß) Schwenk nach unten zum brodelnden Reagenz- glas. (groß) Auf der schwarzen Flüssigkeit befindet sich weißer Schaum. Die Musik schwillt an, Zoom auf das Glas mit der hell ausgeleuchteten Flüssigkeit. (Groß) Im Schaum der Flüssigkeit erscheint das Bild seiner Verlobten Muriel, dann das Bild der auf dem Rücken liegenden Ivy. Sie lächelt ihm zu. Sie wen- det sich ab und Muriel erscheint wieder. (Überblendung) Eine schäumende Substanz fließt über die Frauenbildnisse. Ivy befindet sich nun in einer großen Sektflasche, ein Korkenzieher wird in den Korken gedreht (groß, lauter wer- dende Musik). Die Frau in der Flasche lacht, die Flasche wird entkorkt und der Kopf der Frau explodiert mit der sprudelnden Flüssigkeit über das ganze Bild. In der Flüssigkeit erscheint wieder Ivy auf dem Rücken liegend.

Als Jekyll vor den Spiegel tritt, fällt Licht auf sein Gesicht. Das Haar ist zer- zaust und tiefe Falten durchfurchen sein Gesicht. Aber er hat sich kaum ver- ändert. Hyde präsentiert sich als sexuell erregter Mann.1000 Aus dem Licht läuft er ins Dunkel und verläßt das Labor durch die Tür, die direkt zur Straße führt. Ein Schnitt zeigt die Tür von außen.1001 (Überblendung) Sie öffnet sich und Hy- de kommt mit Zylinder und schwarzem Capemantel bekleidet heraus. Er steht mit dem Rücken zur Kamera, hat den Türknopf in der Hand und schließt die Tür ab. (groß) Während er den Schlüssel zweimal herumdreht, bleibt die Ka- mera auf seinem Hosenbund stehen und zeigt seine Hosentasche. Er läßt den Schlüssel in die Hosentasche gleiten. Die Kamera fährt hinauf zu seinem Ge- sicht. Eine Seite ist hell ausgeleuchtet, die andere liegt im Dunkeln. Der Show- down folgt der Fassung Mamoulians, stellt aber Muriels Vater als den eigentlich Schuldigen heraus, weil er die Unschuld seiner Tochter bewachte. Die Bot- schaft des Films lautet: ‘Prüderie führt zu sexueller Ausschweifung.‘ Am Ende erschießt Dr. Lanyon Hyde und bekommt Muriel zur Frau. Jekylls Diener spricht ein Gebet, während sich das Aussehen des Toten wieder von Hyde in Jekyll verwandelt.

Flemings Film beschränkte sich wie auch Der Andere auf die Darstellung der sexuellen Konflikte eines bürgerlichen Mannes. Viele Nah- und Großaufnah- men, Schuß- und Gegenschußeinstellungen machen aus dem Film eine Art Kammerspiel sexueller Bildsymbole, wie etwa der Schlüssel in der Hose, der spritzende Schaum aus der Flasche. Die Psychoanalyse, die in Der Andere Rechtsanwalt Haller noch vor dem Untergang retten konnte, geht hier in simp- ler Bildsprache auf. Jorge Luis Borges schrieb über Flemings Film: „Hollywood hat, zum dritten Mal, Robert Louis Stevenson diffamiert. Diese Verleumdung heißt ‘El hombre y la bestia’ und wurde von Victor Fleming begangen, der mit unheilvoller Treue die ästhetischen und moralischen Entgleisungen der Version (der Perversion) Mamouli- ans wiederholte.“1002 Borges Einwand gegen die amerikanischen Verfilmungen der Stevenson Novelle richtete sich in erster Linie gegen den Medienwechsel, der offensichtlich analog der Geschichte aus Jekyll Hyde machte.1003

1000 Jekylls animalische Veranlagung zeigte ja schon der Biß in die Hand seiner Verlobten zu Beginn des Films. 1001 Es ist eine Rundbogentür. In fast allen Horrorfilmen führen Rundbögentüren oder kreis- runde Einschlupflöcher zu den Laboratorien oder zu anderen Schreckensräumen. Mögli- cherweise wird damit der magische Kreis des Alchemisten ins Bild gesetzt. 1002 Jorge Luis Borges, Dr. Jekyll und Edward Hyde, verwandelt, in: Filmkritik Nr. 24, Septem- ber 1980, S. 413-415, S. 413 1003 Als Faustgeschichte läßt sich der Film so erzählen: Der Doktor ist mit Gretchen verlobt. Die Wartezeit wird ihm zu lag, und er zaubert sich den Teufel herbei, der Abhilfe verschafft. Als er sich offenbaren will, weicht das Mädchen entsetzt zurück. („Heinrich, mir graut vor

Nachtseiten des Lebens 233

Jean Renoir verfilmte in Le Testament du Docteur Cordelier (1956) den Stoff für das französische Fernsehen. Der Film beginnt mit Renoirs Ankunft in ei- nem Fernsehsender. Etwas später kommentiert er wie in einem Dokumentar- film das Bild auf einem Monitor, das die Straße und das Haus zeigt, in dem Dr. Cordelier (Jean-Louis Barrault) lebte. Im Verlauf des Films benutzt Cordelier ein Tonband, um seine Handlungsweise darzulegen. Die modernen Medien, Fernsehen und Tonband, werden bei Renoir zu falschen Zeugen und verwei- sen auf das Fading real/imaginär. Renoir gab den Forschungen Dr. Cordeliers einen persönlichen Hintergrund. Der angesehene Frauenarzt hatte mehrere seiner Patientinnen vergewaltigt und wollte nun ein Medikament gegen seinen kriminellen Trieb entwickeln. Im Selbstversuch kam schließlich der bösartige Opal zum Vorschein.1004 Entsprechend der Spaltung Cordeliers wechselt die Musik Joseph Kosmas bereits im Vorspann von dolce zu affetuoso, und wenn Opal auftritt, kommt er beschwingten Schrittes daher. Er ist eine Teufelsgestalt mit krummen Rücken, hochgezogene Schultern und Gehstock. Seine Wangen hängen herab. Er hat struppiges Haar und lange Koteletten. „Opal ist ein Teufel!", eine „Bestie in Menschengestalt“, heißt es im Film. Doktor Severan wehrt Corde- liers Versuche als „wider die Natur“ ab und beschimpft ihn als „Teufel in Men- schengestalt.“ Auch sein Anwalt, Kriegskamerad und Freund, ist entsetzt, nach- dem er das Tonband mit der Lebensbeichte gehört hat. Cordelier will aber nicht zu Lebzeiten für seine kriminellen Handlungen büßen, sondern vergiftet sich. Am Ende verkündet eine Stimme aus dem Off: „Cordelier hat das Abenteuer seiner makaberen Forschung mit dem Leben bezahlt, war es nicht die beste Lösung für ihn?"

Unzählige Spielfilme leiten ihre Narration aus dem Motiv der Verdoppelung der menschlichen Existenz ab. Wie etwa The Body Snatcher (1945) , in dem sich Doktor McFarlane (Henry Daniell) und sein diabolischer Gehilfe John Gray (Bo- ris Karloff) die Rollen Jekylls und Hydes teilen.1005 Oder in Brian de Palmas Dressed to Kill (1980), in dem ein Psychoanalytiker als Frau verkleidet seine ‘zweite Identität’ als Frauenmörder findet. Auch Norman Bates (Anthony Per- kins) läßt in Alfred Hitchcocks Psycho (1963) seine tote Mutter in seiner ver- doppelten Existenz weiterleben. Die Jekyll-Hyde-Filme zeigen wie das Replikat zum Replikanten wird und wie sich eine andere Existenz am ‘Ich‘ nährt, so daß ein Alien (1979) eine neue Lebensform findet. Dem Schatten, dem Spiegelbild, dem Doppelgänger oder einer fremden Abspaltung des Ichs einen freien Willen anzudichten ist der angstvolle Wunsch des Menschen, er könne sich selbst verlieren, wie es der Tod prophezeit. Gleichzeitig ist aber das Ich durch den unendlichen Doppelgänger auch unsterblich, wie es die tanzenden Skelette, die durchsichtigen Nebengeister, die Waves of Spooks, darlegten.

Der christliche Gedanke der Wiederauferstehung und eines Weiterlebens nach dem Tode hat – so Kleinpaul -„etwas über alle Maßen Unheimliches“.1006 Ist nun a- ber nicht die Seele, sondern der Körper unsterblich, dann erscheint die untote Gestalt des entseelten Zombies. Gleichsam kann auch die Beklemmung, mit der die Endgültigkeit des Todes einherzugehen vermag, eine Verkehrung des christlichen Wiederauferstehungsgedankens hervorbringen, und zwar „daß ei-

Dir!“) Am Ende muß er mit dem Teufel zur Hölle fahren. 1004 Der Opal wird als magischer Stein betrachte. Seine Mythologie wurde in dem Phantasti- schen Stummfilm The Black Opal (1913) zum Thema erhoben. 1005 The Body Snatcher zeigt eine legendäre Kutschenfahrt und bringt die Rolle der Kutsche als magisches Gefährt in Erinnerung. 1006 Ebd.

234 Nachtseiten des Lebens ner bei Lebzeiten verwesen... könnte.“1007 Kleinpaul verwies auf das etymologische Spiel, das das Wort Leiche, „eins der wichtigsten Formelemente unserer Sprache“, anbietet, da sich hierin auch das Wort gleich verstecke. Danach war jeder dem anderen gleich, da sein Körper schon zu Lebzeiten eine Leiche ver- barg.1008

Der seelenlose Zombie wurde im Phantastischen Film nicht nur durch Verwe- sung und Zerfall seines entseelten nach dem Tod weiter lebenden Körpers dargestellt, sondern auch als schöner, altersloser Leib. In I Walked With a Zombie (1943) blieb der Körper eines weiblichen Zombies unversehrt, während ausgehend von George A. Romeros The Night of the Living Dead (1968) das Bild des Zombies als verfaulender Menschenkörper das gesamte Horrorgenre prägt. Der Nachfolgefilm Dawn of the Dead,der unter dem deutschen Titel Zombie lief, wurde mit Slogan angepriesen: „Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück.“1009 Mit der Zerstückelung des Leibes Fausts endete die Historia von D. Johann Fausten., und entseelt kehrt er von den Toten zurück. Den letzten filmischen Höhepunkt fand das Massaker der Zombies in Quentin Tarantinos From Dusk till Dawn (1996).1010 Der Zombie ist gleichsam eine Verkehrung der Vorstellung vom dämonischen Doppel- gänger. Durch den Doppelgänger seiner Seele beraubt, ist der Zombie ein le- bender Toter, ein verwesender, entseelter Körper. Der Doppelgänger ist meist in Kraft und Wirkung wesensgleich mit seinem Original. Die Verdopplung des Körpers ist die Abwehr gegen den Untergang des Ichs, die Verkörperung des untergegangen Ichs ist der Zombie.

Die Verkehrung des dämonischen Doppelgängers zum Zombie ging mit der Einführung des Tonfilms einher. In gewisser Weise waren die Gestalten des Stummfilms allein durch ihre Stummheit eine Art Zombie. Sie waren zwar kör- perlich präsent, konnten sich aber sprachlich nicht ausdrücken. Die Verdopp- lung ihrer Rollen hingegen bestätigte im Bild des Doppelgängers deutlich ihre stumme Existenz. Der seelenentleerte Zombie verbreitet im Tonfilm insbeson- dere durch seine Sprachlosigkeit und die Verlangsamung seiner Bewegungen wiederum eher das Unheimliche der im Film auftretenden Gestalt, die ja in ge- wisser Weise immer selbst ein Zombie ist. Das bedeutet, daß die Eigenschaf- ten der Figur des Doppelgängers im Stummfilm ihre Verkehrung in den Merkmalen des Zombies im Tonfilm fanden.

1007 Kleinpaul, Die Lebendigen, a.a.O., S. 55 1008 Ebd. S. 7-8 1009 Besprechung des Films Dawn of the Dead, in: Filmfaust, Nr. 13-10 1010 Natürlich durchbrechen Tarantinos Zombies alle filmischen Vorbilder und sind bewe- gungsfreudige und sprachgewandte Normalmenschen mit einem unbändigen Hang zum Massaker.

Nachtseiten des Lebens 235

„Dann bildete JHVH den Menschen aus Staub und von dem Erdboden und blies in seine Nase einen Lebenshauch. So wurde der Mensch ein lebendes Wesen.“ Genesis 2,7

B. Künstliche Geschöpfe Eine weitere tragende Säule der Horrorgenres bildet sich aus den unzähligen Frankensteinfilmen. Ihr Übergang zu Science Fiction-Filmen ist häufig fließend und dann gegeben, wenn eine populär-philosophische Ausrichtung des Films vorliegt, die sich an Kants kategorischem Imperfekt orientiert. Gegenstand aller Frankensteinfilme ist das künstliche Geschöpf als Monster, welches den Wis- senschaftler, der es schuf und damit die Welt an den Rand des Untergangs führte, bedroht oder tötet. Dabei wird meist die Beziehung zwischen Monster und Schöpfer als abhängige Gewaltstruktur inszeniert. Die Verfilmung der Frankenstein-Geschichte scheint eine Lösung anzubieten, um die schon seit altersher gerungen wurde: Die synthetische Erzeugung eines Menschen. Die Entwicklung von Gebärmaschinen oder kabbalistische Studien führten in den Frankensteinfilmen faustische Wissenschaftler mit widersprüchlichen Zielen immer wieder in absonderliche Teufelspakte.

Zunächst werden Frankensteinfilme untersucht, die phantastische Gebärma- schinen als Äquivalent zur Filmkamera setzen. Ferner werden alte und neue Frankensteinfilme, die mit der Entwicklung des Tonfilms und des Farbfilms entstanden, auf ihre Beziehung zum Faust- und Prometheusmythos hin be- schrieben. Hiernach werden die Golemfilme von Paul Wegener betrachtet, weil sie schon wegen der Stummheit des steinernen Golem dem Stummfilm ver- pflichtet scheinen. Eine Verkehrung des Golemfilme kann in der Figur des Ho- munculus beschreiben werden, eine weitere künstliche Gestalt des phantasti- schen deutschen Stummfilms, die während des Ersten Weltkriegs sehr erfolg- reich war. Schließlich beschäftigt sich dieses Kapitel mit zwei weiblichen Kreaturen des phantastischen Stummfilms, die von ihren Schöpfern bis zur Selbstaufgabe geliebt wurden. Dies ist die Maschinenfrau Maria aus Fritz Langs Metropolis (1926) und der Vamp Alraune, der durch künstliche Befruch- tung erzeugt wurde, aus einer Reihe von Alraunefilmen. Wie mühelos der Frankensteinstoff den Übergang vom Horrorfilm zum Katastrophenfilm und zum Melodrama finden konnte, kann hieran nachgezeichnet werden. Ferner wird gefragt, ob der weibliche Filmstar selbst ein künstliches Geschöpf eines allmächtigen Filmregisseurs vorstellt.

1. Gebärmaschinen Den ersten Film mit dem Titel Frankenstein drehte Billy Bitzer1011 1899 für Edi- sons American Mutoscope and Biograph Company. Nach Donald Glut1012 galt der Film, der etwa eine halbe Minute dauert, lange Zeit als die erste Verfilmung der Geschichte Mary Shelleys. Der Film ist jedoch nur eine Einstellung aus den White Mountains: Eine Eisenbahn überquert ein Tal auf einer Holzbrücke und fährt auf eine Stadt namens Frankenstein zu. Glut interpretierte, Viktor Fran-

1011 Gottlob Wilhelm (Billy) Bitzer wurde 1872 in Roxbury, Massachusetts geboren. Barnouw berichtete über ihn: „He had been obsessed with magic.“ (Barnouw, The Magician and the Cinema, a.a.O., S. 70) Bitzer arbeitete zunächst für das American Mutoscope (Mutoscope viewing maschine), dann für Biograph Co. und ab 1908 als Kameramann für David Wark Griffith. Vgl. G. W. (Billy) Bitzer, His Story, New York 1973 1012 Donald F. Glut, The Frankenstein Legend: A Tribute to Mary Shelley and Borris Karloff, Metuchen, N.Y. 1973; S. 58

236 Nachtseiten des Lebens kenstein und sein Monster seien auf dem ‘eisernen Pferd‘ auf den Schienen ‘geritten‘. Die Eisenbahn1013 spielte für den Film von Anfang an eine besondere Rolle. Das Dampfroß bot durch seine Wucht, den Dampf und die Ansicht der bewegten Maschine ein Bild für Aktion und Aufregung. Die statische Kamera konnte mit dem aus der Ferne heranfahrenden Zug nicht nur Bewegung zei- gen, sondern gleichsam alle möglichen Einstellungen von der Totalen bis zur Großaufnahme fotografieren. Film hat aber noch etwas ganz anderes mit der Eisenbahn gemein, es ist dies das Bewegungsbild, das der Reisende sieht, wenn er aus dem Fenster des fahrenden Zugs blickt. Auf einer rechteckigen Scheibe erscheint die dreidimensionale und bewegte Landschaft als Bewe- gungsbild. Der Blick aus dem Fenster des fahrenden Zugs vermittelte erstma- lig die Erfahrung des Bewegungsbildes. Vielleicht war diese Verdoppelung der Bildproduktion von Kamera und Eisenbahn der Grund für Oskar Messter, ‘aus dem fahrenden Zug zu filmen’, patentieren lassen zu wollen und Lumières so- wie Bitzers Motiv, die Kamera auf die Eisenbahn zu richten, die selbst durch den Raum fahrend, bewegte Raumbilder erzeugte (wie später die Kamera selbst). Es waren Filme, die im Bahnhof begannen und im Bahnhof endeten.

Die Eisenbahn ist das Prometheische Feuerroß, die gigantische Maschine des Fortschritts. In Billy Bitzers Film fährt die Eisenbahn auf eine Stadt zu, auf de- ren Ortseingangsschild Frankenstein zu lesen ist: Film-Eisenbahn- Frankenstein bilden drei signifikante Eckpunkte der Veränderung menschlicher Existenz und ihrer elementaren Trennung von der Natur. Irgendwo gestartet kommen die fahrende Dampfmaschine und das Kino über eine kolossale Holzbrücke, die die urwüchsige Natur (Berg und Tal) überquert, nach Franken- stein. Eine halbe Minute Film beinhaltet den Konflikt Natur/Mensch/Technik, in- dem die materiell gewordenen Gedanken des technischen Fortschritts (Stadt, Brücke, Eisenbahn) im Bild erscheinen. Gleichzeitig wird die Kritik an diesen Ideen erhoben, wie sie sich am Namen Frankenstein entzündet hatte. Der Wissenschaftler Viktor Frankenstein erschuf eine synthetische Kreatur durch die Kraft der Elektrizität, wie die Kamera ein bewegtes menschliches Wesen aus Licht abbildete. Der fotografierende Apparat wurde in der halben Minute Film nicht gezeigt, in der das Filmband eine Strecke gleich der Eisenbahnlinie zurücklegte und die Bewegung der Maschine festhielt. Die Kamera ist ver- gleichbar mit der künstlichen Kreatur Frankensteins. Das Monster ist jedoch das Produkt einer literarischen Idee und weitaus weniger real als das bewegte Menschenbild. Frankensteins Trestle veranschaulicht die kreative, verdichten- de Kraft der kurzen Filme.

1013 Vgl. u.a. Ulfilas Meyer, Kino-Express. Die Eisenbahn in der Welt des Films, München, Lu- zern 1985

Nachtseiten des Lebens 237

Abb. 104: Billy Bitzer bei einer ’Kamerafahrt’

Frankenstein und sein Geschöpf tauchten 1910 zum ersten Mal in J. Searle Dawley Frankenstein auf, den er für Edison drehte. Der Film ist nur sechzehn Minuten lang und zeigt Charles Olge in der Rolle des Monsters, das zuerst nackt und dann in Tücher gewickelt auftritt.1014 Augustus Philips spielte Fran- kenstein und Mary Fuller dessen Braut. Der Film beginnt mit dem Auszug Frankensteins aus dem elterlichen Haus, um dem Wunsch des Vaters gemäß Medizin zu studieren. Schon bald ist er von der Idee fasziniert, er könne einen perfekten Menschen herstellen und schreibt seiner Braut, die zu Hause auf ihn wartet: (Zwischentitel) „Sweetheart, onight my ambition will be accomplished. I have discovered the secret of Life and death and in a few hours I shall create into life the most perfect human that the world has yet known. When this marvelous work is accomplished, I shall then return to claim you for my bride. Your devoted, Franken- stein.“ Der Brief ist zweifellos plotpoint one, denn er beschreibt in wenigen Wor- ten das zukünftige Drama. Der junge Mediziner will erst nach Hause zurück- kehren, wenn er einen makellosen Menschen erschaffen hat. Ein solcher Brief an die Braut macht nachdenklich: Wozu sollte er heiraten, wenn er selbst Le- bewesen erschaffen kann?

Nach zwei Jahren verläßt Frankenstein die Universität und macht sich ans Werk. Seine naturwissenschaftlichen Studien bringen wie in der Historia von D. Johann Fausten ein dämonisches Wesen hervor.1015 Mit effektvollen Bildern zeigt der Film, wie Frankenstein seine Kreatur baut, indem er rohes Fleisch über ein Skelett zieht. Im Drehbuch hieß es: „Flesh begins to creep over the bo- nes.“1016 Wie die Teufelserscheinung in frühen Faustfilmen findet die Schöpfung des Monsters im Labor statt. Der anrüchige Raum ist ein weiteres Mal mit all den üblichen Insignien einer zweifelhaften Forschung ausgestattet. Im Vorder- grund sitzt ein Skelett auf einem Sofa, neben ihm steht ein kleiner Tisch, auf dem ein aufgeschlagenes Buch liegt, seitlich davon ist ein weiteres Skelett mit hundeähnlichem Kopf zu sehen. Auf dem Boden stehen einige Gefäße. Links oben an der Wand auf einem kleinen Paneel sitzt ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln.1017 An der Rückwand läßt sich eine geöffnete Doppeltür erkennen, die

1014 Das Wickeltuch verweist auf Säuglings- und Leichenbekleidung gleichzeitig. In Mary Shel- leys Frankenstein trägt das Monster einen Anzug Frankensteins. 1015 Die Veräußerung der Verinnerlichung zeigt sich ja als Spaltung oder Verdopplung (Ma- gier/Teufel, Wissenschaftler/Monster). 1016 Glut, The Frankenstein Legend, a.a.O., S. 61 1017 Der ausgestopfte Vogel kann als Hinweis auf die widersprüchliche Forschung gelten.

238 Nachtseiten des Lebens den Blick auf das Geschehen im Hintergrund lenkt. Dort steht Frankenstein wie auf einer Bühne vor einem großen Bottich, in dem es mächtig brodelt. Dämpfe steigen empor.

Abb. 105: Die erste Filmgeburt des Monsters. J. Searle Dawley, Franken- stein, 1910, Augustus Philips als Frankenstein

Frankenstein bewegt sich aufgeregt hin und her. Er wirft seine Arme hoch und folgt mit seinen Händen beschwörend den emporsteigenden Dämpfen. Die Szene ist organe viragiert. Die feuerfarbenen Bilder unterstreichen die Herkunft des Monsters aus der Hölle und veranschaulichen, wie es Glut schrieb: „The heat auf the laboratory.“1018 Frankensteins expressive Gebärden lassen den Schwalbenschwanz seines dunklen Gehrocks flattern. Ein Bild, das an Fausts wehenden Magiermantel erinnert und auf Ikarus’ gescheiterten Flugversuch verweist. Körperlich völlig erschöpft, als sei er der Gebärende, greift sich Fran- kenstein an den Kopf, dann wieder in die Luft und reibt seine Hände. Er ver- schließt die schwere Eisentür, die dem Schutz dient. Frankenstein ist von dem Geschehen hinter der Tür ausgeschlossen – nicht aber die Zuschauer.

(Der Adler ist Gottestier, der ausgestopfte Vogel folglich eine zum Tod verurteilte Schöp- fung.) 1018 Glut, The Frankenstein Legend, a.a.O., S. 63

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Abb. 106: Frankenstein verschließt die Tür. J. Searle Dawley, Frankenstein, 1910, Augustus Philips als Frankenstein

Hinter verschlossener Eisentür entsteigt dem Bottich eine Mißgeburt. Ihre Ar- me und Hände sind unnatürlich verdreht, überlang und spinnenartig deformiert. Die absonderlichen Gliedmaßen bewegen sich auf und nieder. Der Kopf sitzt auf einem aufgedunsenen unförmigen Körper. Seine dunklen Augen starren aus einem totenbleichen Gesicht. Er hat eine hohe Stirn und wirres Haar. Die Kreatur ist weder eindeutig Tier noch Mensch. Der Pferdefuß - wie der Teufel gern genannt wurde - ist eine erbarmungswürdige Gestalt, die sich im warmen Wasser des gebärenden Kessels hin und her wiegt.

Abb. 107: Die Kreatur, Charles Olge, in J. Searle Dawley, Frankenstein, 1910, Augustus Philips als Frankenstein

Die Geburtssequenz schließt mit dem Zwischentitel: „Instead of a perfect human being, the evil in Frankenstein’s kind creates a monster.“ In jeder erfolgreichen Dramaturgie weiß der Zuschauer immer etwas eher Bescheid über den Fort-

240 Nachtseiten des Lebens gang der Geschichte als der Protagonist. Was passierte hinter der Labortür? Frankenstein wartete angstvoll vor der verschlossenen Eisentür, die sich plötz- lich langsam öffnet. Eine deformierte Hand wird sichtbar und Frankenstein er- kennt, sein Versuch ist gescheitert. Unfähig, den Schmerz des Versagens zu ertragen, flüchtet er vor dem von ihm geschaffenen Wesen. Bei Mary Shelley fiel Frankenstein nach seiner Tat in einen tiefen Schlaf, in dem er einen seltsamen Traum hatte: „Unable to endure the aspect of the being I had created, I rushed out of the room, and continued a long time traversing my bed chamber, unable to compose my mind to sleep. At length lassitude succeeded to the tumult I had before endured; and I threw myself on the bed in my clothes, endeavouring to seek a few moments of forgetfulness, but it was in vain: I slept indeed, but I was disturbed by the wildest dreams. I thought I saw Elizabeth, in the bloom of health walking in the streets of Ingolstadt, delighted and surprised, I embraced her, but as I imprinted the first kiss on her lips, they became livid with the hue of death; her features appeared to change, and I thought that I held the corpse of my dead mother in my arms.“1019 Im Traum er- schien ihm Elisabeth, die, als er sie küssen wollte, zu seiner toten Mutter wur- de: Die Braut, die zur toten Mutter wird, wird gleichsam zur Frau, die nicht mehr gebären kann. Grund genug das Experiment zu wagen.

In Dawleys Film flüchtet Frankenstein völlig entsetzt nach Hause und setzt ei- nen Hochzeitstermin fest. Er glaubt schon, das Monster sei nicht mehr am Le- ben, als er es plötzlich - von seiner Braut unbemerkt - im Spiegel der Wohn- stube erblickt. Als seine Braut das Zimmer verläßt, schenkt sie Frankenstein eine Rose.1020 Eifersüchtig ergreift das Monster die Rose, so daß der Wissen- schaftler entsetzt flieht, aber sein Geschöpf verfolgt ihn. Auf einmal entdeckt das Monster voll Entsetzen sein Bild im Spiegel und zieht sich zurück. Die Sequenz endet mit der Schrifttafel: „Haunting his creator and jealous of his sweetheart for the first time the monster sees himself.“1021 Erst in Frankensteins Hochzeitsnacht taucht es wieder auf.1022 Bei seinem Anblick fällt die Braut in Ohnmacht. Das folgende Bild zeigt eine klassische Dreieckssituation in bür- gerlicher Wohnstube.

1019 Mary Shelley, Frankenstein or, The Modern Prometheus, (1818), Berkeley, Los Angeles, London 1994, S. 52 1020 Die Rose verweist auf die Rose des Paracelsus und auf die Kreatur als künstliches Le- bewesen. Paracelsus sollte zum Beweis seiner alchemistischen Kunst eine im Feuer ver- brannte Rose aus ihrer Asche wiederaufersehen lassen. Erst als er allein war, nahm er die Asche in die Hand, sprach das Zauberwort und die Rose erblühte neu. Vgl. Udo Ben- zenhöfer, Paracelsus, Reinbek bei Hamburg 1997, S. 7 1021 Glut, The Frankenstein Legend, a.a.O., S. 62 1022 Der Showdown wird mit folgendem Zwischentitel eingeleitet: „On the bridal night, Fran- kenstein’s better nature asserted itself.“ Ebd. Hier wird auf Frankensteins gute Seite und seinen „gelehrigen Kopfe“ (Historia von D. Johann Fausten) angesprochen.

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Abb. 108: Der Kampf zwischen Frankenstein und seiner Kreatur. Charles Olge, Augustus Philips

Im Vordergrund liegt die Ohnmächtige. Im Hintergrund kämpften die Antagonis- ten vor einem Spangenfenster, das Berge, einen kleinen See und Häuser wie hinter Gittern zeigt.1023 Der Kampf der Kontrahenten wird zu einem prosaischen Tanz. Sie gehen aufeinander zu und berühren sich an den Händen. Franken- stein fliegt mit weit geöffneten Armen auf seine Kreatur zu. Sie ziehen sich an und stoßen sich ab. Ganz offensichtlich zeigt die Szene den Gleichklang der männlichen Körper. Der Kampf bleibt unentschieden. Das Monster zieht sich zurück, da es den Vater nicht töten kann. Als es sich erneut im Spiegel be- trachtet, löst es sich unerwartet in Nichts auf. Frankenstein betritt kurz darauf das Zimmer und als auch er in den Spiegel sieht, taucht einen Moment lang das Gesicht des Monsters über dem seinen auf.1024 Es verschwindet als ihn seine Braut umarmt.

Dawleys Frankenstein-Film verweist auf die verdichtete Ästhetik der frühen Stummfilme, und gleichsam erscheint die deformierte Kreatur als Abbild des noch mangelhaften Kinematographen. Insbesondere das Bild des rohen Flei- sches macht aufmerksam auf die charakteristischen Merkmale der frühen Stummfilme. Seine Verwendung bei der Erschaffungsszene wird zur Allegorie der Widersprüchlichkeit, die in der Existenz des Monsters liegt und die sein Wesen bestimmt. Es ist empfindsam wie rohes Fleisch und sein ganzer Kör- per ist eine offene Wunde. Der Ekel vor rohem Fleisch haftet ihm an und steht für brutale Roheit, ungezügeltes Begehren und Kulturlosigkeit. Das signifikante Filmbild beinhaltet aber auch einen selbstreferentiellen As pekt, denn über die fleischlosen Wesen des Films, die nur aus Licht bestehen, soll wie über ein Skelett Fleisch gezogenen werden, damit sie lebendige Menschen - eben Fleisch – werden können. Eine nicht minder hohe Verdichtung kennzeichnet die Spiegelszenen des Films. Sie liefern ein eindrucksvolles Bild der Parade vor dem Spiegel (Lacan) und des komplexen Zusammenhangs von Spiegel, Kamera und Ich-Identität, der hier selbstreferentiell ins neue Medium aufge- nommen wurde. Ein großer Spiegel, der seinen ungewöhnlichen Platz nicht

1023 Auch die TiteliIlustrationen des Illustrierten Volksbuches von 1588 und Ludouicum Mili- chiums Der Zauber Teuffel von 1566 zeigen im Hintergrund Berge und Häuser bei der Be- gegnung Faust und Teufel. 1024 Die Überblendung verweist auf die Verschmelzung der Protagonisten.

242 Nachtseiten des Lebens nur im Wohnzimmer findet, sondern in Jekyll-Hyde-Filmen auch im Labor hängt, ist zunächst nichts anderes als eine Referenz für die Kamera. Der Spiegel vertritt die Kamera, und die Kamera vertritt den Spiegel. Daneben wird der Spiegel (wie der Film) zum narrativen Bewegungsbild und zur Imaginati- onsfläche. Voraussetzung für die ‘Imago‘ ist die Wahrnehmung einer Bezie- hung, aber während der Schöpfer im Spiegel seine Kreatur erblickt, sieht diese zunächst weder ihren Schöpfer noch sich selbst. Die Verkehrung ist allzu deutlich: Frankenstein ist das Monster. Das Monster aber, das nur einen Schöpfer erfahren hat, der vor ihm flieht, ist verloren im eigenen Spiegelbild. Es streckt seinem Spiegelbild flehend die verkrüppelten Arme entgegen, aber die nichtmenschliche Existenz kann keine Imago finden. Der Spiegel zeigt den Lichtgestalten kein Bild ihrer selbst, nicht einmal, wenn sie mit Fleisch überzo- gen wurden.1025 Die Wirklichkeit des Monsters ist seine Filmexistenz, denn, wenn der Film zu Ende ist, verschwindet es. Im Programmheft war über die Spiegelszene zu lesen: „The monster, broken down by his unsuccessful attempts to be his creator, enters the room, stands before a mirror and holds out his arms entreatingly. Gradually the real monster fades away, leaving only the image in the mirror. A moment later Frankenstein himself enters. As he stands directly before the mirror are amazed to see the image of the monster reflected on Frankenstein’s own.“1026

Die Probleme eines Naturwissenschaftlers sind für diesen Film zweitrangig, nicht zuletzt, weil die künstliche Kreatur im Mittelpunkt des Films steht. Mit die- ser Gestalt bewahrheitet der Film seine eigene Existenz und ruft wie Galilei aus: „Und sie bewegen sich doch!“ die künstlichen Wesen des Films. In der narra- tiven Aufnahme tritt die Wahrheit der menschlichen Existenz ans Licht. Im ers- ten Frankensteinfilm ist das Monster ein dämonisches Wesen, das in seiner Verkrüpplung die Widersprüche zwischen Vater und Sohn verkörpert. Die Be- gegnung von Schöpfer und Geschöpf erweist sich als Geschichte gegenseiti- ger Anziehung und Abstoßung zweier begehrender Männer. Das Monster, das Frankenstein fern von Vater und Braut aus rohem Fleisch - nackt, naß und hin- ter verschlossener Eisentür - schuf, tritt als Gespenst des sexuellen Wun- sches hervor. Von dem Moment seiner Geburt an ist die Kreatur der Schatten und Gefährte ihres Schöpfers. Frankenstein flüchtet vor ihr zurück zu seiner Familie, in der die Mutter - wie Maria im protestantischen Himmel – fehlt. Bei Dawley hat die Braut Frankensteins keinen Namen. Sie ist einfach Sweetheart. Frankenstein schrieb an Sweetheart, er käme erst nach Hause, wenn er einen vollkommenen Menschen/Mann gemacht habe. Der perfekte Adam ist aber ganz sicher ein Mann ohne Begehren. Als eigentlicher Drahtzieher der Ge- schichte erscheint unvermutet Frankensteins Vater, denn er schickte den Sohn zum Medizinstudium aus dem Haus. Sweetheart und Vater blieben allein zurück. Sollte sich in Sweetheart etwa die Mutter verbergen und das Monster nichts anderes sein als die Verkörperung des inzestiösen Wunsches? Am En- de ist der Vater noch vor dem Monster aus dem Film verschwunden. Die se- xuellen Stürme des jungen Studenten mündeten in den ruhigen Hafen der Ehe. Sweetheart hat das Monster vertrieben. Die Ehefrau trat an die Stelle der Mut- ter, und Frankenstein übernahm die Rolle des ablehnenden Vaters. Wie es die Schrifttafel am Ende des Films zusammenfaßt: „The creation of an evil mind is overcome by love and disappears.“ Der Film erzählt vom Sohn, der auszog seinen Körper und dessen Teile kennenzulernen (Medizinstudent). Das ‘Monster’ des sexuellen Begehrens, entstanden aus der familialen Dynamik, mußte der lie- benden Umarmung der Braut weichen. Zu Beginn des Films wurde mit dem Musikstück Then, you’ll remenber me das Leitmotiv des Films vorgegeben.1027

1025 Auch Vampire haben kein Spiegelbild. 1026 Zit. n. Glut, The Frankenstein Legend, a.a.O. S. 62 1027 Musikstücke aus Der Freischütz und Lohengrin unterstreichen die Dramatik der einzelnen

Nachtseiten des Lebens 243

1915 kam der nächste Frankenstein-Film in die Kinos. Es war Joseph W. Smi- leys siebzig Minuten langer Film Life Without Soul, der als verschollen gilt. Be- reits der Titel verbindet das menschliche Bewegungsbild mit der Kreatur Fran- kensteins. Aus Frankenstein wurde bei Smiley Dr. William Frawley (William A. Cohill).

1994 produzierte Francis Ford Coppola mit Mary Shelleys Frankenstein die bislang letzte Frankenstein-Verfilmung.1028 Kenneth Branagh führte Regie und spielte gleichzeitig die Rolle Victor Frankensteins. Das Monster (Robert de Ni- ro) ist nicht minder deformiert wie in Dawleys Frankenstein, verkörpert jedoch nicht den Mangel der technischen Apparatur, sondern es veranschaulicht die Wunden des (göttlichen) Sohnes. Der Film beginnt mit dem Bild eines in einen Sturm geratenen Schiffs, auf dem Frankenstein seiner Kreatur ins ewige Eis folgt. Bereits in Georges Méliès La Damnation du Doctor Faust, ou Faust et Marguerite holte Mephisto Faust in eine Hölle aus Eis, deren festgeforene Flammen-Skulpturen die ewige Verdammnis verkündeten.1029 Den ersten Hinweis auf die Kreatur gibt bei Branagh ein animalischer Schrei, der auf dem in der Arktis eingefrorenen Schiff des Polarforschers Robert Walton (Aidan Quinn) Entsetzen auslöst.1030 „Der Teufel will den Kapitän holen!“, fürchtet die Mannschaft. Im Schrei des Monsters taucht aber Frankenstein wie eine Ro- bertsonsche Nebelgestalt aus dem Nichts auf und nähert sich dem nicht minder besessenen Forscher Walton. Schon auf den ersten Seiten ihres Romans stellte Mary Shelley Walton als modernen Faust vor, der seinen Fuß auf Land setzen will, das nie ein Mensch betreten hat. Der Besessenheit des einen entspricht das Verlangen des anderen. (Frankenstein zu Walton: „Sie tei- len meinen Wahnsinn.“) Beide befinden sich, wie es Mary Shelley schrieb, auf „ei- ner Entdeckungsreise in das Reich des Wissens.“1031 Walton kann – so Ingeborg Weber – auch als Doppelgänger Frankensteins betrachtet werden.1032 Bei Bra- nagh wurde ihre Begegnung zum Spiegelbild faustischer Wissenschaftler.

Szenen. 1028 Es kann im folgenden nicht darum gehen, die Differenzen und die Übereinstimmungen der Frankenstein-Filme im Ablauf ihrer historischen Entstehung nachzuzeichnen, sondern der folgende Sprung zur jüngsten Frankenstein Produktion verweist auf die ikonographi- sche Kontinuität des Faust-Bilddiskurses und seine Selbstreferentialität. 1029 Bei den Eskimos ist die Vorstellung der Hölle nicht durch Feuer und Hitze gekennzeich- net, sondern durch Eis und Kälte. 1030 Der Schrei, welcher dem Schreck folgt, wurde zum Paradigma des Tons im Horrorfilm. In Frankenstein-Filmen ist der Schrei aber weniger bedeutend als in Dracula-Filmen, wo der Angstschrei den sexuellen Angriff Draculas begleitet. Brain de Palma leitete in Blow Out (1981) aus dem ultimativen Schreckensschrei das Thema des Films ab. Blow Out stellt die Akustik in den Mittelpunkt und verschiebt die Rolle der Fotografie aus Michelangelo An- tonionis Blow Up in den Bereich der Tonaufzeichnungen. 1031 Shelley, Frankenstein, a.a.O., S. 79 1032 Ingeborg Weber, „Doch einem anderen mag es gelingen“: Unvergeßlicher, unverbesserli- cher Frankenstein, in: Mary Shelleys ‘Frankenstein’. Text, Kontext, Wirkung. Vorträge des Frankenstein-Symposiums in Ingolstadt (Juni 1993), Essen 1994, S. 12-24, S. 23. Auch Waltons Familienkonstellation ist mit der Frankensteins vergleichbar: Waltons Schwester, Margaret, vertritt die früh verstorbene Mutter. Sie findet ihr Spiegelbild in Elisabeth.

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Abb. 109: Francis Ford Coppola, Mary Shelleys Frankenstein, 1994, Ken- neth Branagh als Frankenstein, Aidan Quinn als Walton. Faustische Wis- senschaftler: Walton und Frankenstein

Die blutige Hand des Monsters schiebt sich auf eine Eisscholle (groß).1033 Der mörderische Kampf mit den Schlittenhunden wird in schnellen Schnitten von Groß- und Detailaufnahmen zum Filmbild der Kreatur. Es ist eine blutige Col- lage aus Tier- und Menschenfleisch. In der Asynchronität von Ton und Bild springt das geflügelte Schattenwesen ins Bild.1034

Abb. 110: Robert de Niro als Monster

Auf Waltons Frage, was das da draußen sei, antwortet Frankenstein mit sei- nem Namen. Ein Paukenschlag beendet die Exposition mit einer Großaufnah- me von Frankensteins Gesicht.

Durch Überblendung wird eine Rückblende eingeleitet, die Frankensteins Auf-

1033 Auch in J. Searle Dawleys Frankenstein (1910) erblickt Frankenstein zuerst die Hand der Kreatur. 1034 Eine weitere dämonische Vogeldarstellung, denen sich der Gruselfilm immer wieder be- dient.

Nachtseiten des Lebens 245 wachsen im Elternhaus in Genf sowie die Ankunft Elisabeths (Helena Bonham Carter) zeigt. Ein Schnitt führt zum jungen Erwachsenen, der in der Studier- stube hinter seinen Büchern sitzt. Seine schwangere Mutter (Cherie Lunghi) unterbricht die Forschungen: „Jetzt bist du ein ernster junger Mann... und dann, die seltsamen, uralten Bücher. Du wirst ein noch größerer Arzt als dein Vater.“1035 Wieder erklingt ein grauenvoller Schrei. Victors Vater (Ian Holm) konnte das Leben sei- ner Frau bei der Geburt seines Bruders nicht retten. Um den Tod zu besiegen, erfindet Victor elektrische Maschinen. Die Wirkung eines von ihm konstruierten Blitzableiters nehmen Elisabeth, Justine und sein junger Bruder voll Erstaunen wahr. Die phosphoreszierenden Strahlen gleiten zwischen ihren Fingern hin und her.

Abb. 111: Elektrizität als Lebensfunke

Bei Branagh verwandelt Frankenstein, der moderne Prometheus, Zeus‘ Waffe in einen sanften Liebesfunken.1036

Nachdem sich Frankenstein mit Elisabeth verlobt hat, verläßt er das Eltern- haus und nimmt ein Medizinstudium in Ingolstadt auf. Er bezieht einen Spei- cherraum, der sein Labor wird.1037 Die erste Universitätssequenz steht - wie die Historia von D. Johann Fausten - in der Konfrontation „eines ganz gelernigen vnd geschwinden Kopffs“ mit „eunen thummen / vnsinnigen und hoffertigen Kopf“.1038 Der Konflikt personifiziert sich bei Branagh wie bei Christopher Marlowe in der Gegnerschaft eines guten Engels und eines schwarzen Engels, die sich als Professor Krempe und Professor Waldmann (John Cleese) gegenüberstehen, und die Frankenstein zu beeinflussen suchen. Durch off-Kommentar wird ein Schnitt eingeleitet, der Frankensteins Weg zur Universität begleitet. Die Stim- me des vortragenden Medizinprofessors Krempe verkündet: „Wissen ist Macht, die uns nur von Gott gegeben wird.“ Krempe steht in seinem ehrwürdigen Habit am Pult im Zentrum des Hörsaals. Die Kamera schaut von oben auf ihn hinab. Ei-

1035 Die Bücher bewahren das magische Geheimnis. Die Mutter erhöht den Sohn über den Vater. 1036 Das Bild ist unübersehbar ein Zitat Michelangelos Die Erschaffnung des Mannes . (Mi- chelangelo malte das Fresko der Berührung zwischen Gott und Adam an die Decke der Sixtinischen Kapelle zwischen 1508-1512.) 1037 An der Kopfwand des Raumes befindet sich ein dreieckiges Fenster, das als ‘Auge Got- tes‘ betrachtet werden kann. 1038 Historia von D. Johann Fausten, a.a.O., S. 14. Am Ort der medizinischen Forschung lauert der Teufel auf den faustischen Wissenschaftler, da die Medizin in Bereiche eindringt, die allein dem Schöpfer vorbehalten sind.

246 Nachtseiten des Lebens ne rotbraune (Blut-)Linie schließt den Vortragenden in einem magischen Kreis ein.

Abb. 112: Der ‘gelehrige Kopf’ im magischen Kreis

Die Kamera verändert ihre Einstellung und beginnt, mit einer Fahrt einen enger werdenden Kreis um den Redner zu ziehen, die in einer Großaufnahme seines Gesichts endet. Es scheint, als umschleicht die Kamera den Vortragenden in dem magischen Kreis, wie der Teufel Faust auf dem Titelblatt des Buches von Ludovicus Milichium Der Zauber Teuffel (1566).1039 In der Türöffnung lauert die Teufelsgestalt als Professor Waldmann, dem Prototyp des gefallenen Engels. Seine Augen liegen im Schatten und werfen einen dunkeln Blick in die Kamera. Im Schuß- Gegenschußverfahren schlägt der Vortragende, auf Waldmanns Blick hin, die Augen nieder und fährt fort: „Sie sind nicht hier her gekommen, um für sich selbst zu denken.“ Der vielsagende Blickwechsel zwischen Krempe im Mit- telpunkt des magischen Kreises und dem, in der Tür lauernden Waldmann, funktioniert als eigene Geschichte. Sie berichtet, daß auch der Vortragende einst in Versuchung geraten war, ihr aber widerstand. Ein Schnitt führt zu Frankenstein, der von oben auf den Vortragenden herabsieht. Während die Kamera nach oben fährt und erneut Krempe im Mittelpunkt des Kreises zeigt, wendet Frankenstein ein: „Aber Herr Professor, Sie meinen doch nicht, daß wir die eher philosophischen Ansätze ignorieren sollten?“- „Philosophische?“, fragt der Vor- tragende zurück. „Nun, jene, welche die Phantasie ebenso anregt wie den Intellekt, wie bei Paracelsus zum Beispiel.“ Während Krempe abwehrt: „Ach, Paracelsus, ein arroganter und närrischer Schweizer!“, tritt der dämonische Waldmann aus dem Schatten hervor und wirft einen interessierten Blick nach oben zu Franken- stein, der unbeirrt Albertus Magnus und Corneluis Agrippa anführt.

1039 Vgl. Abb. 6

Nachtseiten des Lebens 247

Abb. 113: Der gefallene Engel und Lehrmeister Frankensteins Professor Waldmann, John Cleese

Krempe weist die frühneuzeitlichen Magoi als Hexenmeister zurück und fragt Frankenstein nach seinem Namen, der augenblicklich in einer Reihe mit den bekannten Magiern steht. Schon in Mary Shelleys Roman war Frankenstein ein faustischer Wissenschaftler, der vor allem unzufrieden war mit der Begrenzt- heit des eigenen Wissens. Frankenstein war – so Massari– ein „moderner und rückfälliger Alchemist“, der „in die Fußstapfen des Magiers Fausts“ trat, und zum „Symbol der Widersprüche der Wissenschaft in einer bestimmten Phase ihrer Entwick- lung“ wurde.1040 Waldmann stellt sich als Magus mit mephistophelischen Attribu- ten dar (schwarzer Mantel, schwarze Kutsche). Der Student Henry (Tom Hul- ce) erklärt Frankenstein: „Das ist Waldmann... in seiner Jugend soll er Gott einer Vorlesung über Wissenschaft gehalten haben. Er bekam vor ein paar Jahren Ärger mit der Obrigkeit, es ging wohl um unerlaubte Experimente.“ Henry und Viktor stehen für die konträren Positionen Waldmanns und Krempes. Sie blenden quasi deren Schicksal noch einmal auf.

Im Laufe der Geschichte wird Waldmann von einem verwahrlosten Einbeinigen erstochen. (Auch Waldmann muß zur Hölle fahren.) Frankenstein erbt seine Forschungsergebnisse und wird zum ‘Zauberlehrling‘. Das Verhältnis des Films zur wissenschaftlichen Forschung demonstriert die Nachstellung des Galvanischen Experimentes.1041 Der Versuch, durch Stromstöße einen toten Frosch zu beleben, gelingt.

1040 Massari, Mary Shelleys ‘Frankenstein’, a.a.O., S. 82 1041 Bereits im Jahre 1786 hatte Luigi Galvani mit toten Fröschen und Elektrizität experimen- tiert und entdeckt, daß in den toten Froschkörpern offensichtlich eine Kraft aktiv ist, die un- abhängig der Gehirnfunktionen zu Muskelkontraktionen führt.

248 Nachtseiten des Lebens

Abb. 114: Ein toter Frosch wird elektrisch bewegt

Frankenstein beginnt den Schöpfungsprozeß. Dazu nimmt er den Leib des gehenkten Mörders und ersetzt dessen Holzbein durch das gesunde Bein ei- nes Toten.1042 Dann operiert er dem toten Waldmann das Gehirn heraus1043 und kauft Fruchtwasser im Hospital. Auf ähnliche Weise wie bei Dawley hantiert auch Branagh als Frankenstein mit rohem Fleisch, das er mit groben Stichen zusammennäht. Er markiert an dem zusammengesetzten Leichnam die sie- ben Stellen der Wundmale Christi. Als Gebärgefäß dient ihm ein kupferner Sarkophag.1044 Sein Labor erinnert an ein frühindustrielles Hüttenwerk. Mit der Kraft eines Stahlarbeiters schließt er den Deckel der metallenen Gebärma- schine.1045 Durch kleine Öffnungen stößt er spitze Sonden in die markierten Stellen.1046 Blitze zucken auf, die Musik wird lauter. Frankenstein steht wie Mer- lin auf der gigantischen Geburtsmaschine.

1042 Beinamputationen im Film verweisen auf die künstliche Bewegung. 1043 Waldmanns Gehirn überlebt im Monster. Frankenstein macht aus seinem geistigen Vater seinen leiblichen Sohn. 1044 Auch bei Dawley wurde das Monsters in einer eisernen Wanne ‘geboren‘. 1045 Die Feuerstelle erinnert nicht nur an eine Schmiede, sondern auch der mit nacktem Ober- körper arbeitende Frankenstein an den stählernen Wieland. 1046 Der Erfinder Rotwang in Metropolis (1926) benutzte ähnliche Sonden, um die Maschinen- frau zum Leben zu erwecken.

Nachtseiten des Lebens 249

Abb. 115: Frankenstein, Kenneth Branagh, auf der Gebärmaschine

Dem Schöpfungsvorgang als Bild der aufkommenden Industrialisierung, gemalt als prometheische Szene aus Feuer und Eisen, steht ein einziger Satz Mary Shelleys gegenüber: „With an anxiety that almost amounted to agony, I collected the instruments of life around me, that I might infuse a spark of being into the lifeless thing that lay at my feet.“1047

Das Geschöpf mit dem Gehirn Waldmanns ist mißgestaltet. Frankenstein will es töten, aber es entkommt knapp seinem Anschlag. Auf sich selbst gestellt, lernt es sprechen, musizieren, lesen und schreiben. Durch Frankensteins Ta- gebuch erfährt es seine Geschichte.1048 Gleichzeitig erkrankt Frankenstein und kehrt schließlich nach Hause zurück, um Elisabeth zu heiraten. Er glaubt seine Kreatur längst tot, während sie sich ihm voll Haß nähert und seinen kleinen Bruder tötet. Das Monster nötigt Frankenstein, ihm eine Gefährtin zu schaf- fen.1049 Daraufhin flüchtet Frankenstein mit Elisabeth, aber das Monster findet sie und tötet Elisabeth in der Hochzeitsnacht. Dem Wahnsinn nahe wiederbe- lebt Frankenstein Elisabeth, die das Monster als seine Gefährtin ansieht. In der Erkenntnis ihrer Künstlichkeit übergießt sich Elisabeth mit Benzin und stürzt sich brennend zum Fenster hinaus. Das Haus brennt bis auf die Grundmauern nieder. Mit einer Überblendung in die Eishölle endet der Mittelteil der Rahmen- erzählung. Eine weitere Überblendung zeigt Frankensteins Gesicht (groß). Er- schöpft stirbt er in Waltons Kajüte. Ein klagender Schrei führt die Schiffsbesat- zung zusammen. Sie finden das Monster, das den toten Vater beweint. Wäh- rend die Kreatur ihrem Schöpfer in den Tod folgt, kehrt Walton um.1050

1047 Mary Shelley, Frankenstein, a.a.O., S. 51 1048 Das Tagebuch ist seine Bibel. Bei Mary Shelley entwickelte sich die Identität des Monsters durch die Wiedererkennung des eigenen Leides und seines Weltschmerzes. Die tiefe Trauer um das eigene Schicksal lernte es in Goethes Die Leiden des jungen Werther ken- nen. Durch die Lektüre entwickelte die Kreatur den Gedanken der Selbsttötung, der sich aber in ein Bedürfnis nach Liebe verkehrt. So wird für die Kreatur die Suche nach Liebe zum einzigen Lebenssinn. In Branaghs Film fehlt der literarische Spiegel. Hier sind es die Grausamkeit der Welt und die Einsamkeit der Kreatur, die es zu seinem Schöpfer zurück- treiben, dem allein es die Verantwortung für seine Existenz auferlegt. 1049 Mary Shelley, Frankenstein, a.a.O., S. 215. Das Geschöpf wird selbst zum Schöpfer, in- dem es Frankenstein zwingt, ihm eine Gefährtin zu machen. Wie es bei Shelley heißt: „Du bist mein Schöpfer, aber ich bin Dein Herr.“ Es ist die Erkenntnis seiner eigenen Exis- tenz, die das Geschöpf dazu veranlaßt, eine Frau zu fordern und damit das Überleben der eigenen Spezies anzustreben. 1050 Er übernimmt die Rolle des geläuterten Wissenschaftlers. Eine moralische Überlegung, die bereits in Christopher Marlowes Fausttragödie anklang. Im Gegensatz zu Ingeborg

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Zwischen dem ersten und dem letzten Frankensteinfilm liegen Legionen von Frankensteinfilmen, die einmal das deformierte Monster und ein anderes Mal den faustischen Wissenschaftler in den Mittelpunkt der Narration stellten. Ähn- lich wie der Fauststoff weitete sich auch die Frankensteingeschichte in alle Genres aus. Vergleichsweise verknüpfte Roger Corman in Frankenstein, Un- bound (1992) das Motiv der Zeitreise1051 mit der Entstehungsgeschichte des Frankensteinromans und nahm Elemente der Katastrophenfilme der fünfziger Jahre auf, welche die Angst vor einem atomaren Erstschlag der Sowjetunion schürten.1052 Frankenstein, Unbound läßt sich als Horrorfilm, Historienfilm, Ka- tastrophenfilm oder Science Fiction-Film lesen. Dabei standen die immerwäh- renden Probleme des faustischen Wissenschaftlers im Vordergrund, der hier selbst (und nicht sein Monster) die Widersprüchlichkeit der Technikgeschichte personifiziert.

Schon in den ersten Filmminuten setzte Corman die zerstörerische Kraft des Sonnenfeuers ins Bild. Der Vorspann läuft auf Bildern, die das Magnum der Sonne als absplitternde Fontänen zeigen. Das flüssige Feuer bündelt sich und fließt in eine kraterformige Öffnung. Rot ist das Bild, wenn die Sonne explo- diert.1053 Eine Überblendung zeigt die Totale einer Eishölle, die ein Magus in schwarzem Kostüm durchquert. Seine Gedanken werden hörbar: „Einstein hat einmal gesagt, wenn ich gewußt hätte, wohin alles führt, dann wäre ich Uhrmacher ge- worden.“ Voice over leitet eine neue Szene ein: „Energie, Gentleman, genug Energie um die Welt zu beherrschen, oder sie zu vernichten, vorausgesetzt man hat sie unter Kontrolle.“ Detailaufnahmen eines Rechners zeigen das Pictogramm der Frei- heitsstatue und Datenfolgen. Output, Sensity, Fusion ist zu lesen. (Das pro- metheische Lichtbildmedium kündigt den Auftritt der Lichtgestalten an.) Eine Gruppe Zuschauer nimmt an einem Atom-Experiment teil. (Untertitel: New Los Angeles 2031). Der Wissenschaftler Joseph Buchanan (John Hurt) kommen- tiert: „Ich überreiche Ihnen das Atom, neu und verbessert.“ Die Kamera fährt lang- sam über die mit schwarzen Brillen verdeckten Gesichter. Abwechselnd wird das Bild der Freiheitsstatue und das einer glühenden Metallsonde gezeigt, die auf das Bauwerk zugeführt wird. Eine Explosion vernichtet die Statue. Der Wissenschaftler bemerkt: „Eine Waffe von nie dagewesener Zerstörungskraft.“ Bei Corman führt - wie bei Méliès - naturwissenschaftliche Forschung zur Höllen- fahrt der Schöpfung.

Die folgende Sequenz zeigt, wie der Himmel aufreißt und aus der roten Sonne ein Engel in glänzender Rüstung auf den Wissenschaftler zureitet. Er schleu- dert seinen Sperr gegen ihn, aber der Sperr wendet sich um und fliegt zurück in den Himmel, der Reiter folgt ihm nach. Kurz darauf befindet sich der Wis- senschaftler samt seines elektronisch gesteuerten Autos in der Welt des 19. Jahrhunderts. Hier begegnen ihm Frankenstein und sein Monster, sowie Mary und Percy Shelley und Lord Byron. Der Frankenstein der Zukunft brachte in die Vergangenheit ein elektronisch gesteuertes Auto mit, das mit weiblicher Stim-

Weber, die eher die Grenzen der Dichotomie von Gut und Böse in Mary Shelleys Roman in den Rollen der verschmolzenen Protagonisten aufgehoben sah, stellte Branagh ihre ge- gensätzlichen Strukturen erneut heraus. Vgl. Weber, Doch einem wird’s gelingen, a.a.O. 1051 Corman knüpfte hier an den Erfolg der Filme Back to the Future (1984, 1989) an. 1052 Die Katastrophenfilme drängten zeitweise die klassischen Horrorfilme zurück, gingen a- ber tendenziell mit den signifikanten Elementen der Bild- und Tondramaturgie des Horror- films einher. Der Gang Außerirdischer erinnert an den Gang Frankensteins. Ebenso er- scheinen Außerirdische wie Teufelsgestalten häufig aus dem Nichts und sprechen wie Stummfilmgestalten wenig. Bisweilen kündigt der Schrei eines Nachtvogels sie an. 1053 Rot war auch bei Méliès das Bild des Weltuntergangs und in Der Golem, die Szene, in welcher der Koloß das Eisen schmiedet.

Nachtseiten des Lebens 251 me spricht. Die Frau-Maschine ist Frankensteins Braut und gleichzeitig der U- terus, in dem sich der Wissenschaftler durch die Geschichte bewegt. Das fu- turistische Computerfahrzeug wird Frankensteins Kreatur gegenübergestellt. Nicht nur der Anfang dieser Sequenz erinnert an Murnaus Faust. Eine deut- sche Volkssage, sondern auch das Monster ruft Murnaus Teufelsgestalt ins Gedächtnis. Das Monster ist bei Corman von großer Gestalt, hat kleine Hörner auf dem Kopf und blutunterlaufene, mitunter grün leuchtende Augen.

Zur Ikone des stummen Monsters wurde freilich Boris Karloff1054 in James Wha- les Frankenstein (1931). Karloff war die namenlose Kreatur, der häufig der Name ihres Schöpfers zuteil wurde.1055 Vor dem zutiefst menschlichen Ge- schöpf verblassen die Probleme von Henry Frankenstein (Colin Clive), der in Whales Film ein Deutscher ist.

Abb. 116: Die Monster-Ikone. Boris Karloff, James Whale, Frankenstein, 1931

Bei Whales, der den ersten Frankenstein-Tonfilm machte, blieb das Monster stumm.1056 Es stolpert mit ungelenkem Gang, denkwürdigen Narben und tief lie- genden Augen durch den Film. Erst in The Bride of Frankenstein (James Whale, 1935) lernt es sprechen, lesen und schreiben. Das Monster scheint im Akt des Sprechenlernens den Weg vom Stummfilm zum Tonfilm nachzuvoll- ziehen. Folglich beginnt Whales erster Frankenstein Film mit einer ‘stummen Sequenz‘. Der stumme Leichenraub wird zum metaphorischen Vorgang: Die Leiche ist wie die Fotografie, die Vorgabe für den Prozeß der Verlebendigung.

1054 Jack Pierce entwarf die Maske für Boris Karloff. 1055 Wie etwa Bride of Frankenstein (1935) 1056 Bela Lugosi, der zunächst die Rolle des Monsters spielen sollte, lehnte dies ab, weil er nicht einen einzigen Satz zu sprechen hatte.

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Abb. 117: James Whale, Frankenstein, 1931, Exposition: Der Leichenraub, Colin Clive als Frankenstein, Dwight Frye als Famulus

Die Bildinszenierung weist alle für einen Gruselfilm notwendigen Elemente auf: Der Friedhof und das geöffnete Grab bestimmen seit der Romantik den gespenstischen Schauplatz. Frankenstein und sein Gehilfe Fritz (Dwight Frye) blicken direkt in die Kamera und scheinen sich ertappt zu fühlen. Die Gleich- schaltung ihres Blicks verweist auf den gespaltenen Doktor1057, der im Mittel- punkt des Bildes bis zur Brust im Grab versunken ist. Im Hintergrund ist der Tod zu sehen. Es ist ein Skelett, umhüllt von einem Mantelcape. Das Kreuz verweist auf die drohende Gefahr und verspricht Rettung.

Nach dem die Leiche besorgt ist, soll Fritz ein passendes Gehirn beschaffen. Mit der Besorgung der Materialien (Leiche und Gehirn) strebte der Film sofort auf den Höhepunkt, die Neuschöpfung.1058 Fritz entwendet das Gehirn aus der medizinischen Fakultät. Der Lehrer Frankensteins, Professor Waldmann (Ed- ward van Sloan), erweist sich auch bei Whale als Sozialdarwinist, der aber im Gegensatz zur Figur Waldmanns in Branaghs Frankenstein im Hintergrund bleibt. (Bei Branagh pflanzte Frankenstein der Kreatur direkt Waldmanns Ge- hirn ein.) Nach Waldmanns Vorlesung wechselt das Licht und das Demonstra- tionsskelett wirft einen tiefen Schatten. Fritz irrt sich und stiehlt aus dem Gold- stadt Medical College das falsche Gehirn. Es wird zum Zeichen der ‘falschen‘ (wissenschaftlichen) Handlung. Das Bild der beiden Gehirne, die nebeneinan- der in gleichen Glasgefäßen mit den unterschiedlichen Beschriftungen normal und anormal zu sehen sind, verweist auf die Spaltung Fausts in einen dum- men und einen gelehrigen Kopf, wie es die Historia von D. Johann Fausten beschreibt. Der Griff zum anormalen Gehirn beinhaltet aber auch die Fiktion, mit dem normalen Zerebrum hätte der Versuch gelingen können.

Ein falsches Gehirn, das nicht Verrücktheit, sondern Impotenz erzeugte, ver- hinderte in Andy Warhols Frankenstein die eigenständige Vermehrung der Frankenstein Kreaturen.

1057 Sein deformierter Gehilfe läßt sich unschwer als eine Abspaltung seiner Person betrach- ten. 1058 Freilich ist auch bei Whales die Schöpfungsszene mit dem Teufelsauftritt gleichzusetzen.

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Abb. 118: Paul Morrissey, Andy Warhol’s Frankenstein, 1973, Still: P. H. Knipp-Film, Udo Kier als Baron Frankenstein, Joe Dallessandro als Nicho- las, Monique van Vooren als Katrin Frankenstein und Arno Juerging als Ge- hilfe Otto

Bei Whales wird der verwachsene Gehilfe Frankensteins zu einem unberechenbaren Dämon. Denn Fritz, der das ‘kranke‘ Gehirn nahm, verursachte die infernalische Wirkung des Experiments. Die Figur des Gehilfen Fritz (auch Karl oder Igor, wie der Gehilfe Frankensteins gelegentlich heißt) wurde in den verschiedenen Frankensteinfilmen unterschiedlich gewertet. Der Gehilfe rutschte an die Stelle von Fausts Famulus Wagner und trägt immer die Merkmale einer Teufelsgestalt. In der Hammer Produktion Frankenstein must be Destroyed (1969) transplantierte Frankenstein das Gehirn des verwachsenen Karl auf dessen Wunsch in einen schönen männlichen Kunstkörper. Hier scheint die Verwandlung des mittelalterlichen viehischen Un- holds in eine romantische Teufelsgestalt nachvollzogen worden zu sein. Meist jedoch ist Igor der unfähige Famulus, der eifersüchtig das künstliche Wesen beäugt, mitunter quält oder bedroht. Fritz und das Monster vertreten das Negative und das Dämonische der Handlungsweise Frankensteines.

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Abb. 119: James Whale, Frankenstein, 1931, Photo courtesy, The Museum of Modern Art, Film Stills Archiv

In Mel Brooks Frankenstein Junior war Igor (Marty Feldman) - verwachsen und unansehnlich - die komische Figur der Geschichte und trug alle Elemente des dämonischen Lustigmachers.1059

Die Schöpfungsszene bei Whales wurde eine berühmte Filmsequenz, über die Steve Ghilardi beispielhaft schrieb: „Die Laborszenen von Frankenstein verbanden die Faszination von elektrischen Apparaten mit einem hysterischen Frankenstein zu ei- nem unheimlichen Höhepunkt, der nie mehr wiederholt werden konnte.“1060 Die Geburt des Monsters fand ihre Darstellung in dem orgastischen Prozeß der Vereini- gung des Wissenschaftlers mit seiner Maschine, welche die Naturgewalt auf- staute und unter gewaltigen Zuckungen wieder entlud. Die Schöpfungsse- quenz weist wesentliche Elemente der Teufelsbeschwörungen aus den Faust- filmen von Méliès‘ bis Murnaus auf. Voller Erregung hatte bereits Faust Famulus Wagner in Goethes Faust II die Chemikalien auf der Feuerstelle sei- nes Laboratoriums gemischt, um einen Homunculus zu erschaffen. Seine Er- regung verlor sich auch nicht nach etlichen gescheiterten Versuchen. Bis schließlich in grellem Licht und unter rhythmischem Beben des Bodens ein Augenpaar wie glühende Kohlen erschienen und als die Dunkelheit gewichen war, stand da niemand anderes als Mephisto. Der Homunculus, die vermeintli- che Arbeit Wagners, war nichts weiter als Teufelswerk. In Whales Franken- stein vereinigt sich die wissenschaftliche Leidenschaft mit der elektrischen Energie, dem zuckenden Funken, der das Filmbild hervorbringt. In eben diesen rhythmischen Entladungen wird das Filmmonster geboren. Ein Bild, das gera- dezu metaphorisch für den Film steht. Frankenstein, der Techniker, der Opera- teur, bedient die Maschine, die den göttlichen Funken überspringen läßt, und die aus Teilen zusammengesetzte Leiche wird in Bewegung versetzt.

1059 Die Verkehrung der typischen Geräuschkulissen von Frankenstein- und Draculafilmen sorgte für eine erhebliche Komik: Beim Schöpfungsakt heulen Wölfe und erinnern an Fran- kenstein meets the Wolf Man (1943) oder House of Frankenstein (1944). 1060 Steve Ghilardi, Frankenstein, in: Lexikon des phantastischen Films, Stichwort: Franken- stein, S.3

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Abb. 120: Frankensteinmaschine, James Whale, Frankenstein, 1931

Whales zeigte einen von seiner Arbeit besessenen Frankenstein, der seine Schöpfungsmaschine liebte, aber widerwillig auf das Geschöpf blickte, das er geschaffenen hatte. Er verließ es und sperrte es ein. Am Anfang sind Erfin- dungen meist nicht perfekt, so daß mit der Niederlage eine Regression ver- bunden ist, die nun auch Frankenstein erfaßt. Sie lenkte sein Interesse zu sei- ner Verlobten Elisabeth zurück, der natürlich Gebärenden. Das verstoßene Monster befreite sich und fand in einem kleinen Mädchen, Maria - ein Kind, wie es selbst -, eine Spielgefährtin und seine erste Braut. Es trifft Maria am See- ufer, und während sie miteinander spielen, werfen sie Margeriten ins Wasser. Voller Unschuld wirft das Monster Maria hinterher. Sie ertrinkt. Mit dieser Tat entledigte sich die Kreatur nicht nur seiner Konkurrenz, dem natürlichen Kind, sondern die Gretchentragödie des Films findet sich in dieser Sequenz wieder.

Am Schluß des Films kämpft Frankenstein mit seiner Kreatur an einem Ab- hang.1061 Das Monster siegt und trägt den ohnmächtigen Wissenschaftler in ei- ne Mühle.1062 Die Mühle wird von der aufgebrachten Menge in Brand gesteckt.

1061 Der Kampf am Abgrund ist ein beliebtes Bild für die bevorstehende Höllenfahrt des bösen Protagonisten. 1062 Auch in Dreyers Vampyr findet das Showdown in einer Mühle statt.

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Ihre Flügel bilden am Ende des Films ein brennendes, mahnendes Kreuz.

In der vier Jahre später entstandenen Weiterführung der Geschichte The Bride of Frankenstein (1935), den wieder James Whale für Carl Lämmerle inszenier- te, fand nicht – wie es der Titel nahelegt - etwa Frankenstein eine neue Braut, sondern er erschuf eine Frau für das Monster.1063 In diesem Film lernte das Geschöpf sprechen1064 und rauchen, ja sogar den Umgang mit Feuer.1065 Nach seiner Flucht aus der brennenden Mühle findet das Monster Aufnahme bei ei- nem blinden Einsiedler, der ihm unvoreingenommen begegnet und es die ‘Kul- turtechniken‘ lehrt. Frankensteins Monster zeigte sich durchaus gelehrig, und auch Frankenstein schien dazu gelernt zu haben, denn dem geläuterten mo- dernen Wissenschaftler im grauen Anzug wurde nun, damit die alte Dynamik erhalten blieb, in Doktor Praetorius (Ernest Thesiger) die alte Magierfigur ge- genübergestellt. Praetorius ist damit beschäftigt in kleinen Gläschen Homuncu- li von der Art beseelter Spielkartenfiguren zu erschaffen. Eines seiner Ge- schöpfe ist ein kleiner kultivierter Teufel. Als Praetorius Frankenstein stolz sein Werk vorführt, resümiert er: „In Nummer vier gelang mir, den Teufel nachzubilden. Ich finde das Bürschchen recht seltsam. Stellen Sie nicht auch fest, daß er mir nicht ganz unähnlich ist oder schmeichle ich mir damit selber?“

Abb. 121: James Whale, The Bride of Frankenstein, 1935. Doktor Praetorius erschuf eine kleine kultivierte Teufelsfigur

Der Teufel im Glas ist mit Pelerine und Flügeln ein typischer Schwarzer Engel. Die Verbindung zwischen faustischem Wissenschaftler und Teufel greift hier auf ein bekanntes Bild zurück: Noch sitzt der böse Geist in der Flasche fest und wartet auf seine Chance. Frankenstein ist von der Produktion Doktor Prae- torius angewidert und entgegnet: „Zauberei ist das, Hexerei! Das hat mit Wissen- schaft nichts zu tun!“ Praetorius erwidert Frankenstein, er habe aus Urstoffen ei- ne Züchtung angelegt und es der Natur gleichgetan.1066 Er schlägt Frankenstein vor, daß sie gemeinsam für die Kreatur ein Weib schaffen, um eine neue Spe- zies zu züchten.

1063 Als (lästige) Braut Frankensteins kann eigentlich das Monster betrachtet werden. 1064 In Son of Frankenstein (Rowland von Lee, 1939) waren die Monster (Karloff und Lugosi) wieder stumm und knurrten nur bedrohlich. 1065 Der ‘Teufelsauftritt‘ geht wieder mit Feuer und Rauch einher. (Das Monster erlernte den Umgang mit Rauch und Feuer, während es bei einem blinden Eremiten lebte.) 1066 Praetorius hat die Homunculi nach Paracelsus geschaffen.

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Elsa Lanchester spielte in The Bride of Frankenstein die Rolle der künstlichen Frau. Voller elektrischer Kraft, die bis in die Spitzen ihres Haars reicht, lehnt sie den ihr zugedachten Gefährten ab. Am Ende sprengt das Monster sich selbst, seine Braut und Dr. Praetorius mit dem gesamten Labor in die Luft, während es Frankensteins Leben verschont. Ellen Draper betrachtete die Frankenstein- filme Whales als zentral für die Gruppe der Spielfilme, in denen „Zombie Wo- men“ erschaffen wurden, wie es in den ersten Horror-Tonfilmen häufig vorkam. Danach waren Zombie Women: „Central to this group of films, is the idea that a woman created by a man - or a man’s camera - is never fully a living creature when she is not other to him or to the film. The narcissism of these men and these films, who love images of women rather than real women other to themselves, finds its most dramatic expression in the Frankenstein films. It is in the first of these that Dr. Frankenstein... declares of his monster, ‘That body is not dead, because it has never lived. I created it. I made it with my own hands...’ There follows directly the creation scene...“1067

Eine Renaissance der Frankensteinfilme, die in den sechziger Jahren die Lon- doner Hammer-Film-Produktionsgesellschaft mit opulenten Farbfilmen einleite- te, veränderte keineswegs die Funktion der Zombie Women, sondern schrieb insbesondere in Frankenstein Created Woman (1966) erneut die Bestimmung der künstlichen Frau im Horrorfilm fest. In Frankenstein Created Woman stellte Frankenstein (Peter Cushing) zunächst einen Behälter her, in den er die Seele eines verstorbenen jungen Mannes aufbewahrte. Nach Fertigstellung eines perfekten Frauenkörpers überführte er die Seele in diesen. Das so entstande- ne Doppelwesen Christina (Susan Denberg) wird zum mordenden Vamp. Wie ein Vampir hat Christina hypnotische Macht über ihre Opfer. Parallel zum Ü- bergang der männlichen Kreatur zum weiblichen Monster wurde bei Terence Fisher aus dem wissenshungrigen Frankenstein ein dekadenter Baron. Fran- kensteins Hände waren schwarz behandschuht, und er ließ alle chirurgischen Eingriffe von seinem Assistenten Doktor Hertz (Thorley Walters) ausführen, eben seine rechte und linke Hand. Hertz war der Gefährte des Junggesellen Frankenstein, der nun Christina, Frankensteins Schöpfung, zugetan war. Christina ist ein Transvestit, der das männliche Begehren nicht mehr länger tarnt. (Christina, in der sich ein Mann verbirgt, kann auch als Bild betrachtet werden für die Inkarnation eines Filmschöpfers mit seinem weiblichen Star.)

Frankenstein-Filme erwiesen sich auch in Einzelbildern immer wieder als selbstreferentiell, wie das konservierte und separierte Augenpaar in Terence Fishers The Curse of Frankenstein (1957).1068

1067 Ellen Draper, Zombie Women. When the Gaze is Male, in: Wide Angle 1988, S. 52-62, S. 61 1068 In Fishers Frankenstein Created Woman, der erste Frankenstein-Film der Hammer Pro- duction, wurde aus dem leidenden Frankenstein (Peter Cushing) ein von Ehrgeiz fehlgelei- teter Forscher. Das Drehbuch schrieb Jimmy Sangster. Christopher Lee spielte das Mons- ter.

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Abb. 122: Terence Fisher, The Curse of Frankenstein, 1957.Das Augenpaar folgt dem Lichtstrahl

Wie zwei glühende Kohlen in der Dunkelheit erschienen Mephistos Augen Wagner in Faust II. Das Augenpaar, das der Lichtquelle folgt, ist nicht nur ein Teil des zukünftigen Monsters, sondern auch ein Hinweis auf den Prozeß des gelenkten Sehens im Kino. Das Licht ist die Quelle der Kinematographie, ein unsichtbarer Strahl, der ähnlich den elektrischen Kraftlinien eine Bewegung zu erzeugen vermag. Zahllose Augenpaare zur Herstellung von Replikanten be- wahrte in Ridley Scotts Blade Runner (1982) Chew (James Hong) im Kühl- raum auf.

Obwohl zentrale Handlungsstränge und Figurenkonstellation, meist sogar alle Bildelemente der Frankenstein-Filme, wiederkehren, brachte der Stoff unend- lich viele Abwandlungen hervor. Mitunter wurden aus einzelnen Motiven völlig neue Handlungsabläufe entwickelt, oder sie wurden mit anderen erfolgreichen Horrorgeschichten gemischt, wie etwa in Frankenstein meets the Wolf Man (Roy William Neill,1943), in dem Lon Chaney jr. einen Werwolf spielte. Das Drehbuch von Kurt Siodmak führte die verschiedenen Filmmonster zusam- men. Am Anfang des Films wurde der Wolfsmensch wiederbelebt und traf mit Frankensteins Kreatur1069 in einer Eishöhle zusammen. Beide waren sie des ewigen Lebens überdrüssig. Der Wissenschaftler, gespielt von Patric Know- les, experimentierte mit den Monstern und mit elektrischer Energie, bis er im Kampf der Filmmonster unteging. Als ein besonders kurioses Beispiel kann House of Frankenstein von Erle C. Kenton von 1944 gelten. Am Drehbuch war wieder Curt Siodmark beteiligt. Hierin kommen nur noch Frankensteins altes Labor und seine Notizen vor. Boris Karloff spielte den faustischen Wissen- schaftler Doktor Niemann, der mit seinem buckligen Gehilfen aus einer Irren- anstalt ausbricht und einen gewissen Professor Campini tötet. Campini unter- hielt ein reisendes Horrorkabinett, in dem Graf Dracula (John Carradine), (der am Ende zum Skelett zerfällt, weil er seinen Sarg nicht vor Sonnenaufgang er- reichen kann), das Frankensteinmonster (Glen Strange) und der Wolfsmensch (Lon Chaney jr.) zur Schau gestellt werden. Das filmische Spiel der Monster weist Absurditäten auf, die sich ähnlich wie der frühe Stummfilm aus der Ver- dichtung der Narration ergeben.

1069 Bela Lugosi und Stuntman Eddi Parker teilten sich die Rolle des Monsters.

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Im stummen Monster der Frankensteinfilme setzte sich der Kinematograph of- fenbar selbst ein Denkmal. Die künstliche Gestalt stolperte schweren Schritts mit zahlreichen operativen Schnitten immer wieder durch Horrorfilme und per- sonifiziert die technische Entwicklung des kinematographischen Vorgangs: Am Anfang war es ein künstliches ungelenkes Kind moderner Bildtechnik. Als stummes Zwischenwesen bewegte es sich - wie der Stummfilm - im medialen Zwischenraum. Darüber hinaus kann Frankensteins Geschöpf als dämoni- sches Wesen betrachtet werden, auch wenn es als armer Teufel im wissen- schaftlichen Fortschritt untergeht. Faustbilder und Teufelsbilder des frühen Stummfilms lösten sich eigentlich in den Bildern Frankensteins und seiner Kreatur auf. Unsterblichkeitsphantasien wurden im Bild des Monsters zur Ikone der populären Auffassungen des naturwissenschaftlichen Fortschritts und des Films gleichermaßen.

Abb. 123: Christopher Lee als Kreatur in , Terence Fisher, The Curse of Frankenstein, 1957

Abb. 124: Nick Brimble als Monster in Roger Corman, Frankenstein Unbound, 1990

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Abb. 125: Robert de Niro als Kreatur in Branagh, Mary Shelleys Frankenstein, 1994

Von 1910 bis heute wurde Mary Shelleys Frankenstein or, The Modern Prome- theus mehr als 2.600 Mal verfilmt.1070 Die kaum überschaubaren Produktionen sind keine Remakes eines großen Referenzfilms, sondern sie transportieren gewissermaßen die ‘Idee Frankenstein’. Die vielen Frankensteinfilme sind wie eine breit angelegte, populäre Serie, in welcher der Held (wie der Film) immer wieder künstliches Leben erschafft. Die Geschichte bildet quasi für die zahlrei- chen Verfilmungen nur einen Ausgangspunkt oder besser gesagt, sie ist die ‘Rahmenhandlung‘, an die sich der Zuschauer erinnert, und vor deren Hinter- grund eine neue Geschichte erzählt wird. Die Verfilmung des Romans setzte einen eigenen Narrationsprozeß in Gang, der sich durchaus mit dem sequen- tiellen Erzählen der Historia von D. Johann Fausten vergleichen läßt.

1070 Vgl. Donald Glut, The Frankenstein Catalog, North Carolina ad London 1984. Hinzu kom- men die Spuren, die allein das Frankenstein-Monster in vielen Filmen hinterließ. Bei- spielsweise in Hellzappoppin (1942), einem Film, der ganz sicher aus dem magischen Repertoire des Bewegungsbildes schöpfte, tritt das Monster aus Whales Frankenstein- Film auf. In Arsenic and Old Lace (1942) wird ein gesuchter Gangster das Opfer des Ge- sichtschirurgen Dr. Einstein (Peter Lorre). Er ähnelt nach seiner Operation der Kreatur aus Whales Frankenstein-Film. In Targets (1967) tritt Boris Karloff noch einmal in der Maske als Monster aus Whales Frankenstein-Film auf.

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„Schon gut. Wir können die Prozedur rückgängig machen Und von vorne anfangen.“1071

2. De arte cabbalistica Ein weiteres berühmtes künstliches Geschöpf, welches im deutschen phan- tastischen Stummfilm gleich mehrfach auftauchte, war der Golem. Er war eine gewaltige Steinstatue, die Rabbi Löw mittels Zauberwort, welches er in der Kabbala gefunden hatte, belebte. Drei Golemfilme (1914, 1917, 1920) gingen aus der Zusammenarbeit von Paul Wegener und Henrik Galeen hervor.1072 Für den phantastischen Stummfilm schien diese Figur schon deshalb prädesti- niert, weil die Verlebendigung eines Steines an den Film selbst erinnert, der das starre Foto in Bewegung versetzt, ferner war dem Golem die Sprache, das höchste Gottesgeschenk, versagt. Die Golemfilme gründen sowohl auf dem Golem-Mythos des Talmuds, als auch auf die romantische Erzählung Der Golem des Hoch Rabbi Löw 1073 im Stil einer alten Volkssage. Die Erzählung basiert, wie der Faustmythos, auf der Legende, die Geschichte habe sich tat- sächlich im 16. Jahrhundert ereignet. Rabbi Löw sei in einen Konflikt zwischen Renaissanceideen und jüdische Tradition geraten, der ihn dazu führte, das göttliche Gebot zu übertreten. Ort der Handlung war die Prager Altneusynago- ge, auf deren Dachboden Rabbi Löw den Golem fand, den er mit dem Zauber- wort Schem belebte. Das Wort schrieb er auf ein Stück Papier und legte es dem Golem in den Mund. Von Stunde an war die Kreatur sein treuer Diener. Als der Rabbi an einem Sabbat vergaß, ihm den Schem aus dem Mund zu nehmen, dorhte er alles zu vernichten. Im letzten Moment gelang es dem Rab- bi, ihm den Schem zu entreißen, woraufhin er zu Staub zerfiel.

Im Mittelpunkt der Erzählung stand wieder einmal ein Magier, dessen frevleri- sche Tat fast zum Weltuntergang führte. In der Kaballa1074 hatte der Rabbi das Wort Schem gefunden, welches heiliger Name oder Allwissender bedeutet. Ein Schem verleiht Macht über das dies- und jenseitige Wort.1075 Gott hatte die Welt mit Worten aus dem Nichts erschaffen, folglich konnte das richtige, heilige Wort die Formel des ewigen Lebens preisgeben. Im Talmud wurde schon A- dam, bevor ihn der Hauch Gottes belebte, als Golem bezeichnet. Dies war ein „totes Lehmgefüge“, ein leeres Steingefäß dazu geschaffen, auf göttliche Besee- lung zu warten. Es war eine Tonhülle aus der die immer wiederkehrenden, un- endlich reproduzierbaren Doppelgänger des Schöpfers hervorgingen. Mißtrau- isch hatten die Engel schon den Golem betrachtet, aber als sie erkannten, daß Adam sich im Gegensatz zu ihnen fortpflanzen konnte, wurde ihre Gegner- schaft haßerfüllt. Adams Zeugungskraft war freilich der Schöpfungskraft des Allmächtigen weit unterlegen und eine schwache Imitation der Gottesschöp- fung aus dem Golem, da „Gott selber.. in dem neugeborenen Menschen triumphier- te“.1076

In Der Golem (1914) spielte Wegener erstmals den steineren Koloß, der spä-

1071 Harry Mulisch, Die Prozedur, München, Wien 1999, S. 61 1072 Auch der Golem-Stoff wurde wieder verfilmt, u.a. von Julien Duvivier. Er drehte 1936 die Tonfilm-Version Le Golem. 1073 Vgl. Eduard Petiska, Der Golem – Jüdische Sagen und Märchen aus dem alten Prag, Prag 1992 1074 Gershom Scholem, Zur Kabbala und ihrer Symbolik, (1960) Frankfurt am Main 1995 1075 Vgl. Held, Das Gespenst des Golem, München 1927, S. 180 1076 ebd. S. 33

262 Nachtseiten des Lebens ter sein Markenzeichen wurde. An der Kamera stand Guido Seeber. Von dem als verschollen geltenen Film blieben etwa 30 Sekunden erhalten, die - rot vira- giert - eine Schmiede zeigen, in der das Schmiedefeuer lodert. Rabbi Löw (Al- bert Steinrück) betritt die Schmiede, und der Golem folgt ihm. Er hält seinen kräftigen Diener zur Arbeit an, Hammerschläge lassen Eisenfunken sprühen. Übernatürlichen Kräfte scheinen gezähmt wie das Schmiedefeuer. Der Inhalt des Films wird unterschiedlich pointiert erzählt.1077 Grob zusammengefaßt er- wirbt ein Antiquitätenhändler eine antike Lehmstatue und ein magisches Buch. Er belebt den Golem, in dem er ihm den Schem, in ein Pentagramm1078 einge- schlossen, in die Brust drückt. Der Golem soll auf Jessica (Lyda Salmonova), die Tochter des Antiquitätenhändlers, aufpassen. Als er merkt, daß sie eine Romanze mit einem Grafen hat, bedroht er das Paar, das sich vor ihm auf ei- nen Turn flüchtet. Im Moment höchster Bedrohung, gelingt es Jessica, ihm den Schem zu entreißen. Der Golem stürzt in die Tiefe und zerschlägt in tausend Scherben.1079 Zerrissen zwischen Auftrag und Verlangen erkannte der Golem seine nichtmenschliche Existenz an der rohen Abwehr, die Jessica seinen Ge- fühlen entgegenbrachte. Auch hier vertritt das Liebespaar1080 – wie meist im Horrorfilm - romantische Liebesvorstellungen. Die Liebe steht in einem ver- kehrenden Verhältnis zum Begehren des Bösen.

In Der Golem und die Tänzerin (1917), Wegeners zweitem Golem-Film, ‘ver- kleidete‘ er sich als Golem und persiflierte diese Rolle. Lyda Salmonova spielte die Tänzerin Olschewska, die sich eine Golem-Statue als Diener wünscht.1081 Drei Jahre später schrieb Wegener mit Galeen einen neuen Golemfilm, Der Golem, wie er in die Welt kam (1920). Gemeinsam mit Carl Boese führte We- gener Regie und trat wieder als Golem auf. An der Kamera stand Karl Freund. Schwerpunkt der folgenden Beschreibung dieses phantastischen Stummfilms ist seine Bedeutung als Faustfilm.

Entsprechend der romantischen Erzählung spielt der Film im 16. Jahrhundert. Rudolf II. erläßt eine Verfügung gegen die Prager Juden, woraufhin Rabbi Löw (Albert Steinrück) mit Hilfe seines Famulus (Ernst Deutsch) die Steinstatue be- lebt. Ein grün viragiertes Bild zeigt die Giftküche des Magiers. Er schlägt ein al- tes Buch auf. Während seine Hand auf dem Folianten liegt, steigt aus dem Al- chemistenofen Rauch auf.1082 Löw malt Kreise mit seinem Zauberstab Kreise in

1077 Zur Liebesgeschichte zwischen Jessica und dem Grafen, vgl. Rolf Giesen, Sagenhafte Welten. Der phantastische Film, München 1990, S. 20-21. 1078 Ein Pentagramm ist ein magisches Zeichen. Der, in einem Strich gezeichnete, aus drei gleichschenkligen Dreiecken (ohne Grundlinie) zusammengesetzte, fünfstrahlige Stern ist ein mystisches Sinnbild des Weltalls, der fünf Sinne, der Extremitäten der Menschen und der fünf Buchstaben des Namens Jesus. Zum Pentagramm vgl. Faust - Annäherung an einen Mythos, hrsg. v. Frank Möbus, Friederike Schmidt-Möbus, Gert Unverfehrt, (Ausstel- lungskatalog) Göttingen 1995, S. 49 sowie Wörterbuch der deutschen Volkskunde, a.a.O., S. 873 1079 Bei Jung, Weil, Seeßlen hieß es: „Zur Vernunft gebracht wird der Golem schließlich durch ein von dem Mädchen ausgesprochenes magisches Wort, das bei ihm die Er- kenntnis auslöst, daß er nur zum Zweck der Verteidigung ins Leben gerufen wurden darf. Der Golem stürzt sich von einem Turm und zerspringt in Scherben.“ Jung, Weil, Seeßlen, Der Horrorfilm, a.a. O., S. 164 1080 Die Rolle des Liebespaares im Horrorfilm wird in Jim Sharmans The Rocky Horror Picture Show (1974) satirisch hervorgehoben. 1081 Nach Neumann erregte „der wohl eher parodistisch gemeinte Streifen (..) bei seiner Premiere weniger Aufsehen als der Erstling und gilt heute bis auf einige erhaltene schriftliche Aufzeichnungen und Standphotos als verschollen.“ Hans Joachim Neu- mann, Der Golem, wie er in die Welt kam, Lexikon des Phantastischen Films, 4. Erg. Lfg. (1987), S. 5 1082 Nebel, Dunkelheit oder Unklarheit begleiten nicht nur Teufelserscheinungen, sondern auch flashbacks. Der Wechsel in andere Räume oder andere Zeiten bekommt hierdurch einen magischen Touch.

Nachtseiten des Lebens 263 die Luft, diese beginnen zu brennen und zu tanzen. Ahnlich wie in der Historia von D. Johann Fausten beschrieben, fliegen sie als Feuerkugeln im Raum umher. Der Geist Aemet erscheint, dann taucht ein monströses Gesicht aus dem Dunkeln auf - eine Laterna magica Vorführung. Lotte Eisner erinnerte sich dieser Bilder, als sie den Teufelsauftritt in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage (1926) sah. Sie schrieb: „Die Beschwörungsszene mit ihren magischen Feuerkreisen, die stärker wirkt als die ähnliche Szene in Murnaus Faust, ist völlig auf Lichteffekte eingestellt. Das phosphoreszierende Antlitz des Dämonen mit den traurig leeren Augen fließt wie im Nichts daher, wird plötzlich an den Rand der Leinwand zu ei- nem gigantischen Asiatenmaske, zu einer packenden Drohung - die Macht der Vision ist hier bis zum Äußerten gesteigert.“1083

Abb. 126: Paul Wegener und Henrik Galeen, Der Golem, wie er in die Welt kam, 1920. Der Geist haucht das Zauberwort

Rauch tritt aus dem Mund des Geistes und formt das Zauberwort. Der Rabbi schreibt das Wort auf und drückt es, eingeschlossen in ein Pentagramm, dem Steinkoloß in die Brust. Der Golem schlägt die Augen auf.

1083 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 51

264 Nachtseiten des Lebens

Abb. 127: Paul Wegener als Golem, Albert Steinrück als Rabbi Löw, Ernst Deutsch Famulus, Rabbi Löw und sein Famulus beleben den Golem

Löw sucht um eine Audienz beim Kaiser nach und wird zum Rosenfest einge- laden. Er nimmt den Golem mit, der erstaunt von den Hofdamen betrachtet wird. Eine schenkt dem Golem eine Rose. Dies kann freilich, ähnlich wie die Rosenszene in Dawleys Frankenstein (1910), als Hinweis auf die Rose des Paracelsus betrachtet werden. Die Rose, die der Golem an sein Gesicht führt, wird hier zum Zeichen seines erwachenden Begehrens.

Dazu aufgefordert, unterhält der Rabbi die Festgäste mit allerlei Zaubertricks. Ein Lachverbot1084 begleitet eines seiner Kunststück, welches den Auszug sei- nes Volkes aus Israel in bewegten Bildern zeigt. Aus der magischen Bildwelt bickt Ahasver bedrohlich heraus. Der Hofnarr fühlt sich zu einem Scherz her- ausgefordert, so daß alle in lautes Gelächter ausbrechen. Direkt beginnt die Erde zu beben, der Palast stürzt ein und der Kaiser (Otto Gebühr) gerät in Le- bensgefahr. Er wird vom Golem gerettet, der die Decke abstützt. Zum Dank nimmt der Kaiser die Verfügung zurück. Der Rabbi hat sein Ziel erreicht und reißt dem Golem den Schem heraus.

Parallel verliebt sich Miriam (Lyda Salmonova), die Tochter des Rabbis, in den Grafen Florian (Lothar Müthel), der das Dekret ins Ghetto brachte. Als der Fa- mulus von einem Schäferstündchen der beiden erfährt, belebt er den Golem erneut und befiehlt ihm, Florian zu töten. Der Golem tötet zwar den Grafen, be- ansprucht aber Miriam für sich.

Abb. 128: Paul Wegener, Lydia Salmonova als Miriam. Der Golem bean- sprucht Miriam für sich

Im Kampf zwischen Famulus und Golem kann zwar Miriam entkommen, aber das Labor geht in Flammen auf, und tobend zieht der Golem vor das Ghettotor. Erschrocken läuft eine Kinderschar davon, nur ein kleines Mädchen bleibt zu-

1084 Rabbi Löw schien mit dem Verbot des Lachens Macht und Autorität demonstrieren zu wol- len. Vgl. hierzu auch Umberto Eco, Im Namen der Rose, München, Wien 1982 und die Ver- filmung des Stoffs von Jean-Jacques Annaud (1985/86).

Nachtseiten des Lebens 265 rück. Als der Golem es hochhebt, nimmt es spielerisch den Schem aus seiner Brust, und er sackt leblos zu Boden. Famulus, Löw und Miriam fallen einander erleichert in die Arme.

Nach Kaes war der Antisemitismus des Films allzu offensichtlich. Kaes stellte heraus: „Die Juden erscheinen hier als gänzlich Fremde und darum furchteinflößende Elemente innerhalb der christlichen Gemeinschaft: Sie leben in ihrem dunklen Ghetto, durch ein riesenhaftes Tor abgesondert von der übrigen Gesellschaft, sie praktizieren Astrologie, Alchemie und Teufelsbeschwörung... Wenn sich am Ende des Films, nach dem ein blondes Christenkind den dunklen Golem durch Zufall entmachtet hat, das große Tor des jüdischen Ghettos wie von alleine schließt, bleibt die Kamera auf dem Feld davor bewegungslos stehen: Der Spuk ist vorbei, die Juden sind wieder in ihr Ghet- to zurückgekehrt... die Grenzen zwischen Ghetto und christlicher Stadt gewahrt.“ 1085 Neumann zufolge veranschaulichte die „wuchernd-organische Architektur“ den „be- engten Lebenszustand der Bewohner“ und machte „das niedergezwungene Dasein... sinnlich erfaßbar.“1086 Die filmische Darstellung eines von Pogromen bedrohten Volkes, welches den Golem als hilfreichen Geist einsetzte, war nach Neumann kein überdauerndes Filmmotiv. Von Dauer schien ihm dagegen der Golem als magische Figur, die im Monster Frankensteins überlebte. Fehlgeschlagene Technik und Wissenschaft vermochten einem aufgeklärten Publikum eher Angst einzujagen als die Magie der Kabbala.“1087

Die Geschichte spielt in einer düsteren Ghettowelt mit engen Gassen und windschiefen Häusern. Über diese Kulisse schrieb Lotte Eisner, es sei ein „go- tischen Traum“.1088 Hans Poelzig1089 hatte mit seinen Bauten die Atmosphäre Prags im 16. Jahrhundert unter der Herrschaft Rudolf II. einfangen wollen. Die unwirkliche Steinarchitektur scheint wie in fließender Bewegung erstarrt, so als habe sich die Lava des Höllenfeuers über das Ghetto ergossenen.

Das entscheidende Motiv des Films verbirgt sich in der Darstellung der Stein- magie, die sowohl den Golem als auch die Stadt beseelt. Steinmagie war pri- märer Teil der Alchemie, welcher der Stein galt als Panazee galt..1090 Er wurde als heilendes Medium mit Universalkraft betrachtet. Alle Alchemisten suchten nach dem Stein der Weisen - eine durch Pulverisierung und Mischung ange- strebte Stoffumwandlung. Das Opus Magnum aller Transmutationsprozesse war aber weit mehr als die Veränderung von Materie, denn sie verkörperten gleichsam „das mystische Drama des Gottes - sein Leiden, sein Tod, seine Auferste- hung - das auf die Materie projiziert wird, um sie zu wandeln. Mit einem Worte, der Al- chemist behandelt die Materie genau so wie der Gott in den Mysterien behandelt wurde: Die mineralischen Stoffe `leiden`, `sterben` und `auferstehen` zu einer neuen Daseins- form, das heißt, sie werden verwandelt.“1091 Schon vor dem Christentum wurde

1085 Anton Kaes, Film in der Weimarer Republik, in: Geschichte des deutschen Films, hrsg. v. Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler, Stuttgart, Weimar 1993, S. 39-100, S. 51f 1086 Neumann, Der Golem, a.a.O., S. 7 1087 Ebd. S. 8. (Im Juni 1998 kündigte Bernd Eichinger ein Neuverfilmung des Golem an.) 1088 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 51 1089 Hans Poelzig hatte zuvor für Max Reinhardt den Zirkus Schumann als Schauspielhaus umgebaut, auch in Der Golem, wie er in die Welt kam ging es ihm um „Raum- und Tiefen- wirkung“. Vgl. Jürgen Kasten, Der expressionistische Film, Münster 1990, S. 34. Elfriede Ledig untersuchte den „architektonischen Code“ der Golem-Filme und verglich die ‘Schöp- fungsmaterialien‘ Lehm und Stein miteinander. Elfriede Ledig, Paul Wegeners Golem- Filme im Kontext fantastischer Literatur, München 1989 1090 Karl Hoheisel, Christus und der philosophische Stein. Alchemie als über- und nichtchrist- licher Heilsweg, in: Die Alchemie in der europäischen Kultur- und Wissenschaftsgeschich- te, hrsg. v. Christoph Meinel, Wiesbaden 1986, S. 61-85 1091 Eliade, Schmiede und Alchemisten, a.a.O., S. 158

266 Nachtseiten des Lebens

Stein mit Zeugungskraft in Verbindung gebracht, wie es auch der Name des fliegenden Götterboten Hermes belegt.1092 Hermes wurde ursprünglich als Steinphallus verehrt, aus dem sich später „die vierköpfige Steinsäule, die ‘Herme’, als Bild des Gottes entwickelte.“1093 Die Vorstellung, Stein könne belebt werden oder Leben enthalten, floß in viele Mythen und Märchen ein.1094 Den Al- chemisten schien das Geheimnis des Lebens in den Metamorphosen des Steins verborgen. Beispielhaft verkörperte Lava einen transmutierten Stein, da sie als Feuer auf die Erde traf, erstarrte und fruchtbaren Boden hinterließ.

In Roberto Rossellinis Viaggio in Italia wurde der Zuschauer Zeuge, wie ein zu Stein erstarrtes Paar in Pompeji ausgegraben wurde. Ein Motiv, das schon in Marcel Carnés Film Les Visiteurs du Soir (1942) zu finden war. In The Palace of the Arabian Nights zeigte Méliès bereits 1905 ein Steinmonster. In Super- man (Donner, 1978) kann ein Stein des Planeten Krypton Supermans Kraft brechen und in 2001: A Space Odyssey (Kubrick, 1968) geht alle Schöpfung von einem magischen Stein aus. Stein thematisiert die Magie des Mediums. Schon Steintafeln bewahren in ihren eingeschlagenen Schriftsymbolen magi- sche Zeugnisse lebendigen Seins. Im Grabstein veranschaulicht sich das ma- gische Wesen von Schrifttafel und Stein gleichermaßen, wie es in Der Student von Prag (Rye, 1913) zum Ausdruck kam. In diesem Phantastischen Stumm- film wurde der Grabstein Zeichen der Magie des Steins und der Magie des Films. Die Steinmagie, welche Wegener in den Golem-Filmen verkörperte, verband sich mit seiner Auffassung, Film sei ein magisches Medium. Ausge- hend von der Scherzfotografie eines Mannes, der mit sich selbst Karten spielt1095, beschrieb Wegener die Fotografie als einen magischen Spiegel. Nach Holba inszenierte Wegener sich sogar selbst und seine Filme „aus der Perspek- tive eines Magiers.“1096

Auf Fotos erscheinen Menschen wie zu Stein erstarrt und der Film setzte sie – wie den steinernen Golem - in emotionslose Bewegung. Das steinerne Kind des Lichts war zur Personifizierung des Films als schwarze Kunst geworden. Plot und Technik ergaben zusammengenommen den magischen Aspekt des Films, wie es Wegener 1916 erklärte: „Der eigentliche Dichter des Films muß die Kamera sein ... die Technik des Films muß bedeutsam werden für die Wahl des Inhalts .. (mit) der Idee des Golems kam ich noch mehr in das Gebiet des rein filmmäßigen hinein - hier ist alles aufs Bild gestellt auf das Ineinanderfließen einer Phantasiewelt vergangener Jahrhunderte mit gegenwärtigem Leben - , und immer klarer wurde mir die eigentliche Bestimmung des Films, die Wirkungen allein aus der photographischen Technik heraus zu suchen.“1097

Als Verkehrung der Vorstellung vom Golem erscheint die Fiktion eines anderen künstlichen Wesens, das als Homunculus im Phantastischen Stummfilm Kar- riere machte. Schon der Titelholzschnitt des Buches Der Zauber Teuffel1098

1092 Hermaios bedeutet Stein oder Steinhaufen. 1093 Rosenberg, Engel und Dämonen, a.a.O., S. 24 1094 Wie etwa das Bild vom Stein, der sich erweichen läßt und aus dem Blut oder Wasser fließt. In dem Märchen Das tapfere Schneiderlein wird Stärke daran gemessen, ob Wasser aus einem Stein gedrückt werden kann. Auch der Mythos der Medusa wird von Steinmagie getragen. 1095 Ein Bild, welches in Der Student von Prag (1913) verwendet wurde. 1096 Herbert Holba, Günter Knorr und Peter Spiegel, Reclams Deutsches Filmlexikon, Filmfüh- rer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, Stuttgart 1984, S. 399 1097 Wegener hielt den Vortrag im April 1916 in der Berliner Sing-Akademie. Vgl. Filmstadt Ba- belsberg. Zur Geschichte des Studios und seiner Filme, hrsg. v. Axel Geiss (Filmmuseum Potsdam), Berlin 1994 und Paul Wegener. Sein Leben und seine Rollen, hrsg. v. Kai Möl- ler, Hamburg 1954 1098 Vgl. Abb. 6

Nachtseiten des Lebens 267

(Ludouicum Milichium1566) zeigte einen Magier, der einen winzigen Homuncu- lus, eine Art Embryo, in einer Flasche betrachtet. In Goethes Faust II war der von Wagner geschaffene Homunculus ‘reiner Geist’, der in einer Flasche fest saß und von einer Nährlösung lebte. Im Gegensatz zum Golem schien ein Homunculus nicht die geringste körperliche Kraft zu besitzen. Er ist, wie es sein Name verrät, ein Diminutivum, ein „Menschlein“, ein „schwaches Erden- kind“.1099 Golem und Homunculus sind durch die Bedeutung des Wortes Golmi miteinander verbunden. Golmi bedeutet Embryo, aber „auch formlose Masse (et- wa Ungestaltetes)“.1100 Der Golem ist im seelenlosen Zustand ein leeres Tonge- fäß, das bereit steht, eine Seele aufzunehmen, während der Homunculus formlose denkende Materie vorstellt. Eine Phantasie, die ebenso für den phan- tastischen Spielfilm prädestiniert erscheint. 1101

Aus dem körperlosen Geist wurde in der sechsteiligen phantastischen Filmse- rie Homunculus1102 von Otto Rippert ein künstlicher Idealmensch. Während des Ersten Weltkrieges entstand eine ganze Serie von Homunculus-Filmen. Dies waren Homunculus (Teil 1), Das geheimnisvolle Buch (Teil 2), Die Liebestra- gödie des Homunculus (Teil 3), Die Rache des Homunculus (Teil 4), Die Ver- nichtung der Menschheit (Teil 5) und Das Ende des Homunculus (Teil 6).1103 Homunculus entstand im Labor von Professor Hansen und seines Assistenten Rodin.1104 Aus dem Laborbaby entwickelte sich ein stattlicher Mann mit überna- türlichen Kräften, der zunächst nichts von seiner Künstlichkeit wußte und als Richard Ortmann ein bürgerliches Leben führte. Als er erfuhr, daß er ein künst- liches Wesen war, fühlte er sich ausgestoßen und sann auf Rache. Er wende- te sich zwar nicht direkt gegen seinen Schöpfer, aber heiratete dessen leibli- che Tochter und trieb sie in den Selbstmord. Schließlich wurde er Diktator und zettelte Krieg an, aber bevor die Katastrophe eintreten konnte, wurde er vom Blitz erschlagen. Kracauer schrieb über Homunculus, er sei „ein Mensch ohne Seele, ein Diener des Teufels, ein Ungeheuer.“1105 Homunculus alias Richard Ort- mann ist eine weitere gespaltene Teufelsfigur, und ähnlich wie in Max Macks Der Andere (1912) verbirgt sich hinter bürgerlicher Fassade sein dämonisches Wesen. Von Ripperts Serie blieb nur der vierte Teil, Die Rache des Homuncu- lus, erhalten. Die folgende Darstellung untersucht die Funktion Homuculus‘ als Prototyp der Teufelsgestalt des Phantastischen Films im Vergleich zu den Figuren Golem und Frankensteins Monster.

Die Rache des Homunculus1106 beginnt mit einem Porträt Homunculus‘ (Olaf

1099 Vgl. Stichwort, Homunculus, in: Lateinisches-Deutsches Schulwörterbuch (1898), a.a.O., S. 345 1100 Vgl. Johann Buxtorfi, Lexikon Hebr. et. Chald, Golem, Zit. n. Held, Das Gespenst des Go- lem, a.a.O., S. 19: 1101 Vgl. hierzu den Phantastischen Film Donovan‘s Brain (1953), den Felix Feist nach einer Novelle von Curt Siomak inszenierte. 1102 Bioscop hatte die Serie produziert, für die Otto Rippert nach einem Roman von Robert Reinert auch das Drehbuch schrieb. Carl Hoffmann war der Kameramann. Insgesamt war das Serial 9136 Meter lang. Es wurde 1920 auf 6315 Meter gekürzt und erneut, nun in drei Teilen, in die Kinos gebracht. 1103 Hahn und Jansen betrachteten Ripperts Serie als erstes Hauptwerk der Science Fiction- Filme, in denen „wissenschaftliche Spekulationen mit philosophischen und soziologischen Fiktionen“ verbunden wurden. Homunculus gilt als Auftakt „des deutschen expressionisti- schen Films.“ Ronald M. Hahn und Volker Jansen, Lexikon des Science Fiction Films, München 51992, S. 378 1104 Der Name Rodin erinnert an den Bildhauer Auguste Rodin, der Menschenskulpturen aus Stein oder Metall schuf. 1105 Zit. n. Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 38 1106 Der Film beginnt mit der Schrifttafel: „Richard Ortmann, der künstliche Mensch, hatte nach seinen bitteren Enttäuschungen aufgehört, an Menschenliebe zu glauben, desto klarer

268 Nachtseiten des Lebens

Fonss, welches Lotte Eisner so beschrieb: „Laboratoriumsgeschöpf Homunculus ersteht vor unseren Augen dank schärfster Kontrastwirkung; sein bleiches Gesicht, die verkrampften weißen Hände prallen aus dem Dunkel heraus, werden durch schwarzen Radmantel, den hohen Zylinderhut, die schwarze gewundene Kragenbinde zu stärksten Akzenten.“1107 Licht fällt von unten auf Gesicht und Hand. Am kleinen Finger trägt er einen gewichtigen Siegelring, neben ihm steht ein Globus. Mantel, Weltkugel und Ring stehen als Insignien irdischer Macht dem dämonisierenden Licht und dem schwarzen Bildhintergrund entgegen - Inszenierungen, die auf dunkle Mächte verweisen. Die helldunkel Kontraste nehmen wie bei Jérôme Davids Faustporträt1108 die Gespaltenheit der Figur auf. Homunculus hebt den Kopf und blickt direkt in die Kamera, aber dem künstlichen Leinwandwesen ist der spie- gelnde Blick ins Publikum versagt. Das nächste Bild zeigt ihn als Richard Ort- mann in seinem Arbeitszimmer. Er steht in der Mitte einer großen Bibliothek. Sein Diener legt ihm den schwarzen Mantel um. Er setzt einen Zylinder auf – die Kleidung des Magiers wird zum Zeichen bürgerlicher Existenz, nicht ohne auf dunkle Absichten zu verweisen.

Die folgende Einstellung zeigt ihn auf dem Weg ins Parlament. Eine breite Treppe1109 führt zu seinem Thron hinauf. Auf beiden Seiten der Treppe stehen oder sitzen Männer in schwarzen Anzügen und blättern in Akten. Auf der Trep- pe begegnet ihm sein Widersacher Sven Fredland (Theo Loos), der, wie es schon sein Name sagt, ein Vertreter des Friedens ist. Homunculus setzt sich auf den Thron. Fredland fleht ihn an, Liebe und Gerechtigkeit zu wahren. Arbei- ter kommen ins Bild, denen Fredland die Hand gibt, während sich Homunculus ihnen entgegenstellt. 1110 Unvermittelt tritt - im Stil der frühen Faustfilme - eine junge Frau ins Bild. Es ist Margot (Mechthild Thein), die von Ortmann faszi- niert ist und ihm heimlich nach Hause folgt. Heimlich liest sie in seinem Tage- buch: „Ich bin kein Mensch wie die anderen. Die Stätte meiner Geburt ist ein chemi- sches Laboratorium. Dem Einfall eines Gelehrten verdanke ich mein Leben. Meine El- tern sind die Retorte und Mixturen eines Forschers.“ Der Zwischentitel leitet eine Rückblende ein, die drei Ärzte zeigt.1111 Einer kniet am Boden und hält dem Wissenschaftler Hansen, ein gütiger, älterer Herr mit Bart, das gewickelte Kind entgegen. Rodin steht daneben und lächelt wohlwollend. Im Hintergrund des Bildes ist ein modernes Labor auf die Wand gemalt. Mit der Übergabe des Kin- des endet die Rückblende.

Margot schleicht zu dem schlafenden Homunculus ins Schlafgemach und fällt mit gefalteten Händen vor ihm auf die Knie. (Zwischentitel: „Gleich wie einem Hund folgt Margot seit jener Nacht Richard Ortmann.“) Am nächsten Tag kriecht sie auf allen Vieren hinter Homunculus her und zupft an seinem Mantelsaum. Er reißt ihr das Cape aus der Hand, wirft es über die Schulter und setzt ungerührt seinen Weg fort. Sie folgt ihm, bis er auf einem Felsen stehenbleibt. Sein schwarzer Umhang flattert im Wind. Er zitiert Margot zu sich hin: (Zwischenti- tel) „Was willst du von mir, warum verfolgst du mich? - Margot kniet vor ihm. (Zwi- schentitel: „Viele Frauen hingen sich an mich und schworen mir ewige Liebe. Ich weiß aber längst, wie eure Liebe beschaffen ist.“ – „Ich hänge mich an Dich, weil ich weiß wer du bist Homunculus.“- „Niemand darf wissen wer ich bin. Du mußt sterben Weib.“ – „Ich sterbe gern um dir zu dienen.“) Er ballt die Faust. Eine Totale zeigt Homunculus

stand sein Ziel vor ihm, die Vernichtung der Menschheit.“ 1107 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 105 und S. 26 1108 vgl. Abb. 3, Jérôme David, Doctor Faustus, um 1645, Kupferstich 1109 Das Bild der Treppe kann als Allegorie sozialen und psychischen Auf- und Abstiegs gel- ten. 1110 Zwischentitel: „In den Tod mit den Unzufriedenen! Der Weg zur Größe ist die Gewalt.“ 1111 Sie bilden ein Dreieck – die Heilige Dreifaltigkeit.

Nachtseiten des Lebens 269 als Mantelsäule im Hintergrund des folgenden Bildes, auf dem im Vordergrund das Volk durcheinanderläuft.

Abb. 129: Otto Rippert, Die Rache des Homunculus, 1916, Olaf Fonss als Homunculus

Im Verlauf der Handlung läßt Homunculus Fredland in ein Verlies sperren und wie Prometheus an einen Felsen ketten. Als Fredland stirbt, verrät Margot Ho- munculus‘ wahre Identität. Er wird überwältigt und selbst im Verlies angekettet, aber er reißt sich mit übernatürlicher Kraft los und zündet mit magischer Geste Feuer an. Durch das Feuer hindurch geht er ins Freie, wirft die Ketten ab und ballt seine linke Hand zu einer erhobenen Faust.

Die Uraufführung des ersten Homunculus Films fand im August 19161112 mitten im Ersten Weltkrieg statt. Die Geschichte des künstlichen Wesens, das zu- nächst bieder lebt und dann Haß gebiert, wird zum Sinnbild des Krieges. Ho- munculus kann als Volksvertreter der Zwietracht, des kollektiven Hasses und der Katastrophen betrachtet werden. Die geistige Erschütterung des Ersten Weltkrieges verschaffte sich in dieser Figur ein passendes Bild. Nicht nur der schwarze Mantel macht ihn zur Personifikation des Krieges, sondern er kommt als Racheengel auf die Erde und ist das aus allen Menschen abgeson- derte Böse, das schließlich zum Krieg führt. Voll Verbitterung schwingt sich Homunculus zum Volksführer auf, der die Massen manipuliert, indem er die Seiten gegeneinander aufwiegelt. Die Arbeiter werden als Revolutionäre zu- rückgewiesen. Haß stellt die Grunderfahrung des Films dar. Homunculus ver- körpert das Element der Zwietracht. Man will aber im Krieg keine Zwietracht nach innen, sondern den äußeren Feind gemeinsam abwehren.1113 Homuncu- lus, das künstliche Geschöpf, ist Sprachrohr dieses Geistes. Er hat seine ur- sprünglichen lauteren Motive verloren und durch Intrigen ersetzte.

Der Warner Fredland will für den Burgfrieden innerhalb des eigenen Volkes sorgen. Es soll keine Aussöhnung nach außen stattfinden, sondern eine

1112 Hans Helmut Prinzler, Chronik, 1895-1993, Ereignisse, Personen, Filme, in: Geschichte des Deutschen Films, hrsg. v. Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler, Stuttgart, Weimar 1993, S. 519-558, S. 522 1113 1914 wurden Arbeiter in den Krieg geschickt. Der Kaiser sagte, er kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. Die Bourgeoisie und die organisierte Arbeiterpartei ver- binden sich.

270 Nachtseiten des Lebens

Kampfbereitschaft nach innen gestärkt werden. Entstanden in der Retorte der Filmindustrie1114 als Bild des Krieges, wird Homunculus am Ende durch Gottes Hand vernichtet. Mehr als alle anderen künstlichen Wesen ist Homunculus ein Zwischenwesen. Er ist wie Prometheus weder Gott noch Mensch. Angebetet wie ein Gott und verraten wie ein Verbrecher, wird er zum Menschenhasser. Verbunden mit der diabolischen Macht des Schwarzen Engels ist er der Herr über das Feuer, das er mit den Händen zu erzeugen vermag. Homunculus ist ein schwarzer Racheengel, der das ewige Feuer der Intrigen anzuzünden weiß. Ihm wird zwar wie Faust Liebe zuteil, aber diese rettet ihn nicht. Die Lie- be der Frau entspricht biblischer Bestimmung. Geschaffen aus einer Rippe des Mannes ist sie nur ein Untertan, ein kriechender Hund, der seinem Herrn nachschleicht. Aber im Moment seiner Zuneigung und seines Vertrauens wird sie zur Schlange und Verräterin.

Siegfried Kracauer betrachtete Homunculus als Vorläufer der späteren Fran- kenstein-Filme. Die Parallele der Filme lag in der qualvollen Erkenntnis ihrer Künstlichkeit und in ihrer gnadenlosen Verfolgung durch die Menschen. Aber im Gegensatz zu Frankenstein, der ein körperlich deformiertes Wesen, eine mißlungene Kreatur, schuf, gelang es Professor Hansen, mit Homunculus ei- nen Idealmenschen zu erzeugen. Frankensteins Kreatur blieb an ihren Schöp- fer gebunden und nahm allein an ihm Rache, während sich Homunculus - wie auch der Golem – gegen alle Menschen richtete. Nach Kracauer1115 war Ho- munculus eine Gestalt wie der Golem oder wie Caligari.1116 Der Golem wütete ebenso blind gegen die Menschen, und Caligari war ein ähnlich sadistischer Diktator wie Homunculus. In den „Bildern äußerster Zerstörung“ sah Kracauer ei- nen „grundsätzlichen Nihilismus“ angelegt, der die „Vorzeichen des Untergangs wider- spiegelte, in den sie münden sollten...Im Deutschland der Nazis (ging) der leibhaftige Homunculus (..) um.“ Ripperts Homunculus hatte einen zentralen Stellenwert in Kracauers Filmtheorie, die von Caligari zu Hitler führte, als sei Hitler eine Figur des Horrorfilms.1117

Indem Kracauer die diabolischen Gestalten des Phantastischen Films mit Hit- ler und dessen Schergen verglich, stülpte er die Idee der teuflischen Magie des Bewegungsbildes über die geschichtliche Realität und erklärte damit auch Hit- ler zu einem magischen Teufel. In der Historia von D. Johann Fausten hieß es: „Was zum Teufel will, läßt sich nicht aufhalten.“ Nach Kracauer waren die schauer- lichen Filmbilder der bizarre Hintergrund für das kommende Inferno des wirkli- chen Grauens, der Verlebendigung des Teufels. Kracauer stellte seine Film- analyse unter das prometheische Prinzip und arbeitete die faustische Position des Films auf der Ebene der Theorie heraus, denn der Aussage des Volks- buchs gemäß folgt ja der Verinnerlichung des Bösen dessen Veräußerung. Die Filmbilder bewegten das Grauen, bevor es lebendig wurde, wer will also aus- schließen, daß die Protagonisten nicht das Bewegungsbild verlassen konnten?

1114 Ludendorf initiierte die Ufa 1917 im unmittelbaren Kriegseinfluß. Propagandafilme für Kriegsanleihen standen ebenso im Programm, wie die Aufrechterhaltung der Kriegsmoral. Zur Ufa zusammengeschlossen wurden die deutschen Tochtergesellschaften der däni- schen Nordisk Film, der Messter-Konzern, die Mehrheitsanteile der Projektions AG Union mit einer Lichtspielhäuserkette von 56 Kinos, Vgl. Kreimeier, Die Geschichte der Ufa, a.a.O., S. 518 1115 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 38-39, S. 59, S. 287 1116 vgl. Zu Caligari vgl das Kapitel: Magische Blicke 1117 Ebd. S. 7

Nachtseiten des Lebens 271

„Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.1118

3. Wurzelstock und Maschinenfrau Frankensteins Monster, der Golem und Homunculus, waren an ihrer Existenz ebenso schuldlos wie Adam, und trotzdem waren sie dem Untergang geweiht. Ihre Schöpfer waren ihnen nicht wohl gesonnen und verachteten sie. Auch fanden die künstlichen Söhne keine rechte Beziehung zu ihren Vätern. Die ur- sprüngliche Aggression, welche die Sohn-Vater-Paare kennzeichnete, wurde ein zentrales Motiv des Horrorfilms. Künstliche Frauen1119 dagegen, die in phan- tastischen Filmen aus den Laboratorien experimentierender Wissenschaftler hervorgingen, wurden von ihrem Schöpfern bis zur Selbstaufgabe geliebt. Auch wenn diese ihre Liebe nicht erwiderten, blieben die Tochter-Vater-Paare in ihrer inszestösen Verstrickung gefangen, wie die durch künstliche Befruch- tung erzeugte Alraune (1918, 1928, 1930,1952) oder die namenlose Maschi- nenfrau in Metropolis (Lang, 1927). Brigitte Helm (= Eva Gisela Schittenhelm) spielte sowohl in Henrik Galeens Alraune (1928) das künstliche Geschöpf ei- nes faustischen Wissenschaftlers wie auch schon ein Jahr zuvor in Fritz Langs Metropolis. Im folgenden werden diese beiden phantastischen Stumm- filme als Faustfilme untersucht. Dabei werden selbstreferentielle und iko- nographische Merkmal herausgearbeitet und die Rollen der weiblichen Kreatu- ren als Teufelsfiguren sowie ihre Beziehung zu ihren Schöpfern untersucht.

Der populäre Roman Alraune von Hanns Heinz Ewers war 1911 erschienen und hatte sich über zehn Jahre lang gut verkauft.1120 1918 wurde der Roman gleich zweimal verfilmt, und zwar von Mihaly Kertesz (Michael Curtiz) und von Eugen Jeles. 1928 kam Henrik Galeens Verfilmung mit Paul Wegener1121 als Professor Jakob ten Brinken und Brigitte Helm als Alraune in die Kinos. Der Film, zu dem Ewers auch das Drehbuch schrieb, erzählt die Geschichte des faustischen Wissenschaftlers ten Brinken, der durch künstliche Befruchtung eine Frau erzeugt, die er Alraune nennt, und die ihn zugrunde richtet. Die Ma- gie, die dem gleichnamigen kleinen Wurzelstock zugesprochen wurde, über- trug Ewers auf die künstliche geschaffene Frau.

An Herkunft und Magie der Alraunenwurzel binden sich unterschiedliche My- then. Nach Jacob Grimm wuchs die Wurzel unter einem Galgen aus dem letz- ten Wasser und der letzten Ejakulation eines sexuell unberührten Jünglings, der als Erbdieb gehängt wurde.1122 Mitunter weist die Alraunwurzel eine men- schenähnliche oder embryonale Form auf. Ihre Gestalt erinnert auch an die al- chemistische Legende vom Homunculus, allein die Magie bezieht sich auf das weibliche, vermehrungswillige Geschlecht. Eine Alraunwurzel bei sich zu tra- gen, soll erotische Anziehung und Fruchtbarkeit fördern. Nach Géza Róheim1123

1118 Goethe, Faust I, V. 1546-1547 1119 Auch Puppen sind ein Gefäß, welches auf Beseelung wartet. 1120 Etwa 238 000 Exemplare wurden in 10 Jahren verkauft, vgl. Giesen, Sagenhafte Welten, a.a.O., S. 19 1121 Wegener spielte in Der Mann mit der Pranke (Rudolf van der Noss, 1935; Drehbuch: Thea von Harbou, mit Rose Strader als Wegeners Partnerin) noch einmal einen alternden Mann, der einer Frau zum Opfer fällt. Vgl. Film-Kurier, Nr. 2375. Die Frau ist jedoch nicht seine Schöpfung und das dämonische Element liegt in der weiblichen Verführungskraft. 1122 Jakob Grimm, Deutsche Mythologie (1844), Frankfurt am Main, Berlin 1981, S. 1006 1123 Géza Róheim, Aphrodite oder die Frau mit einem Penis, in: Die Panik der Götter. Die Quellen religiöser Glaubensformen in psychoanalytischer Sicht, München 1975, S. 228- 264

272 Nachtseiten des Lebens läßt sich die Figur der Alraune auf Aphrodite zurückführen. Aphrodite, die eine Alraunwurzel unter ihrem Gürtel trägt, wurde - Hesiods Erzählungen zufolge - geboren als Kronos seine Eltern, Himmel und Erde, trennte und seinen Vater Uranos kastrierte. Dessen Genitalien warf er ins Meer, und in den ewigen Be- wegungen der Wellen entstand ein weißer Schaum, aus dem Aphrodite her- vorging. Aphrodite trug zwar Frauenkleider, hatte aber einen männlichen Kör- perbau und einen entsprechenden Haarwuchs. Róheim verband die Parallele der beiden Schöpfungsmythen mit der Vorstellung der phallischen Frau. Er stellte heraus, daß Alraune und auch Aphrodite als „Frau mit Penis“ betrachtet werden kann „und der große Liebeszauber, den sie unter ihrem Gürtel trägt, (..) ihr i- maginärer Phallus (ist).“1124 Roheims psychoanalytischer Ansatz ging von der Vorstellung aus, daß die Phantasie des Knaben, der mütterliche Körper sei entsprechend des eigenen mit einem Penis ausgestattet, sich hier verknüpft mit der Vorstellung einer letzten über den Tod hinaus zeugenden Ejakulation. Unbewußte Allmachtsphantasien heften sich an ein Wurzelstöckchen (das an die Stelle des Phallus tritt) und an einen doppelt geschlechtlichen Körper.

Henrik Galeens phantastischer Stummfilm Alraune beginnt mit dem typischen Prolog eines Horrorfilms. Ein Lichtstrahl fällt zu mitternächtlicher Stunde auf einen Galgenberg, und dem Gehenkten nähert sich ein Unbekannter. Ähnlich wie später in James Whales Frankenstein (1931) steht die illegale Materialbe- schaffung an erster Stelle, dann erst wird der Wissenschaftler eingeführt. In der folgenden Sequenz wird der nicht mehr junge Professor ten Brinken ge- zeigt, der, gekleidet in einen Abendanzug1125, in der Bibliothek1126 seiner Villa ei- nen Vortrag vor jungen Wissenschaftlern hält. Die Kamera folgt seinem Blick zum Fenster, der sich - Unheil verkündend - in nächtlicher Finsternis verliert. Während seines Vortrags wird ein Käfig mit einem Versuchskaninchen her- umgereicht. Sein Famulus, der junge Doktor Frank Braun, schaut skeptisch. Am Ende seiner Ausführungen raucht ten Brinken eine Zigarre.1127 Die Zuhörer erheben ihr Glas, aber Braun verläßt das Haus. Flüchtig begegnet er Alraune, einer jungen Frau in weißem Kleid. Die Kamera folgt ihm durch eine finstere Gasse, in eine dunkle Stube, an deren Wand eine dämonische Maske hängt. Eine ärmliche Frau, Alraunes Mutter, empfängt ihn. Eine Kreisblende schließt und öffnet sich.Ten Brinken ist in seinem Arbeitszimmer zu sehen. Er ent- nimmt einem Schrein eine Alraunwurzel und streichelt sie zärtlich. Teufels- plastik, Totenkopf und Weltkugel rücken ins Bild und verweisen auf ten Brin- kens als Teil einer dämonischen Welt.

Nun wird Alraune eingeführt und ihre Boshaftigkeit gleich in Nahaufnahme fest- gehalten. Eine Fliege, die am Rand eines Glases emporkriecht, schnippt sie ohne Hast in die Flüssigkeit und sieht ihr beim Ertrinken zu. Dabei wird die De- tailaufnahme der Fliege zur Darstellung des verdoppelten abstoßenden Ge- schöpfes. Daß sie auch schamlos ist, zeigt etwas später eine Internatsszene, in der sie den Mädchen ihre neue Wäsche vorführt. Ihren Geliebten Wölfchen stiftet sie dazu an, Geld zu stehlen und mit ihr durchzubrennen. Sie fliehen gemeinsam mit dem Zug und fahren in die dunkle Nacht hinein. Scheinwerfer simulieren vorbeiziehende Streckenbeleuchtung. Zirkusleute steigen zu ihnen ins Abteil, und sie schließen sich dem Zirkus an.1128 Im Zirkus wird Alraune As-

1124 Ebd. S. 230 1125 Der Frack steht auch hier für ein zwielichtiges Vergnügen und für Ikraros‘ Scheitern. 1126 Die Bibliothek verweist auf Wißbegierde und Magie. 1127 Der Rauch begleitet auch hier den Aufritt des Dämons. 1128 Der Zirkus verweist auf das Kinos als Unterhaltungsmedium.

Nachtseiten des Lebens 273 sistentin des Zauberkünstlers.1129 Ein Bild zeigt sie, eine Zigarette rauchend, an den Löwenkäfig gelehnt. Als sie in den Käfig hineingeht, wird sie von den wil- den Tieren akzeptiert.

Im Verlauf der Geschichte spürt Ten Brinken sie beim Zirkus auf und wartet nach der Vorstellung in ihrer Garderobe. Als sie ihr Kleid schließt, gleitet die Kamera, den Blick des Vaters nachzeichnend, von oben nach unten über ihren Körper. Sie schaut zurück (Kamera fährt von unten nach oben über Wegener). Alraune geht mit dem Vater, und Wölfchen erschießt sich. Eine Kreisblende schließt und öffnet sich und zeigt Vater und Tochter beim Frühstück auf einer Terrasse. Palmenzweige im Hintergrund verraten den Ferienaufenthalt. Ten Brinken gibt Alraune, die zum Tennisspiel abgeholt wird, einen väterlichen Kuß auf die Stirn. (Dies ist ihre erste Berührung.) Ihr Schöpfer erfreut sich an ihrer Eitelkeit, die sie zur Schau stellt. Er hat ihr eine Menge Kleider gekauft, und sie kleidet sich ständig um. Eine der folgenden Szenen zeigt, wie sie sich unter seinen begehrlichen Blicken vor einem großen Spiegel stets neu gekleidet prä- sentiert. Ihr ständiges Umkleiden und Sich-zur-Schaustellen verweisen auf ihre Verfügbarkeit. Der Akt des Umkleidens wird hier zur Repräsentation des Phal- lischen, das sie gleichsam eingeübt.

Melanie Klein berichtete von einem dreijährigen Mädchen, das seine Puppe immer wieder umkleidete. Das Spiel des Kindes bestand fast ausschließlich „im zwangsmäßigen säubern und immer wieder erneuten Umkleiden der Puppe... Die Analyse ergab, daß... dieses Puppenspiel.... vorwiegend eine Identifikation mit der Pup- pe ausdrückte. Ihre intensive Angst, innerlich zerstört und schlecht zu sein, trieb sie dazu, die Puppe, die dabei die eigene Person vertrat, immer wieder umzukleiden und zu säubern.“1130 Alraune hat sich selbst zur Puppe genommen und leitet den Zwang zu gefallen (die Kehrseite seiner weiblichen Minderwertigkeit), an ihrem willen- losen ‘Puppenkörper‘ widerständig ab. In ihren Kleiderrollen spielt sie dem Va- ter jedes beliebige Klischee vor, sie ist der Vamp, die Naive, das süße Mädel oder die Mondäne. Wie sehr der bereitgestellte Puppenkörper ideale Frau ist, hat nicht zuletzt die Attraktivität der aufblasbaren Beate-Uhse-Puppe unter Be- weis gestellt. Mehr noch als durch ihre Willenlosigkeit wird die leblose Gummi- puppe durch ihre vollständige Reaktionslosigkeit begehrenswert. Alraune ist ei- ne verlebendige Film-Puppe. Die Umkleideszene stellt den Schnittpunkt des künstlichen Wesens zum weiblichen Filmstar heraus. Mit der Kleiderordnung übt der weibliche Filmstar die Rolle ein, die ihr der Regisseur zuschrieb. Es scheint so, als sei die Rolle des weiblichen Filmstars festgeschrieben in der künstlichen Schöpfung Alraune und ihrer Funktion als stummer verschlingen- der Vamp.

Den Untergang ten Brinkens leitet ein Buch ein, das Alraune zufällig findet. Es ist sein Arbeitstagebuch (Zwischentitel: „Der Werdegang meiner Alraune“). Die Er- kenntnis ihrer Künstlichkeit entsetzt sie. Aber den Entschluß ihren Schöpfer mit eigenen Händen zu töten, kann sie nicht umsetzen. Sie will ihn mittels weiblicher Verführung erledigen. Am nächsten Tag kokettiert sie mit einer Schar junger Männer gleichzeitig, aber heimlich weint sie. Als sie in den Spie- gel ihrer Puderdose blickt, erscheint dort das Gesicht ten Brinkens.1131 Er beo- bachtet voller Eifersucht, daß sie auch von den jungen Männern Geschenke annimmt, wird zornig und versteinert plötzlich. Alraune nähert sich ihm und schiebt ihre Hand in seine, die sich daraufhin sanft öffnet. Am Abend erschei- nen sie gemeinsam im Casino. Sie weist einen jungen Tänzer zurück, er küßt

1129 Ihre Rolle als Assistentin des Zauberkünstlers unterstreicht ihre Bezeihung zur Magie. 1130 Melanie Klein, Die Psychoanalyse des Kindes, München 1932, S. 114 1131 Die Identifikation mit seinem weiblichen Geschöpf ist grenzenlos.

274 Nachtseiten des Lebens dankbar ihre Hand. Ein Kreisblende umschließt das Paar. Zurück in ihrem Zimmer nimmt er ihr Mantel und Fächer ab. (Überblendung: Die Musikkapelle des Tanzabends wird gezeigt.) Als er ihr eine Zigarette anbietet, berührt sie leicht seine Hand. Rauchend liegt sie auf dem Kanapee, er beugt sich über sie. Die dünnen Träger ihres Kleides sind verrutscht. Plötzlich springt sie auf und läuft lachend ins Nebenzimmer. Ein Schnitt zeigt eine Alraunwurzel, die sich wie eine Spieluhrfigur auf einem Tableau dreht und sich plötzlich in Alraune verwandelt. Auch am nächsten Abend besuchen sie das Casino, ten Brinken, nun auf einen Stock gestützt, beginnt das Spiel, aber als er aufblickt, ist Alrau- ne verschwunden. Er findet sie beim Kofferpacken. Provozierend stemmt sie ihre Hände in die Taille. Fassungslos fällt er vor ihr auf die Knie, ergreift plötzli- chen einen spitzen Gegenstand und bedroht sie. Unerwartet taucht Frank Braun auf, entwaffnet den alten Mann und geht mit Alraune davon.

Etwa ab der Filmmitte (der Zirkussequenz) wurde aus dem alternden Wissen- schaftler ein närrisch Liebender. Der Film erzählt eine Liebesgeschichte, die sich als Verkehrung der Gretchentragödie lesen läßt. Die Ursache des wis- senschaftlichen Scheiterns wurde hier - wie später auch in Whales Franken- stein (1931) oder in Branaghs Mary Shelleys Frankenstein (1994) - dem illegal besorgten, schlechten Material zugeschrieben. Etliche Horrorfilme, die Schöp- fungsszenen beinhalten, zeigen, daß bürgerliche Wissenschaftler mit Men- schenmaterial experimentierten, welches sie aus unteren sozialen Klassen beschafften. Dadurch ist freilich das Experiment von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Aber weder dieser unbillige Schöpfungsmythos, noch die Rolle des hemmungslosen Wissenschaftlers, stehen im Mittelpunkt dieses phantasti- schen Stummfilms, sondern es ist die diabolische Figur der Alraune, die sich als selbstreferentiell erweist und nicht nur im Horrorfilm auf die Funktion des weiblichen Filmstars verweist.

Nicht unbedingt doppeldeutig gemeint, schrieb Rudolf Arnheim über die schau- spielerische Leistung Brigitte Helms als Alraune: „Man sieht vor Augen, was die in Hollywood aus ihr machen würden.“1132 In entscheidender Weise zeigt sich hier das Bild Alraunes verbunden mit dem Aphrodites, die im weiblichen Kleid ihre Männlichkeit tarnt, um ihr phallisches Sein zu verstecken. Auch die weiblichen Filmschauspielerinnen tarnen den männlichen Wunsch, der ihnen anhaftet. Es ist dies, die Phantasie von der verfügbaren, phallischen Frau. Sabine Spielrein machte darauf aufmerksam, daß „die realen Objekte (..) durch phantastische er- setzt werden (können).“1133 Die weiblichen Stars sind bereitgestellte Puppen, die aus der Vorstellungswelt des allmächtigen Wunsches, der totalen Verfügbar- keit des Weiblichen, hervorgingen und tragen das männliche Begehren einer Identifizierung mit dem Weiblichen. Sein und Haben, betonte Freud, sind eins, und von diesem Standpunkt aus stellte Josef von Sternberg fest: „Marlene, c’est moi!“1134 Durchaus keine bizarre Vorstellung, denn im Spiel der Geschlechter und des Films schuf Sternberg, ähnlich wie ten Brinken, ein künstliches Ge- schöpf, dem er - wie dem eigenen Spiegelbild – verfiel. Eine Geschichte, die Sternberg nicht nur in Der blaue Engel (1930) erzählte.1135 Hierin lebte Alraune fort, geschaffen auf der Realebene für die Fiktion. Ernst Lubitschs phantasti- scher Stummfilm Die Puppe (1919) erzählt die Geschichte von Lancelot, der Angst vor den Frauen hat und deshalb nicht heiraten will. Er flüchtet ins Klos-

1132 Rudolf Arnheim, Das Stachelschwein (1928) 1133 Sabine Spielrein, Beiträge zur Kenntnis der kindlichen Spiele, in: Zentralblatt für Psycho- analyse und Psychotherapie, Bd. III, 1912, S. 57-72, S. 70 1134 Zit. n. Gertrud Koch, „Was ich erbeute sind Bilder.“ Zum Diskurs der Geschlechter im Film, Frankfurt am Main 1989, S. 83 1135 Vgl. ebd.

Nachtseiten des Lebens 275 ter. Hier schlägt ihm der Prior vor, eine Puppe zu heiraten. Er nimmt den Vor- schlag dankbar an, heiratet aber unbeabsichtigt die Tochter eines Puppenma- chers. Der Film enthält nicht nur das Motiv der belebten Puppe, sondern der Puppenmacher und sein Gehilfe, welche die Tochter an den Mann bringen, er- weisen sich als Produzent und Regisseur.

In den zwanziger Jahren war der Starkult1136 bereits weit verbreitet. Es gab Starbilder, Sammelalben und Magazine, die über das Leben der meist weibli- chen Filmstars berichteten. Nach Anton Kaes ließ Alraune in der Verbindung „sex and crime“ den „Kinomythos des grausamen, vampirhaften Weibes“ erst entste- hen.1137 Im Kampf mit dem Wissenschaftler ist der Vamp aber nichts anderes als Mephisto im weiblichen Kleid. Der Vamp verkörpert die Erfüllung und die Aufrechterhaltung des Wunsches, der eine Verlagerung in der Besetzungs- struktur von der Wissenschaft zur Sexualität erfuhr, wie es schon Murnau in Faust. Eine deutsche Volkssage (1926) verbildlichte. Die Leidenschaft für den Teufel bleibt strafbar. Am Ende muß derjenige, der sich mit ihm einläßt, zur Hölle fahren. Aber im Gegensatz zu Brigitte Helm in Alraune war Camilla Horn in Faust als Gretchen beileibe kein Vamp. Sie verstand das Geschäft mit der Liebe nicht und war auch keine Vatertochter wie Alraune oder Aphrodite. Gret- chen wußte den klärenden Augenblick der sexuellen Begegnung nicht für sich zu nutzen, sondern sie opferte sich der mütterlichen Vorstellung von romanti- scher Liebe.

Auch männliche Filmstars wurden zu Objekten des Begehrens und trugen mit- unter, die mit Weiblichkeit konnotierten Attribute. Ein frühes Beispiel hierfür war Rudolfo Valentino, dessen tragische Geschichte etwa Ken Russel in Valentino (1977) verfilmte.1138 Russel zeigte, daß Valentino die verfügbare Funktion der (weiblichen) Kleiderpuppe sogar auf die Realebene ausweitete (zumindest im Spielfilm). Alraune und Valentino sind wie die Puppen Ken und Barbie ver- fügbar gemachte Objekte, die plastisch aus der inneren Welt unbewußter (Geschlechtsidentitäts-) Phantasien hervortreten, fremd besprochen und im- mer neu belebt werden. Sternbergs Morocco (1930) thematisierte auch die Entsprechung der männlichen und weiblichen Star- und Geschlechterrollen. Hierin fiel Gary Cooper die Rolle des (versagenden) Vamps zu, der sich der verliebten Sängerin (Marlene Dietrich) entzog, die den fordernden (männlichen) Part spielte. Halliwell’s Film Guide stellte Morocco den Satz voran: „Revealing the amazing things a woman will do for love.“1139 Die sprachlosen Stummfilmstars waren wie Puppen manipulierbare Zeugen geschlechtlicher Identifizierungs- prozesse.

1930 kam der Tonfilm Alraune von Richard Oswald heraus, der den engli- schen Titel Daughter of Evil bekam. Der Film war nicht sehr erfolgreich, denn wie Lotte Eisner betonte, kam dem Stummfilm Alraune „das Schweigen zugute, das die Spannung und Stimmung eines phantastischen Sujets nicht verletzt.“1140 Wel- che Worte sollten auch eine Szene begleiten, in der die Hand der Tochter die versteinerte Hand des Vaters öffnet. Held machte darauf aufmerksam, daß der Alraunenwurzel zugeschrieben wird, sie betäube allein durch ihren Geruch,

1136 Das Starsystem bestimmte in Hollywood einen Filmstil: Halbtotale, Nahaufnahme. Über die Schulter, Schüsse – der Star sollte immer gefallen. (Auf Marlene Dietrich traf immer et- was mehr Licht von oben.) 1137 Kaes, Film in der Weimarer Republik, a.a.O., S. 92 1138 Das Schicksal des italienischen Immigranten, der in Hollywood ein Filmstar wurde, ver- filmte auch Lewis Allen (1951) 1139 Leslie Halliwell, Halliwell’s Film Guide, New York 1991, S. 752 1140 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 326

276 Nachtseiten des Lebens und „Unkundige verlieren von dem zu starken Geruch die Sprache.“1141 In Henrik Ga- leens Stummfilm konnte Alraune noch Ende der zwanziger Jahre wollüstig ih- ren starken Lebensimpulsen folgen. In Arthur Maria Rabenalts Verfilung des Stoffs in den fünfziger Jahren läßt sich eine siegreiche und starke Alraune nicht wiederfinden. Der Prolog des Films ist auf dunkle Gewitterwolken geschrieben und wird musikalisch bedrohlich untermalt. Er lautet: „Die Alraune Sage hat seit ältesten Zeiten eine magische Wirkung auf die Menschen ausgeübt. Durch H. H. Ewers weltberühmten Roman hat die Sage Form und Gestalt gewonnen: Seitdem wandelt das gespenstische Nachtschattengeschöpf der Alraune fast leibhaftig durch die menschli- che Vorstellungswelt. Auch heute noch? Gewiß, wir sind aufgeklärt, kritisch und skeptisch, aber wir wollen es nicht immer sein: die ewigen Wirkungen dieser dunklen poetischen Fabel gelten für alle Zeiten. Und so entsteht noch einmal und immer wieder die unveränderliche betörende Erscheinung des Wunderwesens Alraune."1142

Die sachlich scheinende Erklärung klingt wie ein Nachruf auf die Schrecken des Nationalsozialismus, dessen Grauen endlich vergessen werden sollen, um sich wieder dem anderen „gespenstischen Nachtenschattengeschöpf“, der dia- bolischen Frau, zuzuwenden. Der Text knüpfte an den Vorkriegserfolg des Films an. Dies trug sicherlich auch dazu bei, Erich von Stroheim die Rolle ten Brinkens spielen zu lassen und dem Newcomer Hildegard Knef die Rolle der Alraune als junge, moderne (Nachkriegs-)Frau zu übertragen, die sie weder sinnlich erotisch noch wirklich rebellisch spielte. Hervorgegangen aus dem Wunsch nach Anerkennung und Vergeltung eines geächteten Wissenschaft- lers setzte in diesem Film ten Brinken sein weibliches Geschöpf als Waffe ge- gen andere Männer ein. Alraune wird weit aus weniger affektiv als in Henrik Ga- leens Film eingeführt. Das Labor des Wissenschaftlers ten Brinken bildet hier- für den Hintergrund. Der Raum befindet sich im Keller in einer Art Verlies. Die Treppe führt steil nach unten und wirft tiefe Schatten an die Wand. Eine derbe Bildsprache, die keiner weiteren Erklärung bedarf. Frank Braun, der Neffe des Professors, sieht hier - wie auch der Zuschauer - zum ersten Mal Alraune. Sie steht in einem griechisch anmutenden Gewand, das nur eine Schulter bedeckt, vor einem Käfig, in dem ein Menschenaffe sich aufgerichtet hat. Der steife Affe versinnbildlicht eher eine Sexualität unter Verschluß als ein leidenschaftliches Begehren. Diverse wissenschaftliche Instrumente, darunter Reagenzgläser, Filter, Trichter und ähnliches Gerät, sind zu sehen, ein Totenschädel liegt auf einem Schreibtisch. Alraune erblickt Braun und es ertönen Harfen- und Lau- tenklänge. Etwas später kommentiert eine Hausangestellte: „Mir gefällt sie nicht, sie ist der Männer Untergang.“

Weil er den Affen und Alraune durch künstliche Befruchtung erzeugte, wurde ten Brinken die Lehrerlaubnis entzogen, und nun ist jeder Mediziner für ihn ein Greuel. „Dies ist ein Verbrechen wider die Natur", beschimpft ihn Doktor Moor. Der Totenkopf auf ten Brinkens Labortisch ist der Schädel von Alraunes Vater, der als Doppelmörder gehenkt wurde. Auf ten Brinkens Geheiß schwängerte er vor seiner Hinrichtung eine Prostituierte. Alraune sollte der lebende Beweis seiner Vererbungslehre werden. Ten Brinken resümiert:: „Gute Menschen sind so uninte- ressant.“ Von Stroheim trat in einem weißen, offenen Ärztekittel auf, den er über einer geschlossenen Trachtenweste trug, seine Brille hatte er auf den kahlen Kopf geschoben. Der in seinen Allmachtsphantasien schwelgende Wissen- schaftler war zu schwach, um das Böse zu verkörpern, auch Alraune war nicht wirklich böse. Am Ende heißt es lapidar, nachdem sie sich getötet hatte: „Nun ist es tot, das Spielzeug, das Gott nicht gewollt hat.“ Die Darstellungen des Wissenschaftlers und der Frau in der Nachkriegszeit machen diesen Film be-

1141 Held, Das Gespenst des Golem, a.a.O., S. 129 1142 Filmtext, Hervorhebungen D.M.

Nachtseiten des Lebens 277 merkenswert. Alraunes Erotik ist eher von ‘hausbackener’ Ausstrahlung. Eine selbstbestimmte, diabolische Alraune paßte auch nicht in diefünfziger Jahre und mit dem Rollenbild der Geschlechter zusammen. Die Funkion von Wis- senschaft und Wissenschaftler im Nationalsozialismus verbot es offensichtlich nicht, über biologische Menschenexperimente zu sprechen. Der Film legiti- miert sogar die Rassenlehre und stellte einen Wissenschaftler ins Zentrum, der sich wegen dieses Ansatzes nicht immer öffentlich rechtfertigen will.1143

Das Motiv der verderbenbringenden Schönheit weist Alraune mehr als dem faustischen Wissenschaftler die Rolle des Bösen zu. Sadistisch quält sie den ihr unterlegenen Mann. Sein Masochismus wächst an der sexuellen Versa- gung. Daß das Handlungsmotiv der dämonischen Frau seit der Romantik die Lust auf sexuelle Beute und ihr Opfer zum Untergang bestimmt war1144, zeigt auch die Rolle der metallisch glänzenden Maschinenfrau in Fritz Langs Metro- polis (1926). Die Maschinenfrau war wie Alraune eine unwiderstehliche Ver- führerin und wiegelte wie Homunculus die Massen auf. Nach Holba war die Maschinenfrau sogar ein weiblicher Faust. 1145 Inwieweit auch sie wohl eher in der Rolle eines weiblichen Teufels fungiert und welche Funktion ihrer Verdopp- lung als Maria zukam, untersucht der folgende kurze Abriß des phantastischen Stummfilms Metropolis.

Die Geschichte der namenlosen Maschinenfrau spielt in der geteilten Stadt Me- tropolis. Die gespaltene Stadt kennzeichnet die verdoppelte Struktur des Films und der Protagonisten. In Metropolis leben die Reichen und Mächtigen in Hoch- häusern. Im höchsten Haus, dessen Spitze ein Pentagramm bildete, wohnte der Herrscher von Metropolis, Joh Fredersen (Alfred Abel).1146 Exotische Gärten bewahrten Natur in Form einiger exotischer Pflanzen und Tiere.1147 Hier treffen sich die Kinder der Reichen, darunter auch Freder (Gustav Fröhlich), der Sohn Fredersens. Der andere Teil von Metropolis liegt unter der Erde. Hier steht eine gigantische Maschine und hier wohnen die Arbeiter mit ihren Familien, die diese Maschine bedienen. In der unterirdischen Welt predigt Maria (Brigitte Helm) von einem Erlöser. Eines Tages als Maria einigen Arbeiterkindern die Gärten in der Oberstadt zeigt, begegnet ihr Freder, der sich in sie verliebte und ihr in die unterirdische Maschinenwelt folgt. Hier wird er Zeuge eines Maschinenunglücks. Wie es das folgende Bild zeigt, ist die Maschine ein riesiger Teufelskopf, dessen feuriges Maul die Arbeiter verschlingt.1148

1143 Vgl. Das Kapitel Prometheisches Reich 1144 Vgl. Hofmeister, Deutsche und europäische Romantik, a.a.O., S.181f 1145 Holba, Reclams deutsches Filmlexikon, a.a.O., S. 150 1146 Über die Häusergebirge stand im Filmprogramm: „Wie der Stein gewordene Inbegriff der Stadt baut sich das Häusergebirge von Metropolis mächtig aufragend in den Himmel hinein.“ Die Wolkenkratzer stehen hier auch für eine magische Beseelung Metro- polis‘. 1147 Natur als Luxus einer zerstörten Welt wurde zu einem bedeutenden Thema später Scien- ce Fiction-Filme wie etwa in Soylent Green (Fleischer, 1973) oder Silent Running (Trum- bull, 1972) 1148 Die im Vordergrund sichtbaren Maschinenteile, die an eine weibliche Brust erinnern, ma- chen den Moloch zu einer verschlingenden Maschinenfrau.

278 Nachtseiten des Lebens

Abb. 130: Fritz. Lang, Metropolis – Das Schicksal einer Menschheit im Jahre 2000, 1926. Die Teufelsmaschine verschlingt die Arbeiter

Freder flüchtet zu seinem Vater, einem modernen Magus in grauem Anzug mit Schlips und Kragen, der sein Imperium wie J. R. in Dallas aus der höchsten Etage des Hochhauses regiert. Die räumliche Lage, die großen Türen und die hohen Räume der überdimensionalen Büroetage weisen auf den Schloßcha- rakter und den Herrschaftsanspruch des Vaters hin, der durch seine Kleidung nicht offen zutage tritt. In diesem Moment bringt Groth (Heinrich George), der Wächter der Maschine, ein kryptisches Flugblatt herein, das unter den Arbei- tern kursierte. Die schlechten Nachrichten veranlassen Fredersen ungerech- terweise den treuen Mitarbeiter Josaphat1149 (Theodor Loos) zu entlassen. Fre- der, der den Vaters nicht versteht, geht erneut in die Unterstadt und übernimmt die Arbeit an der Maschine.1150 Er bewegt die Zeiger eines überdimensionalen Zifferblatts. Kronos hat ein neues Reich errichtet.1151

1149 Zur Rolle Josaphats vgl. Geser, Fritz Lang. Metropolis und die Frau im Mond, a.a.O., S. 40 1150 Im Drehbuch schrieb Thea von Harbou: „Freders Körper hängt in gewaltsamer Drehung an Zeiger und Zahl bis er einem Gekreuzigten gleicht; sein Kopf baumelt rückwärts gegen das Zifferblatt aus seinen gemarterten Augen aus seinem gemarterten Mund stöhnen die Worte: ‘Vater-! Vater-! Nehmen zehn Stunden niemals ein Ende - - ?? !!“ Metropolis. Manuskript von Thea von Harbou. Abschrift eines Exemplars aus dem Nachlaß von Gottfried Huppertz. 2 Bde., Archiv der Stiftung Deutsche Kinemathek, 115. Bild 1151 Die festgehaltene Zeit verweist auf den Film als Zeit-Bild. Vgl. Giles Deleuze, Das Zeit- Bild, Frabkfurt am Main 1991

Nachtseiten des Lebens 279

Abb. 131: Gustav Fröhlich als Freder Fredersen. Freder hält die Maschinen- zeit fest

Während Freder an der Maschine arbeitet, sucht sein Vater den faustischen Wissenschaftler Rotwang1152 (Rudolf Klein-Rogge) auf, damit er die Hierogly- phen des Flugblatts entschlüsselt. (Parallelmontage)

Das seltsame Haus, in dem Rotwang wohnt, ist fensterlos und an der Ein- gangstür findet sich ein weiteres Pentagramm. Nach Sturm1153 war Rotwangs Haus sogar der Mittelpunkt von Metropolis. In dem Haus stand wohl ein Denk- mal für seine verstorbene Frau Hel. Sie hatte ihn wegen Fredersen verlassen und war bei der Geburt Freders gestorben.

Abb. 132: Das Haus des Magiers Rotwang

Das erste Bild Rotwangs ist eine Nahaufnahme, die seine dämonischen Merk- male ins Licht setzt. Er hat dunkel umrandete Augen, wirres Haar und trägt

1152 Nach Sturm hatte der Name Rotwang einen „antisemitischen Beiklang“, weil die Farbe rot für „Leidenschaft, Feuer, esoterisches Wissen, Satanismus“ steht. Georg Sturm, Für Hel ein Denkmal, kein Platz, un ‘rêve de pier, in: Cicim. Bulletin de l’Institut Français de Munich, Nr. 9, November 1984, S. 54-78. S. 77 1153 Ebd. S. 61

280 Nachtseiten des Lebens trägt einen schwarzen Gelehrtenmantel. Seine rechte Hand ist durch eine schwarze Maschinenhand ersetzt. Rotwang berichtet Fredersen, daß er eine Maschinenfrau gebaut habe, die es wert war, die rechte Hand zu verlieren. Er führt Fredersen nach oben in sein Labor.1154 Es ist von großen Maschinenteilen bestimmt. Ein Alchemistenofen befindet sich in der Mitte der hinteren Wand.1155 Thea von Harbous Vorgabe für das Laboratorium Rotwangs blieb skizzenhaft, enthielt aber entscheidende Merkmale, die den Wissenschaftler als Magier herausstellten: „TECHNIK PHYSIK CHEMIE ACHCHYMIE / Jahrhunderte zurück - Jahrhunderte voraus, / halb Quacksalber-Küche eines Mannes vom Jahre 1500 / halb Versuchs-Anstalt eines Mannes vom Jahre 2000.“1156 Ein schwerer Vorhang teilt das Labor. Hinter dem Vorhang sitzt die Maschinenfrau auf einem Thron, an der Wand über ihr ist ein Pentagramm aus Licht zu sehen.

Abb. 133: Brigitte Helm als Maschinenfrau

Rotwang dirigiert sein Geschöpf mit seiner Kunsthand. Mit minimaler Geste lei- tet er sie an Fredersen weiter. Euphorisch greift der Wissenschaftler in die Luft.1157 Seine künstliche Hand wird zum Zeichen einer materiellen Verbindung mit der Maschinenfrau. Das faustische Motiv der Unsterblichkeit macht die Kunsthand und die Maschinenfrau gleichermaßen zu Fetischen. Nach Hell- mann1158 war die künstliche Hand Rotwangs „Zeichen seiner symbolischen Ent- mannung“. Eine Verkürzung, die verdeckt, daß die Maschinenhand für wissen- schaftliche Potenz und biologische Unabhängigkeit steht. Die zuverlässige Maschinenhand ist an die Stelle des instabilen Phallus getreten und die Ma- schinenfrau an die Stelle der treulosen Gattin. Der reale und der imaginäre Ver- lust führten zur erfolgreichen Kompensation, für die das gesamte Genre steht.

1154 Das Labor des Magiers ist auch hier nur über eine Treppe zu erreichen. Liegt das Labor im Keller (häufig in einem Verlies), dann spielt der Standort auf die Nähe zur Hölle an, liegt es oben, dann verweist er auf das zu Hochhinaus-Wollen und mahnt an Ikaros Sturz. 1155 Rotwangs Labor erinnert an Méliès Maschinen-Laboratorien. 1156 Metropolis. Manuskript, a.a.O., S. 140 (Hervorhebungen D.M.) 1157 Der Zwischentitel lautete: „Nun, Joh Fredersen - ?! lohnt es sich nicht, eine Hand zu verlieren, um den Menschen der Zukunft - den Maschinen-Menschen geschaffen zu haben?! ...“. 1158 Hellmann, Metropolis, Grundwerk, a.a.O., S. 1-9, S. 6

Nachtseiten des Lebens 281

Abb. 134: Gustav Fröhlich als Freder Fredersen, Rudolf Klein-Rogge als Rotwang, Erfinder. Die Maschinenhand verspricht ewiges Leben

Neben dem Labor ist die Bibliothek wichtigste Forschungsstätte des Alchemis- ten, folglich wechselt der Schauplatz auch in Langs phantastischem Stumm- film nun zur Bibliothek. Hier entschlüsselt Rotwang die Hieroglyphen. Die Parallelmontage zeigt Freder in der Hitze des Maschinenraums. Die Großauf- nahme eines Thermometers zeigt einen Blitz, der den Gefahrenpunkt markiert. (Prometheisches Zeichen) Als Freders Schicht zu Ende ist, hat Rotwang die geheime Botschaft entschlüsselt.1159 Die Arbeiter - unter ihnen Freder - folgen dem aufgezeichneten Weg in die Katakomben. Auch Fredersen und Rotwang gehen den Arbeitern nach. Am Zielort predigt Maria das biblische Gleichnis vom Turmbau zu Babel. Zornig ruft Fredersen aus: (Zwischentitel) „Ich will Zwie- tracht säen...“ Fredersen, der Magier der zukünftigen Welt und Rotwang, der Magier der vergangenen Welt, reichen sich die Hand und gehen einen Pakt ein: Rotwang wird aus der Maschinenfrau eine Doppelgängerin Marias machen.

1159 Zwischentitel: „Es ist ein Plan der zweitausendjährigen Katakomben tief unter den Tiefbahnen Deiner Metropolis...“

282 Nachtseiten des Lebens

Abb. 135: Fredersen bietet Rotwang einen Pakt an. (Fröhlich, Klein-Rogge)

Das drohende Unheil stellt Lang mit traditionellen Schreckensbildern dar. Skulpturen des Todes und der sieben Todsünden verlebendigen sich und ge- hen drohend auf die Kamera zu.

Rotwang überwältigt Maria und schleppt sie in sein Labor. Maria liegt von Ei- senringen umschlossen in einem gläsernen Sarg.1160 Der Schöpfungsakt be- ginnt.

Abb. 136: Maria wird im Strahl des Lichts verdoppelt

Der Magier betätigt Schalter und Hebel. Das Räderwerk setzt sich in Bewe- gung: Licht flackert, leuchtet auf und erlöscht wieder. Flüssigkeiten fließen durch Röhren, erreichen ihren Siedepunkt und dampfen heraus. Schäumende Substanzen werden als orgastisch überfließende Zeugungssäfte ins Bild ge- setzt. Der Magier schließt die Augen und führt der Maschine seine Energie zu. Ein kurzes Zögern und der letzte entscheidende Hebel wird umgelegt. Die Ma- schinenfrau, durch Kabel mit ihren Schöpfer verbunden, wird von Lichtkreisen umschlossen.1161 Gleißendes Licht überflutet das Labor. Die Lichtkreise werden schneller, Blutbahnen zeichnen sich ab. Das metallene Antlitz verwandelt sich durch Überblendung in das Gesicht Marias (groß). Die Doppelgängerin schlägt die Augen auf und blickt direkt in die Kamera.1162 Der weibliche Filmstar wird im Licht der verdoppelten Maschine geboren.

Freder verwechselt die falsche Maria, die er in den Armen seines Vaters er- blickt, mit Maria und erkrankt augenblicklich.1163 Eine späte Urszene1164 für den

1160 Horrorfilme greifen immer wieder Märchenbilder auf. 1161 Ähnliche Lichtkreise waren in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage Vorboten der Teu- felserscheinung. 1162 Ein Bild, welches an das erste Bild Homunculus‘ in Die Rache des Homunculus erinnert. 1163 Vgl. Guntram Geser, Fritz Lang. Metropolis und die Frau im Mond. Zukunftsfilm und Zukunftstechnik in der Stabilisierungszeit der Weimarer Republik, Meitingen 1996, S. 35. (Geser zitiert hier Patricia Mellenkamp, Oedipus and the Robot in Metropolis, In: Enclitic, Vol. V ,1981, H. 1, S. 20-42) 1164 Als Urszene wird in der Psychoanalyse die Beobachtung der sexuellen Beziehung zwi- schen den Eltern verstanden, die das Kind auf seine Weise interpretiert. Es ist die Wahr- nehmung eines emotionalen Ausschlusses und der Macht des Vaters. Zum psychoanaly- tischen Begriff der Urszene vgl. J. Laplanche und J.-B. Pontalis, Das Vokabular der Psy-

Nachtseiten des Lebens 283 mutterlos aufgewachsenen Sohn. Die künstliche Maria1165 rückt hier an die Stel- le der verstorbenen Hel und wird zum Ersatz für die tote Frau der Paktierer und Freders Mutter. Darüber hinaus verkörpert sie die Spaltung der Frauenrollen.1166 Verglichen mit den Frauengestalten in Faust, kann Maria mit Gretchen und ihre künstliche Doppelgängerin mit Helena verglichen werden. Hel war ja wie Hele- na ein „schönes, aber treuloses und verführerisches Weib.“1167

Die fiebrigen Träume, die Freder quälen, stellen das Doubel als Ausgeburt der Hölle dar. Sie windet sich bei nächtlichen Ausschweifungen wie eine Schlange in erotischen Tänzen. Die Maschinenfrau ist wie Alraune auf Verführung pro- grammiert und macht den Kinobesucher zum unschuldigen Betrachter der dämonischen Frau, deren Zugehörigkeit zum Reich des Bösen allein schon durch das höllischen Getier gekennzeichnet ist, das sich am Rande der Scha- le tummelt, aus der sie aufsteigt als käme sie direkt aus der Hölle. Sie tanzt ih- ren magischen Reigen inmitten von Drachen mit aufgerissenen Mäulern und gewundenen Schwänzen.

Abb. 137: Die falsche Maria entsteigt dem Höllenbecken

Der Tod spielt der falschen Maria zum Tanz auf. Den Chor bilden die sieben Todsünden.1168 Abermals verlebendigen sich die Statuen des Bösen.

choanalyse, Bd. 2, Frankfurt am Main 1973, Stichwort: Urszene, S. 576-578 1165 Maria steht schon durch ihren Namen für (Gottes-)Mutter. 1166 Melanie Klein stellte die Rolle der bösen und guten Mutter aus der Wahrnehmungsstruk- tur des Kindes heraus dar. Vgl. Melanie Klein, Die Psychoanalyse des Kindes, (1932) München 21979 1167 Der Kleine Pauly, a.a.O., Stichworte: Helena, Helene, Sp. 988-993, Sp. 990 1168 Horror und Splatter greifen ein weiteres Mal auf mittelalterliche Bilder zurück. Die sieben Todsünden (Maßlosigkeit, Habsucht, Trägheit, Zorn, Hochmut, Wollust, Neid) wurden in dem Horrorfilm von David Fincher, Seven (1995), zum Ausgangspunkt grausamer Morde.

284 Nachtseiten des Lebens

Abb. 138: Der Tod spielt auf zum Tanz

Die Reden der falschen Maria wiegeln die Arbeiter auf. Freder, der mit Jo- saphat in die Unterstadt geht, erlebt den Sturm der Arbeiter auf die Maschi- ne.1169

Sein Vater gibt gleichzeitig Groth die Anweisung, die Tore zu öffnen. Das mo- derne Bildtelefon, welches hierbei zum Einsatz kommt, nimmt in selbstreferen- tieller Weise die Funktion des Kinos auf und kompensiert die Sprachlosigkeit des Stummfilms.

Abb. 139: Das Telefonauge, Gustav Fröhlich, Heinrich George als Grot

Die Katastrophe ist ausgelöst, Wasser flutet die Unterstadt. Die echte Maria – aus Rotwangs Haus entflohen – kann noch rechtzeitig Alarm geben. (Der Stummfilm stellt den ausgelösten Alarm als gegen die Kamera schwingenden Schlagstock dar.) Das Schlimmste kann verhindert werden, Freder und Maria

1169 Der Sturm auf die Maschine findet unter den Klängen der Marseillaise statt. „Die musikali- sche Bearbeitung besorgte Jiri` Kannzelsberger in Anlehnung an die ursprüngliche, von Gottfried Huppertz komponierte Filmmusik, die lange Zeit als verschollen galt.“ Text der Vi- deofassung des ZDF.

Nachtseiten des Lebens 285 sinken einander in die Arme. Die Arbeiter greifen sich die falsche Maria1170 und errichten einen Scheiterhaufen vor der Kathedrale.

Die Vernichtung der Kreatur leitet den Untergang ihres Schöpfers ein. Rot- wangs Maschinenhand scheint ihn zur Kathedrale zu ziehen. Als er die falsche Maria im Feuer brennen sieht, überwältigt er erneut Maria. Freder kommt ihr zu Hilfe und kämpft mit ihm vor der Kulisse der Höllenhunde, die das Dach der Kathedrale schmücken.

Abb. 140: Der Kampf zwischen Freder und Rotwang (Rudolf Klein-Rogge, Gustav Fröhlich)

Verschlungen stürzen beide in die Tiefe. Aber während Freder sich retten kann, gleitet Rotwang ab. (Dem Drehbuch nach hält er sich mit seiner künstli- chen Hand an einem Höllenhund fest. Dieser verwandelt sich plötzlich in Hel und fliegt mit ihm davon.1171) Am Ende geht Fredersen auf Freder zu, und Maria fordert ihn auf, nun der Mitt- ler zwischen Vater und Arbeitern zu sein.

Fritz Langs Metropolis kann durchaus als Faustgeschichte im Gewand kon- servativer Sozialkritik betrachtet werden. Unmittelbar nach der Premiere1172 lös- te der Film die Frage aus, was er über die politische, soziale und kulturelle Si- tuation Deutschlands aussage. Die Premierenkritik der Die Literarische Welt stellte es als unverständlich heraus, „daß die Revolution eine Art übelriechende, ekelhafte Pest sei -; Herr Lenin, auch kein schlechter Regisseur,(hat) zehnmal soviel (Aufwand gebraucht), um das Gegenteil zu belegen. Es gibt tatsächlich Motive, die un- ter sechzigtausend Hauptdarstellern gar nicht abzuwickeln sind: weil sie eben einer welthistorischen Leidenschaft entspringen.“ 1173 In der Tat wurde hier ‘Revolution‘ als großer Katastrophen- und Horrorfilm inszeniert, der in den Umsturzszenen mit den Klängen der Marseillaise unterlegt wurde. Hellmann faßte zusammen: „Die

1170 Der Zwischentitel lautet: „Wir wollen sehen, wie die Welt zum Teufel geht.“ 1171 „404. Bild: Plötzlich bildet sich hinter ihm / aus dem Nichts / die Gestalt der Hel: / gleich einem Todes-Engel / mit riesengroßen schwarzen Fittichen / die das ganze Bild überschatten. / Sie breitet die Arme aus / groß und feierlich.“ Drehbuchtext, Zit. n. Sturm, Für Hel ein Denkmal, a.a.O., S. 57. Diese Szene wurdee aus dem Film herausge- schnitten. 1172 10. Januar 1927 1173 Die Literarische Welt, 21.1.1927

286 Nachtseiten des Lebens unterdrückten und ausgebeuteten Arbeiter werden durch vage Hoffnungen auf einen Mittler hingehalten. Später führen sie, von Fredersen dazu verleitet, eine Katastrophe herbei, der sie beinahe zum Opfer fallen. Als Fazit bleibt die über allem schwebende Hirn-Hand-Synthese, bei der das Herz (= die Liebe) als einziger Mittler zwischen Hirn (= Kapital) und Hand (= Proletariat) fungiert und so alle sozialen Gegensätze überwinden hilft. Das Scheitern eines möglichen Klassenkampfes wird a priori festgelegt. Als Ersatz bleibt eine naive Verbrüderung, bei der die Arbeiter die klaren Verlierer sind. Fredersen hat damit sein Ziel erreicht: Der schwelende Unmut ist beseitigt, ohne daß sich Sys- temveränderungen als notwendig erwiesen. Von nun an gehören ihm nicht nur die Ar- beitskräfte sondern auch die Seelen der Arbeiter.“1174

Der Besitz der Seelen bringt Fredersen als Teufelsgestalt ins Spiel. Es ist aber eine verdoppelte Teufelsgestalt, die wie die Stadt aus zwei Teilen und wie Ma- ria aus zwei Figuren besteht. Die eine Seite verkörpert Joh Fredersen, der mächtige Kapitalist, die andere Seite Rotwang, der dunkle Wissenschaftler.1175 Er steht schon durch sein Aussehen in der Tradition des alten Magus, außer- dem sind seine Forschungen grenzüberschreitend. Thea von Harbou zeichne- te seine dämonischen Attribute noch weit deutlicher. Danach zog er den rech- ten Fuß nach und eine Augenbraue war durch eine Elfenbeinplatte ersetzt, so als habe er ein Stück Schädel eingebüßt.1176 Aber nicht nur der Anblick Rot- wangs steht in faustischer Tradition, sondern vor allem sein Haus unterstreicht das Mephistophelische der Figur. Seine Wirkungsstätte ist ausgestattet mit geheimnisvoller Bibliothek und großräumigem Labor1177, gleichzeitig verbindet der Ort die beiden Teile Metropolis. Rotwang hängt – seine Umgebung und sein Äußeres verraten es – alten Zeiten nach. Er kann auch als der Vater Fre- dersen gelten, denn zwischen Rotwang und Fredersen schwelt derselbe Kon- flikt wie zwischen Vater und Sohn.

Die Figur Hel (aus verfügbaren Fassungen herausgeschnitten) erscheint als Verbindung zwischen Rotwang und Fredersen. Name und Treulosigkeit lassen an Helena denken. Nach Sturm leitete sich der Name allerdings aus der Edda ab, worin Hel Göttin der Unterwelt ist. Sie wurde beschrieben als schwarzblau behaartes Zwischenwesen von unersättlicher Gier und Unbarmherzigkeit. Kopf und düsterer Blick entsetzten wie Medusa, und wie Pandora verbreitete sie Krankheiten.1178 Die Figur erscheint ebenso gespalten wie die ihres Va- ters/Mannes. Ihr Tod bei der Kindesgeburt wird zur Sühne und ihr Sohn zum Erlöser erklärt. So wurde aus Hel, der Abgesandten der Hölle, Jungfrau Maria, welche die Maschinenfrau in sich barg. In unendlicher narrativer Schleife ver- hüllt das Gute das Böse und das Böse das Gute.

Auch das englisch hell kann mit Hel in Verbindung gebracht werden. In Kub- ricks 2001. A Space Odyssey (1968) übernimmt H.A.L. die Rolle des luziferi- schen Bordcomputers.1179 Die magische Stimme dieser teuflischen Maschine setzte sich an die Stelle der stummen Teufelsmaschine in Metropolis. Die Fil- me Metropolis und 2001: A Space Odyssey werden getragen von denselben christlichen Mythen: Verführung, Vergebung und Auferstehung. Der Teufel in Metropolis ist die große unterirdische Maschine, um die sich das grausame

1174 Hellmann, Metropolis, .a.a.O., S. 6 1175 Die (verschmolzenen) Kontrahenten können als zwei Seiten einer Figur betrachtet wer- den. (Sie stellen etwa ein Paar dar wie Jekyll und Hyde.) 1176 Sturm, Für Hel ein Denkmal, a.a.O., S. 65 1177 Sturm hob hervor, daß die gigantischen Räume eigentlich keinen Platz im kleinen Haus Rotwangs finden konnten. Ebd. S. 61 1178 Ebd. S. 54 1179 Den Bordcomputer sprach Douglas Rain.

Nachtseiten des Lebens 287

Reich der Dunkelheit aufgebaut hat. Metropolis ist des Teufels Metropole, denn die Teufelsmaschine schaufelt unterschiedslos Massen von Menschen in ei- nen gierigen Höllenschlund. Der bedrohliche Maschinenmoloch läßt seine Teu- felsfratze sehen, einen unersättlichen Feuerrachen. Die Maschine ist der Teu- fel und Rotwang, dessen rechte Hand bereits zu einem Maschinenteil mutierte, ist ihr teuflischer Diener, eben die rechte Hand des Teufels. Satan wird von Rotwang und Fredersen in der Maschinenfrau beschworen und als Marias Doppelgängerin im Bad Angel humanoid. Die Maschinenfrau ist eine verleben- digte Abspaltung der großen Teufelsmaschine.

Der Vorname Joh scheint auch für Jehova zu stehen.1180 Dem verdoppelten Vater, Rotwang und Fredersen, der verdoppelten Mutter, Maria und Hel, und der geteilten Stadt, steht nur ein einziger Sohn entgegen: Freder, der Erlö- ser.1181 Freder vertritt wie Maria durch ihren Namen das göttliche Prinzip. Rot- wang mußte wie Ikaros vom Himmel stürzen und wie Faust zur Hölle fahren, während Fredersen dem Teufel entkam. ‚Liebe‘ brachte diesen wieder einmal um seinen Lohn. Aber der Kapitalist wurde nicht wirklich bekehrt, denn, wie Siegfried Kracauer herausstellte, hat „der Industrielle seinen Sohn ausgetrickst. Sein Zugeständnis läuft auf eine Beschwichtigungspolitik hinaus, die die Arbeiter nicht nur abhält, ihre Sache siegreich durchzufechten, sondern die es ihm auch ermöglicht, sie fester in den Griff zu kriegen. Seine Roboterstrategie war ein Fehlschlag, insofern sie auf unzulänglicher Kenntnis der Mentalität der Massen beruhte. Indem er Freder nachgibt, stellt der Industrielle einen intimen Kontakt mit den Arbeitern her und ist so in der Lage, ihre Mentalität zu beeinflussen.“1182

Der Film steht für den uneingeschränkten Allmachtsanspruch des Vaters ge- genüber dem Sohn und seinen Arbeiter(kinder)n. Die in Metropolis entwickelte soziale Utopie griff auf gewaltige Massenszenen zurück, welche die Arbeiter- schaft zunächst geordnet wie eine Maschine zeigten, bis sie analog zur Ma- schine explodierten und das Chaos verkörperten, das schließlich scheinbar durch das menschliche Gefühl Liebe bereinigt wurde und zum Sieg über den teuflischen Maschinendämon führte.

1180 Vgl. Sturm, Für Hell ein Denkmal, a.a.O., S. 74 1181 Freder wurde - wie Faust bei Marlowe - von guten und bösen Engeln flankiert. Die guten Engel an seiner Seite waren Josaphat und der Schmale. Sie standen dem Bad Angels der Maschinenwelt, Rotwang und der falschen Maria, entgegen. Offensichtlich wurden die Bad Angels und die Good Angels aus dem Film herausgeschnitten. Vgl. ebd. S. 55 1182 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 172

288 Nachtseiten des Lebens

Abb. 141: Die Höllenmaschine

Am Ende büßte die Maschine ihr satanisches Eigenleben ein und mußte die gehorsamen Menschenseelen wieder freigeben. Im gigantischen Maschinen- reich, dessen humanoider Teil der Erfinder Rotwang und seine glänzende Ma- schinenfrau waren, strebten sie danach, die Herrschaft der Maschinen zu er- richten. Die Vorstellung der romantischen Liebe zwischen Mann und Frau löste hier ebenso plakativ wie das Wort Liebe, das am Ende von Murnaus Faust. Ei- ne deutsche Volkssage (1926) in den Himmel geschriebenen wurde und wie ein Herz pochte, den epochalen Konflikt mit dem Teufel auf. Die große Kino- maschine, die all diese Gestalten hervorzubringen vermag, hält reichlich von diesem göttlichen Gefühl bereit und läßt immer wieder das Herz sprechen.

Das magische Zeichen des Pentagramms an der Haustür Rotwangs, über der künstlich belebten Maschinenfrau und an der Spitze des Hochhauses Freder- sens, umgrenzt das Reich der Magie und versetzt es wie in Wegeners Der Golem. Wie er auf die Welt kam (1920) in Bewegung. Joh Fredersen scheint durch die verführerische Hel auf die Seite des Bösen gezogen worden zu sein. Am Ende des Films ist Fredersen endlich beide los, Rotwang und Hel, die sei- ne diabolische Seite ins Bild setzten. Der Kapitalist kommt ganz offensichtlich ohne seine magische Seite viel weiter. Der Teufel (in ihm) scheint mit Hilfe der guten Engel (Freder und Maria) besiegt worden zu sein. Dem säkularisierten Teufelskapitalisten fallen die Seelen der Arbeiter zu, der von nun an die Liebe seiner Kinder verwaltet. Der absolute Herrscher-Vater reinigte sich im katharti- schen Prozeß der Fastkatastrophe von den sichtbaren Elementen des Bösen. Zwar wird die teuflische Maschine in Metropolis als Führer abgelöst, aber durch Joh Fredersens nicht minder totalitäre Autorität ersetzt. Diesem Austauschprozeß trägt am Ende des Films die erneut geordnete Formation der Arbeiter Rechnung, die keilförmig gehen, in einer – so Kracauer - „strikt symmetrischen Prozession mit der Spitze auf den Industriellen zu, der auf den Stufen zum Portal der Kathedrale steht.“1183 Lang präsentierte monumentale Menschen- bilder, die sich geometrisch mit schlafwandlerischen Schritten vorwärts be- wegten. Nach Kracauer war Metropolis ein präfaschistischer Film, in dem „die abgewirtschaftet mechanische Disziplin durch totalitäre Disziplin ersetzt“ wurde. „Ret- tungslos der Regression verfallen, mußte die Mehrheit des deutschen Volkes sich ein- fach Hitler ergeben.“1184

Metropolis ist ein Faustfilm, der die Schnittstellen zwischen den Genres Hor- rorfilm und Science Fiction-Film auflöst, schon weil die Faustgestalt in zwei Männer aufgeteilt ist, wovon der eine augenscheinlich ins Horrorgenre (Rot- wang) und der andere (Fredersen) ins Science Fiction-Genre gehört. Die klas- sischen Horrorelemente des Films sind der diabolische Magier, sein unheimli- ches Haus, das alchemistische Labor und die alte Bibliothek. Mit dem Zusam- menschluß zwischen Rotwang und Fredersen tauchen traditionelle Bilder des Schreckens auf, wie der verlebendigte Tod, die sieben Todsünden, die Höllen- hunde, der Teufel mit Engelsgesicht, die Hölle und die Teufelsmaschine. Auch die Schauplätze Kathedrale, unterirdische Kultstätte und geheimnisvolle Kata- komben gehören in das Horrorgenre. Die Science Fiction-Szenen dagegen stellen den kalten Unternehmer Fredersen heraus. Es sind Bilder der futuristi- schen Stadt mit ihren gigantischen über- und unterirdischen Anlagen, aber auch das Büro Fredersens, das Fernsehtelefon oder die Steuerungszentrale der Herzmaschine, und dramaturgische Momente, wie die Dominanz der

1183 Ebd. S. 173 1184 Ebd. S. 287

Nachtseiten des Lebens 289 mächtigen Maschine sowie die alles zu vernichten drohende Katastrophe. Su- san Sontag1185 stellte die Katastrophe als bedeutendes Elemente des Science Fiction-Films heraus. Apokalyptische Bilder gehören danach zu den ältesten Themen der Kunst überhaupt. Nach Sontag lag die Ästhetik der Destruktion in der Schaffung des Chaos.

Die große Katastrophe in Metropolis löste die wütende Menge aus, welche die Explosion der Maschine herbeiführte. Die Kräfte der Natur stellten sich darauf- hin gegen die Maschine als ihre Imitation, und Wasser ließ den Stein bersten. Die Sintflut drang von unten ein und überflutete die unterirdische Stadt. Die fal- sche Maria feierte zu früh den von Satan so lange ersehnten Weltuntergang. In Méliès‘ Le Voyage À Travers L’Impossible (1904) verursachte der Ingenieur Maboul den Weltuntergang durch die Explosion der Sonne. Das rot viragierte Bild am Ende des Films symbolisierte die Katastrophe und verdeckte die grauenvolle Vernichtung. Endzeit-Bilder, grausame Bilder der Vernichtung, prägen das Science Fiction-Genre insbesondere nach Hiroshima. In Lobgesang auf Leibowitz (1955) beschrieb Walter M. Miller Jr. Endzeit-Bilder, die nicht nur in ihrer Farbigkeit an Méliès erinnern, sondern im gigantischen Blitz des Weltuntergangs erscheint das Antlitz Luzifers: „Die Horizonte wurden ein rotes Glühen. In der Ferne wurde eine Wolkenbank geboren, wo zuvor keine Wolke gewesen war. Die Mönche auf der Leiter blickten weg von den Blitzen. Als die Blitze aufhörten, blickten die Mönche wieder hin. Das Angesicht Luzifers erhob sich in pilz- förmiger Häßlichkeit über die Wolkenbank, wuchs langsam in die Höhe wie ein Titan, der nach Jahren der Einkerkerung in den Tiefen der Erde nun auf die Füße kletterte.“1186 Der Atompilz als Bild der vollkommenen Zerstörung wurde zum vernichtenden Antlitz des Teufels. Aber der christlichen Verheißung des Welt- untergangs durch das Feuer steht die Idee des himmlischen Paradieses als Vision der Erlösung gegenüber. Schon im Begriff Science Fiction gerät der Magus in den Kampf zwischen Gott und Teufel, denn der Begriff verbindet scheinbar Unvereinbares miteinander. Science, der nachprüfbaren, rational erfaßbaren und systematisierbaren Er- kenntnis, steht fiction, der Ausdruck des Irrealen, der Ideenwelt, entgegen.1187 Ist Fiction die Idee der Schöpfung, dann wird Gott die Materie, die der Magus Faust suchte,und derer sich auch der Teufel bemächtigen wollte. Science fic- tion nahm sprachlich den Widerspruch der rationalen und konditionalen Vor- aussetzungen von Erkenntnis auf, in deren Konflikt sich der forschende Wis- senschaftler auf ewig verliert. Es ist ein konstituierender Widerspruch, der be- reits die frühneuzeitlichen, wissenschaftlichen Erkenntnisse mit der Spaltung Fausts als Teufelsbündler verbildlichte, denn der immer im Namen des Teufels forschende Wissenschaftler, wird jenem gleich, der die Welt geschaffen hat, und stellt sich in dem Versuch dar, ein (neuer) Weltenschöpfer zu werden, ein Grund, warum die große Katastrophe ein nicht auflösbarer Bestandteil von Science Fiction ist. Die Erde bleibt dem Untergang geweiht. Michael Salewski beschrieb die kosmische Katastrophe als Ende und Anfang von Geschichte: „Wenn die Welt untergeht, gibt es den Menschen schon lange nicht mehr. Dieser Welt- untergang ist ein bloßes kosmisches Ereignis, dem Menschen nicht angemessen. Es ist ein gleichgültiges Ereignis, unbedeutend vor dem Nichts oder dem Sternenschöpfer. Geschichte gibt es nicht mehr, denn Geschichte haftet dem lebendigen an, dem Intelli- genten. Der kosmologische Untergang ist nicht einmal eine Katastrophe, denn dies ist ein humaner Begriff. Raum, Zeit, Ewigkeit - alles bloße menschliche Erfindungen, Krü-

1185 Susan Sontag, Kunst und Antikunst, Frankfurt am Main 1982 1186 Walter M. Miller Jr., Lobgesang auf Leibowitz, München (A Canticle for Leibowitz 1955- 1957), S. 320, Zit. n. Michael Salewski, Zeitgeist und Zeitmaschine. Science Fiction und Geschichte, München 1986, S. 9 1187 Ebd. S. 19

290 Nachtseiten des Lebens cken unzureichenden Geistes, Katalysatoren biologischer Ignoranz. Damit das Ende der Erde zur wahrhaften Katastrophe werde, bedarf es des Menschen, genauer: der letz- ten und der ersten Menschen im Stufengang einer unfaßbaren Evolution der Humanoi- den.“ 1188

Während der Science Fiction-Film eher eine Ausweitung der Bedrohung auf eine soziale Formation beinhaltet, speist sich der Horrorfilm aus der (dämoni- schen) Bedrohung einzelner Menschen. Der Science Fiction-Film fährt quasi die soziale Utopie hoch, die Lang in Metropolis entwickelte, und verringert die Horrorelemente, das elementar Schaurige, das dem mittelalterlichen Teufels- bild entspringt. Beide Genres verweisen auf eine übernatürliche Welt, aus wel- cher der forschende Wissenschaftler nicht wegzudenken ist.

Der eigentliche Magier in Metropolis war wieder einmal die Kamera, die völlig neue Bilder hervorbrachte. Rolf Giesen1189 schrieb der Entwicklung der Film- tricks den sensationellen Erfolg des Phantastischen Kinos zu. Neue Filmtricks brachten wie bei Méliès neue magische Geschichten hervor oder sprachen den Protagonisten übernatürliche Eigenschaften zu.1190 So war etwa in The Terminator (James Cameron,1984) und Terminator 2: Judgement Day (James Cameron, 1991) der Held ein mit technischen und magischen Kräften ausges- tatteter außerirdischer Maschinenmensch, der in der ersten Fassung als bad angel, in der zweiten aber als good angel auf die Erde kam. Die Geschichte erzählte den alten Kampf zwischen Gut und Böse. Der Erlöser, ein noch un- geborenes Kind, wird aus der jenseitigen Welt verfolgt. Im zweiten Terminator- Film hat der ihn verfolgende bad angel zwar etliche technische Vorteile, er konnte sich etwa in Materie auflösen und wieder zusammensetzen, verlor aber im Kampf gegen Liebe und Freundschaft. Die Maschinenmenschen der Gala- xis kamen in The Terminator auf die Erde, um den bevorstehenden Weltunter- gang, den ein Wissenschaftler zu verantworten hatte, abzuwenden. Verbunden mit der Entwicklung neuer Filmtricks wurde auch Fritz Langs Metropolis fast automatisch eine futuristische Zukunftsvision, die freilich nicht unabhängig sein konnte von einer magischen Welt mit Teufeln und Dämonen. Karl Freund schilderte: „Unser Film hieß Metropolis! Und in dieser Zukunftsstadt müßten die tech- nischen Erfindungen gezeigt werden, die unser Zeitalter noch nicht kennt. Diese könn- ten ohne technische Kniffe, d.h. Tricks, wohl nicht aufgenommen werden.“1191 Nach Giesen zeigten sich Filmtricks als „eine Verdopplung der filmischen Illusion. Illusion ist ja nicht nur der auf Zelluloid gebannte Effekt, sondern schon das bewegte Bild selbst...Ziel der meisten Filmtricks ist die Kombination von real und künstlich herge- stelltem Szeneninhalt. Einige der besten Kombinationen des Stummfilms sind in Fritz Langs Metropolis .. zu sehen ... Im Gegensatz zu den Doppel- und Mehrfachbelichtun- gen gehört das in diesem Streifen angewandte und nach seinem Erfinder Eugen Schüff- tan (1893-1977) benannte Verfahren zur Kategorie der gleichzeitigen Kombinations- tricks.“1192 Eugen Schüfftan brachte durch die neue Tricktechnik, wodurch Pro- portionen kleiner Modelle um das Hundertfache übersteigert wurden, Science Fiction-Elemente in Metropolis ein, der wahrscheinlich ursprünglich eher als

1188 Ebd. S. 11 1189 Giesen, Lexikon des phantastischen Films, Bd. 2, a.a.O., S. 96 1190 Ein Beispiel für die Verbindung zwischen Plot und Trick ist auch James Whales The Invi- sible Man (1933). Schon 1922 hatte die Ufa Im Kampf mit dem unsichtbaren Feind herausgebracht. 1191 Zit. n. Giesen, Lexikon des phantastischen Films, Bd. 2, a.a.O., S. 96 1192 Ebd. S. 287f. Giesen erklärte Schüfftans Trick folgendermaßen: „In einer ursprünglichen Form wird bei Schüfftan das gespielte Szenenteil durch einen nahe vor dem Objektiv in etwa 45° zu dessen optischer Achse angebrachter Spiegel, dessen Belag weitgehend den Konturen des Hauptobjektes entspricht, mit einem zweiten (Trick-) Objekt (Modell) kombi- niert, das sich vor der Kamera befindet und vom Objektiv durch den unbelegten Teil der Spiegelscheibe hindurch erfaßt wird.“ Ebd. S. 289

Nachtseiten des Lebens 291 ein Horrorfilm angelegt war, aber zu einem Genre-Zwitter wurde. Fritz Lang re- sümierte: „Der Magier, der hinter den ganzen Ereignissen steckte, war das Böse ... nach und nach strichen wir alle magischen Szenen, und vielleicht hatte ich aus diesem Grunde das Gefühl, Metropolis sei zusammengeflickt.“1193 Der Prometheus-Effekt stülpte sich über den Fauststoff und machte aus dem Teufel eine gigantische Maschine, ähnlich wie der Kinematograph mit Namen Luzifer Teufel und Ma- schine verband. Metropolis und Faust. Eine deutsche Volkssage bilden gera- dezu Antipoden im kreativen Einsatzes neuer Filmtricks, die aus der Verbin- dung von Faust-Mythos und Prometheus-Effekt hervorgingen. Während Lang nur in wenigen Szenen auf die zauberische Vergangenheit (des Magiers) zu- rückgriff und sich der (filmisch-magischen) Zukunft zuwandte, die in der Wei- terentwicklung des Faustfilms nur eine riesige Teufelsmaschine werden konn- te, welche ihre eigene humanoide Reproduktion anstrebte, zeigte Friedrich Wilhelm Murnau in seinem Faustfilm die Kunststücke der Filmtechnik als Teufelsmagie.

1193 Fritz Lang im Gespräch mit Peter Bogdanovich, 1967, Ebd. S. 104

292 Nachtseiten des Lebens

„Filme sind wie Vampire, sie saugen einen gnadenlos aus und geben nichts zu- rück.“1194

C. Herr der Untoten Dracula, der Fürst der Finsternis, der sich von Menschenblut ernährt, ist ei- ne unsterbliche Lichtgestalt des Kinos und nach Sherlock Holmes die zweit häufigste Filmfigur überhaupt. Der Vampirfilm kann geradezu als eigenes Genre betrachtet werden. Nach Pierre Lachat blieb in allen Draculafilmen eine grundsätzliche Frage ungeklärt. Es ist die Frage der Schuld, die auf Dracula lastet, warum er nicht sterben kann.1195 Die folgenden zwei Dracula- filmplakate geben auf Lachats Frage augenfällig Antwort: Der Herr der Unto- ten scheint seinen blutigen Namenszug unter einen verhängnisvollen Pakt gesetzt zu haben.

Abb. 142: Filmplakat, Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula, 1992

Draculas Namen auf dem Plakat von Francis Ford Coppolas Bram Stoker’s Dracula (1992) verzeichnet in blutigen Federstrichen rote Schattenwesen im makabren Tanz. Sie erscheinen als Zeichen einer beseelten medialen Welt. Auch auf dem Filmplakat von Jess Francos El Conde Dracula (Nachts, wenn Dracula kommt) (1969) tropft noch Blut aus der Unterschrift.

1194 Luc Besson, Interview im Wochenblatt Mannheim, 30. 8. 2000 1195 Pierre Lachat, Verdammt zur ewigen Wiederkehr, in: Zoom, Zeitschrift für Film, H. 2 (1993), S. 12-21, S. 20

Nachtseiten des Lebens 293

Abb. 143: Filmplakat, Jess Franco, El Conde Dracula, Nachts, wenn Dracula kommt, 1969

Schon in der Historia von D. Johann Fausten kehrte Faust nach der Höllen- fahrt in sein Haus zurück. Er war ein von den Toten auferstandener Sohn des Teufels, ein diabolischer Wiedergänger. Auf dem folgenden Bilderbogen Doctor Faust1196 (1884) kommt der Teufel in Gestalt einer Fledermaus auf Faust zugeflogen.

Abb. 144: Bilderbogen Doktor Faust in der Volkssage, 1884

1196 Märchen, Sagen und Abenteuergeschichten auf alten Bilderbögen neu erzählt von Au- toren unserer Zeit, hrsg. v. Jochen Jung, München 1974, S. 78

294 Nachtseiten des Lebens

Der Blitz im Hintergrund des Bildes verweist auf den Himmelsturz Luzifers und auf Prometheus‘ Spuren, die zu Draculas Merkmalen führen. Der mär- chenhafte Bilderbogen veranschaulicht den Prozeß der Mythenbildung: E- lemente verschiedener Erzählungen werden ineinander verschoben, ver- kürzt oder durch andere Teile ersetzt. Es ist der Prozeß, der aus Dracula eine blutsaugende Fledermaus und den Prince of Darkness machte, oder anders gesehen: Faust und Teufel amalgamierten zu Dracula.

Insgesamt betrachtet verweisen die Spuren der Vampirgestalt in der Faustgeschichte und die Überreste des Fauststoffs in den Vampirgeschichten auf den Vampirfilm als eine Spielart des Faustfilms. Die Vampirgestalt tauchte in der Geschichte des Spielfilms nicht von Anfang an auf. Der blutgierige Böse trat erst allmählich aus dem Schatten seinen zeichenhaften Vorgängern heraus. 1900 drehte Robert W. Paul1197 in England den Film Chinese Magic, in dem ein chinesischer Zauberer sich in eine riesige Fledermaus verwandelt.1198 Auch in The Prince of Darkness1199 (1902) tritt noch kein Vampir auf, sondern hier erschreckt ein ‘lebendes‘ Skelett einen Mann zu Tode. Der ‘Fürst der Dunkelheit’ ist hier der Tod in seiner alten Gestalt als Knochenmann. Etwa sechs Jahre später zeigte Pathé in La Légende du Fantôme (1908) eine Frau, die vor Drachen, Skeletten und anderen Dämonen flieht. Es ist ein Film mit einer bemerkenswerten Szene für einen Stummfilm, denn eine Geisterstimme ruft aus einem tiefen Grab.1200 1909 brachte Edison ‘Tis Now the Very Witching time of Night heraus. Hierin übernachtet ein Mann in einem unheimlichen Haus, das voll von Fledermäusen, Hexen und Skeletten ist. 1912 kommt ein Vampir zwar im Titel des Gaumont-Films In the Grip of the Vampire vor, aber Vampir bezeichnet einen gemeinen Verbrecher, der eine junge Frau in den Wahnsinn treibt. Am Ende wird sie von einem Arzt durch Hypnose gerettet. Ebenso waren die Filme The Vampire und The Vampire of the Desert (1913) keine Vampirfilme, sondern erzählten kleine Geschichten über magische Verwandlungen und Hypnose.1201 Auch in Louis Feuillades Filmserie Les vampires stand der Name für eine kriminelle Bande, die in zehn Episoden von 1915 bis 1916 mit Hilfe von Hypnose und technischen Tricks (!) Verbrechen beging.1202 1914 produzierte Eclair den 32 Minuten-Film The Vampire. Kinnard faßte zusammen: „A psychologist is ordered by a mysterious sect to murder his wife using narcotics and a huge vampire- bat.“1203 Im Genre des Phantastischen Films ließen sich Fledermäuse und Vampire von 1896 bis etwa 1921 nur im Gefolge des Knochenmanns oder anderer Schreckgestalten finden. Nach Steve Ghilardi1204 gab es den Vampirfilm erst seit den zwanziger Jahren, jedoch können frühere Filme verschollen sein. So blieb von dem ungarischen Film Drakula (1921) nur der Titel erhalten. Nach David J. Skal inspirierte dieser Film möglicherweise 1197 Robert W. Paul (1869-1943) war der Erfinder der britischen Filmkamera (Paul machi- ne), die Méliès am Anfang benutzte. 1198 Freilich ist dies kein Vampirfilm, aber die Fledermaus galt seit dem Mittelalter als teuf- lisches Untier und ekelerregender Blutsauger. 1199 Dies war eine Produktion der American Mutoscope und Biograph. 1200 Der Stummfilm setzte auch hier Ton ins Bild. In Lubins Talked to Death (1909) trieb eine Frau durch Erzählen ihre Zuhörer in den Tode trieb. Vgl. Kinnard, Horror in Silent Films, a.a.O., S. 22 und S. 33. 1201 Vgl. ebd. S. 59 1202 Hypnose- und Verwandlungsfilme (insbesondere in Folge des Einsatzes von techni- schen Geräten) nehmen einen selbstreferentiellen Aspekt des Phantastischen Films auf. Vgl. das Kapitel Unsichtbare Kraftlinien 1203 Kinnard, Horror in Silent Films, a.a.O., S. 68 1204 Steve Ghilardi, Dracula, in: Grundwerk, Lexikon des phantastischen Films, a.a.O., Dra- cula, S. 1-17, S. 2

Nachtseiten des Lebens 295

Film möglicherweise Friedrich Wilhelm Murnau zu Nosferatu. Eine Sym- phonie des Grauens (1921/1922).1205 Bis zu Nosferatu scheint allein Satan der Gegner Gottes gewesen zu sein, wie in Pathés The Devil (1922), in dem der Teufel 70 Minuten lang gegen das Kreuz ankämpfte.

Der Vampir bekam seine erste filmische Gestalt wohl in Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens1206 (1921/1922). Ein Stummfilm mit dem Untertitel Eine Symphonie des Grauens scheint den Zuschauer ad absurdum zu führen, zumal der Böse meist lautlos aus dem Nichts hervortritt. In Briefen, Aufzeichnungen und Tagebucheintragungen erzählte Bram Stoker die Geschichte des Vampirs, und auch bei Murnau zeigt das erste Bild ein Schriftstück. Es ist der Titel einer alten Chronik. An der Stelle des Chronistennamens stehen jedoch drei Kreuze.

Abb. 145: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grau- ens 1922. Das Titelblatt der alten Stadtchronik

Die Aufzeichnungen des Unbekannten ziehen sich wie die Stimme eines anonymen Ich-Erzählers durch den Film. Heide Schlüpmann stellte heraus: „Henrik Galeen, der Verfasser des Drehbuchs zu Nosferatu und selbst ein Schrift- steller des Unheimlichen, restituierte mit der Fingierung der Chronik den traditionel- len Erzähler.“1207 Danach beziehen sich die Bilder der Chronik auf Schriftstü- cke als „die andere Form des Berichtens“. Gleichwohl das Buchbild ein Filmbild ist, deuteten die drei Kreuze (der unbekannte Autor der Chronik) daraufhin, daß die Filmkamera der ‘wahre‘ der Verfasser der folgende Geschichte ist. Das Bild des Buches im Film macht das Wort für den Stummfilm verfügbar und verweist auf magische Büchern als Voraussetzung der Schwarzen Kunst.

1205 Nach David J. Skal führte Karoly Lajthay die Regie des Films, den Lajos Gasser für ihn drehte. David J. Skal, The Monster Show, A Cultural History of Horror, London 1994, S. 50 1206 Es lag die restaurierte Fassung des ZDF‘s von 1988 vor. Die viragierte Fassung wurde vom Filmmuseum München (Enno Patalas) rekonstruiert. Wie schon in Der Januskopf (Murnau, 1920) wurden die Rechte des Films nicht erworben und die Namen der Pro- tagonisten geändert. 1207 Heide Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens. Murnaus Nosferatu, in: Frauen und Film, H. 49, S. 38-51, S. 40

296 Nachtseiten des Lebens

Anton Kaes1208 hob überdies die „verschnörkelten Schriftzüge“ der Handschrift hervor. Die Schnörkel lassen vor allem den Namenszug Nosferatu – das erste Wort der ersten Chronikseite - wie eine Unterschrift wirken.1209 Der Name des Bösen folgt der fehlenden Benennung des Chronisten.

Abb. 146: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grau- ens 1922. Die erste Seite der alten Chronik

Der mangelnde Ton des Stummfilms wird durch die direkte Ansprache des Zuschauers, der angehalten wird, das Wort N o s f e r a t u nicht auszu- sprechen, lautlos kompensiert. Denn freilich tönt schon beim Lesen in den Köpfen der Zuschauer jeder einzelne Buchstabe, obwohl das Wort stumm bleibt. Der lautlose Klang, der an den „Ruf eines Totenvogels“ gemahnt, wird zur Erinnerung an die imaginäre Existenz der Verstorbenen, welche die ’blutleere‘ Fotografie bereithält, die der Untote in Bewegung setzt. Es steht geschrieben, daß niemand den Namen Nosferatu aussprechen darf, weil sonst die Bilder des Lebens verblassen und sich spukhafte Träume von Blut nähren. Gewiß verbindet sich hier der Film mit magischen Vorstellun- gen von Verlebendigung. Aber offenbar hält der Stummfilm das Böse in Schach, denn hätten die bewegten Schatten eine Stimme, würden sie nach Blut rufen und lebendig werden. Nosferatu – dessen Namen niemand aus- sprechen darf, ohne sein Blut zu verlieren – verkörpert im Bild des dämoni- schen Untoten den Stummfilm und seine Stille.

Die einleitende Selbstreferentialität gewann der Film aus dem Bild des an- deren Medium. Dem Prolog des Films folgt die Einführung des Schauplat- zes Wisborg. Es wird eine Aufnahme der Dächer der Kleinstadt gezeigt und danach das Ehepaar Ellen und Thomas Hutter gegeneinander geschnitten vorgestellt. Thomas Hutter (Gustav von Wangenheim) steht vor einem klei- nen Wandspiegel und bindet sein Halstuch (ohne dabei eine Beziehung zu seinem Spiegelbild aufzunehmen), geht zum Fenster und sieht im gegenü- berliegenden Fenster Ellen (Greta Schröder), die mit einem Kätzchen spielt. Sie geht hinein und nimmt ihre Stickarbeit zur Hand.1210 Auf dem Weg durch

1208 Kaes, Weimarer Republik, a.a.O., S. 52, Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens, a.a.O., S. 39 1209 Ähnlich verschnörkelt ist auch der Namenszug Dracula auf den zuvor gezeigten Film- plakaten. 1210 Schlüpmann wies daraufhin, daß die Großaufnahme der Stickerei Ich liebe Dich, ein

Nachtseiten des Lebens 297 den Garten pflückt Hutter ihr einen Blumenstrauß. Die Szene ihrer Begeg- nung beschrieb Schlüpmann so: „Er eilt auf sie zu, doch die Montage baut eine Verzögerung in die Begegnung ein. Erst sehen wir in der Totale des Zimmers Ellen mit ausgebreiteten Armen, Hutter ins Bild auf sie zueilend, fast hat er sie erreicht, da bricht die Szene abrupt ab, um in einer Halbtotalen wieder aufgenommen zu wer- den - ein kaum merkliche Überlappung: Hutter rennt und fällt in ihre Arme.“1211 Er gibt ihr die hinter dem Rücken verborgenen Blumen, die sie mit den Worten entgegennimmt (Zwischentitel): „Warum hast Du sie getötet... die schönen Blu- men...?!“ Mann und Frau trennen offenbar nicht nur ‘Schnitte’ voneinander.

Hutter ist in Stellung beim zwielichtigen Makler Knock (Alexander Granach). Auf dem Weg dorthin trifft er Professor Bulwer (John Gottowt)1212, der ihm freundlich auf die Schulter klopft und eine Anspielung auf das unabwendba- re Schicksal macht. Als Hutter bei Knock eintrifft, hockt der absonderliche Kauz an einem hohen Pult und liest erfreut einen in seltsamen Zeichen ab- gefaßten Brief.

Abb. 147: , Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens 1922. Das kryptische Schriftstück erinnert an einen Faust Höllen- zwang.

Indiz für die Geschlechterdiffernz ist, die die Frau nur als „Randphänomen männlicher Subjektivität“ in den Film aufnimmt. Sie verband diesen Hinweis mit Fichtes Subjekt- philosophie, in der „die Frauen Anteil am Subjekt nur über die Liebe zum Mann“ ha- ben, ebd. S. 42 1211 Ebd. 1212 John Gottowt spielte in Stellan Ryes Der Student von Prag (1913) den Teufel Scapinel- li.

298 Nachtseiten des Lebens

Abb. 148: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grau- ens 1922. Die Rückseite des Schriftstücks

Die fremden Zeichen lassen das seltsame Schriftstück aus der Reihe der anderen Schriftdokumente, die im Film vorkommen, herausfallen.1213 Die geheimnisvolle Bilderschrift steht zwischen zwei Systemen, dem Zeichen- symbol und dem Bildsymbol als Ausdruck schriftlicher Übermittlung.1214 Der ‘Hieroglyphen-Brief’‘ erscheint als Faust Höllenzwang und stellt sich dem Zuschauer als Bilderrätsel dar.

Abb. 149: Diversarius multar (um rerum) Zürich, Zentralbibliothek, Feder, Tinte, 21:1,5 cm (Ausschnitt), um 150-153

Im Allgemeinen besteht ein Rebus aus Bildzeichen, deren Lautsilben und Worte gefunden werden müssen. Auch der Stummfilm kann als eine Art Bil- derrätsel gelten, da erst die „Zusammensetzung von Bild und Zeichen“ die „gedankliche Einheit“ hervorbringen, wie es Eva Maria Schenk über das Bil- derrätsel schrieb.1215 Der Hieroglyphen-Brief steht für die Grabesstille des

1213 Schriftliche Dokumente, die im Film vorkommen sind die Chronik, die Schiffspapiere, der Brief Hutters an seine Frau, die Zeitungsmeldung, eine behördliche Bekanntma- chung und das Vampirbuch. 1214 Bildsymbole stehen als Schriftzeichen in einer bestimmten Phase der Entwicklung der Schrift. Sie verweisen wie der Stummfilm auf einen noch nicht beendeten Prozeß. Ein Kind greift bei seinen Zeichnungen zu vereinfachenden, überall gebräuchlichen Bild- symbolen, wenn es zu klassifizieren beginnt und Reihen bildet. Häuser sind in frühen Kinderbildern ähnlich vereinfacht zu finden wie im oben gezeigten Brief. Es sind Bild- symbole, die vor dem abstrakten Schriftsymbol mitunter als Rebus funktionieren. (Zur Entwicklung der Schrift und der Veränderung der Denkstruktur vgl. Jean Piaget, Das Erwachen der Intelligenz beim Kinde, Stuttgart 1969) 1215 Eva Maria Schenk, Das Bilderrätsel, Hildesheim, New York 1973, S. 11 (Abb. S. 318)

Nachtseiten des Lebens 299

Stummfilms, denn das rätselhafte Schriftstück verweist mit seinen Bild- und Schriftsymbolen auf die Zwischenexistenz seines Schreibers, der ja zwi- schen Leben und Tod steht und ebenso defizient ist wie der Stummfilm selbst, denn ihm mangelt es an Blut wie dem Stummfilm an Lautbildern. Das Bilderrätsel scheint gelöst, wenn der Name Nosferatu erklingt.1216 Das kryptische Schreiben verweist auf einen mysteriösen Absender. Jürgen Mül- ler1217 wies daraufhin, daß „es sich nicht bloß um einen kuriosen Text (handelt), sondern um eine Verballhornung kabbalistisch-hebräischer Geheimschrift... Wenn der Zuschauer genau hinschaut, wird er im Brief Nosferatus, den Knock zu Beginn liest, den Davidstern erkannt haben, der in seinem Zentrum ein ‘S‘ enthält. Noch eindeutiger ist das bisher nicht entdeckte Hakenkreuz im Brief Knocks an Nosfera- tu.“

Hutter solll Graf Orlock ein Haus verkaufen. Hutters Frau wird von Freunden in der Zeit seiner Abwesenheit aufgenommen. Erwartungsvoll begibt sich Hutter auf die lange Reise. In der Nacht, bevor er Orlock trifft, übernachtet er in einem Gasthaus, in dem er ein altes Buch über Vampire findet.

Abb. 150: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grau- ens 1922. Das alte Buch über Vampire

Der Buchtitel stellt Vampire neben Zauberei, Geister und die sieben Tod- sünden. Hutter schlägt das Buch auf und erfährt, daß Nosferatu der Sohn des Verderbers Belial ist. Er ging aus dem Samen des Antichristen hervor und ernährt sich vom Blut der Menschen. Das alte Buch spielt in Murnaus Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens ebenso wie in Faust. Eine deut- sche Volkssage die Rolle des magischen Wissensträgers.1218 Nach

1216 Der ‘Hieroglyphen-Brief’ spielt bis heute in unzähligen Spionage- und Abenteuerfilmen eine zentrale Rolle. Die Schreiber der Hieroglyphen erwiesen sich meist als Diener des Teufels oder eines dämonischen Systems. Meist wird ein faustischer Wissen- schaftler zur Deutung der Bildzeichen herangezogen. In Stanley Donens Arabesque wird beispielsweise ein Altertumsforscher durch einen Hieroglyphen-Brief in eine Spi- onageaffäre verwickelt. Ebenso schickt in Jonathan Demmes Tödliche Umarmung ei- ne Archäologin, einem Spion, den sie ermorden will, einen kryptischen Brief. 1217 Jürgen Müller, Der Vampir als Volksfeind. Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“: Ein Beitrag zur politischen Ikonographie der Weimarer Zeit, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 72 (1999), S. 39-58, S. 49f 1218 Wie stark das Unheimliche mit Büchern, diese wieder mit dem Teufel und der Teufel wiederum mit Fledermäusen in Verbindung stehen, veranschaulichen Schriften, die wie Baltrusaitis berichtete, mit Fledermausflügeln geschmückt waren. Er schrieb: „Daß Fledermausflügel mitunter in rein schmückender Absicht zwischen den Seiten goti-

300 Nachtseiten des Lebens

Schlüpmann verwiesen die Bücher in Murnaus Film „auf seinen Gegenpol: das neue Medium, dem nichts als wirklich gilt denn die äußere Welt, die reproduzierbar ist.“1219

Am nächsten Morgen bringt Hutter eine Kutsche noch ein Stück des We- ges, dann muß er allein die Brücke in das Land der Schatten überqueren. Eine schwarze Karosse kommt ihm plötzlich entgegengefahren. In blau vi- ragierten Bild umrahmt eine Kreisblende das Antlitz des Kutschers, der sei- nen auffälligen Hut tief ins Gesicht gezogen hat.1220 Im Gegenschuß er- scheint Hutters banges Gesicht. Hutters Kutschenfahrt durch das Land der Phantome wurde zu einer viel beachteten Filmsequenz. Kaes betonte den selbstreferentiellen Aspekt dieser Szene, die auf „das neue Medium des Films als das eigentliche Reich der Phantome“ verweist. Danach sind „nicht nur... Schauspieler festgehalten auf Zelluloid, letztlich wesenlose Erscheinungen..., die nie sterben und so im Reich der Untoten hausen, der Film selbst schafft mit Hilfe der Technik eine radikale Verfremdung der sichtbaren Welt.“1221 Die Kutschenfahrt ins Land der Phantome wird zum Raumbild und zum Zeitbild. Die Kutsche „saust“ – so Schlüpmann – „in einer durch Einzelbildschaltung produzierten ruck- artigen Hast durch die Hohlwege.“1222 Die übernatürliche Geschwingkeit, mit welcher die Kutsche durch den Wald fährt, erinnert an Mary Shelleys Be- schreibung des Monsters, das einem Gespenst gleich, in übernatürlicher Geschwingkeit über das Eis auf Frankenstein zugleitet.1223 Zeit wird durch den Dämon außer Kraft gesetzt und ihr magischer Aspekt an die Existenz des Übernatürlichen gebunden. In den Händen des faustischen Wissen- schaftlers wird selbst die Uhr zu einem dämonischen Phantom.

Als sie in den Wald hineinfahren, wird der Film als Negativ gezeigt. Die Ver- kehrung des Filmbildes ins Negativ verweist auf die negative Sphäre, in die Hutter eingetreten ist und die konnotiert wird mit der Unterwelt, in welcher der Dämon sein Reich errichtet hat. Kracauer hielt es für bemerkenswert, „daß soviel filmisches Gespür und technische Begabung einzig und allein der Ab- sicht diente, Schrecken zu spiegeln.“1224 Der Schrecken, der dem Medium an- haftet, wurde in dieser Sequenz ins Bild gesetzt und ist gleichzeitig der vi- suelle Eintritt in das Reich des Dämons, in seiner Gleichsetzung zum Reich des Films. Nach Schlüpmann verwirklichte der Film in dieser Sequenz den Schritt vom „Unheimlichen und Erhabenen zum Grauen“, von einer „der Naturäs- thetik folgenden Kamera zur Technikästhetik.“1225

Am Ziel der Reise, einer hoch über Berggipfel aufragenden Burg, The Castle of Orlock, weist der gespenstische Kutscher Hutter mit einer Hand- bewegung den Weg. Ein Tor öffnet und schließt sich auf magische Weise. Graf Orlock (Max Schreck) und Hutter begegnen sich im Torgang der Burg.

scher Bücher flattern, mag seltsam anmuten.“ Baltrusaitis, Das phantastische Mittelal- ter, a.a.O., S. 198. Die Fledermausflügel scheinen den dämonischen Charakter von Büchern zu unterstellen. 1219 Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens, a.a.O., S. 40 1220 Eine Kopfbedeckung dieser Art läßt sich durchaus als Teufelsmerkmal interpretieren. 1221 Kaes, Weimarer Republik, a.a.O., S. 52. 1222 Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens, a.a.O., S. 46 1223 Vgl. Mary Shelley, Frankenstein, a.a.O., S. 126 1224 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O. S. 86 1225 Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens, a.a.O., S. 46

Nachtseiten des Lebens 301

Abb. 151: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grau- ens 1922, Max Schreck als Graf Orlock / Nosferatu, Gustav von Wangenheim als Thomas Hutter

Hutter tritt in die dunkle Höhle des Bösen ein. In heller Kleidung vor lichtem Hintergrund steht der good angel dem bad angel, in dunkler Kleidung vor dunklem Hintergrund, gegenüber. Orlock kann seine Teufelshörner auch un- ter dem Hut nicht wirklich verbergen. Er erinnert an eine zusammengefalte- te Fledermaus und steht knöchern da wie ein menschliches Skelett, über dessen Knochen Haut und Kleidung gezogenen wurden, wie es Searle Dawley in Frankenstein (1910) zeigte, als das Fleisch über die Knochen des Monsters zu kriechen begann und eine ähnlich deformierte Gestalt be- lebte. Als grundlegende Idee für die Gestaltung der Figur des Grafen Orlock verwies Ursula von Keitz auf Félicien Rops Zeichnung eines geflügelten Skeletts.1226 Orlock ist ein nicht biegsames Gerüst, ein hölzernes Kreuz, ei- ne grausige Vogelscheuche, mit hängenden Armen und zwischen den Schultern eingezogenem Kopf. Steve Ghilardi erinnerte Schrecks Make-up „stark an die südamerikanische Vampirfledermaus.“ Danach nahm sich Murnau „große Freiheiten... mit der Figur des Grafen heraus.... Graf Orlock hat keine Ähn- lichkeit mit Dracula.“1227 Der Nosferatu bewegt sich als kranker, knöcherner Phallus durch den Film. Er ist - so Roger Dadoun - ein „Phallambul“ und sei- ne Starre „ganz offensichtlich Leichenstarre“. Dadoun schrieb Orlock das Attri- but spitz zu: „Spitz sind das Gesicht, die Ohren, die Schultern, die Knie, der Rü- cken, und selbstverständlich die Fingernägel und die Eckzähne.“1228 Auch in Georges Méliès Mephisto-Zeichnung war spitz das bestimmende Merkmal.

Die folgende Sequenz zeigt Orlock und Hutter im Burginneren an einem großen alten Holztisch sich gegenüber sitzend. Hohe Stuhllehnen ragen hin- ter ihnen empor. Das ‘Abendmahl’ ist bereitet. Nosferatu liest einen krypti-

1226 Ursula von Keitz, Der Blick ins Imaginäre. Über „Erzählen“ und „Sehen“ bei Murnau, in: Die Metaphysik des Dekors, Raum, Architektur und Licht im klassischen deutschen Stummfilm, hrsg. v. Klaus Kreimeier, Marburg 1994, S. 80-90, S. 81. Félicien Rops Bild Agonie ou Mors et Vita ou Sainte Thérèse (1878-1880) zeigt ein geflügeltes Skelett in intimer Begegnung mit der heiligen Thérèse. 1227 Ghilardi, Dracula, a.a.O., S. 2 1228 Roger Dadoun, Der Fetischismus im Horrorfilm, in: Objekte des Fetischismus, hrsg. v. J.-B. Pontalis, Frankfurt a. M. 1972, S. 337-370, S. 361

302 Nachtseiten des Lebens schen Brief Knocks, während Hutter zu abend ißt. Plötzlich schlägt es Mit- ternacht.

Abb. 152: Der Tod schlägt die Stunde

Das Bild des Stundenmanns1229, der die Uhr schlägt und an die letzte Stun- de erinnert, erscheint im Schatten an der Wand als ein zum Kampf bereiter Krieger. Das Grauen des Todes, das durch die Erfahrung des Ersten Welt- krieges massenhaft (nach)erlebbar geworden war, ließ sich offenbar nicht länger im Bild vom pflichtbewußten Sensenmann darstellen, der irgend- wann zu jedem kommt, sondern in Gevatter Heins Schatten erschien ein Soldat. Der bestialische Krieg stellte sich als blutgieriges Monster dar, als eine übermächtige, routinierte und kalte Gruselgestalt, die sich als Schatten über das Schicksal legt. Der Krieg brach mit der selben Blutgier aus, die auf ewig in dem Untoten schlummert. Und in der Tat löste in Murnaus Film der Nosferatu seinen todbringenden Vorgänger, den mittelalterlichen Sensen- mann, als Darstellung des Todes ab. Graf Orlock erscheint gegenüber der altbekannten Figur als bekleideter Knochenmann, der dem Bild Satans als Fledermaus, Ratte oder Greif1230 nacheifert und die Vorstellung vom roman- tischen Teufel als unheimlichen Adeligen ausfüllt. Mittelalterliche und roman- tische Todes- und Teufelsvorstellungen verschmelzen in der Figur des ske- letthaften Orlock. Er erweist sich als der neue Fürst der Finsternis und das neue Bild des Todes.

Ein Schnitt zeigt wieder Hutter, der sich - erschreckt durch den Schlag der Uhr – in den Finger schneidet. Der Blutstropfen läßt den Grafen begierig um den jungen Makler werben: „Wollen wir nicht ein wenig beisammen bleiben, Lieb- wertester?“ (Zwischentitel) Die Kamera zeigt aus der Sicht des Grafen, wie Hutter vor ihm zurückweicht und in einen Sessel neben dem Kamin fällt. Der Kamin wird ein weiteres Mal zum Platz des Teufels und die Kamera tritt an die Stelle des Bösen. Die folgende Schwarzblende verdeckt das Ge-

1229 Schon Athanasius Kircher entwarf Lichtbilder für Laterna magica Vorführungen, die den Tod als Knochenmann mit Sense und Stundenglas zeigten. Dem Stundenmann haftet die Vorstellung an, er geleite die Menschen über den Fluß ins Reich der Toten und er bewache die Tür zum Hades. 1230 Neben seiner Fledermausgestalt verweisen seine Zähne auf eine Ratte, seine Hände auf die Krallen eines riesigen Raubvogels oder Greifs.

Nachtseiten des Lebens 303 schehen. Am nächsten Morgen erwacht Hutter aus einem tiefen Schlaf voll Sorglosigkeit in dem Sessel. Er zieht einen kleinen Taschenspiegel hervor und betrachtet seinen Hals, an dem er zwei kleine Wunden entdeckt. Die zweite Spiegelszene zeigt wiederum – wie zu Beginn des Films - keine Be- gegnung Hutters mit sich selbst. Am Abend erblickt der Graf das Medaillon mit dem Bildnis Hutters Frau Ellen. Er nimmt es in die Hand.

Abb. 153: Max Schreck, Gustav von Wangenheim. Der Spiegel des Vampirs ist das weibliche Porträt

Die Bedeutung des Miniaturporträts Ellens kann mit der Funktion des Me- daillons in Der Student von Prag (1913) verglichen werden und steht in ei- nem direkten Verhältnis zu den Spiegelszenen in Nosferatu. Hutter sieht sich im Spiegel nicht an, aber Graf Orlock blickt auf das Medaillon Ellens, als blicke er in einen Handspiegel. In Der Student von Prag schaute Balduin auf das Medaillon der schönen Baronesse, als wäre es sein eigenes Spie- gelbild. Bekanntlich verfügen Vampire über kein Spiegelbild, und Balduin hatte seines dem Teufel verkauft. Das weibliche Porträt nimmt also in bei- den Geschichten einen leeren Platz ein. In Faust. Eine deutsche Volkssage (1926) inszenierte Murnau die Vision einer weiblichen Schönheit als Spie- gelbild des diabolisch verjüngten Fausts. Auch Graf Orlock ist gebannt von dem Bild der Frau eines anderen und will, so schnell wie Faust zu der Her- zogin nach Parma, nach Wisborg zu Ellen. Unmittelbar, nachdem er das Porträt lange betrachtet hat, unterzeichnet der Graf den Kaufvertrag.1231 (Der Pakt wird signiert.) Der Tod schlägt erneut die Stunde. Orlock folgt Hutter in dessen Schlafzimmer. Die Tür öffnet sich auf geheimnisvolle Weise, und der Vampir steht steif in dem nach oben spitz zulaufenden Türrahmen wie Cesare in seinem Sarg in Das Cabinet des Dr. Caligari (1919). Die folgende Montage stellt die Spiegelbeziehung zwischen dem Vampir und Ellen her- aus. Knöchern schreitet Nosferatu durch den Film, aber sein Schatten, der an die Wand von Hutters Schlafkammer geworfen wird, ist voller Beweg- lichkeit. In dem Moment, als der Schatten sich auf Hutter stürzen will, schreckt Ellen in ihrem Bett auf. Schlafwandelnd ruft sie den Namen Hutters und streckt flehend ihre Arme aus. Hutter scheint ihre Rufe nicht zu hören, wohl aber der Vampir, der augenblicklich von seinem Opfer abläßt. Ellen

1231 Nach Jürgen Müller war auch diese Szene ein „Klischee des Juden, der die Frau des Goi begehrt.“ Müller, Der Vampir als Volksfeind, a.a.O., S. 50

304 Nachtseiten des Lebens fällt in einen tiefen Schlaf und der hinzugerufene Arzt konstatiert: „Harmlose Blutkongestionen!“

Am nächsten Morgen entdeckt Hutter den Vampir in seinem Sarg. Nach Sonnenuntergang beobachtet er dessen Abreise mit Särgen voller Erde. Hutter gelingt die Flucht aus Orlocks Schloß, und es beginnt ein Wettlauf zwischen ihnen. Das Ziel ist Ellen, die auf einer Bank am Meer sitzt und be- kümmert auf das Wasser starrt. Sie ist umgeben von Kreuzen, die im Sand stehen.

Die folgende Sequenz wird eingeleitet von einer weiteren Seite der Chronik. Es ist zu lesen: „Paracelsianer Professor Bulwer. In diesen Tagen zeichnete ich auf, daß Professor Bulwer seinen Schülern die grausame Art der fleischfressenden Pflanzen erklärte. Mit Grauen sah man in das geheimnisvolle Wesen der Natur.“1232 Professor Bulwer rückt bei Murnau an die Stelle von Professor Abraham van Helsing. Bulwer unterrichtet in seiner Wohnstube in ungewöhnlicher Kleidung. Er trägt eine Art Haus-Zaubermantel und eine flache Kappe auf dem Kopf.

Abb. 154: John Gottowt als Professor Bulwer. Bulwer unterrichtet seine Studenten

Auf dem Tisch steht ein schwarzer Kasten, in dem Bulwer, ausgestattet mit einem ‘Zauberstöckchen‘, seinen Studenten eine fleischfressende Pflan- ze1233 zeigt, die ihre Blüte um eine Fliege schließt. Er kommentiert (Zwi- schentitel): „Nicht wahr, wie ein Vampir.“ (Zwischentitel)

1232 Der Unterricht Professor Bulwers wird unterbrochen von Bildern, die das entsetzliche Los der Schiffsmannschaft auf dem Zweimastschoner Empusa und das Schicksal des Maklers Knock zeigen, der inzwischen im städtischen Irrenhaus untergebracht wurde und in seiner Zelle nach Blut verlangt. Knock spielt bei Murnau gleichzeitig die Rolle Renfields, der bei Stoker ein Angestellter des Maklerbüros ist und später zu einer eige- nen Kultfigur wurde. 1233 The Littel Shop of Horror erzählt von einer Teufelspflanze. (Filme über bösartig beseel- te Pflanzen machen einen eigene Gruppe von Gruselfilmen aus.)

Nachtseiten des Lebens 305

Abb. 155: Die Studenten und Professor Bulwer blicken in den Schwarzen Kasten

Dann zeigt er seinen Zuhörern eine Mikrobe und erklärt: (Zwischentitel) „Und dieser hier... ein Polyp mit Fangarmen... durchsichtig, fast körperlos... fast ein Phan- tom.“ Nach Schlüpmann lösten die Aufnahmen der fleischfressenden Pflan- ze und des gallertigen Polyp „einen Schock aus“, weil „das Grauen mitten im Le- ben entdeckt“ wurde. „Die Montage der ‘objektiven’ Aufnahmen... in dem Erzähl- film“1234 bewirkten aber das genaue Gegenteil, denn sie distanzierten das Grauen (des Lebens) durch den Blick in den Kasten. Der Blick in den Schwarzen Kasten wird hier zum Blick durch ein Mikroskop. Murnau hatte die naturwissenschaftlichen Filmszenen Kulturfilmen der Ufa entnom- men.1235 Diese Filmdokumente können mit den Schriftdokumenten, die der Film zeigt, verglichen werden. Der Film im Film ist wie das Bild des Buches ein manipulierbarer Zeuge. Im Vergleich von Wort- und Bilddokument verlo- ren die schriftlichen Quellen ihren Wert, denn wie es Schlüpmann hervor- hob, „stellen die schriftlichen Zeugnisse die bloß subjektive oder oberflächliche Wahrnehmung des Geschehens dar, dessen Objektivität und (fiktionale) ‘Wahrheit’ das Kameraauge bereits fixierte... Der Film dokumentiert das Faktum des Erzäh- lens, und malt das Erzählte durch seine Bilder aus. Während er mit letzterem den Inhalt bestätigt, relativiert auf der anderen Seite das Kameraauge die Augenzeugen- schaft schriftlicher Aufzeichnungen, setzt Zweifel in die Wahrnehmungskraft des Er- zählsubjekts. Es registriert, aber erkennt nicht.“1236 Das Kameraauge relativiert die ‘Augenzeugenschaft‘ des Films, denn Professor Bulwer, der seine Stu- denten einen Blick in einen Zauberkasten (Camera obscura) werfen ließ, registriert zwar, aber er erkennt nicht. Er sieht in dem Schwarzen Kasten einen kriegerischen Vorgang, überträgt ihn aber keineswegs auf die Wirk- lichkeit. Schlüpmann verwies auf die Funktion der Filmkamera (die neue Bildtechnik) im Ersten Weltkrieg als eine „mediale Beobachtungstechnik“, die durch die „vermittelte Feindwahrnehmung“ ein verändertes Verhältnis zum Grauen des Krieges entstehen ließ. Mit Professor Bulwer (Pulver) zeigte

1234 Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens, a.a.O., S. 47 1235 Lotto Eisner, Murnau, (1964) Frankfurt a. M. 1979, S. 170 (Zit. n. ebd.) Lotto Eisner ver- wies auf die Bilder der Karpaten, die sie an Dokumentarfilme erinnerten. Nach Eisner nahm auch die Natur an der Handlung teil. Sie schrieb: „Das wilde Wogen der Wellen kündet das Nahen des Vampirs, des Geschickes an, das die Küstenstadt bedro- hen wird. Über allen diesen Naturbildern liegt, wie Baláz betonte, ‘die Ahnung des Übernatürlichen“ Lotte Eisner, Dämonische Leinwand, a.a.O., S. 99 1236 Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens, a.a.O. S. 47

306 Nachtseiten des Lebens

Murnau, daß die filmische Berichterstattung kein ‘wahres’ Dokument des Krieges war. Der Blick durch das Kameraauge zeigt die grausame Wirk- lichkeit als beziehungsloses Bild, und auch Bulwer distanzierte sich mit die- sem Blick vom ‘wahren’ Grauen. In einer Parallelmontage wird Knock ge- zeigt, der zu Bulwers Unterrichtszeit in seiner Zelle nach einer dicken Spin- ne giert.1237

Im Verlauf der Geschichte wird gezeigt wie das Totenschiff mit Nosferatu an Bord gleichzeitig mit Hutter ankommt. Seinen Sarg unterm Arm bezieht der Vampir sein neues Domizil, eine Häuserreihe, die dem Haus der Hutters gegenüberliegt. Zwischen ihren Häusern fließt ein Fluß, den Nosferatu in ei- nem Nachen überquert. Er ist der neue Fährmann in die andere Welt. Ein Schnitt trennt - nachdem Nosferatus Boot angelegt hat – (wie der Fluß) das Reich der Lebenden von dem der Toten. Auch Hutter mußte einen Fluß ü- berqueren, bevor er in das Land der Untoten kam. Aber Nosferatu und Hut- ter sind keineswegs gleichstarke Gegner, sondern der Vampir ist der un- vermeidliche Tod, den Hutter mit sich nach Wisborg brachte. Er ist Hutters Schatten und gleichzeitig die Pest, die mit ihm in der kleinen Stadt Einzug hält. Ursula von Keitz unterstrich, daß alle Särge im Film in Bewegung ge- zeigt werden.1238 Zahllose Särge werden aus der Stadt getragen. Die Toten- gräber marschierten diszipliniert wie Soldaten, die selbst schon für ihren Sarg gesorgt haben, aus der Stadt hinaus. Hilfslos beobachtet Ellen den endlos scheinenden Aufmarsch.1239 Sie liest in dem Vampirbuch, das Hutter von seiner Reise mitbrachte und erfährt, daß es keine Rettung gibt, „es sei denn, daß ein gar schuldlos Weib dem Vampire den ersten Schrei des Hahnen ver- gessen mache.“ Das magische Buch ist offensichtlich der ‘Wahrheit’ näher als die Filmaufnahmen, die Bulwer seinen Studenten zeigte. Ellen gesteht ihrem Mann, daß sie jeden Abend den Vampir sieht, der aus dem gegenü- berliegenden Fenster zu ihr hinüberblicke. Hutter geht zum Fenster und verstellt ihr den Blick. Als Ellen das Zimmer verlassen hat, dreht er sich um und bricht angesichts seines Gegenübers ohnmächtig zusammen. Nach Schlüpmann1240 lag die „Objektivation eines männlichen Gefühls des Grauens“ in der Bedeutung des weiblichen Blicks und seiner „medusenhaften Bedeutung für das männliche Subjekt.“ In der Verkehrung des Spiegeleffekts wird dage- gen der Blick Nosferatus für Hutter zum Medusenblick. Der Blick Ellens ist ähnlich gebrochen wie der Blick der Medusa, dem sich Perseus auf einer spiegelnden Fläche gefahrlos aussetzte. Das spiegelnde Phantom des Grauens zwischen dem Ehepaar ist das gleichgeschlechtliche Begehren.

Parallel ist Knock aus dem Irrenhaus ausgebrochen und wird von einer auf- gebrachten Menschenmenge erfolgt. Von einem Dachfirst aus sieht der skurrile Makler die winzigen Gestalten seiner Verfolger. Vor der Stadt ver- wechseln sie ihn mit einer Vogelscheuche, die sie in der Luft zerreißen.

1237 Renfield hat sich die Spinne einverleibt. Die Spinne, die noch an weiteren Stellen in Murnaus Nosferatu und in anderen Dracula-Filmen auftaucht, wird zum Bild für den Vampir selbst, der sein Netz spinnt, seinem Opfer einen lähmenden Biß versetzt, um es zu verspeisen und schließlich eine leere Hülle zurückläßt. Für Müller war das Netz- spinnen des Nosferatus ein „optisches Leitmotiv.“. Danach stand „die Verbreitung der Netzmetapher für eine Verschwörung im allgemeinen und jüdische Konspiration im besonderen.“ Jürgen Müller, Der Vampir als Volksfeind, a.a.O., S. 56 1238 von Keitz, Der Blick ins Imaginäre, a.a.O., S. 89 1239 Zwei Jahre später inszenierte Murnau in Faust. Eine deutsche Volkssage eine ähnli- che Szene: Faust blickt aus dem Fenster und kann dem Elend von Tod und Krankheit mit mehr länger zusehen, so daß er sich dem Teufel verschreibt. 1240 Schlüpmann, Der Spiegel des Grauens, a.a.O., S. 43-44, 46-47

Nachtseiten des Lebens 307

Abb. 156: Eine Vogelscheue als Silhouette des Unheimlichen

Das Bild der Vogelscheue wird hier zur Darstellung eines komplexen Zu- sammenhangs zwischen der lebendig gewordenen Vogelscheuche Nosfe- ratu und einer simplen Schreckensfigur auf dem Feld. Die Vogelscheuche ist tief in die magische Vorstellungswelt eingedrungen. Es ist ein men- schenähnliches Gestell, ein Kreuzgerippe mit verschlissener Jacke und ausgedientem Hut, die das Korn vor den Vögeln durch die Täuschung, es sei ein lebender Mensch, bewachen soll und einen Bezug zu Demeter, die den Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt der Natur repräsentiert, herstellt.1241 Die Verfolger Knocks reißen die Vogelscheuche aus dem Boden heraus, tragen sie wie eine Trophäe vor sich her und machen sie so zu ih- rem Totem. Sie ist das goldene Kalb, um das der Tanz des ewigen Lebens aufgeführt wird. An die Stelle der magischen Belebung der Vogelscheuche trat durch den Film die Gestalt des Nosferatu. Die (seelenlose) Vogel- scheuche, die Vögel täuscht, wird der Filmgestalt, welche die Menschen täuscht, gleichgesetzt.

Abb. 157: Die fremdbelebte Vogelscheue wird im Schattenspiel zum Bild

1241 Wie bereits erwähnt, heißt bei Stoker das Schiff Draculas Demeter.

308 Nachtseiten des Lebens

ewigen Lebens

Die Schlußsequenz des Films wird eingeleitet mit einem Bild Nosferatus, der hinter seinem Fenster - wie hinter Gittern - steht und sehnsüchtig zu Hutters Haus blickt. Ellen erwacht und richtet sich in ihrem Bett auf. Qualvoll öffnet sie das Fenster und bietet sich dem Vampir dar, während Hutter tief und fest in einem Sessel neben dem Ehebett schläft.1242 Ellen weckt ihn auf und schickt ihn fort, um Professor Bulwer zu holen. Während Hutter das Haus verläßt, kommt der Vampir als Schatten zu Ellen.1243

Abb. 158: Der Vampir naht

Sie gibt sich ihm hin und der Vampir vergißt die Zeit. Erstaunt hört er den Hahnenschrei und der plötzliche Strahl der Sonne vernichtete ihn wie unbe- lichtetes Filmmaterial, das plötzlich dem Tageslicht ausgesetzt wird. Sein Sarg war seine Dunkelkammer. Und mit der Nacht begann sein Leben. In der Stunde seines Todes stellte sich heraus, daß - so Dadoun - „den Grafen (..) in Wahrheit kein Blut (durchströmt). Er hat nicht einmal das Recht auf jenen schwachen Strom, den ihm die kulturelle Erkenntlichkeit einbringen könnte. Weil er der Ort ist, an dem die Phantasie verkehrt, ist er aus dem Verkehr gezogen.“1244

1242 Auch die erste Nacht im Schloß des Grafen Orlock verbrachte Hutter in einem Sessel. 1243 Nach Roland Villeneuve disqualifizierte sein Schatten Nosferatu als Vampir, vgl. Franz Schöler, Die Erben des Marquis de Sade. Horrorfilm I: Vampirismus in Literatur und Film, in: Film, H. 8 (1976), S. 10-17, S. 15. (Der Schatten ist nicht als sein Abbild zu ver- stehen.) 1244 Roger Dadoun, Der Fetischismus im Horrorfilm, a.a.O., S. 344

Nachtseiten des Lebens 309

Abb. 159: Der Vampir zerfällt im Sonnenlicht

Der inzwischen wieder eingefangene Knock schreckt in seiner Gefängnis- zelle auf. Mit dem Tod des Meisters verlöscht auch sein Leben. Ellen richtet sich nochmals auf, ruft den Namen Hutters, der mit Professor Bulwer zu spät eintrifft. Sie stirbt in den Armen ihres Mannes. Bulwer wendet sich ab und senkt den Kopf. Am Ende des Films in dem Moment, als sie eintreffen, sind alle Spuren des Vampirs verschwunden. Der Wissenschaftler bleibt ratlos zurück. Er hat weder etwas gesehen noch etwas gehört. Die Rolle Professor Bulwers in Murnaus Nosferatu blieb in filmtheoretischen Diskur- sen meist unbeachtet. Bulwer hatte offenbar auch nicht das Geringste mit dem Geschehen zu tun. Er verkörpert eher das Gegenteil des siegreichen Professor van Helsing. Die Aufgabe van Helsings übernahm in Murnaus Nosferatu die Kamera selbst, die Fritz Arno Wagner führte. (Und sie war es, die an van Helsings Stelle den Vampir vernichtete und sie war der unbe- kannte Erzähler, der sich hinter den drei Kreuzen verbarg.)

Nach Kracauer1245 wurde in Nosferatu alles Leid durch christliche Nächsten- liebe überwunden, und Ellens Liebe besiegte den Vampir. Nosferatu (das stumme Geschöpf) trat in einer Symphonie des Schweigens auf, an deren Ende der schrille Hahnenschrei stand, der ebenso stumm verhallte wie El- lens Rufe nach Hutter, die in somnambulem Zustand (ähnlich einem Kino- gänger) eine Verbindung zum Reich der Phantome aufnahm. Die viragierte Fassung zeigt die Welt des Vampirs eingetaucht in das Blau der amerikani- schen Nacht. In Francis Ford Coppolas Bram Stokers Dracula (1992) trägt der Graf eine blaue Brille. Am Ende löste sich Nosferatu in gelb-organem Licht, der für ihn tödlichen Sonnenstrahlen, auf. Eine Farbigkeit, in der Sear- le Dawley das Frankensteinmonster zum Leben erweckte. In der Filmfigur Nosferatu hat sich der Tod mit dem Teufel gepaart. Aus dem starren, foto- grafischen Abbild wurde eine Symphonie des Grauens, eine Vogelscheu- che, eine Illusion von Verlebendigung, eine blutleere Erinnerung an das ewi- ge Leben. Der göttliche Masochismus stellte sich als teuflischer Sadismus heraus. Durch den rettenden Engel wechselte Nosferatu die Fronten. Sein ewiges Filmleben wurde vernichtet und seine Seele durch den Tod Ellens den himmlischen Heerscharen, dem anderen ewigen Leben, zugeführt. El- lens Opfer ist das Opfer Gretchens. Die Seele des Verdammten wird geret-

1245 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 118

310 Nachtseiten des Lebens tet und mit ihr die ganze Stadt. Übrig bleiben ein junger Witwer und ein igno- ranter Wissenschaftler. (Lon Chaney)1246 erinnert besonders in seiner Maske des Phantoms, das er in The Phantom of the Opera (1924)1247 spielte, an Murnaus Nosferatu. Cha- ney war in ein schwarzes Cape gehüllt, hatte Reißzähne und die Knochen seines Gesichts traten wie bei einem Totenkopf hervor. Zur ‘Fledermaus‘ wurde er aber erst in Tod Brownings London After Midnight (1927)1248. Lon- don After Midnight erzählte die Geschichte eines Detektivs, der einen Mör- der zur Strecke bringt, indem er sich als Vampir verkleidet.1249

1246 Chaney war Sohn taubstummer Eltern, und die früh erlernte Gestensprache ließen ihn zu einem überzeugenden mimischen Verwandlungskünstler im Stummfilm werden, vgl. Lon Chaney. Der Mann mit den 1000 Gesichtern, in: Rainer Dick, Stars des Horror- films, München 1996, S. 61-71 1247 Die Universal Studios hatten bereits die Gruselgeschichte The Hunchback of Notre Dame (1923) mit Lon Chaney als Quasimodo produziert. In The Phantom of the Opera spielte Lon Chaney die Rolle des Phantoms. Beide Filme zeigen in der Titelrolle einen körperlich deformierten Menschen, der zwischen seiner Rolle als bad angel und good angel hin und her schwankt. 1248 Der Film ist verschollen. 1249 Tod Brownings Mark of the Vampire (1935) mit Bela Lugosi als Vampir war eine Neu- verfilmung seines Stummfilms London After Midnight. Der Vampir ist ein Schauspieler, der im Dienst eines Detektivs steht und einen Mörder zur Strecke bringt. Die Abfolge der Aufnahmen zu Beginn des Films kennzeichnet ohne Umschweife die Ikonographie des Genres. Das Bild eines Kreuzes auf einer Kirche wird abgelöst von einem Schwenk auf eine betende Frau. Hieran schließt das Bild einer Mutter mit Kind an. Dann eilt eine alte Frau über einen Friedhof und wird vom Schrei eines Nachtvogels erschreckt. Aus einem Grab greift eine Skeletthand nach ihr. Eine Fledermaus fliegt vorbei. Wie in Dracula treten die Vampire stumm auf. Der Wissenschaftler spricht am meisten und personifiziert die Verbindung von Sprache und Wissen.

Nachtseiten des Lebens 311

Abb. 160: Tod Browning, The Phantom of the Opera,1924, Lon Chaney als Fledermau-Phantom

Den ersten Tonfilm Dracula inszenierte Tod Browning 1930 mit Karl Freund als Kameramann auch für Carl Laemmle. Garrett Fort schrieb das Dreh- buch zu Dracula nach einem Bühnenstück, das Hamilton Deane nach Sto- kers Roman geschrieben und das John Balderston für den Broadway vari- iert hatte. Es war Hamilton Deane, der den Vampir in Abendanzug und Ca- pe steckte. Bela Lugosi spielte den aristokratischen Vampir und Edward van Sloan seinen wissenschaftlichen Gegenspieler sowohl auf der Bühne als auch in Brownings Film. Der Tonfilm brachte nicht nur Bela Lugosi groß heraus, sondern die nächsten dreißig Jahre wurden - so Pierre Lachat -zur klassischen Epoche eines, „eigentlichen Dracula Kinos.“1250 Mit den Klassikern des Horrorfilms erlebte die Universal Glanzzeiten vor und während des Zweiten Weltkriegs.1251

Bela Lugosi verkörperte als Graf Dracula einen typischen romantischen Teufel. Hinter Lugosis sanftem Lächeln verschwanden die Reißzähne, und das Blut floß bei Browning allenfalls nach der Abblende. Während der Ekel erregende Nosferatu den blutrünstigen Krieg personifizierte, verkörperte Dracula die sexuelle Gewalt eines Ladykillers. 1968, bei einer Wiederauffüh- rung von Tod Brownings Dracula, lautete ein Kommentar: „Wenn man dem Film heute wiederbegegnet, ist es schwierig, ihn mit den Augen der frühen Dreißiger Jahre zu sehen. Der Dialog ist von tödlicher Langsamkeit, sogar gemessen am frü- hesten Standard.“1252 Die Langsamkeit des Dialogs ist aber keineswegs eine dramaturgische Schwäche des Films, sondern sie gibt einen Hinweis auf die Bedeutung, die der Ton für die Entwicklung des Horrorfilms hatte. Brow- ning stellte zu Beginn von Dracula zwei Bilddiskurse gegeneinander: Er in- szenierte die vergangene Welt des Stummfilms und die neue Welt des Ton- films in zwei aufeinanderfolgenden einführenden Sequenzen. Dracula herrscht im Reich der Stille und des Todes mit der theatralischen Geste des vergangenen Stummfilms. Iris Bünsch bezog den wortlosen Auftritt Draculas auf die Atmosphäre der Geschichte. Danach erübrigte „eine starke Symbolik kurz nach Beginn des Films (..) minutenlang verbale Einschübe und führte sehr deutlich in Sujet und Atmosphäre ein.“1253 Dracula personifiziert jedoch Sprachlosigkeit zugleich mit Blutlosigkeit. Dagegen steht der Tonfilm, der das Reich der Lebenden vertritt und vom jungen Makler Renfield (Dwight Frye)personifiziert wird, der in Brownings Film an die Stelle Jonathan Har- kers rückte. Frye spielte einen modernen jungen Mann, der ständig schwatzt und so auf die neue Technik des Tonfilms verweist. Während der geschwätzige Renfield mit einem Vertrag auf dem Weg zu Dracula in ei- nem Landgasthof übernachtet, wird das stumme Reich des untoten Herr- schers aufgeblendet.

Bela Lugosi als Dracula war ähnlich in ein schwarzes Mantelcape gewickelt und phallisch aufgerichtet wie Ripperts Homunculus. Dazu spielte er starr wegen der gleichzeitigen Tonaufnahme, die eine stillstehende Kamera vor-

1250 Lachat, Verdammt zur ewigen Wiederkehr, a.a.O., S. 18 1251 Dracula brachte zunächst weniger Nachfolgefilme hervor als Frankenstein. Dracula- filme wurden auch weniger bekannt. Bei den Hammer Filmen kehrt sich das Verhältnis um, vgl. Pirie, Vampir Filmkult, a.a.O., S. 55 1252 Zur Vorführung des Films in Bad Ems 1968, Verband des deutschen Filmclubs, Flug- blatt. 1253 Bünsch, Dracula in Buch und Film, a.a.O., S. 102

312 Nachtseiten des Lebens aussetzte. Dadoun betonte, es sah aus, als ob „Dracula posierte“.1254 Lautlos trat das spiegellose Lichtbild auf, das wie Balduin in Der Student von Prag (1913) auf ewig an sein Grab gefesselt war. Durch Nebelschleier blickt der Zuschauer in Draculas stilles Totenreich. Einige Ratten und ein Gürteltier laufen durch die Halle eines zerfallenen Schlosses, während sich lautlos ein Sargdeckel hebt und sich eine feingliedrige Hand hervortastet.1255 Drei Frau- en in weißen, wallenden Gewändern bewegen sich gespenstisch durch den verfallenen Raum. Lautlos und schwerelos schreiten sie durch die Unend- lichkeit ihrer Existenz. Mit einem einzigen Blick und einer knappen Geste weist sie ihr Prinzipal zurück.

Abb. 161: Tod Browning, Dracula, 1930. Der stumme Raum

Der junge Markler läßt sich nicht von seiner Reise abbringen. Ein Kreuz wird ihm mitgegeben, das Käuzchen hört zu rufen auf, die Kutsche des Grafen fährt vor. Dracula selbst lenkt die Kutsche und mit magischem Blick, hervorgerufen durch kleine Scheinwerfer, die ihm direkt in die Augen leuch- ten, fordert er den jugendlichen Makler auf, einzusteigen. Durch Nebel- schwaden und über unwegsames Gelände führt der Weg zum Schloß. Renfield plappert vor sich hin, verstummt aber plötzlich mitten im Satz. Die Kutsche fährt ohne Kutscher, eine Fledermaus flattert vorweg.

Die Pforte des Schlosses öffnet sich auf geheimnisvolle Weise.1256 Renfiled, der mit dem Rücken zu einem überdimensionalen Treppenaufgang steht, bemerkt den Grafen nicht, der lautlos hinunterkommt. Die dynamische Arti- kulation Renfields, welche ständig den Ton zu versichern scheint, steht Draculas lautlosen Bewegungen und magischen Blicken entgegen, der noch ganz in der Tradition des Stummfilms zu verharren scheinen. Als sich Renfield unversehens umdreht spricht der Graf legendäre Worte: „I am - Dracula!“ Wortlos folgt Renfield ihm die Treppe hinauf. Wölfe heulen. Der Herr der Untoten durchschreitet ein riesiges Spinnennetz, ohne es zu ver- letzten. Eine dicke Spinne setzt sich - ähnlich wie in Murnaus Nosferatu -

1254 Dadoun, Der Fetischismus im Horrorfilm, a.a.O., S. 361 1255 Die unheimliche Hand wird auch hier zum Bild der Bedrohung. 1256 Im Wörterbuch für deutsche Volkskunde, heißt es „wenn eine Türe allein aufgeht“, dann kündigt sich der Tod an, ebd. a.a.O., S. 807

Nachtseiten des Lebens 313 geschwind in Bewegung.1257 Im gotischen Saal lodert das Kaminfeuer, und das Abendmahl steht bereitet.

Abb. 162: Tod Browning, Dracula, 1930. Bela Lugosi als Graf Dracula, Dwight Frye als Makler Renfield

Renfield, ein moderner junger Mann, trägt Hut und Stock so in der Hand, als wolle er augenblicklich zu singen und zu tanzen beginnen. - Der Raum ist weder Bibliothek noch Alchemistenküche. Dracula ist bei Browning kein ge- bildeter Wissenschaftler sondern ein Verführer der alten Schule, ein ‘ewig lebender’ Valentino, der unvergeßliche Stummfilmstar.1258 Seine Sprache ist gebrochen, und er ist zu alt für die Rolle des jugendlichen Liebhabers. Im Vordergrund des Bildes ist der Tisch gedeckt. Die Zeremonie des Abend- mahls beginnt damit, daß sich Renfield an einer Papierseite den Finger blu- tig schneidet. Auch in Nosferatu schnitt Hutter sich in den Finger. Die Ver- letzung ereignet sich in beiden Filmen, wenn der Makler dem Grafen den Vertrag zur Unterschrift vorlegt. Der Vertragsabschluß scheint an die Stelle des Teufelspaktes getreten zu sein, der ja eine Unterschrift mit Blut voraus- setzt. „I drink never - Wein!“, spricht Dracula und gießt Renfield zum Vertrag- sabschluß vergifteten Rotwein ein. Als dieser zusammenbricht, beugt sich der Graf über ihn. Eine Schwarzblende beendet die Sequenz.

Im folgenden erfährt der Zuschauer aus der Großaufnahme einer Zeitung1259, daß der Schoner Vestra mit nur einem Überlebenden im Hafen von London eingelaufen ist. Es ist Renfield, der verrückt geworden in die städtische Ir- renanstalt gebracht wird. Der Vampir konnte ungesehen das Schiff verlas- sen und macht sich gleich über eine Blumenverkäuferin her, deren Todes- schreie durch die Nacht schallen. Sein nächstes Opfer ist eine Platzanwei- serin im Theater. Hier macht Dracula die Bekanntschaft von Dr. Seward, dem Leiter der Irrenanstalt (Herbert Bunston), und seiner Tochter Mina (He- len Chandler) sowie ihrem Verlobten Harker (David Manners) und ihrer

1257 Dracula ist wie Mephisto bei Goethe der Herr des Ungeziefers. Vgl. das Kapitel: Lästi- ge Fliegen 1258 Vgl. Ernest Prodolliet, Nosferatu. Die Entwicklung des Vampirfilms von Friedrich Wil- helm Murnau bis zu , Freiburg in der Schweiz 1980, S.48 1259 In Brownings Dracula gibt es kaum Schriftdokumente.

314 Nachtseiten des Lebens

Freundin Lucy, die noch vor Morgengrauen sein nächstes Opfer wird. Eine Fledermaus flattert durch Lucys weit geöffnete Terrassentür und verwandelt sich vor ihrem Bett in den begierigen Grafen. Schon im frühen Faustfilm war der Stoptrick eingesetzt worden, um den Teufel erscheinen zu lassen, und bei Browning verwandelte sich hierduch die Fledermaus in einen Vampir. Erst 1943 zeigte Robert Siodmak in Son of Dracula erstmals detailliert die Metamorphose des Vampirs zur Fledermaus durch stop motion.1260

Lucys merkwürdiger Tod bringt das Interesse der medizinischen Forschung hervor. Ihre Leiche wird im Auditorium unter Anleitung von Prof. Abraham van Helsing (Edward van Sloan) untersucht.

Abb. 163: Edward van Sloan als Professor van Helsing, Herbert Bunston als Dr. Seward im medizinischen Hörsaal

Abb. 164: Blick durch die Lupe

1260 Ein stop motion Trick von John P. Fulton, der Realaufnahmen, Zeichnungen und be- wegliche Modell kombinierte, vgl. Fernand Jung, Claudius Weil, Georg Seeßlen, Der Horrorfilm, München 1977, S. 103.

Nachtseiten des Lebens 315

Ein Schnitt führt zu Renfield, der in Sewards Sanatorium unter Verschluß gehalten wird. Pfleger Martin (Charles Gerrard) nennt Renfield einen Flie- genfänger und hält den laut Protestierenden davon ab, eine Spinne zu ver- speisen. Der Irrenwärter ist die komische Figur des Films und für den vor- bereiteten Lacher zuständig, der im Gruselfilm zur Entspannung des Zu- schauers beitragen soll. Nun wird auch Renflield zum Gegenstand medizinischer Untersuchung. In seinem Arbeitszimmer prüft van Helsing im Kreis der Kollegen Renfields Blut. Eine Lupenbrille wird zum Indiz besonde- rer Seh(er)fähigkeiten und Eulen im Hintergrund des Bildes stehen für Weisheit. Das Arbeitszimmer ist wieder einmal eine Mischung aus Biblio- thek und Laboratorium.

Abb. 165: Professor van Helsing, Edward van Sloan, untersucht das Blut Renfields

Dem Ergebnis der Blutuntersuchung entnimmt van Helsing, daß Renfield ein Vampir ist. Er liest eine magische Formel vor und verkündet: „Gentleman, es gibt für diese Dinge nur eine Erklärung, die Untoten!“ Dr. Seward meldet Zwei- fel an: „Aber Professor van Helsing, die moderne Medizin streitet ab, daß es solche Wesen gibt.“ Van Helsing entgegnet: „Vielleicht bin ich imstande zu beweisen, daß das, was man heute noch als Aberglauben bezeichnet hat sich morgen schon als wissenschaftliche Tatsache herausstellt.“1261 Renfield soll genauer untersucht werden und wird vorgeführt. Van Helsing startet einen Versuch mit ihm, in dem er ein Bündel Wolfskraut zückt, vor dem dieser entsetzt zurückweicht. Aber Renfield gehört nicht wirklich zu den Vampiren, sondern er ist nur ihr Vertreter im Reich der Lebenden und gleichermaßen ein Repräsentatn der Lebenden im Reich der Untoten. So gesehen vertritt er das Kinopublikum, welches sich ja ähnlich im Kino zwischen zwei Welten befindet. Renfield als ein involvierter Kommentator und ein teilnehmender Beobachter war ei- ne Rolleninterpretation, die in späteren Draculafilmen nicht mehr vorkam.

1261 Leider lag nur eine deutsch synchronisierte Fassung des Films vor.

316 Nachtseiten des Lebens

Abb. 166: Edward van Sloan, Herbert Bunston, die beiden alten Wissen- schaftler Dr. Seward und Prof. van Helsing

Die Diagnose der Krankheit lautet, der Krankheitserreger ist ein Vampir, folglich beginnt nun dessen Vernichtung. Der Tonfilm ist voll in seinem Ele- ment, wenn ein Wolfsgeheul nach einem Schnitt Graf Draculas Besuch bei Mina einleitet. Lugosis Gesicht wird groß gezeigt, und es scheint eher stark erregt als diabolisch. Er blickt direkt in die Kamera, so daß das Publikum an Minas Stelle versetzt wird. Die Sequenz schließt mit einer Schwarzblende von etwa fünf Sekunden Dauer. Das anschließende Bild zeigt Mina mit ei- nem Schal um den Hals. Van Helsing entdeckt ihre Vampirmale in dem Moment als Dracula auftritt. Im Schuß- Gegenschußverfahren werden die Kontrahenten einander vorgestellt. Dracula erweist van Helsing seinen Re- spekt durch eine leichte Verbeugung. Van Helsing blickt mißtrauisch in eine metallene Zigarettenkiste und er bemerkt im spiegelnden Deckel, das Dra- cula kein Spiegelbild hat. Er fordert den Vampir auf, in den Kasten zu bli- cken.1262 Aber der Graf weicht zurück und flieht.

Wie von einer schlimmen Krankheit ist Mina von Dracula infiziert. Harker, Seward und van Helsing entwickeln einen Plan ihn zu vernichten. Hierbei werden sie von Renfield belauscht, der sich unerwartet in ihr Gespräch einmischt: „Worte, Worte, nur Worte!“ Er schwärmt ihnen von den Fähigkeiten des Meisters vor: „Er kam zu mir und stand da im Licht des Mondes und er hat mir Dinge versprochen, nicht nur mit Worten, sondern in dem er mir sie gezeigt hat... Der Meister hat mit gezeigt, was ich alles haben kann. Roten Nebel hat er über den Rasen ausgestreut, rot wie ein flackerndes Feuer und dann teilte er das Feuer und wissen Sie, was ich das sehen konnte, Tausende von Ratten und in ihren Augen da brannte ein Feuer, genau wie in den Augen des Meisters. Nach einiger Zeit hob er die Hand und aus war das Gewimmel.“ Eine Szenenbeschreibung, die Coppola etwa 60 Jahre später in Bram Stokers Dracula (1992) ins Bild setzte. Der Vampir, den Renfield als Magier beschreibt, ist in der Lage, dem Auge ‘le- bende Bilder‘ vorzuzaubern, ähnlich wie Dr. Mabuse oder Rabbi Löw in Der Golem. Während jedoch in den Stummfilmen das magische Bewegungs- bild als Film im Film erscheint, wird in diesem Tonfilm das Wort zur Be- schreibung des magischen, bilderzeugenden Vorgangs eingesetzt. Das

1262 Auch hier kann der Blick in den spiegelnden Kasten als selbstreflexiv betrachtet wer- den.

Nachtseiten des Lebens 317

Wort und nicht das Bild verweist unerwartet auf das Grauen, das wie beim Lesen eines Schauerromans einen ‘inneren Film‘ in Gang zu setzten ver- mag. Durch Renfields Schilderung erobert sich das Wort die Bildmagie zu- rück. Der showdown, die Konfrontation zwischen van Helsing und Dracula, wird sogar zur Gegenüberstellung von Tonfilm und Stummfilm. Dies läuft folgendermaßen ab: Van Helsing sagt, er werde ihm einen hölzernen Keil durch das Herz treiben, Dracula setzt seinen Worten beschwörende Ges- ten und hypnotische Blicke entgegen.

Abb. 167: Bela Lugosi als Dracula will van Helsing in seinen Bann ziehen

Zunächst erliegt van Helsing der stummen Macht und scheint willenlos, im letzten Moment reißt er seine Kräfte zusammen und spricht auf den Vampir ein. Dieser fühlt sich unterlegen und flieht mit Mina. Renfield, der den beiden folgt, führt ungewollt van Helsing und Harker in Draculas geheimes Ver- steck. Dies ist eine Grabkammer, zu der eine scheinbar endlose Treppe hinabführt. Auf der Treppe tötet Dracula Renfield, den er für einen Verräter hält. Renfield verteidigt sich bis zuletzt sprachlich gegen den Meister. Mina schreitet ungerührt die Treppe hinab. Das Tageslicht bricht an und van Hel- sing findet Dracula in seinem Sarg. Er löst eine Latte aus dem Deckel her- aus und stößt sie dem Vampir durchs Herz. Der Zuschauer sieht nichts da- von, weil van Helsing mit dem Rücken zur Kamera agiert. Es ist ein letztes Stöhnen aus dem Sarg zu hören. Der Vampir löst sich im Klang seiner Stimme auf. Das Stöhnen wird abgelöst von einem Schrei Minas. Gertrud Koch schrieb über den Schrei im Horrorfilm: „Ganz ohne Zweifel bezieht der Horrorfilm einen großen Teil seiner schaurig-belebenden Wirkung aus einer radikalen Trennung von Bild- und Tonspur, und oft genug ist es der weibliche Schrei, der den genußvollen Höhepunkt der Konfrontation mit dem visuell Grauenvollen zu einem sinnlichen Synästhetikum vollendet.“1263 Das Stöhnen Draculas, worauf der Schrei Minas erfolgte, erinnert eher an eine letzte Vereinigung der Lieben- den, als an einen Schrei, der „gegen den Totenkopf die Stimme“ erhebt.1264 Es ist aber auch ein vorgetäuschter Angstschrei, denn als sei nichts gewesen,

1263 Gertrud Koch, „Ich schreie, also bin ich“ - Zur Ästhetik des weiblichen Schreis. Ein Ge- spräch mit Dietburg Spahr und Gerhard R. Koch zum Horrorfilm, in: Frauen und Film, H. 49, S. 91-102, S. 91 1264 Ebd. S. 98

318 Nachtseiten des Lebens tritt Mina hinter einer Säule der Grabkammer hervor und erklärt ihrem Ver- lobten, Harker, daß sie sein Rufen zwar gehört habe, aber nicht antworten konnte. Erst die Vernichtung Draculas holte sie aus dem Land der Stille und des Schweigens zurück. Ein Glockenspiel erklingt, Harker und Mina steigen aus der Grabkammer herauf. (Zu Beginn des Films hatte Dracula Renfield nach oben geführt.) Van Helsing verweilt noch einen Augenblick in der Gruft.

Tod Browning inszenierte in Dracula die Konfrontation des mit Worten und ‘Wissen‘ kämpfenden Wissenschaftlers gegen den Magier des Blicks und der Geste als Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm.

1. Töchter der Finsternis Etwa gleichzeitig mit Dracula in Hollywood entstand in Frankreich ebenso im Spannungsfeld von Stummfilm und Tonfilm Vampyr - Der Traum des Al- lan Gray1265 von Carl Theodor Dreyer.1266 Nach Toeplitz führte die Einführung des Tons zu einem „avantgardistischen Postexpressionismus“, der die „amerika- nische Serie phantastischer Filme mit Frankenstein und Dracula als Haupthelden“ hervorbrachte.1267 In der Tat ging Sprache im Film mit einer Art ‘Regression’ auf magische Themen einher, für die mit der Figur des blutsaugenden Vampirs eine signifikante Gestalt gefunden war. Die Stimme der Lichtges- talten verwies erneut auf die Blutleere und die Künstlichkeit des menschli- chen Abbildes. Die neue Synchrontechnik ließ die entfesselte Kamera des Stummfilms im Blimps verschwinden, einem großen schwarzen, schall- schluckenden und luftdichten Kasten, so daß mit dem frühen Tonfilm die Filmkamera ihre frühere Unbeweglichkeit zurückerhielt.1268 Anders als Tod Brownings Dracula schöpfte Dreyers Vampyr noch die Möglichkeiten der ‘stummen Kamera’ aus. Der Film wurde nachsynchronisiert und mit Geräu- schen und Musik unterlegt.

Folgt man Toeplitz, so vergriff sich Dreyer mit diesem Film völlig im Thema. Vampyr war für ihn sogar nur eine „Atempause... vor seiner (Dreyers) künftigen ernsten Arbeit“.1269 Toeplitz‘ Abwertung des Films hing ganz offensichtlich mit der Zuordnung des Films zum Genre der Vampirfilme zusammen, welches für ihn keine große Filmkunst war. Auch Mark Nash betrachtete Vampyr als einen Vampirfilm.1270 Jedoch läßt die folgende Analyse des Films erkennen, daß Vampyr für den alltäglichen Tod steht, und Dreyer die unabwendbare Sterbestunde in neuen Bildern inszenierte. Die schemenhaften Filmbilder und der asynchrone, kontrapunktisch zum Bild verlaufende Ton- und Sprachgebrauch lassen den Film als ein schlüssiges Werk erscheinen, dessen Bilder und Sequenzen nicht vordergründig dem filmischen Erschre- cken dienen oder willkürlich subjektive Traumvorstellungen zeigen, sondern eine Abfolge von höchst signifikanten Metaphern und Topoi des sinnlichen Entfernens des Sterbenden aus der Welt sind. Der Ton ist unklar und

1265 Aus dem Namen Allan Gray wurde zuweilen David Gray. 1266 Carl Theodor Dreyer wurde 1889 in Kopenhagen geboren, wo er auch 1968 starb. Ab 1912 schrieb er Drehbücher für Norddisk Films. 1267Toeplitz, Geschichte des Films, Bd. 2, a.a.O., S. 335 1268 Erst im Laufe der sechziger Jahre, als die selbstgeblimpste Kamera aufkam, und die Laufgeräusche leiser wurden, fiel das schwere schwarze Gehäuse weg. Die Kamera wurde von Dämpfungstechniken befreit und verlor ihren unbeweglichen Schallmantel, so daß eine neue Beweglichkeit entstand. 1269Toeplitz, Geschichte des Films, Bd. 2, a.a.O., S. 335 1270 Mark Nash, Vampyr and the Fantastic, in. Screen, vol. 17, No. 3, 1976, S. 29-67, S. 29, S. 64

Nachtseiten des Lebens 319 scheint von weit her zu kommen, er entspricht den visionären, trüben Bil- dern, die künstliches Licht erzeugten, welches durch ein Gazegewebe auf die Kamera fiel - Drehen im Morgengrauen verstärkte den Effekt. Toeplitz schrieb, Vampyr sei „eine Übung zum Thema: Wie gestaltet man eine Atmosphä- re real und irreal zugleich?“1271 Und in der Tat zeugen das trübe Zwielicht und die Unklarheit des Tons von einer Orientierungslosigkeit im Raum, die den Kinogänger zwischen Kino und Wirklichkeit wie zwischen Tod und Leben stellen. Daß in Dreyers Filmen „das große Andere... von dem wir abhängen, das in Begriffe zu bringen vorerst nur mit negativen Kategorien möglich ist“ durchgängig Motiv sei, hoben auch Frieda Grafe und Enno Patalas hervor.1272

Vampyr berührt den Fauststoff nicht nur im Namen des Vampirs Margueri- te, sondern der Vampir paktiert hier mit dem Film und verkündet promethei- sche Magie, wie es schon das erste Filmbild ausweist. Ähnlich einem Foto- gramm von Man Ray ist die Negativprojektion die Silhouette eines Toten- kopfs1273, über welcher, zunächst schwach, dann hell erleuchtet, das Wort Vampyr erscheint. Die Schrift-Lichtzeichen erinnern vordergründig an ein groteskes Gebiß, können aber auch auf die Geburt des Vampirs aus Wort und Licht verweisen.

Abb. 168: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930

1271 Toeplitz, Geschichte des Films, Bd. 2, a.a.O., S. 335 1272 Frieda Grafe, Enno Patalas, Carl Theodor Dreyer, Geistliche Herren und natürliche Damen, in: dies., Im Off. Filmartikel, München 1974, S. 292-295, S. 295 1273 Das Schattenbild des Totenkopfprofils dient auch bei den folgenden Zwischentiteln als eine Art Wasserzeichen.

320 Nachtseiten des Lebens

Abb. 169: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930

Die Geschichte handelt von Allan Gray (Julian West = Nicolas de Gunz- burg), der an einem Sommerabend in festlicher Kleidung und mit Angel- zeug1274 ausgerüstet, ein Zimmer in einem Landgasthof, nahe eines Flusses und einer Fährbootanlegestelle bezieht. Nachfolgender Schattenriß zeigt das Aushängeschild des Hotels ohne Namen, welches an schon beschrie- bene Vermischungen von Engels- und Dämonengestalten erinnert.

Abb. 170: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Das Schild des Gasthauses

Durch das Türfenster der Gaststube sieht der Zuschauer, wie Allan hinein- blickt und die Türklinke herunterdrückt, aber die Tür ist verschlossen.

1274 Das Angelgerät scheint den Bezug zum ‘Fluß des Lebens’ zu veranschaulichen, weil das Angeln einerseits Muße und Gelassenheit fordert, andererseits mit Tötung und Nahrungsmittelbeschaffung einhergeht.

Nachtseiten des Lebens 321

Abb. 171: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Julian West (= Nicolas de Gunzburg) als David Allan. Der Blick ins Gasthaus

Er geht um‘s Haus, klopft an ein erleuchtetes Fenster, das Licht geht aus. Eine Frau fragt: „Wer ist da!“ Diese ersten Worte legen sich über den Gleich- klang einer dämpfenden Musik. Aus der Dachluke weist ihn eine Frau an: „Gehen Sie dort herum.“ Schwermütige Geigenmusik begleitet einen Schnitt, der in der Halbtotalen einen Landmann zeigt, der eine Sense geschultert auf die Anlegestelle zugeht. Er schlägt die Glocke, während die Frau Gray öff- net.

Abb. 172: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Der Sensenmann schlägt die Glocke

Wortlos, an einer Leiter vorbei, wird er in ein Zimmer geführt. In Parallelmontage wird gezeigt, wie die Fähre anlegt und der ‘Sensenmann’ den Steg betritt, während Gray sein Zimmer bezieht, das Angelzeug beiseite stellt, eine Kerze anzündet und zum Fenster hinausschaut. Er sieht den Mann mit der Sense auf der Fähre sitzen, die zur Abfahrt bereitsteht. Der Sensenmann, der die Stunde schlägt, und auf das Überqueren des Flusses wartet, wird so, wie auch in Murnaus Nosferatu, zum Zeichen des nahenden Todes. Offenbar hat Allan Gray ‘the last hotel’ bezogen.1275

322 Nachtseiten des Lebens des. Offenbar hat Allan Gray ‘the last hotel’ bezogen.1275

Er verdunkelt das Zimmer, nimmt eine Kerze zur Hand und betrachtet ein Bild, welches einen Sterbenden zeigt, der im Kreis seiner Familie die Ster- besakramente erhält. Er blickt auf die Sterbeszene wie in einen Spiegel.

Abb. 173: Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Bild einer Sterbestun- de.

Die Kamera gleitet über die Grafik und zeigt einzelne Ausschnitte groß: Kin- der in feierlicher Kleidung haben die Hände zum Gebet gefaltet, eine Frau weint, der Priester segnet den Sterbenden, hinter dessen Bett bereits der Tod wartet.

Abb. 174: Ein vergrößerter Ausschnitt zeigt den Sterbenden, den Tod und den Prie-

1275 Der ‘Gasthof des Todes’ war als Haunted Inn and House of Ghost von Beginn der Filmgeschichte an Thema unzähliger Filme. Vgl. u.a. Kinnard, Horror in Silent Films, a.a.O., S.12ff. In The Haunted House (Lubin, 1899) und in Quentin Tarantinos From Dusk Till Dawn (1996) wurde der Todesgasthof gleichermaßen zum Ort des Massa- kers der Vampire und Zombies. Das Grauen, das den endenden Tag und den begin- nenden Tag anzeigt, finden sich in Tarantinos Filmtitel wieder. Bei Dreyer wird das Morgen- und Abendgrauen zum Merkmal einer entkörperten, surrealen Filmmreise, die in die Blutleere der bewegten Bilder führt.

Nachtseiten des Lebens 323

Priester

Eine unverständliche Litanei dringt in Allans Zimmer. Einzelne Worte sind zu verstehen: „Bei meinem Blute... Du sollst leben, leben...“. Allan folgt der Stimme auf den Gang. Ein Mann mit mißgestaltetem Mund1276 schaut die Leiter hinunter. Zurück im Zimmer verriegelt er die Tür. Er legt sich bekleidet aufs Bett. Unerwartet betritt Kastellan, ein Gutsherr, (Maurice Schutz) sein Zimmer und fragt: „Wer sind sie?“ - Stille, der Klang einer Bratsche ertönt. Asynchronität unterstreicht die Unwirklichkeit der Begegnung. „Sie darf nicht sterben, hören Sie!“ Wortlos hinterläßt er ein Päckchen mit der Aufschrift: „Zu öffnen nach meinem Tod“. Allan steht auf und begibt sich auf eine scheinbar ziellose Suche. Er gelangt zum Haus des Dorfarztes. Hier begegnet ihm der Schatten eines Soldaten, welcher eine Leiter hochsteigt. Durch einen Bogengang kommt eine alte Frau auf ihn zu. Es ist die Vampirin Marguerite Chopin (Henriette Gérard). Einen kurzen Moment fällt Licht auf ihr Gesicht.

Abb. 175: Henriette Gérard als Marguerite Chopin, die Vampirin

Ein Schatten schwebt über ihr, der an einen dämonischen Vogel erinnert. Lautlos schreitet die Alte in langem schwarzen Gewand durch den Gang. Allan streift wie körperlos durch das Gebäude. Der Schatten des Soldaten hebt ein Grab aus. Plötzlich taucht der Soldat auf und folgt den Bewegun- gen seines Schattens. Tanzmusik erklingt. Der Schatten des Soldaten spielt Schattenpaaren zum Totentanz auf. Eine schrille Frauenstimme un- terbricht die Feier. Allan kommt an einem fast fertig geschreinerten Sarg vorbei, Sägespäne liegen umher. Die Musik wird zum klopfenden Herzen, ein Papagei krächzt,1277, in der Ferne bellt ein Hund. Er öffnet eine Tür, Licht fällt auf sein Gesicht. Die Kamera schwenkt durch den Raum und verweilt auf einem Skelett, welches wieder einem dämonischen Vogel ähnelt.

1276 Der verwachsene Mund erscheint einen Hinweis auf die Unvollkommenheit der Spra- che im Film zu geben. 1277 Auch dem Teufel Scapinelli saß in Der Student von Prag (1913) ein Papagei auf der Schulter, als er sich zu Beginn des Films dem Publikum vorstellte. Der bunte, exotische Vogel, der nur krächzt und nicht singt, wird als Schicksalsbote betrachtet, vgl. Stichwort: Papagei, in: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, a.a.O., S. 630.

324 Nachtseiten des Lebens

Abb. 176: Schattenflügel

Sodann bleibt der Schwenk auf einem Schränkchen mit alten Büchern und Totenkopf stehen. Im Hintergrund hängt ein matter Spiegel.

Abb. 177: Das Werkzeug des Alchemisten

Die Kamera, deren Einstellung dem umherscheifenden Blick entspricht, ist nicht im Spiegel zu sehen, aber die Selbstreferentialität der Szene wird durch eine alte Kamera verstärkt, die auf einem anderen Schränkchen zu sehen ist. Daneben stehen Druckpresse, Petroleumlampe und Affenschä- del. Alle Utensilien, besonders aber Kamera und Druckpresse, können als Werkzeuge des modernen Magiers betrachtet werden. Der Schenk durch den Raum des Alchemisten verweist erneut auf das prometheische Medium und die Kamera als dämonischen Magier.

Nachtseiten des Lebens 325

Abb. 178: Druckpresse und Kamera, Werkzeug des Alchemisten

Die Musik verstummt, ein Vogel krächzt, Allan öffnet eine weitere Tür. Die Kamera zeigt Tiegel, Gefäße, Mörser und chemische Instrumente, die auf einem Labortisch angeordnet sind – auch sie verraten die Gegenwart des Alchemisten. Eine Hand gleitet übers Treppengeländer. Der Dorfarzt (Jan Hieronimko) kommt die Treppe herunter. Er öffnet eine Tür, die Vampirin tritt ein. Sie trägt auf hochgeschlossenen Kleid eine schwere Kette, Attribut ihrer Herrschaft. Respektvoll zieht der Arzt den Hut vor ihr. Er ist ein Medikus mittleren Alters mit wirrem Haar, Schnauzer und Brille. Sein schwarzer An- zug hat Flügelschößchen und steht in der Tradition der Kostüme verschie- dener Magiergestalten des deutschen erzählenden Stummfilms, wie etwa Scapinelli in Stellan Ryes Der Student von Prag (1913) oder Caligari in Ro- bert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (1919). Auch ähnelt er Professor Bulwer in Murnaus Nosferatu (1921).

Abb. 179: Jan Hieronimko als Arzt und Famulus, Henriette Gérard als Vampirin

Allan sieht, ohne gesehen zu werden und sein Blick gleitet, wie das Auge der Kamera, durch Raum und Zeit. Ein Schnitt zeigt unvermittelt einen To- tenschädel, dessen leere Augenhöhlen hell aufleuchten. Die faustische Stu-

326 Nachtseiten des Lebens dierstube wird hier ein weiteres Mal zum Gruselkabinett erklärt. Wortlos be- treten der Arzt und die Vampirin das Labor. Sie greift in ihre Gewandtasche, holt ein Giftfläschchen heraus. Der Papagei krächzt, während eine abster- bende Topfpflanze und das Gift groß gezeigt werden.

Allans Wanderung führt ihn weiter zum Gutshof von Kastellan, wo auch dessen Töchter Léone (Sybille Schmitz) und Gisèle (Rena Mendel), auch ein Hausverwalterpaar leben. Léone, die an unerklärlichem Blutverlust lei- det, stößt schwer atmend hervor: „Das Blut, das Blut.“ Allan blickt ins Haus, als ein schriller Ton erklingt und der Schatten des Soldaten, das Gewehr im Anschlag, aus einer Totenlade heraussteigt. Ein Schuß fällt, und Kastellan bricht tödlich getroffenen zusammen.1278 Allan eilt ins Haus. Der Dorfarzt, der schon da ist, sieht durch ihn hindurch. Das Gesicht der Vampirin über- schattet die Szene.1279 Im Salon trauern Gisèle und das alte Hausmeister- paar um den Toten. Die Haushälterin fragt Allan wie aus weiter Ferne: „Wol- len Sie nicht bei uns bleiben?“ Er öffnet das Päckchen, welches Kastellan ihm ins Hotel brachte, und findet darin ein Buch über Vampire. Er blättert es durch, als die Totenkutsche kommt und den Leichnam fortbringt.1280

Abb. 180: Das Titelblatt des Vampirbuches

Das Titelbild des Vampirbuches zeigt eine Frau in wallendem Gewand, ein großes Tuch bedeckt ihr Haar. Der Buchtitel lautet: „Die seltsame Ge- schichte der Vampyre von Paul Bonnat.“ Es wurde in Leipzig von Gottlieb Faust Erben verlegt. (Ohne Zweifel ist der Vampir ein Erbe Fausts.) Aus dem Buch erfährt er die Herkunft der Vampire. Es ist zu lesen, daß „die See- len verstorbener Böser (..) bei Vollmond1281 zurück(kehren) und (..) das warme, junge Blut, das ihre eigene, düstere Existenz verlängert (saugen). Der ‘Prinz der Dunkel-

1278 Der Soldat (immer zum Töten bereit) vertritt wie in Murnaus Nosferatu auch bei Dreyer den Tod. 1279 Es scheint so, als ob die Bilderfolge zur vorherigen Sequenz gehört, da es sich um dieselbe visuelle und akustische Kulisse handelt und vielleicht irrtümlich bei Rekon- struktion des Films an diese Stelle gesetzt wurde. 1280 Die schwarze Kutsche und das Buch über Vampire erinnern an Murnaus Nosferatu. 1281 Der Vollmond, den das Böse offensichtlich benötigt, um zu erscheinen, ist ein kreis- rundes helles Licht wie etwa der Lichtschein einer Laterna magica, in dem das Bild des Teufels seine erste Lichtbildgestalt fand. In The Truman Show (Peter Weir, 1998) dient der Vollmond dem Bösen als Suchscheinwerfer.

Nachtseiten des Lebens 327 heit’ ist ihr Verbündeter. Er verleiht übernatürliche Kräfte, auf daß die Untoten an den Lebenden ihren Durst stillen.“ Die Vampirin ist nicht wie Nosferatu oder Dracu- la ‘Herr der Dunkelheit’, sondern sie bekam die übernatürlichen Kräfte von ihm zugesprochen. Etwas später heißt es, daß der „Vampir in die Hülle einer alten Frau“ gefahren sei.

Vom Fenster aus sehen Allan und Gisèle, wie die kranke Léone das Haus verläßt. Sie eilen ihr nach. Ein Schnitt zeigt die Vampirin über Léone ge- beugt. Als sie den Ort erreichen, läßt sie von ihr ab und verschwindet.

Abb. 181: Sybille Schmitz als Léone, Henriette Gérard. Die Vampirin läßt von Léone ab.

Sie bringen Léone ins Haus. Allan blättert weiter im Vampirbuch, als die Kutsche, die den Leichman Kastellans fortbrachte, zurückkommt. Der Kut- scher ist tot. Hirvon kaum Notiz nehmend, folgt er seiner Lektüre: „Nicht nur die Schatten hingerichteter Verbrecher dienen den Vampiren. Aus Ungarn wird von einem Dorfarzt berichtet, der seine Seele dem Teufel verkaufte. Als Diener des Vampirs half er, das Grauen ins Land zu tragen. So findet der Vampir und seine Hel- fer nicht nur unter den Untoten, sondern auch unter den Lebenden.“ Die Hausglo- cke läutet und der seelenlose Dorfarzt tritt ein. Er läßt gleich Allan zur Ader, um Léone mit Blut zu versorgen. Der Aderlaß schwächt ihn, und er ruft dem Arzt zu: „Ich verliere ja mein Blut.“1282 Der Arzt entgegnet:: „Ach, Unsinn, ihr Blut ist doch hier.“

Während Allan schwächer wird, nimmt der alte Hausdiener das Vampirbuch zur Hand.1283 Er findet heraus, daß Léone sich vergiften soll, damit auch sie - wie einst Marguerite - ohne Sakramente begraben und verdammt wird. In letzter Minute kann Léones Gifteinnahme verhindert werden. Der Arzt flüch- tet, Allan folgt ihm. Als er entkräftet auf einer Bank in Ohnmacht sinkt, steigt sein Geist aus ihm heraus und verfolgt den Arzt weiter. Im dessen Haus stößt er auf den nun fertigen Sarg, in dem er seine Leiche liegen sieht. So-

1282 Es sind die einzigen Worte, die Allan in dem Film spricht. 1283 Eine Buchseite informiert darüber, „daß vor 25 Jahren (..) eine grauenvolle Epidemie das Dorf Courtempierre heim(suchte). Sie kostete 11 Menschen das Leben. Die Ärzte gaben der schrecklichen Krankheit einen lateinischen Namen, aber die Leute beharr- ten darauf, daß ein Vampir den Tod brachte. Viele glauben immer noch, daß Margueri- te Chopin der Vampir war. Sie starb in Sünde, ohne Reue und die Kirche verweigerte ihr die heiligen Sakramente

328 Nachtseiten des Lebens dann entdeckt er Gisèle, eingekerkert und an ein Bett gefesselt. Der Arzt öffnet das Gehäuse einer Standuhr, die weder Uhrwerk noch Zifferblatt hat, und der Soldat kommt heraus. Allans Geist verschwindet in einer Boden- klappe. Die Kamera zeigt nun aus dem Sarginneren durch ein Fenster im Sargdeckel, wie der Soldat den Sarg vernagelt. Dann taucht das Gesicht der Vampirin auf, sodann der Himmel, Baumwipfel und die Kapelle des Friedhofes. Ein erneuter Standortwechsel der Kamera zeigt Allan im Sarg mit weit geöffneten Augen.1284

Abb. 182: Der Geist beugt sich über den Leichnam (Julian West) im Sarg

Glocken erklingen. Ein Schnitt führt zu Allan zurück, der auf der Bank zu sich kommt. Er geht zum Friedhof und trifft dort den alten Bediensteten, der eine schwere Steinplatte von einem Grab schiebt. Der Stein zerbricht. Der Alte steigt in das Grab hinab und entfernt den Sargdeckel. Allan tritt hinzu und nimmt die Bretter entgegen. Im Sarg liegt die Vampirin. Der Hausdiener rammt ihr einen Pfahl durchs Herz und im nächsten Augenblick verwandelt sie sich mittels Überblendung in ein Skelett. Die schwarzen Wolken am Himmel lichten sich, Sonnenstrahlen dringen durch, Harfen erklingen, Léone richtet sich in ihrem Bett auf, fühlt sich genesen und fällt in einen tiefen Schlaf.

1284 Das Makabre an Dreyers Film ist nicht etwa der Auftritt des Vampirs, sondern es ist die wirkliche Nähe zum Tod, die er zu erzeugen vermag. Bei Dreyer wird die Kamera wahr- haftig zu einem Fenster zum Tod. Vgl. Hans Schmid, Fenster zum Tod, a.a.O. Schmidt betrachtete die Kamera eher als Spiegel des Todes und weniger als ein Fenster. Er beschrieb den Raum im Horrorfilm als einen Spiegel, in dem sich tendenziell die ge- schlechtliche Identität im Licht von Voyeurismus und Fetischismus bricht. Jedoch öff- nen sich mit dem Kameraauge elementare Allmachtsphantasien, ein gewaltiges Spiel, das Dreyers Vampyr durchbricht und in ein Fenster zum Tod verwandelt.

Nachtseiten des Lebens 329

Abb. 183: Sybille Schmitz, Léones Seele ist gerettet

Die Schlußsequenz zeigt die Vernichtung der dämonischen Helfer der Vampirin. In häuslicher Zufriedenheit sitzt der ‘seelenlose‘ Arzt in einem Sessel und raucht eine Zigarre (Rauchschwaden umhüllen ihn), während der Soldat auf der Laute spielt. Jäh unterbricht ein finsteres Grollen diese Idylle. Der Medikus blickt besorgt zum Fenster. Plötzlich erscheint dort ü- berdimensional groß, das Gesicht der Vampirin. Er stürzt ins Nebenzimmer und als der Soldat ihm folgen will, findet er die Tür verriegelt. Die Silhouette des Papageien wird sichtbar und sein krächzender Schrei ertönt. Der Arzt öffnet die Tür mit einem Ruck, und mit lautem Schrei stürzt der Soldat zu Tode.

Der Arzt flieht in die alte Mühle. Indes befreit Allan Gisèle und läuft mit ihr zum Fluß, wo ein Boot auf sie wartet. In der Mühle betritt der Arzt einen Raum, dessen Gittertür sich auf geheimnisvolle Weise hinter ihm schließt. Er sieht den alten Bediensteten oben auf der Treppe stehen und fordert ihn vergeblich auf, die Tür wieder zu öffnen. Die Zahnräder der Maschine setz- ten sich in Bewegung. Das Wasser treibt das Rad an. Das Mehl fällt auf den eine unverständliche Litanei murmelnden Arzt und erstickt ihn. Allan und Gisèle überqueren bei dichtem Nebel den Fluß. Zurufe leiten sie sicher an das andere Ufer. Während des quälenden Todeskampfes des Arztes, steigen sie am anderen Ufer aus, schreiten durch einen Wald auf eine son- nige Lichtung zu. Der Medikus versinkt im Mehl. Die Zahnräder der Maschi- ne drehen sich im Schlußakkord.

Der alte Bedienstete des Hauses Kastellan, der Stellvertreter des Vaters, hat alles - dank des alten Buches und des Blutopfers des Sohnes - zum Guten geführt und das Böse vernichtet. Carl Theodor Dreyers Vampyr ist wie Metropolis ein religiöses Opus christlicher Erlösungsphantasien. Die Vampirin stellt sich wie die falsche Maria als ein Geschöpf Satans heraus. Sie vertritt die abwesende Mutter im Hause Kastellan. Luther vertrieb Maria aus dem Himmel, und bei Dreyer vernichten Vater und Sohn die unsterbli- che Mutter. Das androgyne Antlitz, die Kleidung und die Haltung der Vamp- irin sind nicht etwa von einem erotischen Weiblichkeitskonzept getragen, sondern unterstreichen ihre geschlechtliche Undifferenziertheit. Im Gegen- satz zum Biß Draculas geht der Vampirbiß bei Dreyer nicht mit sexueller Erregung einher oder steht für die geschlechtliche Vereinigung. Mit ihrem

330 Nachtseiten des Lebens

Biß saugt die Alte Léone das junge Leben aus und ihre ‘Blutsbande’ wird zum Bild der Muttertochter, die sich wie die Natur aus sich selbst ernährt. Die Muttertochter, die sich immer wieder selbst gebiert, war in der griechi- schen Mythologie Demeter.1285 Sie war die griechische Göttin der Agrikultur und des Getreides, die Mutter der Ernte und des Korns1286, das im Winter stirbt und im Frühling zu neuem Leben erwacht. Sie und ihre Tochter Per- sephone waren Erdgöttinnen und hatten ein eigenes Reich.

Demeter und Kore personifizierten den ewigen Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt.1287 Demeter war aber auch eine geheimnisvolle Gewalt, die in der Erdtiefe hauste, ein düsteres Wesen, das Grauen erregte. Ihre schauerliche Erscheinung ähnelte der eines Hundes oder einer Schlange. Die Funktion, die Demeter und ihre Tochter Persephone in der griechischen Mythologie hatten, beschrieb James Georg Fraser1288 als das ‘verlierende’ Verhältnis zwischen Mutter und Tochter.1289 Demeter galt als alte Frau und war der Gegensatz ihrer Tochter, die als Mädchen (Kore) betrachtet wurde und als Dual der beiden Göttinnen Demeter und Kore. Das Hinschwinden der Pflanzenwelt wird mit dem Hinschwinden der göttlichen Mädchen dar- gestellt. Demeter und Kore (Muttertochter) stehen Persephone, der Tochter, gegenüber, die als Gemahlin des Hardes-Pluton als Schlangengöttin und Totengöttin galt.1290 Die alte Vampirin und Léone können als Mutter-Tocher im Sinne Demeter-Kore betrachtet werden. Persephone findet sich in Gi- sèle wieder, die (Schwester)Tochter, die zunächst entführt wird und dann ins Totenreich übersetzt. An Demeter knüpft sich eine Unsterblichkeitshoff- nung an, die sich mit ihrer Natur als Korngöttin als Unterweltsgöttin verbin- det. Sie ist die „Lenkerin aller Wiedergeburt“.1291 Neben den Körnern des Feldes gehören auch die Toten in ihr Reich. Sie ist ein „cunnisch-infernalisches We- sen“1292, verschmolzen mit der Magna Mater. Der Sensenmann holt das Korn ein, das in der Mühle gemahlen und zum täglichen Brot verarbeitet wird. Bei Dreyer scheint die Mutter des Korns mit ihrem Produkt, dem Mehl, den Ma- gier zu ersticken, der nicht mehr in ihren Diensten stand.

Eine besondere Funktion spricht Dreyer dem magischen Buch zu: Das Vampirbuch wird andächtig gelesen und wie die Heilige Schrift zum Buch der Wahrheit und des Wissen erhoben. Das Vampirbuch ersetzt den Wis- sensträger Professor Abrahm van Helsing. Es bewahrt das (magische) Wissen auf. In Dreyers Vampyr teilen sich Marguerite und der Medikus die konstituierenden Elemente der Faustgeschichte. Die Vampirin trat wortlos

1285 Vgl. Stichwort: Demeter, in: Der Kleine Pauly, a.a.O. Bd. 1, Sp. 1459-1463. Demeter hatte neben dem Getreide auch das Frauenleben und die Frucht des Mutterleibes unter ihrer Aufsicht. Sie gehörte bei den Griechen im Gegensatz zu den himmlischen Mäch- ten des Olymps den chtonischen Göttern an, vgl. Stichwort: Chtonische Götter, in: Ebd. Sp. 1172-1173. Der Mythos besagt, daß Demeter, den Verlust ihrer Tochter Persepho- ne beklagte, die sie nach langer Suche als Frau Plutos wiederfand. 1286 Das Korn, die Frucht der Demeter, ist das Geschenk der milden Göttin an die Mensch- heit, das sie im Zorn versagen kann. Darum gilt ihr das Gebet des Bauern und Schnit- ters.“ Stichwort: Demeter, in: Der Kleine Pauly, a.a.O. Bd. 1, Sp. 1459 1287 Im Bild Marias im Ährenkleid verbinden sich Christentum und Naturreligion. Stichwort: Maria, in: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, a.a.O., S. 536-539, S. 537 1288 James Georg Fraser, Der goldene Zweig, Frankfurt 1977, S. 572-617 (Kornmutter und Kornmädchen in Europa, Amerika und die Reismutter in Ostindien) 1289 Fraser kommt zu dem Schluß, daß Demeter und Persephone wahrscheinlich eine Person waren, die Mutter-Tochter, die sich im Korn befindet. 1290 Vgl. Stichwort: Persephone, in: Der kleine Pauly, Bd.4, Sp. 647-649 1291 Vgl. Stichwort: Demeter, a.a.O., Sp. 1463 1292 Ebd.

Nachtseiten des Lebens 331 aus dem Nebel des Nichts als Bewegungsbild hervor. Sie war das stumme Lichtbild einer verdrängten Vision. Sie war Marguerite, die Kindsmörderin, die als Vampirin ins Schattenreich eintrat. In Dreyers Vampyr - Der Traum des Allan Gray findet kein Kampf gegensätzlicher Mächte statt, sondern der Film zeichnete den ‘Fluß des Lebens’ nach. Allan Gray, das ist der Dorian Gray1293 des Bewegungsbildes. Der junge Allan Gray wandert durch die bi- zarren Bewegungsbilder und Klangbilder alterslos wie Dorian Gray, beide sind mit dem ‘lebenden Bild’ verschmolzen. Der sterbende Allan Gray, das ist der Stummfilm. Am Ende steht das junge Paar auf der Lichtung der Filmgeschichte. Der Name Allan verweist auch auf Alan in Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (1919), der Cesare befragt, wie lange er noch leben werde. „Bis zum Morgengrauen!“, antwortete das Medium.

Die alte Vampirin, die in Carl Theodor Dreyers Vampyr auftrat, findet ihre literarische Referenz in Carmilla, der Vampirin aus der Novelle Carmilla et La Chambre de l’auberge du Dragon volant von Joseph Sheridan Le Fa- nu(1872).1294 Le Fanus Erzählung handelt von einer Vampirin, die sich an der Adelsfamilie zu Karnstein rächen will. Auf dem Familienschloß in der Stei- ermark trifft eines Tages eine Kutsche ein, ‘Mutter und Tochter’ steigen aus. Die Mutter bittet den Schloßherrn, ihre Tochter, die neunzehnjährige Carmil- la in Obhut zu nehmen. Der Graf zu Karnstein willigt ein, und Laura, seine Tochter, freundet sich mit der gleichaltrigen Carmilla an. (Es ist eine ver- gleichbare Konstellation wie zwischen Marguerite, Léone und Gisèle bei Dreyer.) Laura (im Vergleich zu Léone) leidet an Alpträumen, weil sie glaubt, in ihr sei die 1698 verstorbenen Vampirin Millarca zu Karnstein inkarniert. Am Ende erweist sich jedoch Carmilla (das Anagramm von Millarca) als die Vampirin. Nicht nur bei Le Fanu benutzte die Mutter ihre Tochter, um ein al- tes Geschlecht in eine neue Rasse zu verwandeln, sondern neben vielen anderen Horrorfilmen erzählen auch Ridley Scotts Alien (1979)1295 und David Cronenbergs Rabid (1977), die Geschichte eines teuflischen, weiblichen Ungeheuers, eines blutgierigen Satans, der auszog, um das Ebenbild Got- tes, die Menschen, zu seinesgleichen zu machen. Satan transformierte in die Mutter, welche die Kinder des Grauens gebiert.1296 In Scotts Alien verbin- det sich das fleischliche Mutterwesen sogar mit einer Maschine und wird zum verdichteten Bild des dämonischen Gebärprozesses der Filmmaschi- ne.

Nach Bonnie Zimmermann tilgte Carl Theodor Dreyer aus Carmilla „alle les- bischen Spuren“. Sie verwies auf Lambert Hylliers Dracula’s Daughter1297 (1936), in dem die Tochter an die Stelle des Vaters trat, und auch sie weib- liche Opfer suchte. Danach fand sich „in Draculas Daughter... die verhaltene Begegnung zwischen einer unentschlossenen Vampirin und einem Dienstmädchen

1293 Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray, Nürnberg 1964 1294 Dreyer benutzte auch andere Motive Le Fanus. 1295 Eine Analyse des Films Alien läßt sich nur schwer - wie es Annette Brauerhoch in An- lehnung an Barbara Creed versuchte - allein aus familienanalytischer Perspektive ab- leiten. Auch der Verweis auf den Demeter- und Medusenmythos, den die Narration ver- birgt, ist nicht ausreichend, sondern entscheidend ist es, die kulturhistorischen Ver- flechtungen des Films herauszuarbeiten, vgl. Annette Brauerhoch, Mutter-Monster, Monster-Mutter, in: Horror, Frauen und Film, H. 49, (1990) S. 21-37. – Das imaginäre dämonische Geschöpf kann in die Mutter, den Vater, ja sogar in beide fahren oder sich in Rosemary’s Baby fortpflanzen, und sich mit Invasionsphantasien oder der Vorstel- lung der verheerenden Wirkungen alter und neuer (Atom-, Gen- u.a.) Technologien ver- binden. 1296 Wie es auch der Horrorfilm Spezies (1997) zeigt. 1297 Dracula‘s Daughter entstand aus dem Copyright Disput um Dracula, vgl. Skal, The Monster Show, a.a.O., S.196, 198

332 Nachtseiten des Lebens und damit der Hinweis auf das klassentypische Moment, das für die lesbische Vari- ante des Vampirmythos typisch ist: Während männliche Verführer durch ihr Ge- schlecht überlegen sind, müssen Vampirinnen durch soziale Überlegenheit ans Ziel kommen.“1298 Ein weiteres von Zimmermann genanntes Machtverhältnis ist die sexuelle Beziehung zwischen Lehrerin und Schülerin wie es etwa in Blood of Dracula (1957) dargestellt wurde. Der Bindung zwischen einer äl- teren und jüngeren, einer mächtigen und untergebenen Frau liegt deutlich die ‘Blutsverwandtschaft’ des Beziehungsmodells Mutter-Tochter zugrunde. Die Blutsverbindung der Vampirin mit ihren weiblichen Opfern, denen sie nicht nur zärtlich zu begegnen scheint, verweist auf die präödipalen Aspekte einer Spiegelbeziehung, in der die liebende und die strafende (in letzter In- stanz aber selbstsüchtige) Mutter ihrer Tochter begegnet, wie die bösen Feen und die garstigen Stiefmütter in den Grimmschen Märchen.

Abb. 184: Lambert Hyllier, Dracula’s Daughter, 1936, Still, David Skal, The Monster Show. A Cultural History of Horror, London 1994. Draculas Tochter und ihr weibliches Opfer

David J. Skal kommentierte das Bild: „Lesbian stereotype: Countess Zaleska (Gloria Holden) exerts a malign influence over a female victim (Nan Gray) in Dracula’s Daughter (1936).“ Er führte aus: „The homosexuell aspect of vampire psychology would countinue to gain prominence in the decades that followed.1299

Das Interesse der Vampirin am eigenen Geschlecht wurde mal stärker und mal schwächer inszeniert, sicherlich nicht unabhängig vom voyeuristischen Blick auf die erotische Begegnung zweier Frauen. John L. Balderston, der die Idee zu Dracula’s Daughter hatte, schrieb: „The use of a female Vampire instead of male gives us the chance to play Sex and Cruelty legitimately... In Dracula these had to be almost eliminated...We profit by making Dracula’s Daughter amorous of her victims... The seduction of young men will be tolerated whereas we had to eliminate seduction of girls from the original as obviously censurable.“1300 Skal berichtete, daß Balderston eine Szene vorschlug, in welcher der wider- liche und taubstumme (!) Diener der Vampirin in ihrem Boudoir Peitschen, Riemen und Ketten bereithält, die im Film nicht zum Einsatz kommen soll-

1298 Bonnie Zimmermann, Töchter der Nacht: der lesbische Vampirfilm, in: Frauen und Film, H. 28 (1981), S, 7-14, S. 7 1299 Skal, The Monster Show, a.a.O., S. 200 1300 Zit. n, ebd. S. 197

Nachtseiten des Lebens 333 ten, um die Phantasie der Zuschauer zu beflügeln.1301 Das endgültige Dreh- buch zu Dracula’s Daughter verfaßte schließlich Garrett Fort. Der Film be- ginnt mit der Verbrennung Draculas, für die eine Puppe Bela Lugosis her- halten mußte. Im Mittelpunkt des Films steht Countess Maria Zaleska (Glo- ria Holden), die Tochter des Grafen Dracula. Sie folgte ihrem Vater nach London. Dort erbittet sie von einem Psychiater (Otto Kruger) einen Rat- schlag. Skal hob hervor, daß hier der Vampirismus erstmals als ein psycho- logisches und weniger als ein übernatürliches Phänomen betrachtet wur- de.1302

Die Objektwahl der Vampire ist gewöhnlich nicht festgelegt, obwohl Dracula allgemein als diabolischer Verführer schöner Frauen gilt.1303 Primär wird er durch den Blutaustausch zur väterlichen und allmächtigen Autorität seiner weiblichen oder männlichen Opfer. Sein Biß setzt ein inzestiöses und ödi- pales Spiel in Gang, welches die ‘Töchter’ in Abhängigkeit hält und die ‘Söh- ne’ zur Rebellion treibt oder ihre Unterwerfung hervorruft. Während Harker mit Dracula einen tödlichen Kampf führte, versagte der wirre Renfield kläg- lich. Der ödipale Konflikt, der sich in Dracula veranschaulicht, wird durch den Wissenschaftler, der ihn schließlich zur Strecke bringt, zu göttlichen Machtstrukturen ausgeweitet.1304 Dracula verbildlicht so gesehen eine Ver- kehrung der ödipalen Dynamik und damit den (Spiegel-)Konflikt der gleich- geschlechtlichen, blutsverwandten Paare. Nicht nur in Brownings Dracula unterstanden die Vampirinnen (seine drei Bräute) dem Fürsten der Dunkel- heit und verschwanden auf seine Handbewegung hin. Die Macht der weibli- chen Vampire war durch ihn begrenzt. Ihm untertan, besaßen die barocken Schönheiten dieselben Verführungskräfte wie der Meister selbst. Wie er ver- tritt die Vampirin das teuflische Prinzip, und ihre Gegner sind die kirchlichen Insignien und der spiritistische Wissenschaftler oder sein Vertreter, der sie am Ende besiegt. Ihr Tod wird zu einem raschen Alterungs- und Zer- fallsprozeß, den sie über Jahrhunderte lang aufzuhalten vermochten. Die uralte Mutter steckt in der jungen Tochter. Die Naturreligion von Demeter und Kore findet im Zerfall der Vampirin ihr makabres Filmbild. In Tony Scotts The Hunger (1982) wechselte die schöne Vampirin ihr Liebesobjekt vom hörigen Mann zur unabhängigen Naturwissenschaftlerin.1305 Diese wußte sich schon bald der Methoden der Vampirin zu bedienen und trat schließlich an ihre Stelle, woraufhin die Vampirin mumifizierte, ohne jedoch sterben zu können. In der schönen Vampirin steckt die alte Mumie.

1301 Ebd. S. 198 1302 Ebd. 1303 Der Zwang der Verführung macht aus Dracula eine Gestalt wie Casanova oder Don Joan. Christopher Craft hob hervor, daß in Bram Stokers Roman Dracula nur Frauen verführt, die eine Beziehung zu anderen Männern haben, vgl. ders., „Kiss Me with Those Red Lips“: Gender and Inversion in Bram Stoker’s Dracula, in: Representations, Nr. 8 (1985), S. 107-133; S. 111. Dracula traf durch Harker auf Mina und durch Lucy direkt auf drei Männer. 1304 Die pfählende und Dracula aktiv vernichtende Frau schloß das Genre bislang aus. 1305 Der Konflikt Fausts triff auf Wissenschaftlerinnen nicht zu.

334 Nachtseiten des Lebens

Abb. 185: Gloria Holt als Comtesse Maria Zaleska, Draculas Tochter. Die Bildunterschrift bei John Brosman1306 lautete:

Abb. 186: „Ingritt Pitt as Countess Dracula – before and after.“

Siegfried Kracauer stellte in seinem Essay über „Die Photographie“ das Foto einer vierundzwanzigjährigen Filmdiva, das auf der Titelseite einer Illustrier- ten als „dämonische Diva“ erschien, dem Foto einer Großmutter gegenüber und verband die Montage mit der Frage: „Sah so die Großmutter aus?“1307 Kra- cauer bezweifelte, daß der „entscheidende Zug“ der Diva „die Dämonie sei... Auch die Dämonie indessen ist weniger eine Mitteilung der Photographie als der Ein- druck der Kinobesucher, die das Original auf der Leinwand erfahren. Sie erkennen

1306 John Brosman, The Horror People, New York 1976, S. 119 1307 Siegfried Kracauer, Die Photographie, in: ders: Der verbotene Blick, Beobachtungen, Analysen, Kritiken, Leipzig1992, S. 185-208, S. 185f

Nachtseiten des Lebens 335 es als Darstellung des Dämonischen an, gut denn. Nicht wegen der Ähnlichkeit, sondern ‘trotz’ seiner Ähnlichkeit denunziert das Bild die Dämonie.“1308 Der Ver- gleich der alten mit der jungen Frau bricht sich jedoch gerade an der Dä- monie, die der Filmdiva offensichtlich nicht nur wegen ihres äußeren Er- scheinungsbildes zugeschrieben wurde, sondern eben wegen jenes Ver- gleichs, dem auch Kracauer sie aussetzte. Ein beliebtes Wechselbild zeigt das alte Weib und die junge Schönheit mit selbem Strich gezeichnet.

Abb. 187: Optische Täuschungen: Das Wechselbild

Schon 1909 erschien bei Pathé der Film Miss Faust, in dem Miss Faust für Jugend und Schönheit einen Pakt mit dem Teufel schließt. Wenn sich der Pakt erfüllt, dann altert auch Miss Faust in höllischer Geschwindigkeit und wird zur Mumie, die sich schließlich in Staub auflöst. Das Häufchen Erde, das zurückbleibt, verweht der Wind. Hier geht der Film einen entscheiden- den Schritt weiter als die Fotografie, da der Prozeß der absoluten Vergäng- lichkeit gezeigt wird und nicht - wie beim Foto - einzelne Schritte des Alterns festgehalten werden, in deren (Zeit- und Lebens-) Abständen sich die ver- gangene Identität festigt und gleichzeitig verliert. Das Unfaßbare, der Pro- zeß des Todes und der Wiederauferstehung wird nicht länger an den weib- lichen Körper gebunden, sondern der Film selbst trat an die Stelle Deme- ters, der Unendlichkeit der Muttertochter, und fand in der dämonischen Filmdiva ein Bild des Verfalls und der Auferstehung.1309 Nach Kracauer war die „letzte geschichtliche Stufe“ der Bildentwicklung die Fotografie. Die „Reihe der bildlichen Darstellungen“ begannen „mit dem Symbol“.1310 Kracauer bezog sich auf den Symbolbegriff Johann Jakob Bachofens, nachdem die „früheste Menschheit“ ihre Vorstellung „von der Natur der sie umgebenden Welt“ in Symbo- len darstellte. Dies war „eine rein physisch-materielle Grundhaltung. Die Natur hat,

1308 Ebd. S. 193. Kracauers Gegenüberstellung des Fotos einer Filmdiva mit dem Foto ei- ner Großmutter ruft Edmund Edels Doktor Satansohn1308 (1912) in Erinnerung, in dem Mephisto eine alte Frau - unter dem Verbot einen Mann zu küssen - in eine junge Frau verwandelt. Dies ist auch ein Hinweis auf das Zeitbild im Film. 1309 Filmdiven wie Greta Garbo, Marlene Dietrich und auch Marylin Monroe werden mit den tragischen Geschichten ihres dämonischen Alterns vermarktet. 1310 Kracauer, Die Photographie, a.a.O., S. 199

336 Nachtseiten des Lebens wie die Sprache, so auch die Symbolik auf ihren Schoß genommen.“1311 Das Bild vom Spinnen und Weben war für Bachofen „ursprünglich die Tätigkeit der for- menden Naturkraft.“ Gertrud Koch führte in ihrem Buch über Kracauer aus: „In den Rahmen dieser Bildtheorie, in der das Bild eine Art Indikator für den Grad der Naturabhängigkeit bzw. -beherrschung ist, baut Kracauer eine Figur dialektischen Umschlags ein, die es ihm dann in der Folge möglich macht, der Photographie eine Art Statthalterplatz zuzuschreiben... Der Struktur- und Bedeutungswandel vollzieht sich vom Symbol zur Allegorie, die das Bild als Funktion des Gedankens nutzt.“1312 Dem Bild vom Spinnen und Weben als Symbol formender Naturkraft ent- spricht das Bild der Demeter als Allegorie der auferstehenden Natur, ein Prozeß, den der Film im Bild der jungen Vampirin zeigt, die plötzlich zur Mumie altert und zu Staub zerfällt.

2. Der Widersacher Seit Bram Stokers Dracula ist der holländische Wissenschaftler, Professor Abraham van Helsing, Draculas ärgster Feind. Die Negativbeziehung der Antagonisten läßt van Helsing als spiegelbildlichen Gegner des Vampirs er- scheinen. Eine Verflechtung, die aber nicht von Anfang an in Draculafilmen betont wurde. Bei Friedrich Wilhelm Murnau war Professor Bulwer noch völ- lig blind gegenüber Nosferatu, und bei Tod Browning war van Helsing ein sachlicher, leidenschaftsloser Wissenschaftler, der keine besondere Bin- dung an den Fürsten der Finsternis hatte. Zur Darstellung der libidinösen Wesensart ihrer Beziehung kam es erst in den Dracula-Farbfilmen der Londoner Hammer-Filmgesellschaft Ende der fünfziger Jahre.1313 Hatte der Stummfilm sofort die Teufelsbilder der Laterna magica aufgegriffen sowie den faustischen Wissenschaftler ins Bild gesetzt und der frühe Tonfilm ihre Begegnung neu inszeniert, so setzte nun der Farbfilm besondere Akzente auf die antagonistische Spiegelbeziehung von Wissenschaftler und Teu- felsgestalt. In Dracula (1958)1314, bei dem Terence Fisher Regie führte1315, spielte Peter Cushing einen völlig auf Dracula fixierten van Helsing, während Dracula (Christopher Lee) ständig vor dem Vampirjäger auf der Flucht war.

1311 Ebd. S. 199. Zit. n. Johann Jakob Bachofen, Oknos der Seilflechter, hrsg. v. Manfred Schröder, München 1923 1312 Gertrud Koch, Kracauer zur Einführung, a.a.O., S. 130f 1313 Die Hammer Production Ltd. kaufte die Rechte an den Dracula- und Frankensteinfil- men von Warners. Vgl. hierzu Almut Oetjen, Hammer Horror- Galerie des Grauens, Mei- tingen 21995. Die Hammer Production Ltd. stieg nach dem zweiten Weltkrieg ins Film- geschäft ein und hatte großen wirtschaftlichen Erfolg von 1957 bis 1974 mit sieben Frankensteinfilmen, sieben Dracula-Filmen, sieben weitere Vampirfilmen (darunter vier Camilla Verfilmungen) und zwei Doktor Jekyll und Mister Hyde Filmen. Die Hammer Produktionen verweisen auf die Anpassungsfähigkeit der Horrorgeschichten an den Zeitgeschmack, wie es etwa der deutsche Titel von Dracula A.D. 1972, Dracula jagt Mi- ni-Mädchen (1972), belegt oder der, im Zuge der Popularität von Hongkong Filmen ent- standene Film The Legend of the 7 Goldenen Vampires (1974), in dem sich Dracula mit schwertkämpfenden und karatekundigen Filmhelden wie David Chiang, Shih Szu oder Chen Shen verbündet. 1314 Ein knappes Jahr danach erschien der zweite Frankensteinfilm der Hammer The Re- venge of Frankenstein. 1315 Terence Fisher führte Regie und Jimmy Sangster schrieb das Drehbuch. (Sangster machte später selbst eine Reihe von Frankenstein- und Draculafilmen für die Ham- mer.) Sie erweisen sich zusammen mit dem Kameramann Jack Asher, dem Cutter James Needs - der auch für die special effects zuständig war - und den beiden Schau- spielern Peter Cushing und Christopher Lee als ein erfolgreiches Team. Fisher hatte 1953 für die Hammer den Doppelgängerfilm Foursided Triangle gedreht, einen schwarz-weiß Film, der von zwei Wissenschaftlern erzählt, die in dieselbe Frau verliebt sind. Nachdem die Frau sich für den einen entschieden hatte, fertigte sich der andere eine so exakte Nachbildung von ihr an, daß sie auch wieder zu dem anderen ging. Auch in Fritz Langs Metropolis war das Verlassenwerden die Motivation Rotwangs sich eine neue Hel zu verschaffen.

Nachtseiten des Lebens 337

Ein Jahr zuvor hatte die Hammer The Curse of Frankenstein (1957) mit denselben Schauspielern produziert. Cushing spielte Frankenstein, Lee das Monster. Mit den Schauspielern wurden auch die aufeinander bezogenen Filmrollen austauschbar:

Das Comeback der Horrorfilme, deren Rechte die Hammer Universal abge- kauft hatte, ging Ende der fünfziger Jahre entscheidend mit der Verbreitung des Farbfilms einher, der insgesamt zu einer Renaissance des Horrorfilms führte. Erstmals fand der leuchtend rote Lebenssaft seinen angemessenen Widerschein im Futter von Draculas Mantel. Leuchtend rotes Blut lief Dra- cula aus dem Mund und Frankenstein an der Operationsschürze hinun- ter.1316 In Terence Fishers Neuverfilmungen standen sparsame Einstellun- gen und Schnitte sowie einfache special effects einer barocken Ausstattung und einer opulenten Farbigkeit der blutigen Horrorszenen entgegen. Ent- sprechend der frühen Faustfilme und der Faust-Puppenspiele zielten die Hammer-Produktionen meist sofort auf die Höhepunkte der Geschichte ab und zeigten recht schnell die Erscheinung des Bösen und inszenierten dessen Vernichtung als spektakuläre Höllenfahrt. In jüngster Zeit ging die Neuverfilmung Draculas und Frankensteins mit der Entwicklung der digita- len Filmtechnik einher.

1992 kam Francis Ford Coppolas1317 Bram Stoker’s Dracula in die Kinos. Coppola griff nicht nur auf Stokers Roman zurück, sondern er bezog sich auch auf die Legende des Karpatenfürsten Vlad Tepes und die Geschichte des Kinematographen. Allein schon die Beziehung der Kontrahenten konsti- tuiert Bram Stoker’s Dracula als faustischen Spielfilm. Die Exposition be- ginnt mit einer Schwarzblende. Auf die Leinwand schiebt sich im Klang sak- raler Musik die Kuppel einer Kirche. Das Kreuz, von aufsteigendem Rauch umhüllt, stürzt hinab und im Feuerschein taucht ein neues Glaubenssym- bol, der Halbmond, auf. Die Kamera zeichnet im Schatten des Halbmondes die Landesgrenzen Transsylvaniens nach. Licht flackert im erdfarbenen Rot geronnenen Bluts. In gelben Schwefeldämpfen schiebt sich in Méliès‘scher Manier der Teufelserscheinungen Draculas gepanzerte Hand ins Bild.1318 Dracula (Gary Oldman) wird entsprechend der rumänischen Legende von Vlad Tepes als Ritter des Drachenordens eingeführt. (Vor lodernden Flam- men taucht ein mehrköpfiger Drache auf.) Ein Kameraschwenk auf Nacken und Hinterkopf lassen Dracula als gepanzertes Insekt erscheinen.

1316 Dies war ein Aspekt, den Andy Warhol in seinem Frankensteinfilm und Draculafilm den Hammerproduktionen entlehnte. 1317 Eine Persiflage der unheimlichen Kutschenfahrt in das Land der Schatten zeigte Ro- ger Corman in The Raven. Dr. Scarabus (Boris Karloff) erwartet seinen Kontrahenten Dr. Erasmus Craven (Vincent Price) zum Duell der Zauberer. Der durch Magie verwan- delte Sohn Dr. Bedlos (Jack Nicholson) lenkt die Kutsche in enormer Fahrt zum Schloß. (Coppola arbeitete lange Zeit für Corman.) 1318 Die Panzerhand Draculas erinnert an die künstlichen Hände anderer Protagonisten, die mit dem Teufel im Bunde stehen, wie Rotwang, Dr. No oder Dr. Seltsam (Spuren des Handschlags mit dem Teufel).

338 Nachtseiten des Lebens

Abb. 188: Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula 1992, Gary Oldman als Dracula

Im Spiel des Schattens wird aus der mittelalterlichen Teufelsgestalt ein schwarzer Engel der Romantik.

Abb. 189: Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula 1992

Die Exposition fügt der Legende des rumänischen Fürsten eine Abwandlung der Gretchentragödie hinzu. Elisabetha (Wynona Ryder), Draculas Frau, glaubt ihn getötet und nimmt sich das Leben. Verzweifelt entsagt er der Kir- che und richtet sein Schwert gegen das Kreuz. Ein Schnitt führt ins Jahr 1897. Dracula will in London ansässig werden. Nachdem der Makler A. M. Renfield (Tom Waits) aus Transsylvanien zurückkehrte, wurde er in die städtische Irrenanstalt eingeliefert und ernährt sich dort überwiegend von Fliegen. Jonathan Harker (Keanu Reaves) ist der zweite, den die Kanzlei nach Transsylvanien schickt. Zugschienen markieren seinen Weg.

Nachtseiten des Lebens 339

Abb. 190: Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula 1992, Gary Oldman als Dracula. Zugschienen markieren Harkers Weg

Abb. 191: Der erste Stück reist Harker mit der Eisenbahn

Freilich verweisen die rot und blau viragiert erscheinenden Bilder der Zug- fahrt auf die Anfänge des Kinos, und das Zugfenster – aus dem Harker nicht hinaus sieht – wird zur magischen Projektionsfläche des Zuschauerblicks. Harkers Zugfahrt findet unter dem magischen Blick des Vampirs statt, des- sen Augen den Blick des Kinobesuchers zu spiegeln scheinen.

340 Nachtseiten des Lebens

Abb. 192: Die Augen des Untoten

In einer Droschke setzt Harker den Weg in das Land der Untoten fort. Ein Kreuz soll ihm als Schutz dienen. An einer Stelle, an der niemand weiter- fährt, holt ihn die Kutsche des Grafen ab. Eine Klaue erfaßt Harker und zieht ihn in die Karosse.1319

Abb. 193: Eine Teufelsklaue zieht Harker in die Kutsche. Keanu Reeves als Jonathan Harker

Die Kutsche lenkt ein Ziegenbock über einen steilen Pfad. Die unheimliche Kutschenfahrt steht im Gegensatz zur Eisenbahnfahrt für eine Reise in die Vergangenheit. Eine Schwelle, die übertreten wird, ein magischer Kreis, der durchschritten wird, ein Schatten der sich ablöst: In der ersten Begegnung Harkers mit Dracula kommen alle magischen Bildelemente digital zum Ein- satz. Dracula zieht sein rotes Gewand wie eine blutige Welle hinter sich her.

1319 Die Kutschenfahrt bleibt stumm wie in Murnaus Nosferatu und Brownings Dracula.

Nachtseiten des Lebens 341

Abb. 194: Ein Schatten, der sich ablöst. Gary Oldman als Dracula, Keanu Reeves als Harker

In Laufe ihrer Begegnung entdeckt Dracula das Medaillon mit Minas Bild und erkennt in ihr Elisabetha wieder. (Es wird kein Spiegeleffekt mit dem Porträt der Frau eines anderen inszeniert, sondern eine spontane libidinöse Beset- zung gezeigt, deren Merkmal die Wiedererkennung ist.) In seinem weiteren Verlauf folgt der Film Stokers Roman und setzt die Vorbereitungen zur Schiffsreise nach London ins Bild, während Dracula Harker drei weiblichen Vampiren überläßt. Särge werden mit Muttererde gefüllt und verladen. Bei seiner Ankunft in London gerät Renfield außer Rand und Band, und ein wei- ßer Wolf bricht aus dem Londoner Zoo aus. Draculas erstes Opfer in Lon- don wird Lucy. Mit ihr vereinigt sich der Vampir in Gestalt eines tierischen Monsters.1320

Während sich der Vampir verjüngt, verkündet die Stimme van Helsings (An- thony Hopkins) aus dem Off: „Entgegen landläufiger Meinung kann sich - wie an- dere nächtliche Wesen - auch der Vampir durchaus bei Tage frei bewegen, obwohl es nicht seine natürliche Zeit ist und seine Kräfte nachlassen.“ Der Satz leitet zur Kinosequenz des Films über, die mit einer Kreisblende eingeleitet wird. Die Kreisblende öffnet sich in der Mitte und zeigt ein belebtes Straßenbild Lon- dons um die Jahrhundertwende. Graf Dracula und Mina befinden sich unter den Fußgängern. Der verjüngte Dracula verkörpert das Bild eines romanti- schen Schwarzen Engels. Er trägt einen grauen Straßenanzug, einen pas- senden Zylinder und schützt seine Augen mit einer blauglasigen Brille. Er erzeugt sich seine eigene ‘amerikanische Nacht’ und befindet sich auf dem Weg zum Kinematographen. Aus dem Off kommt die Aufforderung: „Besu- chen Sie den verblüffenden Kinematographen!“, und etwas später: „Bilder wie aus dem Leben gegriffen.“ In einem Interview erklärte Coppola: „Die Epoche war die Geburtsstunde des Kinos... Ich dachte mir, daß sich Fürst Dracula doch sehr für diese Erfindung interessieren müßte.“1321

Oldman spricht wie Bela Lugosi schwer und mit starkem Akzent. Er geht

1320 Die animalische Erscheinung – in die für einen kurzen (nicht wahrnehmbaren) Mo- ment vom Bild des verjüngten Vampirs montiert ist - läßt sich mit Jean Cocteaus Bête in La belle et la bête vergleichen. Ein Stoff, den bereits 1899 Pathé verfilmte. 1321 Peter Krobath, Wie ein Diktator. Gespräch mit Francis Ford Coppola, in: Zoom 2 (1993), S. 24-25, S. 24

342 Nachtseiten des Lebens auf Mina zu: „Ich bin nur auf der Suche nach dem Kinematographen. Ich hörte, er sei ein Wunderwerk der zivilisierten Welt.“ Etwas später betreten sie zusammen den verdunkelten Raum des Kinematographen. In dem Stummfilm, der zu sehen ist, setzen sich zwei kaum bekleidete Frauen auf den Schoß eines Mannes. Plötzlich verwandeln sie sich in eine bekleidete Frau. Diese steht auf, und der Mann bleibt allein zurück. Die Zuschauer lachen. „Erstaunlich!, bemerkt der Graf, „der Wissenschaft sind keine Grenzen gesetzt.“ Mina entgeg- net: „Wie können Sie dies Wissenschaft nennen. - Denken Sie, Madame Curie lädt zu derartigen Vergleichen ein.“

Das Kino wird bei Coppola zum triebhaften Gruselkabinett, zu einem magi- schen Beschwörungsort sexueller Lust. Dracula drängt Mina in einen Ne- benraum. Die Musik schwillt an, die Frau auf der Leinwand ist nackt, der weiße Wolf taucht auf. Dracula beugt sich über die apathische Mina und of- fenbart ihr seine Existenz (als Lichtgestalt). Ein diabolischer Schatten er- scheint an der Wand. Es ist der Wolf. Ein weiteres Gruselobjekt rückt ins Bild: Eine somnambule Frau steht aufrecht in einem Sarg wie Cesare in Das Cabinet des Dr. Caligari. Ein Röntgenstrahl verwandelt sie in ein Ske- lett. Gleichzeitig zeigt das Filmprogramm das Gemetzel Fürst Vlads gegen die Türken als Schattenspiel. Der Kinematograph erweist sich als moderne Robertsonsche Wunderkammer. Wegen des Wolfs bricht Panik im Kino aus. Das Kinoprogramm hat von vorn begonnen und zeigt den Zug auf dem Weg nach Ciotat.

Abb. 195: Der romantische Teufel besucht das Kino

Schon im Weimarer Autorenfilm wurde Film im Film gezeigt und damit auf die Magie und Selbstreflexivität des Medium verwiesen. Coppola stellte den Beginn des Kinos als eine unheimliche und erotische Wunderkammer dar, in der das Bewegungsbild neben anderen magischen Tricks zu sehen ist.1322

Mina kommt zu sich, faßt Vertrauen zu Dracula und streichelt den Wolf. Lu- cy, die schon halb zur Welt der blutlosen Unsterblichen zählt, muß nicht extra ins Kino gehen, um wie Mina ihren Helden zu finden. Die sexuell pas- sive Mina wird der sexuell aktiven Lucy entgegengestellt.

1322 Die Abfolge der Bilder erinnert an Mamoulians Dr. Jekyll and Mr. Hyde während des ersten Verwandlungsprozesses: Auf das Bild des Schattens folgt das Bild des Skelett und dann kommt das wilde Tier zum Vorschein.

Nachtseiten des Lebens 343

Die folgende Sequenz führt den ‘Blutforscher’ Professor Abraham van Hel- sing ein. Dr. Seward (Richard E. Grant) telegrafiert seinen ehemaligen Leh- rer van Helsing, um mit seiner Hilfe auf die Spur Lucys seltsamer Erkran- kung zu kommen, die er als eine „Erkrankung des Blutes unbekannt in gesamter medizinischer Theorie“ diagnostizierte. Brodelndes Blut, von einer Kreisblende eingerahmt, wird gezeigt.

Abb. 196: Lebendiges Blut

Mittels Überblendung erscheint das Bild einer Fledermaus im Käfig. Sie ist ein Demonstrationsobjekt van Helsings, der die Syphilis erforscht.1323 Als van Helsing das Telegramm erreicht, spricht er gerade seine These aus: „Ich behaupte, Zivilisation und Syphilsation machten gemeinsame Fortschritte.“ Er bricht augenblicklich seine Vorlesung ab und macht sich auf den Weg. Van Hel- sing ist Draculas gleichwertiger und nicht minder mystischer Gegner.1324

1323 Coppolas Vampirfilm kann auch als ein Film über Aids gesehen werden, nicht zuletzt weil er Sexualität als tödliches Verlangen inszenierte. 1324 Van Helsing Ankunft in der Kutsche erinnert an die Ankunft Scapinellis in Ryes Der Student von Prag (1913).

344 Nachtseiten des Lebens

Abb. 197: Prof. Van Helsing (Anthony Hopkins) kommt an

Sofort nach seinem Eintritt ins Haus zündet sich van Helsing eine Zigarre an und taucht seine Erscheinung in den Rauch der Magie. Er ist als Naturwis- senschaftler vertraut mit dem Licht des Wissen, der Flamme des Prome- theus, aber er versteht sich ebenso auf die dunkle Magie der Nachtwesen und Schattenexistenzen. Gleichzeitig mit van Helsing unten betritt Dracula oben Lucys Haus. Wieder wird das Bild des brodelnden Blutes zum Bild des orgastischen Lebenssaftes. Blutübertragungen werden notwendig und Lucys Freunde, Dr. Seward, Arthur Holmwood (Cary Elwes) und Quincy Morris (Bill Campell), spenden ihr Blut für Lucy. (Durch Lucy trinkt Dracula auch das Blut ihrer drei Freunde.) Trotz der Blutübertragungen nimmt Lucys Blutverlust nicht ab, so daß Seward die Frage stellt: „Wo ist das Blut hin?“ Van Helsing kennt die Antwort: „Jack, Sie sind ein Wissenschaftler, können Sie nicht verstehen, daß es im Universum Dinge gibt, die Sie nicht verstehen und die trotzdem existieren. Mesmerismus, Hypnotismus, Elektromagnetismus.“

Zur selben Zeit ist Harker noch in Transsylvanien gefangen. Er wird als ein Büßender in der Hölle sexueller Exzesse gezeigt. Wie Lucy wird auch er von drei Liebenden, den Bräuten Draculas, gleichzeitig begehrt. Schließlich errettet ihn das göttliche Wahrzeichen: Ein leuchtendes Kreuz weist ihm den Weg seiner Flucht.1325 Die folgende Parallelmontage zeigt Dracula, der Lucy den letzten Blutstropfen aussaugt, während Mina und Harker das christliche Abendmahl bei ihrer Vermählung einnehmen. ‘Die Armee Gottes’, Lucys drei Freunde unter der Führung van Helsings, stoßen Lucy einen Pfahl in die Brust, entreißen ihr das Herz und enthaupten sie.

Zurück in London erkennt Harker Dracula und nennt van Helsing unverzüg- lich dessen Versteck. Mit Kreuzen, Hostien und anderen christlichen Insig- nien zerschlägt die göttliche Streitkraft die Särge Draculas. Indes dringt der Vampir als grüner Rauch in Minas Zimmer ein. In der zweiten Offenba- rungsszene teilt Dracula Mina mit, daß in seinem Körper kein Leben sei. Mi- na fragt ihn daraufhin: „Aber Du lebst.- Was bist Du?“ Seine Antwort lautet: „Ich bin nicht leblos.“ Sie verbinden sich durch gegenseitiges Bluttrinken. Plötzlich dringen seine Verfolger in die Kammer ein, und Dracula verwandelt sich in skeletthaftes Wesen.1326 Er verbrennt mit seinem Atem das Kreuz, das van Helsing ihm entgegen hält und löst sich in einer Flut von Ratten auf.

Die Jagd beginnt. Die Eisenbahn mit seinen Häschern ist schneller als das Schiff mit Dracula an Bord, der in seine Heimat flüchtet. Mina, innerlich mit dem Vampir verbunden, weist seinen Verfolger den Weg. (Sie wird zum Medium für die Verbindung zwischen Dracula und van Helsing.) Mina und van Helsing trennen sich von den anderen Jägern. Knapp entkommt van Helsing Minas dämonischer Verführung, in dem er sie und sich in einem magischen Feuerkreis einschließt.

1325 Freilich wird auch hier das Kreuz, das in der Luft schwebt, zum göttlichen Wahrzei- chen, wie schon auf dem Faust-Bilderbogen im 16. Jahrhundert. 1326 Draculas Gestalt läßt sich mit der Gestalt Nosferatus oder der Kreatur in Dawleys Frankenstein (1910) vergleichbar.

Nachtseiten des Lebens 345

Abb. 198: Der magische Feuerkreis. Hopkins, Winona Ryder als Mina Mur- ray und Elisabeta

Dracula erreicht sein Schoß nicht rechtzeitig. Ein Verfolger stößt ihm einen Dolch ins Herz. Mina schützt den Verletzten vor weiteren Angriffen und bringt ihn in die Schloßkapelle. Ihre Liebe macht ihm den Weg zur Erlösung frei. Im Strahl des Lichts löst sich das sterbende Monster nicht auf, sondern erhält seine jugendliche Gestalt zurück.

Abb. 199: Dracula wird vom göttlichen Licht erfaßt und verwandelt sich

Mina zieht den Dolch aus seinem Herzen und schlägt ihm den Kopf ab.

346 Nachtseiten des Lebens

Abb. 200: Mina als Salome. Winona Ryder, Gery Oldman

Obwohl sie am Ende makellos zurückbleibt (das Brandmal der Hostie, die ihr van Helsing auf die Stirn legte, verschwindet nach Draculas Tod), hat sie ihr Leben dem ‘göttlichen Prinzen‘ geschenkt, der sich in der Schale des gepanzerten Insekts versteckte. Der Film stellt in seinen Parallelmontagen und Paarkonstellationen, die Parteien von Gut und Böse, als einander treu zugetane Männerbünde, heraus. Sie führten ihren Krieg der Frauen wegen. Es scheint um nichts anderes zu gehen, als um Frauenraub.1327 Der blutgie- rige Vater unterliegt am Ende den Söhnen des guten Vaters. Lucy und Mina, bei Coppola Kuriere der Liebe des Mannes, sind in ihren barocken Kostü- men nur eine kostbar verpackte Ware.

3. Fledermäuse, Fliegen und Motten Wenn die guten Engel, die Söhne Gottes, oder die schlechten Engel, Sa- tans Schergen, auf die Erde kommen, verraten sie sich durch ihre Affinität zum Fliegen. Ihre schwarzen Flugmäntel ausgebreitet werden sie zu finste- ren Racheengeln, zu Fledermäusen des Bösen, die in dunkler Nacht zielsi- cher ihre Opfer finden. Sie sind die Gegner der Boten Gottes, deren Aufga- be darin besteht, die Menschheit vor ihnen und anderen dunklen Mächten zu bewahren. Die guten Fledermäuse des Phantastischen Films, Batman1328 und Superman, sind ihre Feinde und treten für Gesetz und Ordnung ein. Sie gingen aus amerikanischen Comic-Serien der dreißiger Jahre hervor. Seit 1938 fand Superman in Amerika Verbreitung durch Radio und Film. Die Devise lautete: „It’s a plane, it’s a bird, it’s Superman.“ Im Zweiten Weltkrieg zo- gen die phantastischen Figuren gegen Deutschland sowie Japan in den Krieg und Batman vereitelte 1943 die Pläne des faustischen Japaners Dok- tor Daka, der mit Hilfe atomarer Waffen, die USA zerstören wollte.1329 Neu-

1327 Phyllis A. Roth faßte unterschiedliche Interpretationen zusammen, die Stokers Dracu- la-Roman als Veranschaulichung des Ödipuskomplexes herausstellen, vgl. dies., Se- xualität der Frau in Bram Stokers Dracula, in: Psychoanalyse und das Unheimliche, hrsg. Claire Kahane, Bonn 1981, S. 248-264 1328 Die Comic-Serie Batman erschien ab 1937. Batman wurde von Bob Kane und Bill Fin- ger entworfen. 1329 The Batman ist ein Filmserie von 15 Episoden. (Film und Figur läßt sich mit James Bond vergleichen, der den Asiaten Dr. No bekämpft, um die Menschheit vor dem Unter- gang zu retten.)

Nachtseiten des Lebens 347 verfilmungen für Fernsehen und Kino entstanden zur Zeit des Vietnam- kriegs.

In welcher Weise das Kino Einfluß auf die Entstehung moderner Bildserien, Comics, nahm, um wieder ins Kino zurückzufließen, läßt sich beispielhaft an Batman ablesen.1330 Die Comic-Figur Batman entwickelte Bob Kane of- fenbar nach Roland Wests Stummfilm The Bat (1926).1331 The Bat er- schreckte seine Opfer mit der Projektion einer Fledermaus-Silhouette, ein Bild, welches das spätere Batman-Signal vorwegnimmt. Die Fledermaus- Silhouette erscheint im Licht des Mondes über der Stadt vor Batmans Ein- satz und ist dem Logo einer Produktionsfirma vergleichbar. Freilich verkehr- ten sich die Vorzeichen und aus The Bat wurde ein irdischer Himmelsbote. Seinen ersten dämonischen Gegenspieler, Joker, entwickelte Bob Kane wohl nach der Gestalt des Lächlers, der in Paul Lenis The Man Who Laughs (1928) auftrat. Conrad Veidt spielte als Lächler einen bösen Weiß- clown mit schwarzem Umhang.1332

Batman hat im Gegensatz zu Superman keine übernatürlichen Fähigkeiten. Er besitzt jedoch großes Körpergeschick und eine gigantische technische Ausstattung, die seinen prometheischen Auftritt bewirken. Hinzukommen moderne Geräte zur Verbrechensbekämpfung. Er führt wie Homunculus ein Doppelleben und lebt wie dieser mit seinem Diener zusammen, der gleich- zeitig sein Sekretär ist. Eigentlich ist er der Millionär und Playboy Bruce Wayne. Sein häusliches Anwesen umschließt seine zwei Existenzen, denn aus der Welt des reichen Junggesellen gleitet er mühelos hinunter in den Keller, die (technische) Batman-Welt. Batman verbindet eine Freundschaft mit dem Kindmann Robin, der - so Georg Seeßlen – schon bald der Gefähr- te Batmans wurde. Seeßlen schrieb: .„Ein Jahr nach seinem ersten Auftritt in den Zeitungs-strips und in den Comic-Books gesellte sich ein junior side kick, ein in den Tagen unerläßlicher Begleiter des Helden hinzu: Dick Grayson, Sohn einer Zir- kusfamilie dessen Eltern durch einen Anschlag eines Verbrechers ums Leben ge- kommen waren, und der nun der ‘Schützling’ von Bruce Wayne und als Robin der Gefährte von Batman wurde.“1333 Der Name Robin erinnert freilich an Rodin, den Freund Homunculus. Zwischen Homunculus und Rodin sah Kracauer „einen Hauch von Homosexualität ins Spiel" gebracht. 1334 Der Junge an Batmans Seite sollte das Treueprinzip des Krieges - des erfahrenen Kämpfers gegenüber seinem jüngeren Schutzbefohlenen – veranschaulichen.

1330 Viele Drehbücher sind wie comics gezeichnet. 1331 1959 wurde ein Remake mit Vincent Price produziert. Vgl. Kinnard, Horror of silent films, a.a.O., S. 183 1332 Der Lächler war Victor Hugos L’Homme qui rit entnommen. Die Teufelsgestalt verdich- tete sich hierin mit der komischen Figur des Elisabethanischen Theaters. 1333 Georg Seeßlen, Romantik und Gewalt. Ein Lexikon der Unterhaltungsindustrie, Bd. II., München 1973, S. 28 1334 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 38

348 Nachtseiten des Lebens

Abb. 201: Batman und Robin. Lambert Hillyer, Batman, 1943, Lewis Wilson als Batman und Bruce Wayne, Douglas Croft als Robin, Still: Dick Grayson

Während Batman seinen Flug mit komplizierten Flugmaschinen - die an Daedalus‘ erinnern - verwirklicht, ist Superman, der vom Planeten Krypton stammt, mit der übernatürliche Gabe des Fliegens ausgestattet. Der Alten- rat schickt ihn - ausgerüstet mit dem gesamten Wissen des Planenten - auf die Erde, weil ihrem Stern die Vernichtung droht.1335 Auch Superman führt ein Doppelleben. Er tarnt sich als Journalist Clark Kent. Der außerirdische Menschenfreund besitzt Riesenkräfte, ist telepathisch veranlagt und kann Raum und Zeit überwinden. Er wirkt als Gottes Sohn auf Erden, ist ein Halbgott, ein Titan. Nur der Kryptonit, ein Stein seines Heimatplaneten, kann seine übernatürlichen Kräfte brechen. Sein Gegenspieler, Lex Luthor, kann weder im Namen noch im Äußeren seine höllische Abstammung verber- gen.1336

Batman und Superman sind Fledermäuse, die für die gesellschaftliche Ord- nung des Rechtsstaats fliegen. Sie stehen als Gottesboten den Bad Angels Homunculus und Dracula entgegen. Die Konfrontation Bad Angel / Good Angel aus Christopher Marlowes Faust-Tragödie setzen Superman und Batman fort. Sie führen ihren Kampf gegen den faustischen Wissen- schaftler und fordern ihn auf, seinen Weg nicht weiterzugehen. Der jüngste Batman-Film, The Iceman (1997), zeigt neben der Figur des faustischen Wissenschafters eine diabolische Wissenschaftlerin, die als ‘Mutter Erde‘ ihre Pflanzen zu schützen sucht. Sie verkörpert freilich Demeter. Otto Rip- perts Homunculus ist also nicht wirklich von der Leinwand verschwunden, sondern Elemente der Figur lassen sich in Batman und Superman finden. Sie wurden jedoch wie in einem Scrabbel an eine andere Stelle gerückt. Beide Gestalten verweisen über die Merkmale der Faustgestalt hinaus auf die Ästhetik des Stummfilms, die im bannenden Blick der Protagonisten, ih- rer Doppelgängerfunktion und in der Magie des Lichts als prägende Stil- und Storyelemente hervortreten.

1335 Zu den Filmen, die die Geschichte vom Himmel gefallener Engel erzählen, gehört auch The Man Who Fell To Earth (Roeg, 1975). Ein Außerirdischer kommt auf die Erde und bringt gleich Superman das gesamte Wissen seines Planeten mit. Er hält es aber im Gegensatz zu Superman nicht geheim. 1336 Gene Hackman hatte in der Rolle des Lex Luthor in Superman (1978) kleine Hörner.

Nachtseiten des Lebens 349

Eine weiteres Bild, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Fledermaus auf- weist, stellt das große Kinobild der kleinen Fliege dar. Nicht nur, weil sie häufig den Ekel der Menschen erregen, tauchen Fliegen immer wieder in Horrorfilmen auf, sondern ihr Bild verbirgt einen Hinweis auf den Bösen. In Alraune etwa demonstrierte Alraune an einer Fliege ihre Unbarmherzigkeit, die sie entgegen dem Aphorismus tötete: „Sie kann keiner Fliege etwas zu Lei- de tun.“ In Murnaus Nosferatu bot das mikroskopische Bild der Fliege, die sich auf einer fleischfressenden Pflanze setzt, ein Bild bevorstehender Ver- nichtung.

Abb. 202: Fliege und fleischfressende Pflanze. Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens, 1922 (Szene aus einem Ufa- Kulturfilm)

Der genußvoll Fliegen verspeisende Renfield wurde geradezu eine Schlüs- selfigur der Dracula-Filme. („In der Not frißt der Teufel Fliegen.“) Renfield ver- weist mit dem Akt der Verinnerlichung durch Essen, auf seine Affinität zu dem fliegenden Insekt. Die Fliege ist, wie Renfield im Verhältnis zu Dracula, eine miniaturisierte Fledermaus. Sie ist in erster Linie ein Ungeziefer, als dessen Herr Goethe Mephisto vorstellt: „Der Herr der Ratten und der Mäuse, Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse.“1337 Der Name des Teufels Beelzebub läßt sich aus dem Hebräischen als „Herr der Stechfliegen, Fliegengott“ deuten.1338

Bereits zu Beginn der Kinogeschichte spielten lästige Insekten als Horror- elemente ein wichtige Rolle. In Georges Méliès Une Nuit Terrible (1896) er- schreckt sich ein Mann vor einem gigantischen Käfer. Ein anderes Insekt attakierte einen Camper in Méliès Un Bon Lit (1899). Die erste Fliege tauch- te in The Troublesome Fly (1902) auf. Der Film dauert eine Minute und zeigt eine Fliege, die einen Mann bedroht.1339 Kinnard hob hervor, daß Méliès die Idee der gigantischen Insekten vorwegnahm, die im Horrorfilm der fünfziger Jahre auftauchten.1340 Für all das Ungeziefer, das außer Rand und Band ge- riet, überdimensional groß wurde oder in Scharen die gesamte Menschheit bedrohte, waren meist grenzüberschreitende Wissenschaftler verantwort-

1337 Goethe, Faust I, a.a.O., Vers 1516-1517 1338 A. J. Storfer, Wörter und ihre Schicksale, Gütersloh o.J. (1979), S. 438 1339 Vgl. Kinnard, Horror in Silent Films, a.a.O., S. 17 1340 Ebd. S. 9

350 Nachtseiten des Lebens lich. Es muß nicht extra betont werden, daß auch hier der Wissenschaftler mit seinem Experimenten die dämonischen Kräfte der Natur beschwor, de- ren Auswüchse, mächtige oder ekelerregende Tiere, über den leichtsinni- gen Forscher herfielen und ihn zum Abschluß der Geschichte ‘zur Hölle schickten‘. Am Ende vernichtete meist ein großes Feuer das Forschungs- labor. Hierzu zählen Filme wie Jack Arnolds Tarantula (1955), den Leslie Halliwell so zusammenfaßte: „Scientists working on an artificial food become grossly misshapen, and an infected spider escapes and grows to giant size.“1341

Ende der 50er Jahre mutierte der Wissenschaftler zu einem Teil einer Flie- ge und die Fliege wurde ein Teil des Wissenschaftlers.1342 In Kurt Neumanns The Fly (1958) spielte Vincent Price den älteren Bruder eines eifernden Forschers (Al ‘David‘ Hedison) der in ihrer gemeinsamen Firma, elektroni- sche Geräte für das Militär entwickelt. Es baut an einem Desintegrator- Integrator, eine Atomisierungsmaschine. Price vertrat die Zuschauer im Ki- no, mit denen er erstaunt der Filmerzählung folgte, die in den Mittelpunkt der Rahmenhandlung einen Flashback stellte, der das wissenschaftliche Schei- tern und die Entstehung des Monsters, zeigte. Auch in Edward Bernds Re- turn of the Fley (1959), in dem der Sohn die Experimente des Vaters fort- setzte, war Price in der Rolle als Onkel gleichzeitig Beobachter und Erzäh- ler. The Fly stellt sich nicht nur aufgrund seines Sound und des Einsatzes von Schrift als ein Film dar, der das alte Magierbild mit neuer Filmtechnik mischte, sondern das zweiflügelige Kerbtier wurde zum Bild des fausti- schen Wissenschaftlers und seiner gottlosen Forschungen. Seinen All- machtsgedanken verfallen, verlor der Forscher, wie Doktor Jekyll, seine E- xistenz und ein anderes Wesen trat an seine Stelle.

The Fly war der erste Horrorfilm in Cinemascope mit Stereo-Sound. Schon im Vorspann hört man das eher lästige als bedrohliche Summen einer Flie- ge. Ihr Surren wird abgelöst vom Schlagen einer Glocke, dem das Miauen einer Katze folgt. Mit dem Bild einer wie zufällig durch das Bild fliegenden Fliege endet der Vorspann.

1341 Halliwell’s Film Guide, ed. by John Walker, New York 1991, S. 1070 1342 Die semantische Verdopplung ‘Fliege‘ steht auch für das Scheitern des Versuchs Ika- rus’.

Nachtseiten des Lebens 351

Abb. 203: Eine bedrohliche Fliege. Kurt Neumann, The Fly, 1958

Die Erzählung läßt sich so zusammenfassen: In der Firma der Brüder De- lambre macht der Nachtwächter einen grausigen Fund. Unter der hydrauli- schen Presse findet er André Delambre zerquetscht vor. Sein Kopf und sein Arm sind völlig zertrümmert. Er sieht wie Hélène, die Frau Andrés, (Patricia Owen) davonläuft.1343 Der stumme Schrei des Wächters wird im Klingeln eines Telefons zur Einleitung der nächsten Sequenz. Hélène ruft François Delambre, den älteren Bruder Andrés, an. Sie erklärt ihm (wie später auch Inspektor Charas (Herbert Marshall), sie habe ihren Mann getö- tet. Mit Françoise, der sofort zu ihr eilt, betritt sie das völlig zerstörte Labor, das einmal mehr im Keller des Hauses liegt. Der obligatorische Schwenk durch das Labor flogt dem Surren einer Fliege. Der Flashback beginnt, als Hélène sich François und Inspektor Charas anvertraut. Die Delambres, Andrè, Hélène und ihr kleiner Sohn Phillippe (Charles Herbert) sind schein- bar eine glückliche Familie. Fast täglich arbeitet André in seinem Keller an einem Projekt für das Luftfahrtsministerium. Wochenlang sehen Mutter und Kind den Wissenschaftler nicht, bis er eines Tages in seinem weißen Kittel nach oben kommt und mitteilt, daß er am Ziel seiner Forschungen sei. Er führt seine Erfindung vor. Es ist analog zum Fernsehen, auf das er sich in seinen Ausführungen ausdrücklich bezieht, ein Desintegrator–Integrator. Die Apparatur transportiert als Sender und Empfänger verschiedene Materi- alien. Mit schwarzen Brillen schützen sie sich vor dem grellen Licht, als er ihr den Transport eines Aschenbechers vorführt.

Abb. 204: Das Blitzlicht des Deintegrators

Das Experiment gelingt zwar, aber die Schriftzeichen, die die Herkunft des Porzellans bezeichnen, erschienen spiegelbildlich. Sie nennt ihn einen Zauberer und stellt die Magie seiner Erfindung heraus, während er auf das Fernsehen verweist, welches auch nichts Magisches an sich habe, sondern nur naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten folge. Die Spiegelverkeh- rung der Schriftzeichen verweist auf das Diabolische des Experiments, dem sich der faustische Forscher aussetzt. Erneut vergräbt sich André in seine Arbeit und löst dabei die Katze der Familie in ihre Atome auf, die ihr

1343 Sie trägt – ihre Unschuld unterstreichend – ein weißes Kleid. (Das sie erst am Ende des Films gegen ein schwarzes Kleid eintauscht.)

352 Nachtseiten des Lebens klägliches Miau aus dem Weltraum sendet.1344 Schließlich gelingt der Test mit einem Meerschweinchen, so daß er einen Selbstversuch wagt. Da sich gleichzeitig eine Fliege im Desintegrator befindet, mischen sich die Atome von Mensch und Tier, so daß sich der Wissenschaftler gleichzeitig spaltet und verdoppelt. Im Integrator entstehen zwei diabolische Geschöpfe: Zum einen ein Fliegenmensch und zum anderen eine Menschenfliege.

Andrés Kopf und sein linker Arm vertauschen sich gegen den Fliegenkopf und ein Fliegenbein. Kopf und Hand - die Hand, die Tat ausführte und der Kopf, der sich alles ausdachte1345 – bilden die animalischen oder die menschlichen Teile des jeweiligen Monsters. Der Wissenschaftler hat nun zwei Existenzen. Als Fliege fliegt er im Haus umher und wird sogar einmal von seinem Sohn, der mit einem Käscher ausgerüstet ist, gefangen, aber auf Initiative der Mutter wieder frei gelassen. Die andere Existenz versteckt sich in dem dunklen Kellerlabor. Seinen Fliegenkopf, welcher groß wie ein Menschenkopf ist, steckt er unter einem schwarzen Sack. Er kann denken, aber nicht sprechen und verständigte sich deshalb - als stummes Monster – schriftlich mit seiner Frau. Hierzu benutzt er eine Schreibmaschine, deren Klang seine Stimme ersetzt. Das Fliegenbein ist zur animalischen Klaue geworden und – wie es nachfolgndes Bild zeigt - beim Maschineschreiben hinderlich.

Abb. 205: Das Fliegenbein verrät den diabolischen Wissenschaftler

Die Briefe schiebt er unter der verschlossenen Labortür durch. Mit bedeck- tem Fliegenkopf, läßt er seine Frau ins Labor hinein. Zum Schreiben seiner Anweisungen und I love you, dient ihm eine Wandtafel. Hélène begreift all- mählich das Ausmaß der Katastrophe. Sie fordert ihn auf, abermals in den Deintegrator-Integrator zu steigen. Er folgt ihrem Wunsch und nach Abschluß der Bemühung, nimmt sie ihm das Tuch vom Kopf. Ihre Konfron- tation mit dem Monster ist – ähnlich der Teufelserscheinung und der Ver- wandlungsszene – ein Höhepunkt des Films. Im schwachen Licht des La-

1344 Es ist beaming - eine bekannte Transportmethode für Raumschiffbesatzungen. 1345 Das Bild veranschaulicht wieder einmal die Vorstellung der imaginären Verschmel- zung des Wissenschaftlers mit dem Bösen. (Die Großaufnahme der animalischen Hand ist auch im filmischen Verwandlungsprozeß von Doktor Jekyll in Mister Hyde eine häufige Einstellung.)

Nachtseiten des Lebens 353 boratoriums, das die ganze Zeit dunkel war – eben ein Ort der Hölle -, ste- chen glühende Augen aus einem schwarz behaarten Kopf mit Rüssel her- vor. Helene schreit und ihr verzerrtes Gesicht, wahrgenommen durch sei- nen Facettenblick, machte sie augenblicklich zum eigentlichen Monster. Als sie ohnmächtig zu Boden fällt, hebt er sie auf, legt sie auf eine Liege und nähert sich ihr begehrlich.

Abb. 206: Fliegenmonster und Frau. Al „David“ Hedison als André Del- lambre, Patricia Owens als Hélène Dellambre

Als André sein Verlangen bemerkt, läuft er in die Fabrik, legt seinen Kopf un- ter die hydraulische Presse und tötet sich per Knopfdruck. Seine Frau, die ihm gefolgt ist, öffnet die Presse, legt seinen Fliegenarm dazu und setzte die Hydraulik abermals in Gang. (Eine Maschine hat das Monster erzeugt, eine andere tötet es.)

Abb. 207: Der Diabolus wird vernichtet. Patricia Owens als Hélène Del- lambre.

Der Flashback ist zu Ende. Hélènes Zuhörer glauben ihr die Geschichte

354 Nachtseiten des Lebens nicht. Als sie in eine Anstalt gebracht werden soll, kommt Philippe angelau- fen und berichtet von der Fliege mit dem weißen Kopf, die er schon einmal gefangen hatte. Der Inspektor und François finden die Fliege mit dem Men- schenkopf und der Menschenhand gefangen in einem Spinnennetz.

Abb. 208: Kopf und Hand des Wissenschaftlers als Teil einer Fliege gefan- gen im Spinnennetz

Eine Großaufnahme zeigt Andrés Gesicht, das um Jahrzehnte gealtert scheint.1346 Die Spinnweben, die ihn umschließen, verweisen nicht nur auf die aktuelle Gefahr, in der er befindet, sondern werden zum Bild des Wis- senschaftlers, der fliegen wollte und zur Fliege wurde.

Abb. 209: Der tödliche Biß steht bevor

Die Andréfliege jammert erbarmungswürdig. Voller Entsetzen greift Inspek- tor Charas nach einen Stein und erschlägt das Insekt. Von der Andréfliege ist noch ein tödlicher Schrei zu hören. („Diesen Schrei werde ich mein Leben

1346 Der Alterungsprozeß erscheint als Verkehrung der faustischen Verjüngung.

Nachtseiten des Lebens 355 lang nicht vergessen.“, kommentiert der Inspektor seine Handlung.) François vergleicht seinen Tötungsakt mit Hélènes Tat. Am Schluß des Films erklärt François seinem Neffen, indem er Wissenschaft und Wahrheit gleichsetzt: „Die Wahrheit zu suchen ist die wichtigste Aufgabe, die es auf der Welt gibt.“ Es war ein unglücklicher Zufall, der aus dem genialen Wissenschaftler gleich zwei Monster machte.1347

The Fly setzte das Tonbild und das Lichtbild des Kinematographen ins Ver- hältnis zur Fernsehtechnik und den Direktübertragungen von Ton und Bild. Im Bereich der Akustik entwickelte sich die Stereophonie seit 1957 und fand in dem Raumton des Summens, eine Allegorie des Dämonischen und des Tons zugleich. Die Metamorphose der Fliege zum Stereoton im Film ver- band sich mit der Darstellung des Scheiterns eines faustischen Wissen- schaftler. Seit Edison ging es um Synchronisierung. Wie auch der Tonfilm, den Ton mit den Filmbildern verknüpfte und die perfekte Nachbildung des Lebens anstrebte. Das zweiflügelige Kerbtier, das mit einem Wissenschaft- ler mutierte, trat an die Stelle des technokratischen, seiner Familie entfrem- deten, Forschers, der neue akustische und visuelle Übertragungsignale fa- cettenhaft (wie eine Fliege) wahrzunehmen und weiterzuentwickeln wußte. Die, durch Zeit und Raum summende Fliege mit dem Menschenkopf, wurde zum Bild des Menschen im unendlichen (technischen) Universum. Die Ge- schichte verweist auf eine Familienstruktur, in der sich Mann und Frau nicht mehr viel zu sagen haben. (Sie sind sich gegenseitig zu Monstern gewor- den.) Das dunkle Labor, das sich im Keller des Hauses befindet, ist der Ort ihrer verborgenen Widersprüche. Er stürzt sich in seine Arbeit und wird zum unglücklichen Monster. Als sich sein sexuelles Begehren bemerkbar macht, zerquetscht er seinen Monsterkopf, und seine Frau zerquetscht ihm das Fliegenbein. Sein anderes Ich – alt und grau geworden - läßt in einem Spinnennetz das Leben. Das Frauenbild des Films ist unmißverständlich: Hinter der geduldigen und liebenden Ehefrau verbirgt sich die Frau als Beu- tespinne. Sie erweist sich als kaltblütige Sadistin, die das ‘Fliegenbein‘ ihres Mann zerquetscht. Am Ende ersetzt der ältere Bruder den gescheiterten Ehemann, und der Polizist, der selbst zum Mörder wurde, resümiert: „A fat close-up of the fly, with a tiny, screaming human’s head, trapped by a spider on its web.“ - So als habe die Frau bereits schon wieder ein neues Netz gespon- nen.

David Cronenbergs Remake The Fly (1985) machte aus dem zwanghaften Forscher Seth Brundel (Jeff Goldblum) nach dem mißglückten Selbstver- such zunächst eine sinnlich-erotische, dann eine sexuell-unersättliche und schließlich eine brutal-jämmerliche Gestalt. Bei Cronenberg spaltete sich der Wissenschaftler nicht, sondern er verändert sich wie im Verlauf einer tödlichen Krankheit in ein Monster.1348 Die Familienordnung, die sich bei Kurt Neumann entsprechend der Geschlechterrollen der fünfziger Jahre darstell- te, fand bei Cronenberg eine gegenwartsnahe Analogie im Verhalten des langjährigen Singles, der sich und sein Kind, der scheinbar emanzipierten Veronica Quaife (Geena Davis) zur Schaffung einer neuen Spezies auf- zwingen will. Ihr väterlicher Freund ((John Getz) wird zum Retter in der letz- ten Minute. Jedoch zwingt Brundlefliege Veronica am Ende dazu, ihn zu tö- ten. Auch David Cronenbergs Film ist weniger ein Spielfilm über Wissen- schaft und Forschung, als ein Film, der, wie das Original, die Beziehung der Geschlechter und den modernen Stand der Familienordnung thematisiert.

1347 Ein Unglücksfall verdoppelte auch in Der Andere Rechtsanwalt Haller. 1348 Der Bezug zur tödlichen Krankheit Aids ist wie in Coppolas Bram Stokers Dracula nicht zu übersehen.

356 Nachtseiten des Lebens

In The Fly verschmelzen Elemente aus Frankenstein, aus Jekyll and Hyde und aus Dracula miteinander. Der faustische Wissenschaftler spielt mit dem Teufel und wird zum diabolischen Mischwesen. Ein Monster oder ein Alien, welches durch einen faustischen Forscher hervorgerufen wurde, tauchte in fast allen Wissenschaftlerfilmen der fünfziger Jahre auf. Als initi- ierend für diese Gruppe von Forscherfilmen kann The Thing (1951) von Christian Nyby und Howard Hawks gelten, in dem eine Gruppe Wissen- schaftler im arktischen Eis ein vampirartiges Wesen entdeckt, das mit ei- nem Ufo abgestürzt war.1349 Im selben Jahr machte William Cameron Men- zis The Whip Hand, in dem Doktor Wilhelm Buchholtz (Elliott Reid), ein Ex- perte für bakteriologische Kriegsführung, den Kommunismus durch Bakterien verbreiten will. The Whip Hand stellte in der McCarthy Ära dar, daß die Verbreitung des Kommunismus das Teufelswerk eines satanischen Wissenschaftlers sein muß.1350 (Schon in der Historia von D. Johann Faus- ten wurde gezeigt, daß Wißbegierde zum ‘Teufel‘ führt.) Jack Arnolds Ta- rantula (1955) zeigt einen faustischen Wissenschaftler, der riesige Tiere züchtet. Eine gigantische Spinne entkommt aus dem Labor und bringt die Stadt in Gefahr. Die ‘Spinnenkrake‘ ergießt ihren Saft über Mensch und Tier, um sie, so vorverdaut, zu verspeisen. Ein Bild, das den Kommunismus – erzeugt von einem faustischer Wissenschaftler - als animalische Bedro- hung darstellt. Zurückbleiben menschliche Skelettknochen, die den frühen Horrorfilm ins Gedächtnis rufen. Nur oberflächlich gesehen, können diese Wissenschaftler als Verrückte oder Mad Scientists gelten. Ihr ‘diabolisches‘ Interesse scheint sich hinter ‘madness‘ zu verstecken. Sie stellen einen dämonischen Forscher dar, der im Pakt mit dem Teufel die Menschheit vernichten will. Für ihr ehrgeiziges und skrupelloses Projekt verbündeten sie sich mit unberechenbaren Kräften und werden zu Angehörigen einer frem- den Macht, die zuletzt nur durch das Militär wirksam bekämpft werden kann. Der faustische Wissenschaftler wird zum säkularisierten Teufel erklärt, ein Verrückter, der einen Weltkrieg anzetteln wollte, dazu erzeugte er Monster oder stöberte dämonische Halbwesen auf. Von einem Wesen, das halb Mensch halb Tier ist, erzählt auch Jack Arnolds Creature from the Black Lagoon (1954). Hierin entdeckt ein Team von Wissenschaftern im Amazo- nas ein Geschöpf, das halb Mann halb Fisch ist.1351 Zu dieser Gruppe von Spielfilmen zählen auch die wiederholten Verfilmung des Stoffs von H. G. Wells The Island of Dr. Moreau. Der grenzüberschreitende Wissenschaftler Dr. Moreau fügte auf einer einsamen Pazifikinsel verschiedene Tierarten mit Menschen zusammen. In der Verfilmung Island of lost Souls (1932) von Er- le C. Kenton spielte Charles Laughton den dämonischen Doktor Moreau und Bela Lugosi einen Affenmenschen. Die halb tierischen, halb menschli- chen Doppelwesen verweisen letztendlich auf den christlichen Ursprung ei- ner Teufelsgestalt, die mit ihren eigenen Schöpfungen ihre Kritik am all- mächtigen Demiurgen entfaltet.

Höchst selten stehen weibliche Figuren an der Stelle des faustischen Wis- senschaftlers wie in Jonathan Demmes Last Embrace (1979). Hierin tritt die dämonische Wissenschaftlerin Elli (Janet Margolie) auf, in die sich der ver-

1349 1981 verfilmte John Carpenter in The Thing die Idee aus der Novelle Who Goes There? von John W. Campbell jr. noch einmal. 1350 Die antikommunistische Haltung der fünfziger Jahre läßt sich auch an Don Siegels Invasion of the Body Snatchers (1956) ablesen, in dem Außerirdische in die Rolle der Menschen schlüpfen, die zuvor als Pflanzen gezüchtet wurden. 1351 Das Monster aus der Lagune erinnert an mittelalterliche Darstellungen des Teufels als Echse.

Nachtseiten des Lebens 357 folgte CIA-Agent Harry (Roy Scheider)verliebt.1352 Als er Elli zum ersten Mal in ihren Labor begegnet, hantiert sie gerade mit einem Totenkopf, und er bekommt unerwartet einen Krampfanfall. Die junge Wissenschaftlerin er- weist sich als ebenso gespalten wie ihre männlichen Kollegen. Sie ist aller- dings gespalten in die Rolle eines Blaustrumpfs und die einer Prostituierten. Ihr teuflisches Gesicht tritt nicht in dem Versuch hervor, die Welt zu vernich- ten, sondern die Männer. Den Pakt mit dem Teufel ging Harrys jüdischer Urgroßvater ein, der einen Mädchenhandel betrieb und Ellis Großmutter zur Prostitution zwang. Eine hebräisch abgefaßte Morddrohung wird zum kryp- tischen Höllenzwang. Um die Botschaft zu entschlüsseln suchte Harry Ge- lehrte und Bibliotheken auf. Ein Buch über jüdische Geschichte, eine alte Fotografie und ein Rabbi halfen ihm schließlich, die weibliche Teufelsgestalt zur Strecke zu bringen. Der showdown entspricht wieder einem typischen Faustfilm, denn die gespaltene Wissenschaftlerin stürzt wie Satan in die Tiefe. Im allgemeinen kommen faustische Wissenschaftlerinnen in Spielfil- men kaum vor. Die weiblichen Figuren stehen fast immer mit der Teufels- gestalt im Bund. Verführerin und Verführer, Hexe und Teufel, bemächtigen sich gemeinsam der Seele des grenzüberschreitenden naturwissenschaft- lichen Forschers. Schon in Heinrich Heines Entwurf des Tanzpoems Faust wurde aus Mephisto eine animierende grazile Tänzerin, die Faust zu be- zaubern wußte. Sie war, wie Heine schrieb: „Mephistophela, wie wir nunmehr die in die Weiblichkeit übergegangene Teufelei zu nennen haben.“1353 Freilich ver- birgt sich hinter der mephistophelischen Tänzerin weiterhin der Abgesandte der Hölle, auch wenn er sich in Frauenkleidern präsentiert. Aber mit dem Kleiderwechsel vollzog sich beileibe kein geschlechtlicher Wandel.

Die faustische Wissenschaftlerin, die einen Pakt mit dem Teufel eingeht, kommt in Spielfilmen ebenso wenig vor wie eine siegreiche Gegnerin der dämonischen Gestalt, die die Menschheit errettet. Die weiblichen Rollen in den Faustfilmen sind meist auf Verrat oder Rettung der männlichen Prota- gonisten hin angelegt. Die Rettung erfolgt durch die Kraft ihrer Liebe, wie etwa in Murnaus Faust- oder in Coppolas Draculafilm. In Jonathan Demmes Silence of the Lambs (1990) kämpft die junge Polizistin Clarice Starling (Jo- die Forster) gegen das Böse. Was an Silence of the Lambs die Faustge- schichte ausmacht, verbirgt sich im „quid pro qou“, dem zentralen Teufels- pakt, mit dem die dunkle Macht den Himmel herausfordert. Zu den Protago- nisten des in diesem Film aufgespaltenen Bösen zählen der Psychiater Dr. Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) und sein ehemaliger Patient Jame Gumb (Ted Levine), der im Zeichen des Nachtfalters steht.1354 Demme be- zieht sich auf den Aspekt des Leberessens im Prometheusmythos, als er den faustischen Wissenschaftler Dr. Hannibal Lecter sagen läßt, er habe die Leber seines Opfers gegessen.1355 Eine Bemerkung, die auf den teufli- schen Charakter der prometheischen Gestalt abhebt. Während Lecter, wie Dracula ein Negativchristus ist, und seine Opfer verspeist, läßt Gumb dicke Frauen im tiefen Erdloch aushungern, um sie zu häuten. Zu den Vertretern der göttlichen Instanz, die im Zeichen des Lamms stehen, gehören die jun- ge Polizistin Starling und der Verhaltensforscher Jack Crawford (Scott

1352 Im Gegensatz zu Elli tritt Harry in einem (seine Unschuld unterstreichenden) weißen Anzug auf. 1353 Heinrich Heine, Der Doktor Faust . Ein Tanzpoem (Entwurf zu einem Ballett) (1851), in: Max von Boehn, Der Tanz, Berlin 1925, S, 243-262, S. 24 1354 Der Nachtfalter ist ein Tier, das ebenso wie die Fliege in ihrer Vergrößerung an eine Fledermaus erinnert. 1355 Zum Leberessen in Sage und Märchen vgl. das Kapitel: Faust und die prometheischen Medien

358 Nachtseiten des Lebens

Glenn), deren Famulus sie ist. Crawford, der Übervater des Guten, steht Lecter, dem Übervater des Bösen, entgegen.1356

Abb. 210: Lecter zum Pakt bereit. Jonathan Demme, Silence of the Lambs, 1990, Anthony Hopkins als Dr. Hannibal Lecter, Jodie Foster als Clair Starling

Die dunkle Gefängishöhle ohne Fenster und Tageslicht kennzeichnet den Ort des Fürsten der Finsternis und der Tiere der Nacht. Für den Preis des Lichts (der Erkenntnis) ist Lecter bereit seinen dämonischen ‘Sohn‘ den göttlichen Instanzen auszuliefern. Der Pakt wird zwischen ihm und Starling geschlossen. Im folgenden treten die geschlechtsindifferenten ‘Kinder‘ ge- geneinander an: Während Starling sich im Männerberuf zu verwirklichen sucht, näht Gumb sich aus Frauenhaut ein Kleid.1357

1356 Der Verhaltensforscher tritt hier gegen Psychoanalytiker an. 1357 The Mystery of Wax Museum (1933) von Michael Curtis mit Lionell Atwill als Bösewicht wird als der erste moderne Horrorfilm betrachtet, weil der Film in der Wirklichkeit der 30er Jahre und nicht mehr im Spukhaus spielt. Das Filmplakat zeigt Atwills Kopf, der sich - wie ein Bild Arcimboldos - aus Frauenkörpern zusammensetzt.

Nachtseiten des Lebens 359

Abb. 211: Die Teufelsgestalt verbirgt ihr Geschlecht. Ted Levine als Jame Gumb

Am Ende verfehlt Crawford, der im Flugzeug direkt aus dem Himmel kommt (wie meist die göttliche rettende Instanz), den showdown.

Abb. 212: Die göttliche Instanz kommt zu spät.

Agentin Starling hat den Nachtfalter besiegt und damit Luzifer dem Licht zu- geführt.

Abb. 213: Der erlegte Nachtfalter. Ted Levine als Jame Gumb

Insekten und Vampire sind dämonisch besetzte Geschöpfe, ekelerregende Gestalten, an denen das Stigma Satans klebt. Einst vom Himmel gestürzt, hat sich der Schwarze Engel eine widerliche Armee Verbündeter aufgebaut. Brummende schwarze Fliegen stehen den zwitschernden weißen Vögeln entgegen, und im Gegensatz der Schöpfungen erweist sich das lederne Flugkleid als umtauglich zum Flug, oder es nähert sich zu sehr der göttli- chen Sonne schmilzt und verglüht.

360 Nachtseiten des Lebens

4. Phantastische und authentische bad angels Ähnlich wie bei den literarischen Gestalten Faust und Frankenstein wurde auch bei Stokers Dracula nach einem historischen Vorbild geforscht.1358 Der rumänische Karpatenfürst Vlad Tepes, genannt Dracul, gilt auch heute noch als historisches Vorbild der Romangestalt Stokers. 1976 kam der rumäni- sche Historienfilm Vlad Tepes in die Kinos, den Daru Nastase im Auftrag Ceausescus zum 500. Todestages des Karpatenfürsten drehte. Allen Erns- tes entdämonisierte Nastases die allgemein bekannte Teufelsfigur Dracula, obwohl Dracul im Rumänischen schon soviel wie Teufel heißt.1359 Der monströs angelegte Cinemascop-Film erzählt die Geschichte des Volks- helden Dracula, der einen aussichtslos scheinenden Kampf gegen über- mächtige Eindringlinge führt. Allein vor diesem Hintergrund läßt sich der Film als Gleichnis lesen: Ceausescu im Kampf gegen den Imperialismus.1360

Die erste Einstellung zeigt auf Breitleinwand ein Bild der Karpaten, auf dem groß die Jahreszahl 1456 erscheint. Die Zahl dient als flashback, und ein Schwenk führt zu Landarbeitern, welche Getreide mähen. Ein Schnitt zeigt Dracula im historischen Kostüm des Karpatenfürsten, der den Bauern freundlich bei der Erntearbeit zusieht. Über seinen Wunsch, zum Wohl der Bauern die Vielstaaterei aufzuheben, erklärt er seinen Getreuen: „Dreimillio- nen Bauern warten auf das Signal.“ Seine Herrschaft wird als hart aber gerecht dargestellt, und grausame Strafen dienen dem Sieg des Guten. Um das Prinzip seiner Rechtsprechung zu veranschaulichen, lädt Dracula eine gro- ße Anzahl Bettler und zwielichtige Gestalten in eine Scheune zu Speis und Trank. Dracula, mitten unter ihnen, treibt plötzlich einige der Armen hinaus, verriegelt den Schober von außen und legt Feuer. Ein Choral erklingt als die Scheue in Flammen aufgeht und die Eingeschlossenen verbrennen. Dracu- la stellt fest: „Die schlechten Früchte auslesen, bevor alles zugrunde geht. Warum hat das Schicksal ausgerechnet mich dazu bestimmt?“

Mit wehendem Umhang stürzt er sich auf feurigem Roß in die Schlacht ge- gen die Türken. Er pfählt sie und spießt sie auf. Seine Gegner nennen ihn einen bösartigen Dämon. Kalt kommentiert er: „Ich wollte es nie, aber es muß- te sein.“ Seinen Getreuen gegenüber ist er ein wahrer Freund und geht milde und rücksichtsvoll mit ihnen um. Eine Totale zeigt das riesige Herr der Bauern, die gemeinsam mit der Ar- mee in die Schlacht ziehen. Die rote Fahne wird zum Zeichen für den Ver- gleich des Historienfilms mit aktuellem Zeitgeschehen. Große Massensze- nen zeigen mehrfach das kämpfende Heer, wie es von rechts nach links und von links nach rechts das Bild durchkämpft.1361

1358 Vgl. u.a. Maurius Oniceanu, Dracula. Kreuzritter, Legende, Wahrheit, Gerabronn und Crailsheim 1985 1359 Vgl. Wolfgang Lottes, Dracula & Co. Der Vampir in der englischen Literatur, in: Archiv für das Studium der neueren Sprache, Nr. 220, 1983, S. 285–299 1360 Im Vorspann werden als wissenschaftliche Begleitung des Films die Historiker A. Stoicescu und C. Moisecu genannt. 1361 Es gibt keine weibliche Darstellerin.

Nachtseiten des Lebens 361

Abb. 214: Daru Nastase, Vlad Tepes, 1976

In den Kriegspausen erklärt Dracula, der im Laufe des Geschehens Vorsit- zender des Volksrats wird, den Freiheitsbegriff und die Stellung der Rats- mitglieder: „Den Preis der Freiheit kann man nicht wie Ware kaufen. Aus dem Rat gibt es kein zurück mehr, oder aber nach oben, direkt in den Himmel.“

Der Historienfilm Vlad Tepes wurde geradezu gegen sämtliche Horrorfilme inszeniert, mit denen Bram Stokers Dracula popupär wurde. Die Verfilmung des ‘wahren‘ Lebens des Grafen Dracula durch Nastase scheint jedoch - außer des gleichen Namens - keine Verbindung mehr zu Vampirfilmen zu haben. Welchem Zweck dient nun aber die filmische Eliminierung der be- rühmten Teufelsgestalt? War es Ceausescu, der von einer Teufelsgestalt zum Volkshelden geläutert werden mußte? Darüber gibt das folgende Kapi- tel Auskunft, daß der Frage nachgeht, ob ‘Herren der Welt‘ Teufelsbilder auf der Filmleinwand nicht besonders schätzten.

Zusammenfassung Im umfassenden Kapitel Nachtseiten des Lebens wirde gezeigt, daß der moderne Horrorfilm primär aus der Verfilmung drei phantastischer Ge- schichten des 19. Jahrhunderts hervorgeht, die eine jeweils unterschiedli- che Affinität zum Fauststoff aufweisen. Die Verfilmungen von Mary Shelleys Frankenstein (1818), Robert Louis Stevensons The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1846) und Bram Stokers Dracula (1898) kennzeich- nen den Anfang des modernen Spielfilms und verweisen darüber hinaus auf die Magie, die dem Medium zugesprochen wurde. Es kann festgestellt wer- den, daß die unterschiedlichen Protagonisten der Horrorfilme magische Momente des Films personifizieren. So steht die blutleere Vampirgestalt für die filmische Abbildung des Menschen, das Monster Frankensteins er- scheint zusammengesetzt wie der Film, und im Doppelgängermotiv tritt Film dem Zuschauer als dämonischer Doppelgänger entgegen.

Die beliebig häufige Filmkopie stellt im Doppelgängermotiv die Kraft heraus, das Double in eine Imago zu verwandeln, wie es beispielsweise Max Mack in Der Andere (1912) thematisierte. Die Entwicklung des frühen Faustfilms zum phantastischen Autorenfilm der Weimarer Republik stellte Stummfilme

362 Nachtseiten des Lebens wie Stellan Rye in Der Student von Prag (1913) in den Vordergrund der Un- tersuchung. In Ryes Faustfilm erwies sich die Verdoppelung des Körpers und in Der Andere die Spaltung der Seele als Bild des Teufels im Film. Bei- de diabolischen Doppelgänger waren jedoch keine animalischen Teufels- gestalten. Ein animalischer Teufel als Doppelgänger tauchte in den Verfil- mungen von Robert Louis Stevensons The Strange Case of Doktor Jekyll and Mister Hyde auf. Aber auch Mister Hyde war keine Gestalt der suprana- turalen Welt, sondern er trat aus der Hölle der eigenen Seele hervor. In Doppelgängerfilmen wurden häufig Replikate zu Replikanten und stellten die archaische Angst des Subjektes dar, sein Ich im Abbild zu verlieren.

Mit dem stummen Monster in Frankenstein setzte sich der Kinematograph selbst ein Denkmal. Die künstliche Gestalt stolperte schweren Schritts mit zahlreichen operativen Schnitten durch das Bild und personifizierte die ki- nematographische Technik in ihrer historischen Entwicklung. Am Anfang war der Film ein künstliches ungelenkes Kind moderner Bildtechnik, das sich als Stummfilm im medialen Zwischenraum bewegte und schließlich im wissenschaftlichen Fortschritt unterging. Unsterblichkeitsphantasien wur- den im Bild des Monsters zur Ikone der populären Auffassungen des natur- wissenschaftlichen Fortschritts und des Films gleichermaßen. Zwei weitere Prototypen künstlicher Geschöpfe, die aus dem phantastischen Autorenfilm der Weimarer Republik hervorgingen, waren Der Golem (Wegener, 1914, 1920) und Homunculus (Rippert, 1916). Der Golem, ein totes Lehmgefüge, wurde durch ein Zauberwort zum Leben erweckt, und Homunculus war wie Frankenstein ein Laborgeschöpf. Das Monster, der Golem und Homunculus standen in ihrer Schöpfern nicht sehr nah. Künstliche Frauen dagegen, die aus Laboratorien hervorgingen, wurden von ihren Schöpfern bis zur Selbst- aufgabe geliebt. Auch wenn die Töchter diese Liebe nicht erwiderten, blie- ben die Vater-Töchter-Paare in ihrer inszestösen Verstrickung gefangen, wie es die phantastischen Stummfilme Alraune (Galeen, 1928) und Metro- polis (Lang, 1927) zeigten. Alraune ist eine selbstreferentielle Figur, die sich auf die Rolle des weiblichen Filmstars im Stummfilm konzentrierte. Metro- polis ist ein Faustfilm, der auf die Schnittstellen von Horrorfilm und Science Fiction-Film verweist, schon weil die Faustgestalt in zwei Protagonisten aufgeteilt ist, wovon der eine augenscheinlich ins Horrorgenre (der Erfinder Rotwang) und der andere (der Unternehmer Fredersen) ins Science Ficti- on-Genre gehört.

Freilich stand in Stokers Dracula nicht der forschende Wissenschaftler im Vordergrund der Geschichte, sondern der sich auf Magie verstehende Ge- lehrte, der den unsterblichen Diabolus in die Hölle zurückjagte, dennoch ist der Vampirfilm als Spielart des Faustfilms einzuordnen. Der Herr der Unto- ten tauchte in der Geschichte des Spielfilms nicht von Anfang an auf, son- dern er trat erst allmählich aus seinen zeichenhaften Vorgängern hervor. Fledermäuse und Vampire kamen ab 1896 in Spielfilmen nur im Gefolge des Knochenmanns oder des Teufels vor. Der Vampir bekam seine erste filmische Gestalt wohl in Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu. Eine Sym- phonie des Grauens (1921/1922). Der erste Tonfilm Dracula (Browning, 1930)) stellte zu Beginn zwei Bilddiskurse gegeneinander. Zum einen in- szenierte er die vergangene Welt des Stummfilms als Draculas Totenwelt, zum anderen die moderne Welt des Tonfilms als Renfields Welt. Etwa gleichzeitig entstand auch Carl Theodor Dreyers Vampyr im Spannungsfeld von Stummfilm und Tonfilm. Sprache im Film scheint mit einer ‘Regression’ verbunden zu sein, für die mit der Figur des blutsaugenden Vampirs eine signifikante Gestalt gefunden war. Die Stimme der Lichtgestalten verwies erneut auf die Blutleere und die Künstlichkeit des menschlichen Abbildes.

Nachtseiten des Lebens 363

Die Entwicklung des Farbfilms ließ Ende der fünfziger Jahre in den Londo- ner Studios der Hammer-Filmgesellschaft eine neue Serie von Dracula- und Frankenstein- und Jekyll-Hyde-Filmen entstehen, die deutlich machten, daß die Wellen dieser Spielfilme, die im Laufe der Filmgeschichte nachzuzeich- nen sind, stets mit neuen technischen Möglichkeiten einhergingen. Hatte der Stummfilm sofort die Teufelsbilder der Laterna magica aufgegriffen und faustische Wissenschaftler ins Bild gesetzt, der frühe Tonfilm ihre Begeg- nung neu inszeniert, so setzte der Farbfilm nun besondere Akzente auf eine antagonistische, diabolische Spiegelbeziehung.

Neben Dracula ließen sich im Genre des Phantastischen Films auch gute Fledermäuse finden. Batman und Superman treten für kollektive Ordnung und Gerechtigkeit ein und den bad angels entgegen. (Die Konfrontation des guten und des bösen Engels, die bereits in Marlowes Fausttragödie, um die Seele des Wissenschaftlers stritten, setzte sich in Superman- und Batman- Filmen fort.) Batman und Superman führten einen Kampf gegen faustische Wissenschaftler, welche die Welt beherrschen wollten. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Fledermaus hatte auch das große Kino- bild der kleinen Fliege. Nicht nur, weil es häufig den Ekel der Menschen er- regte, tauchten Fliegen immer wieder in Horrorfilmen auf, sondern in ihrem Bild verbarg sich abermals das animalische Böse. Für all das Ungeziefer, das in Phantastischen Filmen außer Rand und Band geriet, überdimensio- nal groß wurde oder in Scharen die gesamte Menschheit bedrohte, waren meist grenzüberschreitende Wissenschaftler verantwortlich. Es muß nicht extra betont werden, daß auch hier der Wissenschaftler mit seinen Experi- menten die dämonischen Kräfte der Natur beschwor, deren Auswüchse, mächtige oder ekelerregende Tiere, über den leichtsinnigen Forscher herfie- len und ihn zum Abschluß der Geschichte ‘zur Hölle schickten‘. Ende der 50er Jahre mutierte der Wissenschaftler zu einem Teil einer Fliege und die Fliege wurde ein Teil des Wissenschaftlers. The Fly (Neumann, 1958) stell- te sich nicht nur aufgrund seines Sounds und des Einsatzes von Schrift als Horrorfilm dar, sondern die neue Filmtechnik hob das alte Magierbild hervor.

Allmachtsgedanken verfallen, verlor der Forscher seine Existenz und ein dämonisches Wesen trat an seine Stelle. Die Metamorphose der Fliege zum Stereoton im Film verband sich mit der Darstellung des Scheiterns ei- nes faustischen Wissenschaftlers. Seit Edison ging es beim Film um Syn- chronisierung, um perfekte Nachbildung des Lebens. Der Wissenschaftler, der zur Fliege mutierte, trat an die Stelle des technokratischen Forschers (Fliegenbeine zählen), der in den fünfziger Jahren Wissenschaft facetten- haft (wie eine Fliege) wahrzunehmen und weiterzuentwickeln hatte. Gleich- zeitig wurde die durch Zeit und Raum summende Fliege mit Menschenkopf zum Bild des Menschen im unendlichen (technischen) Universum.

Das Frauenbild in The Fly ist unmißverständlich: Hinter der geduldigen und liebenden Ehefrau verbirgt sich die Frau als Beutespinne. Sie erweist sich als kaltblütige Sadistin, die das ‘Fliegenbein‘ ihres Mannes zerquetscht. Höchst selten stehen weibliche Figuren an Stelle der faustischen Wissen- schaftler. Der jüngste Batman-Film, The Iceman (Schumacher,1997), zeigt eine diabolische Wissenschaftlerin, die allerdings als rächende Mutter-Erde ihre Pflanzen zu schützen sucht. Im allgemeinen stehen die weiblichen Fi- guren im Faustfilm entweder mit der Teufelsgestalt im Bunde, anderenfalls sind sie das rettende Gretchen oder werden zum (Liebes-)Opfer wie Gret- chen. Tritt sie jedoch an die Stelle des Bösen, ist sie sein Diener und dem Untergang geweiht. Im barocken Kleid bleibt sie diabolisches Geschenk und Preis für den Wissenschaftler. Heinrich Heine nannte die weibliche Teufels-

364 Nachtseiten des Lebens gestalt „Mephistophela, wie wir nunmehr die in die Weiblichkeit übergegangene Teu- felei zu nennen haben.“1362 Freilich verbirgt sich auch hinter Mephistophela nur der Abgesandte der Hölle, auch wenn er sich in Frauenkleidern präsentiert. Aber mit dem Kleiderwechsel vollzieht sich beileibe kein geschlechtlicher Wandel. Die faustische Wissenschaftlerin, die einen Pakt mit dem Teufel eingeht, kommt in Horrorfilmen ebenso wenig vor, wie die siegreiche Geg- nerin der dämonischen Gestalt, welche die Menschheit vor dem Untergang rettet.

1362 Heinrich Heine, Der Doktor Faust. Ein Tanzpoem (Entwurf zu einem Ballett) (1851), in: Max von Boehn, Der Tanz, Berlin 1925, S, 243-262, S. 243

Herr der Welt 365

„Mithin, sagte ich ein wenig zerstört, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er; das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.“ 1363

III. Herr der Welt

Im ersten Teil des folgenden Kapitels wird untersucht, welche Elemente des Faustfilms sich in Science Fiction-Filmen finden lassen, in denen faustische Wissenschaftler unsichtbare Strahlen entwickeln und sich ihrer bedienen, um die Welt zu beherrschen. Spielfilme, die magische Kraftlinien in den Mittelpunkt ihrer Geschichte legen, verweisen auf ein Reich moderner Technik, in wel- chem mittelalterliche Teufelsgestalt und paktierender Wissenschaftler längst unauffindbar scheinen. Im zweiten Teil wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die Auslassung des Phantastischen Films im Nationalsozialismus hat, und wohin die phantastischen Elemente des Films sowie der Faustfilm in dem Jahren 1933 bis 1945 verschwunden sind.

A. Unsichtbare Kraftlinien Der mit Strahlen hantierende Wissenschaftler, der sein Prometheisches Reich errichten will, ist ständig wiederkehrender Protagonist des Phantastischen Films. Schon 1897, als der Röntgenapparat gerade erst erfunden war, drehte George Albert Smiths den kurzen Stummfilm The X-Ray Fiend. In La Folie du Docteur Tube (Abel Gance, 1914) verliert der faustische Wissenschaftler Dr. Tube durch seine Experimente mit Lichtstrahlen den Verstand. In René Clairs Paris qui dort (1923) führt Professor Ixe Versuche mit Radiowellen durch, wel- che Menschen erstarren lassen. Und in Lambert Hillyers The Invisible Ray (1936) reflektiert der Körper des Wissenschaftlers atomare Strahlen, wodurch er zur leuchtenden Lichtgestalt mutiert. Wie im folgenden gezeigt wird, ent- zündet das Licht, Symbol des Lebens, den göttlichen Schöpfungsgedanken des Wissenschaftlers, und der Lichtstrahl, Schöpfungsstrahl der Kinemato- graphie, schafft und vernichtet das Prometheische Reich der Lichtgestalten.

Die dämonische Funktion der Strahlenmaschinen wird in Das Cabinet des Dr. Caligari (Robert Wiene, 1919/20) und Dr. Mabuse, der Spieler (I und II) (Fritz Lang, 1922) durch den Blick des Magiers ersetzt. Die beiden wiederholt analy- sierten Filme werden hier noch einmal - nun als Faustfilme - untersucht. Dr. Xavier in Roger Cormans The Man with the X-Ray Eyes (1963) erhöht sogar die magische Kraft seines Blicks durch ein von ihm entwickeltes Elixier. In den Verfilmungen von Edgar Allan Poes The Fall of the House of Usher (1928) wurde der verbotene Blick sogar zum magischen Strahl, der im inzestiösen Verhält- nis zwischen Bruder und Schwester, die Schwester in einen katatonen Zu- stand versetzt. Freilich heben alle magischen Strahlen und Blicke auf die Film- kamera selbst ab, und der faustische Wissenschaftler, der im Phantastischen Film die Strahlenmaschine zu bedienen weiß, entspricht dem Operateur, wel- cher die Kinomaschine in Gang setzt.

1363 Heinrich von Kleist, Über das Marionettentheater, in: Sämtliche Werke und Briefe, hrsg. v. Helmut Sembdner, München 51970, Bd. 2, S. 345

366 Herr der Welt

1. Lichtstrahlen und Radiowellen In Abel Gance La Folie du Docteur Tube (1914) verzweifelt Doktor Tube an seinen Experimenten mit Lichtstrahlen, die sich tausendfach in Zerrspiegeln brechen. Die reflektierenden Lichtstrahlen treiben den Wissenschaftler in den Wahnsinn.

Abb. 215: Abel Gance, La Folie du Docteur Tube,1914, Albert Dieudonne als Dr. Tube

In René Clairs Paris qui dort (1923) hantiert Professor Ixe mit elektromagnetische Wellen. Seine Versuche lassen das Leben stillstehen.

Abb. 216: René Clair, Paris qui dort,1923

Der Film erzählt die Geschichte eines Eiffelturmwächters, der eines Morgens aufwacht und feststellt, daß die Zeit stehengeblieben ist und alle Menschen zu leblosen Statuen geworden sind. In der Höhe blieb er von Ixes Strahlen ver- schont, wie ein Flugzeug, welches unbehelligt in Paris landen konnte.

Herr der Welt 367

Abb. 217: Die Strahlenmaschine in Aktion

Als der Aufseher mit der Flugzeugbesatzung zusammentrifft, hören sie im Ra- dio die Stimme der Nichte des Professors, die sie zu ihm führt.1364 Im Strahlen- laboratorium treffen sie Ixes, der Murnaus Prof. Bulwer in Nosferatu (1921) mit langem, gemustertem Hausmantel, Brille und wirrem Haar, recht ähnlich sieht. Die Gruppe fordert ihn auf, Paris wieder aufzuwecken. Er blickt auf seine Uhr und bemerkt, daß die Zeit stillsteht. Ohne viel Umschweife betätigt er den He- bel der Strahlenmaschine und die versteinerten Menschen nehmen ihre Bewe- gungen wieder auf.1365

Abb. 218: Professor Ixe an seiner Strahlenmaschine

Aus Geldnot betätigt die Nichte hinter dem Rücken ihres Onkels den Hebel und hält das Leben nochmals an. Aber ihr Plan, sich während des Stillstands zu bereichern, schlägt fehl, da Ixe den Hebel der Maschine mal in die eine und mal

1364 Die Wirkungsstätte des Magiers liegt ein weiteres Mal im Keller. 1365 Der Stillstand der Zeit ist ein altes Märchenmotiv. Auf einen Zauberspruch hin verfallen, etwa in Dornröschen, alle Bewohner des Schlosses in einen hundertjährigen Schlaf. Sie erstarren zur Momentaufnahme.

368 Herr der Welt in die andere Richtung legt, so daß das Leben stillsteht, dann wieder schneller und langsamer läuft. Am Ende ist das Leben wieder normal und die Nichte des Professors zieht mit dem Aufseher auf den Eiffelturm.

Eine geheimnisvolle Strahlenmaschine ist an die Stelle eines Höllenzwangs getreten. Auf das Zeichen des Magiers hin fangen die Bilder an zu laufen.1366 In Paris qui dort werden die Ursprünge des Films mit den „wahren Mitteln der Kame- ra“1367 gezeigt. Die Radiowellen, die Ixe aussandte, halten die Zeit an wie eine Fotografie, verlangsamen Bewegungen wie in Zeitlupe oder beschleunigten sie wie mit Zeitraffer. Paris qui dort ist ein Phantastischer Film über die Zeitdimen- sionen des Films. Nach Edgar Morin sind „Zusammenziehung und Ausdehnung der Zeit... allgemeine Prinzipien und Kunstgriffe des Films, die sich bis in die Schnelligkeit der Aufnahmefolge auswirken. Die Zeit ist buchstäblich ungemünzt durch das, was ‘Zeitraffer’ und Zeitlupe’ genannt wird.“1368 Mit dem Stillstand der Zeit verweist der Film auf seinen Ursprung, die Fotografie. Obwohl Film ein anderes Zeitbild1369 als Fotografie ‘malt‘, können Foto und Film, aufgenommen in Realzeit, als his- torisches Bild beliebig oft zur Vorführung gebracht werden. Insbesondere die frühen Stummfilme standen durch ihre verdichtet Ästhetik in einem besonde- ren Verhältnis zur Zeit, denn sie zerschnitten immer wieder die Chronologie der Realzeit. Eigens die Funktion der Chronologie hob Morion heraus, denn sie bringt „Stimmung und Übereinstimmung in die Zeitfragmente, und zwar nach einem be- sonderen Rhythmus, der nicht zur Handlung gehört, sondern von den Bildern der Hand- lung gefordert wird... Diese flüssige Zeit ist seltsamen Ballungen und Dehnungen unter- worfen. Sie ist mit mehreren Geschwindigkeiten begabt und unter Umständen zum Rücklauf bereit.“1370 Die Zeit, die im Film - so Deleuze - „eine indirekte Repräsenta- tion“1371 erfährt, wurde von René Clair ins Verhältnis zur Filmmaschine gesetzt und zum Mittelpunkt der Geschichte gemacht. Er erfand eine phantastische Strahlenmaschine, die ein Wissenschaftler in ähnlicher Weise bediente, wie der Operateur seine Kamera. Der Hebel der Maschine wird zum Auslöser, und unsichtbare Strahlen setzen die Zeit außer Kraft. Die magischen Kraftlinien gehen von einer dämonischen ‘Zeitmaschine’ aus.1372 Filmzeit ist immer – so Morin - „magische Zeit“ und „einige Variationen der Geschwindigkeit oder der Bewe- gung genügen, um das Universum entsprechend der Magie der Metamorphosen umzu- formen und sogar den Lauf der Welt umzukehren.“1373

Radiowellen verbildlichen in René Clairs Paris qui dort (1923) die unsichtbaren Lichtstrahlen, welche das Lichtbild erzeugen. Kamera und Projektor sowie Ra- diosender und Radioempfänger sind populäre Segmente einer unsichtbaren Strahlenwelt, die Töne und Bilder erzeugt. Diese stehen aber in einem spezifi- schen Verhältnis zur Realzeit und zur Konserve. Während der Ton zwar für den selben Weg eine längere Zeit braucht als das Licht, funktioniert das Radio – wie später das Fernsehen - als direkter Empfänger. Das Kinobild bleibt da- gegen immer Konserve. Der Stummfilm kompensiert seine Tonlosigkeit wieder einmal im Bild, gerade mit Hilfe des Radios und der Radiowellen. Die prome-

1366 Vgl. zur Funktion des Steins und der Versteinerungen im Verhältnis von Film und Fotogra- fie Paul Wegeners Der Golem (1914, 1917, 1920). 1367 Zit. n. Dieter Krusche, Reclams Film Führer, 81991, S. 430 1368 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 68 1369 Zum Zeitbild im Kino vgl. Deleuze, Das Zeit-Bild, a.a.O. 1370 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 67 1371 Deleuze, Das Zeit-Bild, a.a.O., S. 53 1372 Filme über phantastische Zeitmaschinen (häufig von skurrilen Wissenschaftlern entwi- ckelt) veranschaulichen auch die Zeitebenen des Films. Vgl. etwa The Time Machine (1959) oder Back to the Future (1985). 1373 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 72

Herr der Welt 369 theischen Apparate schreiben den Faust-Bilddiskurs erneut fest, in dem Ixe als faustischer Wissenschaftler die primäre Quelle des Übels, eine teuflische Ma- schine, erfindet, die das Leben steuert.

Nach Andrew Tudor thematisierte der Phantastische Film The Invisible Ray von Lambert Hillyer (1936), in dem Boris Karloff und Bela Lugosi wissenschaft- liche Gegenspieler sind, die Gefahren der Atomkraft zwanzig Jahre vor der öf- fentlichen Kritik.1374 Wie es die folgende Analyse zeigt, ist The Invisible Ray a- ber keineswegs eine kritische Zukunftsvision, sondern steht in der Tradition der frühen Strahlenfilme und verweist auf die Magie des Lichtstrahls, der das Kino erzeugt. Dabei folgt er der verdichteten Ästhetik des frühen phantastischen Stummfilms.

The Invisible Ray handelt vom faustischen Wissenschaftler Dr. Janos1375 Rukhs (Boris Karloff) der von X-Strahlen getroffen wird, die ihn zu einer tödli- chen Strahlenmaschine machen. Bereits das Motto, welches dem Film voran- gestellt ist, verweist auf den zentralen Stellenwert von The Invisible Ray als Resümee und Progreß der Rolle Fausts im Tonfilm: „So manche wissenschaftli- che Entdeckung, die man heute als selbstverständlich hinnimmt, wurde seinerzeit als Werk, als Idee eines Phantasten oder Verrückten abgetan. Wer auf unserem kleinsten und jüngsten Planeten mag zusagen, daß der unsichtbare Strahl etwas Unmögliches ist. Was wir Ihnen jetzt zeigen, mag vielleicht heute noch bloß im Kopf eines Forschers herumspuken, morgen kann es bereits furchtbare Wahrheit werden.“1376 Das erste Bild bietet ein Schloß in tiefer Nacht dar. (Der Filmraum gibt das Genre preis.) Das alte Gemäuer umschließt die bekannte wissenschaftliche Tragödie. Ein Gewit- ter tobt. Blitz und Donner verkünden das Böse, das hier wie in Lessings Doktor Faust aus den Strahlen des Lichts erwächst.

Die erste Sequenz stellt die Familie des dämonischen Forschers vor. Es ist seine blinde Mutter und seine junge Frau, ein blonder Engel. Sie sitzen im Ge- sellschaftszimmer. Das Kaminfeuer flackert. Rukhs bereitet in seinem Labor, das sich im Schloßturm befindet, eine Demonstration seiner Arbeit vor. Die Mutter beginnt zu erzählen: „Während einer solchen Demonstration wurde ich von den Andromeda-Strahlen geblendet. Ich assistierte meinem Sohn. Dein Vater war auch dabei. Leider wird auch Janos eines Tages seinen Experimenten zum Opfer fallen, er will nicht glauben, das es Dinge gibt, die wir lieber nicht tun sollten. Er sollte diesen Leuten, die ihn für einen Scharlatan halten nichts demonstrieren.“ (Sie ist zwar durch den Strahl (des Sohnes) geblendet worden, aber hellsichtig wie Theiresias.) Der Freund und Mitarbeiter Ruhks fiel dem Strahlenexperiment zum Opfer. Es war dern letzter Wunsch des Freundes, daß seine Tochter Rukhs heirate. Die vielsagende Familienordnung verbirgt eine ausgefallene ödipale Konstellation: Der Sohn blendet seine Mutter/Frau, tötet den (Schwieger-)Vater und heiratet seine Tochter/Schwester.

Ein Schnitt zeigt Rukhs in seiner Wirkungsstätte, einem großräumigen Gewöl- be. Die Laboreinrichtung wurde aus Whales Frankenstein (1931) übernom- men. In der Mitte des Raumes steht eine gigantische Strahlenmaschine, die über eine Tastatur auf einer Empore bedient werden kann. Der Wissenschaft- ler tritt im vertrauten schwarzen Magierkostüm auf. Seine junge Frau kommt ins Labor und steht ihm im weißen Kleid gegenüber. (Schuß-Gegenschuß). Sie teilt ihm die Ankunft der Zuschauer, Doktor Bennet (Bela Lugosi) und sei-

1374 Ebd. S. 140 1375 Der Vorname Janos verweist auf den doppelgesichtigen Janus. 1376 Es lag die Originalfassung des Films mit deutschen Untertiteln vor. Die Zitate wurden den Untertiteln entnommen.

370 Herr der Welt nes Neffen, mit. Licht fällt auf die gigantische Maschinerie. Der Wissenschaft- ler ist nun im Schutzanzug und mit Arbeitshandschuhen bekleidet. Ein Fenster öffnet sich, eine Kugel wird sichtbar. In kommunizierenden Röhren steigen Flüssigkeiten auf und ab. Der Generator setzt sich in Gang. Metallische Ge- räusche erklingen. Die Zuschauer blicken geband auf den Wissenschafter, wie das Kinopublikum auf die Leinwand (Totale). Die Kugel öffnet sich wie ein Au- ge. Rukhs streckt seine behandschuhte Hand in die Luft.1377 Der Operateur gibt das Zeichen und die Vorführung beginnt. Er nimmt eine überdimensionale Glühbirne zur Hand und setzt einen Projektor in Gang. Ein Lichtstrahl trifft die Zuschauer. Als beginne eine Kinovorführung, wird eine phantastische Fahrt durch den Weltraum gezeigt. Nebel tritt auf. Rukhs erklärt: „Das ist der Nebel des Andromeda.- Die Strahlen werden hier eingefangen und auf einen Projektor in meinem Labor übertragen. Dort werde ich wiedergeben, was von diesem Strahl verzeichnet wur- de.“ Plötzlich fliegt eine Feuerkugel durchs Weltall und dringt in die Atmosphäre ein. Schon in der Historia von D. Johann Fausten fiel der Teufel als glühender Feuerball auf die Erde und auch der Meteorit wird zum bösen Dämon.

Die Einleitungssequenz erscheint völlig abgetrennt von der nun folgenden Ge- schichte. Irgendwo in Afrika ging vor Jahrmillionen dieser Meteorit nieder. Dok- tor Rukhs, seine Frau, Doktor Bennet und Neffe finden ihn in einem Vulkankra- ter. Weil Rukhs die fremde Materie berüht, wird er sterbenskrank. Bennet kann ihn jedoch retten. Aber der geheimnisvoller Stoff des Meteos, bleibt an Rukhs Händen kleben. Seine leuchtenden Hände werden zur tödlichen Waffe: Wen immer er berührt, stirbt augenblicklich. Nach ihrer Heimkehr wird der Stoff als Radium x ein großer medizinischer Erfolg. Rukhs‘ Mutter gewinnt mit Hilfe der Strahlen ihre Sehkraft zurück. - Rukhs, der glaubt, Bennet wolle ihm seine Entdeckung streitig machen, vermutet ein Verhältnis zwischen seiner Frau und dem Neffen Bennets, so daß er per Handschlag einen nach dem anderen tötet.

Am Ende des Films stehen sich der (verblendete) Wissenschaftler und seine (wieder-sehende) Mutter im Duell gegenüber. Die Mutter als Racheengel in schwarzer Kleidung, mit schwarzem Kopftuch, aber hell ausgeleuchteten Ge- sicht, steht ihrem ebenfalls schwarzgekleideten Sohn, dessen Gesicht und Hände leuchten, in einem dunklen Flur gegenüber (amerikanische Einstellung). Mit glühenden Gesichtern schreiten sie aufeinander zu. Die Mutter steht links im Vordergrund des Bildes. Es ist nur ein Teil ihres Gesichtes und ihrer Hände zu sehen. Rukhs blickt auf seine gefalteten Hände (nah) und zieht mit der Be- merkung: „Ich muß noch leben - es fehlt noch einer!“, seine lebenswichtigen Am- pullen hervor. (Bislang ist es ihm nicht gelungen, seine Frau zu töten.) Die Mut- ter schlägt ihm mit dem Stock das Serum aus der Hand. Es fällt zu Boden und die Ampulle zerbricht. Ruhig sagt sie: „Die Wissenschaft ist dazu da, Gutes zu tun.“ Der Sohn sieht sie an und spricht: „Ja, du hast recht. Es ist besser so!“ Er beginnt allmählich zu dampfen, dann läuft er zum Fenster und springt hinaus. Während seines Falls wird er zu einem glühenden Feuerball. Das Fazit der Mutter: „Janos ist nicht tot. Er wird weiterleben zum Wohle der Menscheit!“ Am Ende des Films schließt sich der Kreis: Die Mutter ist nicht länger geblendet und auch ihre Schwiegertochter überlebt die Angriffe des mordenden Wissen- schaftlers.

The Invisible Ray1378 stellt zwei Faustgestalten ins kinematographische Licht.

1377 Eine Geste, die an den Erfinder Rotwang in Metropolis (Lang, 1926) und an Dr. Seltsam in 2001: A Space Odyssey (Kubrick, 1968) erinnert, die ihre künstlichen Hände ähnlich be- schwörend erhoben. 1378 In Tobe Hoopers Fire Syndrom (1986) kann Sam (Brad Daurif) sich und andere entzün- den. Eine Fähigkeit, die er ähnlich wie bei Rukhs nach Berührung mit Plutonium auftrat..

Herr der Welt 371

Der alte Magier, der in seinem Labor wirkt, steht dem reisenden Forscher ge- genüber. Der Film veranschaulicht das Spektrum der Wissenschaftlerrollen im Kino. Retrospektiv ist die Figur des Magiers im ersten Teil des Films. Zeichen hierfür ist der Einsatz des alten Frankensteinlabors, in dem die magische Kraft der Lichtstrahlen ins Bild gesetzt wurde. Die andere Rolle, der Afrikareisende, bestimmt eher den Typ eines Wissenschaftlers wie Doktor Indiana Jones (Har- rison Ford) in Steven Spielbergs Indiana Jones and the Temple of Doom (1984) sowie in seinen filmischen Vorläufern und Nachfolgern. Das Renais- sance-Magier-Kostüm wird hier durch Tropenanzug und Tropenhelm ersetzt, und der ‘Teufel‘ landet nicht in der Studierstube, sondern irgendwo auf einem fremden, fernen, aber heißen Kontinent. Die glühenden Spuren seiner For- schung haften an den Händen des alten Magiers. Er wird die Beweise seines gespaltenen Forscherdaseins (Janos) nicht mehr los. Am Ende fällt er seiner schizophrenen Welt zum Opfer und stürzt sich aus dem Fenster. Die Höllen- fahrt erfolgt aber keineswegs aufgrund seiner wißbegierigen Forschungen oder seiner grundlosen Morde, sondern er trägt eine ganz andere Schuld: Es ist das ödipale Drama, das am Anfang des Films schon Erstaunliches in Szene setz- te. Die Mutter tritt am Ende des Films als Racheengel auf, entsprungen der ö- dipalen Verkehrung des Anfangs. Nicht sie mußte geblendet werden, sondern Ödipus richtete das glühende Schwert gegen sich selbst. Auch wenn Jokaste zunächst blind war, blieb ihr die junge Rivalin nicht verborgen. In diesem Sinne ist für die Mutter nur ein toter Sohn ein guter Sohn. Wie noch zu zeigen sein wird, steht der scheiternde Sohn stets im Mittelpunkt des Horrorfilms, denn er kann den Wunsch der Mutter nicht wirklich erfüllen. Ein Kind vom Sohn spielt in The Invisible Ray nur noch in der Erinnerung an das Interieur des Fran- kensteinschen Labors eine Rolle. Aber das künstlich geschaffene Wesen bleibt immer defizient. Es ist ein Homunculus aus Chemie und Licht. Am Ende löst sich der Wissenschaftler in einem Feuerball auf und stürzt brennend wie Satan vom Himmel herab.

Die Anfangssequenz in The Invisible Ray, die Reise ins All, ist ein Höhepunkt der special effects in der frühen Filmgeschichte. Die Bilder des unendlichen Weltalls thematisieren das Raumbild des Films und den Standort, den die Kamera im Raum einnimmt. Die Reise durch das Universum hatte schon mit Méliès Le Voyage Dans La Lune (1902) oder mit Ingenieur Mabouls Fahrt zum Zodiaque begonnen. Eine Filmfahrt durch den endlosen Kosmos wird zur Rei- se durch den Raum schlechthin. Das Bild des Weltraums erweist sich als eine faszinierende Fiktion von Dreidimensionalität, die nicht nur in vielen Vorspan- nen der Produktionsfirmen die Phantastik des Medium vorausstellte1379, son- dern die Reise durch den Raum ist ein grundlegendes Merkmal des Kinos. Das Bewegungsbild des Universums wird zum Bild einer neuen Schöpfung. Der Kosmos und seine unbekannten Gefahren sind Gegenstand unzähliger Zukunftsfilme, die etwa wie in Gary Nelsons The Black Hole (1980)1380 oder in Star Trek (1978) ein Raumschiff zeigen, das wie der Feuerschweif eines Me- teors den dunklen Raum der Unendlichkeit durchschneidet. Das Raumfahr- zeug ist ein künstlicher Himmelskörper, der mit eben solcher Strahlenkraft ausgestattet ist wie die fremde Materie. Von Zeit zu Zeit sendet es einen ver- nichtenden Strahl aus, der das soeben Gesehene in einem Funkenregen auf- löst. Es imitiert auf seiner Reise durch den Raum den Strahl des Lichts, wie er

1379 Vgl. Hartmut Winkler, Der Filmische Raum und der Zuschauer. ‘Apparatur’ - Semantik - ‘Ideology’, Heidelberg 1992, S. 77 1380 In The Black Hole durchforscht das Raumschiff Palomino das Universum. Ein schwarzes Loch droht sie zu verschlingen. Dr. Hans Reinhardt (Maximilian Schell) erweist sich als skrupelloser Wissenschaftler, der seine Kollegen in Roboter verwandelt. In The Black Ho- le bilden die Science Fiction-Elemente, den Hintergrund für das Wirken des faustischen Wissenschaftlers.

372 Herr der Welt von der Kamera eingefangen wird. In Georg Lucas‘ Star Wars (1976) tritt der faustische Wissenschaftler wieder auf, der als Darth Vader (David Prowse) ei- nen Pakt mit dem Teufel schießt und im Dienst der dunklen Macht sein rotes gegen das blaue Strahlenschwert erhebt. Im symbolischen Kampf der Farben tritt die Nato gegen den Warschauer Pakt an.

Abb. 219: George Lucas, Star Wars, 1976, Alec Guinness als Obi-Wan Ke- nobi, David Prowse als Darth Vader. Strahlenschwerter

Im Verhältnis zur Wirklichkeit wurde mit dem SDI Programm gleichzeitig zur Filmtriologie Star Wars der reale Strahlenkampf im Weltenraum vorbereitet, während die Weltraummaschine in John Carpenters Dark Star (1973) oder in Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey (1968) selbst zum Teufel erklärt wurde, wie die Maschinenfrau in Fritz Langs Metropolis (1926).

Die Kamera dringt wie ein Raumschiff tief in das dunkle All ein, sucht und fin- det ihre magischen Dimensionen. Ein Meteor fällt als Feuerkugel auf die Erde nieder und verwandelt sich in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage in Sa- tan. Fremde Materie fällt auf die Erde und unbekannte Götter aus der ewigen Dunkelheit des Kosmos paaren sich im unendlichen Kinoraum mit dämoni- schen Schattenwesen. Überirdische Mächte senden göttliche Söhne auf den Planeten Erde, die wie Superman Schaden abwenden und die Teufelsgestal- ten in ihre Schranken verweisen. Die Fremden aus dem Universum kommen aber auch mit diabolischen Absichten als Körperfresser1381 auf die Erde oder bemächtigen sich wie in Alien (1979) schon im All des menschlichen Körpers. Alien ist der Springteufel unter den dämonischen Fremdkörpern. Er platzt nach seiner Entdeckung hervor und sorgt für den Splatter der Höllenfahrt. Nach Ed- gar Morin führte „die Umformung des Raumes im Film... in das magische Universum der Metamorphosen.“1382 Die Kamera und der wissensdurstige Forscher dringen in den schwerelosen Bewegungsraum der Unendlichkeit vor, bedienen sich seiner magischen Kräfte und erzeugen Close encounters of the third kind (Steven Spielberg, 1977). Bereits in der Historia von D. Johann Fausten flog der Magier auf Mephistos Zaubermantel in unbekannte Länder. Der fiktive

1381 Invasion of the Body Snatchers (1977) von Philip Kaufman lief unter dem deutschen Titel Die Körperfresser kommen. Der Film ist ein Remake von Don Siegels gleichnamigen Film aus dem Jahre 1956. Abel Ferraras verfilmte die Geschichte von Jack Finney noch einmal 1993. The Faculty von Robert Rodriguez war 1999 die vorläufig letzte Verfilmung des Stoffs. 1382 Morin, Der Mensch und das Kino, a.a.O., S. 74

Herr der Welt 373

Raum weitete sich wie auch in The Invisible Ray (1936) über Reisen in unbe- kannte Länder und in ferne Galaxien aus. Fremde Raumbilder wurden im Guckkasten aus unbekannten Perspektiven zur Ansicht gebracht. Die unbe- kannten ‘Raumbilder’ werden mit Abenteuergeschichten gefüllt, wie etwa in Raiders of the Lost Ark (Steven Spielberg,1981), in dem Dr. Indiana Jones (Harrison Ford) den göttlichen Schrein vor dem Zugriff der Nazi-Teufel rettet. Die Kamera, die sich durch den Raum bewegt, scheint im Gepäck des reisen- den Forschers zu stecken. Das trickreiche Filmbild, das schon bei Méliès eine Fahrt durch den Raum simulierte, steht der Fahrt entgegen, welche die Kame- ra selbst durch den Raum schickt.1383 In umgekehrter Weise macht der Strahl durch das All Raum für das Lichtbild erfaßbar.

Eine besondere Strahlenmaschine, deren Entwicklung mit dem Kinema- tographen einherging, ist der Röntgenapparat.1384 Der durchleuchtende Rönt- genstrahl ist ein unsichtbarer Strahl, der anders als das Licht Oberflächen durchbricht und wie zur Ergänzung des Films ein bewegtes Bild des Körperin- neren zeigt. Schon 1897 drehte George Albert Smith den kurzen Stummfilm The X-Ray Fiend, im dem Paul Green einen voyeuristischen Professor spielte, der mit einem Röntgenapparat die Skelette sich umarmender Liebespaare be- obachtete. Dies war der erste Spielfilm, der (Röntgen-) Strahlen thematisierte. Röntgenstrahlen, hier zur Belustigung eingesetzt, waren noch keineswegs mit der Vorstellung todbringender, diabolischer Strahlenkräfte verbunden. The X- Ray Fiend symbolisiert nicht nur den Vergleich der beiden magischen Abbild- Maschinen, sondern thematisiert gleichzeitig den voyeuristischen Blick der Kamera, den Mephisto in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage (1926) e- benso ungehemmt vertrat. Smiths Film verweist in seiner Vermischung von Röntgenbild und Bewegungsbild auf die große Popularität, welche die Durch- leuchtungsbilder in dieser Zeit für die Unterhaltungsbranche hat. Im Vergleich von Kinematograph und Röntgenapparat, die das innere und äußere Bewe- gungsbild hervorbrachten, kann der Durchleuchtungsprozeß auch als Veran- schaulichung des Kinematographen gelten, nicht nur, weil Röntgenstrahlen das Skelett - den menschlichen Bewegungsapparat in Aktion - zeigen, sondern weil die Röntgenmaschine das Strahlenprinzip des Lichtes und des Blicks, der unter die Haut geht, verbildlicht.

Nach Lisa Cartwright1385 war der Anfang der Röntgen-Kinematographie ein Film des Radiologen John Macintyre, der 1897 Schenkelbewegungen eines toten Frosches filmte, die durch Strom erzeugt wurden. Von da an standen Tiere und Menschen gleichermaßen im medizinischen Forschungsinteresse vor der Röntgenkamera. Die medizinische Forschung ging überdies Hand in Hand mit der technischen Entwicklung des Films. Bereits 1911 hatte Lehmann zur Be- deutung der Röntgenfotografie geschrieben: „Die Bewegungen innerer Organe am lebenden Körper (sind) mittels der Röntgenphotographie kinematographisch analysiert worden. Vor allem sind die Bewegungen des Magens, welche den Physiologen interes- sieren. Erst mit Hilfe der ‘Radiochronophotographie’... ist dieser merkwürdige Bewe- gungsvorgang aufgeklärt worden.“1386 Das innere und äußere Bewegungsbild des

1383 In Raiders of the lost ark schufen Kamerafahrten aus erstaunlichen Blickwinkeln rasante Raumbilder. 1384 Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte die Röntgenstrahlen 1895. Vgl. ders., Eine neue Art von Strahlen, Würzburg 1895. Für klinische Zwecke setzte die Röntgenaufnahme zuerst A- lan Archibald Campbell Swinton 1896 in London ein. 1385 Lisa Cartwright, Screening the Body. Tracing Medicine’s Culture, Minneapolis 1995. Kapitel: Decomposing the Body: X-Rays and the Cinema. Wenn der Fetisch zum Leben erwacht: Röntgenfilm, in: Frankensteins Kinder. Film und Medizin (Ausstellungskatalog) a.a.O., S. 92-102 1386 Lehmann, Die Kinematographie, a.a.O., S. 101

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Menschen (das sich ja an der Vorstellung mißt, Bewegung sei Leben und Still- stand der Tod) stand von Anfang an im Vordergrund des medizinischen Films. Das innere Bewegungsbild wurde auch im medizinischen Lehrfilm zum Fe- tisch erhoben.1387 Um aber innere Organe und Blutbahnen zeigen zu können, wurden gefährliche Kontrastmittel eingesetzt. Der Röntgenfilm wurde so zur riskanten Reise durch das Körperinnere1388 und brachte mitunter grauenerre- gende Bilder hervor, wie etwa einen medizinischer Lehrfilm1389, der das Sterben einer Katze aufzeichnete, nachdem ihr das tödliche Kontrastmittel eingegeben worden war. Der Film zeigte den wirklichen Horror des medizinischen Blicks, der - wie es Cartwright ausdrückte - eine „ikonische Darstellung der mörderischen Kraft enthüllt, die womöglich im medizinischen Blick auf das Leben kulimiert.“1390 Cartwright stellte heraus, daß Macintyre seinen Gästen den ‘Froschfilm’ zur Unterhaltung vorführte und daß auch der Radiologe James Sibley Watson Jr. 1929 mit Melville Webber an der Herstellung des Spielfilms The Fall of the House of Usher mitwirkte.1391 Sieht man einmal von den persönlichen Verknüp- fungen ab, dann bezeugt bereits ein oberflächlicher Vergleich der Körperbilder eine Verbindung von medizinischem Film und Horrorfilm, deren konstituierende Elemente Zerstückelung und Tod sind. Das Fading vom medizinischen Film zum Horrorfilm zeigt sich aber letztendlich in der Vorführpraxis. Auch der Röntgenapparat landete auf dem Jahrmarkt und war eine weitere sensationelle und phantastische Bildmaschine, deren Skelettbilder eine nicht minder schau- rige Unterhaltung boten, wie Athanasius Kirchers Lichtbilder vom Teufel oder die Gruselvorführungen Robertsons in der alten Kirche.

Seit 1898 setzte auch Georges Méliès sowohl im Theater Robert Houdin als auch im Film den Röntgenapparat ein.

1387 Vgl. Der Student von Prag (Rye, 1913) 1388 In Fantastic Voyage (Richard Fleischer, 1966) fährt ein miniaturisiertes U-Boot durch den Blutkreislauf eines verletzten Agenten. Der Plot wird hier zum Vehikel für eine kollektive Reise durch den menschlichen Körper und der Spielfilm zur Röntgenkamera. Während der Guckkasten eine Reise durch die Welt bei Tag und Nacht war, bereiteten Röntgen- strahlen einen Weg für die Reise durchs Körperinnere vor. 1389 Der Film ist eine historische Darstellung der Arbeit des deutschen Radiologen Robert Junker, der bis 1937 Leiter der Chirurgischen Universitätsklinik Bonn war und danach ein eigenes Röntgeninstitut führte. Junkers Kommentar zu dem Film (gesprochen 1962): „ ...endlich kann man auch die feinsten Bronchien erkennen.“ Ebd. S. 95-96 1390 Ebd. S. 102 1391 Ebd. S. 99

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Abb. 220: Plakat, Méliès, Les Rayons Roentgen, 1898

Les Rayons Roentgen (1898)1392 zeigt Méliès, der als Radiologe wirkt und einen Patienten durchleuchtet. Plötzlich wird das Skelett selbständig und verläßt den Körper, so daß der Leib als leere Hülle zusammenfällt. Das Skelett geht aber wieder in den Körper zurück. Der Patient will wegen dieses Vorfalls die Rech- nung nicht bezahlen und schlägt so auf den Tisch, daß alles explodiert. Die Reste des Röntgenapparats und des Radiologen fliegen durchs Labor. Die kleine parodistische Geschichte macht aus einer medizinischen Untersuchung einen Unterhaltungsfilm und verbindet mittels finaler Explosion Röntgenbilder und Splatterästhetik.

In Roger Cormans The Man with the X-Ray Eyes (1963) entwickelt der Chirurg Doktor James Xavier1393 (Ray Milland) Augentropfen, die das Sichtfeld von Röntgenstrahlen erschließen. Nach einem Selbstversuch wird Xavier zum le- bendigen Röntgenapparat. Corman inszeniert das menschliche Auge als ap- parative Voraussetzung eines Strahlenblicks, der wie ein schneidender Strahl Oberflächen durchdringt. Das X-Serum, welches Xavier entwickelt, soll Ärzten

1392 Der Film gilt als verschollen. 1393 Schon in Micheal Curtiz Doctor X (1932) tauchte ein Dr. Xavier auf, in dessen Institut ein faustischer Forscher angestellt ist, der mit künstlichem Gewebe experimentiert und zum Mörder sowie zum Kannibalen wird. In Curtiz Film zeichnen sich alle Wissenschaftler durch ein körperliches Gebrechen aus. Auch hier steht das X für dämonische Strahlenkraft.

376 Herr der Welt

Augen verleihen, die sie in den Körper eines Menschen sehen lassen und über die ‘Technologie des Sehens’ triumphieren. Die Kollegen sind skeptisch, eine Warnung: Mein lieber Freund, nur die Götter sehen alles!), wehrt er mit den Worten ab: „Lieber Doktor, ich bin dabei, mich den Göttern zu nähern!“ An anderer Stelle er- klärt er der Ärztin Diane Fairfax (Diana van der Vlis), welche die Stiftungsgelder für seine Forschungen verwaltet (während Licht ins Zimmer fällt): „Das ist Licht. Energiewellen, die das Auge reizen und die Nervenzellen übertragen diese Energie zu unserem Gehirn. Und mit dem Gehirn sehen wir. Aber es gibt noch andere Formen mit anderen Wellenlängen... Ich entwickle eine Methode, um das Auge so zu sensitivieren, das es fähig ist Strahlen bis in die Bereiche der Gammastrahlen und der Mesonen wahrzunehmen.“ Und später führt er aus: „Mit neuen Augen können wir all die Ge- heimnisse der Schöpfung erforschen.“ Der Wissenschaftler, der das allsehende, göttliche Auge für sich beansprucht, wird freilich am Ende scheitern. Xaviers Augen werden vom göttlichen Strahlenkranz, wie von einen Leserstrahl getrof- fen, total zerstört.

Einige Szenen und Bilder dieses Spielfilms, in denen sich die Rolle des Ma- giers mit Drogenphantasien der frühen sechziger Jahre mischen und die eine mediale Selbstreferentialität zur Anschauung bringen, sollen hier kurz vorge- stellt werden. Die erste Sequenz, welche die diabolische Entwicklung der Ge- schichte einleitet, reflektiert gleichzeitig den voyeuristischen Aspekt des Medi- ums. Auf einer Party, zu der ihn Diane mitnimmt, bemerkt Xavier zum ersten Mal, daß die Wirkung des Mittels unkontrolliert auftritt. Plötzlich sieht er alle Anwesenden nackt. Nach David J. Hogan1394 stellte Corman in der Nacktszene die zweite Natur Xaviers heraus. Er schrieb: „When Xavier goes ahead with experiments on his own, his dual nature becomes apparent. On the one hand he is a dedicated researcher who is convinced his serum could be a boon to mankind, while on the other he is a cocktail party voyeur who uses his new power to peek at the twisting and frugging bodies of all the young ladies.“

Wie sich noch zeigen wird, ist Xaviers Existenz zwar gescheitert, aber kei- neswegs gespalten. Der Wissenschaftler verdoppelt sich in diesem Film nicht durch die Einnahme des Zaubermittels, wie etwa Dr. Jekyll, sondern er wird so etwas wie eine defekte Strahlenmaschine. Corman stellte in der Partysequenz den Mann mit den Röntgenaugen an die Stelle der Filmkamera und konfrontier- te die Zuschauer mit ihren eigenen voyeuristischen Wünschen, die sie dem Medium entgegenbringen. Eine dunkle Brille verdeckt Xaviers (durchdringen- den Apparate-) Blick, obwohl dieser keineswegs begehrlich ist, sondern gleich einer Filmkamera die Szene nur aufnimmt. Trotzdem wird er in dieser Szene vom Bild der nackten Frau geblendet.

Nachdem er zunächst nur durch Kleider hindurch sehen konnte, kann er schon bald ins Körperinnere blicken. Manisch hält er an seiner Forschung fest, verliert seinen Forschungsauftrag und landet auf dem Rummel. Während er in einer Jahrmarktsbude als Wahrsager auftritt, entwickelt er in deren Hinterzimmer die Seher-Droge. Auf dem Jahrmarkt wird aus Doktor Xavier der Magier Mister Mentalo. Der Wissenschaftler/Magier als Jahrmarktsattraktion kann hier auch in einem Bezug zur Geschichte von Röntgenapparat und Kinematograph ge- sehen werden. Das folgende Bild zeigt Mister Mentalo im orangefarbigen Ma- gierkostüm und weißer Augenbinde, die als Zeichen seines Seherstatus, ein großes hellblaues Auge schmückt.

1394 David J. Hogan, Dark Romance. Sexuality in the Horror Film, North Carolina, London 1986, S. 218f

Herr der Welt 377

Abb. 221: Roger Corman, The Man with the X-Ray Eyes, 1963, Ray Milland als Dr. James Xavier

Sein helles, leuchtendes Wahrsagerkostüm unterstreicht seine guten Absich- ten und steht dem dunklen Magiermantel des faustischen Wissenschaftlers entgegen. Zufällig entdeckt der Schausteller Crane, daß Mister Mentalo keinen Trick anwendet, sondern über die Fähigkeit des Röntgenblickes verfügt. Er bringt ihn groß als ‘Heiler’ heraus. Der Blick ins Körperinnere reflektiert sich in seinem Auge.

Abb. 222: Doktor Xaviers blickt ins Körperinnere

In einem Nebensatz erklärt Crane, das eine solche Fähigkeit seinen voyeuristi- schen Wünschen aufs Trefflichste entspräche. Aber Xavier interessiert diese Seite seines Könnens nicht. Eines Tages erscheint unerwartet Diane.1395 Wie stark Cormans Film von sexuellen Metaphern, aber auch von der Darstellung der Angst des Mannes vor Frauen, durchsetzt ist, zeigen die Szenen der Be-

1395 Sie taucht meist unerwartet auf und treibt die Geschichte voran. - Da sie kaum Warnungen ausspricht, scheint sie die Funktion eines Schiedsrichter in einer Gottesprüfung auszu- üben.

378 Herr der Welt gegnungen zwischen Xavier und Diane. Zu Beginn des Films kommt es einmal zu einer Annäherung zwischen ihnen, während er ihr die Wirkung seines Medi- kamentes an einem Affen demonstrieren will. Der Versuch schlägt fehl und das Tier bricht tot zusammenbrach. Daraufhin zündet er zwei Zigaretten an und reicht ihr eine davon. Ihr Anblick im Evaskostüm war ja der Beginn seiner Erblindung und von hieran stolpert er durch den Film, begleitet von wirren, bun- ten Bildern seiner Prisma-Augen. Am Ende kehrt er als ‘augenloser Adam’ ins Paradies der Latenzzeit zurück.

Diane erweist sich als abgewiesene Margarete, die einem Magier folgt, der kaum noch sehen kann. Mit ihrer Hilfe flieht Xavier aus dem Machtbereich des Schaustellers. Aber die Flucht führt nur noch tiefer ins Chaos. Nach dem ver- geblichen Versuch, in Las Vegas mit Hilfe seines ‘hellsichtigen’ Blicks zu ge- winnen, gerät seine Wahrnehmung völlig außer Kontrolle.1396 Wie in einem LSD-Rausch beherrschen grelle, bunte Farben das Sichtfeld Xaviers, der in einem Fluchtauto, halbblind und vollkommen panisch durch die Wüste rast.1397 Nach einem schweren Unfall gelangt er in den Gottesdienst einer Sekte. Mit ei- ner Gruppe Gläubiger tritt er vor den Altar. Zwei ‘Seher’ stehen sich gegenüber. Auf die Fragen des Predigers: „Bist du ein Sünder?- Willst du gerettet werden?“, antwortete Xavier: „Gerettet werden? - Nein! Ich bin hier um euch zu sagen, was ich sehe: Es gibt große Finsternisse - weiter als die Zeit selbst reichen sie. Aber jenseits aller Finsternis ist ein Licht, das leuchtet und sich verändert. Ja - und im Zentrum des Universums: das Auge. Das Auge das uns alle sieht. Alle!“ Psychedelische Musik begleitet das bunte Farbenbild des Spectaramas, einer Technik, die in beson- derer Prismenanordnung für neue Filmbilder sorgte.1398 Der Prediger entgegnet ihm: „Du siehst die Sünde und den Teufel. Aber der Herr hat uns gesagt, was wir dage- gen tun müssen. Wie sagt Mattheus im Kapitel 5: Wenn dich dein rechtes Auge aber zum Bösen reizt, so reiß es heraus und wirf es von dir.“

1396 Wie Faust steuert Xavier ins Sodom und Gomorrha der endgültigen Walpurgisnacht, die er in Las Vegas (dem Sündenpfuhl in der Wüste) findet. 1397 Die Wüste ist der Kontrapunkt zu Babylon. Sie ist der Ort der Einkehr und des geordneten Kosmos, den keine Philister beschmutzten. Sie ist leer von aller Sünde und ein Paradies der Ordnung, der ultimativen Reinheit des Gedankens. Die Wüste wird bei Corman zur Stätte des endgültigen Untergangs. 1398 Zur Filmtechnik vgl. Hahn und Jansen, Lexikon des Science Fiction Films, a.a.O., S. 518f. Das Bild erinnert an die psychedelischen Bilder der Laterna magica.

Herr der Welt 379

Abb. 223: Doktor Xaviers Augen

Die Gemeinde feuert ihn an: „Reiß es heraus!“ Im Nachflüstern dieses Satzes, reißt sich Xavier beide Augäpfel heraus.

Abb. 224: Doktor Xavier hat sich die Augen herausgerissen

Diane steht in der Kirchentür, flankiert von zwei Polizisten - sie werden den blinden Mann ihrer Obhut übergeben.

Abb. 225: Der Blick ins Paradies

Die Personifizierung der Strahlenmaschine, die Corman in The Man with the X- Ray Eyes in der Figur des Chirurgen Xavier vornahm, ist eine filmische Insze- nierung der Trennung von Auge und Blick. Der Blick wurde als durchdringender Röntgenstrahl gezeigt, der als blendender Lichtstrahl in die chemisch manipu- lierten Augen Xaviers zurückfiel. Die Augen verwandelten sich durch infernali- sche Augentropfen in ein Prisma, in dem sich die Spektralfarben des göttlichen Lichts brachen. Xavier entsagte zwar der fleischlichen Lust, beherrschte aber nicht seinen wissenschaftlichen Drang. Sein Begehren führte seine Manneskraft ad absur-

380 Herr der Welt dum, so daß er sein Verlangen auf die Strahlenkraft seiner Auges warf. Unab- hängig von der psychoanalytischen Vorstellung, im Auge verberge sich das weibliche Geschlecht, das sich mit dem phallischen Strahl des Blicks paart, reflektierte das spektrale Farbbild die Fata morgana eines Begehrens, über welches das Subjekt im Unklaren ist.

In Roger Cormans The Man with the X-Ray Eyes (1963) kann Doktor Xavier die Kraft der Strahlen, durch Materie zu dringen, mit der Einnahme des selbst- gebrauten Elixiers auf seine Augen übertragen. Die unsichtbaren, tödlichen Strahlen, die Doktor Rukhs in Lambert Hillyers The Invisible Ray (1936) an den Händen kleben blieben, gingen von einem kosmischen Stein aus, den er berührte. In James Whales The Invisible Man (1933) dagegen bewirkt die Ein- nahme eines Serums, daß ein Wissenschaftler nicht mehr länger von Licht- strahlen reflektiert und ein Unsichtbarer wird, der am Ende dem Wahnsinn ver- fällt, wie der mit Lichtstrahlen experimentierende Doktor Tube. Der magische Strahl erwies sich als Grundelement der Schöpfung und war elementar mit ei- ner Schöpferphantasie verbunden, die aus dem „Urstahl (..) die Phantasie der Kunst eine unendliche Zahl der natürlichen und von ihnen abgeleiteten Sinnbilder für die männliche Kraft (entwickelte).“1399 Die Phantastischen Filme über die unsichtbaren Kraftlinien erzählen alle vom Scheitern des faustischen Wissenschaftlers an der göttlichen Potenz, die im Lichtstrahl ihr Sinnbild gefunden hat.

In John Carpenters Memoirs of An Invisible Man (1992) überlebte der Wissen- schaftler einen Strahlenunfall als Unsichtbarer.1400 Da er schuldlos an seiner Unsichtbarkeit war, blieb ihm am Ende die Höllenfahrt erspart. Sich unsichtbar machen zu können, war zu allen Zeiten ein Wunschtraum. Große Zauberkünstler versuchten sich an dem Trick, Menschen verschwinden zu lassen. Für Georges Méliès stellte der Kinematograph für diesen Zaubertrick das entscheidende Equipment bereit. In Escamontage d’une Dame Chez Robert-Houdin (1896) erzeugte die Kamera mit großer Leichtigkeit das exis- tentielle Spiel des Fort und Da, das in so radikaler Weise eine Anschauung des Kommens und Gehens von Leben darbietet. Unsichtbarkeit ist ein altes Sa- genmotiv, das den Gedanken trägt, man könne in einen dematerialisierten Zu- stand eintreten. Hiervon erzählt auch die Technik des Beaming, durch die in Star Trek (1978) die Mitglieder der Bordbesatzung des Raumschiffs in Licht- punkte zerlegt und als unsichtbare Strahlen zu einem anderen Ort gesendet werden, an dem sie sich wieder aus Lichtpunkten zusammensetzen. Der Trick zeigt aber nichts anders als den technischen Vorgang des Fernsehens. Eine Methode, die schon der Forscher Dellambre in The Fly (1958) vorführte.

2. Magische Blicke In Edgar Allan Poes Fall of the House of Usher1401 entzündet sich der Horror an der Unkontrollierbarkeit des menschlichen Körpers, der bei vollem Bewußtsein in Todesstarre fällt. Wie die Bürger von Paris in Paris qui dort durch Radiowel- len versteinern, fällt in Poes Geschichte die Schwester durch den begehren- den Blick ihres Bruders wie tot um. Der verbotene, inzestiöse Blick wird in den zahlreichen Verfilmungen Poes Fall of the House of Usher zum magischen Strahl. Der Blick, der gegen das Gesetz verstößt, wird zum (schein-)tödlichen Blick. Die Bewegung und die Zeit des Lebens werden unterbrochen und kom-

1399 Lexikon der Symbole, a.a.O., Stichwort: Strahl, S. 24 1400 Die Neuverfilmung von The Invisible Man ist wie die Neuverfilmungen von Frankenstein und Dracula mit der technischen Entwicklung der special effects verbunden. 1401 Edgar Allan Poe, Der Untergang des Hauses Usher, in: Gesammelte Werke, übs. v. Hans Wollschläger und Arno Schmidt, Herrschingen 1979

Herr der Welt 381 men zum Stillstand, so als ob der Film auf seine fotografischen Einzelbilder verweise. Reflektiert die Schwester den verbotenen Blick wie Medusa, wird der Bruder zu Stein erstarren und augenblicklich zu Staub zerfallen. (Das starre Einzelbild des angehaltenen Films zerschmilzt in der Hitze des Projektors.) Nicht nur die Verfilmungen von The Fall of the House of Usher 1402 belegen, daß der katatone Zustand der Darstellerin auf die Möglichkeiten der Kamera abhebt, sondern auch hypnotische oder somnambule Zustände erweisen sich als selbstreferentielles Bild. Der magische Strahl und der magische Blick veran- schaulichen im Phantastischen Film die Selbstreferentialität des promethei- schen Mediums.

Die Kraft des magischen Blick veranschaulicht sich ideal in der Darstellung der Hypnose, und freilich war der hypnotische Blick von Anfang an Thema des Stummfilms. Meist hypnotisiert ein Mann eine Frau, wie etwa in The Hypnotist at Work (1897), worin Méliès eine junge Frau in Trance versetzt, die daraufhin beginnt, sich auszuziehen. In Hypnotism (1910) verwandelt ein Hypnotiseur ei- ne junge Frau in einen willenlosen ‘Roboter’, auch in The Dead Secret (1913) gerät eine junge Frau unter den Einfluß eines Hypnotiseurs, und in The Evil Power (1913) wird sie Opfer eines hypnotisierenden Arztes. In Spell of Hypno- tist (1912) erweist sich der Hypnotiseur sogar als Mörder. In Pathés The Hyp- notic Wife (1909) hypnotisiert dagegen eine Frau ihren Mann. In Arthur Robi- sons Schatten (1923) wurde der hypnotisierende Blick in eine Narration einge- bunden, die den voyeuristischen Aspekt des Kinos thematisierte. Robisons Film erzählt von einem Magier, der eine Gruppe hypnotisiert, die aus einer Frau und mehreren Männern besteht, und ihnen, in ihrem eigenen Schattenspiel, das Spiel von Begehren und Eifersucht, vorführt. Die Schatten greifen mit klauenartigen, gierigen Händen nach der jungen Frau, die mit entblößten Ar- men ihre Brüste bedeckt. Mit Hilfe von Hypnose treten die inneren Geister der Triebe als Schatten hervor.1403

Im Phantastischen Stummfilm regierte der hypnotisierende Blick, welcher bei- spiellos das Machtverhältnis der Protagonisten bestimmte oder der, direkt in die Kamera geworfen, das Publikum zu willenlosen Agenten einer Macht er- klärte, die im Zeichen der Medusa stand. In Otto Ripperts Die Rache des Ho- munculus (1916) warf das künstliche Wesen Homunculus einen Blick in die Kamera, der als magischer Strahl ins Publikum fiel. Dämonische Strahlen tra- ten wie zündende Blitze aus dem überdeterminierten Organ dunkler Wesens hervor, dem Magierauge. Die Titelgrafik der Zeitschrift Der Kinematograph zeigte bereits 1907 den magischen ‘Strahlenblick’ der als Magier personifizier- ten Kinomaschine.

1402 1928 entstanden gleich zwei Verfilmungen der Geschichte von Poe, vgl. Kinnard, Horror in Silent Films, a.a.O., S. 213 1403 Nach Kracauer gehörte dieser Film zu den „Meisterwerken des deutschen Films“. Kracau- er, Von Caligari zu Hitler, a.a.O.

382 Herr der Welt

Abb.226: Die dämonische Macht des Kinematographen steckt im Blick des Magiers

Jacques Lacan1404 trennte die Funktion des Auges von der Funktion des Blickes ab und sah im „böse(n) Blick... das ‘fascinum’ das, was durch seine Wirkung die Be- wegung stocken läßt und buchstäblich das Leben tötet.“1405 In gewisser Weise be- schrieb Lacan hier die Funktionsweise der Kamera selbst, die sich ja spaltet in die technische Funktion der Linse - das Auge - und in die Konstruktion eines Bildes - der Blick. Die Kamera konstituiert (wie Auge und Blick), im Verhältnis von Bewegung und Starre, Film und Fotografie. Die Linse des Fotoapparates öffnet sich wie das menschliche Auge, fängt den reflektierten Lichtstrahl ein, und das Bewegungsbild an der Wand der dunklen Kammer erstarrt. Die Ka- mera sendet ihren ‘bösen Blick’ aus und plötzlich stockt die Bewegung, au- genblicklich erstarrt das Leben. Der böse Blick ist der tödliche Blick der Foto- grafie und der willenlos machende Blick des Kinematographen. Das magische Auge wirft seinen hypnotischen Blick und im Banne des unsichtbaren Licht- strahls löste sich das Ich auf.

In den berühmten phantastischen Stummfilmen Das Cabinet des Dr. Caligari (Robert Wiene, 1919/20) und Dr. Mabuse, der Spieler (I und II) (Fritz Lang, 1922) herrschen dämonische Seelenärzte kraft magischer Blicke. Beide sind gleichzeitig gespaltene und verdoppelte faustische Wissenschaftler1406, welche die unheimliche Strahlenmaschine und deren Doppelgängerfunktion personifi- zieren. Bei Neubetrachtung dieser Filme lassen sich vor dem Hintergrund des Faust-Bilddiskurses unbekannte Rezeptionsaspekte herausarbeiten.

In Robert Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (1919/20) trat zum ersten Mal ein Psychiater in einer Hauptrolle auf. Aber nicht er stand im Mittelpunkt des Geschehens, sondern der Somnambule Cesare, den er zu Schau- und For- schungszwecken mißbrauchte. Den Anlaß für das Drehbuch1407 gab offenbar

1404 Vgl. Jacques Lacan, Die Spaltung von Auge und Blick (1964), in: ders., Die vier Grundbeg- riffe der Psychoanalyse, Olten und Freiburg um Breisgau 1978, S. 73-84, S. 80 1405 Ebd. S. 125 1406 Mabuse ist Psychoanalytiker und Bandenchef, Caligari ist Besitzer einer Jahrmarktsbude und Leiter der städtischen Irrenanstalt. In Max Macks Der Andere (1912) war Dr. Haller in einen Rechtsanwalt und einen Kriminellen gespalten. Er konnte von einem Seelenarzt ge- heilt werden. An Seelenärzte scheint die romantische Vorstellung der dämonischen Seele zu haften. 1407 Es gibt wohl keine Filmgeschichte, in der Das Cabinet des Dr. Caligari nicht zu finden ist. Der Film wurde von der Idee her, über die Produktionsbedingungen bis zur Rezeptionsge- schichte bearbeitet. Dabei bezogen sich biographische Details auch auf den Streit der Drehbuchautoren Carl Meyer und Hans Janowitz. Eine Neuverfilmung, die Robert Wiene mit Jean Cocteau in den dreißiger Jahren plante, kam nicht zustande. Die Rechte des Films wurden nach Hollywood verkauft, wo in den sechziger Jahren ein Remake entstand.

Herr der Welt 383 ein ‘elektrischer Mensch‘ den Carl Meyer „auf einem Rummelplatz... gesehen“ hat- te.1408 Kein Wunder, wenn er und Hans Janowitz, der sich für Paul Wegeners Golem-Figur begeisterte, eine Geschichte über eine künstlich belebte Figur schrieben.

Der Film beginnt mit einer sich öffnenden Kreisblende, die sofort den Erzähler einrahmt. Es ist der Student Francis (Friedrich Féher), der mit einem älteren Mann in ein Gespräch vertieft auf einer Parkbank sitzt.1409 Am Ende des Films findet sich Francis in einem Irrenhaus wieder. - Nach Elsaesser wird die „be- sonders komprimierte Erzählökonomie von Das Cabinet des Dr. Caligari (..) deutlich, wenn man die Frage nach dem, was die Charaktere zu ihren Handlungen motiviert, et- was anders formuliert und sie auf ein Konkurrieren um das ‚‘Recht auf Erzählen‘ zu- spitzt.“1410 (Eine Geschichte klingt anders, je nachdem, wer sie erzählt.) Als nächstes wird die weibliche Hauptfigur der Geschichte, Jane (Lil Dagover), eingeführt. Sie geht ihnen vorbei. Ihr weißes Kleid erinnert zugleich an ein Brautkleid und an ein Totenhemd. Francis hält sie für seine Braut.1411

Die Erzählung wird mittels flashback vorangetrieben: Eine weitere Kreisblende zeigt den Ort der Handlung und den Auftritt des Magiers. Auf einem leeren Marktplatz taucht im Bildhintergrund eine gedrungene Gestalt aus dem Boden auf. Es ist Caligari (Werner Krauß), der einen Havelock, dunkle Handschuhe und einen hohen Zylinder trägt. Er hinkt und benötigt einen Stock. Unter seinem Arm klemmt ein altes Buch und in der Hand hält er einen kurzen Stab. (Wie sich zeigen wird, enthält das Buch die magische Formel und der Stab erweist sich als Zauberstab.) Bevor sich die Blende schließt, richtet er seinen Blick spähend ins Publikum.1412 Er trägt eine Brille und einen Bart. In Caligari amal- gamieren offensichtlich die Merkmale der romantischen Teufelsfigur mit denen der Faustgestalt.1413

Der nächste Protagonist, Francis‘ Freund Alan (Hans-Heinz v. Twardowski), wird ebenfalls mittels flashback und Kreisblende vorgestellt. Er sitzt lesend in seinem Studierzimmer (Halbtotale), blickt vom Buch auf und geht interessiert zum Fenster. 1414 Mit einem Mal nimmt er Hut und Mantel und läuft hinaus. Ein Licht-Pentagramm kündigt das Böse an.1415

Zu Das Cabinet des Dr. Caligari vgl. u.a. auch Jürgen Kasten, Der expressionistische Film. Abgefilmtes Theater oder avantgardistisches Erzählkino? Eine Stil-, Produktions- und re- zeptionsgeschichtliche Untersuchung, Münster 1990 1408 Hätte ich das Kino. Die Schriftsteller und der Stummfilm, (Ausstellungskatalog) Marbach am Neckar 1976, S. 358 1409 Klaus Peter Heß, G. Ullmann u.a. legten ein Szenenprotokoll vor. Der erste Zwischentitel lautet: „Es gibt Geister... Überall sind sie um uns her... mich haben sie von Haus und Herd - von Weib und Kind getrieben...“ (Francis Gesprächspartner) Dies., Das Cabinet des Dr. Caligari, Stuttgart 1989. Mit diesem Zwischentitel wird – so Anton Kaes - eine imaginäre Geisterwelt betreten, die sich auch auf das Kino bezieht, vgl. Anton Kaes, Film in der Wei- marer Republik, in: Geschichte des deutschen Films, a.a.O., S. 39-100, S. 47f 1410 Thomas Elsaesser, Das Weimarer Kino – aufgeklärt und doppelbödig, Berlin 1999, S. 81 1411 Schon in der ersten Szene stellt sich ‘die Braut‘ als Fata morgana des männlichen Be- gehrens dar. 1412 Werner Krauß sah sechs Jahre später in der Rolle Scapinellis, in Der Student von Prag (1926), Caligari ziemlich ähnlich. Nach Kurt Tucholsky war Krauß als Caligari nur ein „di- cker Kobold“. Kurt Tucholsky, Filmbesprechung, in: Die Weltbühne, 1.3.1920, Zit. n. Film und Foto. Eine Ausstellung des deutschen Werkbundes, Stuttgart 1929, Rekonstruktion des Filmprogramms, Berlin 1988, S. 46 1413 Ebd. 1414 Im Szenenprotokoll heißt es: „Er dreht den Kopf kurz nach hinten in Richtung des Fen- sters (off), schaut dann wieder unruhig auf das Buch, die Lippen leicht bewegend, und wendet den Kopf.“, Heß, Das Cabinet des Dr. Caligari, a.a.O., S. 16 1415 Das Licht war hier wie in anderen Szenen gemalt.

384 Herr der Welt

Abb. 227: Dämonisches Licht. Robert Wiene, Das Cabinet des Dr. Caligari, 1919/20

Wie Alan offenbar bemerkte, hat der Jahrmarkt begonnen, und er holt Francis hierzu ab. Parallel begibt sich Caligari zum Stadtamt, um eine Schaustellerli- zenz zu erwerben. Das Amt ist von gotischer Höhe und läßt Menschen unter- tänig klein erscheinen, wie auch die überhöhen Arbeitsstühle der städtischen Angestellten. - Caligari besticht einen Bediensteten und wird beim Stadtsekre- tär vorgelassen. 1416 Als dieser ihn überheblich abfertigt, verdüstert sich sein Gesicht und zornig umklammert er den Knauf seines Stocks. In dieser Szene begegnen sich der (All-)Macht(s)anspruch des Staates und der „Herrschertrieb Caligaris“ (Kracauer). Die Macht der Magie steht der Macht der Verwaltung entgegen, die sich schon in der Darstellung des Gebäudes ausdrückt. - In der Nacht wird der Stadtsekretär ermordet.1417

In der folgenden Sequenz eröffnet Caligari seine Schaubude, in der Cesare (Conrad Veidt), ein Somnambuler, etwa eben so alt wie Francis und Alan, die Zukunft voraussagt. Caligari vor seiner Bude, er schlägt eine Glocke und rollt ein lebensgroßes Bild Cesares aus.1418 Der Zwischentitel lautet: „Hereinspaziert! Hier ist zum ersten Male zu sehen--- Cesare, der Somnambule! Cesare, das Wunder--- Dreiundzwanzig Jahre alt, schläft seit zweiundzwanzig Jahren --- ununterbrochen--- Tag und Nacht. Cesare wird vor ihren Augen aus der Totenstarre auferstehen--- Herein- spaziert!“ Mit dem Alter Cesares scheint der Film auf das Entstehungsdatum des Kinematographen anzuspielen. Kaes verglich den Schaubudenbesitzer

1416 Die Bestechung erscheint als magische Geste, die das dämonische Wesen Caligaris unterstreicht. Jürgen Kasten sah hierin eine „holzschnittartige Konterbewegung“, Kasten, Der expressionistische Film, a.a.O., S. 47 1417 Der autoritäre Charakter Caligaris, der sich in dieser Szene zu verdoppeln scheint, wurde mehrmals mit dem autoritären Staatssystem verglichen. Thiele zufolge, stellte Hans Ja- nowitz in seinen „Erinnerungen an Caligari im New Yorker Exil... nachträglich einen Zu- sammenhang zwischen dem Film und der damaligen Staatsautorität“ her. Thiele, Die dunklen Seiten, a.a.O. S. 353. Kracauer unterstrich, daß Robert Wiene, Carl Meyer und Hans Janowitz, „die verhängnisvollen Tendenzen“ durchschauten, die „dem deutschen (Herrschafts-)System innewohnten. Im Charakter Caligaris sind die Tendenzen zu Ende geführt; er versinnbildlicht unbegrenzte Autoritätssucht, die die Macht als sol- che vergöttert und in ihrem Herrschertrieb alle menschlichen Rechte und Werte unbarmherzig mit Füßen tritt.“ Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 73. Dies erschien widerum Kasten als „eine der kühnsten und interessantesten Thesen der Filmgeschichte.“ Kasten, Der expressionistische Film, a.a.O., S. 40f 1418 Das Bild Cesares verdoppelt und verdeckt die Erstarrung Cesares.

Herr der Welt 385

Caligari mit einem Kinematographenbesitzer, denn er erweckt Cesare, sein „‘Schaustück’,... zum Leben (..). Wie Caligari sein Medium, so haben die Kinema- tographenbesitzer der ersten fünfzehn Jahre ihre laufenden Filmbilder (ihr ‘Medium’) auf Jahrmärkten in behelfsmäßigen Zeltbuden als Sensationen vorgeführt; wie Caligari er- schienen sie als Zauberer, da sie in der Lage waren, dem statischen fotografischen Me- dium Leben einzuhauchen. Daß dieser Vorgang, so leicht er sich durch Physik, Chemie und Optik erklären ließ, Assoziationen von Magie, unerlaubter Schwarzer Kunst und ge- spenstischem Schöpfungsakt hervorrief, braucht nicht zu verwundern.“1419

Francis und Alan treffen vor Caligaris Schaubude ein. - Der erste Auftritt des wahrsagenden Schlafwandlers wird zur dramatischen Bühneninszenierung: Ein Vorhang öffnet sich, und zeigt Caligari, der auf einen aufrecht stehenden Sarg weist, auf dem der Zauberstab liegt, den er augenblicklich ergreift. Auf sein Zeichen hin, öffnet sich die Kiste, und Cesare ist zu sehen. Die geschlos- senen Augen sind dunkel überzeichnet. Schmale schwarze Hose und enger gestreifter Pullover komplettieren die Marionettenfigur, die er darstellt. Der ge- streifte Pullover erinnert an den Rollfilm, und gleichzeitig an das Tuch, unter dem Méliès eine Frau verschwinden ließ. (Der Film ist eben ein Endlosband der Fremdbelebung.)

Abb. 228: Caligari belebt Cesare. Werner Krauß als Dr. Caligari, Conrad Veidt als Cesare

Mit dem Zauberstab deutet Caligari auf Kopf und Füße des Mediums und ruft dessen Namen. Sacht öffnet es die Augen. Auf einmal reißt es die Augen groß auf und wirft einen stechenden Blick ins Publikum, bereit Fragen über die Zu- kunft zu beantworten.

Vor den Studenten Francis und Alan wird die Vorführung zur Darstellung der Abhängigkeit des Sohns von einem despotischen Vater. Fremdbelebt ist er Zeichen der väterlichen Allmacht. Der Vater, der ihn mit seinem Zauberstab di- rigiert, erscheint als finsterer Dämon und sein Reich als Hölle patriarchalischer Macht. Der Sohn scheint dem Vater nicht gewachsen, folglich verkörpert er ebensowenig wie das Monster Frankensteins sein (Wunsch-)Bild. Der Schreck, der sich in dieser Vater-Sohn-Konfrontation niederschlägt, ist die Darstellung eines hörigen Sohns, der als williger Agent des Vaters funktioniert. Die Szene kann in Beziehung gesetzt werden zum faustischen Motiv der Ver-

1419 Kaes, Weimarer Republik, a.a.O., S. 47

386 Herr der Welt jüngung, denn in Cesare präsentiert Caligari einen verjüngten Teil seiner selbst: Der zum Phallus des Vaters degenerierte Sohn. Dieses Verhältnis wird von einem späteren Bild unterstrichen, das Caligari zeigt, der den im Sarg sit- zenden Cesare füttert. Nach Kasten war „Dr. Caligaris Besessenheit (..) verbunden mit einer ebenso zärtlichen wie brutalen Pädophile gegenüber Cesare.“1420 Der steife Scheintote in seinem Sarg wird allerdings ähnlich wie auch Dracula eher zum Zeichen totaler Nekrophilie.

Alan stellt Cesare die provokative Frage: „Wie lange werde ich leben?“1421 Die An- wort des Mediums kommt prompt: „Bis zum Morgengrauen.“1422 Fluchtartig verlas- sen sie die Schaubude. Zum Symbol des nahenden Todes wird ein Nacht- wächter, der das Bild durchquert, eine Laterne anzündet und den beiden Freunden einen nicht mehr kommenden Morgen verkündet. Durch einen Aus- hang erfahren sie vom Mord am Stadtsekretär. Alan greift erschrocken Francis Arm und zieht den Freund näher zu sich heran. Im Augenblick ihrer Berührung tritt im Schein der nächtlichen Laterne beider Auserwählte Jane auf. Sie neh- men sie in die Mitte, und in ihrer Unentschiedenheit wird sie zum endgültigen Todesengel. - Ein Schnitt führt zu Caligari zurück, der durch einen Spalt in der Zeltwand den Vorstellungsraum inspiziert. Ein weiterer Schnitt zeigt wieder die beiden Freunde, die einander versprechen, sich wegen Jane nicht zu verlas- sen. Ein Blick in die Augen und ein fester Händedruck besiegeln das Verspre- chen. - Alan ist bereits zu Bett gegangen, als sich plötzlich ein Schatten über ihn wirft. Seine Hände greifen in die Luft, ein Messer wird sichtbar, und im Kampf der ringenden Silhouetten wird der Mord zum „Schattenspiel an einer grau- en Wand.“1423

Francis glaubt Cesare sei Alans Mörder und über Janes Vater, Medizinalrat Ol- fen, erwirkt er eine Ermächtigung, den Somnambulen zu befragen.1424 Olfen und Francis suchen Caligari auf, aber im Moment ihres Eintreffens kommt die Nachricht von der Verhaftung des angeblichen Mörders und sie kehren unver- richteter Dinge um. Auf der Suche nach ihrem Vater und Francis kommt auch Jane zu Caligari. Elsaesser unterstrich den Exhibitionismus, welcher der Sze- ne dieser Begegnung anzuhaften scheint: „Er winkt Jane hinein, zeigt ihr die auf- recht stehende Kiste, öffnet sie schwungvoll und enthüllt die starre Gestalt Cesares, der, als sie sich ihm nähert, die Augen aufschlägt, woraufhin sie einen Moment vor Fas- zination erstarrt, bevor sie sich mit einem erschrockenen, verzweifelten Gesichtsaus- druck losreißt. Die sexuellen Konnotationen dieser Szene sind unübersehbar.“1425 - Ca- ligari führt Jane zu Cesare, der die Augen aufschlägt und sie durchdringend ansieht. Sie läuft erschrocken davon. In der Nacht beobachtet Francis das Ca- binet Caligaris. Von ihm unbemerkt kann sich Cesare hinausschleichen. – In Janes Schlafstube richtet er das Messer gegen die Schlafende, kann aber nicht zustechen. (Jane und Alan werden auch im Tod kein Paar.) So überwäl- tigt er sie und schleppt sie fort. Verfolgt von Janes Vater und anderen, läßt Ce-

1420 Kasten, Der expressionistische Film, a.a.O., S. 134 1421 Es ist dieselbe Frage, die der Replikant Roy Batty (Rutger Hauer) seinem Schöpfer Dr. Tyrell (Joe Turkel) in Ridley Scotts Blade Runner (1982) stellt. 1422 Sprache im Stummfilm bekommt durch das Frage- und Anwortspiel dieser Szene – aber auch durch die namentliche Anrufung Cesares - eine metaphorische Bedeutung. 1423 Tucholsky, Filmbesprechung, a.a.O., S. 46 1424 Die Grenzorte Jahrmarkt und Irrenhaus werden gegen den bürgerlichen Haushalt der Ol- fens sowie gegen die rigide Stadtverwaltung, die Polizei und das Gefängnis gestellt. E- benso wird mit Medizinalrat Olfen, Caligari ein bürgerlicher Vater und mit Francis, Cesare ein bürgerlicher Sohn entgegengestellt. Nach dem Tod Alans führte Jane ihren Vater und Francis zusammen. Sie wird zur Grenzgängerin zwischen den gegensätzlichen Vater- Sohn-Paaren und verbindet und trennt gleichzeitig die Freunde Alan und Francis. 1425 Elsaesser, Das Weimarer Kino, a.a.O., S. 81

Herr der Welt 387 sare sein Opfer fallen und bricht tot zusammen. - Parallel verfolgt Caligari, wie die Polizei den Sarg Cesares öffnet und feststellt, daß darin nur eine lebens- große Puppe nach Cesares Bild liegt.

Caligari flüchtet und wird von Francis bis zur städtischen Irrenanstalt verfolgt. In ihrem Direktor erkennt Francis Caligari, der überwältigt und unter Beobach- tung gestellt wird. Das Arbeitszimmer Caligaris entspricht Fausts Studierstube und ist mit entsprechenden Utensilien ausgestattet: Skelett, alte Bücher und andere Forschungsutensilien. Francis schlägt das oberste Buch auf. Sein Ti- tel: „Somnambulismus. Ein Sammelwerk der Universität Upsala, herausgegeben im Jahre 1726.“ Das Buch enthält die Geschichte von Cesare und Caligari ins 18. Jahrhundert nach Oberitalien versetzt. Er schlägt ein weiteres Buch auf, es ist Caligaris Tagebuch.1426 Eine Kreisblende schließt sich um das Tagebuch und leitet einen flashback im flashback ein, der Caligari als Direktor hinter seinem Schreibtisch zeigt. Ein Arzt meldet ihm die Einlieferung eines Somnambulen. Es ist Cesare, der im Rollstuhl hineingefahren wird. Ein Bild des Lesenden un- terbricht die Rückblende. Sie wird wieder aufgenommen durch eine weitere Kreisblende, die sich oben rechts schließt und unten links öffnet. Auch hier verweisen die über Kreuz sich öffnenden und schließenden Kreisblenden auf die christlichen Insignien, die der Teufelsmacht entgegengestellt werden. (Eine Funktion, die später der Zoom übernimmt.)

Die folgende Einstellung zeigt Caligaris, der das Buch über Somnambulismus ergreift und in die Nacht hinausläuft. Schon in Goethes Faust I monologisiert der Magier:

„Und dies geheimnisvolle Buch / Von Nostradamus’ eigner Hand / Ist Dir es nicht Geleit genug?“ 1427

Am schwarzen Himmel erscheinen plötzlich die Worte: „Du mußt Caligari wer- den!“ Sie verschwinden wieder, stehen dann auf einer Mauer, schließlich über- all. Der Name windet sich in der Abfolge der Buchstaben wiederholt um einen Baumstamm. Der Irrenarzt hält das Buch über den Kopf1428 und eilt ins Haus zurück. Eine Kreisblende rahmt als Zeichen seiner Verwandlung vom Irrenarzt zum Magier das Wort Caligari ein, bevor sie sich nach oben links schließt. Nach Frieda Grafe war Caligari ein Opfer seines Buches. Sie schrieb: „Ich muß Caligari werden, zuckt es in ekstatischen Schriftzügen um Caligari herum und treibt ihn zum Mord. Der Hypnotiseur Caligari ist selbst Hypnotisierter. Er ist das Opfer seines Buches."1429

Erneut öffnet sich eine Kreisblende und der flashback im flashback ist beendet. Francis schaut vom Tagebuch auf. Ein Bote kommt herein und teilt Cesares Tod mit. Francis läuft dem Leichentransport entgegen. Als sie zurück in die Anstalt kommen, sitzt Caligari wieder an seinem Schreibtisch. Der tote Cesare wird hereingetragen, und Caligari stürzt sich schluchzend auf ihn. Als er wü- tend die anderen angreift wird er in eine Zwangsjacke gesteckt und einge- sperrt. Eine riesige Tür schließt sich hinter ihm. Francis bleibt allein auf dem unwirklichen Flur zurück. Eine Kreisblende schließt sich um ihn, und der

1426 Der Zwischentitel lautet: „12. März... Endlich... endlich!... Heute meldete man die Ein- lieferung eines Somnambulen.“ 1427 Goethe, Faust I, V. 419-421. 1428 In Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage (1926) nimmt Faust das entscheidende Buch mit zum Schauplatz der Beschwörung und hält es sich ebenso über den Kopf. 1429 Frieda Grafe, Enno Patalas, Im Off. Filmartikel, München 1974, S. 244

388 Herr der Welt

Schauplatz wechselt zur Rahmenhandlung zurück. Francis schließt seine Er- zählung mit den Worten ab (Zwischentitel): „Und seit dieser Zeit hat der Wahnsin- nige die Zelle nicht mehr verlassen.“

Die letzte Sequenz zeigt den Hof der Irrenanstalt, auf dem Patienten umherge- hen. Eine Frau spielt mit einer Puppe, ein Mann steht verloren herum. In einem Stuhl sitzt Cesare. Er erhebt sich. Auch Jane ist da, sie sitzt regungslos auf einem Thron, der mitten in einem Strahlenstern steht.1430 Nun erscheint auch Caligari wieder. Er ist ein freundlicher älterer Arzt und der Anstaltsleiter. Fran- cis ist außer sich (Zwischentitel): „Ihr glaubt alle, ich sei wahnsinnig! Es ist nicht wahr. Der Direktor ist wahnsinnig.“ Indem er sich auf ihm stürzt, ruft er aus: „Er ist Caligari!“ Ärzte stecken Francis in eine Zwangsjacke und bringen ihn in ein Krankenzimmer. Der Anstaltsleiter legt beruhigende seine Hand auf Francis Stirn und teilt mit: (Zwischentitel) „Endlich begreife ich seinen Wahn. Er hält mich für jenen mystischen Caligari --! Und nun kenne ich auch den Weg zu seiner Gesundung--!“

Ein weiteres Mal tritt eine Verschmelzung von Teufelsgestalt und Kino hervor, die im Bild des Magiers ans Licht kommt. Der Arzt Caligari amalgamiert mit der Teufelsgestalt Caligari, die sich offensichtlich in Cesare verjüngt. Cesare steht schon wegen seines Alters in Beziehung zu Francis und Alan. Er kann auch als ihr Schatten gelten. Elsaesser unterstrich die Rolle Cesares als Dop- pelgänger von Francis, weil dieser Alan, seinen Rivalen um Jane, tötete.1431 Durch Cesare mischt sich der begehrende Caligari radikal in die Werbung um die junge Frau ein.1432 Nach Elsaesser ist der Film „auf männliche und weibliche ödipale Szenarien zentriert.“1433 Aber Jane ist nur die Braut, die Fata morgana des männlichen Begehrens. Wie es das Ende des Films verdeutlicht, spielt sich der Konflikt zwischen jungen und alten Männern ab. Es geht um eine tödliche Dreiecksgeschichte, einen erbarmungslosen Vater-Sohn-Konflikt, der sich im faustischen Motiv der Verjüngung darstellt. Zweifelslos gewinnt hier der Alte am Ende den Konflikt, nicht zuletzt, weil Jane Francis nicht erwählt. Die Söhne re- bellieren erfolglos gegen das verdoppelte Vaterbild (Olfen/Caligari). Im Über- gang vom Guten zum Bösen erschien schon in Lessings Faustbearbeitung das Lichtbild des Teufels. Himmel und Hölle werden hier im Sinne romanti- scher Teufelsvorstellungen gegen den klaren und den wirren Verstand einge- tauscht. Die Vorstellung der teuflischen Seele scheint an Caligaris Profession als Seelenarzt zu haften. 1434 Die leidende Seele tut sich als verschlingender Abgrund (der Kreisblende) auf.

1430 Francis sagt (Zwischentitel): „Sehen Sie... das ist Cesare... lassen Sie sich niemals von ihm wahrsagen, sonst sind Sie tot...“ Francis geht auf Jane zu und spricht sie an (Zwischentitel): „Jane... Ich liebe Sie... wollen sie nicht endlich meine Frau werden?“ Sie antwortet apathisch (Zwischentitel): „Wir Königinnen dürfen nicht nach unseren Her- zen wählen...“ (ein happy ending zwischen Mann und Frau bleibt aus.) 1431 Elsaesser, Das Weimarer Kino, a.a.O., S. 82 1432 Für Elsaesser gibt es auch eine Geschichte Janes, ebd. S. 83 1433 Ebd. Bei genauer Betrachtung stellt sich die (ödipale) Beziehung Janes zu ihrem Vater allerdings als ‘Blick der Söhne‘ dar, denn Olfen, der gute, bürgerliche Vater, steht Caligari, dem bösen, triebhaften Vater, gegenüber. Das Fehlen der Mütter stellt Jane an den Platz Marias. 1434 Die Rolle des Psychiaters im Film untersuchte u.a. Annette Kaufmann, Angst. Wahn. Mord, a.a.O. Zur Psychiatrie im Film vgl. Caligaris Erben. Psychiatrie im Film, hrsg. Katholi- sches Institut für Medieninformation, Bonn o.J.. Die Darstellung des ‘Wahnsinns‘ wurde auch mit der Machart des Films in Zusammenhang gebracht. Nach Jens Thiele entfaltete der Film eine „spezifische Ästhetik der gemalten Seelenlandschaft“, welche „die dunklen Seiten der Seele“ Caligaris unterstrich (Jens Thiele, Die dunklen Seiten der Seele. Das Cabinet des Dr. Caligari, in: Fischer Filmgeschichte Bd. 1, a.a.O., S. 344-360, S. 347) Nach Schmidt führte in Das Cabinet des Dr. Caligari gar ein „schrecklicher Alptraum... den Pin- sel“. (Schmid, Fenster zum Tod, a.a.O., S. 99. )

Herr der Welt 389

Der Zuschauer erscheint verloren im Strudel eines undurchdringlichen Bezie- hungsgeflechts. Die Decla-Filmgesellschaft warb für Das Cabinet des Dr. Ca- ligari mit ungewöhnlichen Aktionen. In Anzeigen und auf Plakaten wurde nicht etwa ein neuer Film angekündigt, sondern es war die Forderung zu lesen: „Du mußt Caligari werden.“1435 Eine moderne Werbekampagne, die dem expressionis- tischen Stil des Films zu entsprechen schien.1436 Ein Plakat zeigt, wie der ora- kelhafte Imperativ auf einen Sternengrund sinkt, während von unten zwei aus- gemergelte Hände nach den Worten greifen.

Abb. 229: Filmplakat, Das Cabinet des Dr. Caligari

Die Aufforderung: „Du mußt Caligari werden!“, bestimmte auch die Anzeigen im Film-Kurier. Der Satz erscheint wie weggerissen von der Zentripetalkraft eines Strudels, der sich in einem verschlingenden Zentrum auflöst. Ein spiralförmiger Sog, ein verschlingender Kreis, der sich im resorbierenden Auge des Kinogän- gers zentriert. Die schwindelerregenden Umdrehungen wiederholt der Film mit seinen vielen Kreisblenden und mit seinen Schauplätzen, Jahrmarkt und Irren- haus. Der Jahrmarkt und das Irrenhaus können als Orte äußeren und inneren

1435 Vgl. Kasten, Der expressionistische Film, a.a.O., S. 176 sowie Meret Ernst, Regie der Ver- führung. Vortechnischer Bildstil im expressiven Stummfilmplakat, in: Das Filmplakat, (Aus- stellungskatalog) hrsg. v. Wolfgang Beilenhoff und Martin Heller, Zürich, Berlin, New York 1995, S.64-79, S. 72f 1436 Caligari gilt als der erste expressionistische Film.

390 Herr der Welt

‘Schwindels’ betrachtet werden. Der Jahrmarktsbesucher, der sich auf einem Karussell dreht oder in Caligaris Cabinet den Kopf verdreht bekommt, verliert - zumindest für einen kurzen Moment - ebenso die Orientierung wie der Geis- teskranke in puncto Realität. Der Schwindel des sich drehenden Kreises bringt einen Identitätsverlust hervor, der sich von der Filmwerbung auf die Situation des Kinogängers übertragen läßt. Gertrud Koch unterstrich den Zusammen- hang von Kreis, Strudel und Chaos als „die mentale Dimension des Kreises, der sich in der Form der Kreisblende als Strudel und Chaos erweist, inhaltlich an den Jahr- markt und den Drehorgelmann anknüpft.“ 1437

Sowohl in Das Cabinet des Dr. Caligari wie etwa auch in Alfred Hitchcocks Vertigo (1958) wurde der Phantastische Film zum Beziehungskarussell, das einen verschlingenden Bildprozeß in Gang setzte, der schon im Lebensrad seinen Bildablauf gefunden hatte.

Abb. 230: Phénakistiskop-Scheibe, Mitte 19. Jahrhundert

Der Mittelpunkt verläßt seine Position und fliegt als Ball in einen sich öffnenden Mund, während sich ein Vogel auf dem Kopf niederläßt. Der Vogel fliegt wieder davon und verläßt den Körper wie eine Seele, die sein Bild so häufig symboli- siert. Der stumme Schrei (des Stummfilms) wird durch die Zentripetalkraft er- stickt, und der Abgebildete verschwindet im Zentrum der bildhaften Bewegung.

Die Kreisblenden in Caligari stellten für Kracauer (so Gertrud Koch) ein „menta- les Symbol für Chaos“1438 heraus. Dies war „ein Moment der Regression in eine litera- rische Vorstellung von Freiheit, die ihrer politischen Dimension des freien Handelns zu- widerläuft.“ Der Phantastische Stummfilm Das Cabinet des Dr. Caligari schien ein Chaos anzustreben, das bereits der ‘verschlingende’ Imperativ an den Lit- faßsäulen zum Ausdruck brachte. Caligari zu werden, bedeutete aber nicht nur ins Kino zu gehen, sondern es bedeutete, wie Caligari Cesare zu beleben. A- ber der Kinobesucher fällt eher in einen ähnlich somnambulen Zustand und wird fremd belebt wie Cesare, bis der Film vorüber ist und das Saallicht an- geht. Caligari wandte hypnotische Kräfte an, um Cesare zu seinem Werkzeug zu machen. Eine ähnliche Wirkung scheint das Kino auf die Zuschauer zu ha- ben. Frieda Grafe sprach von „Seelenlenkung“, die das Kino ermöglicht.1439 Und

1437 Gertrud Koch, Kracauer zur Einführung, Hamburg 1996, S. 115 1438 Ebd. 1439 Grafe, Patalas, Im Off, a.a.O., S.242

Herr der Welt 391

Jens Malte Fischer ging wie Kracauer davon aus, daß das Kinoerlebnis einen „Traumcharakter“ habe und eine „Regressionssituation“ bewirke, gleich der „hypnoti- schen Wirkung des leuchtenden Dreiecks."1440 Caligari ist - soviel ist gewiß – das Kino selbst und der Taumel, den es hervorzubringen vermag.

Neben den Spiralen und dem Sog der verschlingenden Kreisbewegungen läßt sich eine zweite eigenständige Bewegungsstruktur des Films an den gemalten Kulissen festmachen. Hermann Warm, Walter Röhrig und Walter Reimann entwarfen ein Bühnenbild aus aperspektivische Linien, Bögen oder Zacken auf den Wänden und bizarre Bauwerke aus Sperrholz oder Pappmaché.1441 Alle Plätze, Räume und Häuser weiten sich zu ungleichen, verzeichneten Winkeln. Der gesamte Dekor und die Raumgliederung markieren eine eigene Lebendig- keit und war auf Bewegung angelegt, die nichts anderes umzusetzen schien als die Vorstellung einer bildhaften Verlebendigung. Expressionistische Malerei - auch entstanden in Auseinandersetzung mit Naturalismus und Fotografie - ging mit einer Vorstellung von ‘Bewegung’ einher, die sich nun in den Filmku- lissen als eigenständige ‘Bewegungsbilder’ entfalteten und dem Filmbild uner- wartet als auflösende Verdopplung entgegentraten. Die ‘verlebendigte’ Kulisse war zum sichtbaren Träger des Geheimnisses Film geworden. Nach Frieda Grafe und Enno Patalas führten Hermann Warms „verlebendigte Zeichnungen“, die „den Expressionismus wörtlich (nehmen)“, das bewegte Bild völlig ad absurdum. Sie schrieben: „Wenn man Bewegung empfindet auf expressionistischen Bildern, liegt es am Rahmen, an der angehaltenen Bewegung, die ihn zu sprengen droht, an der Spannung zwischen Ruhe und Bewegung. Diese Malerei zu animieren kommt der Erle- digung ihrer Basis gleich. Wie die Photographie den Naturalismus überbot, wird in Cali- gari die bewegte Malerei durchs bewegte Bild ad absurdum geführt.“1442 Die Bühnen- malerei verdoppelte die Bewegung der Filmbilder; eine Addition, die ihr Gleich- nis wiederum in den somnambulen Bewegungen Cesares fand, animiert von Caligari und seiner Verdoppelung. Seit Georges Méliès‘ Gemälden, die etwa Fausts Höllenfahrt zu einer bewegten surrealen Reise zwischen Bildmedien machten, war im Film keine Kulissenmalerei als eigenes Stilelement mehr zu sehen. In Das Cabinet der Dr. Caligari ist sogar das Spiel von Licht und Schat- ten gemalt. Diese Stimmungsinszenierung verweist deutlich auf die Malweise Méliès’, der unterschiedliche Grauabstufungen benutzte.

Schon seit der Spätantike war die Bedeutung der Lichtabstufung für die Stim- mung der Bühneninszenierungen von großer symbolischer Bedeutung. So galt das Verringern des Lichtes als Einbuße der Schönheit. Das Verdunkeln zeigte ein „Absinken in der Stufenordnung des Seienden“ an.1443 Pointiert gesetztes Licht war im Kino von Anfang an Stimmungsträger. Die bildhafte Verkündung des Bösen durch Lichtsetzung war insbesondere im stummen Phantastischen Film zu einer großen Kunst geworden. Eine Kunst, deren Bedeutung Lotte Eisner unterstrich, als sie auf Ripperts Hell-Dunkel-Effekte in Homunculus verwies.1444 Im stummen Spielfilm stellte sich Luzifer, der Lichtbringer, eben in dieser Ordnung dar, wenn er als Schatten im Dunkeln verschwand oder aus der Dunkelheit auftauchte und im grellen Licht des Tages unterging. Das ge- malte Helldunkel schien in Caligari aber nur ein theatralisches Gleichnis zu sein und neben der Scheinwerferbeleuchtung zu stehen, die den Gesetzen der

1440 Jens Malte Fischer, Filmwissenschaft-Filmgeschichte, Tübingen 1983, S. 40 1441 ‘Zacken’ bestimmen die Stuben der beiden Studenten Alan und Francis, ‘Bögen’ das Wohnzimmer der Olfens. 1442 Frieda Grafe, Enno Patalas, Doktor Caligari gegen Doktor Kracauer oder Die Rettung der ästhetischen Realität, in: Grafe, Patalas, Im Off, a.a.O., S. 159-163, S. 162 1443 Anke Wiegand, Die Schönheit und das Böse, München und Salzburg 1967, S. 32 1444 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 27

392 Herr der Welt

Lichtinszenierung folgte, wonach die Helligkeit das Gute und Schöne heraus- stellte, während die Dunkelheit das Böse und Häßliche verbarg. Nach Salomon Prawer faßte Das Cabinet des Dr. Caligari das „Genre der Angst“ zusammen und entwickelte es gleichzeitig weiter.1445

Das Anagramm macht aus Medusa Mabuse. Wenn auch der Augenzeuge ei- ner Begegnung mit Mabuse nicht zu Stein erstarrt, versteinert doch seine See- le und er wird zum willenlosen Agenten des dämonischen Kriminellen. Die bei- den Magierfilme Das Cabinet des Dr. Caligari und Dr. Mabuse, der Spieler be- nutzen als formales Prinzip scheinbar gegensätzliche Mechanismen, die sich jedoch bei näherer Betrachtung als zusammengehörig erweisen. Mabuse und Caligari ergänzen sich wie das verschlingende Auge und der hypnotische Blick. Während in Das Cabinet des Dr. Caligari im Zentrum der Kreisblende eine Zentripetalkraft steht, die das Filmbild zu einem verschlingenden magischen Auge erklärt, wird in Dr. Mabuse, der Spieler der Blick zum schneidenden Strahl, der schon zu Beginn des Films wie eiserne Schienen das Land durchtrennt, denen der fahrende Zug folgt. Hinter der Maschine, welche die Vorwärtsbewe- gung erzeugt, klemmen Waggons wie einzelne Filmbilder. Sie werden in Be- wegung versetzt durch schwarze Schnitte, die wie Kopplungen funktionieren. Bei Fritz Lang beginnt Dr. Mabuse, der große Spieler - Teil I: Ein Bild der Zeit mit der Totale eines fahrenden Zuges, der das Bild in der Mitte teilt.

Abb. 231: Der Fernschnellzug. Fritz Lang, Dr. Mabuse, der Spieler, 1922

Ein Schnitt dringt in das Innere eines Waggons ein und zeigt im Hintergrund das Zugfenster, dessen Vorhänge geöffnet sind, so als eine Leinwand für den folgenden Film bereitsteht. (Gleichzeitig wird die Realität ausgesperrt, die wie ein Film im Film vorbeifließt.)

1445 Salomon Prawer, Caligari’s Schildren. The Film as Tale of Terror, New York 1980

Herr der Welt 393

Abb. 232: Das Innere des Wagens

Auf den Fensterplätzen sitzen sich zwei Männer gegenüber. Neben dem einen liegt eine Aktenmappe, durch deren Leder die inwendigen Papiere sichtbar werden: „Contract commercial“. Nach einem Blick auf seine Uhr - es ist zwanzig nach acht - fällt ein Mann über den anderen her, erwürgt ihn, raubt ihm seine Aktentasche und wirft sie zum Fenster hinaus. Sie fällt auf den Rücksitz eines offen fahrenden Autos, das soeben die Zuglinie unterquert hat. Etwas später springt der Mörder selbst aus dem Zug. Eine erste Kreisblende umschließt ei- nen weiteren Mann, der von einem Telefonmast aus Dr. Mabuse bestätigt, daß die Aktion gelungen ist.

Rudolf Klein-Rogge verkörperte Doktor Mabuse ähnlich dämonisch wie fünf Jahre später den Erfinder Rotwang in Langs Metropolis (1926). Das erste Bild Mabuses zeigt ihn in seinem Ankleidezimmer, das an die Garderobe eines Verwandlungskünstlers erinnert. Seine Dämonie scheint sich mit dem Können zu verbinden, wie ein Schauspieler in jede beliebige Rolle schlüpfen zu kön- nen. (Auch der christlichen Teufelsgestalt wurde ja zugesprochen, sie könne jede Gestalt annehmen.) Pesch (Georg John) schneidet ihm das Haar. Mabu- se blickt auf seine Uhr und greift langsam zum Telefonhörer. Er nimmt den Hö- rer ab. Sein düsterer Blick geht rechts an der Kamera vorbei und steht im Kon- trast zu seiner hellen Erscheinung (weißes Hemd, helles Haar). Die Augen lie- gen tief, die Augenbrauen sind buschig und dunkel. Er senkt den Hörer und den Blick. Der Plan war perfekt und wird auf die Sekunde genau ausgeführt.

Deleuze1446 klassifizierte drei Spielarten des Films, die sich durch Montage mi- schen: Wahrnehmungsbilder, Aktionsbilder und Affektbilder. Danach ist das Af- fektbild im allgemeinen von Großaufnahmen bestimmt, während das Wahr- nehmungsbild den Blick und das Aktionsbild den Plot lenkt. Als bemerkenswer- tes Beispiel für ein Aktionsbild stellte Deleuze die berühmte Anfangsszene des Mabuse Films heraus: „Eine in Raum- und Zeitsegmenten organisierte Handlung mit synchron laufenden Uhren, die den Mord im Zug skandieren, dem Wagen, der das ge- stohlene Dokument davonträgt und dem Telefon, über das Mabuse benachrichtigt wird. Das Aktionsbild bleibt von diesem Muster so sehr geprägt, daß es in der Schwarzen Serie sein Lieblingsmilieu und im Banküberfall das Ideal einer minutiös zerlegten Hand- lung finden wird.“1447 Das Aktionsbild ist die Exposition und leitet in die Erzählform

1446 Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, a.a.O., S. 101 1447 Ebd.

394 Herr der Welt des Films ein, der eher in Sequentierungen und Spiralen angelegt ist. Die ein- zelnen Akte führen nicht zu einem zentralen Höhepunkt. In Sinne Deleuze läßt sich sagen, Fritz Lang knüpft Aktionsbild an Aktionsbild.1448

Das nächste Bild Mabuses1449 zeigt ihn hinter seinen Schreibtisch.1450 Im Schuß-Gegenschuß erhält er Rapport. Er setzt eine Pelzmütze auf, zieht ei- nen dunklen Mantel an und verläßt das Haus. Die diabolischen Attribute sind mit dem Gehstock, den er trägt, wieder vollständig. Ein einbeiniger Bettler, der auf ihn zu tritt, erweist sich als Bandenmitglied. Mabuses Chauffeur Georg (Hans Albert Schlettow) fingiert einen Verkehrsunfall, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Die äußere Welt scheint mit Gestalten durchsetzt, die unter Mabuses Einfluß stehen. Während des Verkehrsstaus steigt Mabuse in ein an- deres Auto um. Groß zeigt die Kamera das Fahrzeuginnere. Durch das hintere kleine Fenster dringt nur wenig Licht in den dunklen Innenraum des Fahrzeugs, so daß der Eindruck entsteht, Mabuse betritt eine dunkle Höhle.

Abb. 233: Mabuse besteigt die dunkle Autohöhle. Rudolf Klein-Rogge als Dr. Mabuse

Die Aktentasche wird ihm übergeben, und mit dem geheimen Inhalt inszeniert Mabuse einen Börsenkrach.

Im ersten Akt verkörpert Mabuse einen (kriminellen) Industriellen. Er wird an den Schauplätzen Villa, Fabrik und Börse gezeigt. Sein Machtbereich ist die moderne Großstadt der zwanziger Jahre. Gleichzeitig haften ihm die Attribute einer Teufelsgestalt an. Der diabolische Unternehmer ist der Kopf einer gut or- ganisierten Verbrecherbande, die Falschgeld und Drogen herstellt. Unter der Aufsicht des Bandenmitglieds Hawaschs (Karl Huszar) drucken Blinde1451 in ei- ner unterirdischen Werkstatt Falschgeld, und in seinem Haus befindet sich ein Drogenlabor, in dem er selbst wirkt. Seine Mobilität baut er auf den techni- schen Erneuerungen der zwanziger Jahre auf, dem Schnellzug, dem Telefon,

1448 Die sequentielle Narration des Films entspricht der Erzählweise der Historia von D. Jo- hann Fausten. 1449 Mabuse erinnert im schwarzen Anzug an Paul Wegeners Professor ten Brinken in Alrau- ne. 1450 Eine Bibliothek und ein eiserner Safe stehen in seinem Arbeitszimmer. 1451 Die Blinden werden als die einzigen produktiv arbeitenden Menschen dargestellt, obwohl ihre Arbeit und ihr Produkt kriminell sind. Sie verweisen offenbar die ‘blinden’ Fabrikarbei- ter.

Herr der Welt 395 dem Automobil. Unbemerkt von der Staatsmacht hat er ein kriminelles Reich - einen Staat im Staate - aufgebaut. Es wird das Bild eines Industriellen der zwanziger Jahre als Teufel gemalt, der durch Mord und Intrige seine Geldgier und seinen Herrschertrieb zu sättigen sucht.

Der Name Mabuse taucht erst im zweiten Akt auf und verbindet sich mit seiner Existenz als Psychoanalytiker Prof. Dr. Mabuse. Ein Plakat, dessen Ränder an einen Filmstreifen erinnern, kündigt seinen Vortrag über Die Psychoanalyse als Faktor in der modernen Heilkunde an.

Abb. 234: Ein Plakat kündigt Mabuses Vortrag an

Die verdoppelte Mabuse-Gestalt läßt sich mit der frühneuzeitlichen Faust-Figur vergleichen, nicht nur weil auch Faust eine Doppelexistenz (als Theologe und Arzt) zugeschrieben wird. Sondern der Arzt der frühen Neuzeit erscheint wie der Industrielle des beginnenden zwanzigstens Jahrhunderts dem Modernen aufgeschlossen, während Theologie und Psychoanalyse mit Magie und Glau- ben zu tun haben. Jedoch verkehrt sich das Ansehen der Betätigungen, da dem Industriellen sowie dem Theologen mehr Wahrhaftigkeit zugesprochen werden als dem Arzt und dem Psychoanalytiker, die eher als Scharlatane gel- ten. Für den gespaltenen (und gleichzeitig verdoppelten) Mabuse gelten die Mechanismen der Konstituierung eines männlichen Subjekts, dessen Gespal- tenheit den Teufel oder eine Verinnerlichung des Bösen hervorruft.

Eine Kreisblende rahmt Mabuse am Rednerpult ein. (halbnah) Er ist bartlos und trägt einen hellen Anzug. Das Publikum erscheint weitaus weniger mo- dern. Lange Bärte und konventionelle schwarze Anzüge kennzeichnen ihr Aussehen. Vereinzelt sitzen Frauen im Auditorium. Lässig, die Hände in den Hosentaschen, trägt der Redner seine These vor, daß Nervenerkrankungen auf soziale Faktoren zurückzuführen seien. Unruhe tritt im Publikum auf. Die Sequenz endet mit einer Totalen auf das Rednerpult, das vor einem geschlos- senen Vorhang auf einer Bühne steht.

396 Herr der Welt

Abb. 235: Mabuse vor geschlossenem Vorhang

Mit diesem Bild endet die Einführung des Protagonisten. Wenn sich der Vor- hang zum nächsten Akt hebt, dann erscheint Mabuse, der Spieler. Als seriöser Geschäftsmann verkleidet, weilt Mabuse im Folies Bergères. Dort tritt die Tänze- rin Cara Carozza (Aud Egede Nissen) auf, Mabuses Freundin. Gemeinsam nehmen sie die Gäste des illegalen Spielclubs aus. Ihr erstes Opfer wird der Industriellensohn Edgar Hull (Paul Richter), den Mabuse beim Kartenspiel plündert und den er mit Cara Carozza verkuppelt. Auf die Fährte des Falsch- spielers setzt sich Staatsanwalt von Wenk (Bernhard Goetzke), der die Staatsmacht und das Recht vertritt.1452. Er kommt durch Hull auf Mabuses Spur. Während von Wenk Hull befragt, zeigt eine Parallelmontage Mabuse, der in seinem Drogenlabor einer Schlange Gift entnimmt (groß). Die Montage er- weist sich als doppeldeutig: Zum einen wird das Reptil zur Allegorie einer Ver- bindung zwischen Mabuse und Teufel sowie zum Zeichen dessen diabolischer Macht, zum anderen fällt jedoch von Wenk die gefährliche Aufgabe zu, Mabuse unschädlich zu machen und ‘der Schlange ihr Gift zu entnehmen’. Die Monta- ge konfrontiert den Teufel Mabuse mit dem Vertreter des Gesetzes, dem Ab- gesandten der göttlichen Macht, dem (staatlichen) Erzengel Gabriel.

Eine neue Figur wird in der folgenden Sequenz eingeführt. Es ist Schramm (Julius E. Herrmann) bei dem die Reichen sich vergnügen. Sein kometenhafter Aufstieg wird retrospektiv in Einzelbildern (die Kreisblende öffnet, schließt und öffnet sich wieder) und in Jahreszahlen hintereinander montiert, vorgestellt wird. Die Bilder zeigen Schramm 1912 noch als heruntergekommenen Spiel- zeugverkäufer.1453 Die Kriegsjahre verbringt er im Gefängnis, danach wird er zum mächtigsten Mann des Vergnügungssektors. Seine Karriere geht mit der Umwälzung des Kaiserreichs zur Weimarer Republik einher. Schramm steht für den ‘Verfall der Sitten’ der Großstadt Berlin und für eine hemmungslose Vergnügungssucht.1454 In seinem Etablissement wird Rauschgift, Sex und Glücksspiel angeboten. Von Wenk gerät auf der Suche nach Mabuse in Schramms Spielclub und lernt hier die Gräfin Dusy Told (Gertrude Welker)

1452 Die Staatsmacht, die Staatsanwalt von Wenk verkörpert, läßt sich vergleichen mit der, des öffentlichen Verwaltungs- und Polizeiapparates in Das Cabinet des Dr. Caligari. 1453 Schramm verkauft auf einem Wagen einfaches Spielzeug, darunter kleine bewegliche Fi- guren. 1454 Schramms Luxusgeschäfte stehen für die ungezügelte Stimmung in den Großstädten nach dem verlorenen Krieg, dessen andere Seite die Massenverelendung war.

Herr der Welt 397 kennen. Sie erklärt ihm: (Zwischentitel): „Wir haben müdes Blut, Herr von Wenk! Wir brauchen Sensationen ganz besonderer Art, um das Leben ertragen zu können.“ Die zweite weibliche Rolle ist eine ‘blutdürstige’ Adlige, eine - so Kracauer - „degenerierte Gräfin“ .1455 Parallel nimmt Mabuse eine russische Adlige am Spiel- tisch aus. Sie beklagt laut ihren Verlust und beschimpft ihren Spielpartner als Teufel, der sie mit bösen Augen gelähmt habe. Von Wenk erkennt, daß die Russin mit dem Gesuchten gespielt hat.

Nun maskiert sich der Jurist ebenfalls und setzt als Schieber seine Streifzüge durch die illegalen Spielclubs fort. Es kommt zur ersten Begegnung zwischen von Wenk und Mabuse. Ohne es zu ahnen, sitzen sich der - als Mitglied der Unterwelt maskierte - Staatsanwalt und Mabuse, verkleidet als holländischer Professor van den Gruich, am Spieltisch gegenüber. Als Mabuse einen Stapel Geld bei von Wenk sieht, holt er aus der Innentasche seiner Jacke eine son- derbare Brille hervor, die er so in seinen Händen dreht, daß der Strahl des re- flektierenden Lichts von Wenk trifft. Im Schuß- Gegenschußverfahren er- scheint in einer Kreisblende der irritierte und leicht betäubte Anklagevertreter. Eine weitere Kreisblende umrahmt die seltsamen Augengläser, die Mabuse in seinen Händen hält. Von Wenk entdeckt plötzlich das spiegelnde Gerät und er- kennt darin eine chinesische Brille. Mabuse nickt und bestätigt: „Ja, - aus TSI - NAN - Fu -!“ Bei dem Zauberwort versinkt van Wenk nach innen.1456

Abb. 236: Von Wenk zusammengepreßt im hypnotischen Strahl Mabuses. Bernhard Goetzke als Staatsanwalt von Wenk

Im magischen Strahl des Blicks beginnt das Duell der gegensätzlichen Mäch- te. Zwei seitliche Blenden pressen von Wenk in der Mitte des Bildes zusam- men. Im Gegenschnitt erscheint das Augenpaar Mabuses.

1455 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 89 1456 China wird hier zu einem mystischen Kulturkreis erhoben. Aus Asien stammen offenbar die magischen Geheimnisse, die sich in dem Zauberwort TSI - NAN - Fu verbergen. Ähn- lich dunkler Fähigkeiten des fernen Ostens bediente sich auch Dr. Fu Manchu, ein nicht minder krimineller Filmmagier.

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Abb. 237: Mabuses sendet seinen hypnotischen Strahl auf von Wenk

Mabuses Augenbrauen erinnern an züngelnde Flammen und treffen über der Nasenwurzel zusammen. Ein heller Lichtpunkt zwischen den Augen erscheint als Quelle der unsichtbaren Kraftlinien. Durch die Abfolge der Bilder, in der das eingezwängte vertikale Bild von Wenks in Verbindung mit dem folgenden hori- zontalen Augenstreifen Mabuses eine Begegnung des Rechtsvertreters mit dem teuflischen Gegenspieler als Kreuz inszeniert, ist die Abwehr der diaboli- schen Macht gesichert.

Von Wenk legt seine Hände auf das Geld. TSI NAN FU verdeckt plötzlich die Karten. Licht fällt auf Mabuses Gesicht, das sich supranatural aus der Szene- rie des Spieltischs ablöst und als abgetrennter, feuriger Kopf auf ihn zufährt. Der Kopf Mabuses wird zum Medusenhaupt.

Abb. 238: Professor van den Gruichs Kopf erscheint bedrohlich wie das Haupt der Medusa

In Dr. Mabuse, der Spieler scheint von Wenk Perseus Rolle übernommen zu ha- ben. Im Duell der Frontalität bieten sie sich die Stirn und es entsteht eine „Symmetrieposition“.1457 Von Wenk reißt die Augen auf und setzt Mabuses diabo-

1457 Vernant, Tod in den Augen, a.a.O., S. 69

Herr der Welt 399 lischem Blick den Blick des Rechts entgegen. Eine Kreisblende rahmt Mabuse ein, der (wie durch ein Fernglas gesehen) von seinem Opfer weggerückt ist. Das spiegelnde Glas der chinesischen Brille schien von Wenk wie Perseus vor dem tödlichen Anblick des Medusa-Antlitzes zu schützen. Er konnte sich der tödlichen Macht entziehen, die ihn - so Vernant über die Gorgo - „ebenso wahrnimmt wie er sie; daß er selbst in jene Welt projiziert wird, der diese Macht vor- steht. Im Gesicht der Gorgo vollzieht sich gleichsam ein Verdoppelungseffekt. Durch das Spiel der Faszination wird der Zuschauer von sich selbst losgerissen, seines eige- nen Blicks beraubt und vom Blick der Gewalt heimgesucht.“1458 Mabuse hat verloren und verläßt den Spieltisch. Von Wenk sackt kraftlos zusammen. Zu spät ver- folgt er den Flüchtenden.

Dies ist die einzige Konfrontation der Antagonisten im ersten Teil des Films. Sich selbst hinter einer Maske versteckend, tritt der Staatsanwalt Mabuse ent- gegen, so daß beide auf Masken blicken. Vernant interpretierte den Blick, der in der Maske der Gorgo festgehalten wurde, als den eigenen Blick, der im er- schreckenden Antlitz des Anderen, den eigenen Doppelgänger wiedererkennt. Danach war „unser eigener Doppelgänger, das Fremde, reziproke zum eigenen Ge- sicht wie das Abbild im Spiegel (jenem Spiegel, in dem die Griechen sich von vorn und in Form eines einfachen Kopfes wahrnehmen konnten); ein Abbild freilich, das zugleich mehr oder weniger ist als man selbst, einfacher Reflex und Realität des Jenseits, ein Abbild, das sozusagen nach einem schnappt, weil es statt uns das Erscheinungsbild unseres eigenen Gesichts zurückzuwerfen, den Blick optisch zu brechen, in seiner Grimasse den grauenerregenden Schrecken einer radikalen Andersheit sichtbar macht, mit der wir uns identifizieren werden, indem wir versteinern.“1459 Mabuse und von Wenk sind Figuren einer dichotomen Weltordnung, die sich im Spiegel des Anderen begegnet und vervollkommnet.

Das Duell zwischen Gut und Böse, das Fritz Lang hier inszenierte, läßt sich in dem James Bond-Film Never say neyer Again (1983) wiederfinden. James Bond ist im Vergleich zu von Wenk ein geheimer Vertreter des Staates. Auch er kämpft immer wieder auf‘s Neue mit einem diabolischen Bösewicht, der die Weltherrschaft erlangen will. In Never Say Never Again spielt James Bond (Sean Connery) gegen seinen luziferischen Widersacher Maximilian Largo (Klaus Maria Brandauer) das elektronische Spiel „Spiel um die ganze Welt“. Die Magie des Blicks, der von Wenk ausgesetzt war, und die Magie der Technik, die Ja- mes Bond durch elektrische Schläge erfuhr, wurden ähnlich inszeniert. Der e- lektrische Schlag, der Blitz und der Blick sind gleichwertige prometheische Waffen im Kampf der (Film-)Magier. Mabuse und von Wenk stehen sich auch wie Goldfinger und 007 gegenüber. Goldfinger fand sogar das Ende, das Nor- bert eigentlich für Mabuse vorgesehen hatte: Er stürzte aus dem Flugzeug. Im Jacques Roman verursachte die Gräfin Told, im James Bond-Film der Über- druck diesen Himmelsturz.1460 Die Konfrontation zwischen Gut und Böse er- fährt im Spiel „Spiel um die ganze Welt“ ihre kinogerechten Bilder. Es ist der alte Wettkampf, in dem der Teufel Gott herausfordert und Faust auf seine Seite bringt.

Mabuse setzt nach seiner Erfahrung mit dem gleichstarken Gegner seinen ge- samten Machtapparat dazu ein, von Wenk zu vernichten. Ein erster Anschlag auf von Wenks Leben mißlingt. Auch Hull, der von Wenk auf Mabuses Spur bringt, soll getötet werden. Der erste Teil des Films endet mit einer Parallel- montage: Während Mabuses Bande einen weiteren Anschlag auf von Wenk

1458 Ebd. 1459 Ebd. S. 70 1460 Bei Jacques flieht Mabuse in einem Flugzeug, an das er von Wenk angekettet hat.

400 Herr der Welt und Hull ausübt, nimmt Mabuse an einer spiritistischen Sitzung teil, an der auch Gräfin Told und ihr Mann (Alfred Abel) teilnehmen. Schon zu Beginn der Kinogeschichte waren spiritistische Sitzungen Stoff für Filme, in denen das neue Medium seine ‘magischen‘ Eigenschaften durch verblüffende Bildtricks unter Beweis stellen konnte. Hier unterstreicht die Geisterbeschwörung Mabu- ses diabolische Zuordnung und stellt das zweifelhafte Amüsement der ge- langweilten Reichen heraus. Eine Spirale als Muster auf dem Kleid der Gräfin Told kündigt Mabuse an. Eingerahmt von einer Kreisblende sitzt sie im Sessel und folgt spielerisch der orbikularen Linie mit ihrem Finger.

Abb. 239: Eine Spirale kündigt Mabuse an. Gertrude Welcker als Gräfin Du- sy Told

Etwa gleichzeitig nehmen von Wenk, ein Polizist, Hull und Cara Carozza an der illegalen Eröffnung eines Spielcasinos teil.1461 Währenddessen ist die Séance in vollem Gang. Gräfin Told, wenig anfällig für Übersinnliches, verläßt den Raum. Mabuse folgt ihr.1462 Parallel verläßt der Staatsanwalt den Spielclub, um seine Leute herbeizurufen. Die Séance ist beendet, und die Gräfin stellt Mabuse ihrem Mann vor. Mabuse kreist in Told und dessen Frau seine nächs- ten Opfer ein. (Das Paar Cara Carozza und Hull hat er bereits abgeschrieben.) Eine Kreisblende schließt und öffnet sich gleich wieder. Auf Drängen der Ca- rozza verlassen sie den Spielclub. Auf der Straße wird Hull Opfer eines tödli- chen Anschlags. Cara Carozza wird verhaftet.

In der folgenden Sequenz wird Mabuse ein weiteres Mal als Teufelsgestalt in- szeniert. Als Gast einer Abendgesellschaft im Hause Told steht er allein am Kamin. Nicht nur das offene Feuer verweist auf Luzifer, sondern über dem Kamin hängt das Bild einer supranaturalen Gestalt, deren Strahlenblick seitlich aus dem Bild herauszutreten scheint, in deren Verlängerung Mabuse steht.1463

1461 Für den moralischen Verfall des (Geld-) Adels steht hier wie in Metropolis der nackte weib- liche Körper. 1462 Bereits bei der ersten Begegnung zwischen von Wenk und der Gräfin Told war Mabuse anwesend. Ihre Bemerkung gegenüber dem Staatsanwalt: „Wir haben müdes Blut, Herr von Wenk! Wir brauchen Sensationen ganz besonderer Art, um das Leben ertragen zu können.“, verweist auf ihren mit Mabuse gleichwertigen Status, ebenso wie ihr mangeln- des Interesse für Okkultes und ihre Unempfindlichkeit gegenüber Mabuses Blick und Be- gehren. Sie erzählt Mabuse wie zuvor dem Staatsanwalt, von ihrer grenzenlosen Langeweile. Indem sie beide gleich anspricht, werden sie austauschbar. 1463 Das Gemälde, das an einer Stelle über dem Kamin hängt, an der sich häufig ein Spiegel befindet, kann wiederum als ein Medusenbild betrachtet werden. Kennzeichen hierfür ist

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Abb. 240: Mabuse im Schein des Feuers

Lotte Eisner betonte: „Vor dem Kaminfeuer unter dem Bild Luzifers sinnt der dämoni- sche Doktor, selbst dem Luzifer gleich.“1464 Der auf dem Gemälde sichtbare Strahl des Blicks kann dem unsichtbaren Lichtstrahl gleichgesetzt werden, der das kinematographische Lichtbild produziert. Das Filmbild erweist sich als dämo- nischer Vexierspiegel. Am Ende wird Mabuse das lodernde Feuer seines Be- gehrens blenden. Er verläßt den Platz am Kamin und geht zu Told, der bei sei- nen Gästen steht. Sie führen ein kurzes Gespräch über Expressionismus.1465 Told und einige seiner Gäste beginnen mit einer Partie Poker. Der unsichtbare ‘Strahlenblick‘ Mabuses manipuliert Told zum Falschspiel. Er fällt auf und ist öffentlich ruiniert. Die Gäste gehen, die Gräfin fällt in Ohnmacht. Mabuse ver- schleppt die Besinnungslose und legt sie in Cara Carozzas ehemaliges Bett. Das letzte Bild des ersten Filmteils zeigt Mabuse, der sich über die Bewußtlo- se beugt und ihr an den Rocksaum greift.1466 Eine Kreisblende schließt sich oben rechts im Bild.

Der zweite Teil Dr. Mabuse, Inferno - ein Spiel um Menschen unserer Zeit beginnt mit einer retrospektiven Parallelmontage. Sie zeigt Cara Carozza im Gefäng- nis; Mabuse, der mit seiner Bande feiert, Gräfin Told, die erkennt, daß sie sich in seiner Gewalt befindet. Gleichzeitig sucht ihr Mann wegen seines unerklärli- chen Falschspiels Staatsanwalt von Wenk auf. Siegestrunken schwingt sich Mabuse zu hybrischen Reden auf: (Zwischentitel) „Jetzt soll die Welt erst erfah- ren, wer ich bin, - ich! Mabuse! - Ich will ein Gigant werden, - ein Titan, der Gesetze und Götter durcheinander wirbelt wie dürres Laub!“ Der Herausforderer der Götter streckt siegesbewußt den rechten Arm vor. Seine völlig betrunkenen Kumpane umlagern ihn.1467 Der narrative Prozeß nimmt wieder Tempo auf, als von Wenk

der metallene Strahlenkegel um das Haupt, der den Blick reflektiert. 1464 Eisner, Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 245 1465 Nach Elsaesser gibt Fritz Lang in dieser Szene zu verstehen, „daß selbst der Expressio- nismus zu einem reinen ‘Trick‘ verkommen ist: Der Stil ist nicht länger Ausdruck eines in- dividuellen selbst, sondern dessen Verkleidung.“ Elsaesser, Das Weimarer Kino, a.a.O., S.117. Freilich wird der Expressionismus, der hier ins Wort genommen wird, – wie in Das Cabinet des Dr. Caligari - zum Träger der dämonischen Prozesse des Plots und des Films gleichzeitig. 1466 Zwischentitel: „Mein!“ 1467 Umlagert von Getreuen, wie Jesus beim letzten Abendmahl, stellt sich Mabuse hier als Neagtiv-Christus dar.

402 Herr der Welt

Told dazu animiert, sich psychologische Hilfe bei Mabuse zu suchen. Etwa später bringt von Wenk Cara Carozza durch Verhöre in Bedrängnis, und Ma- buse zwingt sie zum Selbstmord. Bei einem erneuten Attentat auf den Staats- anwalt wird Pesch (Georg John) gefaßt. Mabuse wiegelt als Revolutionär ge- tarnt die Massen auf1468 und es gelingt ihm, den belastenden Zeugen zu er- schießen und selbst unerkannt zu entkommen. Durch die Beseitigung der Zeugen sind alle Wege abgeschnitten, die zu Mabuse führen.

Seit Mabuse Told behandelt, betäubt sich dieser immer häufiger mit Alkohol und entwickelt die Wahnvorstellung, er sitzt sich selbst beim Kartenspiel ge- genüber. Ein Bild, das an Balduins Kartenspiel mit seinem teuflischen Doppel- gänger in Der Student von Prag (Rye, 1913) erinnert. Aber Told verdoppelt sich nicht nur, sondern er vervielfacht sich. Angstvoll flüchtet er vor seinen Ebenbil- dern, die im barocken Adelskostüm auftreten. Ein Spuk, der seinen inneren Wahnvorstellungen entspringt. Um diese innere Bildproduktion zu entzünden, wird in Mabuse - wie in Der Andere (Mack, 1912) oder in Geheimnisse einer Seele (Pabst, 1926) - der Psychoanalytiker zur Figuration des (dämonischen) Kinos. Das er ja auch bei Told hervorruft. Das Innenleben eines Menschen sich so vorzustellen, als könne es ein Bild nach außen projizieren, stellt die Psyche selbst als bilderzeugenden Apparat hin. Der „psychische Apparat“ (Freud) ist so gesehen ein Projektionsapparat, der innere Widersprüche in Bildern zeigt. Ein Gedanke, den Freud mit dem ‘inneren Kino der Träume und des Wahns’ vor- gab. Die dunklen Mächte der Seele scheinen als eigene Bildproduktionen her- vortreten zu können, die das Subjekt vor Schreck erstarren lassen. Auch Lou Andreas-Salomé verglich das Kino mit dem menschlichen Vorstellungsvermö- gen und sah allein in der „Filmtechnik eine Raschheit der Bilderfolge ermöglicht, die annähernd unserem eigenen Vorstellungsvermögen entspricht und auch gewissermaßen dessen Sprunghaftigkeit imitiert.“1469

Es ist für Mabuse leicht, Told in den Selbstmord zu treiben. Mit einem Rasier- messer schneidet sich Told die Kehle durch. Diese grausame Form der Selbsttötung entspricht dem Splatter-Apodikt des Genres und verweist auf die Enthauptung des Adels während der Französischen Revolution. Die Tötungs- art steht aber auch für den Untergang der Medusa, denn Tolds Tod leitet die Vernichtung Mabuses ein. Einem Hinweis von Tolds Diener folgend, vermutet von Wenk in Mabuse den Gesuchten. Die zweite Begegnung der Kontrahenten wird eingeleitet: Während der Jurist vergeblich Mabuse aufsucht, wartet dieser schon in seinem Dienstzimmer. Von Wenk betritt sein Büro und bemerkt Ma- buse zunächst nicht, der in einem Sessel vor dem Bücherregal lesend sitzt. Mabuse schlägt das Buch zu. (Im Zusammenzucken von Wenks auf den Schlag hin, kompensiert der Stummfilm den mangelnden Ton.) Mabuse geht langsam auf von Wenk zu. Sie blicken einander in die Augen. Ihre Arme hän- gen angespannt herunter, so, als gelte es, jeden Moment die Waffe zu ziehen (amerikanische Einstellung). Wie bei ihrer ersten Begegnung greift Mabuse auch hier in seine linke Innentasche. Er holt ein Etui hervor, entnimmt ihm eine Zigarre und zündet sie an. Eine Tradition des Alchemisten, der „durch die drecki- ge Arbeit ‘vom Qualm geschwärzt und vom Ruß beschmiert’ war.“1470 Eine dicke Rauchwolke steigt vor von Wenk auf.1471 Mabuse legt dem Staatsanwalt die Er-

1468 Homunculus und die Maschinenfrau in Metropolis wiegeln ebenso als Revolutionäre ge- tarnt die Massen auf. 1469 Lou Andreas-Salomé, In der Schule bei Freud. Tagebuch eines Jahres 1912/1913, Mün- chen 1965 1470 Katrin Cura, Die Alchemisten und das Gold. Echte und falsche Alchemisten, ihre Labora- torien und Laboranten, in: Kultur & Technik 3 (1998), S. 34-41, S. 34 1471 Der Rauch ist als Beigabe der diabolischen Figur ein Bildzeichen, das zur Klassifizierung des Abgebildeten dient, ähnlich wie besondere Bildattribute bei Heiligendarstellungen. So

Herr der Welt 403 klärung nah, Told sei als Falschspieler und Selbstmörder dem Zwang eines fremden Willens unterworfen gewesen und verweist auf einen experimentellen Abend von Sandor Weltmann, der über solche Phänomene Bescheid weiß.

Abb. 241: Ankündigung der magischen Experimente Sandor Weltmanns a- lias Mabuse

Von Wenk folgt der Aufforderung Mabuses und besucht die Veranstaltung. Eine Totale zeigt Mabuse, der als Sandor Weltmann im Frack mit halblangem Haar und Bart wieder auf der Bühne vor einem geschlossenen Vorhang steht. (Mit einer ähnlichen Einstellung schloß die Exposition und nun leitet sie den Schlußteil des Films ein.) Hinter Mabuse sieht man, wie in Méliès‘ L’Homme- Orchestre eine Reihe von sieben leeren Stühlen. Er beginnt seine Vorstellung mit „einem Fall von typischer Massensuggestion.“ (Zwischentitel) Dramatisch legt Weltmann die Hand an die Stirn und gibt das Startzeichen (halbnah). Ein Schnitt zeigt wieder die Totale der Bühne, und eine Kreisblende umrahmt den geschIossenen Vorhang. Plötzlich erscheint eine exotische Landschaft. Die Blende öffnet sich, und im Hintergrund des Bildes wird eine Karawane sicht- bar, die zum Bildvordergrund zieht. Ohne zu zögern, verlassen die fremdartig gekleideten Menschen, einer von ihnen zu Pferd, die Bühne und setzen ihren Weg durch das Publikum fort. Auf ein Handzeichen Mabuses hin ist der Spuk verschwunden.

Auch Paul Wegener hatte in Der Golem, wie er in die Welt kam (1920) als Zeichen der magischen Kunst Rabbi Löws eine kinoähnliche Vorführung inszeniert, e- benfalls die Vision vorüberziehender Menschen. Bei Fritz Lang verlassen die Figuren den imaginären Raum des Films im Film, und die Karawane wird per Stoptrick zur holografischen Vision. (Das Kino wurde wieder einmal von einem Magier in Gang gesetzt und angehalten.) Nun beginnt Weltmann mit dem Spiel des Hellsehens und der Hypnose.1472 Sein Ziel ist die Vernichtung des Anklä- gers, den er zum Mitspiel auffordert.1473 Von Wenk und andere Versuchsperso-

ist Johannes der Täufer an dem Schaf zu erkennen oder Sebastian, an den Pfeilen. Die unterschiedlichsten Figuren wurden durch Hinzufügung gewisser konstanter Attribute ge- kennzeichnet, welche die Narration verdichteten. 1472 Auch Dr. Caligari oder Dr. Xavier als Mr. Mentalo in Cormans The Man with the X-Ray Eyes (1963) stellen Hypnotiseure vor. 1473 Daß ein Zauberkünstler in seine Vorstellung einen ahnungslosen Zuschauer mit einbe- zieht ist gängige Praxis, wie es etwa auch Hitchcock in The Thirty-Nine Steps (1935) zeigte.

404 Herr der Welt nen nehmen auf der Bühne Platz. Mabuse wendet sich mit jäher Geste an von Wenk und hält ihm ein Prisma vor die Augen.1474 Mit dem Wort TSI NAN FU will er den Juristen erneut hypnotisieren, aber von Wenk erinnert sich und der Blick ins Prisma wird zum Blick auf die unterschiedlichen Identitäten Mabuses. Je- doch im Moment des Erkennens fällt von Wenk in Hypnose. Mabuse gibt dem Hypnotisierten den Befehl, mit dem Auto den Steinbruch hinunterzufahren. Das Wort „Melior“ steht unter der schriftlichen Anweisung. Ohne zu zögern, geht von Wenk aus dem Saal und fährt los. Die anwesenden Polizisten folgen ihm. „Me- lior!“ steht plötzlich überall geschrieben und leitet den Wagen auf den Stein- bruch zu. Der Staatsanwalt ist dem magischen Wort ebenso ausgeliefert wie Caligari.1475 Kurz vor dem Abgrund ergreifen Polizisten von Wenk. Die Rettung in letzter Minute ist geglückt. Der Staatsanwalt kommt zur Besinnung, und das große Finale beginnt. Mabuse, der seine Abreise mit der Gräfin Told vorberei- tet, muß feststellen, daß er nicht mehr aus seinem Haus entkommen kann: Es ist von Polizei umstellt. Die letzte Konfrontation zwischen von Wenk und Ma- buse findet am Telefon statt.

Abb. 242: Von Wenk ruft Mabuse an

Fritz Lang setzte der Magie des Blicks und des Stummfilms die Magie der Stimme und des Telefons entgegen. Die unsichtbaren Tonwellen, welche das ‘Fräulein vom Amt‘ zwischen den Kontrahenten übermittelt, treten als stumme Töne den unsichtbaren Lichtstrahlen entgegen.

Hier gerät der Protagonist durch den Magier Mr. Memory (ein Gedächtniskünstler) in arge Bedrängnis. Ein typisches Bild, das für die Magie des Kinos steht. 1474 Das Prisma soll den unsichtbaren Blick sichtbar machen und gleichzeitig brechen. Vgl. auch die Darstellung der Prismen-Augen Dr. Xaviers in Cormans The Man with the X-Ray Eyes (1963). 1475 Die Kunstworte wie Caligari, Melior oder TSI NAN FU werden zu Zauberformeln, die wie der Schem diabolische Kräfte aktivieren.

Herr der Welt 405

Abb. 243: Die Frau vom Amt leitet die Tonwellen weiter

Der Staatsanwalt fordert Mabuse zur Kapitulation auf, aber Mabuse erklärt (Zwischentitel): „Ich fühle mich hier als Staat im Staate, mit dem ich von jeher im Kriegszustand lebte! Wenn Sie mich haben wollen, - - holen Sie mich!“ Mabuse gibt sich als Rebell zu erkennen.

Abb. 244: Mabuses Macht bedarf des Blicks

Das Sehen und nicht das Hören bestimmt den Stummfilm, noch regiert Mabu- se das Reich der Blicke. Die Konservierung und Übertragung des Tons fallen in ein anderes (technisches) Reich. Die vom Körper abgetrennte Stimme ist noch das Bild des Telefons im Stummfilm. Es ist ebenso kompensatorisch wie die magischen Zauberworte: Melior und TSI NAN FU.

Mabuse droht von Wenk und benutzt die Gräfin als Geisel. Der Staatsanwalt schreckt zusammen und beschließt: „Wir müssen Militär hinzuziehen!“ Tudor1476 stellte heraus, daß erst nach dem Zweiten Weltkrieg häufig das Militär als letz- te Rettung gegen das Übernatürliche eingesetzt wurde. Das Militär bewirkte stets die totale Reinigung der prekären Situation mit neusten Waffen. In Dr. Ma-

1476 Tudor, Monsters and Mad scientists, a.a.O.

406 Herr der Welt buse, der Spieler fordert der Ankläger offensichtlich erstmalig Hilfe im Kampf ge- gen den diabolischen Staatsumstürzler bei der mächtigen Exekutivinstanz an, die eine Ausweitung seiner Position ist. Die Armee und die Polizei bekämpfen im Auftrag des Gesetzes das Böse. Von Wenk setzt die Machtinstrumente des Staates gegen Mabuse ein, wie Perseus seine magische Ausrüstung gegen Medusa. Soldaten mit Stahlhelmen und Gewehren laufen durch die Straßen und stürmen das Haus. Der Blitz der Feuerwaffen ersetzt den blendenden Strahl der Rüstungen und Schwerter. Mabuses flüchtet durch einen unterirdi- schen Tunnel in die Falschmünzerwerkstatt. Eine Kreisblende umrahmt die gerettete Gräfin und den Staatsanwalt. Sie geben einander die Hand. Mabuse erreicht sein Ziel durch eine Falltür, deren Riegel sich selbsttätig hinter ihm schließt. Auch die Außentür ist verschlossen. Er erkennt, daß er gefangen ist. Plötzlich wird er von den Geistern der von ihm Ermordeten heimgesucht, die ihn zum Kartenspiel auffordern. Entsetzt weicht er vor den Geistern zurück. Die Maschinen der Falschmünzerwerkstatt werden plötzlich zu Höllengestal- ten, und unerwartet zeigt sich ihm das grausige Gesicht der Medusa.

Abb. 245: Die Teufelsfratze an der Wand

Glühende Augen und nach allen Seiten wachsende Zangenarme scheinen nach Mabuse zu greifen. Die Höllenmaschinen richten sich bedrohlich vor ihm auf.

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Abb. 246: Die Teufelsmaschinen greifen an

Die infernalische Verlebendigung der Maschinen erinnert an den gigantischen Moloch in Langs Metropolis (1926). Der Maschinenkult, der sich mit dem Fort- schrittsglauben verband und Ende des Jahrhunderts das prometheische Feuer der Großindustrie entzündete, findet hier wie in Metropolis eine Zuordnung zur Hölle. Die belebten Maschinen stehen wieder für die Verlebendigung, welche die Filmmaschine produziert. Die Satansmaschinen besiegeln Mabuses Höl- lenfahrt. Er bricht auf dem Falschgeld zusammen, das am Boden verstreut liegt. Von Wenk öffnet von außen die Tür und findet den wahnsinnig geworde- nen Mabuse. Die Höllenfahrt ist vorbei, die Staatsmacht trägt den Sieg davon. Eine leere Körperhülle bleibt zurück, während die Seele Mabuses zur Hölle ge- fahren ist.

Carl Hoffmann1477 leuchtete das Verbrechermilieu und die aristokratische Schi- ckeria mit ähnlichen Lichtwinkeln und Beleuchtungsstärken helldunkel aus. Damit stellte Hoffmann die Bande Mabuses der dekadenten Adelsgesellschaft gleich und ordnete die unterschiedlichen Cliquen der Welt des Bösen zu. Graf Told und der Industriellensohn Hull fielen Mabuse zum Opfer, weil sie sich durch ihren dekadenten Lebenswandel in der Nähe des Abgrunds bewegten. Dem Verfall der Moral der Reichen und Adligen stand der mächtige Staatsap- parat entgegen, der durch den Ankläger, die Polizei und die Armee vertreten wird. Sie stellten die Ordnung im Land wieder her und vernichteten den Staat im Staate. Nach Kaes verkörperte Mabuse für den Kinobesucher um 1922, „ei- ne verborgene Macht..., die insgeheim für die wirtschaftliche Korruption und die gesell- schaftlichen Leiden in Deutschland verantwortlich war. Der Film speiste so paranoide und konspirative Phantasien, die in dieser Zeit wild zirkulierten.“1478 Die Lockerung der Wertmaßstäbe ging im Ersten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit mit dem Anspruch auf maßloses Vergnügen einher, den der Film im Aufstieg Schramms festhielt. Aber auch die moderne Kunstsammlung Tolds war nicht nur in den Augen des Staatsanwaltes ein Zeichen feudaler Dekadenz, das die Dummheit und die Blutleere der Adligen bezeugt. Alfred Abel, selbst von schmächtiger Gestalt, spielte Told mit seichten Bewegungen, die auf ein emp- findsames Gemüt schließen lassen. Er war geradezu durchsichtig wie seine historischen Doppelgänger, die ihm im Wahn erschienen. Der Film schickte die Adeligen mitsamt ihrer Vergnügungssucht zum Teufel. Mabuse scheint erst aus ihrem unmoralischen Streben hervorgetreten zu sein, ein Produkt ihres dekadenten Lebens, eine konsequente Weiterführung der Ausbeutung. Zur Gräfin Told sagte Mabuse: (Zwischentitel) „Es gibt keine Liebe - es gibt nur Begeh- ren. Es gibt kein Glück - es gibt nur den Willen zur Macht.“ Liebe und Glück sind für Reiche (wie für den Psychoanalytiker) überflüssige Kategorien. Es sind klein- bürgerliche Illusionen, die über den ständigen Mangel der Existenz hinwegtäu- schen. Über die Rolle des Staatsanwaltes schrieb Siegfried Kracauer: „Dann tritt Wenk ein... Wenk selbst im Grunde nur ein gerissener Vertreter des Gesetzes, ei- ne Art legaler Gangster, der über die Polizei als seine Bande verfügt... Wenk ist mora- lisch so indifferent, daß sein Triumph zur Bedeutungslosigkeit herabsinkt.“1479 Die Bil- der stellen Mabuse zwar dem Anklagevertreter gleich, aber von Wenk wird dem Zuschauer als Gewährsmann des Rechts und vertrauenswürdiger Jurist vorgestellt, der in allen Lagen für Recht und Ordnung zu sorgen weiß. Mit ihm wird das bürgerliche Rechtssystem als Alternative zum Arbeiterkampf (der

1477 Der Kameramann Carl Hoffmann (1885 bis 1947) kam 1908 zum Film. Zu Hoffmann vgl. u.a. Reclams deutsches Filmlexikon, a.a.O., S. 160-161 1478Kaes, Weimarer Republik, a.a.O., S. 62 1479 Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 90-91

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Straßenschlacht) dargestellt. Am Ende hat der Jurist gesiegt. Mabuses (fal- sche) Währung ist nichts mehr wert und sein Reich vernichtet, er sitzt - wie ein Reicher, der all sein Geld durch die Inflation verlor - zwischen dem wertlo- sen Papierkram, ohne eigenes Territorium, ohne Geld und ohne Macht ist er ebenfalls nichts mehr wert.

Vergleicht man die beiden Magierfiguren Doktor Mabuse und Doktor Caligari vom Ende der Filme her, dann steht scheinbar der Sieg Caligaris der Niederla- ge Mabuses entgegen. In Das Cabinet des Dr. Caligari wurden spezifische Aspek- te eines Familiendramas als Kampf der Generationen ins Bild gesetzt. Am En- de überlebt der (all-)mächtige Vater triumphierend. In Mabuse, der Spieler trägt zuletzt der Rechtsvertreter den Sieg im gesellschaftlichen Kampf davon. Beide Filme stellen die Herausforderung eines allmächtigen Demiurgen (Vater und Staat) durch einen dämonischen Seelenarzt dar. Die Gemeinsamkeit zwi- schen Caligari und Mabuse ist ihr Berufsstand, ihre Verdoppelung und ihre Bösartigkeit. Damit verweisen beide Figuren auf ihre gemeinsame Herkunft: Sie gingen aus der Verschmelzung hervor, die im Pakt zwischen Faust und dem Teufel keimte.1480 Bei Caligari bleiben, so Lotte Eisner, „die Motive seiner Macht seltsam abstrakt.“1481 Das Motiv der verschiedenen Satansgestalten in den Phantastischen Filmen ist immer der Wunsch nach göttlicher Allmacht. In Ca- ligari wie in Mabuse wird die Seele zum dunklen Abgrund, zum Ort der bösen Triebe und damit zum Aufenthaltsort des Teufels erklärt. Beide Seelenärzte sind Teufel, die sich der Seelen anderer zu bemächtigen wissen. Margrit Freud, die sich durch den Mabuse-Film angesprochen fühlte, die Psychoana- lyse aus der Ecke der Schwarzen Magie herauszuholen, schrieb deren Zau- berkraft erneut fest, als sie betone: „Wohlverstanden, ein Psychoanalytiker kann, wenn er es einmal für richtig hält, seinen Patienten auch hypnotisieren, er kann, wenn er will, aus privatem Vergnügen, jemandem etwas suggerieren, er kann es.“1482

1480 Die Ähnlichkeit der Filme betonen Kracauer (Von Caligari zu Hitler, a.a.O., S. 84f und Toeplitz (Geschichte des Films, Bd. 1, a.a.O., S. 227f) 1481 Eisner. Die dämonische Leinwand, a.a.O., S. 245 1482 Margrit Freud, Ein Film und die Psychoanalyse, in: Freie deutsche Bühne, 1921,1922, S. 870-871, S. 871

Herr der Welt 409

„Sie spielen Gott!" - „Einer muß es ja tun." (Steve Martin)

B. Prometheisches Reich Bislang standen ‘Tod und Teufel’ sowie das supranaturale Element, das mit einem forschungsbesessenen Wissenschaftler oder mit seinem Produkt a- malgamierte, im Zentrum der untersuchten Spielfilme. Während das Kino des Phantastischen mit der Verbreitung des Tonfilms international neue ungeahnte Höhepunkte erreichte und große Erfolge mit Hollywood-Filmen feierte - wie et- wa mit den Nachfolgefilmen von Frankenstein1483, Dracula1484 und weiteren Dr. Jekyll and Mr. Hyde Variationen (1939, 1941) oder mit neuen Klassikern wie King Kong (1933), The Invisible Man (1933)1485, Mad Love (1935), Man Made Monster (1940) - lassen sich im nationalsozialistischen Deutschland nur zwölf Produktionen finden, die als Phantastischer Film gelten können. Insgesamt wurden von 1933 bis 1945 1094 Spielfilme produziert.1486 Darunter war kein einziger Horrorfilm. Neun der zwölf Phantastischen Filme waren in den ersten zwei Jahren nach der Machtübernahme entstanden, die übrigen drei in größe- ren Abständen 1936, 1940 und 1943. Ab 1937 begann die Verstaatlichung der deutschen Filmindustrie.1487 Kraft Wetzel und Peter Hagemann1488 zeigten 1977 eine Retrospektive dieser zwölf Phantastischen Spielfilme. Im Titel der beglei- tende Publikation, Liebe, Tod und Technik, ersetzten sie analog zum Filmtitel Liebe, Tod und Teufel1489 (Steinbicker, 1934) das Wort ‘Teufel’ durch das Wort ‘Technik’. Aber ‘Technik’ stand in diesen unheimlichen Spielfilmen keineswegs für ‘Teufel‘, sondern im Gegenteil, im nationalsozialistischen Spielfilm wurde das Böse entdämonisiert und der Wissenschaftler von den Attributen des Teu- fels gereinigt. Es entstanden eine Reihe von Anti-Faustfilmen, in denen mit den übernatürlichen Kräften, denen sich der faustische Wissenschaftler bediente, aufgeräumt wurde. Es waren aber bekanntermaßen Kräfte, welche das Kino bis dahin geprägt hatten.

Von den zwölf Phantastischen Spielfilmen demontierten fünf Fictionfilme und zwei Filmkomödien Gott und Teufel, und die anderen fünf Spielfilme holten die Technik aus dem Reich der Magie heraus.1490 Im April 1933 kam die Filmballa- de Anna und Elisabeth von Frank Wysbar in die Kinos. Der nationalsozialisti- sche Filmkritiker Oskar Kalbus fand den Film „krankhaft“, er setze „körperliche und geistige Dekadenz“ ins Bild. Die Geschichte erzählt vom Scheitern des Bau- ernmädchens Anna als Heilerin und Erlöserin. Ab Februar 1935 wurde Liebe, Tod und Teufel gezeigt. Reinhart Steinbicker hatte aus Robert Louis Steven-

1483 Das waren Bride of Frankenstein (1935), Son of Frankenstein (1939), The Gost of Fran- kenstein (1941), Frankenstein Meets the Wolfs Man (1943) und House of Frankenstein (1945). 1484 Dracula’s Daughter (1936), Son of Dracula (1943) 1485 The Invisible Man Return (1940), The Invisible Man’s Revenge (1944) 1486 Hierüber gibt die Geschichte der Ufa einen ausführlichen Überblick, vgl. Klaus Kreimeier, Die Ufa Story. Geschichte eines Filmkonzerns, München, Wien 1992 und Das Ufa Buch, hrsg. v. Hanns Michael Bock und Michael Töteberg, Frankfurt am Main 1992 1487 Zur Verstaatlichung der Filmindustrie, vgl. u.a. Gerd Albrecht, Nationalsozialistische Film- politik. Eine soziologische Untersuchung über die Spielfilme des Dritten Reiches, Stuttgart 1969, S. 19 1488 Kraft Wetzel und Peter Hagemann, Liebe , Tod und Technik. Kino des Phantastischen 1933 - 1945, Berlin 1977 1489 Den Film drehte Reinhart Steinbicker 1934 für die Ufa. Das Drehbuch schrieben Kurt Heuser und Pelz von Felinau nach der Novelle Das Flaschenteufelchen von Robert Louis Stevenson. 1490 In der Reihenfolge ihrer Entstehung sollen nun zunächst die fünf Fictionfilme, dann die zwei Filmkomödien und schließlich die fünf Anti-Faustfilme kurz dargestellt werden.

410 Herr der Welt sons Novelle Das Flaschenteufelchen ein Drehbuch für seinen Film entwickelt. In Liebe, Tod und Teufel wurde ein Liebespaar vor dem Teufel von einen „versoffenen Matrosen“ gerettet, den die ewige Verdammnis nicht schreckte. Im Gegenteil, er rief aus: „Hölle... großartig, auf die bin ich schon lange scharf!“1491 Der Teufel wurde abgeschoben ins Seemannsgarn, und der Film erwies sich als Liebesfilm vor exotischer Kulisse. Die Antikenkomödie Amphitryon oder Aus den Wolken kommt das Glück, die Reinhold Schünzel für die Ufa inszenierte, hatte im Juli 1935 Premiere. Karsten Witte schrieb über Amphitryon und sei- nen Regisseur: „Reinhold Schünzels... Tonfilmoperette Amphitryon... ist voller Ironie. Die Stoßrichtung gilt nicht nur dem antiken Theben, das grandios nachgebaut wird. Sie gilt auch der Selbstherrlichkeit der Götter, die Menschenkinder durch Anmaß und Wahn verwirren. Die gewährte Balance zwischen Ernst und Parodie erlaubt keine Eindeutigkei- ten, ob Schünzels Ufa-Film die Vermenschlichung der Götter oder die Vergöttlichung der Menschen aufs Korn nahm.“1493 Der Film kam fast unzensiert in die Kinos.1494 Er war nicht nur voller Ironie, sondern enthielt auch einen kleinen Seitenhieb gegen Hermann Göring.1495 Jedoch zeigte Amphitryon vornehmlich, daß Götter zu allen Zeiten menschlich und ebenso abhängig von ihren Frauen waren wie der kleine Mann auf der Straße. Amphitryon, der noch in den Kriegsjahren und nach der Emigration von Schünzel erfolgreich in den Kinos lief, erfüllte zumin- dest zwei Absichten: Zum einen zeigte er den Himmel ohne einen strafenden, allmächtigen Gott und zum anderen wurden die Mächtigen als normale Men- schen dargestellt, während Gott und Himmel, Hölle und Teufel einer mysti- schen Vorstellungswelt entrissen wurden. Aber Schünzel verzichtet keines- wegs auf die Darstellung der magischen Macht der Götter, die freilich der Kunst des Mediums entsprach. So konnten die Götter als Doppelgänger der Menschen auftreten und ihre Magie offenbarte sich in der Magie des Blicks, der als Blitzstrahl ausgesendet wurde. Sosias (Paul Kemp) steht plötzlich seinen Ebenbild gegenüber. Aber Merkur, der in seine Rolle geschlüpft ist, paralysiert ihn kraft seines Blicks.

1491 Kraft Wetzel und Peter Hagemann, Liebe, Tod und Technik., a.a.O., S. 62 1492 zu Reinhold Schünzel vgl. auch Thomas Elsaesser, Das Weimarer Kino - aufgeklärt und doppelbödig, Berlin 1999, S. 188ff 1493 Karsten Witte, Film im Nationalsozialismus. Blendung und Überblendung, in: Geschichte des deutschen Films, a.a.O., S.119- 170, S. 126 1494 Der Satz Alkmenes: „Ach ja, vor so vielen Leuten redet man leicht etwas, was man nachher selbst nicht glaubt.“ wurde aus den fertigen Kopien herausgeschnitten, Vgl. Kraft Wetzel und Peter Hagemann, Liebe, Tod und Technik., a.a.O., S. 64. 1495 Kreimeier, Die Ufa Story, a.a.O., S. 272f

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Abb. 247: Merkurs Augen beginnen zu blitzen. Reinhold Schünzel, Amphitry- on oder Aus den Wolken kommt das Glück, 1935, Paul Kemp als Merkur und Sosias

Abb. 248: Er sendet einen magischen Strahl aus

Abb. 249: Sein Ebenbild ist paralysiert

Im Dezember 1935 kam der Tonfilm Der Student von Prag1496 in die Kinos.1497 Hans Kyser und Arthur Robison1498, der auch die Regie führte, überarbeiteten

1496 Vgl. Schatten und Doppelgänger, Der Student von Prag 1497 Theo Mackeben, ein bekannter Schlagerkomponist, der sich auf den Tonfilm spezialisiert hatte, schrieb die Musik und übernahm die musikalische Leitung. Er komponierte Schla- ger wie Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da (gesungen von Gustav Gründgens in Tanz auf dem Vulkan, 1938, Steinhoff) und So oder so ist das Leben (gesungen von Brigit- te Horney in Liebe, Tod und Teufel, 1934, Hilpert, Steinbicker), Vgl. zu Theo Mackeben, Reclams deutsches Filmlexikon, Stuttgart 1984, S. 249 1498 Arthur Robison hatte 1923 den bemerkenswerten Stummfilm Schatten gemacht, der je- doch kaum zur Kenntnis genommen wurde. Der Film erzählt von einem Gaukler, der eine Gruppe, die aus einer Frau und mehreren Männern besteht, hypnotisiert und ihnen, in ih- rem eigenen Schattenspiel, das Spiel von Begehren und Eifersucht, vorführt. Die Schatten greifen mit klauenartigen, gierigen Händen nach der jungen Frau, die mit entblößten Ar-

412 Herr der Welt das Drehbuch von Hanns Heinz Ewers. Zwar galt Ewers als begeisterter Nati- onalsozialist und trat schon früh der NSDAP bei, fiel aber wegen des „Ab- scheus, den NS-Kulturfunktionäre vor allem Phantastischen hatten“ in Ungnade.1499 Über Ewers, dessen Bücher ab 1934 verboten wurden, schrieb Die neue Lite- ratur bereits 1933 anläßlich seines Drehbuches zu dem Film Hans Westmar: „Wahrhaftig, wir hätten dem leidenschaftlichen, sein Leben für das neue Deutschland mutig opfernden Kämpfer Horst Wessel gewünscht, daß es ihm erspart geblieben wäre, von Fingern angefaßt zu werden, die noch allzu deutlich nach ‘Morphium’, ‘Alraunen’, ‘Vampiren’, ‘Toten Augen’ und ähnlichen Dingen riechen.“1500

Im Vordergrund des Tonfilms Der Student von Prag stand nicht mehr länger der Teufelspakt zwischen Scapinelli und Balduin, sondern die Liebesgeschich- te zwischen dem armen Studenten Balduin (Adolf Wohlbrück) und der reichen Sängerin Julia (Dorothea Wieck). Doktor Carpis (Theodor Loos), der die Rolle Scapinellis übernahm, spielte keinen Teufel, sondern eher einen mißgünstigen und eifersüchtigen, bösartigen Menschen, der Balduin zerstörte. Als Carpis, ein ehemaliger Liebhaber der Sängerin, Balduin und Julia zusammen glücklich sieht, wird er von Eifersucht gequält und sinnt auf Rache. Durch seinen Einfluß gewinnt Balduin im Spiel von Baron Waldis (Erich Fiedler), dem reichen Ge- fährten Julias, dessen Geld und Equipage. Reichtum und Liebe spalten Balduin auf, so daß er sich - wie es in Illustrierter Film Kurier1501 hieß - „sein schwärmeri- sches Ich von sich abgelöst fühlt in der Gestalt seines Spiegelbildes.“ Carpis macht den bodenlos gewordenen Balduin von sich abhängig. Durch seinen arglistigen Blick, seine schwarzen Handschuhe und seine nach außen gekämmten Haarwellen, weist Carpis eine Verbindung zu Teufelsdarstellungen auf. Heim- tückisch schleicht er sich in Balduins Vertrauen.

Abb. 250: Artur Robison, Der Student von Prag, 1936, Theodor Loos als

men ihre Brüste bedeckt. Mit Hilfe von Hypnose traten die inneren Geister der Triebe als Schatten hervor. Nach Kracauer gehörte dieser Film zu den „Meisterwerken des deutschen Films“. (Siegfried Kracauer, Von Caligari zu Hitler, a.a.O. ) Robison, der vom Theater kam, verband den Stummfilm hier mit dem klassischen Schattentheater. Er starb im Oktober, bevor der Film Der Student von Prag im Dezember Premiere hatte, im Alter von 47 Jahren. 1499 Ebd. S. 17 1500 Zit. nach Ebd. 1501 Illustrierter Film-Kurier, Nr. 2389, Berlin 1935

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Doktor Carpis, Adolf Wohlbrück als Balduin.

Am Ende des Films hat Balduin seinen ‘aufrechten‘ Charakter verloren, und sein filmischer Doppelgänger erweist sich als sein schlechtes Gewissen. Bal- duin drängt sein Ebenbild in den Spiegel, richtet die Schußwaffe darauf, drückt ab und ist – so Illustrierter Film Kurier - „auf geheimnisvolle Weise getroffen.“1502 Auf keineswegs harmlose Weise wurde in Robisons Der Student von Prag aus der Teufelsgestalt des Stummfilms, die Figur eines bösartigen Juden, der den unerfahrenen Studenten Balduin zerstörte.1503

Kurz nach Jahreswechsel wurde Frank Wysbars1504 Fährmann Maria1505 ge- zeigt. Der Film erinnert stark an Carl Theodor Dreyers Vampyr nicht nur, weil Sybille Schmitz1506, die bei Dreyer in der Rolle des Vampiropfers (Leone) zu sehen ist, hierin die Maria spielt. Der Schauplatz der Geschichte ist wie bei Dreyer eine Flußlandschaft, und auch die Geschichte verläuft relativ parallel. Der Tod (Peter Voß) hat den alten Fährmann (Karl Platen) geholt und Maria tritt seine Stelle an. Eines Nachts bringt sie einen von schwarzen Reitern verfolg- ten Verwundeten (Aribert Mog) an das andere Ufer und rettet ihm vor seinen Verfolgern, schwarzen Reitern, das Leben. Aber schon bald kehrt der Tod sei- netwegen zurück. Maria, die voller Liebe für ihren Gast ist, hält den Tod hin. Der Tod läßt sich jedoch nicht beirren. Als sie aber zusammen über das Moor gehen, versinkt der Tod, während sie sichern Fußes ihr Ziel erreicht. Am Ende fährt Maria mit ihrem Geliebten - ähnlich wie Allan und Gisèle bei Dreyer - über den Fluß, und gemeinsam laufen sie auf den Horizont zu.

Die Liebe der Mutter Gottes (Maria) und nicht der Tod führte den verfolgten Ver- wundeten heim. In erstaunlicher Weise näherte sich Frank Wysbar auch in der Tondramaturgie Dreyer an, denn die Dialoge sind kaum zu verstehen und, wie Karsten Witte bemerkte, klingt Herbert Winds1507 Musik nicht gerade heroisch, sondern „es ist eine Tonspur der Angstneurose“.1508 Witte erinnerte Fährmann Maria an Murnaus Nosferatu. Er schrieb: „Was aus der Schreckensvision auftaucht, ist ein Gesicht des klassischen Stummfilms. Wysbar hält die Erinnerung an Murnau wach. Phantom und Nosferatu geistern durch seinen Film.“1509 Es sind aber die Bilder und die Stimmung aus Dreyers Vampyr, denen Wysbar in Fährmann Maria nachhing, wie es eine Großaufnahme desselben Gesichts im Abstand von vier Jahren zeigt.

1502 Ebd. 1503 Die Darstellung eines Juden als Teufelsgestalt verweist auf den Film Jud Süß, der im fol- genden untersucht wird. 1504 Frank Wysbar machte seit Anfang der dreißiger Jahre Filme. 1939 ging er in die USA.. 1505 Der Film lag nicht vor. Die Inhaltsangabe erfolgt nach Kraft Wetzel und Peter Hagemann, Liebe, Tod und Technik., a.a.O. 1506 Die Schauspielern Sybille Schmitz spielte 1932 in Carl Theodor Dreyers Vampyr die Rolle der Leone. Sie wurde während des Nationalsozialismus‘ ein beliebter Star. Ihr Schicksal – sie nahm sich in den fünfziger Jahren das Leben - verarbeitete Rainer Werner Faßbinder in Die Sehnsucht der Veronika Voß. Vgl. auch Friedemann Beyer, Schöner als der Tod. Das Leben der Sybille Schmitz, München 1998 1507 Herbert Wind komponierte die heroische Musik für Leni Riefenstahls Triumph des Wil- lens, vgl. Karsten Witte, Filme im Nationalsozialismus, a.a.O., S. 131 1508 Ebd. 1509 Ebd.

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Abb. 251: Sybille Schmitz als Maria, Frank Wysbar, Fährmann Maria, 1937

Frank Wysbar war vom den Thema ‘Tod und Film’ so fasziniert, daß er Fähr- mann Maria in Hollywood noch einmal drehte. Strangler of the Swamp entstand 1945 und war stark mit Horror-Effekten durchsetzt. Die beiden Filme Wysbars Anna und Elisabeth und Fährmann Maria sind die einzigen Phantastischen Filme des Nationalsozialismus, in denen Frauen eine Hauptrolle spielen. Die Stärke der Frau erwächst bei Wysbar aus der Liebe zum Mann oder zum Bru- der, und sie verkörpern eine starke Todessehnsucht.

Nach fast vier Jahren kam der Film Die unheimlichen Wünsche (1939) von Heinz Hilpert in die Kinos. Hilpert hatte mit Kurt Heuser das Drehbuch in An- lehnung an Honoré de Balzacs La peau de Chagrin verfaßt. Der Film zeigt, wie aus einem dekadenten Adeligen ein arbeitsamer Mensch wird. Auch in diesem Film taucht kein Teufel auf. Die Produktion ist allerdings von doppelter Selbstreferentialität. Sie verweist nicht nur auf die Magie des Films, sondern zeigt gleichzeitig deren Aufhebung. Dies schaffte Hilpert dadurch, daß er ein Stück altes Leder1510 zum Ort der Magie erklärte - über das Lederstück erfuhr man: „Wenn Du mich besitzt... besitzt du alle Wünsche, und Deine Wünsche werden erfüllt.“ Darüber hinaus ließ er eine Silhouettenschneiderin auftreten, so daß die magischen Elemente des Films als Wunschfläche und künstliche Figuren wieder zusammengeführt wurden.

1943 lief zum 25. Jubiläum der Ufa die märchenhafte Kostümkomödie Münch- hausen in den Kinos an. Freilich konnte dieses Spektakel in Agfacolor, das die Bedeutung und das technische Können der Ufa präsentieren sollte, nur mit Hil- fe von Filmtricks1511 realisiert werden - aber diese waren nun einmal an die ‘Ma- gie des Films’ gebunden. So passierte einen Film lang exzessiv das, was bis- her vermieden wurde: „Da fährt die Tollwut in die Kleider hinein, da löst sich der Ma- gier in Nichts auf, da bleibt Münchhausen vom Alter unberührt, reitet auf einer Kanonenkugel und reist mit seinem Diener zum Mond,“ schrieb Karsten Witte.1512 Alle Filmtricks, die sich seit Méliès mit dem Faustfilm entwickelt hatten, wurden in

1510 Das Stück Leder verweist wiederum auf alte und geheimnisvolle Bücher. 1511 Für die Trickaufnahmen war Konstantin Irmen-Tschet zuständig. 1512 Karsten Witte, Filme im Nationalsozialismus, a.a.O., S. 164

Herr der Welt 415

Münchhausen gezeigt. Die Stars der Ufa1513 traten in kindlich naivem Märchen- gewand auf und waren keineswegs abhängig von einem finsteren Demiurg. Münchhausen, den Joseph von Baky gemacht hatte, wurde von der Zensur mit einen Jugendverbot belegt und bekam die Vermerke: Künstlerisch besonders wertvoll und volkstümlich wertvoll. Kraft Wetzel und Peter Hagemann schrie- ben über Erich Kästners1514 Drehbuch: „So ist ihm Münchhausen eher zu einem Mantel- und Degen-Casanova geworden als zu jenem faustischen Weltenwanderer, den die versonnenen Zwischenszenen der Jetztzeit anpeilen.“1515 Bis zum Kriegende war Münchhausen eigentlich der einzige, aber jedenfalls der letzte Film, der Magie zum Thema hatte.

1. Teufel und Technik Die folgenden vier Fictionfilme stellten technische Phantasien in den Mittel- punkt der Handlung. Gleichzeitig entdämonisierten diese Spielfilme das Ver- hältnis zur (Film-)Technik und demontieren die Rolle des faustischen Wissen- schaftlers. Es ist eine Reihe von Anti-Faust-Filmen, in denen der wissens- durstige Forscher durch den praktischen Ingenieur ersetzt wird.1516

Im September 1933 kam Harry Piels1517 Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt in die Kinos. Wie in den meisten seiner Filme, spielte Piel auch hierin die Hauptrolle. Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt ging wohl von dem Erfolg der amerikanischen Verfilmung der Erzählung von H. G. Wells The Invisible Man1518 (1933) aus, in der ein Wissenschaftler ein Unsichtbarkeitsserum ent- wickelt und daran zugrunde geht. Aus Hans Rameaus Drehbuch waren jedoch sowohl der Wissenschaftler als auch das Unsichtbarkeitsserum verschwun- den. An die Stelle des Wissenschaftlers rückte der Taxifahrer Harry (Harry Piel) und das geheimnisvolle Elixier ersetzte eine Tarnkappe. Als Unsichtbarer kam Harry zwar schnell zu Reichtum, mußte dann aber erfahren, daß Geld al- lein nicht glücklich macht. Am Ende stellte sich seine Geschichte als Traum heraus. Dann aber findet Harry tatsächlich ein seltsames technisches Gerät in seinem Taxi. Es ist ein Fliegerhelm mit Blindflugempfänger. Er bringt den Ap- parat zum Fundbüro und erhält eine Belohnung. Das Kriegsgerät ersetzt die Tarnkappe1519, und moderne Technik tritt an die Stelle der Schwarzen Kunst.

1513 Es spielten Hans Albers den Lügenbaron, Ferdinand Marian Graf Cagliostro, Ilse Werner Prinzessin Isabella, Brigitte Horney die Zarin Katharina II. 1514 Erich Kästner hatte „für dieses Projekt ‘Schreiberlaubnis’ erhalten“, Vgl. Reclams deut- sches Filmlexikon, a.a.O., S. 25. Er schrieb unter dem Pseudonym Berthold Bürger. 1515 Kraft Wetzel und Peter Hagemann, Liebe, Tod und Technik., a.a.O., S. 74. Der Mittelteil der Historia von D. Johann Fausten enthält genug abenteuerliche Episoden, die fließend in Münchhausen Erzählungen münden und vielleicht den Lügenbaron als Teufelsbündler entlarven könnten. 1516 Seit dem neunzehnten Jahrhundert ist der Ingenieur der geschätzte technische Fachwis- senschaftler. 1517 Harry Piel war seit 1912 im Filmgeschäft und mit ihm wurde der Detektiv- und Sensations- film modern, der ihm den schlechten Ruf eines Draufgängers einbrachte. Sein Image ver- änderte sich in der NS-Zeit zum „aufrechten, deutschen Kerl“. Von 1912 bis 1938 brachte Harry Piel jährlich mindestens zwei Filme heraus, in denen er meist die Hauptrolle spielte. (Er drehte noch 1951 Der Tiger Akbar.) Zu Harry Piel vgl. Reclams deutsches Filmlexikon, a.a.O., S. 292f 1518 H. G. Wells, Der Unsichtbare, Stuttgart 1914 1519 In John Carpenters Memoirs of an Invisible Man (1992) versuchte die CIA den Unsichtba- ren in ihre Gewalt zu bekommen.

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Abb. 252: Harry Piel, Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt, 1933, Harry Piel als Taxifahrer Harry

Etwa ein halbes Jahr später (Februar 1934) hatte Die Welt ohne Maske Pre- miere, wiederum von und mit Harry Piel. Hans Rameaus Drehbuch ging wie- der vom magischen Aspekt prometheischer Apparate aus, diesmal des Fern- sehens. Mit seinem ‘klugen’ Nachbarn Harry Palmer (Harry Piel) entwickelt Dr. Tobias Bern (Kurt Vespermann) einen Apparat, mit dem sie durch Wände se- hen können. Nach kriminellen Intrigen und rasanter Fernsehverfolgungsjagd geht das Gerät zu Bruch und wird durch einen Volksfernsehempfänger ersetzt. Die Überwachungskamera, die keine Wände kennt, stand ja tatsächlich kurz vor ihrem Einsatz. Die übernatürliche Fähigkeit, das Auge Gottes zu besitzen, trieb Dr. James Xavier (Ray Milland), in Roger Cormans The Man with the X- Ray Eyes (1963) ins Verderben, aber hier wurde der Konflikt mit dem allse- henden Auge kurzerhand durch nachbarschaftliche Überwachung erledigt. Der gute Nachbar, Harry, paßte auf, daß die Dämonen der Technik nicht erwachen und Dr. Tobias Bern den richtigen Sender hört.1520

In Der Herr der Welt (Harry Piel1934) taucht schließlich doch wieder ein fausti- scher Wissenschaftler auf. Es ist der Roboterexperte Professor Wolf1521 (Wal- ter Franck), der jedoch keineswegs im klassischen Gelehrtenkostüm auftritt, sondern in einem futuristischen Overall. Eine mächtige goldene Kette mit ei- nem Amulett verleiht ihm ein eher amtliches Aussehen.1522 Nicht nur seine Klei- dung ist futuristisch sondern auch die Ausstattung des Labors und der Einsatz von Radio und Fernsehen als Überwachungsmedien. Im Vorspann des Films greifen Zahnräder fließend ineinander und bewegen sich im Rhythmus der Mu- sik von Fritz Wenneis. Ein Funkturm strahlt elektromagnetische Wellen aus.

1520 Auch in Kurt Bernhardts Der Tunnel (1933) war der Held ein junger Ingenieur. Mac Allan (Paul Hartmann) schaffte es gegen die Interessen Woolfs (Gustaf Gründgens) einen Tun- nel zwischen Amerika und Europa zu bauen. Neben Paul Hartmann und Gustaf Gründ- gens spielten unter anderen auch Attila Hörbiger, Otto Wernicke und Ferdinand Marian sowie Max Schreck mit. (Kameramann war Karl Hoffmann.) In der französischen Fassung spielten Jean Gabin und Madeleine Renaud die Hauptrollen, vgl. Francis Courtade und Pi- erre Cadars, Geschichte des Films im Dritten Reich, München und Wien 1975, S. 270 1521 Die Namen der Protagonisten stehen für ihren Charakter: Wolf ist der Böse, Heller ver- schafft ihm die Möglichkeit eine Höllenmaschine zu konstruieren. Ehrenberg verkörpert die Vorstellung von Ehre und besitzt das Bergwerk und Baumann schließlich, ist der richtige Mann, um eine neue Welt aufzubauen. Ein Vergleich der Namen aus Der Herr der Welt (Drehbuch: Georg Mühlen-Schulte) mit denen aus Metropolis (Drehbuch: Thea von Har- bou) zeigt eine gewisse Ähnlichkeit, wie etwa bei Hel und Heller, Joseph und Josaphat, Vilmar und Maria. 1522 In Carl Theodor Dreyers Vampyr trug die alte Vampirin ebenfalls eine Art Amtskette.

Herr der Welt 417

Eine Männerstimme erschallt aus dem Off: „Achtung, Achtung, wir leben im Zeital- ter der Maschine!“ Eine Fabrik kommt ins Bild. Die einzelnen Stationen des Pro- duktionsablaufes werden wie in einem Dokumentarfilm gezeigt: Bäume, Sä- gewerk, Dampfmaschine, Räder, Funkturm. Die Stimme erklärt: „Motoren, Trak- toren, Kompressoren. Die Erde ist geschüttelt vom Atem der Technik.“ Es folgen Bildreihen: Hochofen – Abstich – Gußeisen - Stahlfabrik. Eine Eisenbahn fährt auf die Kamera zu und rollt über sie hinweg. Ein Zeppelin kommt ins Bild, dann ein Propeller, ein Flugzeug und schließlich ein Autorennen. Die Maschinenge- räusche der Fahrzeuge werden lauter. Eine Luftaufnahme zeigt die Erde als prometheisches Reich.

Die Exposition des Films führt ins Innere des Zeppelins. Geheimrat Ehren- berg (Aribert Wäscher), der vertrauenerweckende Zechenbesitzer, sitzt dem dynamischen Dr. Heller (Walter Janssen) dem Chef der Heller Maschinen- werke, am Fenstertisch des Zeppelins gegenüber. Weit unter ihnen ist die Er- de zu sehen. Ihr Gespräch gibt dem Stellenwert der Technik für den Film wie- der: „Die Entwicklung der Technik ist nicht zu stoppen. Sie darf auch nicht gestoppt werden. Stillstand bedeutet Rückschritt!" - „Großartige Ideen, Herr Doktor! Wenn ich mir vorstelle, daß das alles einmal so kommen wird, wie Sie das erstreben, bleibt mir glatt der Atem weg.“ - „Ich ziehe nur selbstverständliche Folgerungen aus gegebenen Tatsachen und die Technik ist eine solche Tatsache." - „Ich habe gehört, daß Sie in ihrem Werk Maschinenmenschen bauen wollen, Herr Doktor, das klingt wie ein Mär- chen.“ - „Märchen beginnen mit, es war ein Mal, bei uns gilt das Motto: Es ist! Es wird sein!“ Seine emphatische Rede wird von einem Bild, das die entfernte Erde zeigt, unterbrochen. „Alle sollen teilhaben an dem Segen, den die Technik zu bringen vermag.“ Vor dem Zeppelinfenster taucht ein Flugzeug auf.

Die folgende Sequenz führt zur Zeche Ehrenberg. Arbeiter fahren ins Bergwerk ein. Bergleute bauen Kohle ab. Das Grubenpferd kommt ins Bild (groß), es wird besonders gut behandelt. Die Atmosphäre unter den Arbeitern ist äußerst anständig. Auch der Steiger Kurt Schuhmacher (Willy Schur) ist in den kollegi- alen Arbeitsprozeß integriert. Schuhmacher ist zu dem Pferd und zu den Ar- beitern gleichermaßen nett. Das Pferd wird groß gezeigt, sein Auge zur be- drohlichen Detailaufnahme. Unerwartet bricht ein Schlagwetter aus. Die Stem- pel geben nach und halten den niederdrückenden Erdmassen nicht mehr stand. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Die Arbeiter versuchen ihr Leben zu retten, helfen sich untereinander und bringen die Verletzten in Sicherheit. Ein Schnitt führt zur Villa der Hellers. Doktor Heller kommt von einer Reise nach Hause zurück. Er wird von seinem Diener Joseph (Karl Platen) begrüßt. In der Eingangstür steht seine Frau Vilma (Sybille Schmitz). Sie läuft ihm entgegen. Geigen klingen, ein exotischer Vogel wird gezeigt. Heller sagt zu seiner Frau: „Vorträge, Interviews, Presseempfänge, Einladungen von der Universität, vom Senat und dann die Verhandlungen mit der Wissenschaft, mit der Industrie, den Banken haben mich gerädert. Das willst du ja alles gar nicht hören.“ Am nächsten Morgen wird Hel- ler beim Frühstück von seinem Betriebsleiter, Oberingenieur Wolter (Otto Wernicke), gestört. Wolters Stimme erschallt unerwartet aus der modernen Tefefon-Freisprechanlage. Er berichtet, Professor Wolf habe sich im For- schungslabor einmauern lassen und die Wände mit Panzerglas gesichert. Niemand weiß, was da vorgeht. „Wir hören sehr oft Detonationen“, schließt Wolter seinen Bericht ab. „Aber,“ antwortet ihm Heller, „das ist doch nichts Ungewöhnli- ches!“ Wolter rechtfertigt sich: „Ich dachte vor einer Viertelstunde, das Werk geht in die Luft.“ - Heller beruhigt ihn: „Keine Sorge.“ Die Kamera fährt auf Hellers Frau, die (wie das Grubenpferd) von dunklen Ahnungen geplagt, in die Kamera spricht: „Erich, nimm dich in acht!"

In den Hellerschen Maschinenwerken sind die Arbeiter aufmarschiert, um Hel-

418 Herr der Welt ler zu begrüßen. Nach seinem gebührenden Empfang betritt er das verdunkel- te Labor Prof. Wolfs durch eine vergitterte Tür. Ein Schwenk zeigt blinkende Kontrolleuchten an den Wänden des runden Raums. Wolf ist nur schemenhaft an einem überdimensionalen Steuerungspult zu sehen. Die Begegnung zwi- schen Heller und Wolf findet als Schattenspiel statt. Plötzlich schaltet Wolf das Licht ein.1523 Das Maschinenlabor ist ebenso futuristisch, wie die Kleidung des Alchemisten, der in seinem Overall drahtig wirkt. Er ist bartlos und hat spärli- ches Kopfhaar. Der Wissenschaftler gleicht eher einem Priester oder einem Schamanen, der den Eingang zur Unterwelt bewacht. Er öffnet eine weitere schwere Steintür, und ein riesiger Roboter ist zu sehen. Dieser setzt sich in Bewegung und kommt näher.

Abb. 253: Der Kampfroboter. Harry Piel, Der Herr der Welt, 1934

Wolf schwärmt: „Ein wunderbarer Bursche...“ Heller ist verwirrt: „Ich habe Ihnen doch ausdrücklich verboten, die Hilfsmittel des Werkes für Spielereien in Anspruch zu nehmen.“ Der Wissenschaftler weist ihn zurück: „Sie vergreifen sich im Ausdruck, Herr Doktor... der Roboter ist eine Kampfmaschine, der die Welt erobern wird.“ Haller erwidert: „Ich baue Maschinen, die dem Aufbau gewidmet sind, nicht der Zerstörung, verstanden... Unsere Arbeitsroboter sollen die Menschen von gefährlicher und geisttö- tender Arbeit befreien. Wir brauchen keinen überdimensionalen Kriegsroboter.“ Wolf geht auf den Roboter zu. Haller erregt: „Was Sie betreiben ist glatter Irrsinn. Und diesen Irrsinn verbiete ich. Das Ding wird verschrottet.“ Verständnislos wehrt Wolf ab: „Die ganze Arbeit als Alteisen verschrottet. Das tut mir leid, wirklich ausgesprochen leid.“ Heller befiehlt ihm, das Werk zu verlassen. Der gigantische Tötungsrobo- ter leuchtet hell auf. Aus seinen metallenen Brüsten sprühen „vernichtende Deltastrahlen“. Wolf klagt: „Ich kann die Strahlen noch nicht gebündelt nach vorne schießen, sie sausen noch viel zu sehr im Raum herum.“ Die unkontrollierbaren Strahlen streifen umher. Heller ruft Wolf zu: „Abschalten!" - Der Wissenschaftler lacht und schaut verliebt auf seine Maschine. Plötzlich trifft ein Strahl Heller und er bricht tot zusammen. Wolter wartet vor dem Forschungslabor. Plötzlich kommt Professor Wolf heraus und teilt ihm mit: „Er ist verunglückt. Große Ideen fordern eben ihre Opfer.“

Heller, der Unternehmer, und Wolf, der Erfinder, deren Begegnung hier im

1523 Auf dem Steuerungspult ist AEG zu lesen. Die AEG finanzierte die technische Ausstattung des Filmes.

Herr der Welt 419

Schattenreich der teuflischen Maschine inszeniert wurde, erinnern an Freder- sen, den Unternehmer, und an Rotwang, den Erfinder, in Fritz Langs Metropo- lis (1926). In Der Herr der Welt erzeugt der Tötungsroboter jedoch kein utopi- sches Sozialgefüge wie die gigantische Teufelsmaschine in Metropolis, son- dern der Roboter ist ein Prototyp, die ‘Mutter‘ zukünftiger Tötungsroboter. Der Roboter, den Wolf kreierte, scheint sich zusammenzusetzen aus dem Moloch, der großen Teufelsmaschine, und aus Hel, der Maschinenfrau in Metropolis. An die ‘teuflische’ Weiblichkeit der Vernichtungsmaschine erinnern die ‘Tö- tungsbrüste’, aus denen die tödlichen Strahlen kommen.

Die anschließende Sequenz spielt in einem Krankenhaus und führt den eigent- lichen Helden des Films, Bergwerksingenieur Werner Baumann (Siegfried Schürenberg) ein. Er kam nach der Schlagwetterkatastrophe ins Krankenhaus. Hier wird die Mitteilung verbreitet, daß im Bergbau bald Maschinen eingesetzt werden sollen, um die Menschen abzulösen. Baumann fährt zur Erholung ans Meer. Inmitten einer Mädchenschar resümiert er: „Erlösung wäre es, wenn man Maschinen im Bergbau zu Arbeit bringen könnte. Das hieße, unendliches Leid aus der Welt schaffen.“ Ein Schnitt führt zurück ins Maschinenwerk. Die Konstruktion der Maschinenmenschen geht nach Hellers Tod weiter. Ein Arbeiter fragt sei- nen Nebenmann: „Was ist eigentlich ein Robot?" - Dieser antwortet: „Jede Maschi- ne ist ein Robot.“ Schon bald bleibt die Zeche wegen Umstellung auf Roboterbe- trieb geschlossen. Bergarbeiter versammeln sich vor dem Tor. Diskussionen sind im Gang. Baumann tritt hinzu. Die Roboter werden angeliefert. Baumann ruft erfreut aus: „Wunderbar!" - „Wunderbar nennst du das und wir können am Dau- men lutschen!“ Eine Rückblende zeigt Heller im Zeppelin: „Alle sollen teilhaben an dem Segen, den die Technik zu bringen vermag.“ Der dynamische, fortschrittsgläu- bige Oberingenieur Baumann hat sich inzwischen mit der Witwe Hellers ange- freundet. Vilma Heller will die Fabrik an Professor Wolf verkaufen, der direkt durch die Freisprechanlage aus dem Forschungslabor mit ihr in der Villa spricht. In dem Moment, als sie den Vertrag unterschreiben will, kommt Bau- mann dazwischen und verhindert den Verkauf. (Den Vertrag, der auch hier ein Pakt mit dem Teufel geworden wäre, vereitelt der vorausschauende Ingenieur.) Professor Wolf hört ihrem Gespräch zu und fordert Baumann auf, ihn in sei- nem Laboratorium zu besuchen. Türen öffnen und schließen sich automa- tisch. Wieder ist das Labor verdunkelt. Unerwartet wird eine Weltkarte gezeigt, auf der Lichter die zukünftigen Standorte der Kampfroboter kennzeichnen. Wolf erklärt Baumann, daß die Roboter die ganze Welt beherrschen werden. Er schlägt ihm vor, die Tötungsmaschinen gegen hohe Gebühren zu vermie- ten, um so Herr der Welt zu werden. Baumann entgegnet, es werde Revolten und Aufstände geben. Wolf holt die Vernichtungsmaschine hervor.

Währenddessen wartet Vilma Heller in der Villa. Sie sitzt am Klavier. Auf einer Uhr schlägt der Sensenmann die Stunde.1524 Vilma hält das Warten nicht länger aus und fährt zur Fabrik. Sie findet den angeschlagenen Baumann im Labora- torium mit Wolf. Als sie den Kampfroboter sieht, ist sie entsetzt: „Das ist ja Wahnsinn, was Sie da machen. Sie sind ein Verbrecher. Raus mit Ihnen, keine Minute bleiben Sie länger im Werk.“ Wolf entgegnet: „Ich soll weg. Hieraus? Ein Leben lang habe ich gearbeitet wie ein Tier, wie der niedrigste Kuli. Ich habe mir nichts gegönnt. Ich habe nur geschuftet. Tag und Nacht geschuftet und immer wieder geschuftet. Und wissen sie auch wofür? - Dafür! (Er weist auf die Kampfmaschine.) Der Herr der Welt zu sein!" Wolf ist wie Faust ein Besessener, der ohne Unterlaß Tag und Nacht die Gesetzte von Naturwissenschaft und Technik erforschte. Träge fährt der Tötungsroboter einen riesigen Stab aus. Baumann und Vilma weichen zu- rück. Die Maschine fährt auf sie zu. Unkontrolliert spritzen die tödlichen Kraftli-

1524 Der Tod, der die Stunde schlägt, wird hier zum Signifikat.

420 Herr der Welt nien durch den Raum. Plötzlich dreht sich die Maschine um und rollt auf den Wissenschaftler zu. Er versucht, sich in Sicherheit zu bringen, will die Maschi- ne abschalten, bekommt aber einen Schlag und fällt zu Boden. Er wird ein wei- teres Mal getroffen und die Maschine überrollt ihn. (Der) Wolf ist tot. Von außen werden die Türgitter mit einem Schweißbrenner durchtrennt. Im Labor bricht ein Feuer aus. Die Maschine ist nicht mehr zu stoppen. Sie speit Feuer wie ein wütender Drache. Baumann und Vilma flüchten in den Keller. Der Tötungsro- boter bricht aus dem Labor aus und zerstört, was sich ihm in den Weg stellt.

Abb. 254: Filmplakat, Harry Piel, Der Herr der Welt, 1934

Die Schlußsequenz zeigt ehemalige Bergmänner, die in einer Steuerungszent- rale sitzen und mit Hilfe einer Fernsehüberwachungsanlage Untertage arbei- tende Roboter steuern und überwachen. Die anderen Bergleute sind inzwi- schen Bauern geworden. Sei bekommen regelmäßig einen Teil des Geldes, das durch die von Robotern geförderte Kohle verdient wird. Glückliches Landleben wird gezeigt, alle haben eine ausgefüllte Freizeit. Baumann (der bessere Heller) und Geheimrat Ehrenberg fahren im Auto an der ‘Beschaulich- keit’ vorbei. Familien mit vielen Kindern leben in einer Schrebergartenidylle. Ein Junge bekommt den Hosenboden versohlt. Lakonisch bemerkt er: „Das merkt man, daß Papa Hauer war.“ Das Grubenpferd weidet zufrieden. Mit dem Satz: „Das ist unser Hans, unser alter Grubengaul!“, der in friedvolle Musik übergeleitet wird, endet die Sequenz. Zum Abschluß kreuzt ein Segelschiff die Leinwand.

Herr der Welt 421

Sehr mechanisch scheinen in Der Herr der Welt Filmstile zusammengewürfelt zu sein. Während sich der Anfang auf die Dokumentarfilme von Walter Rutt- mann1525 beziehen läßt, erinnern die Begegnung zwischen dem Industriellen Heller und dem Wissenschaftler Wolf sowie die Teufelsmaschine stark an Fritz Langs Metropolis (1926). Am Schluß findet der Film sein Modell im sowje- tischen Bild des glücklichen Kolchosebauern. Der Held des Films ist unzwei- felhaft der junge, dynamische Oberingenieur Baumann. Er konnte verhindern, daß die Hellerschen Maschinenwerke ‘dem Teufel zufielen‘. Der Industrielle Doktor Heller kam um, weil er nicht weitsichtig genug war. Er wird - anders als in Metropolis, in dem Joh Fredersen seine Fabrik behält - durch den ‘besseren Mann’ ersetzt. Der selbstsüchtige Wolf wird von seinem eigenen Produkt ver- nichtet. Baumann nimmt entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der zu- künftigen Gesellschaft, weil er die Geschicke des Bergwerkes und der Maschi- nenfabrik im Auge behält. Im Laufe des Filmes verschwinden Doktor Heller sowie Geheimrat Ehrenberg, und Baumann tritt an ihre Stelle. Oberingenieur Baumann ist der ideale Vertreter des kleinen Mannes und des Mittelmaßes. Als Ingenieur vermittelt er im Arbeitsprozeß zwischen Wissenschaftler und Arbei- ter. Er bekleidet eine durchaus erreichbare Position. Erst nachdem er Vilma von der Richtigkeit seines Weges überzeugt hat, wurden die Maschinen für die Menschen nutzbar. Der kleinbürgerliche Geschmack mit dem die Villa ausges- tattet ist, die Vorstellungen von ländlicher Idylle als Schrebergartenglück und die Mädchenbekanntschaften während des Strandurlaubs lassen ein wohlhabendes Leben auch für den kleinen Mann in Reichweite treten. Pierre Bourdieu wies Ende der siebziger Jahre nach, daß sich die meisten Menschen nur die Dinge wünschen, die für sie auch erreichbar sind.1526

Technik ersetzt Wissenschaft, und der Ingenieur ersetzt den Forscher. Kraft Wetzel schrieb, daß in Der Herr der Welt ein „positives, fragloses Verhältnis zur Technik, die gefährlich erst durch den Mißbrauch wird“, dargestellt sei.1527 Es geht aber in diesem Phantastischen Film viel weniger um den Mißbrauch von Tech- nik als vielmehr um den Besitz der Technik. Wer über die Bodenschätze und über die Maschinen verfügt, besitzt die Macht (der Technik). In Der Herr der Welt wird nicht etwa - wie in Metropolis - auf Klassenkampf abgezielt, sondern die durchaus ehrbaren Motive und Methoden des Geheimrates Ehrenberg so- wie Doktor Hellers werden schlicht als überholt dargestellt und durch Baumann und seine Utopie der (technischen) Skavenhaltergesellschaft ersetzt. Der Film zeigt, daß ein einzelner Wissenschaftler ebensowenig wie ein Potentat die Weltherrschaft erringen kann, er kann die Welt höchsten mit einer Weltver- nichtungsmaschine zerstören. Mit ‘Amtskette’ ausgestattet, steht Wolf, wie der Kaiser selbst, vor der Weltkarte und errichtet seine Alleinherrschaft mit Hilfe der Kampfroboter, welche die Armeen ersetzen sollen. Aber die Tötungsma- schine revoltiert wie die Soldaten im Ersten Weltkrieg. Sie tötet ihn und bricht aus. Zur Weltbeherrschung bedarf es schon eines gemeinschaftlichen Vorge- hens, da müssen alle an einem Strick ziehen und zunächst an das glauben, was Baumann verspricht: den Endsieg. Alles wird bereinigt werden, wenn das Geschick in die richtigen Hände gelegt wird. Schamanentum und Teufelsma- schine haben ebenso ausgedient wie Kaiserreich und Großbürgertum.

Professor Wolf war neben Professor Achenbach (Friedrich Kayßler) - der in

1525 Walter Ruttmann galt seit Berlin, Sinfonie einer Großstadt als Avantgardefilmer. Ab 1933 arbeitete er für den nationalsozialistischen Film. Vgl. zu Walter Ruttmann, Reclams deut- sches Filmlexikon, a.a.O., S. 327 1526 Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, (Paris 1979) Frankfurt am Main 1982 1527 Wetzel und Hagemann, Liebe, Tod und Technik, a.a.O., S. 25

422 Herr der Welt

Karl Hartls1528 Gold (1934), bei dem Versuch umkam, durch Atomzertrümme- rung aus Blei Gold zu machen – einer der wenigen Alchemisten im nationalso- zialistischen Spielfilm. Auch Achenbach wurde von einem ‘mutigen und ge- rechten’ Ingenieur, Werner Holk (Hans Albers) ersetzt. Er war ein Techniker des Mittelmaßes, der vorgab, die prometheischen Mächte zu besänftigen, wäh- rend in den Laboratorien des Dritten Reichs die Produktion von Giftgas, che- mischen Kampfstoffen, V2 Raketen in nicht gekanntem staatlichen Ausmaß vorangetrieben wurde. In dem Film Gold werden gigantische Technikvorstel- lungen mit alchemistischen Träumen verbunden, so daß eine Goldgewin- nungsmaschine an die Stelle der Teufelsgestalt rückt.

Abb. 255: Die Goldmachmaschine. Karl Hartl, Gold, 1934

Das Film-Laboratorium aus Gold erschien den Alliierten so wirklichkeitsgetreu, daß sie die Kopien des Films beschlagnahmten, weil sie glaubten, Deutsch- land hätte schon vor 1934 einen Atomreaktor besessen.1529 Nachdem Profes- sor Achenbach mit seiner Goldmaschine in die Luft geflogen (oder zur Hölle gefahren) war, übernahm sein Famulus, Ingenieur Werner Holk, die Sache. Obwohl es ihm gelang, Gold zu machen, war er weise genug, es niemandem zu verraten. Am Ende heißt es: „Werner Holk, der hat doch gar kein Gold gemacht, der kann gar keins machen, und wird er auch nie wieder versuchen, weil kein Segen da- bei ist, drum soll man auch keins machen.“1530 Der Film birgt die naive Hoffnung auf den jungen Techniker, der mehr kann, als er zugibt. Es ist unschwer zu erken- nen, daß das prometheische Element vom Wissenschaftler zum Ingenieur wandert und der Teufel aus der Geschichte herausgehalten wird.

Neben den Ingenieur, der als Praktiker und Mann von nebenan galt, wurde der arische Wissenschaftler gestellt, der als Herrenmenschen ins Bild gesetzt wurde. Hans Steinhoffs Robert Koch, der Bekämpfer des Todes (1939), zeigt den medizinischen Wissenschaftler als Retter der Menschheit. Dazu mußte der Wissenschaftler allerdings erst einmal aus dem Dunstkreis des Teufels entfernt werden.

1528 Karl Hartl machte für die Ufa zwei Science Fiction Filme, die dem literarischen Erfolg der Bücher Hans Dominiks (1872-1945) folgten. 1932 drehte er den Film F.P. 1 antwortet nicht und 1934 Gold. Er galt als „treffsicherer Regisseur“ von Großprojekten, vgl. Reclams deut- sches Filmlexikon, a.a.O., S. 140. Vgl. auch Courtade und Cadars, Geschichte des Films im Dritten Reich, a.a.O., S. 272 1529 Ebd. 1530 Zit. n. Wetzel und Hagemann, Liebe, Tod und Technik, a.a.O., S. 58

Herr der Welt 423

Abb. 256: Hans Steinhoff, Robert Koch, der Bekämpfer des Todes, 1939

Das Bild zeigt Robert Koch (Emil Jannings) in seinem Laboratorium. Hinter ihm steht ein menschliches Skelett und in seinen Händen hält er einen Toten- kopf. Requisiten, die bisher signifikante Zeichen einer bevorstehenden Teufels- erscheinung waren, dienten Steinhoff nun zur Darstellung der Entsagung von übernatürlichen Kräften. Der Historienfilm stellte Robert Koch als einen deut- schen Arzt vor, der, wie es Toeplitz dem Drehbuch von Wassermann und Steinhoff zuschrieb, „zum Ruhm seines Volkes arbeitet.“ Danach wurde Robert Koch zu einem „Mustergelehrten gemacht, der im nationalsozialistischen Geist lebt, arbeitet und denkt.“1531 Für den arischen Wissenschaftler existierte die dämoni- sche Versuchung nicht, denn er war Teil eines entdämonisierten, nationalsozi- alistischen Filmreiches, während gleichzeitig der wirkliche Arzt Dr. Mengele seine Menschenversuche in Konzentrationslagern machte und Zwillinge - so wie sie Dr. Doyen vor laufender Kamera voneinander getrennt hatte - zusam- menoperierte. Menschenexperimente und Rassentheorien folgten der Vorstel- lung des Herrenmenschen, ein perfektes Doubel zu erschaffen. Die Wider- sprüche Frankensteins oder Fausts gute Engel waren aus dem Grenzbereich zwischen Bild und Abbild entfernt worden.

Die Figur des Teufels verschwand im nationalsozialistischen Film aus dem Wirkungsbereich des Wissenschaftlers, und die Technik streifte alles Magi- sche ab, während gleichzeitig das Genre des Phantastischen Films zurückge- drängt wurde. Es erscheint zu einfach, die Gründe für das Fehlen des Phan- tastischen Kinos in der Zeit des Nationalsozialismus in der Funktion des Films als Propagandamittel und in der strengen Kontrolle der ausländischen Import- filme zu suchen.1532 Auch die Annahme Kraft Wetzels scheint nicht auszurei- chen, daß die Abneigung der herrschenden Filmschaffenden gegenüber dem

1531 Toeplitz, Geschichte des Films, Bd. 3, a.a.O., S. 262 1532 Ebd.

424 Herr der Welt

Phantastischen - das ja seit der Romantik die deutsche Kultur prägte - sich dadurch erklären ließ, daß das Phantastische als „Zufluchtsort“ dienen und ein Platz „für ‘innere’ Emigration’“ sein könnte, „wo man fernab von ideologischen Tageser- fahrungen die Phantasie schweifen lassen, vielleicht sogar im Gewand entrückter Un- verbindlichkeit Zeitkritik üben konnte.“1533 Die Beobachtung des Fehlens des Phantastischen Kinos im Nationalsozialismus läßt die Frage zu, wohin die Teufelsgestalt im Film verschwand.

Der Böse tauchte fraglos im antisemitischen Film auf, der, wie es Karsten Wit- te unterstrich, „eine eigenständige Erfindung der Nationalsozialisten“ ist.1534 In dem Historienfilm Jud Süß (1940) stellte Veit Harlan Joseph Süß-Oppenheimer an die Stelle der Teufelsfigur.1535 Die folgende Filmanalyse zeichnet den filmischen Umwandlungsprozeß der christlichen Teufelsgestalt zum Juden nach und zeigt, daß Jud Süß signifikante Elemente der Faustgeschichte enthält, die in Bildmontage und Klangdramaturgie einem klassischen Horrorfilm entsprechen.

Der Film beginnt mit der Einführung des Paktierers Herzog Karl Alexander von Württemberg (Heinrich George), ein eitler und genußsüchtiger Herrscher, des- sen übermäßige Wünsche die Landesstände ablehnen. Unmittelbar darauf schickt der Herzog Herrn von Remchingen zu Süß-Oppenheimer nach Frank- furt, um von ihm ein Schmuckstück zu erwerben. Das Judenviertel in Frankfurt wird insbesondere durch die Sprache und die Kleidung der Bewohner als fremde Kultur und ‘böser‘ Ort ins Bild gesetzt. Hämische Bemerkungen beglei- ten den Besuch von Remchingen bei Süß-Oppenheimer.

Abb. 257: Veit Harlan, Jud Süß, 1940, Ferdinand Marian als Joseph Süß- Oppenheimer

Süß-Oppenheimer wird dämonisch ins Bild gesetzt. Seine Augen blicken zur Seite, das Licht fällt auf sein Gesicht, und die Kamera blickt leicht von unten.

1533 Ebd. S. 7. Daraus ergab sich für Kraft Wetzel die Frage: „War... das Kino des Phantasti- schen utopisch oder konservativ? Das eine schließt das andere nicht aus. Alle Spielfilme sind auch (sozialhistorische) Bedeutungsträger. 1534 Witte, Film im Nationalsozialismus, a.a.O., S. 151 1535 Mitunter wurde auch Veit Harlan zum Gehilfen des Teufels erklärt, so schrieb etwa Dora Traudisch: „Daß Künstler wie Veit Harlan nicht nur mitmachten, sondern mitschuldig waren, da sie bei der Lust am Arbeiten die diabolischen Zwecke übersahen, denen sie mit ihrer Kunst zu dienen bereit waren.“ Dora Traudisch, Mutterschaft oder Zuckerguß? Frauen- feindliche Propaganda im NS-Spielfilm, Pfaffenweiler 1993, S. 80

Herr der Welt 425

Er bietet dem Herzog sofort einen Pakt an: Wenn es ihm offensteht, das Schmuckstück nach Stuttgart - einer Stadt, zu der die Juden keinen Zutritt ha- ben - zu bringen, bekommt Karl Alexander einen guten Preis. Er willigt ein. Ei- ne alte Regel besagt, daß der Teufel erst dann erscheinen darf, wenn er geru- fen wird.1536

Auch seine Fahrt nach Stuttgart scheint Süß-Oppenheimer auf dämonische Weise zu lenken. Nach einem Kutschenunfall wird er von Dorothea Sturm (Kristina Söderbaum) mitgenommen.1537 Mit sonorer Stimme - eine tiefe, ein- schmeichelnde Stimme ist häufig Merkmal des Bösen - erzählt er Dorothea von seinen Reisen durch die ganze Welt. Auf Dorotheas Frage: „Hat Er denn kein zu Hause?“, antwortet er: „Doch, die ganze Welt.“ ‘Gesindel ist auf der ganzen Welt zu Hause‘, und ohne es zu ahnen - obwohl sie es hatte wissen müssen - bringt die junge Frau den Bösen in die Stadt.1538 Ist der Teufel erst einmal da, läßt er nicht mehr von seinem Opfer ab. Mit den Worten: „Ich bin ein treuer Die- ner meines Herren!“, schüttet er - mit magischer Geste wie Scapinelli in Der Stu- dent von Prag (Rye, 1913) - aus einem kleinen Geldsack eine ungewöhnlich große Summe Goldmünzen vor dem Herzog aus.

Abb. 258: Mit einem Berg Goldmünzen schmeichelt sich Süß-Oppenheimer ein.

Süß-Oppenheimer wird der Finanzberater des Herzogs und seine Macht wächst in kürzester Zeit. Straßen- und Brückensteuern, die er eintreiben läßt, verteuern die Lebensmittel. Die Städter sind voller Groll auf ihn. Dorotheas Va- ter, Landschaftskonsulent Sturm (Eugen Klöpfer), und ihr Verlobter, Aktuaruis Faber (Malte Jaeger), machen Dorothea Vorwürfe, den Juden in die Stadt ge- bracht zu haben. Bereits ihre Namen, Sturm und Aktuarius Faber, verweisen auf die gesellschaftlichen Ordnungsinstanzen, die sie vertreten, der ältere Sturm steht für das erfahrene Militär und Aktuarius Faber für die Gerichtsbar- keit. Sie treten dem zerstörerischen Werk Süß-Oppenheimers mit den legalen Mitteln des Staates, Militär und Gericht, entgegen: „Klüger als die Juden sein?“, fragt Faber zweifelnd, worauf Sturm antwortet: „Die Juden sind nicht klug, sie sind

1536 Auch Dracula darf niemanden in sein Haus zwingen oder eine Schwelle unaufgefordert übertreten. 1537 Auf magische Weise vermittelte auch Scapinelli Balduin die Bekanntschaft der Baronesse in Der Student von Prag (Rye, 1913, Galeen, 1926). 1538 Die Szene erinnert an das Ende von Roman Polanskis The Fearless Vampire Killers (1967) als Professor Abronsius voller Unschuld in der Kutsche seinen gebissenen Famu- lus und die Vampirin in die Welt bringt. Aus dem Off erklärt der Erzähler: „In jener Nacht... wußte Professor Abronsius noch nicht, daß er das Böse... mit sich schleppte.“

426 Herr der Welt schlau!“ In der unausgesprochenen Gleichsetzung von schlau und ‘durchtrie- ben’ wird dem jüdischen Finanzberater eine Eigenschaft des Teufels zuge- sprochen.

Der Herzog lebt in Saus und Braus. Süß-Oppenheimer gelingt es, die Aufhe- bung des Judenbanns zu erwirken. Der Einzug der Juden in Stuttgart wird zu einer klassischen Horrorfilmszene: Fremde Eindringlinge folgen einem dämo- nischen Wesen.1539 Die Juden ziehen wie die Ratten - die Nosferatu nach Wis- borg folgten - in Stuttgart ein. Süß-Oppenheimer holt zwei weitere Juden - Levi, den Sekretär und Rabbi Löw - an den Hof. Beide - insgesamt fünf verschiede- ne Juden - spielte Werner Krauß. Er war - so Klaus Kreimeier - das „Zerrbild des Antityps... der zersetzenden Kraft.“1540 Krauß, der zwei berühmte Teufelsges- talten der Filmgeschichte, Doktor Caligari in Das Cabinet des Dr. Caligari (Wiene, 1919) und Scapinelli in Der Student von Prag (Galeen, 1926), gespielt hatte, gab im schwarzen Kleid als Jude kein anderes als ein dämonisches Bild ab. Er spielte die Juden wie zuvor die Teufelsgestalten. Als Sekretär Levi war er der persönliche Diener Süß-Oppenheimers, ein Famulus wie Fausts Wag- ner. Mit unverständlichen Worten und rätselhaften Formeln rief er im Gebet eher die Hölle als den Himmel an.

Zweifel, die beim Herzog an der Politik seines Finanzberaters aufkeimen, ver- anlassen Süß-Oppenheimer dazu, Rabbi Löw zu rufen, damit er dem Herzog ein gutes Horoskop stellt. Der Rabbi erfüllt Süß-Oppenheimer sein schändli- ches Anliegen, aber nicht ohne ihn zu warnen: „Hast du nicht ein Palast wie Salo- mon? Schläfst du nicht in einem vergoldeten Bett? Hast du nicht die Wände voll Bü- cher, die du nicht lesen sollst?“ Zornig schlägt er mit seinem Stock auf die Bücher der fremden Kultur.

Abb. 259: Rabbi Löw schlägt mit seinem Stock auf die Bücher in Süß- Oppenheimers Bibliothek

Immer wieder stehen Bücher im Phantastischen Film mit dämonischen Kräf- ten in Verbindung und werden als Höllenzwänge inszeniert.1541 Das bekannte Bild des Gelehrten, der durch seine Bücher den Weg zum Teufel findet, er-

1539 Vgl. auch Invasion from Mars (1953) oder Invasion of the Body Snatchers (1956). 1540 Kreimeier, Die Ufa Story, a.a.O., S. 348 1541 Vgl. das Kapitel: Faust Höllenzwang

Herr der Welt 427 scheint hier in einem neuen Gewand. Leser verbotener Bücher werden nicht nur zum Teufelspaktierer erklärt, sondern gleichzeitig als bösartige Juden de- nunziert. Die Bücher sind Verbündete der Teufelsgestalt. Rabbi Löw, der sich in der Bücherszene wie Faust als ein korrupter Diener des Bösen darstellt, ge- hört trotz seiner Kritik an Süß-Oppenheimer zur selben dämonischen Welt.

Auch die Bücherverbrennung zu Beginn der nationalsozialistischen Macht- übernahme kann als Teufelsaustreibung angesehen werden.

Abb. 260: Dämonisches Feuer

Mitte der sechziger Jahre griff François Truffaut das Thema der Bücher- verbrennung und der Magie von Büchern im Verhältnis von Wort und Bild in dem Science Fiction-Film Fahrenheit 451(1966) auf. Truffaut stellte die Fern- sehfamilie gegen die Buchkultur, und indem Menschen zu lebenden Büchern wurden, weil sie den Inhalt Wort für Wort auswendig lernten, wurde das verle- bendigte Buch zum selbstreferentiellen Äquivalent für den (sprechenden) Film.

Im weiteren Verlauf von Jud Süß wird die ‘Gretchentragödie’1542 durch Süß- Oppenheimers Werbung um die Hand Dorotheas bei ihrem Vater - der ihn vol- ler Haß abweist – eingeleitet. Nach seinem Antrag verheiratet der Vater augen- blicklich seine Tochter mit Faber. Daraufhin werden Vater und Ehemann unter dem Verdacht des Landesverrates verhaftet. Dorothea bittet den herzoglichen Finanzberater um Freiheit für Vater und Ehemann. Er nimmt sich Dorothea mit Gewalt. Sie geht daraufhin ins Wasser und büßt ihre Dummheit mit dem Tod. Hinter dem Teufel - so lassen es die Bilder durchdringen - steht das (naive) Weib. Nicht nur Dorothea, sondern auch die anderen Frauenrollen - etwa die Herzogin sowie die Mutter Dorotheas oder ein Landmädchen - werden als schlichte Gemüter dargestellt und zeichnen sich durch mehr oder weniger Redlichkeit in ihrer Rolle als Mutter, Ehefrau, Braut oder Liebchen aus. In dem Historienfilm trägt Dorothea - ein Wesenszug vieler Horrorfilme - ihr ‘barockes’ Opferkleid. Das Ende des Films ist schnell erzählt: Nach Dorotheas Tod bricht ein Aufstand los, den Süß-Oppenheimer zum Staatsstreich nutzen will. Der

1542 Der Reclam Filmführer stellte die Geschichte zwischen Süß-Oppenheimer und Dorothea in den Mittelpunkt der Filmbeschreibung, vgl. ebd. S. 287. Dorothea wird sein Untergang, denn am Ende wird er gehängt, weil er ein deutsches Mädchen berührte, vgl. Witte, Film im Nationalsozialismus, a.a.O., S. 153

428 Herr der Welt

Herzog erfährt auf einem Fest, daß die Pläne seiner Alleinherrschaft geschei- tert sind. Er erleidet einen Herzanfall und stirbt. Süß-Oppenheimer wird verhaf- tet, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Der Judenbann tritt wieder in Kraft.

Zusammenfassend betrachtet, verführt Süß-Oppenheimer den labilen Herr- scher mit der Finanzierung seiner kostspieligen Launen.1543 Obwohl der Herzog korrupt ist, zeigen die Bilder an keiner Stelle ein inneres Bündnis zwischen ihm und Süß-Oppenheimer. Der Herzog paktiert auch nicht uneingeschränkt, da offenbar Zweifel an ihm nagen. Die Gefahr scheint ihm wohlbekannt zu sein, aber seine nicht beherrschbare Genußsucht und Dekadenz haben zu dem Pakt geführt, folglich wird der adelige, deutsche Herrscher nicht gänzlich ver- teufelt. Der Herzog ist auch letztendlich nicht wirklich die faustische Figur des Films, sondern der jüdische Gelehrte Rabbi Löw wird zum faustischen Wis- senschaftler erklärt, der schon lange dem Reich des Bösen angehört.

Durch die Bearbeitung Wilhelm Hauffs (1827) war aus der historischen Figur Joseph Süß-Oppenheimers ein typischer romantischer Protagonist geworden, den ein Gefühl des Unheimlichen und des Grauens umgab. Hauff stellte Süß- Oppenheimer auf folgende Weise dar: „Die Züge dieses merkwürdigen Mannes wa- ren in der Nähe betrachtet, zwar etwas zu kühn geschnitten, um schön und anmuthig zu heißen, aber waren edler als sein Gewerbe und ungewöhnlich; sein dunkelbraunes Au- ge, das frei und stolz um sich blickte, konnte sogar für schön gelten; die ganze Er- scheinung imponierte, und sie hätte etwas Würdiges und Erhabenes gehabt, wäre es nicht ein hämischer, feindlicher Zug um die stolz aufgeworfenen Lippen gewesen, was diesen Eindruck störte und Manchen, der ihm begegnete, mit unheimlichen Grauen füll- te.“1544 Unter Hauffs Feder entstand eine weitere diabolische Gestalt, die zugleich (so Mihal Friedman) „Schlange und Vampir“ war, und „moralische Zerset- zung und den physischen Verfall derjenigen verursacht, die sich ihm nähern.“

Friedman führte die „erotische Ausstrahlungskraft“ des Schauspielers Ferdinand Marian, der „den dämonischen Juden verkörpert“, darauf zurück, daß „er dessen ari- scher Darsteller ist.“ Er wurde also nicht als „Mißgeburt“ vorgeführt, zumal auch „Joseph Süß-Oppenheimer (..) in die Geschichte mit dem zweifelhaften, aber anerkann- tem Ruf eines Herzensbrechers und Lieblings der Frauen eingegangen (war).“1545 Die erotische Anziehungskraft Marians schien jedoch weniger aus der Doppelge- sichtigkeit des arischen Darstellers oder der historischen Überlieferung abge- leitet zu sein, als vielmehr aus dem magischen Wesenszug der dämonischen Figur. Das säkularisierte Teufelsbild, das Marian hier darstellte, war eine Ges- talt wie Gründgens romantischer Mephisto, hinter der sich die dämonische Mißgeburt verbarg. Ob nun Marian die Rolle des Juden nicht spielen wollte, um sein Image als romantischer Verführer nicht zu gefährden, oder ob er - wie es Géza von Cziffra in seinen Memoiren schrieb1546 - an der Rolle zerbrach, die ihm Goebbels aufzwang, jedenfalls bekam die Darstellung eine Eigendynamik, der er selbst erlegen zu sein schien.

1543 Wie in Der Student von Prag und All that Money can buy wurde ein Pakt mit dem Teufel des Geldes wegen geschlossen. Während Balduin seine gerechte Strafe erlitt, kam der Paktierer bei Wilhelm Dieterle mit dem Schrecken davon und der Teufel hatte den Scha- den. Der Teufelsbündler wurde bei Dieterle wie bei Lessing durch göttliche Kraft vor dem Verderben gerettet. 1544 Wilhelm Hauffs sämtliche Werke in zwei Bänden, Leipzig, o. J., Bd. I, S. 169-230, S. 187f 1545 Mihal Friedman, Männlicher Blick und weibliche Reaktion: Veit Harlans Jud Süß (1940), in: KinTop 6, a.a.O., S. 50-64, S. 52 1546 Géza von Cziffra, Kauf dir einen bunten Luftballon. Erinnerungen an Götter und Halbgötter, München, Berlin 1975, S. 297

Herr der Welt 429

Der Haß und der Abscheu, den der Film gegen das jüdische Volk schürt, kommen mit der vertrauten Dramaturgie des Fauststoffes daher: Der Böse er- schien, schloß einen Handel, und während der Paktierer in Saus und Braus lebte, trieb er sein Unwesen. Im Volksbuch fand Faust keine Gnade vor Gott und auch in Jud Süß muß der Böse zur Hölle fahren. Aber der entscheidende Unterschied ist am Ende des Films zu finden, denn nicht Gott mischt sich ret- tend in die Geschichte ein, wie es im Anschluß an die Historia von D. Johann Faust üblich wurde, sondern Satan wurde von einer kraftvollen Elite, die an die Stelle Gottes gerückt war, zur Strecke gebracht und gerichtet. Als sei er Satan, wurde Süß-Oppenheimer stellvertretend für alle Juden vertrieben und vernich- tet. Sturm und seine Truppe verjagten, wie der Erzengel Michael und sein Ge- folge, Satan aus dem Himmel - Gott selbst trat gar nicht erst in Erscheinung. Harlans Film reinigte nicht nur das Land vom weltlichen Teufel, sondern er ü- bertrug die christliche Gottesvorstellung auf den Herrenmenschen. Karin Pries- ter stellte heraus: „Erst nach dem Verblassen einer demiurgischen Schöpfergestalt (treten) die wahren ‘Religionen’ und Mythen in ihrer ganzen Dramatik in Kraft (..) und nehmen im Faschismus die Form von Ursprungsmythen an.“1547 Die Projektionsfläche scheint zunächst geleert werden zu müssen, damit die alten Mechanismen sich in neuen Bildern präsentieren können.

2. Goebbels und Hitler Nicht nur, weil Goebbels unbegrenzte Mittel für diesen Film und seine Werbung zur Verfügung stellte, sahen ihn von 1940 bis 1944 neunzehn Millionen Zu- schauer, sondern der Film sprach - wie es Mihal Friedman darlegte - auf wi- dersprüchliche Weise die ‘Schaulust’ an. Den Voyeurismus stimulierte, so Friedmann, der „Zugang zu einem Schauspiel... ,dessen narrative Autonomie... eine Welt für sich entwirft.“1548 Die Grundzüge der Narration sind aber - legt man eine immerwährende Popularität des Fauststoffs zugrunde - allgemein bekannt, so daß die Welt, die der Film entwarf, bereits eine bekannte Welt nachstellt. (Schau-)Lust und Identifikation entwickeln sich gewöhnlich im Prozeß unbe- wußter Wiedererkennung. Die Identifikation wird eingeleitet durch ein sponta- nes Zurechtfinden in einer vertrauten Geschichte, die hier freilich durch die Darsteller und die Bilder neu erscheint. Mit dem Rückgriff auf eine historische Figur wird wie in der Faustgeschichte eine Vermischung der Ebenen real und fiktiv erzeugt. Es wird nicht nur dieselbe Geschichte erzählt, sondern derselbe Fiktionsprozeß zugrunde gelegt. Über die Historia von D. Johann Fausten schrieb Johann Georg Neumann 1683 in dem Versuch, nach hundert Jahren Publizität des Buches, die reale Geschichte von der literarischen Fiktion abzu- trennen, daß er keine „weiteren Lügenmärchen häufen (möchte), vielmehr in den Prüf- stand erheben, was beim Volk blinden Beifall gefunden... und so viel Menschen in ihren Bann geschlagen hat; Nicht anders als Wasser sich auf Sandboden verbreitet... verlie- ren sich auch Geschehnisse... oder lösen sich in Lügenmärchen auf... deshalb muß man die Geschichte wieder zusammensuchen und sorgfältig prüfen.“1549 In der Historia ging die Diffamierung des Magus ebenso wie die antisemitische Hetze in Jud Süß mit einem Verweis auf eine historische Gestalt einher, die sich als Teu- felsbündler oder als Teufelsgestalt erwies. Der Nationalsozialismus zeigte sich mit Jud Süß allemal als neue Religion.

Auf einer Seite war das Phantastische Kino für die Darstellung des Teufels überflüssig geworden, da der antisemitische Spielfilm neue Teufelsgestalten hervorbrachte, und auf anderer Seite schuf der Dokumentarfilm im selbstrefe-

1547 Karin Priester, Faschismus als Religion, in: Sowi 25 (1996), H. 1, S. 35-42, S. 36 1548 Friedman, Männlicher Blick und weibliche Reaktion, a.a.O., S. 52 1549 Neumann, Vom Scharlatan Faust, a.a.O., S. 4ff

430 Herr der Welt rentiellen Spiel der Kamera neue Götter. In der ersten Sequenz von Triumph des Willens, den Leni Riefenstahl 1934 drehte, kommt ein Flugzeug aus den Wolken hervor. Es ist eine Flugmaschine, deren Bauch das göttliche Auge, die sehende Allmacht, eine Filmkamera trägt. Im verdoppelten Strahl des Blicks und der Sonne erscheint „Er!“1550 und verweist Ikarus in seine Schranken. Göttli- che Technik erschafft den neuen Gott und dessen Abbild. Georg Seeßlen schrieb über die erste Einstellung des Films: „Die Kamera gleitet über eine Wol- kendecke und durchbricht sie dann; es ist wie ein Durchstoßen des Hymens, zugleich die Umkehrung der Wundererfahrung. Das Zeichen kommt nicht von Himmel, der Blick selbst ist dieses Wunder. Das Flugzeug, in dem sich die Kamera befindet, wirft einen Schatten auf die Stadt. Wir sehen Menschenkolonnen. Unter der Ankunft ordnen sich die Massen und schließlich landet das Flugzeug. Heraus kommt der Führer... Wie ein Gott kommt Hitler vom Himmel.“1551 Aber der Blick ist nicht - wie Seeßlen darstellte - mit dem göttlichen Blick identifiziert, so „daß man selbst Anteil hat an dieser Gött- lichkeit“1552, sondern es ist der kalte Schöpferblick des technischen Mediums, das sich aus seiner Rolle als Teufel befreite und sich zum neuen Gott auf- schwang. „Lucifer und Excelsior - Apparate für lebende, sprechende, singende und musizierende Photographie“1553 hieß der neue Kinematograph, den die Firma Glüer und Co 1907 auf den Markt brachte. Excelsior ist der Name des neuen Men- schenschöpfers, des Gottes, der seinen Doppelgänger, sein Abbild, seinen Golem mit dem Strahl göttlichen Lichts füllt. Einer nach dem anderen wird vor- treten und den Schem erhalten. Es ist die Stunde der Erschaffung der Menschheit als filmischer Doppelgänger - ein technisches Wunder. Auch der Titel des Dokumentarfilms Hitlers Flug über Deutschland verweist auf den ‘göttlichen Flug’ des Führers. Der Film wurde übrigens bei nationalsozialisti- schen Versammlungen unter freiem Himmel vorgeführt und zeigt Joseph Goebbels, der sich bei einer seiner Reden ins Bild setzen ließ.1554

In allen vier Filmen, die Riefenstahl in der Zeit des Nationalsozialismus drehte, war der Führer Gott und Menschenschöpfer - ein heller Komet am griechi- schen Götterhimmel, der sich des Blitzes zu bedienen wußte. Bereits der Titel des ersten Films Sieg des Glaubens (1933) klingt wie eine christliche Verhei- ßung und ist das Glaubensbekenntnis der neuen Lichtmenschen, die sich auf die Regeln der alten Gewalt beziehen. „Du sollt keine anderen Götter haben, neben mir“, ruft Zeus Prometheus zu. Sieg des Glaubens und Triumph des Willens zeigen Ausschnitte der Reichsparteitage in Nürnberg. Sie sind Schöpfungsge- schichte und Glaubensbekenntnis. 1935 machte Riefenstahl den Film über die Wehrmacht, Tag der Freiheit, der die Formation der göttlichen Heerscharen zeigt. Schließlich festigte sie das Bild des göttlichen Doppelgängers in den beiden Teilen des Olympia-Films, Fest der Völker und Fest der Schönheit (1938). Wie der Bildhauer die Statue erschafft, erschafft Excelisor, die Kame- ra, den beweglichen Körper. So sieht die Brunnenstatue in Triumph des Wil- lens nicht nur zum Führer auf, sondern die Plastik, das starre Körperbild, wird zum Vergleich des beweglichen Körperbildes, das der Film produziert, ein ver- doppeltes körperliches Perfektionsbild. „Es ist der Körper, der auf diese Weise for- malisiert wird“, schrieb Seeßlen, in dem er Susan Sontags Eindruck, Leni Rie- fenstahl mache in „ihren Filmen den Inhalt zur reinen Form“, auf den Transformati-

1550 Vor dem ersten Auftritt Caligaris in Das Cabinet des Dr. Caligari steht der Zwischentitel „Er!“ 1551 Georg Seeßlen, Tanz den Adolf Hitler. Faschismus in der populären Kultur, Berlin 1994, S. 82f 1552 Ebd. S. 83 1553 Der Kinematograph, a.a.O., Nr. 10, (1907) o. S. 1554 Vgl. Folke Isaksson und Leif Fuhrhammar, Politik und Film, Ravensburg 1974, S. 69

Herr der Welt 431 onsprozeß der Inszenierungen des Faschismus hin erweiterte.1555 Im neuen künstlerischen Schöpfungsprozeß, der Inszenierung des filmischen Bewe- gungskörpers, wird der Körper notwendigerweise formalisiert und die Form zum Inhalt erhoben. Leni Riefenstahl, die eine Karriere als Tänzerin abbrechen mußte, hatte ja am eigen Leib erfahren, was es bedeutete, sich einen (perfek- ten) Bewegungskörper zu erschaffen.1556 In ihrem Olympiafilm wird der Körper immer wieder ins Verhältnis zur Natur gesetzt und in seiner Nacktheit so ge- zeigt, als wäre er gerade auf die Welt gekommen, geboren als Bewegungsbild.

Die Niederkunft des Schöpfers, die Darstellung der Macht des Herrenmen- schen, geboren im Strahl des prometheischen Lichts, das waren die Inszenie- rungen der Dokumentarfilme Riefenstahls. Bei Gottfried Müller1557, dessen Buch über Filmdramaturgie 1942 in zweiter Auflage erschien, hieß es: „Es ist falsch zu sagen, der Film sei dokumentarisch. Selbst der sogenannte‚ dokumentarische Film ist das künstlerische Produkt geschickter Kameraleute, Schnittmeister, der ordnenden Hand eines Regiestabes. Seine künstlerischen Aufgaben sind im Hirn eines schöpferi- schen Menschen, bevor er gedreht wird, bereits vorhanden.“ Ein Absatz davor war zu lesen: „Der Kinematograph hat den Sieg über die Natur vollständig erreicht, daß sein Produkt, auch farblos, v i e l n a t ü r l i c h e r w i r k t a l s d i e N a t u r s e l b s t, die im Vergleich zu seinen Bildern kümmerlich erscheint. Ja diese Teufelsmaschine könnte sich zum Lehrmeister der Natur aufschwingen. Die Wolken der Natur sind nicht kontrastreich genug. Sie mögen sich ein Beispiel an den mit besonders gefärbten Rauch hergestellten Filmwolken nehmen, die von einem tüchtigen Aufnahmeleiter viel besser hergestellt werden als vom Wettergott. Für Beleuchtungseffekte möge sich Heli- os aus einer Filmrequisitenkammer eine gute Silberwand ausborgen. Licht und Schatten werden von den Jupiterlampen natürlicher hergestellt als vom Tageslicht... D a s i s t F i l m! Das Übertrumpfen der Natur, dieses Spotten allen physikalischen Gesetzen.“1558 Der Regisseur und die Filmtechnik sind der neue Gott, der Schöpfer des neu- en Seins. Leni Riefenstahl konnte für Goebbels aber keineswegs einen Filmer wie Sergej M. Eisenstein ersetzen1559, der es verstand, eine politische Idee als ‘dokumentarischen’ Spielfilm zu inszenieren.

Der Spielfilm war Goebbels Passion und in der Nachfolge von Gone with the Wind (1939) produzierte die Ufa zu ihrem 25jährigen Bestehen den Farbfilm Münchhausen (1942). „Der Doktor“, wie ihn die Filmschaffenden nannten, re- gierte die Ufa. Zynik des Schicksals, er war von kleiner, humpelnder Gestalt. Géza von Cziffra beschrieb den „Doktor“ in seinen Memoiren: „Er hinkte und muß- te orthopädische Schuhe tragen, um die Kürze seines Beines auszugleichen.“1560 Frei- lich beschrieben ihn seine Gegner als Teufel. Hitler und Goebbels - ein Ge- spann wie Faust und Mephisto. Nicht nur Kracauer, sondern auch Thomas Mann machte in Doktor Faustus aus der deutschen Katastrophe ‘Hitler’, das Werk des Teufels. In Thomas Mann Doktor Faustus ist Adrian Leverkühn ein „genialer Musiker“.1561 War die Wißbegierde bislang Quelle der Verführung des

1555 Seeßlen, Tanz den Adolf Hitler, a.a.O., S. 83 1556 Das Theater verweist auf eine ähnliche Grenzüberschreitung, da es ein Ort ist, an dem ‘Leben‘ gespielt wird und das Leben als Bühnenaufführung betrachtet werden kann. 1557 Gottfried Müller, Dramaturgie des Theaters und des Films, Würzburg 21942, S. 183 1558 Ebd. S. 182 1559 In seiner Rede im Berliner Kaiserhof (28.3.1933) unterteilte Goebbels Spielfilme in „künstlerisch“ und „gefährlich“. Über ‘Panzerkreuzer Potemkin’ sagte er: „Er ist fabelhaft gemacht, er bedeutet eine filmische Kunst ohnegleichen. Das entscheidende ‘ Warum’ ist die Gesinnung. Wer weltanschaulich nicht fest ist, könnte durch diesen Film zum Bolsche- wisten werden.“ Albrecht, Nationalsozialistische Filmpolitik, Dokument 1, a.a.O. S. 439-447, S. 439 1560 von Cziffra, Kauf dir einen bunten Luftballon, a.a.O., S. 62 1561 Thomas Mann, Doktor Faustus, Frankfurt am Main 1947, S. 7

432 Herr der Welt

Wissenschaftlers wurde es der Schöpfungswille des künstlerischen Genies. Schon zu Beginn des Romans stellte Mann heraus: „Nun ist dieses Wort ‘Genie’, wenn auch über-mäßigen... Charakters,... sollte keinen vernünftigen Grund sehen, davor zurückzubangen... und doch ist nicht zu leugnen... ,daß an dieser strahlenden Sphäre das Dämonische und Widervernünftige einen beunruhigenden Anteil hat.“1562

Aus der Idee - Wissenschaft gegen Kunst zu tauschen und Wißbegierde durch Schöpfungswillen zu ersetzen, was ebenso zum Teufelspakt führte - entstand auch Brian de Palmas Faust-Musikfilm Phantom of the Paradise (1974). Hierin ging ein Popmusiker für ewige Jugend einen Pakt mit dem Teufel ein. Jerry Lewis hatte bereits zwölf Jahre vorher aus der Transformation eines forschen- den Naturwissenschaftlers in einen Rockmusiker einen Plot gemacht. In der Filmkomödie The Nutty Professor (1962) verband er den ‘Berufswechsel’ des Teufelbündlers mit Stevensons Novelle The Strange Case of Dr. Jekyll and Mister Hyde. Allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, denn aus dem eher un- ansehnlichen Chemieprofessor Julius F. Kelp (Jerry Lewis) wurde durch die Einnahme des teuflischen Elixiers der begehrte Rockstar Buddy Love. Die Filmkomödie zeigt, wie, angetrieben durch sexuelles Begehren, aus Wißbe- gierde Schöpferwille werden kann.

1562 Ebd. S. 9 (Hervorhebungen D.M.)

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Abb. 261: Jerry Lewis, The Nutty Professor (1962), Still: Paramount, Jerry Louis als Professor Kelp

Freilich ist ein Vergleich dieser Phantastischen Filme schwierig, aber sie ver- weisen grundlegend auf die Wandlungsmöglichkeiten der Faustgeschichte und zeigen, wie einzelne Elemente immer wieder aufs neue in verschiedene Film- genres einfließen. Das verbindende Element bleibt der Faustmythos des pro- metheischen Mediums.

Peter Sprengel untersuchte die Rolle der Teufels-Künstler in den Exilromanen von Heinrich, Thomas und Klaus Mann.1563 Danach stellte Thomas Mann in Doktor Faustus (1947) mit dem Teufelskünstler Adrian Leverkühn den Weg zur nationalen Katastrophe in „kryptischen Anspielungen“ dar und er rückte die „’verteufelte deutsche Zeit’ der Reformation, die durch zahllose Hinweise auf Dürer, Lu- ther und das Volksbuch vom Doktor Faust in die Nähe der Gegenwart... als ihr bezie- hungsreiches Spiegel- und Urbild... eines sich erst gegenwärtig entpuppenden Verhäng- nisses... Es ist die Ausrichtung auf die deutsche Geschichte, die die Teufelssymbolik des Romans bedingt... das Grauen des Faschismus, vor dem die ihm zur Verfügung stehenden politischen Kategorien versagen, läßt Thomas Mann zur moralisierend - theo- logischen Deutung, zum Bild des Teufels greifen. Tagebücher und Reden... belegen, in welchem Grad Hitler für Thomas Mann zur Inkarnation des Bösen gerann, die mythische Gestalt des Höllenfürsten annahm.“1564 Nach Sprengler mußte bei Thomas Mann der Teufelskünstler „persönlich für den Teufelspakt des Vaterlandes büßen.“1565 Franz Seitz, der Thomas Manns Doktor Faustus 1982 verfilmte, montierte Filmmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg und Ausschnitte aus Goebbels Rede im Sportpalast aus Hitlers Flug über Deutschland in den Film ein. Doktor Faustus beginnt bei Seitz mit dem Untergang des ‘Tausendjährigen Reiches’, während der Erzähler der Geschichte, Dr. phil. Serenus Zeitblom (Hanns Zischler), in einem Luftschutzbunker sitzt. Faust alias Adrain Leverkühn (Jon Finch) und Mephisto (André Heller) beziehen sich wie Zeitblom und Leverkühn kaum aufeinander. In gewisser Weise zeigt der Film ein dramaturgisches Patt wie Christopher Marlowes Fausttragödie, die ihre Spannung dadurch einbüßte, daß die Satansgestalt bekanntermaßen und von vorn herein die Mächtigere ist. Die ‘Schuld’ des Bösen am unvermeidlichen Untergang wird hier allerdings vom individuellen Schicksal auf das gesellschaftliche Schicksal ausgeweitet. Sebastian Feldmann faßte diese Tendenz des Films zusammen: „Am Nazis- mus war allemal der Beelzebub höchstpersönlich schuld.“1566

Einen direkten Bezug zum Nationalsozialismus hatte Klaus Manns Roman Mephisto (1936), den István Szabó 1980 verfilmte. Der Protagonist Hendrik Höfgens (Klaus Maria Brandauer) zeichnet den Weg des Schauspielers Gustaf Gründgens nach, der aufgrund seiner Mephisto-Darstellung in der Berliner Faustinszenierung 1932/1933 von Hermann Göring (der General, dargestellt von Rolf Hoppe) protegiert wurde. Noch am Abend nach der ersten Vorstellung schloß Höfgens den Pakt mit dem ‘Teufel’, der ihn durch Anerkennung und Macht verführte. Der Künstler, der bislang die Rolle Mephistos nur spielte, ver- band sich hier (so Sprengel) „mit den Teufeln der Realität“.1567 Die Verstellungs- kunst war für den romantischen Teufel ein Wesensmerkmal, ebenso wurde

1563 Peter Sprengel, Teufels-Künstler. Faschismus- und Ästhetizismus-Kritik in Exilromanen Heinrich, Thomas und Klaus Manns, in: Sprache im technischen Zeitalter, hrsg. v. Walter Höllerer und Norbert Miller, H. Jan.-März 1981, S. 181-195 1564 Ebd. S. 186 1565 Ebd. 1566 Sebastian Feldmann, Film „Doktor Faustus“, Teufelszeug, in: Rheinische Post, Nr. 217, 18.09.1982 1567 Ebd. S. 182

434 Herr der Welt die „Schauspielerei“ als „die Melodie des Faschismus“ in „Klaus Manns ‘Mephisto’, Feuchtwangers ‘Der falsche Nero’ und Brechts ‘Arturo Ui’“ betrachtet.1568

1960 kam Peter Gorskis Faust nach Goethes Faust I der Gründgens- Inszenierung des Hamburger Schauspielhauses, mit Gustaf Gründgens als Mephisto, in die Kinos. Gewiß handelt es sich bei diesem Film eher um die Aufzeichnung einer Faust-Bühneninszenierung als um eine - wie es die Gloria darstellte, die den Film produziert hatte - „bisher völlig unbekannte Mitte zwischen Film und Theater.“ Der Film wurde als ein Ereignis „von gar nicht abzusehender kunsthistorischer Bedeutung, wenn jetzt die Gründgens-Inszenierung... in einem Farb- film festgehalten..., der unter Gründgens eigener künstlerischer Oberleitung gedreht wurde,“ gepriesen. Die kunsthistorische Bedeutung Gorskis Film wurde zum ei- nen Gründgens Inszenierung zugeschrieben, zum anderen der Farbqualität des Films. Gründgens wurde von der Gloria als ein internationaler Star her- ausgestellt, der seit der Berliner Faustaufführung 1932, Mephisto zu seinem Lebensinhalt gemacht hatte: „An seinem sechzigsten Geburtstag konnte er von sich sagen, sein Leben sei ein Leben mit und für Faust gewesen.“ Und so, als gelte es kri- tische Haltungen bereits im Vorfeld auszuschließen, wurde der von den Nazis vertriebene Kritiker Alfred Kerr zitiert, der Gründgens schon damals als „einen von den Unseren“ bezeichnet hatte. Ferner wies die Gloria auf die allgemeine Ohnmacht hin, die stets gegenüber der Sphäre des Dämonischen herrscht. Sie hob hervor: „Sein Faust wird zum Spielball des Bösen, dessen gnadenloser Dä- monie er anheimfällt. Das ist das Große... wir spüren, daß hier unsere Sache verhandelt wird, wie in einem Spiegel sehen wir das Drama des modernen Menschen sich vollen- den.“

Die Dichotomie von Gut und Böse sowie die imaginäre Verbindung der Prota- gonisten ist das zentrale Anliegen der Faust-Inszenierung Gründgens, wie es die verkehrende Anordnung der Porträts Fausts und Mephistos auf folgendem Bild zeigt. Der auf den Kopf gestellte Mephisto verbildlicht in dem Doppelporträt nichts anders als die Spaltung des grenzüberschreitenden Wissenschaftlers.

Abb. 262: Peter Gorski, Gustav Gründgens Faust, 1961, Film Still, Obelisk- Film, Will Quadflieg als Faust, Gustav Gründgens als Mephisto

Gorskis Film folgte den Prinzipien des Theaters in der Einheit von Ort, Zeit und Handlung, so daß der Filmraum ‘Theater’ blieb. Auch Dieter Dorns Faust (1987), der auf der Grundlage seiner Inszenierung an den Münchener Kam-

1568 Ebd.

Herr der Welt 435 merspielen in den Bavaria Studios aufgenommen wurde, blieb abgefilmtes Theater. Im Spannungsfeld von Faust und Film hatten sich schon lange andere Faustfiguren und Teufelsgestalten ausgebreitet1569, auch wenn Reinhard Kloos Dorns Faustfilm mit einem Hinweis auf den historischen Zusammenhang von Faust und Kino begründete. Kloos betonte: „Die ‘lebenden Bilder’ aus vergangenen Zeiten, die Doktor Faust... im Bunde mit dem Teufel herbeigerufen haben soll, gehörten um 1800 zum Erbauungsrepertoire einer Abendgesellschaft.“

Der Leibhaftige schien den Untergang „Doktor Faustus und die deutsche Katastro- phe“1570 als gigantische Höllenfahrt organisiert zu haben - und er bediente sich dabei des Films. In Hans-Jürgen Syberbergs Hitler- ein Film aus Deutschland (1978), kommt Hitler direkt aus dem Reich der Hölle hinaufgefahren und er- scheint im Qualm des höllischen Feuers, als sei er eine Teufelsgestalt Méliès’.

Abb.263: Hans Jürgen Serberg, Hitler – ein Film aus Deutschland, 1977, Heinz Schubert als Hitler

1569 In den sechziger Jahren waren moderne Prototypen des Bösen etwa die faustischen Wi- dersacher von James Bond. 1570 So der Titel des Kapitels über die Darstellung Thomas Manns Faustroman bei Ernst Fi- scher, Dichtung und Deutung. Beiträge zur Literaturbetrachtung, Wien 1953, S. 307. Fi- scher schrieb das Buch unmittelbar nach dem Krieg.

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Abb. 264: Faust aux enfers, d’aprè Berlioz (La Damnation du Faust) 1903, Cinémathéque Française, Méliès als Mephisto

Hitler (Heinz Schubert), der hier aus dem Grab Richard Wagners auftaucht, sagt: „Ich war und bin das Ende eurer geheimsten Wünsche, Legende und Wirklichkeit eurer Träume, da müssen wir nun durch. Endlich. Endzeit? Alpträume? Noch lange nicht. Wenn ich die Göttin der Geschichte, meine Vorsehung befrage, die ich kenne wie keiner von euch. Es heißt die Massen wenig lieben, wer mich nicht will. Auf ewig, euer Bruder Hitler.“ Mit ‘Bruder Hitler‘ installierte Syberberg den Bösen in der deut- schen, dämonischen Seele. Faust war zu einem paktierenden Herrenmen- schen geworden. Jean-Pierre Faye betrachtete Syberbergs Film als „Le troisième Faust“.1571 Schon die Titel der vier Teile des Films verweisen auf die Dramaturgie des Fauststoffes. Im ersten Teil: „Von der Weltesche bis zur Goethe- Eiche von Buchenwald“, wird der Teufel hervorgerufen, im zweiten Teil: „Ein deut- scher Traum... bis ans Ende der Welt“, der Pakt geschlossen und im dritten Teil:

1571 Jean-Pierre Faye, Le troisième Faust, in: Le Mond, 22.Juli 1978, vgl. ders., Faust, Teil III, in: Syberbergs Hitler-Film, München, Wien 1980, S. 33-35

Herr der Welt 437

„Das Ende des Wintermärchens und der Endsieg des Fortschritts“, erfolgt die Höllen- fahrt, die im vierten Teil vom körperlichen Schmerz auf die Qual der Gedanken verschoben wird: „Wir Kinder der Hölle erinnern uns an das Zeitalter des Grals.“ Sy- berberg inszenierte in seinem siebenstündigen Hitlerfilm Theaterbilder und Filmbilder, montierte Illusionsbilder mit Geschichtsbildern und stellte in den bildhaften Assoziationsketten die dämonischen Mächte des Bösen heraus, die sich auf dem deutschen Schicksalsweg ausbreiteten und zur gigantischen Höllenfahrt führten. Farbige Nebel, die Gegenwart des Höllenfürsten preisend, durchziehen wie in Coppolas Apocalypse Now (1979) das ‘Cabinet des Adolf Hitler’. Das Gruselstück wurde untermalt mit Klängen von Wagner, Beethoven, Hayden, Mozart, Mahler und nationalsozialistischen Liedern. Der Böse in uns scheint fremd belebt werden zu können, wie Cesare durch Dr. Caligari.

Karl-Heinz Janßen schwärmte in Die Zeit über diesen Film: „Syberbergs ‘Film aus Deutschland’ ist nach Thomas Manns epischem Werk über den Tonsetzer Adrian Leverkühn die zweite große künstlerische Umwandlung der schrecklichen Vergangen- heit, ein Doktor Faust in Zelluloid“, und „Syberberg (ist) sowenig beizukommen wie Shakespeare.“1572 Syberberg schien wie Thomas Mann eine Allianz zwischen der (Film-) Kunst und dem Bösen zu unterstellen. In einer Szene des Films erzählt Hitlers Filmvorführer von Hitlers Lieblingsfilmen, und im Verweis auf das dä- monische Medium taucht das Bild des ersten Filmstudios der Welt, Edisons Black Mary, in einer Glaskugel eingeschlossen, auf. Der Film, eine Wirklichkeit für sich, war der Anfang des filmischen Doppelgängers und das Ende der ab- bildlosen Zeit. Nach Syberberg war der Film die „Fortsetzung des Lebens mit an- deren Mitteln“. Er schrieb: „Was von Hitler blieb (war)... das brüchige Zelluloid. Wir wissen: Wer den Film hat, hat das Leben. Mit anderen Worten: Erst mit dem Film kommt... ein eigener moralischer,... metaphysischer Kosmos von Trauer und Vergnü- gen, analog den immer zu erkennenden Gesetzen des Universums um und in uns: In der Angst und der Freude über die ganze Welt zu fliegen und sie einzufangen und sie festzuhalten und neu wiederzugeben... Vielleicht kommen wir nach der Reise durch die- se Welt getrieben vom Erzengel Gabriel, wie Kleist so schön sagte, doch noch von hin- ten wieder rein in ein Paradies... teilzunehmen... an einem Film als Musik der Zukunft und Fortsetzung des Lebens mit anderen Mitteln.“1573 Danach galt es, ‘den Film’ dem mächtigen Dämon zu entreißen und ihn als neuen Weltenschöpfer, neuen Gott, als prometheischen Verheißer einer paradiesischen Zukunft - freilich auf Zelluloid - zu installieren. Der Strahl des Blitzes muß dem falschen Gott entris- sen werden und der Erzeugung einer neuen Schöpfung dienen. Syberberg schien ebenso gebannt von der Schöpferkraft des Mediums wie Riefenstah,l und geradezu besessen versuchte er, den Film und die, wie Thomas Hester- berg herausstellte: „Für ihn negativ besetzten Werte einer deutschen Kultur der ‘schöpferischen Irrationalität’... dem Teufel Hitler, dem ’Totengräber des Abendlandes’ wieder zu entreißen.“1574

Freilich war in Dr. Fritz Hipplers Film Der ewige Jude (1940), zu dem Dr. Eber- hard Taubert die Idee hatte, die Vermischung von Rolle und Darsteller so ex- trem, wie es vielleicht Ferdinand Marian befürchtete, als er Süß-Oppenheimer spielte. Schließlich war Peter Lorre in Der ewige Jude (1937) mit seiner Rolle als Kindermörder in Fritz Langs M (1931) gleichgesetzt worden.1575 Es gab kei-

1572 Karl-Heinz Janßen, „Wir - zwischen Jesus und Hitler. Mit Vernunft allein läßt sich der Ju- denmord nicht erklären, in: Die Zeit, 7. Juli 1978 1573 Syberbergs Filmbuch, München 1976, S. 311f (Hervorhebung D.M.) 1574 Thomas Hesterberg, Hans-Jürgen Syberbgers böses Wintermärchen. „Hitler - ein Film aus Deutschland“. Höllenfahrt durch die deutsche Seelenlandschaft. Vergangenheitsbe- wältigung mit Gruseleffekten und Wohlklang, in: Kölner Stadt Anzeiger, Nr. 61/17, 13. März 1979 1575 Vgl. Isaksson und Fuhrhammar, Politik und Film, a.a.O., S. 209

438 Herr der Welt ne Trennung mehr zwischen Bild und Wirklichkeit, die gewünschte Wirklichkeit war inszeniert wie in Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin (1925).

Der Stellenwert des Mediums Film im Nationalsozialismus läßt sich im Ver- gleich des Genres des Phantastischen Kinos in unterschiedlichen Ländern und der Rolle des dokumentarischen Spielfilms als Form des Historienfilms unter die Lupe nehmen. In ähnlicher Weise wie Ceausescu aus Dracula einen Volkshelden machte und gegen das phantastische Teufelsbild Historiker antre- ten ließ, trat auch im nationalsozialistischen Film kein übernatürliches Phan- tom auf. Auch in der DDR gab es nicht wirklich ein Kino des Phantastischen, sieht man einmal von Märchenfilmen ab. Noch in den sechziger Jahren wurden dort die Phantastischen Filme der zwanziger Jahre als „intellektueller Mummen- schanz“ angegriffen.1576 Wenn sich das Phantastische Genre des Kinos lichtet, zeigen offenbar andere Spielfilme Bilder des säkularisierten Bösen und binden teuflische Vernichtungswünsche an das Begehren nach ewigem Leben, das sich mit dem Medium paart. Ins Filmlicht treten und ein Gott sein oder im Schatten des filmischen Doppelgängers verschwinden, das war die bildhafte Existenz der Diktatoren in den ersten fünfzig Jahren Kinogeschichte.

Stalin, Hitler, Ceausescu schienen ihre Welt aus der Magie der Abbilder erson- nen zu haben. Enno Patalas stellte eine Retrospektive über Das Kino der Dik- tatoren zusammen1577, zu der Thomas Brandlmeier schrieb: „Ikonolatrie und Iko- noklasmus ist der ideologische Stellenwert, den das Bild in der Hierarchie des Denkens einnimmt. Je größeres Gewicht dem Bild beigemessen wird, desto größer die Angst vor dem Bild: Der Bilderstürmer ist der wahre Bilderverehrer. Drei Diktatoren und ihre Stel- lung zum Bild. Stalin erscheint selten auf der Leinwand und ab den vierziger Jahren fast nur noch durch Schauspieler verkörpert. Hitler erscheint fast nie privat, aber gern und viel öffentlich. Mussolini präsentiert sich unerläßlich... Die Grundposition der drei Dikta- toren zum Bild entspricht so genau ihrem jeweiligen historisch-kulturellen Hintergrund, daß es fast schon peinlich ist.“1578 Stalin war aber im Gegensatz zu Hitler nur der Stellvertreter Gottes auf Erden, der geistige Sohn Lenins, der ihm die göttliche Macht im Strahl der Sonne übertrug. Andrè Bazin schrieb über Ciaurelis Film Der Schwur: „Stalin hob die Augen gen Himmel. Zwischen den Tannenzweigen bricht der Sonnenstrahl durch, der den neuen Moses auf die Stirn trifft... Das Licht kommt von oben. Und es hat natürlich eine Bedeutung, das Stalin der einzige Empfänger der mar- xistischen Pfingstbotschaft ist... nicht durch seine Wissenschaft oder sein Genie, sondern weil der Gott der Geschichte in ihm gegenwärtig geworden ist.“1579 Das dämo- nische Element hatte sich die lebenden Gestalten des Bösen in die Phantastik zurückgeholt. Die filmbesessenen Diktatoren scheinen in Bildinszenierungen ertrunken. Es blieben Bilder übrig, die bis heute mit der ‘Wahrheit’ kämpfen. Bilder, die die Fragwürdigkeit des Mediums zum Merkmal von Geschichte machten. Im Filmdrama müssen am Ende die Filmhelden sterben, und auch Goebbels und Hitler inszenierten ihren Tod filmgerecht. Beider Filmberühmtheit ging bis heute nicht verloren. Voll Grusel wird ihre flimmernde Erscheinung in schwarzweiß und Farbe immer wieder vorgeführt und betrachtet.

3. La Beauté du Diable Auch René Clair machte in seinem Faustfilm La beauté du Diable (1949) den

1576 Horst Knietzsch, Film - gestern und heute, Gedanken und Daten zu sieben Jahrzehnten Geschichte der Filmkunst, Leipzig, Jena, Berlin 1963, S. 98 1577 Beim Festival des wiedergefundenen Films lief die Retrospektive im November 1992. Vgl. zum Kino der Diktatoren, Thomas Brandlmeier, Stalin, Hitler, Mussolini, in: epd Film H. 7, 1993, S. 21-30 1578 Ebd. S. 22 1579 Zit. n. ebd. S. 23 (Hervorhebung D.M.)

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Teufelspakt für die totale Zerstörung verantwortlich, die der Krieg hinterlassen hatte. Die historizistische Ausstattung des Films, sein märchenhafter Operet- tencharakter und seine magischen Momente - die Macht, die Faust am Hofe erlangte und die unheimliche Geldvermehrung - erinnern an Veit Harlans Jud Süß. Freilich stand bei Clair die Teufelsgestalt im Dienst des Höllenfürsten Lu- zifers, und Faust wurde dazu verführt, die Welt in ihren Untergang zu treiben. Aber Faust besann sich rechtzeitig eines Besseren und jagte den Teufel da- von. Am Ende des Films kehrt der Teufel in die Hölle zurück und Faust beginnt mit Gretchen ein neues Leben. Bereits die Exposition des Films enthält annä- hernd alle Bildelemente und Kameraeinstellungen, die schon den stummen Faustfilm markierten. Das erste Bild zeigt den durch Rauch und Feuer aufge- nommen Alchemistenofen. Ein Schwenk durch das Labor führt an historischen Laborgeräten und an einem Tisch mit alten Büchern vorbei und endet auf Fausts Famulus, der gerade das Labor auskehrt. Eines der Bücher fällt zu Bo- den und öffnet sich. Die Abbildung einer mittelalterlichen Teufelsgestalt als Fledermaus wird sichtbar. Das Teufelsbildnis ist von einer Bordüre hinterein- ander gemalter Augen eingefaßt. Der Adlatus schlägt das Buch zu und be- kreuzigt sich. Die Szene wird von fröhlicher Jahrmarktsmusik unterbrochen. Gaukler ziehen in die Stadt ein. Ein weiterer Schwenk führt zu den Gauklern und weiter zur Universität, wo Faust das 50jährige Dienstjubiläum feiert. Die Laudatio preist den Mann der Wissenschaft. Dem alten, kranken Gelehrten steht ein spöttischer Jüngling gegenüber, der seine beiden Hörner auf dem Kopf nicht verbergen kann.

Bei Clair fand Fausts Verführung einmal mehr in seiner Studierstube statt. Er ist hinter seinen Büchern versunken, als er plötzlich die Stimme des Teufels hört: „Und was weißt du?... 50 Jahre hast du in der Einsamkeit gelebt, und was weißt du? Du bist der gelehrteste Mann der Stadt, aber keiner kann dir etwas sagen über die geheimen Kräfte der Natur und den Ursprung allen Seins und bald wirst du sterben, oh- ne etwas vollendet zu haben. Ich kann dir deswegen meine Hilfe anbieten. Alles ist be- reit für das Gelingen deines großen Versuches.“ Die Stimme aus dem Off spricht Fausts Selbstzweifel aus. Unmittelbar darauf erscheint Mephisto als sein Dop- pelgänger. Zur Probe verjüngt er Faust. Seine Jugend feiert Faust mit den Gauklern und lernt Margarethe, ein Zigeunermädchen, kennen. Während der Landesfürst Mephisto (in Gestalt des alten Faust) dazu anhält, Gold herzustel- len, irrt Faust verarmt umher. Er läßt sich nicht zu einem endgültigen Pakt ü- berreden. Erst nachdem Mephisto ihn in sein altes Labor zurückholt, wird er von der Vorstellung des wissenschaftlichen Erfolges geblendet. Gemeinsam entwickeln sie ein Verfahren, aus Sand Gold herzustellen. Die Gelehrten aller Welt werden eingeladen und bestaunen die magische Leistung. Faust bleibt trotz allem unzufrieden. Er will die Fürstin für sich gewinnen. Auf dem Fest, das aus diesem Anlaß stattfindet, führen drei Tänzerinnen in Teufelskostümen einen Höllentanz vor.

Faust und Mephisto planen Unterseeboote und Flugzeuge. Mephisto kommen- tiert: „Ist der Mensch im Zerstören endlich allmächtig. Wir zerstören die Erde und alles andere dazu.“ Eines Tages fordert Faust Mephisto auf, ihm die Zukunft zu zei- gen. Hierzu treten beide vor einen großen Spiegel, der zur Projektionsfläche der Zukunft wird. (Film im Film) Er wird die Fürstin lieben, ihren Mann umbrin- gen, eine andere Frau lieben und versuchen, die Fürstin durch Gift loszuwer- den. Er wird seine Gegner hängen und seine Befürworter preisen. Mit Hilfe der Wissenschaft wird er die Welt verändern. Am Ende reitet er als Napoleon durch Ruinen. Mephisto fragt Faust bei diesem Bild: „Ist das denn so schlimm? Endet auf der Erde nicht alles in Schutt und Asche?" Der Blick Fausts in die Zukunft wird zum Blick in die Vergangenheit und angesichts der zweiten Chance, die sich ihm bietet, wendet er sich von der Wissenschaft ab, zerstört das Labor

440 Herr der Welt und geht zu den Gauklern, wo Margarethe auf ihn wartet. Daraufhin verwandelt Mephisto das Gold wieder zu Sand und zündet die Stadt an. Margarethe gelingt es Mephisto den vorläufigen Pakt, den Faust unterschrieben hatte, abzuneh- men und wirft ihn zum Fenster hinaus. Er fällt dem aufgebrachten Volk in die Hände, welches das Haus stürmt. Mephisto springt aus dem Fenster und löst sich auf dem Pflaster in Feuer und Rauch auf. Sakrale Musik erklingt, Engel erscheinen, Heinrich hat Gretchen im Arm (groß). Die Wunde in seiner Hand- fläche heilt, die er sich zufügt hatte, um den Pakt zu unterschreiben. Die Gauk- ler ziehen weiter.

Bei René Clair wurde Faust durch Erfahrung und Liebe einsichtig. Verjüngt und geläutert steht er am Ende des Films noch einmal am Anfang seiner Ge- schichte und verhindert die Katastrophe, in dem er sein Labor zerstört und damit den ‘Teufel‘ aus sich selbst vertreibt. Die Götter hielten sich bei seinem Kampf zurück. Faust tauschte durch ‘Vernunft‘ Macht und Geld gegen Liebe ein, so daß Mephisto seine Existenzberechtigung verlor. In La beauté du Diable wird die Verführbarkeit des Wissenschaftlers als Teufel dargestellt und für den Totalen Krieg verantwortlich gemacht.

Auch Jean Renoir und Georges Franju unterstellten in ihren Phantastischen Filmen Le Testament Du Docteur Cordelier (1959) Les Yeux Sans Visage (1959) den faustischen Wissenschaftlern Docteur Cordelier und Professor Génessier Schuldgefühle und Legitimationsprobleme. Docteur Cordelier ver- körperte offensichtlich bei Renoir in seiner Jekyll-Hyde-Spaltung das Bild eines kriminellen Wissenschaftlers hinter bürgerlicher Maske. Im selben Jahr drehte Georges Franju Les Yeux Sans Visage.1580 Pierre Brasseur spielte hierin Pro- fessor Génessier, der seiner Tochter Louise (Alida Valli) ein neues Antlitz ver- schaffen will, in dem er gleichaltrigen Frauen das Gesicht häutet und auf das ihre transplantiert.1581 Die Versuche mißlingen und die Tochter stirbt. Eugen Schüfftan führte die Kamera und inszenierte mit seiner Lichtdramaturgie, die harte schwarz-weiß Kontraste benutzte, den Gegensatz von Leben und Tod sowie von Recht und Unrecht als Gruseleffekte. Das Licht stand aber dem In- halt entgegen, der einen fließenden Übergang vom Guten zum Bösen in der wissenschaftlichen Forschung vorgab.1582 Unterstrichen wurde die filmische Bedrohung durch die Klangdramaturgie. Die Musik Maurice Jarres wechselte mit völliger Stille und klassischen Geräuschen eines Gruselfilms wie Vogel- schrei und Hundegebell ab. Der faustische Wissenschaftler bediente sich in Les Yeux Sans Visage einer teuflischen Gehilfin (Edith Scob), die ihm seine Opfer ins Haus lockte. Als heimtückische Krankenschwester assistierte sie ihm bei den Operationen. Der Vater, der als forschender Wissenschaftler sei- ner Tochter ständig ein neues Gesicht macht, läßt sich als eine Figur erken- nen, die besessen gegen das Schicksal ankämpft, eine Tochter zu haben, die seinen Vorstellungen nicht entspricht und die mit dem Gesicht einer anderen seinen Inzest- und Geschlechtswünschen nachzukommen scheint.

1580 Der Film lief unter dem englischen Titel The Horror Chamber of Dr. Faustus und in Deutschland als Augen ohne Gesicht. Das Buch schrieben Boileau-Narcejac, Jean Re- donund Claude Sautet nach dem Roman von Jean Redon. 1581 Das Motiv der Häutung von jungen Frauen spielte in Jonathan Demmes Silence of the Lambs (1990) eine vergleichbare Bedeutung für den männlichen Protagonisten des Bö- sen wie in Franjus Schocker. 1582 „Georges Franju bedauerte, daß ‚im Schrecken heutzutage der Schatten keinen Platz findet‘... so erklärt sich, das seine Wahl auf Schüfftan fiel, der schon immer ein Meister des Schattens war.“ Philippe Roger, Zwischen Licht und Schatten, in: Querelle, Kameradschaft - Querelle, Kino zwischen Deutschland und Frankreich, hrsg. v. Heike Hurt und Heiner Gassen, München 1991, S. 107-150, S. 142

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Abb. 265: Georges Franju, Les Yeux Sans Visage, 1959. Die Tochter des Operateurs ...

Abb. 266: ... bekommt ein neues Gesicht.

Die selbstreflexiven Momente Franjus liegen in der Verdoppelung des Begriffs Operateur im Benjaminschen Sinn als Chirurg und Regisseur. Der Regisseur braucht für seine Filme immer neue Gesichter junger Mädchen, die er zum Filmstar und die ihn zum Regiestar machen.

1955 kam Claude Autant-Laras (1955) in die Kinos. Au- tant-Laras stellte wieder die ‘Gretchentragödie‘ in den Vordergrund, ein Aspekt unter dem auch Les Yeux Sans Visage betrachtet werden kann. Marguerite de la Nuit erzählte die Geschichte eines Achtzigjährigen, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, um seine Jugend zurückzubekommen. Dafür verliert er die Frau, die er liebt. Wie eine Zusammenfassung und eine Weiterentwicklung der Rolle des faustischen Wissenschaftlers im Phantastischen Film in der Nach- kriegszeit kann der märchenhafte Trickfilm Bund Vynálz skázy (1957) von Ka- rel Zeman gelten. Zeman setzte Jules Vernes Roman Die Erfindung des Ver- derbens als eine Mischung aus Zeichentrickfilm und Spielfilm ins Bild. Profes- sor Roch arbeitet an einem Explosionsstoff und wird zusammen mit seinem Assistenten von Piraten entführt, deren Chef mit seiner Erfindung die Welt- herrschaft erringen will. Zeman griff insbesondere mit den gemalten Bildern auf Motive und Techniken Georges Méliès‘ zurück.

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Abb. 267: Karel Zeman, Bund Vynálz skázy, 1957

In der Bundesrepublik tauchten erst in den sechziger Jahren wieder Spielfilme auf, in denen faustische Wissenschaftler einen Pakt mit dem Teufel schlos- sen. Die Teufelsgestalt war erneut Doktor Mabuse, die literarische Gestalt des geheimnisvollen Psychoanalytikers und kriminellen Bandenchefs, die Norbert Jacques zu Beginn der zwanziger Jahre entworfen hatte. Fritz Lang verfilmte die Geschichte schon 1922 und 1932. Artur Brauner produzierte von 1960 bis 1964 sechs neue Mabusefilme. Hinter der Maske des von Weltherrschaft be- sessenen Mabuse steckte ein alter Nazi, der die klassischen Merkmale der Teufelsgestalt zu verdoppeln schien. Anbetracht der Regression führte Fritz Lang bei dem ersten Mabuse Film Brauners die Regie. Im Umkehrschluß war Kracauer den Weg Von Caligari zu Hitler gegangen, nun führte Brauner von Hitler zu Mabuse zurück. Die Schwarzweißproduktionen können als Verarbei- tung der nationalsozialistischen Greueltaten betrachtet werden.

Über die dämonische Gangsterfigur, die Thea von Harbou und Fritz Lang zur Ikone des kriminellen Doktors im Film machten, notierte Günter Scholdt1583, Mabuse sei zwar heute keine vorherrschende Horrorfigur mehr - wie es Claude Chabrols Dr. M. (1989) belegte - wohl aber ein andauernder „deutscher Mythos“. Danach war Mabuse eine Figur, die eine bestimmte Form autoritären ‘Führer- typs‘ verkörperte. Mabuse erschien in Brauners Produktionen als Prototyp des diabolischen Herrschers und schuf ein entindividualisiertes, kriminelles Reich. Die Darstellung eines dämonischen, abgründigen Führers war offenbar ein Mo- tiv für die nationalsozialistische Filmzensur 1933, den zweiten Mabusefilm Fritz Langs Das Testament des Dr. Mabuse (1932) zu verbieten.1584 Per Doppelbe- lichtung ging darin der böse Geist Mabuses (Rudolf Klein-Rogge) auf den Lei- ter der Irrenanstalt, Professor Braun (Oskar Beregi), über und setzte so die Verbreitung (der Idee) des Bösen als Seelenwanderung ins Bild.

1583 Günter Scholdt, Mabuse ein deutscher Mythos, in: Norbert Jacques, Dr. Mabuse der Spie- ler, (Bd. 1) Hamburg 1994, S. 359-383, S. 367 1584 Das Testament des Dr. Mabuse (1932) war zwei Monate nach der Machtergreifung der erste von der Filmprüfstelle Berlin verbotene Spielfilm. Die Verbotsgründe wurden keines- wegs aus der diabolischen Gestalt Dr. Mabuses abgeleitet. Kraft Wetzel sah das Verbot durch die Darstellung von Gewalt und der Infragestellung des Machtmonopols des Staates begründet, vgl. Kraft Wetzel, Peter Hagemann, Zensur – Verbotene deutsche Filme 1933 – 1945, Berlin 1978, S. 15ff. Vgl. auch Reinhold Reiner, Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933, Hildesheim 1991, S. 114

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In Die tausend Augen des Dr. Mabuse1585 (1960) stattete Lang Mabuse - des- sen Macht bisher aus dämonischen, übernatürlichen Quellen abgeleitet wurde - mit einer kriminellen Vergangenheit aus, wie es schon Renoir mit Cordelier in Le Testament Du Docteur Cordelier (1959) vorgegeben hatte. Die geheime Überwachungsanlage im Hotel Luxor, einst von den Nazis eingebaut, benutzte Mabuse für seine kriminellen Zwecke. Schon der Name Luxor verweist auf die modernen Medien Radio und Fernsehen. (Lux = Licht, O(h)r = Hören). ‘Tech- nische Augen und Ohren‘ sehen und hören alles, was die Gäste im Luxor tun. An die Stelle der Alchemistenküche trat – ähnlich wie bei Renoir - auch hier das Fernsehstudio.

Abb. 268: Fritz Lang, Die tausend Augen des Dr. Mabuse, 1960

Der Zuschauerblick wird zum technischen Überwachungsblick Mabuses. Schon der Vorspann zeigte Augen, die Strahlenblicke ins Publikum werfen. Ein Bild, das auf den voyeuristischen Aspekt des Kinos ebenso verweist, wie auf die Funktion der Kamera als magisches Auge.1586

1585 Die Erfolglosigkeit von Lang kann mit der anderer Künstler verglichen werden, die wäh- rend des Nationalsozialismus emigrieren mußten und in der Nachkriegszeit zurückkehr- ten. Dies ist nicht zuletzt einer Kampagne der Adenauer-Regierung anzulasten, die Emig- ranten häufig als ‘abtrünnig‘ darstellte. 1586 Schon in Langs Metropolis demonstrierten vervielfacht tanzende Augenpaare den voyeuristischen Blick.

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Abb. 269: Augen über der Stadtsilhouette

Die tausend Augen des Dr. Mabuse beginnt mit dem Mord an einem Fernsehreporter.1587 Telefonisch teilt der ‘blinde Seher‘ Peter Cornelius (Lupo Prezzo) alias Mabuse Kommissar Kras (Gerd Fröbe) den Mord mit. Während sie telefonieren, fällt ein Schatten auf die Stadtkarte.1588 (Mabuse tritt aus dem Reich der Schatten hervor.) Die erste Begegnung zwischen dem Rechtsvertreter und Mabuse findet am Telefon statt, entsprechend ihrer letzten Konfrontation in Dr. Mabuse, der Spieler (1922).

Abb. 270: Gert Fröbe als Kommissar Kras telefoniert mit Mabuse

1587 Eine Szene, die an Das Testament des Dr. Mabuse erinnert. 1588 Es hat den Anschein Kras telefoniere mit einem Schatten und ein dunkles Unheil breite sich über der Stadt aus. Das Bild erinnert an die Szene in Murnaus Faust. Eine deutsche Volkssage, in der Mephisto seinen Mantel über der Stadt ausbreitet.

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Abb. 271: Wolfgang Preiss als Dr. Mabuse im Gespräch mit Kras

Sternzeichen kennzeichnen den Astrologen. Nicht nur sein weißes Telefon steht – als Negativ - im Gegensatz zu Kras‘ schwarzem Apparat, sondern auch seine dunkle Brille (seine Nachtwelt) verweist auf seinen ‘negativen‘ Cha- rakter. Ein Schnitt unterbricht das Telefonat der Gegenspieler. Das Bild zeigt männliche Hände, die ein Mikrophon halten und eine moderne Sprechanlage bedienen. Die Kamera schwenkt zum Fuß des Sprechenden.1589 Die techni- schen Übertragungs- und Überwachungsmedien betätigt ein ‘Pferdefuß‘, der im Dienst Mabuses steht.

Abb. 272: Der Klumpfuß als Indiz der Teufelsgestalt

Im Polizeilabor wird die Stahlnadel, die den Reporter tötete, als militärische Waffe identifiziert und das Bundeskriminalamt in die Ermittlungen eingeschal- tet. In der Sitzung der Vertreter der Staatsgewalt fällt der Name Mabuse1590: „Sagt Ihnen der Name Mabuse etwas? - Ein Genie des Verbrechens. Er wollte durch Terrorakte die Bevölkerung in Schrecken versetzten, dadurch das Gefüge des Staates zum Einsturz bringen und dann eine phantastische Herrschaft des Verbrechens errich- ten. 1932 starb er dann im Wahnsinn. - Er ging nicht in die Kriminalgeschichte ein, denn da kam gerade Hitler und der braune Spuk.“ – Der Dämon Mabuse tauchte im braunen Spuk des satanischen Reichs unter.

1589 Der hinkende Gang ist ein weiteres Mal ein Indiz für eine diabolische Figur. 1590 Der Zigarettenrauch verweist auf die bevorstehende Teufelserscheinung.

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Abb. 273: Rauchende Köpfe

Im Luxor wohnt der amerikanische Milliardär Henry Travers (Peter van Eyck), in dessen Fabriken Atomversuche stattfinden. Travers verkörpert einen mo- dernen Unternehmer, der sich ungeachtet seiner Nähe zur Nuklearforschung kein faustischer Wissenschaftler ist. Sein ‘Gretchen‘ ist Marion Menil (Dawn Addams), die er aus Mabuses Gewalt befreit. Gemeinsam mit den ‘guten Vä- tern‘ der Geheimdienste und Polizeikommissar Kras bekämpft Travers das Böse. Am Ende wird Mabuse, der unverbesserliche Nazi, aus seinem Versteck aufgeschreckt und vernichtet, und das Liebespaar (das amerikanische Geld und die deutsche aus der Hypnose erwachte Frau) findet sich für eine gemein- same Zukunft zusammen.

Vor einem Spiegel nimmt Mabuse seine letzte Maske ab, und ein unauffälliger, korrekt gekleideter Mann mittleren Alters kommt zum Vorschein. Er offenbart: „Der Druck auf den Knopf... ich hätte es gemacht.“

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Abb. 274: Mabuse ohne Maske

Auch in Im Stahlnetz des Dr. Mabuse (1961)1591, den Harald Reinl für Brauner machte, erscheint Mabuse als untergetauchter Nazi, der sein Ziel, die Welt zu

1591 Stahlnetz bezieht sich auf eine gleichzeitig populäre Fernsehserie, in der u.a. Kriegs- verbrechen aufgedeckt wurden.

Herr der Welt 447 beherrschen, ohne Unterlaß verfolgt und eine Schattenarmee aufgebaut hat. Kommissar Lohmann (Gerd Fröbe), CIA-Agent Joe Como (Lex Barker) und der Reporterin Maria (Daliah Lavi), Tochter des von Mabuse beherrschten Bio- chemikers Professor Sabrehm (Rudolf Forster), gelingt es am Ende, den Bö- sen zu besiegen. Die Exposition des Films zeigt Lohmann mit seiner Frau und seinen zwei Kindern am Frühstückstisch. Dem Modell der glücklichen Familie des Kriminalisten steht eine vergangene Welt der Gewalt und des Unrechts entgegen, die jederzeit wieder zum Vorschein kommen kann. Aus einem Ei- senbahnabteil verschwindet ein Mann, der eine Aktentasche mit wichtigen Ge- heimpapieren bei sich trug. Während Lohmann den Fundort der Leiche unter- sucht, nimmt ein Chicagoer Syndikat durch eine Mittelsfrau Kontakt zu Mabuse auf. Mabuse (Wolfgang Preiss), versteckt hinter der Maske des Gefängnisdi- rektors Wolf, hat aus den Häftlingen – mit Hilfe synthetischer Narkotika, die Sabrehm entwickelte - eine willenlose Armee gemacht. Der Biochemiker Sab- rehm ist ein faustischer Wissenschaftler, der unter Spionageverdacht ins Gefängnis kam. Hier verfügt er über ein modernes Forschungslabor und arbei- tet für Mabuse. Ein halb verbranntes Buch, das Lohmann bei der weiblichen Leiche findet1592, verweist erneut auf die Magie, die Büchern zugeschrieben wird. Das Buch trägt den Titel: Anatomie des Teufels. Kriminelle Gedanken des Menschen von Pfarrer Dr. H. Brinkenstein. Lohmann findet darin die Kapi- tel: Der Vampir-Mythos, Der Wolfsmensch-Mythos, Der Doktor Mabuse- Mythos. Er sucht den Autor auf und fragt ihn: „Halten sie es für möglich, das Ma- buse lebt?“ – Der Geistliche antwortet: „Jeder Geist ist unsterblich. Mabuse ist der Inbegriff besonderer Verbrechen. Das Ziel heißt Macht... Eine Gier, der Welt seinen teuflischen Willen aufzuzwingen.“ Mabuse will ein vernichtendes Inferno veranstal- ten. Seine Armee soll das Atomkraftwerk in die Luft jagen. Durch winzige Kopfhörer erhalten die willenlosen Gefangenen ihre Anweisungen. Stereotyp sprechen sie den Satz nach: „Ich habe nur einen Herrn und Gebieter: Dr. Ma- buse.“ Im letzten Moment kann Mabuses Weltvernichtungsplan zwar vereitelt werden, aber er entkommt seinen Häschern.

Reinl verband Mabuses Auftritt mit der magischen (Medien-)Existenz der Figur. Das erste Zeichen seines dämonischen Wirkens war ein mit Zaubertinte ge- schriebenes Schriftstück. Die Nachricht, die auf geheimnisvolle Weise ver- schwand, wurde zur Darstellung der Figur Mabuses, wie sie in allen Brauner Produktionen auftauchte, niemand weiß, woher er kommt, und ebenso rätsel- haft ist sein Verschwinden. Als zweites Zeugnis der geheimnisvollen (Medien- )Existenz Mabuses erklang dessen Stimme aus einem Lautsprecher. Danach erschien sein Schattenriß auf einem Fernsehbildschirm. Schließlich trat er in der Maske des Gefängnisdirektors Wolf auf, und am Ende entkam ein durch- schnittlicher Mann mittleren Alters. Aus den medialen Spuren der magischen Figur - Schrift, Ton, Schattenbild – fügte sich eine selbstreferentielle Figur des Phantastischen Films zusammen.1593 Obwohl der Film wie ein Thriller1594 auf-

1592 Der weibliche Kurrier wurde mit einem Feuerwerfer getötet. Ein Mordinstrument das auf das Bild des Teufels als feuerspeienden Drachen verweist. 1593 Auch für Ulrike Ottinger war Mabuse mit Medien verbunden. In Dorian Gray - im Spiegel der Boulevardpresse (1985) leitet Frau Dr. Mabuse einen internationalen Konzern, auf dem der ideale Medien-Mensch kreiert werden soll. Kasten Witte schrieb über Ottingers Film: „Seyrig spielt nicht die märchenhafte Böse, sondern schon die Erinnerung an den Mythos vom absolut Bösen, wie er in den Medien selbst, den Filmen überliefert ist. Bei Fritz Lang war Mabuse ein Mann, ein Falschspieler, ein Falschgeldproduzent. Bei Ulrike Ottinger mutiert Mabuse zur Frau und Bewußtseinsproduzentin, die nichts als den Schein in Umlauf bringt und am Ende sich mit der Phantasmagorie der voll- kommenen Herrschaft über ihr Medienprodukt Dorian Gray betrügt. Eine Gefangene des eigenen Wahns, ein Opfer technisch angezettelter Gefühle.“ Karsten Witte, Im Ki- no, Frankfurt am Main 1985, S. 67 1594 Die Struktur des Thrillers setzt die Bekanntschaft des Bösen von Anfang an voraus.

448 Herr der Welt gebaut ist, blieb Mabuse eher der abstrakte Böse und die Darstellung von Ge- walt gesichtslos: Eine negative Macht kommandierte eine unter Drogen ste- hende Armee von Kriminellen. Noch in den sechziger Jahren schien die Verfol- gung von Nazis durch staatliche, internationale Ordnungskräfte nur einherge- hen zu können mit dem Bild eines zwar kriminellen, aber dennoch mißbrauchten Volkes, das in seinem Land wie in einem Gefängnis einge- schlossen war und unter der ‘Droge Hitler‘ stand. Der Doktor Mabuse-Mythos erweist sich als Variante des Fauststoffs, der bei Brauner zur Verarbeitung und zur Rechtfertigung des Nationalsozialismus diente.

In gewisser Weise – auch infolge seiner wechselnden Maskierungen - blieb Mabuse ein ‘Unsichtbarer‘. Folglich griff die dritte Mabuse-Produktion Brauners die Idee des Unsichtbaren auf.1595 In Harald Reinls Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse (1961) gelangt Mabuse in den Besitz des Frequenzkoordinators, ein Apparat zum Unsichtbarmachen, den der Physiker Professor Erasmus entwickelte. Die moderne Tarnkappe funktioniert mit Atomkraft. Mabuse baut mit dem Frequenzkoordinator eine Armee von Unsichtbaren auf.

Abb. 275: Die Armee Mabuses, bereit zum Unsichtbarwerden. Harald Reinl, Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse, 1961

FBI-Agent Joe Como (Lex Barker) und Kommissar Brahm (Siegfried Lowitz) können Mabuses unsichtbare Armee im letzten Moment durch Wasserwerfer stoppen. Besiegt verschanzt sich Mabuse in Erasmus‘ Labor, aus dem es kein Entkommen gibt. Als der Zugang zum Labor, eine undurchdringliche Stahltür, frei gesprengt ist, tritt ihnen der Herrenmensch Mabuse aus den Trümmern entgegen und brüllt: „Verrecken, alle verrecken!“

1595 Vgl. H. G. Wells, The Invisible Man, a.a.O.

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Abb. 276: Mabuse in den Trümmern des Laboratoriums

In Brauners dritter Mabuse-Produktion war Mabuse ein unaufhaltsamer Tech- nokrat, der sein Ziel, die Weltherrschaft, niemals aufgab. Auch hinter Masken versteckt, spielte Mabuse in diesem Film kaum mit, sondern er war nur die namhafte Fiktion eines Schreckens, der in der Beherrschung des eigenen Geistes durch einen fremden liegt. In der betäubten Liane Martin (Karin Dor) sieht Mabuse: „Eine schlafende Puppe. Diese Puppe wird sehr bald sprechen. Sie wird sagen, was ich will, denken was ich will und tun was ich will.“ Aber nicht nur sie ist ei- ne Marionette des sadistischen Diktators, der nicht erst im Moment seines Un- tergangs seine wahre Natur zu erkennen gibt, sondern die Gewaltherrschaft ist sein dem Kinopublikum von Anfang an bekanntes Prinzip. Mabuse will Joe Como - der die deutsche Polizei erst davon überzeugen muß, daß er wirklich noch existiert - vergasen. („Das Gas wird sie ganz langsam ersticken.“) Der An- schlag mit Giftgas und sein Wutausbruch in den Trümmern seines zerfallenen Reiches lassen Mabuse als einen gescheiterten, aber keineswegs geläuterten, Nazi hervortreten.

Etwa ein Jahr später drehte Werner Klinger ein Remake von Fritz Langs Das Testament des Dr. Mabuse. Mabuse (Wolfgang Preiss), der in der psychiatri- schen Anstalt Professor Pohlands (Walter Rilla) sitzt, führt von dort aus un- bemerkt die Organisation des Willens zur Macht. Für den Psychiater Pohland ist Mabuse ein interessantes Forschungsobjekt. Seinen Studenten zeigt er Röntgenaufnahmen von Mabuses Zerebrum und verweist auf eine „abnorme Vertiefung“. Allmählich gerät Pohland unter den Einfluß Mabuses. Am Ende ist er nur noch eine Körperhülle, in die der Geist Mabuses im Moment seines To- des schlüpft. (Der böse Geist fährt mittels Überblendung in Pohland ein.) Poh- land operiert aus Mabuses Leiche das Gehirn heraus und legt es in Spiritus.1596 Am Ende gelingt es zwar Kommissar Lohmann (Gerd Fröbe) Mabuse/Pohland zu stoppen, aber er kann ihn wieder nicht endgültig unschädlich machen.

Klingers Film war der Auftakt für zwei weitere Mabuse-Filme, in denen der Geist Mabuses Pohland beherrscht. Paul Mays Scotland Yard jagt Dr. Mabuse beginnt mit der Erinnerung an die Übernahme von Pohlands Körper durch Ma- buse. Während Pohland regungslos dasteht, erklingt Mabuses Stimme aus dem Off: „Ich werde Panik, Angst und Chaos verbreiten!“

1596 Sein Kommentar den Studenten gegenüber lautet: „Dieses Gehirn hätte unsere entgötter- te Welt in Trümmern gelegt.“

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Abb. 277: Pohland ist bereit den Geist Mabuses zu empfangen. Paul May, Scotland Yard jagt Dr. Mabuse, 1963

Abb. 278: Der Geist Mabuses fährt in Pohland

Im Mittelpunkt der Narration steht die Hypnotisiermaschine, die der deutsche Wissenschaftler Professor Laurentz entwickelte. Sein Assistent Cockstone (Dieter Borsche) liefert den magischen Apparat an Pohland alias Mabuse aus. Diamanten sind die Energiequelle der Maschine, die wie ein Fotoapparat funk- tioniert. Beim Druck auf den Auslöser wird das Gehirn des Fotografierten ‘ü- bernommen‘ und der eigene Wille ausgelöscht. Ein weiteres Mal ist das Gehirn der Forschungsgegenstand Pohlands/Mabuses.

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Abb. 279: Das wissenschaftliches Interesse am menschlichen Gehirn ist un- gebrochen

Auf dem Höhepunkt seiner Macht verfügt Mabuse über etliche Hypnosekame- ras.

Abb. 280: Die Hypnotisierkamera

Mabuse will mit der Hypnosemaschine die englische Armee unter seine Kon- trolle bringen. Als er die hypnotisierten Soldaten gegeneinander hetzt, kom- mentiert er: „Die marschieren wie die Bleisoldaten sinnlos in den Tod.“ Scotland Yard gelingt es schließlich mit Hilfe des Agenten Bill Tern (Peter van Eyck), die Wir- kung der Kamera durch den Einsatz von Hörgeräten zu neutralisieren und Pohland zu fangen. In dem Moment seiner Niederlage entweicht Mabuses Geist aus ihm. Weil er sich an nichts mehr erinnern kann, wird Pohland in die Irrenanstalt zurückgebracht.

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Abb. 281: Der Geist Mabuses entweicht aus dem Körper Pohlands

Die Geschichte fand ihre Fortsetzung ein Jahr später in Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse (1964), bei dem Hugo Fregonese Regie führte. Fregoneses Film nahm Elemente der populären James-Bond-Filme auf und zeigte bereits im Vorspann den technischen Fortschritt in Raumfahrt und Atomkraft. Der FBI- Agent Major Bob Anders (Peter van Eyck) sucht Pohland in der psychiatri- schen Klinik auf. („Sein Gehirn muß wie ein Archiv sein, in dem Bruchteile Mabuses Testament aufgezeichnet sind.“) Pohland, an den Rollstuhl gefesselt, wiederholt stereotyp: „Ich war es nicht, es war Mabuse, er benutzte mein Gehirn.“ Pohland ver- schwindet noch im Beisein Anders aus der Psychiatrie und taucht auf einer kleinen Insel in der Nähe von Malta wieder auf, wo Professor Larsen Todes- strahlen entwickelt hat. Der Boß, der dort agierenden Verbrecherorganisation ist ein hinkender Unbekannter, der als schwarze Silhouette auf dem Fernseh- schirm seine Befehle erteilt. (Die Bandenmitglieder tragen Nummern in der Reihenfolge ihrer Rangordnung.) Professor Larsen arbeitet mit dem Asiaten Doktor Christna zusammen, der sich auf Hypnose und Telepathie versteht. Als Anders Larsen am Ende zur Rede stellt, erklärt dieser ihm die Weltvernich- tungsmaschine: „Wie sie ohne Zweifel schon erkannt haben, ist dies ein Zeridcompu- ter, er steuert den Projektor und stellt ihn elektronisch auf den Zielsektor ein. Rom - Berlin - London - New York - Moskau, der Brennpunkt des Spiegels läßt sich auf jeden beliebigen Ort richten. Man braucht nur diesen Knopf zu drücken, ...die getroffene Ma- terie ist in einer Sekunde verbrannt.“ Anders entgegnet: „Der Allmächtige hat sieben Tage gebraucht, um die Welt zu erschaffen, um sie mit diesem... - bei allem Respekt Professor, aber das ist das Werk des Teufels." – „Sie haben recht, Commander, wer diese Waffe besitzt, beherrscht die Welt.“ Während ihres Gespräches rattert und blinkt die Warnanlage und kündigt den showdown an. Mabuse hat sich Zutritt zum Labor verschafft und drückt auf den Weltvernichtsknopf, aber vergeblich – Anders hat den Auslöser schon entfernt.

Alle sechs Mabuse-Filme sind eher das Werk des Produzenten Artur Brauners als einzelne individuelle Regiearbeiten. Die verschiedenen Regisseure insze- nierten konvergierend die Darstellung des Protagonisten als das absolut Böse, das als dämonische Führerfigur eine faschistische Organisation beherrscht. Brauners Mabuse-Produktionen zeigen in den ersten drei Spielfilmen die Ge- schichte Mabuses bis zu dessen körperlichen Tod. Die anschließenden drei Produktionen zeigen, wie die Idee als spiritueller Geist überlebt und von dem Gehirnforscher Pohland Besitz ergreift. (Der Gehirnspezialist steckt sich quasi

Herr der Welt 453 bei seinen Forschungen an.) Brauner thematisierte die Gefahr, die von den durchschnittlichen Braunhemden ausgeht, die in der Nachkriegszeit in den Un- tergrund gedrängt wurden. Es gelingt ihnen immer wieder mit Hilfe korrupter Wissenschaftler eine blind gehorchende Armee aufzubauen, die sich aus be- täubten Männern rekrutiert und die für kriminelle Vorhaben mißbraucht wird. Aber nicht nur betäubte und kriminelle Männer geraten in den Einflußbereich Mabuses, sondern insbesondere Frauen verfallen ihm.1597 Die für Verführung anfälligen weiblichen Wesen sind aber nicht immer zum Untergang bestimmt, sondern werden meist vom Helden, dem ausländischen Agenten, gerettet und geläutert. Die internationalen Rechtsvertreter stehen bei der Bekämpfung des unausrottbaren Bösen den einheimischen Kriminalinspektoren zur Seite. Am Ende können sie gemeinsam die Krise abwenden, aber nicht den Verursacher, die Idee, vernichten. Betrachtet man Fritz Langs Die tausend Augen des Dr. Mabuse im Vergleich zu Renoirs Das Testament des Dr. Cordelier, erscheint auch Dr. Cordelier nicht länger nur als dämonische Gestalt, die ihre Vergan- genheit verstecken muß. Die ungesühnte Schuld brachte Opal zum Vorschein und drängte Mabuse dazu, seine Verbrechen ständig zu wiederholen. Brau- ners Mabuse-Produktionen erweisen sich als Verarbeitung der verbrecheri- schen Vergangenheit eines Volkes, das scheinbar blind einem diabolischen Führer folgte, der die Weltherrschaft anstrebte. Dabei erklärte er das Hitler- reich zum Imperium des Teufels und vermischte die verdoppelte Magie des Bösen mit der des Spielfilms. In Scotland Yard jagt Dr. Mabuse wurde die Kamera zu einem Apparat, der die Persönlichkeit eines Menschen auslöscht. Dies entspricht der apparativen Vernichtung der abweichenden Individuen im Nationalsozialismus.

Um die Welt zu beherrschen, bemächtigt sich die Teufelsgestalt eines korrup- ten, naiven oder wißbegierigen Wissenschaftlers, der wie Faust daran glaubt, er könne dem Teufel seine Kenntnisse abringen. Mitunter steht der Wissen- schaftler auch in der Gewalt der luziferischen Figur, die ihn gefangen hält und wird dazu erpreßt, seine Forschungen fortzusetzen oder dem Bösen auszulie- fern. Warnende Engel waren schon bei Christopher Marlowe angelegt und die ‘good angels‘ der Mabusefilme gehörten der staatlichen Rechtsordnung an. Es waren Staatsanwalt von Wenk, Kommissar Lehmann oder ausländische Ge- heimagenten. Am Ende jagte aber gemeinhin die göttliche Instanz durch ein flammendes Inferno oder einen Sturz in den Abgrund den Teufel bis auf weite- res in die Hölle zurück. Seit Beginn der sechziger Jahre trat Ian Flemmings James Bond den Kampf gegen den dämonischen Herrscher an, der sich des faustischen Wissenschaftlers bediente. In Terence Youngs Dr. No (1962)1598 verhindert der englische Geheimagent 007 (Sean Connery) die Weltherrschaft des Angloasiaten Dr. No (Joseph Wiseman), dessen nihilistisches Element sich schon im Namen preisgibt und den Goethes Mephisto Beschreibung treff- lich charakterisiert:

„Ich bin der Geist der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, daß es zugrunde geht; Drum besser wär’s, daß nichts entstünde, So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, Mein eigentliches Element.“1599

1597 Mit Ausnahme der Mutter Bill Terns (Agnes Windeck), die in Scotland Yard jagt Dr. Mabuse eine Art Miss. Marple darstellt. 1598 Terence Young drehte Dr. No für Albert R. Broccoli und Harry Salzman. 1599 Goethe Faust I, V.1339-45

454 Herr der Welt

Goethe beschrieb Mephisto als den romantischen Unhold, der zu einem Proto- typ des filmischen Bösewichts wurde. Die Motive seiner zerstörerischen Hand- lungen müssen gar nicht erst entwickelt oder festgelegt werden, denn an der Verneinung erkennt man den Gegenspieler des allmächtigen Demiurgen, des- sen Destruktionslust zum Motor der zersetzenden Tat wird. In Dr. No ver- schmilzt die Teufelsgestalt mit der des faustischen Wissenschaftlers, der bei seinen Versuchen mit Atomenergie beide Hände verlor, die durch schwarz be- handschuhte Metallhände ersetzt wurden.1600

Abb. 282: Terence Young, Dr. No, 1962, Joseph Wiseman als Dr. No

Seine künstlichen schwarzen Hände erinnern an Rotwangs Kunsthand in Metropolis und an seine Zugehörigkeit zum ewigen Reich der Schatten und der Finsternis. No beherrscht die internationale Verbrecherorganisation GOFTA und treibt sein Unwesen von einer jamaicanischen Insel aus, auf der nach ein- heimischen Glauben ein Drache herrscht.1601 Ken Adams entwarf das Labor Nos als gigantische futuristische Hexenküche. Hier wirkt Professor Dent (An- thony Dawson), der Famulus Nos, der seine Anweisungen per Lautsprecher erhält. Zu Bonds Dauergegner wurde aber nicht etwa Dr. No, der sein Ende in

1600 Bereits 1924 standen in Robert Wienes Orlacs Hände künstliche Hände im Mittelpunkt des Geschehens. Der Pianist Paul Orlac verlor seine Hände bei einem Zugunglück, aber Prof. Serral operierte ihm die unversehrten Hände eines Toten an. 1935 und 1960 kamen Remakes Mad Love (1935) und Hands of Orlac (1960) in die Kinos. Paul Orlacs künstliche Hände machen ihn anfangs zu einer diabolischen Gestalt. Da er aber das unschuldige Opfer einer böswilligen Machenschaft ist, geht die Geschichte für den Künstler gut aus. 1601 Der feuerspeiende Lindwurm, der auf der Insel sein Unwesen treibt, erweist sich als Pan- zer. Das kriegerische Untier ist weniger ein Schreckensbild für die im Film naiv dargestell- ten Einheimischen, als vielmehr ein Verweis auf den Teufelsstatus Dr. Nos, der das Insel- paradies beherrscht.

Herr der Welt 455 einer gigantischen Höllenfahrt fand und - wie eine Teufelserscheinung bei Méliès - in einer schwefelgelben Explosion unterging, sondern Bonds ärgster Widersacher ist Ernst Stavro Blofeld, der Sherlock Holmes‘ Dauergegner Pro- fessor Moriarty in nichts nachsteht. Blofeld, der Chef der internationalen Ver- brecherbande SPECTRE, will wie No die Weltherrschaft erlangen. Eine Katze – seit altersher als Teufelstier angesehen – begleitet die Auftritte Blofelds in Thunderball, (1965), You Only Llive Twice (1967) Diamonds Are Forever (1971), Never Say Never Again (1983) und in On Her Majesty’s Secret Servicet (1985). In Diamonds Are Forever hat sich Blofeld sogar einen „bioni- schen“ Doppelgänger zugelegt und entkommt am Ende dadurch seinem Jä- ger. Durchweg gelangt die Teufelsgestalt in den James Bond Filmen – sei es Blofeld, Largo oder gar Auric Goldfinger in Goldfinger (1964) - durch einen faustischen Wissenschaftler an naturwissenschaftliche Erkenntnisse und so in den Besitz einer ‘Weltvernichtungsmaschine‘, deren Einsatz 007 in der Dra- maturgie von Griffiths Last Minute Rescue verhindern kann. Bond ist wie Kas- perl im Kampf mit dem Teufel unbesiegbar und der Comic Relief unvermeid- lich. Für Peter H. Schröder hatte Bond „als St. Georg des Abendlandes... die Lanze gegen die drachenähnlichen Ausgeburten der roten Hölle immer angelegt.“1602

Im Phantastischen Film tauchten auch immer wieder magische Wissenschaft- ler auf, die dem Teufel trotzten, wie etwa Doktor Savage. Michael Andersons Doc Savage, The Man of Bronze (1975) ging auf Pulp-Serie um den unbesieg- baren Bronzemann zurück.1603 Der Doktor war eine Koryphäe auf jedem wis- senschaftlichen Gebiet und ein unbesiegbarer Kämpfer. Mit seinen fünf Assistenten trat er dem Bösen entgegen. Im Presseheft zu dem Film hieß es: „Doc Savage ist ein hoch über Bond stehendes... Wesen. Bond scheint höchsten... ein etwas degenerierter, sexmißratener Sohn zu sein.“1604 Als der filmische Vorgänger Bonds kann Chefinspektor Nayland Smith betrachtet werden, der bereits zu Beginn der dreißiger Jahre in vier Filmen den nach Weltherrschaft trachtenden Dr. Fu Man Chu jagte.1605 Auch in Fu Man Chu verdichtet sich der faustische Wissenschaftler mit der Teufelsfigur. In The Mask of Fu Man Chu (1932) spielte Boris Karloff die Rolle des bösartigen Doktors, der mit ‘Todesstrahlen‘ experimentiert, die Smith am Ende gegen ihn richtet. Etwa zehn Jahre später, in Drums of Fu Man Chu (1943), verhindert Nayland Smith erneut, daß der Wissenschaftler die Weltherrschaft übernimmt. 1980 spielte Peter Sellers in The Fiendish Plot of Dr. Fu Man Chu Nayland Smith und gleichzeitig den 168 Jahre alten Wissenschaftler, der an einem Verjüngungselexier arbeitet. Am Ende gelingt die Verjüngung, weil Smith mit Fu Man Chu paktiert und der magisch verjüngte Fu Man Chu wird ein gefeiert Rockstar.1606 In Stanley Kubricks Dr. Strangelove, or How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (1963) ist der Weltuntergang allerdings nicht mehr zu stoppen. Am Ende des Films explodiert die Erde wie in Méliès‘ Le Voyage À Travers L’Impossible (1904). Ausgelöst wird die Weltvernich- tungsmaschine durch die Bomberflotte des Luftwaffenstützpunktes Burpelson, deren Kommandant (General Jack D. Ripper, Sterling Hayden) an eine kommunistische Weltve r schwörung glaubt und seine Fliegerstaffel gegen die 1602 Peter H. Schröder, Die drei Leben des Ian Flemming, in: Filmkritik Nr. 10 (1965), S. 550– 556, S. 555 1603 Lester Dent und anderen Autoren schrieben die Serie um den Bronzemann in der Zeit von 1933 bis 1945. 1604 Zit. nach Thomas Kovacs, Doc Savage, the Man of Bronze, in: Lexikon des Phantastischen Films, Grundwerk, a.a.O., S. 8 1605 The Mysterious Dr. Fu Man Chu (1929), Return of Dr. Fu Man Chu (1930), Daughter of the Dragon (1931) und The Mask of Fu Man Chu (1932) 1606 Die Geschichten von Jim Moloney und Rudy Dochtermann enthalten wesentliche Elemen- te der Faustgeschichte und ihrer Abwandlungen, wie hier die Verlagerung in den Bereich der Musik.

456 Herr der Welt schwörung glaubt und seine Fliegerstaffel gegen die Sowjetunion (das Reich des Bösen) schickt. Der faustische Wissenschaftler in Kubricks Film ist Dr. Strangelove1607 (Peter Sellers), ein Nazi und der wissenschaftliche Berater des im Pentagon zusammengerufenen Generalstabs.

Abb. 283: Stanley Kubrick, Dr. Strangelove, or: How I learned to stop worrying and love the Bomb, 1963, Peter Sellers als Dr. Strangelove

Die Anrede des Präsidenten mit „Mein Führer!“ kann Strangelove nicht immer unterdrücken und sein rechter Arm, eine Prothese aus schwarzem Leder, er- hebt sich auch gegen seinen Willen zum Hitlergruß. Freilich stehen sein schwarzer Kunstarm und seine Gesinnung im doppelten Sinn für einen Pakt mit dem Teufel. Strangelove nutzt die Gunst der Stunde für seinen alten Plan, eine menschliche Rasse zu züchten und schlägt den Versammelten ein unter- irdisches Leben vor, zu dem nur wenige Auserwählte Zutritt haben. Unter der Erde wird der prometheische Wissenschaftler den neuen Menschen schaffen.

Atomspaltung und Forschungen mit Plutonium gehören seit den vierziger Jah- ren in das Repertoire des faustischen Wissenschaftlers, der stellvertretend für den öffentlichen Angstprozeß im Horrorfilm oder im Science Fiction-Film mit den schauerlichen Seiten der wissenschaftlichen Erneuerungen spielt und die Katastrophe, den Weltuntergang, herbeizuführen droht. Plutonium diente in Robert Zemeckis‘ Back to the Future (1985)1608 als Kraftquelle, um mittels neu- er special effects räumliche und zeitliche Dimensionen zu erforschen, wie das All, die Zukunft oder die Vergangenheit. In Back to the Future treibt das Plutoni- um eine Zeitmaschine an und ist gleichzeitig die geheimnisvolle Kraft, der die Jagd gilt. Filmreisen durch Zeit und Raum führen zurück zu Méliès Ingenieur Marboul und sie verweisen auf das digitale Eindringen des Zuschauers in den Bewegungsraum, wie es die Zukunft des Lichtbildes verspricht.

Zusammenfassung Während das Kino des Phantastischen mit Hollywood Produktionen internatio- nal ungeahnte Höhepunkte feierte, ließen sich im nationalsozialistischen Deutschland nur zwölf phantastische Spielfilme finden. Unter den zwischen

1607 Ein knappes Jahr vor Dr. Strangelove war Dr. No in die Kinos gekommen, in dem der FBI- Agent Strangways ermordert wurde, was zum Einsatz Bonds führte. 1608 Zwei Fortsetzungsfilme entstanden 1989.

Herr der Welt 457

1933 bis 1945 insgesamt 1094 produzierten Spielfilmen war kein einziger Hor- rorfilm. Der nationalsozialistische Spielfilm entdämonisierte den Bösen, dieser verschwand völlig aus dem Wirkungsbereich des Wissenschaftlers und auch die Technik streifte alles Magische ab. Es entstanden eine Reihe von Anti- Faust-Filmen, in denen der wissensdurstige Forscher durch den praktischen Ingenieur ersetzt wurde, wie etwa in Harry Piels Der Herr der Welt (1934). Hierin entwickelt Professor Wolf eine gefährliche Strahlenmaschine, die ihm dazu verhelfen sollte, der Herr der Welt zu werden. Der Techniker im Phantas- tischen Film, der kein Gott mehr sein will, trat im nationalsozialistischen Film an die Stelle des mephistophelischen Forschers. Mit dem Phantastischen Film verschwand auch der faustische Wissenschaftler aus dem nationalsozialisti- schen Spielfilm, und es entstanden eine Reihe von Anti-Faust-Filmen. Der Bö- se tauchte freilich an anderer Stelle wieder auf und zwar im antisemitischen Spielfilm. Veit Harlan setzte in Jud Süß (1940) Süß-Oppenheimer (Ferdinand Marian) an die Stelle des Teufels und Herzog Karl Alexander von Württemberg (Heinrich George) an die Stelle des Teufelspaktierers. Der Historienfilm ver- schob den vertrauten Faust-Bilddiskurs. Der Nationalsozialismus zeigte sich mit Jud Süß als neue Religion. Im Vergleich von Spielfilm und Dokumentarfilm waren die Niederkunft des Schöpfers, die Inszenierung der Macht des Herren- menschen, geboren im Strahl des prometheischen Lichts, Bilder Leni Riefen- stahls.

Wie in etlichen nationalsozialistischen Spielfilmen wurde auch in dem rumäni- schen Historienfilm Vlad Tapes die christliche, übernatürliche Teufelsgestalt e- liminiert. Ein übernatürliches Phantom schien keine Duldung in der (Film-)Welt der Diktatoren zu finden. Übernatürlich wurde allein der Souverän inszeniert, wie auch Stalin, der als Stellvertreter Gottes auf Erden, als Sohn Lenins, sich im Strahl der Sonne darstellte. Das dämonische Element hatte sich die leben- den Gestalten des Bösen in die Phantastik zurückgeholt. Die filmbesessenen Diktatoren scheinen in ihren glorifizierenden Bildinszenierungen ertrunken. Es blieben Bilder übrig, welche die Fragwürdigkeit des Mediums zum Merkmal von Geschichte machten. In fast allen Faustfilmen wird der Tod des Bösen als Höl- lenfahrt inszeniert und auch Goebbels und Hitler inszenierten ihren Tod. Beider Filmberühmtheit ging bis heute nicht verloren. Voll Grusel werden die histori- schen Lichtgestalten betrachtet, die in schwarzweiß oder Farbe immer wieder vorgeführt werden.

Indes knüpften bundesrepublikanische Nachkriegsproduktionen an das Genre des Phantastischen Films der zwanziger Jahre an. Der Phantastische Film nach 1945 verzichtete weitgehend auf die übernatürliche Figur des Bösen. An ihre Stelle trat der diabolische Diktator, der mit supranaturalen Kräften die Massen verführt hatte. In René Clairs La Beauté du Diable (1949) war der Krieg Folge des Paktes zwischen Wissenschaftler und Teufel. Legitimations- probleme deutscher Wissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg lassen sich beispielhaft an der Rolle Prof. ten Brinkens (Erich von Stroheim) in Arthur Maria Rabenalts Alraune (1952) ablesen. Sie fühlten sich schuldlos und zu unrecht beschuldigt. Aber auch Figuren wie Docteur Cordelier in Jean Renoirs Le Tes- tament Du Docteur Cordelier (1959) und wie Professor Génessier in Georges Franjus Les Yeux Sans Visagen (1959) verwiesen nach mehr als zehn Jahren Kriegsende auf die dunkle Vergangenheit und die Skrupellosigkeit von (fausti- schen) Wissenschaftlern. Die Beschreibung des Weges in die nationale Ka- tastrophe wurde nicht nur in Thomas Manns Doktor Faustus (1947) und Franz Seitz‘ gleichnamiger Verfilmung (1982) als eine Teufelstat dargestellt, sondern schon in Hans Jürgen Syberbergs Hitler- ein Film aus Deutschland (1978) kam Hitler direkt - wie bei Méliès - aus der Hölle hinaufgefahren. In der Bundesrepu-

458 Herr der Welt blik tauchten erst in den sechziger Jahren wieder Spielfilme auf, in denen eine phantastische Teufelsgestalt und ein faustischer Wissenschaftler mitwirkten. Dies war wieder Doktor Mabuse. In Artur Brauners Mabuse-Produktionen verbarg sich hinter der Maske Mabuses ein alter Nazi. Im Umkehrschluß war Kracauer den Weg Von Caligari zu Hitler gegangen, nun führte Brauner von Hitler zu Mabuse zurück.

Ende 459

IV. Ende

Roloff und Seeßlen betrachteten den mit Lichtstrahlen experimentierenden Doktor Tube in Abel Gances La folie du Docteur Tube (1914) als eine der ers- ten Figuren, die als „mad scientist, des verrückten, diabolisch oder ignorant die Menschheit gefährdenden Naturwissenschaftlers und Erfinders, der sowohl für das Hor- ror- und das Science Fiction-Genre bestimmend werden sollte.“1609 Der filmische Ur- sprung des mad scientists verbirgt sich indes nicht in Doktor Tube oder den anderen skurrilen Naturwissenschaftlern, deren Irresein Ausdruck ihrer Beses- senheit ist, sondern der Archetyp, der sich in dem verrückten Bösen verbirgt, ist freilich niemand anderes als Faust in seiner filmischen Existenz. Mitunter verhindert die Bezeichnung mad scientist überdies die Definition der filmischen Struktur, welche die Betrachtung des faustischen Wissenschaftlers als grund- legende Figur des Horrorfilms und des Science Fiction-Films freilegt.

Die Rolle des faustischen Wissenschaftlers im Phantastischen Film ist ge- prägt von Willenskraft und Leidenschaftlichkeit. Eigenschaften, die Doktor Tu- be sowie Rotwang, den Erfinder, oder Ingenieur Maboul und viele andere na- turwissenschaftliche Forscher gleichermaßen auszeichnen. Ihre Wißbegierde richtete sich bei aller filmischen Selbstreferentialität kontinuierlich an populären Strömungen wissenschaftlicher und technischer Entwicklung aus, dabei dient ihr Erkenntnisdrang nichts anderem als der Befriedigung ihres Machtstrebens. Sie tragen die Vorstellung, Wissenschaft ist immer gefährlich und stellt eine Quelle für Unordnung dar.1610 Chaos ist die Konsequenz ihrer naturwissen- schaftlichen Forschung, was freilich der Teufelserscheinung im Fauststück entspricht. Martin Osterland1611 untersuchte das Bild des Wissenschaftlers im internationalen Spielfilm von 1949 bis 1968. Danach tauchten Wissenschaftler als Protagonisten insgesamt recht selten auf. Die Filmgattungen, in denen ty- pischerweise Wissenschaftler auftraten, waren in USA, Bundesrepublik, Eng- land, Frankreich, Italien und Österreich äußerst unterschiedlich. Im westdeut- schen Spielfilm trat der Wissenschaftler beinahe ausschließlich als Arzt auf.1612 Der Arzt war allerdings weniger wissensdurstiger Forscher als vielmehr aka- demischer Helfer. Osterland stellte heraus: „Sein Arztberuf ist lediglich ein will- kommener, dem Publikum relativ vertrauter Hintergrund, der es gestattet, Privatkonflik- te dramatisch zuzuspitzen und obendrein das Geschehen in gehobenen Kreisen ablau- fen zu lassen.“1613

Der forschende Naturwissenschaftler ließ sich meist in amerikanischen, engli- schen und japanischen Science Fiction-Filmen finden. Seine andere Gat- tungsdomäne, der Horrorfilm, wurde verstärkt in USA, England und Frankreich produziert.1614 Im japanischen Spielfilm stellte sich - offenbar unter dem Ein- druck von Hiroshima - die Wissenschaftlerfigur mit Skrupeln behaftet dar. I- noshiro Hondas Godzilla (1954) bildete hierfür ein Beispiel. In phantastischen Hollywood-Produktionen litten Forscher weitaus weniger an Legitimationsprob- lemen und schöpften aus einem ungebrochenen Fortschrittsoptimismus. In

1609 Roloff und Seeßlen, Kino des Utopischen, Geschichte und Mythologie des Science Ficti- on-Films, Grundlagen des populären Films, Bd. 4, Reinbek bei Hamburg 1980, S. 87 1610 Vgl. Tudor, Monsters ans Mad Scientists, a.a.O., S. 134f 1611 Martin Osterland, Wissenschaftler und Wissenschaft im Film, in: Atomzeitalter, H. 1/2 (1969), S. 57-64 1612 Vgl. das Kapitel Herr der Welt 1613 Osterland, Wissenschaftler und Wissenschaft im Film, a.a.O., S. 58 1614 In Horrorfilmen und in Science Fiction-Filmen spielte der Wissenschaftler meist die Hauptrolle.

460 Ende den meisten Phantastischen Filmen trachten promovierte Mediziner nach der Weltherrschaft und ‘die Welt‘ kann sich nur schwer gegen sie wehren. Oster- land faßte ihre Funktion so zusammen: „In den Science Fiction- und Horrorfilmen werden, häufig in die Zukunft projizierte, Situationen geschildert, die auf der Hypothese einer wissenschaftlich-technologischen Innovation beruhen. Der Wissenschaftler ver- mochte im Laufe des Films diese Hypothese zu verifizieren, wobei stets Störungen, Wandlungen oder anomale Veränderungen physischer Bedingungen auftreten und in ir- gendeiner Weise die Menschheit, zumindest aber den Forscher selbst, bedrohen... Die bekannteste Figur dieses Typs ist der wahnsinnige Wissenschaftler... und dessen Ab- art, der unverantwortliche.“1615 In der Hälfte (46 %) aller untersuchten Spielfilme war der auftretende Wissenschaftler verrückt und handelte verantwortungslos. Den vertrottelten Professor bezeichnete Osterland als „Formel-Professor“, weil er häu- fig „im Besitz einer gleichsam magischen Formel, Objekt sich befehdender Geheim- dienste im Kriminal- und Agentenfilm ist.“1616 Mary Shelleys Frankenstein galt Os- terland als „Vater der Figur“. Wie Frankenstein arbeiteten auch die Wissen- schaftler im Phantastischen Film gewöhnlich allein in einer düsteren Alchemistenküche, hatten höchsten einen „debilen Famulus zur Seite“ und ihr Un- tergang war „eine Art Gottesurteil“.1617 Freilich verbirgt sich auch hinter dem For- melprofessor ein faustischer Wissenschaftler.

Eine weitere Gruppe von Wissenschaftlern, die Osterland hervorhob, waren Weltraumexperten und Raketenwissenschaftler, die in Science Fiction-Filmen auftraten und „extraterristische Intelligenz für die Entwicklung zur Katastrophe haftbar“ machten.1618 Dabei übernahmen die meist wissenschaftlich überlegenen Le- bewesen aus dem All die Rolle der Weltbeherrscher, die sonst den Wissen- schaftlern zufiel. Aliens schlüpften in die Rolle der Teufelsfiguren, und der ver- blendete oder verrückte Wissenschaftler trug nicht länger die Schuld daran, daß das Übel ausbrach. Beiläufig veränderte sich auch die Rolle der Naturwis- senschaft, so daß (so Osterland) „die sich verselbständigende Technik die Ober- hand (gewinnt)... Die Gefährdung der Menschheit durch den einzelnen, wahnsinnigen Wissenschaftler und ihre Errettung durch ein gnädiges Geschick wird abgelöst von der Gefährdung durch den Dämon Technik und die Rettung durch die sie letztlich doch be- herrschenden Wissenschaftler.“1619 Im Zeitraum der Untersuchung Osterlands rückte die Rolle des faustischen Wissenschaftlers offenbar in den Hintergrund.

Nach Tudor1620 wurde mit dem wachsenden öffentlichen Interesse an der A- tomenergie in den fünfziger Jahren auch in den Phantastischen Filmen die Vorstellungen geläufiger, daß Wissenschaft unwissentlich oder unbeabsichtigt ein Desaster verursacht. Der Öffentlichkeit erschienen offenbar Tierexperimente gegenüber den Risiken der Radioaktivität relativ gefahrlos. Im Umgang mit Kernenergie agierten in den von Osterland untersuchten Spielfilmen meist Wissenschaftlerteams, die sich in modernen Laboratorien der eintretenden Katastrophe zunächst gewachsen zeigten. Ein Muster, das sich in den späten siebziger und achtziger Jahren wiederholte, als wissenschaftliche Nebeneffekte wie Umweltverschmutzung und ökologische Ungleichgewichte ausgelöst wurden. Strahlenverseuchungen und Umweltkatastrophen wurden einer indirekten wissenschaftlichen Ver- antwortung zugeschrieben. Ohne Frage wurden Naturwissenschaft und Technik verteufelt, aber gleichermaßen dienten sie als Instrumente der göttlichen Rettung. Damit trug die Naturwissenschaft - so bedrohlich sie auch 1615 Ebd. S. 59 1616 Ebd. 1617 Ebd. S. 60 1618 Ebd. S. 62 1619 Ebd. S. 64 (Hervorhebung D.M.) 1620 Vgl. Tudor, Monsters ans Mad Scientists, a.a.O., S. 136

Ende 461 drohlich sie auch immer inszeniert wurde - eine implizite Erkenntnis ihrer be- gangenen Sünden und das Potential für das Gute in sich. Die moderne Wis- senschaft umfaßt im Phantastischen Film wie die frühneuzeitliche Alchemie die beiden Pole: Schwarze Magie und Weiße Magie, ein Spannungsfeld, für das Faust die Referenzfigur wurde.

Angesiedelt zwischen naturwissenschaftlicher Entwicklung, Technikgeschich- te und Magie verkündet das gespaltene Medium Leben und Tod gleichzeitig. Bewegungsbilder zeigen in ihrer prometheischen Welt kurze Geschichten über die Magie des künstlichen Lebens. Das digitale Bewegungsbild läßt sich - wie einst die bunten Bilder der Laterna magica - an beliebige Stellen der Wohnstu- ben projizieren und fordert in naher Zukunft dazu auf, in die bewegte Bildwelt einzutreten und das Ich aufzulösen im Bild des fremd bewegten Körpers. In David Cronenbergs eXistenZ (1999) erfolgte der Eintritt in die Lichtbildwelt über das Rückenmark. Es wurde zum Einspielort für die unterhaltsame (Horror- )Software. Mit dem Buchstaben Z endet das Alphabet und eXistenZ kenn- zeichnet gleichsam das Ende der Schriftzeichen und der Identität. Bei Cronen- berg erscheint die perfekte Simulation der (Körper-) Wirklichkeit als Allegorie auf das Desaster der Auflösung romantischer Liebeswünsche und Ich- Vorstellungen. Kongruenzen lösen sich in Bewegungsbildern auf, ähnlich dem paranoiden Subjekt in einem Anderen.

Der Eintritt in den Raum des Anderen erfolgte in Matrix (Wachowsky, 1999) durch die Tastatur, dessen Buchstaben die magische Formel bilden und die mit dem Ende des Alphabets auch das Ende der Welt verkünden. Der magi- sche Schlüssel öffnet die Tür zu den Resten der vergangenen Zivilisation.

Abb. 284: Tastatur in eine andere Welt. Gebr. Wachowsky, Matrix, 1999

Matrix ist ein Computerprogramm mit dem Maschinen der untergegangenen Menschheit ein Pseudoleben vorgaukeln, während ihr Organismus - als Ener- giequelle ausgebeutet - vor sich hin vegetiert. Der Film erzählt die Geschichte des Software-Entwicklers Neo (One), der spürt, das etwas mit der Wirklichkeit nicht stimmt. Er nimmt Kontakt zu Rebellen auf, die in der Nautilus (halb U- Boot, halb Raumschiff) versteckt in der Welt der Maschinen leben. Sie warten auf den Erlöser und glauben ihn in Neo gefunden zu haben. Morpheus1621 gelei-

1621 Den Griechen galt Morpheus als Gott des Schlafes und der Schlafende lag in Morpheus Armen.

462 Ende tet Neo in die Menschenwelt.

Teufelsmaschinen haben ihr Reich errichtet. Die dämonische Welt der Ma- schinen bekundet die Hölle auf Erden. Wie in Metropolis ist auch in Matrix die Welt gespalten in eine Unterwelt (das Maschinenreich) und in eine Oberwelt (die Matrix). Gleichzeitig wird in beiden Filmen der Erlöser erwartet und gefun- den. Er wird zum Retter der Menscheit durch die Liebe einer Frau. Die Teu- felsmaschinen verkünden in Matrix nichts anderes als in Metropolis, daß eine Maschine ein menschliches Abbild über den Tod hinaus in Bewegung hält. Die Bildmaschine mit Namen Luzifer läßt in Fausts Studierzimmer die Transfor- mation des Menschen ins Lichtbild stattfinden. Neo gelangt durch einen Ge- burtskanal aus der virtuellen Welt in die Maschinenwelt. Aus dem in der Fiktion verharrenden, gefräßigen und von dämonischen Maschinen ernährten Säugling wird ein künstliches Geschöpf, dessen Abnabelung von der Maschine zur Neugeburt des Lichtwesens führt.

Abb. 285: Neo, der Erlöser

Neo ist ein romantischer Held wie Frankensteins Monster, der Golem und die anderen künstlichen Geschöpfe des Phantastischen Films, die im Konflikt mit ihrem Schöpfer stehen. Neos Schöpfer sind nährende Teufelsmaschinen, die ihm eine Bildwelt als Leben vorgaukeln.

Ende 463

Abb. 286: Der Übergang ins Reich der Maschinen

Eines der ersten Computer-animierten-Bewegungsbildern war ein Skelett, wel- ches das prometheische Feuer in der Hand hält. Hier schließt sich der Kreis zu Athanasius Kirchers Laterna magica Produktionen.

Abb. 287: Bewegtes Skelett. Dr. Scratch, Computeranimation der Firma Mr. Film, Los Angeles,1991

ANHANG 465

ANHANG

A - Abbildungsverzeichnis 467

V. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Fausts zerstückelter Körper liegt auf dem Misthaufen, Illustration der holländischen Faustausgabe von 1685 ...... 6 Abb. 2: Titelblatt der Historia von D. Johann Fausten / dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler..., Gedruckt zu Frankfurt am Mayn durch Johann Spieß. M. D. LXXXVII (1587) ...... 2 Abb. 3: Jérôme David, Doctor Faustus, um 1645, Kupferstich, 206 x 185 mm, Weimar, Goethe- Nationalmuseum ...... 14 Abb. 4: Volksbuch vom Doctor Faust, Titelholzschnitt, Straßburg,1588...... 22 Abb. 5: Ludovicus Milichium, Der Zauber Teuffel, Titelholzschnitt, Frankfurt am Main 1566 ...... 23 Abb. 6: Kolorierter Bogen mit Figuren aus Doktor Faust. Ein Zauberstück in vier Akten von Ernst Siewert, Schreibers Kindertheater,1880 ...... 25 Abb. 7: Drachenkampf. Miniatur, Reichenau, um 1020...... 26 Abb. 8: Stefan Lochner, Der Weltgerichtsaltar, etwa 1440, Ausschnitt aus der Innenseite der Flügel, links und rechts, in je sechs einzelnen Bildern die Martyrien der zwölf Aposteln, 1,20 m x 0,80 m (je Bild 0,40 m x 0,40 m), Frankfurt am Main, Städel-Institut...... 27 Abb. 9: Satan als viehischer Unhold, Jacques Tourneurs, Night of Demon, 1957...... 28 Abb. 10: Wilhelm von Kaulbach, Studierzimmer (Ausschnitt) 1836...... 29 Abb. 11: Praxis Cabulae nigrae Doctoris Johannis Faustii Magi celeberrimi (Handschrift), Passau MDCXII, S.4...... 34 Abb. 12: Höllenzwang von der Hand des Kattundruckers Johann Gottfried Böhme aus Scharplau, etwa Ende des 17. Jahrhunderts...... 35 Abb. 13: Praxis Praxis Cabulae nigrae Doctoris Johannis Faustii Magi celeberrimi (Handschrift), Passau MDCXII, S. 110 ...... 36 Abb. 14: Reinhard Kraemer und Peter Müller, Das Schattentheater von Prof. Otto Kraemer, Karlsruhe 1994, S. 22...... 47 Abb. 15: Eliphas Levi, Per Enedictionem...... 48 Abb. 16: Als Teufel verkleideter Gehilfe, Liesegang Archiv, Düsseldorf...... 59 Abb. 17: Illustration, Kupferstich, Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Romae 1646 ...... 60 Abb. 18: Louis Le Poittevin, Diaboleries érotiques, Zeichnung. Curt Morick, Das Gesicht. Eine sexualpsychologische und physiologische Darstellung der Rolle des Auges für das Triebleben des Menschen, Wien 1929, S. 179 ...... 62 Abb. 19: Laterna magica Darstellung, 1420, Friedrich von Zglinicki, Der Weg des Films, Bild- band, Hildesheim, New York, 1979, o.S...... 65 Abb. 20: Illustration, Kupferstich, Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Amstelodami 21671 ...... 66 Abb. 21: Illustration, Kupferstich, Athanasius Kircher, Ars magna lucis et umbrae, Amstelodami 21671 ...... 67 Abb. 22: Illustration, Kupferstich, G. Jacques s’Gravesandes, Physices elementa mathe- matica, 1721...... 68 Abb. 23: Bewegungsprojektion der Laterna magica: a) Gefesselter Teufel ...... 69 Abb. 24: b) Teufel hat die Ketten zerrissen...... 69 Abb. 25: Illustration, Kupferstich, Ètienne Gaspard Robertson, Mémoires récréatifs scientifiques et anecdotiques, Paris 1831...... 71 Abb. 26: Teufelstanz, Liesegang Archiv, Düsseldorf ...... 73 Abb. 27: Geister auf der Bühne, Illustration, Julius Böllner, Die Kräfte der Natur und ihre Benutzung. Eine physikalische Technologie, Leipzig und Berlin 1865...... 75 Abb. 28: Magier zwingt Teufel hervor,Glasbilder für Laterna magica Projektion. Von der Camera obscura zum Film. Eine Ausstellung im Broicher Wasserturm und im Ringlokschuppen in Mülheim an der Ruhr, (Ausstellungskatalok) 1992, S. 32...... 76 Abb. 29: Teufel fliegt aus dem Teleskop des Magiers heraus, Glasbilder für Laterna magica. Jaques Mény, La Magie Méliès, (La Sept/Arte Sodaperaja - Mikros Image) 1997 ...... 77 Abb. 30: Der Teufel springt einer Schlafenden auf die Brust, Thaumatrop ...... 80 Abb. 31: Johann Heinrich Fuessli d. J., Die Nachtmahr, 1781, Öl auf Leinwand, 101 x 127 cm, Detroit, The Detroit Institute of Arts...... 80 Abb. 32: Phénakistiskop-Scheibe ...... 82

468 A - Abbildungsverzeichnis

Abb. 33: Praxinoscope-Streifen. Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main ...... 83 Abb. 34: Praxinoscope-Streifen. Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main ...... 83 Abb. 35: Ein Skelett tanzt und nimmt seinen Kopf ab, C. W. Cream, Eine Archäologie des Kinos, Reinbek bei Hamburg, 1965, S. 70...... 84 Abb. 36: Kosmoskop, Oskar Messter, 1898, Oskar Meester, mein Weg mit dem Film, Berlin 1936, Abb. 56 ...... 89 Abb. 37: Ankündigung einer Messter Vorführung, 1896, ...... 91 Abb. 38: Ankündigung einer Skladanowsky Vorführung, Der Artist, Juni 1896...... 92 Abb. 39: Illustration, Johannes M. Lehmann, Die Kinematographie, ihre Grundlagen und ihre Anwendung, Leipzig 1911...... 96 Abb. 40: Das lebende Bild, Kino von Karl Knübbel, Berlin 1903 (rechts Karl Knübbel, Fotografie, anonym) ...... 101 Abb. 41: Ankündigung einer Messter Vorführung, 1896, Reklamekarte, Kinematograph Meester, Unter den Linden 21, Berlin (In der Mitte klebte ein echtes Filmbild)...... 102 Abb. 42: Werbung der Kinematographen-Fabrik mit Filmverleih, Glüer & Co, Berlin 1907, Der Kinematograph, Nr. 50 (1907) o. S...... 105 Abb. 43: Werbung für den Präcisions-Kinematographen der Firma Heinrich Ernemann Dresden, 1908, Der Kinematograph, Nr. 101 (1908) o. S...... 105 Abb. 44: Ernst Lubitsch als Mephisto in Edmund Edels, Doktor Satansohn, 1912, Hauke Lange-Fuchs, Faust im Film. Eine Dokumentation, Bonn 1985, S. 47 ...... 109 Abb. 45: Plakat des Théâtre Robert Houdin, etwa 1895, Hartmut Bitomsky, Un Locataire Dialolique. Ein Film über Georges Méliès, 35. Min, WDR 1979 ...... 116 Abb. 46: Escamontage d’une Dame Chez Robert-Houdin, Starfilm, Georges Méliès, 1896, Méliès als Magier, Cinémathéque Française – Eine Frau verschwindet...... 117 Abb. 47: ...unter einem Tuch...... 118 Abb. 48: und ein Skelett nimmt ihren Platz ein ...... 118 Abb. 49: Georges Méliès, Die Versuchung des heiligen Antonius, Cinémathéque Française...... 120 Abb. 50: Starfilm, Georges Méliès, Le Manoir Du Diable, 1896, Cinémathéque Française...... 121 Abb. 51: Starfilm, Georges Méliès, Faust aux Enfers, 1903, Cinémathéque Française...... 123 Abb. 52: Georges Méliès, Le Voyage Dans La Lune, 1902, Cinémathéque Française...... 125 Abb. 53: Starfilm, Georges Méliès, Le Voyage À Travers L’Impossible, 1903, Cinémathéque Française125 Abb. 54: Starfilm, Georges Méliès, Le Voyage À Travers L’Impossible, 1903, Cinémathéque Française – Die Sonne explodiert ...... 126 Abb. 55: Starfilm, Georges Méliès, Le Voyage À Travers L’Impossible, 1903, Cinémathéque Française - Die Katastrophe tritt ein: Weltuntergang ...... 127 Abb. 56: Mephisto, Ausschnitt aus einer Zeichnung Méliès‘, s. Bitomsky ...... 128 Abb. 57: James A. Williamson, The Big Swallow, zirka 1901 ...... 130 Abb. 58: Filmplakat, Friedrich Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926 ...... 145 Abb. 59: Erste Verführungssequenz, Friedrich Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926, Gösta Ekman als Faust, Emil Jannings als Mephisto ...... 149 Abb. 60: Erste Verführungssequenz, Friedrich Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926, Gösta Ekman als Faust, Emil Jannings als Mephisto ...... 149 Abb. 61: Emil Jannings als verdoppelter Mephisto, Friedrich Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926...... 150 Abb. 62: Weibliche Vision 1, Gösta Ekman als Faust, Hanna Ralph als Herzogin von Parma ...... 151 Abb. 63: Weibliche Vision 2, Gösta Ekman als Faust, Hanna Ralph als Herzogin von Parma ...... 152 Abb. 64: Weibliche Vision 3, Gösta Ekman als Faust, Hanna Ralph als Herzogin von Parma ...... 152 Abb. 65: Mephisto und Faust fliegen auf dem Zaubermantel, Gösta Ekman, Emil Jannings ...... 153 Abb. 66: Zweite Verführungssequenz, Gösta Ekman als Faust, Camilla Horn als Gretchen ...... 155 Abb. 67: Schlußbild, Wilhelm Murnau, Faust. Eine deutsche Volkssage, 1926 ...... 157 Abb. 68: Faust küßt Gretchen und wird dabei von Mephisto beobachtet, Ekman, Horn, Jannings ...... 158 Abb. 69: Haddo kurz vor der Operation Margaretes, Rex Ingram, The Magician, 1926, Paul Wegener als Dr. Haddo ...... 159 Abb. 70: Haddos Famulus ...... 160 Abb. 71: Lord Byron, Manfred, in: The Poetical Works of Lord Byron. Mit acht Stahlstichen, Edinburgh 1857, Stahlstich, anonym, p. 309...... 177 Abb. 72: Gabriel Byrne als Lord Byron, Ken Russel, Gothic, 1986...... 178 Abb. 73: Wilhelm Ahlborn nach Schinkel, Gotischer Dom am Wasser, 1823, Öl auf Leinwand, 80 x 106,5 cm, nach dem vernichteten Original von1813, staatliche Museen Preußischer

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Kulturbesitz, Nationalgalerie Berlin...... 184 Abb. 74: Peter Paul Rubens, Das Haupt der Medusa, 1617/1618, Wien, Kunsthist. Museum...... 190 Abb. 75: Medusenbild als Minial-Bewegungsbild...... 190 Abb. 76: Casper David Friedrich, Frau am Fenster, um 1822, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin...... 194 Abb. 77: Casper David Friedrich, Wanderer über dem Nebelmeer, um 1818, Öl auf Leinwand, Hamburger Kunsthalle ...... 195 Abb. 78: Carl Gustav Carnus, Faust, Osterspaziergang, 1821, Öl auf Leinwand, 49 x 40cm, Essen, Folkang Museum ...... 196 Abb. 79: Starfilm, Georges Méliès, Le Palais des Mille et une Nuits, 1905, Cinémathéque Française, ...... 203 Abb. 80: Starfilm, Georges Méliès, Le Chaudron Infernal (1903), Cinémathéque Française...... 204 Abb. 81: Georges Méliès, L’Homme-Orchestre, 1900, Cinémathéque Française...... 206 Abb. 82: Starfilm, Georges Méliès, Le portrait mystérieux, 1899, Cinémathéque Française - Méliès zeigt auf den leeren Bilderrahmen...... 208 Abb. 83: Méliès geht durch den Bilderrahmen ...... 208 Abb. 84: Starfilm, Méliès, Le portrait mystérieux, 1899, Cinémathéque Française – Selbstporträt und...209 Abb. 85: Projektionsfläche...... 209 Abb. 86: Werbung für Projektionsapparate der Firma Unger & Hoffmann AG Dresden, 1907 ...... 210 Abb. 87: Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, John Gottowt als Scapinelli...... 215 Abb. 88: Henrik Galeen, Der Student von Prag, 1926, Werner Krauß als Scapinelli ...... 216 Abb. 89: Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, John Gottowt als Scaninelli, Paul Wegener als Balduini...... 218 Abb. 90: Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, Paul Wegener als Balduin ...... 219 Abb. 91: Scapinelli holt sich Balduins Spiegelbild. Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, John Gottowt als Scaninelli, Paul Wegener als Balduin...... 221 Abb. 92: Unbefriedigende Paarkonstellation, Stellan Rye, Der Student von Prag, 1913, Grete Berger als Comtesse Margit Schwarzenberg, Lyda Salmonova als Zigeunermädchen, Fritz Weidemann als Baron Waldis-Schwarzenberg, Paul Wegener ...... 222 Abb. 93: Margit, Lyda Salmonova, und Balduin, Paul Wegener, vor dem Spiegel ...... 225 Abb. 94: Lyda Salmonova, Paul Wegener ...... 225 Abb. 95: Schlußbild (Paul Wegener) ...... 228 Abb. 96: Hyde im Endstadium, John S. Robertson, Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1920, John Barrymore als Jekyll/Hyde...... 231 Abb. 97: Jekyll vor dem Selbstversuch, Rouben Mamoulian, Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1931, Fredric March als Jekyll/Hyde Jekyll vor dem Selbstversuch...... 233 Abb. 98: Rouben Mamoulian, Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1931...... 233 Abb. 99: Rouben Mamoulian, Dr. Jekyll and Mr. Hyde, 1931, Fredric March als Jekyll/Hyde...... 234 Abb. 100: Das Aha-Erlebnis ...... 234 Abb. 101: Jekyll mißtraut seinem Spiegelbild...... 235 Abb. 102: Mister Hyde als Alchemist ...... 236 Abb. 103: Hyde/Jekyll aufgerichtet wie Homunculus ...... 236 Abb. 104: Billy Bitzer, Kevin Brownlow, Pioniere des Films. The Paradi's gone by..., Basel, Frankfurt am Main 1997 ...... 244 Abb. 105: J. Searle Dawley, Frankenstein, 1910, Augustus Philips als Frankenstein...... 245 Abb. 106: J. Searle Dawley, Frankenstein, 1910, Augustus Philips als Frankenstein...... 246 Abb. 107: Kreatur, Charles Olge, in J. Searle Dawley, Frankenstein, 1910, Augustus Philips als Frankenstein...... 246 Abb. 108: Der Kampf zwischen Frankenstein und seiner Kreatur. Charles Olge, Augustus Philips ...... 248 Abb. 109: Francis Ford Coppola, Mary Shelleys Frankenstein, 1994, Kenneth Branagh als Frankenstein, Aidan Quinn als Walton. Faustische Wissenschaftler: Walton und Frankenstein...... 251 Abb. 110: Robert de Niro als Monster...... 251 Abb. 111: Elektrizität als Lebensfunke ...... 252 Abb. 112: Der ‘gelehrige Kopf’ im magischen Kreis...... 253 Abb. 113: Der gefallene Engel und Lehrmeister Frankensteins Professor Waldmann, John Cleese...... 254 Abb. 114: Ein toter Frosch wird elektrisch bewegt ...... 255 Abb. 115: Frankenstein, Kenneth Branagh, auf der Gebärmaschine ...... 256 Abb. 116: Die Monster-Ikone. Boris Karloff, James Whale, Frankenstein, 1931...... 258 Abb. 117: James Whale, Frankenstein, 1931, Exposition: Der Leichenraub, Colin Clive als Frankenstein,

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Dwight Frye als Famulus...... 259 Abb. 118: Paul Morrissey, Andy Warhol’s Frankenstein, 1973, Still: P. H. Knipp-Film, Udo Kier als Baron Frankenstein, Joe Dallessandro als Nicholas, Monique van Vooren als Katrin Frankenstein und Arno Juerging als Gehilfe Otto ...... 260 Abb. 119: James Whale, Frankenstein, 1931, The Museum of Modern Art, Film Stills Archiv...... 261 Abb. 120: Frankensteinmaschine, James Whale, Frankenstein, 1931 ...... 262 Abb. 121: James Whale, The Bride of Frankenstein, 1935. Doktor Praetorius erschuf eine kleine kultivierte Teufelsfigur...... 263 Abb. 122: Terence Fisher, The Curse of Frankenstein, 1957.Das Augenpaar folgt dem Lichtstrahl...... 265 Abb. 123: Christopher Lee als Kreatur in , Terence Fisher, The Curse of Frankenstein, 1957 ...... 266 Abb. 124: Nick Brimble als Monster in Roger Corman, Frankenstein Unbound, 1990...... 267 Abb. 125: Robert de Niro als Kreatur in Branagh, Mary Shelleys Frankenstein, 1994...... 267 Abb. 126: Paul Wegener und Henrik Galeen, Der Golem, wie er in die Welt kam, 1920. Der Geist haucht das Zauberwort...... 270 Abb. 127: Paul Wegener als Golem, Albert Steinrück als Rabbi Löw, Ernst Deutsch Famulus, Rabbi Löw und sein Famulus beleben den Golem...... 271 Abb. 128: Paul Wegener, Lydia Salmonova als Miriam. Der Golem beansprucht Miriam für sich...... 272 Abb. 129: Otto Rippert, Die Rache des Homunculus, 1916, Olaf Fonss als Homunculus ...... 277 Abb. 130: Fritz. Lang, Metropolis – Das Schicksal einer Menschheit im Jahre 2000, 1926. Die Teufelsmaschine verschlingt die Arbeiter...... 286 Abb. 131: Gustav Fröhlich als Freder Fredersen. Freder hält die Maschinenzeit fest ...... 287 Abb. 132: Das Haus des Magiers Rotwang ...... 288 Abb. 133: Brigitte Helm als Maschinenfrau...... 288 Abb. 134: Gustav Fröhlich als Freder Fredersen, Rudolf Klein-Rogge als Rotwang, Erfinder. Die Maschinenhand verspricht ewiges Leben ...... 289 Abb. 135: Fredersen bietet Rotwang einen Pakt an. (Fröhlich, Klein-Rogge)...... 290 Abb. 136: Maria wird im Strahl des Lichts verdoppelt ...... 290 Abb. 137: Die falsche Maria entsteigt dem Höllenbecken ...... 292 Abb. 138: Der Tod spielt auf zum Tanz ...... 292 Abb. 139: Das Telefonauge, Gustav Fröhlich, Heinrich George als Grot ...... 293 Abb. 140: Der Kampf zwischen Freder und Rotwang (Rudolf Klein-Rogge, Gustav Fröhlich)...... 293 Abb. 141: Die Höllenmaschine...... 296 Abb. 142: Filmplakat, Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula, 1992...... 301 Abb. 143: Filmplakat, Jess Franco, El Conde Dracula, Nachts, wenn Dracula kommt, 1969...... 302 Abb. 144: Bilderbogen Doktor Faust in der Volkssage, 1884, in: Märchen, Sagen und Abenteuergeschichten auf Bilderbögen neu erzählt von Autoren unserer Zeit, hrsg. v. J. Jung, München 1974, S: 78...... 302 Abb. 145: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens 1922. Das Titelblatt der alten Stadtchronik...... 304 Abb. 146: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens 1922. Die erste Seite der alten Chronik...... 305 Abb. 147: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens 1922. Das kryptische Schriftstück erinnert an einen Faust Höllenzwang...... 306 Abb. 148: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens 1922. Die Rückseite des Schriftstücks ...... 307 Abb. 149: Ein Bilderrätsel, Gallus Kemly, Diversarius multar (um rerum). Zürich, Zentralbibliothek, Feder, Tinte, 21:14,5 cm (Ausschnitt), um 1450-1453 Erklärung: Ich rät' (Rad) dir: hût' (Hut) dich, brech? (Krug) ich, stech' (Distel) ich, snîd' (Sichel) ich. Ich rech' (Rechen) mich mitt d' (der) hand (Hand), daz sag' (Säge) ich dir, mitt dem swert (Schwert) vor wâr under zît...... 307 Abb. 150: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens 1922. Das alte Buch über Vampire...... 308 Abb. 151: Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens 1922, Max Schreck als Graf Orlock / Nosferatu, Gustav von Wangenheim als Thomas Hutter...... 310 Abb. 152: Der Tod schlägt die Stunde ...... 311 Abb. 153: Max Schreck, Gustav von Wangenheim...... 312 Abb. 154: John Gottowt als Professor Bulwer. Bulwer unterrichtet seine Studenten ...... 313 Abb. 155: Die Studenten und Professor Bulwer blicken in den Schwarzen Kasten ...... 314 Abb. 156: Eine Vogelscheue als Silhouette des Unheimlichen...... 316

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Abb. 157: Die fremdbelebte Vogelscheue wird im Schattenspiel zum Bild ewigen Lebens ...... 317 Abb. 158: Der Vampir naht ...... 317 Abb. 159: Der Vampir zerfällt im Sonnenlicht ...... 318 Abb. 160: Tod Browning, The Phantom of the Opera,1924, Lon Chaney ...... 320 Abb. 161: Tod Browning, Dracula, 1930. Der stumme Raum...... 322 Abb. 162: Tod Browning, Dracula, 1930. Bela Lugosi als Graf Dracula, Dwight Frye als Makler Renfield323 Abb. 163: Edward van Sloan als Professor van Helsing, Herbert Bunston als Dr. Seward im medizinischen Hörsaal...... 324 Abb. 164: Der Blick durch die Lupe...... 324 Abb. 165: Professor van Helsing, Edward van Sloan, untersucht das Blut Renfields ...... 325 Abb. 166: Edward van Sloan, Herbert Bunston, die beiden alten Wissenschaftler Dr. Seward und Prof. van Helsing ...... 326 Abb. 167: Bela Lugosi als Dracula will van Helsing in seinen Bann ziehen ...... 327 Abb. 168: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Die Lichtbuchstaben bringen die Zähne des Vampirs in Erinnerung ...... 329 Abb. 169: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Vampir aus Lichtzeichen ...... 330 Abb. 170: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Das Schild des Gasthauses330 Abb. 171: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Julian West (= Nicolas de Gunzburg) als David Allan. Der Blick ins Gasthaus ...... 331 Abb. 172: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930. Der Sensenmann schlägt die Glocke ...... 331 Abb. 173: Carl Theodor Dreyer, Vampyr - Der Traum des Allan Gray, 1930...... 332 Abb. 174: Allan Gray betrachtet die Sterbestunde ...... 333 Abb. 175: Henriette Gérard als Marguerite Chopin, die Vampirin ...... 333 Abb. 176: Schattenflügel...... 334 Abb. 177: Das Werkzeug des Alchemisten...... 334 Abb. 178: Druckpresse und Kamera, Werkzeug des Alchemisten...... 335 Abb. 179: Jan Hieronimko als Arzt und Famulus, Henriette Gérard als Vampirin ...... 335 Abb. 180: Das Titelblatt des Vampirbuches ...... 336 Abb. 181: Sybille Schmitz als Léone, Henriette Gérard. Die Vampirin läßt von Léone ab...... 337 Abb. 182: Der Geist beugt sich über den Leichnam (Julian West) im Sarg...... 338 Abb. 183: Sybille Schmitz, Léones Seele ist gerettet ...... 339 Abb. 184: Lambert Hyllier, Dracula’s Daughter, 1936, Still, David Skal, The Monster Show. A Cultural History of Horror, London 1994. Draculas Tochter und ihr weibliches Opfer ...... 342 Abb. 185: Gloria Holt als Comtesse Maria Zaleska, Draculas Tochter. Die Bildunterschrift bei John Brosman lautete:...... 344 Abb. 186: „Ingritt Pitt as Countess Dracula – before and after.“...... 344 Abb. 187: Optische Täuschungen: Das Wechselbild...... 345 Abb. 188: Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula 1992, Gary Oldman als Dracula ...... 348 Abb. 189: Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula 1992...... 348 Abb. 190: Francis Ford Coppola, Bram Stoker’s Dracula 1992, Gary Oldman als Dracula. Zugschienen markieren Harkers Weg ...... 349 Abb. 191: Der erste Stück reist Harker mit der Eisenbahn...... 349 Abb. 192: Die Augen des Untoten...... 350 Abb. 193: Eine Teufelsklaue zieht Harker in die Kutsche. Keanu Reeves als Jonathan Harker ...... 350 Abb. 194: Ein Schatten, der sich ablöst. Gary Oldman als Dracula, Keanu Reeves als Harker ...... 351 Abb. 195: Der romantische Teufel besucht das Kino ...... 352 Abb. 196: Lebendiges Blut ...... 353 Abb. 197: Prof. Van Helsing (Anthony Hopkins) kommt an...... 354 Abb. 198: Der magische Feuerkreis. Hopkins, Winona Ryder als Mina Murray und Elisabeta...... 355 Abb. 199: Dracula wird vom göttlichen Licht erfaßt und verwandelt sich...... 356 Abb. 200: Mina als Salome. Winona Ryder, Gery Oldman ...... 356 Abb. 201: Batman und Robin. Lambert Hillyer, Batman, 1943, Lewis Wilson als Batman und Bruce Wayne, Douglas Croft als Robin, Still: Dick Grayson...... 358 Abb. 202: Fliege und fleischfressende Pflanze. Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens, 1922 (Szene aus einem Ufa-Kulturfilm) ...... 359 Abb. 203: Eine bedrohliche Fliege. Kurt Neumann, The Fly, 1958 ...... 361 Abb. 204: Das Blitzlicht des Deintegrators...... 362

472 A - Abbildungsverzeichnis

Abb. 205: Das Fliegenbein verrät den diabolischen Wissenschaftler ...... 363 Abb. 206: Fliegenmonster und Frau. Al „David“ Hedison als André Dellambre, Patricia Owens als Hélène Dellambre...... 363 Abb. 207: Der Diabolus wird vernichtet. Patricia Owens als Hélène Dellambre...... 364 Abb. 208: Kopf und Hand des Wissenschaftlers als Teil einer Fliege gefangen im Spinnennetz...... 364 Abb. 209: Der tödliche Biß steht bevor ...... 365 Abb. 210: Lecter zum Pakt bereit. Jonathan Demme, Silence of the Lambs, 1990, Anthony Hopkins als Dr. Hannibal Lecter, Jodie Foster als Clair Starling ...... 369 Abb. 211: Die Teufelsgestalt verbirgt ihr Geschlecht. Ted Levine als Jame Gumb...... 369 Abb. 212: Die göttliche Instanz kommt zu spät...... 370 Abb. 213: Der erlegte Nachtfalter. Ted Levine als Jame Gumb ...... 370 Abb. 214: Daru Nastase, Vlad Tepes, 1976 ...... 372 Abb. 215: Abel Gance, La Folie du Docteur Tube,1914, Albert Dieudonne als Dr. Tube...... 378 Abb. 216: René Clair, Paris qui dort,1923 ...... 378 Abb. 217: Die Strahlenmaschine in Aktion ...... 379 Abb. 218: Professor Ixe an seiner Strahlenmaschine ...... 379 Abb. 219: George Lucas, Star Wars, 1976, Alec Guinness als Obi-Wan Kenobi, David Prowse als Darth Vader. Strahlenschwerter ...... 384 Abb. 220: Plakat, Méliès, Les Rayons Roentgen, 1898 ...... 387 Abb. 221: Roger Corman, The Man with the X-Ray Eyes, 1963, Ray Milland als Dr. James Xavier ...... 389 Abb. 222: Doktor Xaviers blickt ins Körperinnere...... 389 Abb. 223: Doktor Xaviers Augen...... 391 Abb. 224: Doktor Xavier hat sich die Augen herausgerissen...... 391 Abb. 225: Der Blick ins Paradies ...... 392 Abb. 226: Die dämonische Macht des Kinematographen steckt im Blick des Magiers ...... 394 Abb. 227: Dämonisches Licht. Robert Wiene, Das Cabinet des Dr. Caligari, 1919/20 ...... 396 Abb. 228: Caligari belebt Cesare. Werner Krauß als Dr. Caligari, Conrad Veidt als Cesare...... 398 Abb. 229: Filmplakat, Das Cabinet des Dr. Caligari ...... 402 Abb. 230: Phénakistiskop-Scheibe, Mitte 19. Jahrhundert ...... 403 Abb. 231: Der Fernschnellzug. Fritz Lang, Dr. Mabuse, der Spieler, 1922...... 405 Abb. 232: Das Innere des Wagens ...... 406 Abb. 233: Mabuse besteigt die dunkle Autohöhle. Rudolf Klein-Rogge als Dr. Mabuse...... 407 Abb. 234: Ein Plakat kündigt Mabuses Vortrag an...... 408 Abb. 235: Mabuse vor geschlossenem Vorhang ...... 409 Abb. 236: Von Wenk zusammengepreßt im hypnotischen Strahl Mabuses. Bernhard Goetzke als Staatsanwalt von Wenk...... 410 Abb. 237: Mabuses sendet seinen hypnotischen Strahl auf von Wenk ...... 411 Abb. 238: Professor van den Gruichs Kopf erscheint bedrohlich wie das Haupt der Medusa...... 411 Abb. 239: Eine Spirale kündigt Mabuse an. Gertrude Welcker als Gräfin Dusy Told...... 413 Abb. 240: Mabuse im Schein des Feuers ...... 414 Abb. 241: Ankündigung der magischen Experimente Sandor Weltmanns alias Mabuse ...... 416 Abb. 242: Von Wenk ruft Mabuse an...... 417 Abb. 243: Die Frau vom Amt leitet die Tonwellen weiter...... 418 Abb. 244: Mabuses Macht bedarf des Blicks ...... 418 Abb. 245: Die Teufelsfratze an der Wand ...... 419 Abb. 246: Die Teufelsmaschinen greifen an...... 420 Abb. 247: Merkurs Augen beginnen zu blitzen. Reinhold Schünzel, Amphitryon oder Aus den Wolken kommt das Glück, 1935, Paul Kemp als Merkur und Sosias...... 424 Abb. 248: Er sendet einen magischen Strahl aus ...... 424 Abb. 249: Sein Ebenbild ist paralysiert ...... 425 Abb. 250: Artur Robison, Der Student von Prag, 1936, Theodor Loos als Doktor Carpis, Adolf Wohlbrück als Balduin...... 426 Abb. 251: Sybille Schmitz als Maria, Frank Wysbar, Fährmann Maria, 1937...... 428 Abb. 252: Harry Piel, Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt, 1933, Harry Piel als Taxifahrer Harry...... 430 Abb. 253: Der Kampfroboter. Harry Piel, Der Herr der Welt, 1934...... 432 Abb. 254: Filmplakat, Harry Piel, Der Herr der Welt, 1934 ...... 435 Abb. 255: Die Goldmachmaschine. Karl Hartl, Gold, 1934...... 437 Abb. 256: Hans Steinhoff, Robert Koch, der Bekämpfer des Todes, 1939...... 438 Abb. 257: Veit Harlan, Jud Süß, 1940, Ferdinand Marian als Joseph Süß-Oppenheimer ...... 440

A - Abbildungsverzeichnis 473

Abb. 258: Mit einem Berg Goldmünzen schmeichelt sich Süß-Oppenheimer ein...... 441 Abb. 259: Rabbi Löw schlägt mit seinem Stock auf die Bücher in Süß-Oppenheimers Bibliothek...... 442 Abb. 260: Dämonisches Feuer ...... 443 Abb. 261: Jerry Lewis, The Nutty Professor (1962), Still: Paramount, Jerry Louis als Professor Kelp ...... 449 Abb. 262: Peter Gorski, Gustav Gründgens Faust, 1961, Film Still, Obelisk-Film, Will Quadflieg als Faust, Gustav Gründgens als Mephisto...... 451 Abb. 263: Hans Jürgen Syverberg, Hitler – ein Film aus Deutschland, 1977, Heinz Schubert, Hitler ....453 Abb. 264: Faust aux enfers, d’aprè Berlioz (La Damnation du Faust) 1903, Cinémathéque Française, Méliès als Mephisto...... 454 Abb. 265: Georges Franju, Les Yeux Sans Visage, 1959. Die Tochter des Operateurs ...... 459 Abb. 266: ... bekommt ein neues Gesicht...... 459 Abb. 267: Karel Zeman, Bund Vynálz skázy, 1957 ...... 460 Abb. 268: Fritz Lang, Die tausend Augen des Dr. Mabuse, 1960 ...... 461 Abb. 269: Augen über der Stadtsilhouette...... 462 Abb. 270: Gert Fröbe als Kommissar Kras telefoniert mit Mabuse ...... 462 Abb. 271: Wolfgang Preiss als Dr. Mabuse im Gespräch mit Kras ...... 463 Abb. 272: Der Klumpfuß als Indiz der Teufelsgestalt...... 463 Abb. 273: Rauchende Köpfe...... 464 Abb. 274: Mabuse ohne Maske...... 464 Abb. 275: Die Armee Mabuses, bereit zum Unsichtbarwerden. Harald Reinl, Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse, 1961 ...... 466 Abb. 276: Mabuse in den Trümmern des Laboratoriums...... 467 Abb. 277: Pohland ist bereit den Geist Mabuses zu empfangen. Paul May, Scotland Yard jagt Dr. Mabuse, 1963...... 468 Abb. 278: Der Geist Mabuses fährt in Pohland...... 468 Abb. 279: Das wissenschaftliches Interesse am menschlichen Gehirn ist ungebrochen ...... 469 Abb. 280: Die Hypnotisierkamera...... 469 Abb. 281: Der Geist Mabuses entweicht aus dem Körper Pohlands ...... 470 Abb. 282: Terence Young, Dr. No, 1962, Joseph Wiseman als Dr. No...... 472 Abb. 283: Stanley Kubrick, Dr. Strangelove, or: How I learned to stop worrying and love the Bomb, 1963, Peter Sellers als Dr. Strangelove ...... 474 Abb. 284: Tape in eine andere Welt. Gebr. Wachowsky, Matrix, 1999...... 479 Abb. 285: Neo, der Erlöser...... 480 Abb. 286: Der Übergang ins Reich der Maschinen...... 481 Abb. 287: Bewegtes Skelett. Dr. Scratch, Computeranimation der Firma Mr. Film, Los Angeles,1991 ...... 482

A - Filmtitelregister 475

VI. Personenregister

Bloch, Ernst 60 A Blom, August 239 Boileau-Narcejac 474 Abel, Alfred 296, 429, 437 Böllner, Julius 76 Abraham, Karl 222 Borges, Jorge Luis 190, 249 Adams, Ken 490 Borsche, Dieter 485 Addams, Dawn 481 Bourdieu, Pierre 453 Adorno, Theodor W. 11, 53 Branagh, Kenneth 268 Aischylos 58 Brandauer, Klaus Maria 428, 467 Albers, Hans 454 Brandlmeier, Thomas 472 Albertus Magnus 262 Brasseur, Pierre 474 Alcy, d’ Jehanne 122 Brauner, Artur VI, 477, 484, 493 Allan, Richard IX Brecht, Berthold 145 Allen, Lewis 293 Brenon, Herbert 239 Altendorfer, Albrecht 150 Brentano, Bernhard von 147 Altenloh, Emaille 136 Brooks, Mel 270 Anderson, Michael 490 Browning, Tod 209, 331, 340, 360, 388 Anschütz, Ottomar 90 Bruno, Giordano 17 Antonioni, Michelangelo 259 Bruns, Karin VI Armin, Achim von 176 Bulgakow, Michail 114 Arnheim, Rudolf 292 Bunston, Herbert 335 Arnold, Jack 381 Burch, Noël 172 Asher, Jack 360 Autant-Lara, Claude 476 C B Calmels, Eugene 118 Campbell jr., John W. 380 Bachelard, Gaston 59, 65, 153, 163 Campell, Bill 368 Bachofen, Johann Jakob 360 Carné, Marcel 283 Bacon, Francis 17, 58 Carpenter, John 74, 231, 380, 399, 408 Baky, Joseph von 446 Carradine, John 275 Balázs, Béla 95, 133 Carter, Helena Bonham 261 Balderston, John L. 332, 356 Cartwright, Lisa 400 Baltrusaitis, Jurgis 59, 171, 197 Carus, Carl Gustav 200, 204 Baltrušaitis, Jurgis 29 Caruso, Enrico 137 Balzac, Honoré de 445 Chabrol, Claude 477 Barbaro, Daniele 62 Chamisso, Albert von 176 Barker, Lex 482, 483 Chandler, Helen 335 Barnouw, Erik 131 Chaney jr., Lon 274 Barrault, Jean-Louis 249 Chaney, Lon 331 Barrymore, John 241 Clair, René 391, 392, 395, 473, 493 Bassermann, Albert 219 Cleese, John 261 Baudry, Jean-Louis IX Clive, Colin 267 Baumann, Hans D. 7 Cocteau, Jean 365, 410 Bazin, André 472 Cohill, William A. 259 Beale, L. S. 85 Collot, Otto 220 Beierl, Leopold 81, 87, 95 Connery, Sean 428, 488 Benjamin, Walter 100, 134, 135, 168, 170, Cooper, Gary 294 172 Coppola, Francis Ford 259, 312, 330, 361, Beregi, Oskar 478 471 Bergmann, Ingrid 248 Corman, Roger 266, 361, 407, 447 Bergson, Henri 83 Corneluis Agrippa 262 Berlioz, Hector 125 Cronenberg, David 214, 355, 380, 497 Bernds, Edward 374 Cruse, James 239 Bernhardt, Kurt 447 Curtiz, Michael 289 Bitomsky, Hartmut 118 Cushing, Peter 273, 360 Bitzer, Billy 252 Cziffra, Géza von 461, 465 Blanchot, Maurice 177, 204 Blei, Franz 144

476 A - Filmtitelregister

D Feher, Friedrich 410 Feldman, Marty 270 da Vinci, Leonardo 108 Feldmann, Sebastian 467 Dadoun, Roger 322, 330 Ferrara, Abel 19, 399 Dagover, Lil 411 Feuillade, Louis 314 Daniell, Henry 250 Fiedler, Erich 443 Daurif, Brad 397 Finch, Jon 467 Davidson, Hermann 144 Fincher, David 302 Davis, Gena 380 Fischer, Jens Malte 419 Dawley, Searle 253, 256, 322, 331 Fisher, Terence 196, 273, 360, 361 Dawson, Anthony 490 Fleischer, Richard 401 de Niro, Robert 259 Fleming, Victor 247 de Palma, Brian 250, 259, 465 Fludd, Robert 19 Deane, Hamilton 332 Flusser, Vilém VI, 60, 106, 107, 109 Deleuze, Gilles 83, 163, 169, 394 Fonss, Olaf 285 della Porta, Giovanni Baptista 61 Ford, Harrison 397 Demme, Jonathan 319, 381, 382, 474 Forster, Jodie 382 Denberg, Susan 273 Forster, Rudolf 482 Dent, Lester 490 Fort, Garrett 332 Deutsch, Ernst 280 Foucault, Michel 9, 12, 192 di Nola, Alfonso 33 Fraenkel, Heinrich 95 Dieterle, Wilhelm 159, 461 Franck, Walter 448 Dietrich, Marlene 294 Franco, Jess 312 Dinesen, Robert 239 Franju, Georges 474, 493 Donath, Ludwig II Fraser, James Georg 353 Donen, Stanley 319 Frazer, John 130 Dor, Karin 484 Fregonese, Hugo 487 Dorn, Dieter 468 Freud, Margrit 438 Doyen, Eugène-Louis 98, 101 Freud, Sigmund 34, 89, 191, 198, 214, 221, Draper, Ellen 273 293, 431 Drexler, Peter 232 Freund, Karl 139, 279, 310, 332 Dreyer, Carl Theodor 209, 340, 353, 354, Friedman, Mihal 461, 462 355, 388, 444 Friedrich, Casper David 198, 202 Ducerceau, Audrouet 65 Fröbe, Gerd 479, 482, 484 Fröhlich, Gustav 296 E Frye, Dwight 268, 333 Fuchs, Albert 4 Edel, Edmund 111, 359 Fuessli, Johann Heinrich 82 Edison, Thomas Alva 117 Fuetterer, Werner 150 Edmund Edel 100 Fuller, Mary 253 Einstein, Albert 46 Eisenstein, Sergej M. 464 G Eisner, Lotte VIII, 148, 149, 167, 280, 282, 285, 294, 420, 430, 438 Gabin, Jean 447 Ekman, Gösta 150, 166 Galeen, Henrik 224, 225, 238, 289, 294, Elfelt, Peter 114 295, 315 Eliade, Mircea 178, 184 Galilei, Galileo 17 Elsaesser, Thomas 141, 167, 414, 416 Galvani, Luigi 263 Elvey, Maurice 240 Gance, Abel 171, 391, 392, 495 Elwes, Cary 368 Gaßner, Hubertus 203 Engell, Lorenz IX Gaudreault, Andrè 118 Ernemann, Heinrich 107 Gaumont, Léon 114, 136 Estermann, Alfred VII, 145 Gebühr, Otto 281 Eversberg, Gerd 49 George, Heinrich 297, 456, 492 Everson, William K. 164 Gérard, Henriette 346 Ewers, Hanns Heinz 289, 442 Gerrard, Charles 337 Getz, John 380 F Ghilardi, Steve 270, 315, 322 Giesecke, Michael 34 Fairfax Vlis, Diana van der 403 Giesen, Rolf 166, 309, 310 Faßbinder, Rainer Werner 444 Glenn, Scott 382 Faulstich, Werner 112 Glut, Donald 252 Faye, Jean-Pierre 470 Godard, Jean-Luc 95

A - Filmtitelregister 477

Goebbels, Joseph 461, 462, 467 447 Goethe, Johann Wolfgang von IV, 20, 53, Hoffmann, E.T.A. 197 75, 89, 146, 148, 166, 180, 415 Hoffmann, Werner 21 Goetzke, Bernhard 425 Hogan, David J. 403 Goldblum, Jeff 380 Holden, Gloria 356 Gollub, Christian Albert 145 Holm, Ian 261 Göring, Hermann 440, 467 Hong, James 274 Gorski, Peter 114, 467 Hooper, Tobe 28, 397 Gottowt, John 224, 317 Hopkins, Anthony 365, 382 Gounod, Charles 114, 126, 137 Hopkins, Miriam 242 Grabbe, Christian Dietrich 176 Hoppe, Rolf 467 Grafe, Frieda 341, 415, 419 Hörbiger, Attila 447 Granach, Alexander 317 Horn, Camilla 159, 293 Grant, Richard E. 367 Horner, William G. 84 Green, Paul 400 Horney, Brigitte 446 Greenaway, Peter 229 Huch, Ricarda 188, 204, 205 Greene, John 42 Hulce, Tom 263 Griffith, David Wark 113, 114 Hurt, John 266 Grillparzer, Franz 176 Husserl, Edmund X Grimm, Jacob 32, 289 Huszar, Karl 423 Gründgens, Gustaf 114, 447, 461, 467 Hyllier, Lambert 355 Guilbert, Yvette 159 Gunzburg, Nicolas de = Julian West 342 I Guy, Alice 113, 114, 136, 137 Ingram, Rex 164 H Irmen-Tschet, Konstantin 445 Irving, Henry 185 Haas, Willy 147 Häfker, Hermann 144 J Hagemann, Peter 439 Halliwell, Leslie 374 Jacques, Norbert 428, 477 Harbou, Thea von VI, 297, 298, 305 Jaeger, Malte 458 Harlan, Veit 456, 492 Jannings, Emil 150, 455 Hartl, Karl 453 Janowitz, Hans 240, 410 Hartmann, Horst 9, 11 Janßen, Karl-Heinz 471 Hartmann, Paul 447 Janssen, Walter 448 Hatot, Georges 114, 140 Jarre, Maurice 475 Hauff, Wilhelm 461 Jeles, Eugen 289 Hauptmann, Gerhard 147 John, Georg 422, 431 Hawks, Howard 380 Jones, Ernest 32 Hayden, Sterling 491 Jossé, Harald 135 Hedison, Al ‘David‘ 374 Heine, Heinrich 176, 187 K Held, Hans Ludwig 294 Heller, André 467 Kaes, Anton 282, 293, 316, 320, 412 Hellmann, Christian 299 Kafka, Franz 242 Helm, Brigitte 289, 293, 296 Kalbus, Oskar 440 Henderson, Lucius 239 Kaplan, Leo 170 Henkel, Arthur 34 Karloff, Boris 250, 267, 274, 361, 395, 491 Hennig, Hans 10, 15 Kästner, Erich 446 Hennings-Hamburg, Elsa II, 18 Kaufman, Philip 399 Herbert, Charles 375 Kayßler, Friedrich 453 Herrmann, Julius E. 425 Keitz, Ursula von 322 Hesterberg, Thomas 471 Kemp, Paul 440 Heuser, Kurt 445 Kenton, Erle C. 381 Hickethier, Knut 96 Kepler, Johannes 17, 62 Hieronimko, Jan 348 Kern, Johannes 62 Hieronymus Bosch 28 Kerr, Alfred 468 Hillyer, Lambert 391, 395 Kessler, Frank 118 Hilpert, Heinz 445 Kinnard, Roy IX, 115, 212, 219 Hippler, Fritz 471 Kircher, Athanasius 3, 17, 67, 69, 70, 71, Hitchcock, Alfred II, 69, 250, 418, 433 75, 109, 110, 192, 323 Hoffmann, Carl V, 151, 152, 157, 247, 437, Kirchner, Carl Christian 10

478 A - Filmtitelregister

Kittler, Friedrich A. 96, 185, 205 Lombroso, Cesare 185 Klein, Melanie 291 Loos, Theodor 286, 297, 443 Kleinpaul, Rudolf 197 Lord Byron 181 Klein-Rogge, Rudolf 297, 421, 478 Lorre, Peter 472 Kline, Salli J. 185 Lowitz, Siegfried 483 Klingemann, August 176 Lubitsch, Ernst 111, 143, 293 Klinger, Friedrich Maximilian 35, 176 Lugosi, Bela 267, 274, 332, 365, 381, 395, Klinger, Werner 484 396 Kloos, Bernhard 146 Lukács, Georg VIII Kloos, Reinhard 468 Lumière, Antonie 106 Klöpfer, Eugen 458 Lumière, Auguste 94, 95, 113 Knef, Hildegard 294 Lumière, Louis 94, 95, 113 Koch, Gertrud 66, 89, 238, 340, 360, 418 Lunghi, Cherie 261 Kopernikus, Nikolaus 17 Luther, Martin 4, 20, 177, 353 Korte, Helmut 112 Lyotard, Jean-François X Kosma, Joseph 250 Kovacs, Thomas 490 M Kracauer, Siegfried VIII, 89, 138, 145, 146, 167, 288, 306, 307, 321, 330, 359, 372, Maas, Joachim 54 412, 419, 437, 465, 493 Macintyre, John 401 Krauß, Werner 222, 224, 411, 458 Mack, Max 139, 208, 219, 387 Kreimeier, Klaus 150, 152, 458 Magnus, Albertus 17 Kreutzer, Hans Joachim 14 Mahal, Günther 44, 45 Kreuzer, Helmut 9, 41 Malthête, Jacques 130 Kruger, Otto 356 Mamoulian, Rouben VI, 242 Kubrick, Stanley 399, 491 Manlius, Johann 13 Kurz, Josef Felix von 52 Mann, Klaus 467 Kyser, Hans 147, 442 Mann, Thomas 465, 466 Manners, David 335 L Mansfield, Martha 240 March, Fredric 242 Lacan, Jacques 169, 409 Marey, Ètienne-Jules 90 Lachat, Pierre 312, 332 Margolie, Janet 381 Laemmle, Carl 239, 332 Marian, Ferdinand 446, 447, 456, 461, 472, Laing, Ronald D. 191 492 Lanchester, Elsa 273 Marlowe, Christopher IV, 40, 46, 55, 75, Landquist, John 146 261, 467, 488 Lang, Fritz VI, 248, 295, 307, 310, 420, 428, Marshall, Herbert 375 450, 477, 484, 488 Mason, James III Lange-Fuchs, Hauke 113 Maurice, Clément 98 Laplanche, Jean 11 Mauss, Marcel 16, 18 Laughton, Charles 381 May, Paul 484 Lavi, Daliah 482 Mayer, Hans 2, 9, 16 Le Fanu, Joseph Sheridan 354 Mayer, Louis B. 239 Leaver, Philip III Mayer, Theodor Heinrich 92, 94, 135, 143 Leclaire, Serge 83, 171 McCarty, John 241 Lee, Christopher 361 McGinnis, Niall 29 Lee, Rowland von 272 McLuhan, Marshall 80, 94, 106 Lefebvre, Thierry 98 Melanchthon, Philipp 13, 20 Lehmann, Johannes M. 95 Méliès, Georges 15, 75, 78, 101, 113, 117, Lehnert, Fr. H. 90 118, 124, 130, 140, 167, 212, 215, 226, Lenau, Nikolaus 176 308, 322, 374, 398, 401, 408, 419 Leni, Paul 371 Mendel, Rena 349 Leroi-Gourhan, André 18 Menzis, William Cameron 380 Lessing, Anton 35 Messter, Oskar 102, 104, 113, 135, 136, Lessing, Gottfried Ephraim IV, 51, 52, 53, 142, 168, 252 55, 162, 396, 416 Metz, Christian VIII, 105, 169 Levine, Ted 382 Metzner, Joachim 191 Lewis, Jerry 465 Meyer, Carl 410 Lewis, Matthew, Gregory 197 Michelangelo Buonarroti 261 Liesegang, Paul 69, 74, 77, 78, 96 Mickiewicz, Adam 176 Lindau, Paul 219 Middel, Eike 13, 54 Lochners, Stefan 29 Milichium, Ludovicus 22, 24, 284

A - Filmtitelregister 479

Milland, Ray 402, 447 Plateaú, Joseph 83 Miller Jr., Walter M. 308 Platen, Karl 444, 449 Milton, John 179 Poe, Edgar Allan 391, 408 Mirami, Raphael 171 Poelzig, Hans 283 Mirandola, Pico della 17 Pohl, Helga 184 Mog, Aribert 444 Polanski, Roman 39, 457 Morin, Edgar VIII, 87, 105, 214, 394, 399 Polidori, John 181 Müller, Gottfried 464 Pommer, Erich 146 Müller, Jürgen 319 Pontalis, J. B. 11, 156 Murnau, Friedrich Wilhelm IV, 16, 76, 141, Porten, Franz 137 146, 209, 221, 240, 311, 315, 344, 349, Porten, Henny 137, 142 360, 387, 400 Porter, Edwin S. 113 Muschenbroek, Pieter 71 Potter, Robert 58 Müthel, Lothar 281 Prawer, Salomon 420 Muybridge, Eadweard 90 Praz, Mario 177, 180 Preiss, Wolfgang 482, 484 N Prezzo, Lupo 479 Price, Vincent 361, 374 Naldi, Nita 240 Priester, Karin 462 Nash, Mark 341 Pritzkow, Otto 102 Nastase, Daru 208, 385 Prodolliet, Ernest VII, 113, 127, 144 Needs, James 361 Promio, Eugen 114 Nettesheim, Agrippa von 17 Prowse, David 399 Neumann, Hans-Joachim 240 Puschkin, Alexander 176 Neumann, Johann Georg 10, 462 Neumann, Kurt 374 Q Nicholson, Jack 361 Niepce, Josef 86 Quinn, Aidan 259 Nietzsche, Friedrich 58 Nissen, Aud Egede 425 R Noack, Viktor 144 Nyby, Christian 380 Rabenalt, Arthur Maria V, 294 Ralph, Hanna 155 O Rameau, Hans 446, 447 Rank, Otto 232 Oertel, Rudolf VIII Ray, Man 341 Oldman, Gary 361 Reaves, Keanu 363 Olge, Charles 253 Redon, Jean 474 Osterland, Martin 495 Reid, Elliott 380 Oswald, Richard 294 Reik, Theodor 193 Ottinger, Ulrike 482 Reil, Johann Christian 192 Owen, Patricia 375 Reimann, Walter 419 Reinhardt, Max 144 P Reinl, Harald 481, 483 Rembrandt van Rjin 148 Pabst, Georg Wilhelm 222 Renaud, Madeleine 447 Paech, Jürgen VII, 145 Renoir, Jean 249, 474, 488 Panofsky, Erwin VIII Reulos, Lucien 118 Paracelsus 17 Reynaund, Emil 84 Parker, Alan 44 Reynolds, Robert 42 Parker, Eddi 274 Richard, Frida 159 Patalas, Enno 341, 419, 472 Richter, Paul 425 Pathé, Charles 135 Ridon, Nelly 220 Paul, Jean 203, 204 Riefenstahl, Leni 463, 464, 492 Peach, Joachim VII Rilla, Walter 484 Petrovic, Aleksandar 114 Rippert, Otto 285, 409 Petrovich, Ivan 165 Robertson, Ètienne Gaspar 73, 74, 78 Philips, Auguste 253 Robertson, John, S. 240 Pickford, Mary 143 Robison, Arthur 224, 409, 442 Piel, Harry 446, 448, 492 Roeg, Nicholas 13 Pierce, Jack 267 Róheim, Géza 290 Pinel, Phillippe 192 Rohmer, Erich 148 Pinthus, Kurt 144 Röhrig, Walter 419

480 A - Filmtitelregister

Roloff, Bernhard 495 Simon, Karl Günter 168 Romero, George A. 251 Simrock, Karl 48 Röntgen, Wilhelm Conrad 400 Siodmak, Kurt 274 Rop, Félicien 322 Siodmak, Robert 336 Rosemann, Leon 220 Skal, David J. 315, 356 Rosenberg, Alfons 4 Skladanowsky, Emil 93, 135 Rossellini, Roberto 283 Skladanowsky, Max 93, 135 Rufus, Mutianus 20 Sloan, Edward van 337 Russel, Ken 182, 293 Sloman, Edward 142 Ruttmann, Walter 139, 452 Smiley, Joseph W. 259 Ryder, Wynona 362 Smith, George Albert 113, 131, 140, 213, Rye, Stellan 141, 208, 224, 225, 236, 348, 391, 400 387 Soden, Julius Heinrich von 176 Söderbaum, Kristina 457 S Sontag, Susan 308, 464 Spielberg, Steven 397 s’Gravesandes, Jacketts 70 Spielrein, Sabine 292 Sachs, Hanns 222 Spieß, Johann 1, 9 Sadoul, Georges 90, 93, 129, 159, 160, Sprengel, Peter 466 161, 162 Stampfer, Simon 83 Salewski, Michael 309 Steinbicker, Reinhart 440 Salmonova, Lyda 225, 279, 281 Steinhoff, Hans 454, 455 Sangster, Jimmy 274, 360 Steinrück, Albert 279, 280 Satre, Jean Paul X Sternberg, Josef von 293, 294 Satre, Jean-Paul 168 Stevenson, Robert Louis 190, 208, 214, Sautet, Claude 474 386, 387, 440 Schade, Herbert 26, 28 Stoker, Bram 182, 185, 208, 384, 386 Scheider, Roy 381 Strange, Glen 275 Schell, Maximilian 398 Stroheim, Erich von 294, 493 Schenk. Eva Maria 319 Struss, Karl 247 Schiller, Friedrich von 72, 190 Sullivan, Thomas Russell 239 Schlegel, August Wilhelm 34 Syberberg, Hans-Jürgen 469, 493 Schlettow, Hans Albert 422 Szabó, Istvan 467 Schlüpmann, Heide 104, 112, 221, 232, Sztaba, Wojciech 64 238, 315, 317, 320, 326 Schmitz, Sybille 349, 444, 449 T Schneider, Manfred 21 Schneider, Ulrike 86 Taine, Hippolyte 220 Schoedsack, Ernest B. 3 Tarantino, Quentin 251, 344 Scholdt Günter 477 Terry, Alice 164 Schopenhauer, Arthur 58, 59 Thein, Mechthild 286 Schreck, Max 321, 447 Thesiger, Ernest 272 Schröder, Greta 317 Todorov, Tzvetan IX Schubert, Heinz 470 Toeplitz, Jerzy 95, 151, 340, 341, 455 Schüfftan, Eugen 310, 475 Tourneur, Jacques 29 Schünzel, Reinhold 440 Tracy, Spencer 247 Schur, Willy 448 Treidel, Richard 98 Schürenberg, Siegfried 450 Truffaut, François 38, 460 Schutz, Maurice 345 Tucholsky, Kurt 414 Schwartz, Hillel 216 Turner, Lana 248 Schwarzenberg, Léon 99 Turner, William 202 Schwenter, Daniel 63 Scob, Edith 475 V Scott, Ridley 89, 274, 354 Scott, Tony 357 Valentino, Rudolfo 293 Seeßlen, Georg 372, 463, 495 Valli, Alida 474 Seitz, Franz 467, 493 van Eyck, Peter 481, 486, 487 Selig, William N. 239 van Sloan, Edward 268, 332 Sellers, Peter 491 Veidt, Conrad 225, 240, 371 Shelley, Mary 208, 259, 276, 386 Vernant, Jean-Pierre 195 Shelley, Percy Bysshe 181, 194 Verne, Jules 476 Siegel, Don 89 Vertov, Dziga 100 Simon Magus 20 Vesal, Andreas 18

A - Filmtitelregister 481

Vespermann, Kurt 447 Werner, Ilse 446 Vischer, Friedrich Theodor 176 Wernicke, Otto 449 Vitali, Christopher 203 West, Ronald 371 Völkert, Klaus 54 Wetzel, Kraft 439, 453, 456 Voß, Peter 444 Whale, James 165, 267, 290, 309, 407 Wieck, Dorothea 443 W Wiene, Robert 219, 348, 410, 489 Wierus, Johannes 19 Wagner, Fritz Arno 330 Wiesing, Wiesing X Wagner, Monika 202 Wind, Herbert 444 Wagner, Richard 470 Windeck, Agnes 488 Waits, Tom 362 Wiseman, Joseph 488 Walpole, Horace 189 Witte, Karsten 92, 440, 444, 446, 456 Walters, Thorley 273 Wohlbrück, Adolf 442 Wangenheim, Gustav von 317 Wysbar, Frank 439, 443, 444 Warm, Hermann 419 Wäscher, Aribert 448 Y Watson Jr., James Sibley 401 Watson, Wylie III Young, Terence 488 Watts, James 178 Webber, Melville 401 Z Wegener, Paul 164, 225, 289, 433 Weigel, Sigrid 139 Zeman, Karel 476 Weir, Peter 350 Zemeckis, Robert 492 Weisse, Hanni 220 Zielinski, Siegfried 63 Welker, Gertrude 426 Zimmermann, Bonnie 355 Wells, H. G. 446 Zischler, Hanns 467 Wenneis, Fritz 448

A - Filmtitelregister 483

VII. Filmtitelregister

Chrysalide et le Papillon, Le 131 2 Close encounters of the third kind 400 Corsican Brothers, The 131, 213 2001: A Space Odyssey 305, 399 Creature from the Black Lagoon 381 Crimson Stain Mystery, The 239 A Curse of Frankenstein, The 273, 361

A la Conquête du Pôle 128 D A Lively Skeleton 212 A Trip to Mars 116 D. T.’s or the Effects of Drink 239 Aischylos 57 Dallas 296 Alien 226, 250, 354, 399 Damnation de Faust 125 All that Money can buy 115, 460 Damnation du Doctor Faust, La ou Faust et Alraune V, 209, 289, 302, 373, 387, 422 Marguerite 259 Amphitryon 440 Damnation du Doctor Faust, La ou Faust et Andere, Der 208, 219, 220, 221, 222, 242, Marguerite 126 249, 285, 387, 431 Dämons Triumphe 239 Andy Warhols Frankenstein 268 Dark Star 399 Angle Heart 44 Daughter of Evil 294 Anna und Elisabeth 439, 445 Daughter of the Dragon 490 Apocalypse Now 471 Dawn of the Dead 251 Arabesque 319 Dead Ringers 214 Arlequin et Mephistopheles 114 Dead Secret, The 409 Arsenic and Old Lace 276 Den skaebnesv angre opfindlse 239 Arzt und Dämon 247 Der Andere 410 Der ewige Jude 471, 472 B Der Mann mit der Pranke 289 Deutscher Rundfunk 138 Back to the Future 266, 395, 492 Devil, The 114, 315 Bat, The 371 Devil’s Profession, The 239 Batman 225, 371 Diamonds Are Forever 490 Beauté du Diable, La 230, 473, 474, 493 Die brennenden Augen von Schloß Belle et la bête, La 365 Bartimore 196 Berlin, Sinfonie einer Großstadt 452 Die Körperfresser kommen 399 Birds, The 69 Die Rache des Homunculus 285, 409 Black Hole, The 398 Doc Savage, The Man of Bronze 490 Black Opal, The 250 Doctor X 402 Blade Runner 89, 274, 413 Doctor’s Experiment, The 117 Blaue Engel, Der 293 Doktor Faustus 467 Blood of Dracula 355 Doktor Satansohn 100, 111, 115, 359 Blow Out 259 Doktor X 239 Blow Up 259 Donovan‘s Brain 284 Body Snatcher, The 250 Dorian Gray - im Spiegel der Bram Stoker’s Dracula 312, 331, 339, 361 Boulevardpresse 482 Bride of Frankenstein, The 267, 272, 273 Dr. Fausts Reise durch die Hölle 103 Bund Vynálz skázy 476 Dr. Jekyll and Mr. Hyde VI, 154, 239, 240, 366, 439 Dr. Jekyll and Sister Hyde 240 C Dr. Johannes Faust oder der Triumph der Cabinet de Méphistophélès, Le 125, 152 Hölle 103 Cabinet des Dr. Caligari, Das 324, 348, Dr. M. 477 354, 366, 391, 410, 418, 420, 437, 458 Dr. Mabuse, der Spieler 248, 391, 410, 420, 427, 435, 479 Cake-Walk Infernal, Le 123 Carneval in Nizza 102 Dr. Mabuse, Inferno - ein Spiel um Cavalier’s Dream, The 117 Menschen unserer Zeit 430 Chaudron Infernal, Le 213 Dr. No 371, 488 Chinese Magic 314 Dr. Strangelove, or Chirurgie Fin De Siècle 101 How I learned to stop worrying and love the Bomb 37

484 A - Filmtitelregister

Dr. Strangelove, or How I Learned to Stop Frankenstein Created Woman 273 Worrying and Love the Bomb 491 Frankenstein Junior 270 Dracula 209, 332, 335, 340, 357, 360, 364, Frankenstein meets the Wolf Man 274 388 Frankenstein must be Destroyed 269 Dracula A.D. 1972 360 Frankenstein, Unbound 266 Dracula jagt Mini-Mädchen 360 Frankensteins Trestle 253 Dracula’s Daughter 356 Frau des Teufels, Die 104 Drakula 315 Fritzchen amüsiert sich 102 Draughtman’s contract, The 229 From Dusk Till Dawn 251, 344 Dressed to Kill 250 Drums of Fu Man Chu 491 G Duality of Man, The 239 Geheimnisse einer Seele 222, 223, 431 E Giordano Bruno 17 Godzilla 496 Ein Tag Film 139 Goethe, Johann Wolfgang von 55 Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt 446 Gold 453, 454 El Conde Dracula 312 Golden Beetle, The 141 Eroberung der Dolomiten 102 Goldfinger 428, 490 Escamontage d’une Dame 119, 121 Golem und die Tänzerin, Der 279 Escamontage d’une Dame Chez Robert- Golem, Der 278, 394 Houdin 119, 212, 408 Golem, wie er in die Welt kam, Der 279, Evil Power, The 409 433 Evocation 137 Gone with the Wind 464 Evocation Spirite 213 Gorgon, The 196 eXistenZ 497 Gothic 182 Great Train Robbery, The 113 F H F.P. 1 antwortet nicht 454 Faculty, The 399 Hallucination de l’ Alchémiste, Le 116 Fahrenheit 451 39, 460 Hands of Orlac 489 Fährmann Maria 443, 444, 445 Hans Westmar 442 Fall of the House of Usher, The 401 Heiliger Abend auf Erden 102 Fantastic Voyage 401 Hellzappoppin 276 Faust 142, 468 Herr der Welt, Der 448, 450, 452, 453, 492 Faust and Margueritte 137 Hitler- ein Film aus Deutschland 469, 493 Faust and Mephistopheles 114 Hitlers Flug über Deutschland 463, 467 Faust aux Enfers 125 Homme-Orchestre, Le 215, 216, 432 Faust et Marguerite 122 Homunculus 295, 373, 420, 431 Faust et Marguerite dans le jardin 127 Horror Chamber of Dr. Faustus, The 474 Faust et Méphistophélès 125, 137 House of Frankenstein 270, 274, 275 Faust und Gretchen 117 Hunchback of Notre Dame, The 331 Faust und Mephistopheles 226 Hunger, The 357 Faust. Eine deutsche Faustsage 146 Hypnotic Wife, The 409 Faust. Eine deutsche Volkssage IV, 16, 46, Hypnotism 409 76, 141, 146, 221, 229, 247, 307, 310, Hypnotist at Work, The 408 320, 324, 327, 399, 400 Faust. Salut,ô mon Dernier Matin 137 I Faustinus 114 Fearless Vampire Killers, The 457 I Walked With a Zombie 251 Fest der Schönheit 463 Iceman, The 210, 389 Fest der Völker 463 Im Kampf mit dem unsichtbaren Feind 309 Fiendish Plot of Dr. Fu Man Chu, The 491 Im Stahlnetz des Dr. Mabuse 481 Filles du Diable, Les 117, 127 In the Grip of the Vampire 314 Fire Syndrom 397 Indiana Jones and the Temple of Doom Flames 240 398 Fly, The 210, 374, 388, 389, 408 Indianer des fernen Westens 102 Folie du Docteur Tube, La 67, 171, 391, Invasion from Mars 458 392, 495 Invasion of the Body Snatchers 19, 89, 380, Foursided Triangle 361 399, 458 Frankenstein 252, 253, 267, 290, 322, 369, Invisible Man, The 309, 407, 439, 446 396 Invisible Ray, The 391, 395, 397, 398, 407

A - Filmtitelregister 485

Island of lost Souls 381 361, 387, 399, 429, 431, 436, 450, 453, 478, 489, 498 J Miss Faust 359 Miss Jekyll and Madame Hyde 240 Januskopf, Der. Eine Tragödie am Rande Morocco 294 der Wirklichkeit 240 Münchhausen 445, 446, 464 Jean Renoir V Mysterie of Souls, The 141 Jud Süß 443, 456, 492 Mysterious Dr. Fu Man Chu, The 490 Mystik Swing, The 212 K N Kaulbach, Wilhelm von \f 30 King Kong 3, 117, 439 Nachts, wenn Dracula kommt 312 Korsischen Brüder, Die 244 Neunte Pforte, Die 39 Never Say Never Again 428, 490 L Night of the Demon 29 North By Northwest III L’arrivée d’un train en gare 94 Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens Lady Vanishes, The III 209, 237, 315, 320, 334, 335, 344, 348, Last Embrace 381 349, 364, 373, 387, 393, 444, 458 Le portrait mystérieux 216 Nur keinen Schwiegersohn 102 Legend of the 7 Goldenen Vampires, The Nutty Professor, The 465 360 Légende du Fantôme, La 314 O Les vampires 314 Les Yeux Sans Visagen 493 On Her Majesty’s Secret Servicet 490 Letzte Mann, Der 139 Orlacs Hände 489 Liebe, Tod und Teufel 439, 440 Life of an American Fireman, The 113 P Life Without Soul 259 Lion Tonic, The 142 Palace of the Arabian Nights, The 283 Littel Shop of Horror, The 325 Palais des Mille et une Nuits, Le 212 London After Midnight 331 Panzerkreuzer Potemkin 472 Paris qui dort 391, 392, 395, 408 M Passionsspiele 102 Phantom of the Opera, The 331 M 472 Phantom of the Paradise 465 Mad Love 439, 489 Photographing a Ghost 131 Mädchen mit den Streichhölzern, Das 138, Planet of the Apes 117 146 Poltergeist 28 Magician, The 164 Prince of Darkness, The 314 Man Made Monster 439 Professors Secret, The 117 Man Who Fell to Earth, The 13 Psycho 250 Man Who Fell To Earth, The 372 Puppe, Die 293 Man Who Laughs, The 371 Purple Rose of Cairo, The 231 Man with the X-Ray Eyes, The 402, 407, 447 Q Mann mit der Kamera, Der 100 Manoir Du Diable, Le 124 Quatre Cents Farces du Diable, Les 117, Margarete 114 140 Marguerite de la Nuit 476 Marquis de Sade \f 204 R Mary Jane’s Mishap 132 Mary Shelleys Frankenstein 259 Rabid 355 Mask of Fu Man Chu, The 490 Raiders of the Lost Ark 400 Matrix 497, 498 Rayons Roentgen, Les 402 Meister und Margarita, Der 114 Return of Dr. Fu Man Chu 490 Melomane, Le 216 Return of the Fley 374 Memoirs of An Invisible Man 408 Revenge of Frankenstein, The 360 Mephisto 467 Robert Koch, der Bekämpfer des Todes Mephistos Son 140 454 Metropolis 37, 209, 264, 289, 295, 308, 353, Rocky Horror Picture Show, The 279

486 A - Filmtitelregister

Rosemary’s Baby 355 Trésor de Satan, Le 117 Triumph des Willens 444, 463 S Troublesome Fly, The 374 Truman Show, The 350 Schatten 409, 442 Tunnel, Der 447 Schatten des Meeres 142 Schwur, Der 472 U Scotland Yard jagt Dr. Mabuse 485 Sehnsucht der Veronika Voß, Die 444 Un Bon Lit 374 Seven 302 Une Indigestion ou Chirurgie Fin De Siècle Sherlock Holmes Baffled 118 101 Sieg des Glaubens 463 Une Nuit Terrible 374 Silence of the Lambs 382, 474 Unheimlichen Wünsche, Die 445 Silent Running 296 Unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse, Die Singing Fool, The 139 483 Sohn des Teufels, Der 103, 105 Son of Dracula 336 V Son of Frankenstein 272 Sortie de l’usine Lumière à Lyon, La 94 Valentino 293 Soylent Green 296 Vampire of the Desert, The 314 Spell of Hypnotist 409 Vampire, The 314 Star Trek 398, 408 Vampyr 444 Star Wars 398 Vampyr - Der Traum des Allan Gray 209, Stark, Curt A. \f 142 340, 353, 354, 388 Strangler of the Swamp 445 Versuchung des heiligen Antonius, Die 123 Student von Prag, Der 115, 141, 208, 223, Vertigo 418 237, 243, 247, 284, 324, 333, 346, 348, Viaggio in Italia 283 387, 401, 431, 442, 443, 457, 458 Visiteurs du Soir 283 Studierzimmer des Faust, Das 114 Vlad Tepes 208, 385 Superman 210, 225, 283, 371, 372, 388, Voyage À Travers L’Impossible, Le 128, 399 308, 491 Voyage Dans La Lune, Le 15, 127 T Voyage Dans La Lune, Le 398 Tag der Freiheit 463 W Talked to Death 314 Tarantula 374, 381 Wave of Spooks 212 Targets 276 Welt ohne Maske, Die 447 Tarzan 117 When Quackel Did Hyde 240 Tausend Augen des Dr. Mabuse, Die 478, Whip Hand, The 380 488 Wie der Vater, so der Sohn oder Terminator 2: Judgement Day 309 In den Schritten seines Vaters 102 Terminator, The 309 Testament des Dr. Cordelier, Das 488 X Testament des Dr. Mabuse, Das 477, 484 Testament Du Docteur Cordelier, Le VI, X-Ray Fiend, The 391, 400 249, 474, 478, 493 Teufelsflammen 104 The Man with the X-Ray Eyes 391 Y The Mouse in the Art School 132 Yeux Sans Visage, Les 474, 476 The Prince of Darkness 74, 231 You Only Live Twice 490 Thing, The 380 Thirty-Nine Steps, The III, 433 Thunderball 490 Z Tiger Akbar, Der 446 Time Machine, The 395 Zauberkünstler, Der oder Unterricht in der magischen Kunst 104, 105 Tis Now the Very Witching Time of Night 314 Zombie 251 Todesstrahlen des Dr. Mabuse, Die 487 Zorro 225 Tödliche Umarmung 319 Zorro Rides Again 225 Torn Curtain II

A - Literaturverzeichnis 487

VIII. Literaturverzeichnis

A. Lexika und Handbücher

Buchers Enzyklopädie des Films; München, Luzern 1977 Der kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden ; München 1979 Deutsch – Lateinisches Schulwörterbuch; Bearbeitet von K. E. Georges; Hannover und Leipzig 71898 Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main; Katalog der Dauerausstellung; München 1986 Enzyklopädie des Phantastischen Films. Filmlexikon, Personenlexikon, Themen/Aspekte. Alles über Science Fiction-, Fantasy-, Horror- und Phantastikfilme; Hrsg. v. Norbert Stresau und Heinrich Wim- mer; Meitingen 1986-1999 Fischer Filmgeschichte Bd. 1-4; Hrsg. v. Werner Faulstich und Helmut Korte; Frankfurt am Main 1994 Fraser, James Georg; Der goldene Zweig; Frankfurt am Main 1977 Frenzel, Elisabeth; Stoff-, Motiv- und Symbolforschung, Stuttgart 1963 Geschichte der Philosophie; Hrsg. v. François Châtelet; Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1975 Geschichte der Phtographie 1839 bis heute, George Eastman House, Rochester, NY, Köln 2000 Giesen, Rolf; Lexikon des phantastischen Films; Frankfurt am Main, Berlin 1984 Giesen, Rolf; Special Effects. Die Tricks im Film vom Spiegeleffekt bis zur Computeranimation; E- bersberg 1985 Glut, Donald F.; The Frankenstein Catalogue; North Carolina, London 1984 Hahn, Ronald M., Jansen, Volker; Lexikon des Science-fiction-Films, München 51992 Halliwell, Leslie, Halliwell’s Film Guide, New York 1991 Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (Bd. 1 – 10); Hrsg. v. H. Bächtold-Stäubli; Berlin und Leipzig 1927-1942 Holba, Herbert/ Knorr, Günther/ Siegel, Peter ; Reclams deutsches Filmlexikon; Stuttgart 1984 Hunger, Herbert; Lexikon der griechischen und römischen Mythologie; Reinbek bei Hamburg 1974 Jung, Fernand/ Weil, Claudius/ Seeßlen, Georg; Der Horror-Film. Regisseure. Stars. Autoren. Spezia- listen. Themen und Filme von A-Z; München 1977 Krusche, Dieter (unter Mitarbeit von Jürgen Labenski); Reclams Filmführer; Stuttgart 81991 Laplanche, Jean/ Pontalis, J. B.; Das Vokabular der Psychoanalyse; Frankfurt am Main 1973 Lexikon des internationalen Films, hrsg. v. Ulrich Kurowski unter Mitarbeit von Jürgen Römhild; Mün- chen 1975 Prinzler, Helmut; Chronik des deutschen Films. 1895-1994; Stuttgart, Weimar 1995 Richard, Lionel; Phaidon Encyclopedia of Expressionism; New York 1978 Roob, Alexander; Das Hermetische Museum. Alchemie und Mystik; Köln 1990 Theaterlexikon; Hrsg. v. Henning Rischbieter; Zürich und Schwäbisch Hall 1983 Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles; Hrsg. v. Manfred Brauneck und Gé- rard Schneilin ; Reinbek bei Hamburg 1986 Trilse-Finkelstein, Jochanan C./ Hammer, Klaus; Lexikon Theater International; Berlin 1995 Willis, Donald, C.; Horror und Science Fiction Films: A Checklist; Metuchen N.Y. 1972 Wörterbuch der deutschen Volkskunde; Stuttgart 31974

B. Allgemein und Theorie

Adorno, Theodor, W.; Noten zur Literatur; Frankfurt am Main 1974 Andreas-Salomé, Lou; In der Schule bei Freud. Tagebuch eines Jahres 1912/1913; München 1965 Asper, Helmut, G.; Hanswurst. Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspielerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert; Emsdetten 1980 Bachelard, Gaston ; Psychoanalyse des Feuers; Stuttgart 1959 Bachslard, Gaston, Poetik des Raumes,Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1975 Baltrušaitis, Jurgis; Imaginäre Realitäten, Fiktion und Illusion als produktive Kraft; Köln (Paris 1983) 1984 Baltrušaitis, Jurgis; Das phantastische Mittelalter; Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1985 Baltrušaitis, Jurgis; Der Spiegel. Entdeckungen, Täuschungen, Phantasien; Giessen (Paris 1978) 1986 Bamberger, Berhard, J.; Fallen Angels ; Philadelphia 1952 Baumann, Hans, D.; Horror. Die Lust am Grauen; München 1989 Benjamin, Walter; Gesammelte Schriften; Frankfurt am Main 1980 Benzenhöfer, Udo; Paracelsus; Reinbek bei Hamburg 1997 Bergson, Henri; Materie und Gedächtnis. Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und

488 A - Literaturverzeichnis

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A - Literaturverzeichnis 489

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490 A - Literaturverzeichnis

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Albrecht, Gerd; Nationalsozialistische Filmpolitik. Eine soziologische Untersuchung über die Spielfil- me des Dritten Reiches; Stuttgart 1969 Altenloh, Emaille; Zur Soziologie des Kinos; Jena 1914 Arnheim, Rudolf; Film als Kunst; Berlin 1932 Arnold, Hans; Das Magische des Films. Ein Problem der Wirksamkeit magischer Einflüsse in der Ge- genwart; (Diss.) München 1949 Aumont, Jacques; Vampyr de Carl Theodor Dreyer; New York 1993 Balázs, Bela; Der sichtbare Mensch; Halle a. d. S. 1923 Balázs, Bela; Der Geist des Films; Halle a. d. S. 1930 Barnouw, Erik ; The Magician and the Cinema; New York, Oxford 1981 Barthes, Roland; Die helle Kammer. Bemerkungen zur Fotografie; Frankfurt am Main 1989 Bazin, André; Was ist Kino? (Auswahl), (Qu’est-ce que le Cinèma? I-IV, Paris 1958 – 1962); Köln 1975 Beierl, Leopold; Der Film als Wirklichkeitswunder; Riehen 1959 Beyer, Friedemann, Schöner als der Tod. Das Leben der Sybille Schmitz, München 1998 Bitomsky, H./Farocki, H./ Kämmerling, E.; Was ist Kino?; Köln 1975 Bluestone,George, Novel and Film: The Metamorphosis of Fiction into Cinema; Baltimore 1957 Brennicke, Ilona/ Hembus, Joe; Klassiker des deutschen Stummfilms, 1910 – 1930; München 1993 Brosnan, John; The Horror People; New York 1976 Brownlow, Kevin; Pioniere des Films. The Paradi’s gone by...; Basel, Frankfurt am Main 1997 Bruns, Karin; Kinomythen 1920-1945. Die Entwürfe der Thea von Harbou; Stuttgart, Weimar 1995 Burch, Noël; Life in Those Shadows; Berkeley and Los Angeles 1990 Butler, Ivan; Horror in the Cinema; New York 1967 Caligari und Caligarismus; Hrsg. v. Deutsche Kinemathek e.V. ; Berlin 1970 Ceram, C. W.; Eine Archäologie des Kinos; Reinbek bei Hamburg 1963 Clair, René; Vom Stummfilm zum Tonfilm. Kritische Notizen zur Entwicklungsgeschichte des Films 1920 – 1950; München 1952 Clarens, Carlos; Horror Movies. An Illustrated Survey; London 1967 Cohen-Séat, Gilbert; Film und Philosophie; Gütersloh 1962 Courtade, Francis/ Cadars, Pierre; Geschichte des Films im Dritten Reich; München, Wien 1975 Cziffra, Géza von; Kauf dir einen bunten Luftballon, Erinnerungen an Götter und Halbgötter; München, Berlin 1975 Das Cabinet des Dr. Caligari; Hrsg. v. Robert Fischer; Berlin 1985 Das Filmplakat; Hrsg. v. Wolfgang Beilenhoff und Martin Heller; Zürich, Berlin, New York 1995 Das Kinobuch; Hrsg. v. Kurt Pinthus; Leipzig 1913 Das Ufa-Buch. Kunst, Krisen, Stars und Regisseure, Wirtschaft und Politik; Hrsg. v. Hans-Michael Bock und Michael Töteberg; Frankfurt am Main 1992 Deleuze, Gilles; Das Bewegungs-Bild. Kino 1; Frankfurt am Main 1989 Deleuze, Gilles; Das Zeit-Bild, Kino 2; Frankfurt am Main 1991 Deleuze, Gilles; Unterhaltungen 1972-1990; Frankfurt am Main 1993 Dick, Rainer; Stars des Horrorfilms; München 1996 Die Erfindung der Photographie; Mülheim an der Ruhr 1994 Die Filmgespenster der Postmoderne; Hrsg. v. Andreas Rost und Mike Sandbothe, Frankfurt am Main 1998 Die Metaphorik des Dekors. Raum, Architektur und Licht im klassischen Horrorfilm; Hrsg. v. Klaus Kreimeier; Marburg 1994 Dyson, Jeremy; The Lost Art of the Supernatural Horror Film; London 1997 Early Cinema. Space, Frame, Narrative; Ed. By Thomas Elsaesser with Adam Barker; London 1990 Eisner, Lotte H.; Dämonische Leinwand. Die Blütezeit des deutschen Films; Wiesbaden 1955 Elsaesser, Thomas ; Das Weimarer Kino – aufgeklärt und doppelbödig; Berlin 1999 Elsaesser, Thomas/ Lyotard, J.-F./ Reitz, Edgar; Der 2. Atem des Kinos; München 1996 Engell, Lorenz; Sinn und Industrie. Einführung in die Filmgeschichte; Frankfurt am Main 1992 Everson, William E.; Klassiker des Horrorfilms; München 1974 Fantasy and the Cinema; Ed. by James Donald; London 1989 Film und Foto. Eine Ausstellung des deutschen Werkbundes; Stuttgart 1929 Film und Literatur. Literarische Texte und der neue deutsche Film; Hrsg. v. Sigrid Bauschinger u.a.;

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Mary Shelleys ‘Frankenstein’. Vorträge des Frankenstein Symposiums in Ingolstadt (Juni 1993); Hrsg. v. Günther Blaicher; Essen 1994 Massari, Roberto; Mary Shelleys Frankenstein. Vom romantischen Mythos zu den Anfängen der Scien- ce Fiction; Hamburg 1989 Mayer, Sigrid; Golem: Die literarische Rezeption eines Stoffes; Bern, Frankfurt am Main 1975 Miller, Norbert; Strawberry Hill. Horace Walpole’s und die Ästhetik der schönen Unregelmäßigkeit ; München 1986 Miscellanea Anglo-Americana. Festschrift für Helmut Viebrock ; hrsg v. K. Schuhmann, W. Hartmann, A. P. Frank; München 1974 Phantastik in Literatur und Kunst; Hrsg. v. Christine W. Thompson u. Jens Malte Fischer; Darmstadt 1980 Plumpe, Gerhard; Epochen moderner Literatur. Ein systemtheoretischer Entwurf; Opladen 1995 Praz, Mario; Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik; (1930) München 1960 Romantik, Literatur, Philosophie; Frankfurt am Main 1987 Sailer, Wolfram; Wissen, Arbeit und Liebe in Mary Shelleys Frankenstein; Essen 1994 Saussure, Ferdinand de ; Grundlagen der allgemeinen Sprachtheorie, (Paris 1964); Berlin 1967 Schönheit und Schrecken, Entsetzen, Gewalt und Tod in alten und neuen Medien; Hrsg. v. Peter Gen- dolla und C. Zelle; Heidelberg 1990 Todorov, Tzvetan; Einführung in die phantastische Literatur ; München 1972 Trautwein, Wolfgang; Erlesene Angst. Schauerliteratur im 18. und 19. Jahrhundert; München, Wien 1980 Vetter, Ingeborg; Das Erbe der ‘Schwarzen Romantik’ in der deutschen Décadence. Studien zur Hor- rorgeschichte um 1900; (Diss.)Graz 1976 Viebrock, Helmut; Wer ist Demogorgon? Versuch einer Deutung von Shelleys Prometheus unbound; Wiesbaden 1971 Walter, Klaus-Peter; Das James-Bond-Buch; Frankfurt am Main 1995 Weigand, Jörg, (Hg.); Die triviale Phantasie; Bonn - Bad Godesberg 1976 Werblowsky, Raphael, J.; Lucifer and Prometheus. A Study of Miltons Satan; London 1952 Wiegand, Anke; Die Schönheit und das Böse; München, Salzburg 1967 Wuckel, Dieter; Science Fiction; Hildesheim, Zürich, New York 1966 Zelle, Carsten; Angenehmes Grauen. Literaturhistorische Beiträge zur Ästhetik des Schreckens im 18. Jahrhundert; Hamburg 1987

G. Aufsätze

Allan, Richard; Film, Fiktion und psychoanalytische Theorie; in: Dtsch. Z. Philos. 43 (1995); S. 507-519 Archiv für das Studium der neueren Sprache; Nr. 220; 1983 Ästhetik und Kommunikation; Nr. 40; 1995 Baudry, Jean-Louis; Le despositif: approches métapsychologiques de l’impression de réalité (Das Dispositiv: Metapsychologische Betrachtungen des Realitätseindrucks); in: Communication, H. 23 (1975), S. 56-72 Bios. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History; 1994 Bitomsky, Hartmut; Das Kino und der Tod; in: Zelluloid 30 (1990); S. 4-26 Bitomsky, Hartmut; Das goldene Zeitalter der Kinematographie ; Sonderheft Filmkritik 1976 Böhmler, H., Das Gesicht des Films, in: Film, Bild, Ton, Nr.2 Borges, Jorge Luis, Dr. Jekyll und Edward Hyde, verwandelt, in: Filmkritik Nr. 24, 1980, S. 413-414 Brandlmeier, Thomas, Zum Kino der Diktatoren, Stalin, Hitler, Mussolini, in: epd Film, H. 7 (1993), S. 21-30 Cicim. Bulletin de I’Institut Français de Munich; München 1984 Craft, Christopher, Kiss Me with Those Red Lips. Gender and Inversion in Bram Stoker’s Dracula, in: Representations, Nr. 8 (1985) S. 107-133 Das Kino der Diktatoren. Stalin, Hitler, Mussolini ; in: epd Film 7 (1993); S. 20-30 Der Kinematograph; Organ für die gesamte Projektionskunst; Düsseldorf (1. Jahrgang) 1907 Düker, Ronald; Dracula’s Calling. Die Geisterstimmen der Moderne;in: Ästhetik und Kommunikation H. 90 (1995); S. 40-45 Faye, Jean-Pierre, Le troisième Faust, in: Le Mond, 22. Juli 1978 Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie; H. 68/69; Frankfurt am Main 1998 Frauen und Film; Basel, Frankfurt a.M. 1990 Freie deutsche Bühne; 1921/22 Freud, Margrit; Ein Film und die Psychoanalyse; in: Freie deutsche Bühne, 1921/1922; S. 870-871 Geschichte und Gesellschaft 21; 1995 Hennes, Hans; Die Kinematographie im Dienste der Neurologie und Psychiatrie, nebst Beschreibung

A - Literaturverzeichnis 497 einiger selteneren Bewegungsstörungen, in: Medizinische Klinik, Nr. 51 (1910); S. 2010-2014 Hickethier, Knut; Zwischen Gutenberg-Galaxis und Bilder-Universum. Medien als neues Paradigma, Welt zu erklären; in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999) ; S. 146-172 Koch, Gertrud, Ich schreie, also bin ich! – Zur Ästhetik des weiblichen Schreis. Ein Gespräch mit Diet- burg Spahr und Gerhard R. Koch zum Horrorfilm, in: Frauen und Film, H. 49, S.91-102 König, Thilo; „Die Kamera muß wie eine nimmer fehlende Büchse in der Hand des Herren liegen.“ Gedanken zu einem medienspezifischen Sprachgebrauch; in: Fotogeschichte, H.30 (1988); S. 3-11 Kreuzer, Helmut ; Zur Geschichte der literarischen Faust-Figur; in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Faust und Satan - multimedial, H. 66 (1987); S. 9-28 Krobath, Peter, Wie ein Diktator. Gespräch mit Francis Ford Coppola, in: Zoom 2 (1993), S. 24-25 Kultur und Technik; Nr. 3; 1998 Lachat, Pierre, Verdammt zur ewigen Wiederkehr, in: Zoom, Zeitschrift für Film, H. 2 (1993), S. 12-21 Landquist, John, Das künstlericshe Symbol, in: Imago IV, 1920, S. 297-322 Lehnert, Fr. H.; Das lebende Bild; in: Der Kinematograph, Nr. 22, (1907) Liesegang, Paul Franz; Die Phantasmagorie, Geistererscheinungen und andere Illusionen; in: Later- na Magica, H.4, (1897); S. 73-88, Liesegang, Paul Franz; Die Phantasmagorie. Geistererscheinungen und andere Illusionen; in: Later- na Magica; Nr. 73, 1897 Mayer, Theodor Heinrich; Lebende Photographien; in: Österreichische Rundschau, H.1 (1912); S. 53- 61 Messter, Oskar; Mein Weg mit dem Film; Berlin 1936 Metz, Christian ; Traum und Film; in: Psyche 11 (1994); S. 1004-1045 Müller, Jürgen, Der Vampir als Volksfeind. Friedrich Wilhelm Murnaus ‘Nosferatu‘: Ein Beitrag zur poli- tischen Ikonographie der Weimarer Zeit, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 72 (1998), S. 39-58 Nash, Mark, Vampyr and the Fantastic, in: Screen, vol. 17.No.3 (1976), S. 29-67 Osterland, Martin; Wissenschaftler und Wissenschaft im Film; In: Atomzeitalter H.1/2 (1968); S. 57–64 Ostrowski-Sachs, Margret; Die Wandlungen des Prometheus-Mythos; in: Der Psychologe (1950); S. 334-343 Pohl, Helga, Die Gruselgeschichte – ein Beitrag zur Psychoanalyse von Horrorliteratur, In: Zeitschrift für psychosomatische Medizin, Nr. 31 (1985); S.187-199 Schlüpmann, Heide, Der Spiegel des Grauens, Murnaus Nosferatu, in: Frauen und Film, H. 49, S. 38- 51 Schlüpmann, Heide, Je suis la solitude. Zum Doppelgängermotiv in Der Student von Prag, in: Frauen und Film, H. 36, 1984, S. 11-24 Schmidt, Leopold; Dämonische Lustigmacher im deutschen Puppenspiel des Mittelalters und früher Neuzeit; in: Zeitschrift für Volkskunde Jg. 56, (1960); S. 226-235 Schneider, Ulrike; Der Tod als Metapher für das fotografische Verfahren; in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, H.59, (1996); S. 5-14 Schöler, Franz, Die Erben des Marquis de Sade. Horrorfilm I: Vampirismus in Literatur und Film, in: Film, H. 8 (1976), S. 10-17 Schröder, Peter, H., Die drei Leben des Ian Flemming, in: Filmkritik 10 (1965), S. 550-556 Spielrein, Sabine, Beiträge zur Kenntnis der kindlichen Spiele, in: Zentralblatt für Psychoanalyse und Psychotherapie, Bd. III, 1912, S. 57-72 Sprengel, Peter, Teufels-Künstler. Faschismus- und Ästhetizismus-Kritik in Exilromanen Heinrich, Thomas und Klaus Manns, in: Sprache im technischen Zeitalter, hrsg. v. Walter Höller und Norbert Miller, (Jan. bis März 1981), S. 181-195 Sturm, Georg, Für Hel ein Denkmal, kein Platz, un ‘réve de pier, in: Cicim. Bulletin de l’Institut Français de Munich, Nr.9, November 1984, S. 54-78 Treidel, Richard ; Der Phongraph und das Grammophon, in: Der Kinematograph, Nr. 62 (1908) Vampir; Jg. 1973, 1974, 1975; Nürnberg Werner, Thomas, Die den Teufel zwingen: Schwarze Magie im Mittelalter; in: Sowie 25 (1996), H. 1., S. 5–11 Wide Angle; Vol 5, Nr.2; 1982 Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik; Faust und Satan – multimedial, Hrsg. v. Helmut Kreuzer; Göttingen 1987 Zeitschrift für psychosomatische Medizin; 1985 Zeitschrift für Volkskunde; 1960 Zelluloid; 1990 Zentralblatt für Psychoanalyse und Psychotherapie; (1912) Zimmermann, Bonnie, Töchter der Nacht: Der lesbische Vampirfilm, in: Frauen und Film, H. 28 (1981), S. 7-14 Zoom - Zeitschrift für Film; Egg (CH) 1993

498 A - Literaturverzeichnis

A - Filmographie 499

IX. Filmographie

1min=18m, P=Produktion, B=Drehbuch, R=Regie, K=Kamera, S=Schnitt, SpE=Special Effects, M=Musik, T=Ton, Bau=Bauten, Kost=Kostüme, D=Darsteller

1896 Le Manoir du Diable F, 2min, s/w, P: Star-Film Georges Méliès, R u. D: Georges Méliès. Faust vertreibt den Teufel mit einem Kreuz. Faust F, 1m, P: Louise Lumière, R: Georges Harot. Teufelserscheinung, Fausts Verjün- gung und der Auftritt Gretchens. Escamontage d’une Dame Chez Robert-Houdin F, 2min, koloriert, P: Starfilm, Georges Méliès, R u. D: Georges Méliès Durch einen ‘jump cut’ verschwindet eine Frau und wird in ein Skelett verwandelt. 1897 Le Cabinet de Méphistophélès F, 2m, P: Star Film, Georges Méliès, R u. D: Georges Méliès. Der Teufel ist ein Bett- ler und ein Gespenst. Faust et Marguerite F, 44sek, P: Star Film, Georges Méliès, R: Georges Méliès, D: Jehanne d`Aley (Marguerite), Georges Méliès (Faust). Fausts Verjüngung.. L’Hallucination de l’Alchimiste F, koloriert, P: Star Film, Georges Méliès, R u. D: Georges Méliès. Aus dem Mund eines Sterns kommen laufend neue Menschen. The X-Ray Fiend GB, 11min, P: G.A.S. Films, R: George Albert Smith, D: Tom Green (Professor). Der Röntgeapparat eines Professors zeigt die Skelette eines Liebespaares. 1898 Faust and Mephistopheles GB, 15min, P: G.A.S. Films, R: George Albert Smith. Mephisto erscheint dem alten Faust im Labor. Photographing a Ghost GB, 15min, P: G. A. S. Films, R: George Albert Smith. Ein Fotograf versucht, einen Geist zu fotografieren. The Corsican Brothers GB, P: G. A. S. Films, R: George Albert Smith Les Rayons Roentgen F, P: Georges Méliès. Ein Wissenschaftler läßt mittels Röntgenstrahlen das Skelett aus einem Körper heraustreten. 1899 Frankenstein`s Trestle US, 1,5min, 16mm, P: American Mutoscope and Biograph Company, K: Billy Bitzer. Eisenbahnfahrt über eine Holzbrücke zu einer Stadt namens Frankenstein. 1900 Faust and Marguerite US, P: Thomas Alva Edison, R: Edwin S. Porter. Basiert auf Goethes Faust. 1902 Le Voyage dans la Lune F, 16min, P: Star Film, Georges Méliès, B: Georges Méliès nach Jules Verne und H.G. Wells, R: Georges Méliès, K: Lucien Tainguy, Szenenbild: Georges Méliès, D: Georges Méliès (Expeditionsleiter). Bluette Bernon (Phoebe), Victor André, Mitglieder des Ensembles des Théater du Châtelet und Akrobaten des Folies- Bergère. Eine Gruppe Wissenschaftler fliegt zum Mond. 1903 Faust aux enfers, d’aprè Berlioz (Damnation de Faust) F, 6min, P: Starfilm Georges Méliès, R/D: Georges Méliès, nach der Oper von Hec- tor Berlioz Le Cake-Walk Infernal F, 5min, P: Star Film, R: Georges Méliès. Eine Teufelsgestalt tanzt auf einem Ku- chen Les Filles du Diable P: Star Film, R: Georges Méliès 1904 A la Conquête du Pôle P: Star Film, R: Georges Méliès La Damnation Du Docteur Faust, ou Faust et Marguerite, d’après l’opéra de Gounod

500 A -Filmographie

F, 10m, P: Starfilm Georges Méliès, R u. D: Georges Méliès (Mephisto), nach Charles Gounods Oper Margarethe Le Voyage À Travers L’Impossible P: Star Film, R: Georges Méliès

A - Filmographie 501

1906 Faust F, Tonbild, P: Léon Gaumont, R: Alice Guy Le Dirigeable Fantastique (Hochfliegende Pläne des Professor Luftikus) F, P: Starfilm, Georges Méliès, R/D: Georges Méliès Mephisto’s Son F, 19min, P: Philip Pathé Lés Quatre Cents Farces du Diable F, 18min, P: Star Film, R: Georges Méliès 1907 The Professor and his Waxworks 11min, Wachsfiguren beginnen zu leben Faust F, 22min, P: Philip Pathé Dr. Skinum Im Labor eines Doktors wird aus einer 10 cm kleinen, eine normal große Frau 1908 Professor Bric-a-bric's Inventions F, Philip Pathé. Ein Magnet zieht alles an The Professor's Anti-Gravitational Fluid B, Hepworth, Das ‘Fluid‘ bringt alles zum Fliegen. The Doctor's Experiment US. Ein Wissenschaftler hat ein Elixier geschaffen, um Menschen in Affen zu ver- wandeln. Dr. Jekyll and Mr.Hyde US, P: William Selig, nach Thomas Russel Sullivans Theaterversion (1887) der Novelle von Robert Louis Stevenson 1909 Den Skaebnesv Angre Opfindelse (Dr. Jekyll and Mr. Hyde) Dänemark, 17m, P: Nordisk, Viggio Larsen, B: August Blom, D: Alwin Neuss (Jekyll/Hyde), Oda Alstrupp Faust I, 13m, P: Cines-Roma, R: Mario Caserini Faust US, P: J. Searle Dawley Faust US, P: Edison Mfg.Co, R: Selig (5 Szenen) Dr. Wright's Invention, F, Philip Pathé, 9min, Komische Heilung eines Lahmen Professor Zanikoff's Experiences of Grafting F, 5min, Lux. Ein Professor zeigt seine Methode, körperliche Gebrechen zu kurieren The Duality of Man GB, (nur noch dem Titel nach bekannt) nach der Novelle von Robert Louis Steven- son The Strange Case of Dr. Jekyll and Mister Hyde Dr. Jekyll and Mr. Hyde Dänemark, 17min, P: Nordisk, R. u. B: August Blom (nach Robert Louis Stevenson), D: Alwin Neuss (Dr. Jekyll, Mr. Hyde), Oda Alstrup 1910 Hydrotherapie Fantastique (The Doctor`s Secret) F, 9,5min, Georges Méliès Frankenstein US, 16m, s/w, P: Edison Film Company, B: J. Searl Dawley nach Mary Shelleys Roman, R: J. Searl Dawley, D: Charles Stenson Ogle (Monster), Augustus Phillips (Dr. Frankenstein), Mary Fuller (Frankensteins Verlobte) A Trip to Mars US, P: Edison Film Company. Monster vertreiben Professor vom Mars. Bill Bumper’s Bargain (Bill Bumpers Handel) US, Parodie der Faustoper Gounods Faust F, P: Edaur Film Faust F, F, P/R: M. Andreani, Georges Fagot Faust D, 3,5min, Tonbild, P/R: Oskar Meßter, D: Henny Porten (Gretchen), Franz Porten (Hennys Vater: Faust) zu Schallplattenaufnahmen von Enrico Caruso u.a., nach Gounouds Oper Le tout petit Faust

502 A -Filmographie

F, 7,5min, (1min koloriert), Puppenfilm von Emil Cohl (Emil Courtet). Eine Parodie auf die Oper Gounouds Faust GB, Tonbild, P: F. A. Thomassin Dr. Smith's Automaton F, 8min, P: Philip Pathé. Dr. Smith kreiert einen Roboter aus Leinwand. Professor Piecan´s Discovery B, 10min. Das Elixier eines Professors macht aus Feiglingen Helden. 1911 Dr. Charlie is a Great Surgeon F, 7min, P: Eclair. Dr. Charlie verwandelt McTouch in einen Affen. Dr. Growemquick`s Feeling Powder 10min, Bioskop. Dr. Growemquicks Puder läßt Babys größer werden. Professor Rouff´s Brain Serum Injector US, 5min, P: Sigmund Lubin Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 15min, (nach Robert Louis Stevenson), R: Lucius Henderson, D: James Cruze (Dr. Jekyll / Mr. Hyde) Marguerite Snow (die Tochter des Ministers), Harry Benham (der Minister) 1912 Faust a Marketka CSSR, viragiert, nach Gounouds Oper Le Système du Docteur Goudron et du Professeur Plume (The Lunatics) F, 15min, P: Eclair, R: Maurice Tourneur, B: Andrè de Lorde nach Edgar Allan Poes Novelle The System of Dr. Tarr and Professor Feather, D: Henri Gouget, Henri Roussell, Renée Sylvaire Der Schatten des Meeres D, 40min, P: Oskar Messter, R: Curt A. Stark, K: Carl Froelich, D: Henny Porten (Eve- lyne, eine Künstlerin), Curt A. Stark (Sven Nansen, ein Fischer), Frau Retzlag (seine Mutter), Lizzy Krüger (Inge, seine Verlobte). Der Geist ihres Geliebten holt Künstle- rin ins Meer. Dr. Brompton-Watts Age Adjuster US, 5min, Bioscop, P: Edison. Die Jugend Dr. Bromptons dauert länger als 60 Jah- re. Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 15min, P: Universal, B: nach Stevensons Novelle, R: Lucius Henderson, D: James Cruze (Jekyll), Harry Benham (Hyde), Marguerite Snow Doktor Satansohn D, 55min, P: Eros-Film, Berlin, B: Edmund Edel, R: Edmund Edel, K: Ernst Krohn, D. Ernst Lubitsch (Dr. Satansohn), Hans Felix (Prof. Willi Waldow, junger Ehe- mann), Yo Werner (Meta, seine Frau), Marga Köhler (Ilona Werner, Schwiegermut- ter), Erich Schönfelder (Nepomuk) Der Andere D, 68min, P: Vitascope GmbH. (Berlin), R: Max Mack, B: Paul Lindau, K: Hermann Böttger, D: Albert Bassermann (Rechtsanwalt Haller, der Andere), Emerich Hanus, Nelly Ridon, Hanni Weisse, Leon Rosemann, Otto Colott, C. Lengling, Paul Pas- sarge. Dr. Haller leidet nach einem Sturz vom Pferd an einer Persönlichkeitsspal- tung. 1913 Faust and the Lily US, P: Biograph Film, B: Florence Lee nach Goethes Tragödie Der Student von Prag D, 84min, P: Deutsche Bioscop, B: Hanns Heinz Ewers, Paul Wegener, R: Stellan Rye, K: Guido Seeber, Bau: Robert A. Dietrich, M: Josef Weiß (zur Premiere), D: Paul Wegener (Student Balduin), Lyda Salmonova (Zigeunermädchen), John Got- towt (Scapinelli), Grete Berger (Gräfin), Lothar Körner, Fritz Weidemann. Balduin verkauft dem Teufel sein Spiegelbild. Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 33min, P: Carl Lämmle, R u. B: Herbert Brenon (nach Stevensons Novelle), D: King Baggot (Dr. Jekyll / Mr. Hyde), Jane Gail (Alice), Matt Snyder (Alices Vater), Howard Crampton (Dr. Lanyon), William Sorell (Rechtsanwalt Utterson) Dr. Jekyll and Mr. Hyde GB, 30min, frühes Farbverfahren, P: British Kinemacolor Corp (nach Stevensons Novelle) 1914 Der Golem D, 60min, P: Deutsche Bioscope, viragiert, B: Henrik Galeen, R: Paul Wegener, K:

A - Filmographie 503

Guido Seeber, Bau: Rochus Gliese, D: Paul Wegener (Golem), Lyda Salmonova (Jessica), Albert Steinrück (Antiquitätenhändler, Rabbi Löw) Carl Ebert, Jacob Tiedtke, Rudolf Blümner. Die Golem-Maske: Rudolf Belling. Bei Bauarbeiten wird die Tonstatue des Golem gefunden und belebt. La Folie du Docteur Tube F, B. u. R: Abel Gance, K: Wentzel, D: Albert Dieudonne (Dr. Tube). Dr. Tube expe- rimentiert mit Lichtstrahlen. Doktor X (Dämons Triumphe) Dänemark, R: Robert Dinesen, D: Carlo Wieth (Dr. Malvalio), Gunnar Tolnaes (Dr. Kämpfer). Zwei Ärzte verkörpern Faust und Mephisto. Professor Oldboy´s Rejuvenator, 10min. Seine Intervention bringt Jugend für alle Dr. Jekyll and Mr. Hyde P: Starlight Dr. Jekyll and Mr. Hyde Done to a Frazzle US, P: Warner Brothers 1915 Life Without Soul US, 70min, s/w, (verschollen), P: Ocean Film Corporation, John J. Dudley, B: Jesse J. Goldburg nach Mary Wollstonecraft Shelleys Frankenstein or The Modern Prometheus, R: Joseph W. Smiley, D: Percy Darrell Standing (Kreatur), William A. Cohill (Dr. William Frawley, Frankenstein), Jack Hopkins (Frawleys Vater), Lucy Cotton (Elizabeth), George de Carlton, Pauline Curley (Schwester), David McCauley (Diener), Violet De Biccari (Zofe) Horrible Hyde R: Jerold T: Hevener 1916 Die Rache des Homunculus D, 84min, (4. Teil der sechsteiligen Homunculus-Serie), P: Bioskop GmbH. (Ber- lin), B: Robert Reinert, R: Otto Rippert, K: Carl Hoffmann, D: Olaf Fonss (Richard Ortmann, Homunculus) Friedrich Kühne (Edgar Rodin), Theo Loos (Sven Fred- land), Mechthild Thein (Margot), Ernst Ludwig, Albert Paul, Lore Rückert, Max Ruh- beck, Lia Borré, Josef Bunzl, Ernst Benzinger u.a. Prof. Hansen erschafft Homuncu- lus, der sich gegen die Menschen wendet und von einem Blitz vernichtet wird. Dr. Satansohn D, 55min (von 1000m sind 700m erhalten), P: Eros-Film, Berlin, B. u. R: Edmund Edel, K: Ernst Krohn, D: Erst Lubitsch (Dr. Satanssohn), Hans Felix (Prof. Willt Wal- dow, junger Ehemann), Yo Larte (Meta, seine Frau), Marga Köhler (Ilona Werner, Schwiegermutter), Erich Schönfelder (Nepomuk). Eine alte Frau verschreibt sich gegen das Versprechen, nie wieder einen Mann zu küssen, demTeufel. The Crimson Stain Mysterie US, P: Erbograph, s/w, 16chaps, R: T.Hayes Hunter, B: Albert Payson Terhum, K: Ludwig G.B. Erb, D: Maurice Costello, Ethel Graudin, Olga Olonova, Eugene Strong, Thomas J. McGrane. Dr. Burton Montrose (McGrane) entwickelt ein Enzym, das Menschen intelligent machen soll. Aber es entstehen Monster, die den Doktor tö- ten. Professor Wiseguy´s Trip to the Moon 7min 1917 Der Golem und die Tänzerin D, R/B: Paul Wegener, K: M.A. Madsen, D: Paul Wegener (Golem), Lyda Salomono- va (die Tänzerin), Rocus Glise. Um die Tänzerin zu erschrecken, verkleidet sich Wegener als Golem. Faust US, P: Atlantic Film, R: William Wauer. Faust I und Faust II, beide Teile in mehreren Folgen 1918 Alraune D, P: Neutral Film, s/w, 88min, nach einem Roman von Hanns Heinz Ewers, R/K: Eugen Jeles, D: Hilde Wolter (Alraune), Gustav Adolf Semler (Professor Ten Brin- ken), Friedrich Kühne, Max Auzinger, Ernst Rennspies. Professor erschafft durch künstliche Befruchtung einen Vamp. Alraune Austria/Hun, s/w, 80 min, R: Mihaly Kertesz (Michael Curtiz), Fritz Odon, B: Richard Falk nach einem Roman von Hanns Heinz Ewers, D: Guyla Gal, Rozsi Sollosi, Jeno Torzs, Margit Lux, Kalman Kormendy 1919 Das Cabinet des Dr. Caligari

504 A -Filmographie

D, 90min, approx (16 fps) s/w, P: Decla-Bioscop, Erich Pommer, R: Robert Wiene, B: Carl Meyer, Hans Janowitz, K: Willy Hameister, Ba: Hermann Warm, Walter Reimann, Walter Röhrig, D: Werner Krauß (Dr. Caligari), Conrad Veidt (Cesare), Lil Dagover (Jane), Friedrich Feher, Hans von Twardowski, Rudolf Klein-Rogge, Rudolf Lettinger. Dr. Caligari führt einen Somnambulen auf dem Jahrmarkt vor und ist Leiter der städtischen Irrenanstalt.

A - Filmographie 505

Die Puppe D, 1275m, P: Pagu (Union-Film der Ufa), B: Hanns Kräly, Ernst Lubitsch, R: Ernst Lubitsch, K: Theodor Sparkuhl, Bauten und Kostüme: Kurt Richter, D: Ossi Oswal- da (Ossi, Tochter des Puppenmachers Hilarius), Hermann Thimig (Lancelot, Neffe des Barons de Chanterelle), Victor Janson (Hilarius, Puppenmacher), Jakob Tiedt- ke (Abt), Gerhard Ritterband (Gehilfe des Hilarius), Marga Köhler (Hilarius’ Frau), Max Kronert (Baron de Chanterelle), Josefine Dora (Lancelots Gouvernante), u.a. Lancelot, der eine Puppe heiraten will, heiratet die Tochter des Puppenmachers 1920 Der Golem, wie er in die Welt kam D, 85min, s/w, stumm, Zwischentitel, P: PAGU (Union Film der Ufa), B: Paul Wege- ner, Henrik Galeen, R: Paul Wegener, Carl Boese, K: Karl Freund, Bauten: Hans Poelzig unter Mitarbeit von Kurt Richter, Kostüme: Rochus Gliese, D: Paul Wegener (Golem), Albert Steinrück (Rabbi Löw) Ernst Deutsch (Famulus), Lyda Salomonova (Miriam, seine Tochter), Otto Gebühr (Kaiser), Lothar Müthel (Junker Florian) Hanns Sturm (alter Rabbi), Loni Nest (Kind), Greta Schroder, Max Kronert; Uraufführung 29.10.1920, Berlin; Musik zur Uraufführung: Hans Landsberger (Kompo- nist),Dirigent: Bruno Schulz. Rabbi Löw belebt den Golem. Der verlorene Schatten D, 1755m, P: PAGU (Union-Film der Ufa), B: Rochus Gliese, R: Rochus Gliese, K: Karl Freund, Bau und Kos: Kurt Richter, Silhouetten: Lotte Reininger, D: Paul We- gener (Sebaldus), Lyda Salmonova (Barbara), Werner Schott (Graf), Greta Schröder (Gräfin Darunter) Wilhelm Bendow, Adele Sandrock, Hedwig Gutzeit, Leonhard Haskel, Hannes Sturm (Dapertutto). Ein Mann verkauft seinen Schatten an einen Schattenspieler. Genuine R: Robert Wiene, B: Carl Meyer, Ba: Willy Hameister, D: Fern Andra, Harald Paul- sen, Ernst Gronau Der Januskopf. Eine Tragödie am Rande der Wirklichkeit D, P: Delta Bioscop/Lipow Film, s/w, 107min, (verschollen.) R: Friedrich Wilhelm Murnau, B: Hans Janowitz nach der Novelle Dr. Jekyll and Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson, K: Carl Hoffmann, Karl Freund, D: Conrad Veidt (Dr. Warren/Mr. O´Connor), Margarete Schlegel, Willy Kayser-Heyl, Gustav Botz, Jaro Furth, Manus Stifter, Marga Reuter, Bela Lugosi (Butler) Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 63min, s/w, P: Paramount/Artcrafte, B: Clara S. Beranger nach der gleichnamigen Novelle von Robert Louis Stevenson, R: John S. Robertson, K: Roy Overbaugh, D: John Barrymore (Dr. Jekyll/ Mr.Hyde), Martha Mansfield (Milicent Carew), Brandon Hurst (Sir George Carew), Charles Lane (Dr. Richard Lanyon), J. Malcolm Dunn (John Utterson), Nita Naldi, (Gina), George Stevens (Poole), Louis Wolheim (Musik Hall Proprietor) Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 5 reels, P: Louis B. Meyer, B: u R: Charles J. Hayden. D: Sheldon Lewis (Jekyll/Hyde), Alexander Shannon (Dr. Lanyon), Dora Mills Adams (Mrs. Lanyon), Gladys Field (Bernice Lanyon), Harols Forshay (Edward Utterson), Leslie Austin (Danvers Carewe) When Quackel Did Hyde P: Arrow, D: Hank Mann Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 40min, s/w, P: Louis B. Meyer, D: Sheldon Lewis (Dr. Jekyll / Mr. Hyde), Alexander Shannon, Dora Mills Adams, Gladys Field, Harold Forshang, Leslie Austin Go and get It US, P/R: Marshall Neilan, D: Bull Montana (Monster: Gorilla-Mensch mit kriminel- lem Gehirn), Pat O`Malley (Vernichter des Monsters) Il Monstro di Frankenstein (Frankensteins Monster, The Monster of Frankenstein) I, s/w, P: Albertini Film, Luciano Albertini, B: Giovanni Drivetti, R: Eugenio Testa, K: Alvavo de Simone, D: Luciano Alberti, (Dr. Frankenstein), Umberto Guarracino (Monster). Das war der letzte italienische Horrorfilm bis 1956, als Ricardo Freda und Mario Bava I Vampiri drehten Unheimliche Geschichten D, s/w, 112min, P: Richard Oswald Film, B: Richard Oswald und Robert Liebmann, K: Carl Hoffmann, D: Conrad Veith, Anita Berber, Reinhold Schuenzel, Georg John,

506 A -Filmographie

Hugo Döblin, Paul Morgan. Eine Kombination von E. A. Poes The Black Cat und The System of Dr. Tarr and Prof. Feather in einer Episode 1921 Drakula Ungarn, R: Karoly Lajthay

A - Filmographie 507

Faust US, R: Frederick A. Todd The Four Horsemen of the Apocalypse US, 150min, approx, s/w, P: Metro, B: June Mathis nach einer Novelle von Visente Blasco-Ibanez, R: Rex Ingram, K: John F. Seitz, D: Rudolph Valentino, Alice Tery, Nigel de Brulier, Alan Hjean Hersholt, Wallace Berry. Julio Desnoyers gerät unter den Einfluß eines Mystikers und hat eine Affäre mit Marguerite. Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens D, 96min (16 Bilder pro Sekunde), approx, 24fps, viragiert, s/w, P: Prana-Film, R: Friedrich Wilhelm Murnau, B: Henrik Galeen frei nach dem Roman Dracula von Bram Stoker, K: Fritz Arno Wagner und Günther Krampf, Begleitmusik: Hans Erd- mann, Kostüme und Bauten: Albin Grau, D: Max Schreck (Nosferatu), Alexander Granach (Knock, ein Häusermakler), Gustav von Wangenheim (Thomas Hutter), Greta Schröder (Ellen Hutter), John Gottowt (Professor Bulwer), Georg Heinrich Schnell (Harding, der Reeder), Ruth Landshoff (Lucy Harding) Gustav Bolz (Dr. Sie- vers, der Stadtarzt). Dr. Hallin Austria, P: Lampel-Film, B:u.D: Alfred Lampel, Co-B: J.C. Höger, D: Franz Herterich, Traute Carlsen, Karl Schöpfer, Paul Kronegg. Ein Gehirn wird transplantiert. 1922 Doktor Mabuse, der Spieler Teil I - Der große Spieler – Ein Bild unserer Zeit Teil II - Inferno, ein Spiel von Menschen unserer Zeit D, 3466m, (1.Teil), 2560 (2.Teil), P: Uco-Film der Decla-Bioscop der Ufa, B: Thea von Harbou nach dem gleichnamigen Roman von Norbert Jacques, R: Fritz Lang, K: Carl Hoffmann, Erich Nitzschmann, Bau: Carl Stahl-Urach, Otto Hunte, Erich Ket- telhut, Karl Vollbrecht, Kos: Vally Reinecke, D: Rudolf Klein-Rogge (Dr. Mabuse), Bernhard Goetzke (Staatsanwalt von Wenk), Aud Egede Nissen (Cara Carozza, Tänzerin), Gertrude Welcker (Gräfin Dusy Told), Alfred Abel (Graf Told), Paul Richter (Hull),Robert Forster-Larrinaga (Spoerri), Hans Albert Schlettow (Georg), Karl Hus- zar (Hawasch, Leiter der Falschmünzerwerkstatt), Grete Berger (Fine, Dienerin Ma- buses), Julius Falkenstein (Carsten, Wenks Freund), Lydia Potechina (Russin), Julius E. Herrmann (Schramm, Proprietär), Karl Platen (Diener Tolds), Anita Berber (Tänzerin im Frack), u.a. Dr. Mabuse kontolliert die Börse und die Kokainhöllen. Der Kampf mit dem unsichtbaren Feind D, 1233m, P: Pagu (Union-Film der Ufa), B: K. L. Günther, Franz Schulz, R: Erich Schönfelder, K: Carl Drews, D: Ferdinand von Alten. Der König der Gauner kann sich mittels einer gestohlenen Erfindung unsichtbar machen. Satan und Detektiv Bong verfolgen ihn. A Blind Bargain US, 60min approx, s/w, stumm, P: Goldwyn, B: J.G. Hawks nach der Novelle "The Octave of Claudius" von Barry Pain, R: Tod Browning, D: Lon Chaney, Jacqueline Logan, Raymond McKee, Virginia True Boardman. Dr.Lomb (Lon Chaney) verlän- gert menschliches Leben durch Einpflanzung tierischer Organe. Faust F, Stereoskopfilm (Relieffilm), (César Parolini, P: Raoul Grimois-Sanson, R: Gérad Bourgeois (nach Motiven aus Opernvorlagen), D: Georges Wagne (Mephisto) 1923 Don Juan et Faust Fu.Spanien, P/R: Marcel L`Herbier nach der gleichnamigen Tragödie von Christian Dietrich Grabbe (1829), D: Jacques Catelain (Don Juan), Vanni-Marcoux (Faust), Marcel Pradot (Donna Anna). Faust sucht nach den Geheimnissen des Lebens. Paris Qui Dort F, 20min, approx, 24fps, s/w, stumm, P: Henri Diamant-Berger, B u. R: René Clair, K: Maurice Défassiaux, Paul Guichard, M: Jean Wiener, D: Henri Rollan, Albert Préjean, Charles Martinelle, Marcel Vallée, Madeleine Rodrigue. Über einen Ra- diosender hat ein Wissenschaftler Paris eingeschläfert. L`Inhumaine F, R: Marcel L'Herbier unter Mitarbeit von Alberto Caralcanti, Claude Autant-Lara (spätere Regisseure), Fernand Leger. Ein Wissenschaftler erweckt eine Opern- sängerin nach ihrem Tode zu neuem Leben. 1924 Orlacs Hände A, 7 Akte (2507m), stumm, P: Pan-Film, B: Ludwig Nerz nach dem gleichnamigen Roman von Maurice Renard, R: Robert Wiene, K: Hans Androschin, Günther

508 A -Filmographie

Krampf, Bau: Stefan Wessely, Hans Rouc, Karl Exner, D: Conrad Veidt (Paul Orlac), Alexandra Sorina (Yvonne Orlac), Carmen Carteliere (Regine), Fritz Kortner (Nerra), Paul Askonas (Diener), Fritz Straßny (Orlacs Vater), Hanns Homma (Prof. Serral). Prof. Serral operiert einem Pianisten neue Hände an. 1925 The Monster US, R: Tod Browning, D: Lon Chaney (psychopathischer Chirurg) 1926 Geheimnisse einer Seele. Ein psychoanalytischer Film. D, 76min, P: Ufa, Hans Neumann, R: Georg Wilhelm Pabst, B: Colin Ross, Hans Neumann, K: Guido Seeber, Curt Oetrel, Walter Robert Lach, Bau: Ernö Metzner, fachwissenschaftliche Beratung: Karl Abraham, Hanns Sachs, D: Werner Krauß (Mann), Ruth Weyer (Frau), Ilka Grüning (Mutter), Jack Trevor (Vetter), Pawel Paw- low (Arzt), Hertha von Walther (Assistentin), Renate Brausewetter (Dienerin). Faust. Eine deutsche Volkssage D, 90min, approx, s/w, P: UFA, B: Hans Kyser nach Motiven aus dem Volksbuch, Marlowes Drama, Goethes Faust I und dem Filmmanuskript von Ludwig Berger Das verlorene Paradies, R: Friedrich Wilhelm Murnau, K: Carl Hoffmann, Bau u. Kost: Robert Herlth, Walter Röhrig, M: (Zur Premiere) Walter R. Heymann, D: Gösta Ekman (Faust), Emil Jannings (Mephisto), Camilla Horn (Gretchen), Frida Richard (Gretchens Mutter), Wilhelm Dieterle (Valentin), Yvette Guilbert (Marthe Schwerdt- lein), Erich Barcley (Herzog) Hanna Ralph (Herzogin von Parma), Werner Fuetterer (Erzengel), Haus Brausewind (Bauernbursche), Eric Barclay (Herzog von Parma), Lothar Müthel (Mönch), Hans Rameau, Hertha von Walther, Emmy Wyda. Metropolis – Das Schicksal einer Menschheit im Jahre 2000 D, Originallänge: 4189m / 3241m / 2535m (deutsche Zensurlängen), 3241m, (vor- liegende Fassung), approx, 24 fps, s/w, P: UFA, B: Thea von Harbou, der dänische Schriftsteller Herman Bang (1857-1912) hatte einen Roman mit dem Titel Metropo- lis geschrieben, R: Fritz Lang, K: Karl Freund, Trickkamera: Günther Rittau, Tricks: Walter Ruttmann, SpE: Eugen Schüfftan Kost: Änne Willkomm, Bauten: Otto Hunte, Erich Kettelhut, Karl Vollbrecht, Roboter/Plastiken: Walter Schulze-Mittendorf, Be- gleitmusik: Gottfried Huppertz, D: Brigitte Helm (Maria/ Maschinenmensch), Gustav Fröhlich (Freder Fredersen), Alfred Abel (Joh. Fredersen), Rudolf Klein-Rogge (Rotwang, Erfinder), Heinrich George (Grot, Wächter der Herzmaschine), Fritz Rasp (der Schmale), Theodor Loos (Josaphat), Erwin Wiswanger (Nr. 11811), Olaf Storm (Jan), Hanns Leo Reich (Marinus), Heinrich Gotho (Zeremonienmeister), Margarete Lanner (Dame im Auto), Arbeiter: Max Dietze, Georg John, Walter Kühle, Arthur Reinhard, Erwin Vater, Arbeiterinnen: Grete Berger, Olly Böheim, Ellen Frey, Lisa Gray, Rose Lichtenstein, Helene Weigel, die Frauen der ewigen Gärten: Beatrice Garga, Anny Hintze, Margarete Lanner, Helen von Münchhofen, Hilde Woitscheff, Fritz Alberti (der schöpferische Mensch) u.a. Der Student von Prag D, P: Ufa, B: Hanns Heinz Ewers, R: Henrik Galeen, Bau: Hermann Warm D: Con- rad Veidt (Balduin, der Student), Werner Krauß (Scapinelli), Lydia. Student verkauft sein Spiegelbild demm Teufel. The Magician P: Metro-Goldwyn, Harrry Lachmann, Henri Menessier, B: Rex Ingram nach einer Erzählung von Somerset Maugham, R: Rex Ingram, K: John Seitz, S: Grant Whytock, D: Alice Terry, Paul Wegener, Ivan Petrovich, Firmin Gemier,Gladys Hamer, Henry Wilson, Stowitz, Michael Powell. Wissenschaflter will künstliches Wesen erschaf- fen. 1927 London after Midnight (The Hypnotist) US, 63min, P: MCM, s/w, stumm, (verschollen), P: Tod Browning, B: Waldemar Young, R: Tod Browning, K: Merrit B. Gerstad, D: Lon Chaney (Vampir und Detektiv), Marceline Day, Henry B. Walthall, Percy Williams, Conrad Nagel, Polly Noran, Edna Tichener. Detektiv verkleidet sich als Vampir, um einen Verbrecher zu fangen. The Man Who Laughs US, P: Universal, s/w, stumm, B: J. Grubb Alexander nach dem Roman von Victor Hugo, R: Paul Leni. K: Gilbert Warrenton, S: Edward Cahn, D: Mary Philbin (Dea), Conrad Veidt (Gwynplaine/Lord Clancharlie), Olga Baclanova (Herzogin Josiana), Cesare Gravina (Ursus) Alraune D, 122min, s/w, stumm, P: Ama Film, R/B: Henrik Galeen nach einem Roman von Hanns Heinz Ewers, K: Franz Planer, Bauten: Walter Reimann, Max Heilbronner, M: Die Musik der Uraufführung stellte Willy Schmidt-Gentner zusammen, D: Paul We-

A - Filmographie 509

gener (Prof.Ten Brinken), Brigitte Helm (Alraune), Ivan Petrovich (Frank Braun), Mia Pankau (die Dirne), Georg John, (der Mörder), Valeska Gert (Mädchen von der Gasse), Wolfgang Zilzer (Wölfchen), Louis Ralph (der Zauberkünstler), Hans Trautner (der Dompteur), u.a.; Uraufführung: 25.1.1928, Berlin 1929 The Mysterious Dr. Fu Manchu US, 80min, s/w, P: Paramount, B: Florence Ryverson, Lloyd Corrigan, R: Rowland V. Lee, D: Warner Oland, Jean Arthur, Neil Hamilton, O.P. Heggie, Willian Austin.

510 A -Filmographie

Faust US, P: Vitaphone Corp, R/D: Charles Hackell assisted by Chase Baromeo (2.Akt) 1930 Alraune (Daughter of Evil) D, 103min, s/w, P: UFA, Erich Pommer, B: Charles Röllinghoff, Richard Weissbach nach einem Roman von Hanns Heinz Ewers, R: Richard Oswald, K: Günther Krampf, M: Bronislaw Kaper, D: Brigitte Helm (Alraune), Albert Bassermann (Ten Brinken), Harald Paulsen (Frank Braun), Agner Straub. Um ihren Geliebten zu ret- ten, geht Alraune ins Wasser The Return of Dr. Fu Manchu US, P: Paramount, D: Warner Oland, vgl. 1929 1931 Daughter of the Dragon US, (Fu Man Chu Reihe, wie 1929, 1930), R: Lloyd Corrogan, D: Warner Oland (Dr.Fu Manchu) Mit Hilfe seiner hypnotischen Fähigkeiten will Fu Man Chu die Weltherrschaft erringen Doctor X US, 77min, (Zweifarb-)Technicolor, P: Hal B. Wallis, Warner Brothers, Hall Wallis, B: Earl Baldwin, Robert Tasker nach Howard W. Comstock und Allen C. Miller, R: Michael Curtz, K: Richard Tower, Ray Rennahan, S: George Amy, D: Lionel Atwill (Dr. Xavier), Fay Wray (Joanna Xavier), Lee Tracy (Lee Tylor), Preston Foster (Prof. Wells), Georg Rosener, Mae Busch, Arthur Edmund Carewe, John Wray. Unter Dr. Xaviers Wissenschaftlern befindet sich ein grenzüberschreitender Forscher. Dracula US, 84min, s/w, P: Carl Laemmle jr., Universal, B: Garret Fort unter Berücksichti- gung des Bühnenstücks von Hamilton Deane und John L. Balderston nach dem Roman von Bram Stoker, R: Tod Browning, K: Karl Freund, S: Milton Carruth, Mau- rice Pivar, M: Peter Tschaikosky, Richard Wagner, D: Bela Lugosi (Graf Dracula), David Manners (Jonathan Harker), Helen Chandler (Mina Seward), Dwight Frye (Renfield), Edward van Sloan (Professor van Helsing) Herbert Bunston (Dr. Se- ward), Charles Gerrard (Martin), Moon Caroll (Briggs), Josephine Velez (Kinder- mädchen, Michael Visaroff (Wirt), Donald Murphy (Mann in der Kutsche), Daisy Belmore (Frau in der Kutsche) Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 90min, s/w, P: Paramount, Rouben Mamoulian, B: Samuel Hoffenstein, Percy Heath nach dem Roman The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson, R: Rouben Mamoulian, K: Karl Struss, Hans Dreier, Kost: Travis Banton, M-Up: Wally Westmore, Mus: Aufschwung von Robert Schumann, Ton: Martin Paggi, D: Fredric March (Dr. Jekyll / Mr. Hyde), Miriam Hopkins (Ivy Pearson), Rose Hobart (Muriel Carew), Holmes Herbert (Dr. Lanyon), Halliwell Hobbes (Brigadegeneral Carew), Edgar Norton (Butler), Arnold Lucy (Utterson), Tempe Pigott (Mrs. Hawkins), Eric Wilton (Briggs), Colonel MacDonnell (Hobson), Murdock MacQuarrie (Arzt), Douglas Walton (Student), John Rogers (Kellner). Frankenstein US, 71min, s/w, P: Carl Lämmerle Jnr., Universal Film, R: James Whale (1893- 1957), B: Garrett Fort, Francis Edward Faragoh nach dem Roman von Mary Wollstonecraft Shelley und der Bearbeitung von Robert Florey und John L. Balderston, K: Arthur Edeson, D: Boris Karloff (Monster), Mae Clarke (Elisabeth), Colin Clive (Frankenstein), Frederick Kerr, Dwight Frye, John Boles, Edward van Sloan Vampyr - Der Traum des Allan Gray D/F, 83min, s/w, P: Carl Theodor Dreyer, Nicolas de Gunzburg, B: Christen Jul und Carl - Theodor Dreyer nach Carmilla et La Chambre de l’auberge du Dragon volant von Joseph Sheridan Le Fanu; R: Carl – Theodor Dreyer, K: Rudolph Maté, Louis Née, M: Wolfgang Zeller, Bauten: Hermann Warm, Preben Birk, D: Julian West (= Nicolas de Gunzburg) (David Allan Gray), Maurice Schutz (Burgherr), Jan Hieronim- ko (Arzt), Henriette Gérard (Marguerite Chopin, die Vampirin), Sybille Schmitz (Léo- ne), Rena Mendel (Gisèle), Jane Mora (Krankenschwester), Albert Brass (Diener), N. Babanini (Mädchen). Allan Gray bekämpft eine Vampirin. The Mad Genius US, 81min, s/w, P: Warner, R: Michael Curtiz, B: J. Grubb Alexander, Harvey Thew; nach dem Stück "The Idol" von Martin Brown, K: Barney McGill, Bau: Anton Grot, D: John Barrymore, Mirian Marsh, Donald Cook, Louis Alberni, Carmel Myers, Charles Butterworth, Boris Karloff, Frankie Darro

A - Filmographie 511

1932 The Mask of Fu Man Chu US, 67min, s/w, P: MGM, B: John Willard, Allan Woolf, Irene Kuhn nach einer Geschichte von Sax Rohmer, R: Charles Brabin, Charles Vidor, K: Tony Gaudio, D: Boris Karloff (Fu Man Chu), Myrna Loy, Lewis Stone (Nayland Smith), Karen Morley, Charles Starrett, Jean Hersholt, Lawrence Grant. Dr. Fu Man Chu will an die Welt- herrschaft gelangen. Chandu the Magician US, 74min, s/w, P: Fox, B: Philip Klein, Barry Conners, R: Marcel Varnel, Willian Cameron Menzies, K: Wong Howe, M: Louis de Francesco, D: Edmund Lowe, Bela Lugosi, Irene Ware, Herbert Mundin, Henry B. Walthall Walpurgis Night US, 20min, P: Kendahl de Vally, Operalogue/Educational Film, Film Exchanges, B: Antoine de Vally, R: Howard Higgin Island of lost Souls US, 74min, s/w, P: Paramount, B: Waldemar Young, Philip Wylie nach H.G. Wells The Island of Dr. Moreau, R: Erle C. Kenton, K: Karl Struss, D: Charles Laughton (Dr. Moreau), Bela Lugosi (Affenmensch), Richard Arlen, Kathleen Burke. Dr. Mo- reau macht aus verschiedenen Tieren Menschen. The Mummy US, 72min, s/w, P: Universal, Stanley Bergerman, B: John L. Balderston nach einer Erzählung von Nina Willcox Putman und Richard Schayer, R: Karl Freund, K: Charles Stumer, D: Boris Karloff, Zita Johann, David Manners, Edward van Sloan. Eine wiederbelebte Mumie, will die Mumie seiner Geliebten ebenfalls wiederbele- ben. The Vampire Bat US, 71min, s/w, P: Majestic, Phil Goldstone, B: Eduard Lowe, R: Frank Strayer, K: Ira Morgan, D: Lionel Atwill, Fay Wray, Melvyn Douglas, Maude Eburne, George E. Stone, Dwight Frye, Lionel Belmore. Arzt killt Stadtbevölkerung Dr. Jekyll´s Hide R: Albert de Mond 1933 Das Testament des Dr. Mabuse D, 122min, s/w, stumm, P: Nero, Fritz Lang, B: Thea von Harbou (nach Norbert Jacques Figuren), R: Fritz Lang, K: Fritz Arno Wagner, Karl Vash, M: Hans Erdmann, Bau: Karl Vollbrechter, Emil Hasler, D: Rudolf Klein-Rogge (Dr. Mabuse) Oskar Beregi (Prof. Dr. Baum), Karl Meisner (Hofmeister) Theo Lood (Dr. Kramm), Otto Wernicke (Kommissar Lohmann), Klaus Pohl (Müller), Wera Liessem (Lilli), Gustav Diessl (Thomas Kent), Camilla Spira (Juwelen-Anna), Rudolf Schündler (Hardy), Theo Lingen (Karetzky), u.a. Mabuse bemächtigt sich Prof. Brauns. King Kong (King Kong und die weiße Frau) US, P: RKO (Merian C. Cooper), B: James Creelmann, Ruth Rose nach einer Geschichte von Edgar Wallace, R: Merian C. Cooper, Ernest Schoedsack, K: Edward Linden, Vernon Walker, L.O. Taylor, sound effects: Murray Spivak, chief technician: Willis J. O'Brien, M. Max Steiner, D: Robert Armstrong, Fay Wray, Bruce Cabot, Frank Reicher Son of Kong US, P: RKO (Merian C. Cooper), R: Ernst B. Schoedsack, B: Ruth Rose, K: Eddie Linden, Vernon Walker, G.O. Tailer, D: Robert Armstrong, Helen Mack, u.a. Fortsetzung von King Kong. The Invisible Man US, 71min, s/w, P: Carl Laemmle Jr, Universal Pictures, B: R. C. Sherriff nach einem Roman von H. G. Wells, R: James Whale, Szenenbild: Charles D. Hall, K: Arthur Edeson, SpE: John P Fulton, Bill Heckler, M: Charles Previn, D: Claude Rains (Jack Griffin), Gloria Stuart (Flora Cranley), William Harrigan (Dr. Kemp), Henry Travers (Dr. Cranley), Una O’Connor (Mrs. Hall), Forrester Harvey (Mr. Hall), Holmes Herbert (Polizeichef), E.E. Clive (Jaffers), Dudley Digges (Detektiv), Harry Stubbs (Inspektor Bird), Dwight Frye (Reporter), u.a. Wissenschaftler hat ein Unsichtbarkeitsserum entwickelt. Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt (Mein ist die Welt) D, 2850m, s/w, P: Ariel-Film GmbH., Alfred Greven, R: Harry Piel, B: Hans Rame- nau, K: Ewald Daub, S. A. Elling, Bau: W.A. Hermann, M: Fritz Wenneis, T: Adolf Jansen, D: Harry Piel (Harry, Taxifahrer), Fritz Odemar (Fritz, Kellner), Lissy Arna (Lissy Verhagen, Schauspielerin), Annemarie Sörensen (Lotte, Blumenfräulein),

512 A -Filmographie

Olga Limburg (ihre Mutter), Gerhard Dammann, Eugen Rex, Ernst Behmer, Hans Ritter, Charly Berger, Egon Brosig, Theo Lingen, Hubert von Meyerinck, u.a. Harry findet in seinem Taxi einen Apparat, der unsichtbar macht.

A - Filmographie 513

Anna und Elisabeth D, 2057m, s/w, P. Kollektiv-Film GmbH., Terra Film, Max Hüske, B: Gina Hink, R: Frank Wysbar, K: Franz Weihmayr, S: Alice Ludwig, Bau: Fritz Maurischat, M: Paul Dessau, Ton: Hermann Birkhofer, D: Dorothea Weck (Elisabeth), Maria Wank (Mar- garete), Herta Thiele (Anna), Carl Balhaus (Martin), Matthias Wieman (Mathias Testa, der Kranke aus der Stadt), Willy Kaiser-Heyl (Pfarrer), Roma Bahn (Mary La- ne), Margarete Kestra (Helena), Dora Thalmer (Nena) u.a. Anna hat magische Kräf- te. 1934 The Return of the Terror US, 65min, s/w, P: Warner, B: Eugene Solow, Peter Mine, R: Howard, Bretherton, D: John Halliday, Mary Astor, Lyle Talboit, Frank McHugh, Irving Pichel, J. Carrol Naish. Wissenschaftler sucht einen Mörder. Der Herr der Welt D, 110min, P: Ariel-Film GmbH, Ludwig Behrends, B: Georg Mühlen-Schulte, R: Harry Piel, K: Ewald Daub, M: Fritz Wenneis, Bau: W. A. Herrmann, Ton: Eugen Hrich, technische Einrichtung: A.E.G., D: Walter Janssen (Dr. Heller, Chef der Heller Maschinenwerke), Sybille Schmitz (Vilma Heller, seine Frau), Aribert Wäscher (Ge- heimrat Ehrenberg, Zechenbesitzer), Siegfried Schürenberg (Werner Baumann, Bergwerksingenieur), Gustav Püttjer, Claus Pohl, Oskar Hoecker (Becker, Stöppke, Luppe, Berglaute) Walter Franck (Prof. Wolf), Willy Schur (Kurt Schuhmacher, Stei- ger), Max Gülstorf (Neumeier, Berginspektor), Otto Werrnicke (Wolter, Oberinge- nier), Hans Hermann Schaufuß (Fischer, Bürodirektor), Dolly Raphael, Liselotte Heßler, Erika Wehrle, Wally Filatoff (Trude, Lotte, Elss, Friedel, Strandnixen), Egon Brosig (Baron Hogstraten), Otto Kronburger (Brockmeier, Förster), Max Mothes (Konradi, Gärtner), Karl Platen (Josef, Diener), Erich Bartels (Chefarzt Prof. Scholz), Werner Weber (Notar Dr. Siegel), Arthur Reinhard (Kern, Mechaniker), Ernst Bremer (Jokusch, Metallarbeiter), Erich Harden (Konsul Lünemann). Prof. Wolf hat einen Kampfroboter gebaut. Die Welt ohne Maske (Ein Film vom Fernsehen) D, 3038m, s/w, P: Ariel-Film GmbH., Alfred Greven, B. Hans Ramenau, R: Harry Piel, K: Ewald Daub, S: Erich Palme, Bau: W.A. Herrmann, M: Fritz Wenneis, T: Eu- gen Hirsch, technische Einrichtung: Telefunken, AEG, D: Harry Piel (Harry Palmer), Kurt Vespermann (Dr. Tobias Bern), Annie Markart (Erika Hansen), Olga Tsche- chowa (Betty Bandelow), Hubert von Meyerinck (E.W. Costa), Rudolf Klein-Rogge (Merker), Philipp Manning (Dr. Niemann), Hermann Picha, Paul Rehkopf, Ernst Behmer u.a. Wissenschaftler erfindet einen Apparat, mit dem man durch Wände sehen kann. Gold D, 3297m, s/w, P: Ufa, Alfred Ziesler, B: Rolf E. Vanloo, R. Karl Hartl, K: Günther Rit- tau, Otto Baecker, Werner Bohne, S: Wolfgang Becker, Bau: Otto Hunte, M: Hans- Otto Borgmann, T: Erich Leistner, Bruno Suckau, D: Friedrich Kayßler (Prof. Achen- bach), Hans Albers (Werner Holk), Lien Deyers (Margit Möller), Michael Bohnen (John Wills), Brigitte Helm (Florence Wills), Eberhard Leithoff (Harris), Ernst Kar- chow (Lüders), Willy Schur (Pit), u.a. Wissenschaftler gewinnt durch Atomspaltung aus Blei Gold. Liebe, Tod und Teufel D, s/w, P: Ufa, Karl Ritter, B. Kurt Heuser. Pelt von Felinau, Liselotte Gravenstein nach der Novelle von Robert Louis Stevenson, Das Flaschenteufelchen, R: Rein- hart Steinbicker, K: Fritz Arno Wagner, Bau: Otto Hunte, Willy Schiller, M: Theo Ma- ckeben, T: Erich Leistner, D: Käthe von Nagy (Kokua), Albin Skoda (Kiwe), Brigitte Horney (Rubby), Karl Hellmeer (Lopaka), Aribert Wäscher (Monier), (Der Alte), Paul Dahlke (Gouverneur) Rudolf Platte (Spunda), Oska Sima (Jerry), Josef Dahmen (Macco), Hans Kettler (Balmer) Karl Hannemann (Hein) u.a. Kiwe geht einen Bund mit dem Teufel ein, aus dem ihn Kokua befreit. 1935 The Raven US, 61min, s/W, P: Universal, R: Louis Friedländer (Lew Landers), B: David Boehm nach Stoffen von Edgar Allen Poe, K: Charles Stumor, D: Boris Karloff (Edmund Bakman), Bela Lugosi (Dr. Richard Vollin), Irene Ware, Lester Matthew, Samule S. Hinds. Wissenschaftler verwandelt einen Gangster in ein Monster. Mad Love (Dr. Gogol - the mad Surgeon, The Hands of Orlac) US, 83min, s/w, P: MGM, John Considine Jnr., B: Guy Endore, J. P. Wolfson, John L. Balderston nach dem Roman Orlacs Hände von Maurice Renard, R: Karl Freund, K:

514 A -Filmographie

Chester Lyonsm, Gregg Toland, D: Peter Lorre, Colin Clive, Frances Drake, Ted Healy, Edward Brophy, Isabel Jewell, Sara Haden. (Remake von 1924)

A - Filmographie 515

Mark of the Vampire US, P: MCM, E.J. Mannix, (Remake des Stummfilms London after Midnight), R: Tod Browning, B: Gay Endore, Bernhard Schubert, K: James Wong Howe, D: Lionel Barrymore, Jean Hersholt, Elizabeth Allan, Bela Lugosi, Carol Borland The Bride of Frankenstein US, s/w, 114min, P: Universal, Carl Lämmle Jnr., James Whale, B: William Hurlbut nach den Charakteren aus dem Roman Frankenstein von Mary Wollstonecraft Shelley, R: James Whale, K: John J. Mescall, M: Franz Waxmann, D: Boris Karloff, Valerie Hobson, Colin Clive, Elsa Lanchester, Ernest Thesiger, Cavin Gordon, E.E. Clive The Crime of Dr. Crespi US, P: Republic, s/w, 63min, P/R: John H.Auer, B: Lewis Graham, Edwin Olmstea nach "The Premature Burial" von E. A. Poe, K: Larry Williams, D: Erich von Stroheim, Dwight Frye, Paul Guilfoyle, John Bohn, Harriett Russell, Edward van Hoan. (Die Filmwerbung lautete: The Man you Love to Hate! - Wiederverfilmung 1961) Amphitryon (Aus den Wolken kommt das Glück) D, 2870m, s/w, P: Ufa, Günther Stapenhorst, B. u.R: Reinhold Schünzel, K: Fritz Ar- no Wagner, Werner Bohne, SpE: Ernst Kunstmann, H. Weidemann, S: Arnfried Heyne, Bau: Robert Herlth, Walter Röhrig, M: Franz Doelle, Texte: Ch. Amberg, Bru- no Balz, T: Fritz Thierry, Kost: Rochus Gliese, Manon Hahn, Walter Schulze- Mittendorf, D: Willy Fritsch (Amhitryon, Jupiter), Käthe Gold (Alkmene) Paul Kemp (Merkur, Sosias), Fita Benkhoff (Andria), Adele Sandrock (Juno), Hilde Hildebrand (Freundin), Aribert Wäscher (Kriegsminister), Ewald Wenck (Dr. Äskulap) u.a. Jupi- ter und Merkur schlüpfen in die Rollen antiker Krieger, um deren Frauen zu verfüh- ren. 1936 TheInvisible Ray US, 79min, s/w, P: Universal, Edmund Grainger, B: John Colton nach einer Story von Howard Higgin, Douglas Hodges, R: Lambert Hillyer, K: George Robinson, M: Franz Waxmann, SpE: John P. Fulton, D: Boris Karloff, Bela Lugosi, Francese. Drake, Frank Lawton, Walter Kingsford, Beulah Bondi, Violet Kemble Cooper, Nydia Westman. Wissenschaftler entdeckt X-Strahlen The Man Who Changed His Mind GB, 66min s/w, P: Gainsbrough, B: John L. Balderston, L. DuGarde Peach, Sidney Gilliat, R: Robert Stevenson, D: Boris Karloff, Anna Lee, Donals Calthrop, John Loder, Frank Cellier, Cecil Parker. Wissenschaftler versucht sich an Gehirntrans- plantation. The Walking Dead US, 66min, s/w, P: Warner, Louis F. Edelmann, B: Edward Adamson, Peter Milne, Robert Andrews, Lillie Hayward, R: Michael Curtiz, K: Hal Mohr, D: Boris Karloff, Edmund Gwenn, Marguerite Churchill, Ricardo Cortez, Barton MacLane, Warren Hull, Henry O'Neill. Wissenschaftler belebt einen Mann nach seiner Hinrichtung auf dem Elektrischen Stuhl. Dracula's Daughter US, 70min, s/w, P: Universal, E.M. Asher, B: Garrett Ford, R: Lambert Hillyer, K: George Robinson, M: Heinz Roemheld, D: Otto Kruger (Psychiater), Marguerite Churchill, Edward van Sloan (Prof. van Helsing), Gloria Holt (Countess Maria Zaleska, Draculas Tochter), Irving Pichel, Nan Grey, Hedda Höpper, Gilbert Emery, Claude Allister, E.E. Clive, Halliwell Hobbes, Billy Bevan. Draculas Tochter folgt seinen Überresten nach London. Le Golem Czechoslovakia, 95m, s/w, erste Tonfilmversion, B: André Paul Antoine, B: u. R: Ju- lien Duvivier, D: Harry Baur, Roger Karl, Ferdiman Hart, Charles Dorat u.a. Der Student von Prag D, 2383m, s/w, P: Cine-Allianz-tonfilm, Fritz Klotzsch, B: Hans Kyser, Arthur Robison nach dem Roman von Hanns Heinz Ewers, R: Arthur Robison, K: Bruno Mondi, S: Roger von Norman, Kost: Edward Suhr, Bau: Hermann Warm, Karl Haacker, M: Theo Mackeben, T: Fritz Seeger, D: Adolf Wohlbrück (Balduin, der Student), Theodor Loos (Dr. Carpis), Dorothea Wieck (Julia, eine Sängerin), Erich Fiedler (Baron Wal- dis), Edna Greyff (Lydia), Karl Helmmer (Krebs), Volker von Collande (Zavrel), Fritz Genschow (Dahl), Elsa Wagner (Jarmila) u.a.

516 A -Filmographie

Fährmann Maria D, 2285m, s/w, P: Pallas Film, Eberhard Schmidt, B: Hans-Jürgen Nierentz, Frank Wysbar, R: Frank Wysbar, K: Franz Weihmayr, S: Lena Neumann, Bau: Bruno Lutz, M: Herbert Windt, T: Hans Grimm, D: Sybille Schmitz (Maria), Aribert Mog (Der Mann vom anderen Ufer), Peter Voß (der Tod), Carl de Vogt (der Geiger), Karl Platen (der alte Fährmann), Eduard Wenck (der Dorfschulze), Gerhard Bienert (der Gutsherr). Maria übernimmt die Stelle des Fährmanns. 1937 Dr. Faustus Polen, P: Ultra Film, , R: Henryk Szaro, D: Pan Brodniewicz. Der Teufel ist auf der Scuhe nach einer Seele. 1939 The Return of Dr. X US, 62min, s/w, P: Warner, Bryan Foy, B: Lee Katz nach der Novelle "The Doctors Secret" von William J. Makin, R: Vincent Sherman, K: Sid Hickox, M: Bernhard Kaum, D: Dennis Morgan, Rosemary Lane, Wayne Morris, Humphrey Bogart (Zombie), Olin Howland, John Litel (Dr. Francis Flegg. Dr. Flegg verwandelt einen Toten in einen Vampir. The Man They Counld Not Hang US, 65min, s/w, P: Columbia, B: Karl Brown, R: Nick Grinde, K: Benjamin Kline, Md: Morris Stoloff, D: Boris Karloff, Lorna Gray, Robert Wilcox, Roger Pryor, Don Beddoe, Byron Foulger.Wissenschaftler arbeitet an einem mechanischen Herzen. Son of Frankenstein US, 99min, s/w, P: Universal, Rowland V. Lee, B: Willis Cooper, R: Rowland v. Lee, K: Goerg Robinson, M: Frank Skinner, Jack Otterson, D: Basil Rathbone (Wolf von Frankenstein), Boris Karloff (Kreatur), Bela Lugosi (Igor), Lionel Atwill, Josephine Hutschinson, Donnie Dunagan, Emma Dunn, Edgar Norton, Lawrence Grant. Der Sohn führt die Experimente des Vaters weiter. Dr. Jekyll and Mr. Hyde P: Pixilated Pictures 1940 Man Made Monster (The Electric Man) US, 57min, s/w, P: Universal, Jack Bernhard, B: Joseph West, R: George Wagner, K: Elwood Bredell, M: Hans Salter, Trick: John P. Fulton, D: Lon Chaney Jnr., Lionell Atwill, Anne Nagel, Frank Albertson, Samuel S. Hins. Wissenschaftler mutiert zu einem Roboter. The Mad Doctor US, 90min, s/w, P: Paramount, George Arthur, B: Howard J. Green, R: Tim Whelan, K: Ted Tetzlaff, M: Victor Young, D. Basil Rathbone, Ellen Drew, John Howard, Barbara Allen, Ralph Morgan, Martin Kosleck. Wissenschaftler ist ein Heirats- schwindler und Mörder. The Mysterious of Dr. Satan US, s/w, serial: 15 eps, P: Republic, R: William Witney, John English, D: Eduardo Cianelli, Robert Wilcox, William Newell, C. Montague Shaw. Wissenschaftler konstruiert einen mechanischen Mann. The Invisible Man Returns (Die Rückkehr des unsichtbaren Mannes) US, 81min, s/w, P: Universal, Ken Goldsmith, B: Kurt Siodmak, Laster Cole, Credic Belfrage, R: Joe May, K: Milton Krasner, M: Hans Salter, Frank Skinner, Trick: John P. Fulton, D: Vincent Price, Cedric Hardwicke, John Sutton, Nan Grey, Cecil Kellaway, Alan Napier, Forrester Harvey. Sekret zum Unsichtbarmachen hilft, einen Mörder zu fangen. Before I Hang US, 71min, s/w, P: Columbia, Wallace MacDonald, B: Robert D. Andrews, R: Nick Grinde, K: Benjamin Klisharp, Winton C. Hochne, D: Boris Karloff, Evelyn Keyes, Bruce Brennen, Pedro de Cordoba, Edward van Sloan, Don Beddoe. Wissenschaft- ler entwickelt ein Serum, das ihn zu einem Mörder macht. Dr. Cyclops US, 75min, Technicolor, P: Paramount, B: Tom Kilpatrick, R: Ernest B. Schoedsack, K: Henry Sharp, Winton C. Hoch, M: Ernest Toch, Gerard Carbonara, Albert Hay Malotte, SpE: Farciot Edouart, Wallace Kelly, D: Albert Dekker, Janice Logan, Thomas Coley, Victor Kilian Charles Halton. Wissenschaftler miniaturisiert Men- schen und Tiere. Jud Süß D, s/w, P: Terra, B: nach einer Novelle von Wilhelm Hauff, R: Veit Harlan, K: Günther Anders, D: Ferdimand Marian (Süß-Oppenheimer) Kristina Söderbaum (Dorothea

A - Filmographie 517

Sturm), Heinrich George (Herzog Karl Alexander von Württemberg), Eugen Klöpfer (Dorotheas Vater, Landschaftskonsulent Sturm), Malte Jaeger (Dorotheas Verlob- ter, Aktuaruis Faber), Werner Krauß (Sekretär Levi, Rabbi Löw, u.a.)

518 A -Filmographie

1941 All That Money Can Buy (The Devil and Daniel Webster, , Here is a Man) US, 112min, s/w, P: RKO William Dieterle, B: Dan Totheroh nach der Erzählung "The Devil and Daniel Webster" von Stephen Vincent Benet, R: Wilhelm Dieterle, K: Joseph August, M: Bernhard Herrmann, Van Nest Polglase, SpE: Vernon L. Walker, D: Walter Huston, James Craig, Anne Shirley, Simone Simon, Edward Arnold (Daniel Webster) Jane Darwell, Gene Lockhart, John Qualen, H.B. Warner. Ein Farmer verkauft seine Seele dem Teufel. Dr. Jekyll and Mr.Hyde US, 122m, s/w, P: MCM, Victor Saville, Victor Fleming, B: John Lee Mahin, R: Victor Fleming, K: Joseph Ruttenberg, M: Franz Waxmann, D: Spencer Tracy, Ingrid Bergmann, Lana Turner, Ian Hunter, C. Aubrey Smith, Donald, Sara Allgood The Mad Doctor and Market Street US, 61m, s/w, P: Universal, B: Al Martin, R: Joseph H. Lewis, D: Lionel Atwill, Nat Pendleton, Una Merkel, Claire Dodd. Wissenschaftler entpuppt sich als gefährli- cher Paranoiker The Ghost of Frankenstein US, 67min s/w, P: Universal, George Wagner, B: W. Scott Darling nach einer Ge- schichte von Eric Taylor, R: Erle C. Kenton, K: Milton Krasner, Woody Bredell, M: Charles Previn, D: Cedric Hardwicke, Lon Chaney Jnr. (Monster), Bela Lugosi, Lionel Atwill, Evelyn Ankers, Ralph Bellamy. Frankensteins zweiter Sohn transplan- tiert Igors Gehirn in das Monster Dr. Renault's Secret US, 58min, s/w, P: TCF, B: William Bruckner, Robert F. Metzler, R: Harry Lachmann, D: George Zucco, J. Carrol Naish, John Shepperd, Lynne Roberts. Wissenschaftler macht einen Affen zum Menschen. The Devil Commands US, P: Columbia, B: Robert D. Andrews, Milton Gunzburg nach dem Roman The Edge of Running Water von William Sloanes, R: Edward Dmytryk, K: Allen G. Siegler, D: Boris Karloff, Amanda Duff, Richard Fiske, Anne Revere, Ralph Penney, Kenneth MacDonald, Dorothy Adams, Walter Baldwin. Wissenschaftler fliegt mit seinem Laboratorium in die Luft. 1942 Les visiteurs du soir F, s/w, B: Jacques Prévert, Pierre Laroche, R: Marcel Carné, K: Roger Hubert, D: Alain Cuny, Arletty, Marie Déa, Marcel Herrand, Jules Berry, Fernand Ledoux Münchhausen D, 3225m, Agfacolor, P: Ufa, Eberhard Schmidt, B: Berthold Bürger (Erich Kästner), R: Josef von Baky, K: Werner Krien, SpE: Konstantin Irmen-Tschet, S: Milo Harbich, Walter Wischniewski, Bau: Emil Hasler, Otto Gülstorff, M: Georg Haentzschel, T: E- rich Schmidt, D: Hans Albers (Baron Münchhausen), Wilhelm Bendow (der Mond- mann), Michael Bohnen (Herzog Carl von Braunschweig), Hans Brausewetter (Freiherr von Hartenfeld) Marina von Ditmar (Sophie von Riedesel), Andrews En- gelmann (Fürst Potemkin), Käthe Haack (Baronin Münchhausen), Brigitte Horney (Katharina II), Waldemar Leitgeb (Fürst Grigorij Orlow), Walter Lieck (der Läufer), Ferdinand Marian (Graf Calliostro), Hubert von Meyerinck (Prinz Anton Ulrich) u.a. Münchhausen erzählt seine Vergangenheit. 1943 Son of Dracula US, 80min, s/w, P: Universal, Ford Beebe, B: Curt Siodmak, R: Robert Siodmak, K: George Robinson, M: Hans Salter, D: Lon Chaney Jnr. (Graf Alucard), Louise Allbritton (Untote Gattin), Robert Paige, Samuel S. Hinds, Evelyn Ankers, Frank Craven, J. Eduard Bromberg (van Helsing). Ein mysteriöser Fremder namens Alu- card taucht auf und verschwindet wieder in südlichere Gefilde. (Zum ersten Mal ist das weibliche Opfer weniger an Dracula als vielmehr an der eigenen Unsterblich- keit interessiert.) Drums of Fu Man Chu US, 96/91min, B: Franklyn Adreon, Ronald Davidson, Morgan B. Cox, Sol Shaw, Barney A. Sarcky, Norman S. Hall nach der literarischen Vorlage von Sax Rohmer, R: William Witney/John English K: William Nobles, M: Cy Feuer, D: Henry Brandon (Dr. Fu Man Chu), William Royle (Nayland Smith), Robert Kellard (Alan Parker), Gloria Franklin (Fah Lo Suee), Tom Chatterton (Prof. Randolph), Olaf Hytten (Dr. Petrie). Fu Man Chu will die Weltherrschaft. Batman

A - Filmographie 519

US, s/w, Serie in15 Teilen, P: Columbia, B: Lambert Hillyer, R: Lambert Hillyer, D: Lewis Wilson, Douglas Croft, J. Carrol Naish, Charles Middleton, William Austin. Batman kämpft gegen Dr. Dakas

520 A -Filmographie

Frankenstein Meets the Wolfs Man US, 73min, s/w, P: Universal, George Waggner, B: Curt Siodmak, R: Roy William Neill, K: George Robinson, M: Hans Salter, D: Lon Chaney Jnr. (Wolfsmensch), Ilo- na Massey (Frankenstein), Maria Ouspenskaya, Bella Lugosi (Monster). I Walked With a Zombie US, 69min, s/w, P. Val Lewton, B: Curt Siodmak, Andel Wray, nach einer Vorlage von Inez Wallace, R: Jacques Tourneur, K: J. Roy Hunt, M: Roy Webb, Schnitt: Mark Robson; noch offen 1944 The Lady and the Monster US, 86min, s/w, P: Republic, George Sherman, B: Däne Luster, Frederick Kohner nach der Novelle Donovans Hirn von Kurt Siodmak, R: George Sherman, K: John Alton, M: Walter Scharf, D: Erich von Stroheim, Richard Arlen, Vera Hruba, Mary Nash, Sidney Blackmer, Helen Vinson. Wissenschaftler hält das Gehirn der Teu- felsgestalt lebendig, das sich seiner zu bemächtigen versteht. Return of the Vampire US, P: Columbia, R: Lar Landers, D: Bela Lugosi (Dracula). Dracula wird wiederbe- lebt. The Invisible Man’s Revenge US, 75min, B: Bertram Millhauser, R: Ford Beebe, K: Milton Krasner, SpE: John P. Fulton, M: H.J. Salter, D: Jon Hall (Robert Griffin), John Carradine, Gale Sondergaard, Alan Curtis, Evelyn Ankers. Lester Matthews, Ian Wolfe, Halliwell Hobbes, Billy Bevan, Leon Errol, Doris Lloyd, Leyland Hodgson 1945 House of Frankenstein US, 71min, s/w, P: Universal, Paul Malvern, B: Edward T. Lowe, Kurt Siodmak nach seiner Geschichte The Devil's Blood, R: Erle C. Kenton, K: Georgee Robinson, M: Hans Salter, D: Boris Karloff (Dr. Gustav Niemann), John Carradine (Graf Dracula), Lon Chaney Jnr. (Wolfsmann), Georgee Zucco, J. Carrol Naish (Buckliger) , Anne Gwynne, Elena Verdugo, Lionel Atwill, Sig Rumann, Glen Strange (Monster) (1899- 1973). Ein verrückter Wissenschaftler begibt sich auf Frankensteins Pfad. The Body Snatcher US, 78min, s/w, P: ROK, Val Lewton, B: Philipp MacDonald, Val Lewton nach einer Geschichte von Robert Louis Stevenson, R: Robert Wise, K: Robert de Grase, S; J.R. Whittredge, M: Roy Webb, D: Henry Daniel (Dr. MacFarlane), Boris Karloff (Gray), Bela Lugosi (Joseph), Edith Adwater (Meg), Russel Wade Fettes), Rita Cor- day (Mrs. Marsh), Sharyn Moffett (Georgina), Donna Lee (Straßensängerin), Robert Clarke (Richartson), u.a. Dr. MacFarlane wird ein Opfer seines Famulus. House of Dracula US, 67min, s/w, P: Universal, Paul Malvern, B: Eduard T. Lowe, R: Erle C. Kenton, K: Georges Robinson, M: Edgar Fairchild, D: Onslow Stevens, John Carradine (Dracula), Lon Chaney Jnr., Glenn Strange, Lionel Atwill, Martha O'Driscoll, Jane Adams. Dracula, der Wolfsmann, das Frankenstein Monster und ein Doktor hören nicht auf, sich zu jagen. Jungle Captive US, 63min, s/w, P: Universal, B: M. Coates Webster, Dwight V. Babcock, R: Harold Young, D: Otto Krüger, Phil Brown, Rondo Hatton, Jerome Cowan, Amelita Ward. Ein Wissenschaftler stiehlt den toten Körper einer Äffin und erweckt sie wieder zum Leben. 1946 The Face of Marble US 70min, s/w, P: Monogram, Jeffrey Bernard, B: Michael Jacoby, R: William Beaudine, D: John Carradine, Robert Shayne, Claudis Drake, Maris Wrixon. Ein Wissenschaftler erwacht durch Voodoo aus dem Tod. 1947 Dr. Jekyll and Mr. Mouse R: William Hanna, Joseph Barbera 1948 Abbott und Costello Meet Frankenstein US, 83min, s/w, P: Universal-International, Robert Arthur, B: Robert Lees, Frederic I. Rinaldo, John Grant, R: Charles Barton, K: Charles van Enger, M: Frank Skinner, D: Bud Abbott, Lou Costello, Bela Lugosi (Dracula), Lon Chaney Jnr. (Wolfsmann), Glenn Strange (Fransteins Monster), Lenore Aubert, Jane Randolph. Der Wolfs- mann bekämpft Dracula (Bela Lugosi), der Frankensteins Monster ein kindliches Gehirn einpflanzen will, damit er ein gehorsamer Sklave wird. Eben jenes naive Gemüt glaubt der Vampir von Lou Costello zu bekommen. La Leggenda die Faust / Faust e Margherita

A - Filmographie 521

I, 87min, s/w, P: Gregor Rabinowitsch, B: nach Charles Gounod, Hektor Berlioz, Arrigo, R: Carmine Gallone, D: Gino Mattera, Nelly Corrad, Italo Tajo, Therese Dorny

522 A -Filmographie

1949 La beauté du Diable Italy/France, 96min, s/w, P: Universalia, Franco-London, E.N.I.C., S. D’Angelo, A. Farotti, B: René Clair, Armand Salacrou, R: René Clair, K: Michel Kelber, S: Cuenet, T: R. Biart, M: Roman Vlad, Ba: Léon Barsacq, D: Michel Simon (alter Faust, Mephisto), Gerad Philipe (junger Faust), Simone Valère (Fürstin), Nicole Besnard (Marguerite), Carlo Ninchi (Fürst), Gaston Modot, Paolo Stopa, Raymond Cordy (Uraufführung am 17.3.1950). Tragikomische Faustbearbeitung. (Pakt mit dem Teufel, The Contakt Man) US, 93min, s/w, P: Paramount, Endre Boehm, B: Jonathan Latimer Nach einer Geschichte von Mindret Lord, R: John Farrow, K: Lionel Lindon, M: Franz Waxman, D: Ray Milland (Teufel), Thomas Mitchell (Gouverneur), George Macrready, Fred Clark. Ein Politiker wird von einem Fremden fast zur Korruption verführt, weil er ihm Reichtum und Macht verspricht. Durch die Bibel siegt das Gute über das Böse 1951 The Whip Hand US, 82min s/w, P: RKO, Lewis J. Rachmil, B: George Bricker, Frank L. Moos, R: Wil- liam Cameron Menzis, K: Nicholas Musuraca, M: Paul Swatell, D: Elliott Reid, Clara Balenda, Edgar Barrier, Raymond Burr, u.a. Dr. Wilhelm Buchholtz will den Kom- munismus durch Bakterien verbreiten. The Thing US, 82min, s/w, B: Charles Lederer nach einer Novelle von John W. Campbell jr., R: Christian Nyby, Howard Hawks, K: Russel Harlan, SpE: Linwood Dunn, Donald Tiomkin, D: Kennetn Tobey (Cap. Patrick Hendry), Margaret Sheridan (Nikki Nicholson), Robert Cornthwait (Dr. Carrington), Douglas Spencer (Ned Scott), James Young (Lt. Eddie Dykes), Dewey Martin (Bob), Robert Nichols (Lt. Ken MacPherson), William Self (Sgt. Barnes), Eduard Franz (Dr. Stern), Sally Crighton (Mrs. Chapman), James Arness (Das Ding), John Dierkes (Mr. Chapman), Everett Glass (Prof. Wilson), Edmund Breon (Dr. Ambrose). Wissenschaftler entdecken im arktischen Eis ein vampirartiges Wesen, das ein Weltraumbewohner ist, welcher mit einer fliegenden Untertasse abgestürzt war. El Hombre y la Bestia R: Mario Soffici Il Dottor Jekyll R: Mario Scoffi Son of Dr. Jekyll (Das zweite Gesicht des Dr. Jekyll) US, R: Seymour Friedmans, D: Louis Hayward Valentino US, 105min, Technicolor, P: Columbia, Eduard Small, B: George Bruce, R: Lewis Allen, K: Harry Stradling, M: Heinz Roemheld, D: Anthony Dexter, Eleanor Parker, Richard Carlson, Patricia Medina, Joseph Calleia, Dona Drake, Lloyd Gough, Otto Kruger, u.a. Italienischer Immigrant wird in Hollywood zum romantischen Weltstar. 1952 Alraune BRD, 92min, P: Günther Stappenhoist, B: Kurt Heuser nach dem Roman von Hanns Heinz Ewers, R: Arthur Maria Rabenalt, K: Friedl Behn-Grund, M: Werner Heymann, D: Hildegard Knef (Alraune), Karlheinz Böhm (Frank Braun), Erich von Stroheim (Prof. Ten Brinken), Rolf Henniger, Harry Meyen, Harry Halm, Denis Ver- nac Old Mother Rilly Meets the Vampire D: Bela Lugosi, Wissenschaftler und Besitzer eines Roboters hält sich irrtümlich für einen Vampir 1953 Abbott and Costello meet Dr. Jekyll and Mr. Hyde US, 77min, s/w, P: U-I, Howard Christi, B: John Grant, Lee Loeb, R: Charles Lamont, K: George Robinson, M: Hans Salter, D: But Abbott, Lou Costello, Boris Karloff, Reginald Denny, Craig Stevens, Helen Westcott, John Dierkes Phantom of the Rue Morgue US, 84min, Warnercolor 3-D, P: Warner, Henry Blake, B: Harold Medford, James R. Webb nach der Geschichte "Murders in the Rue Morgue" von Edgar Allen Poe, R: Roy del Ruth, K: Peverell Marly, M: David Buttolph, D: Karl Malden, Claude Dauphin, Steve Forrest, Patricia Medina, Allyn McLerie, Dolores Dorn. Ein Affe wird zum Killer. Bride of the Monster US, 69min, s/w, P: Rolling M, Edward D. Wood, B: Edward D. Wood Jnr., Alex Gordon, R: Edward D. Wood Jnr., D: Bela Lugosi, Tor Johnson, Tony McCoy, Loretta King, Harvey Dunne. Dr. Vornoff experimentiert in einem Sumpfgebiet.

A - Filmographie 523

Donovan‘s Brain US, P: Tom Gries, B: Felix Feist nach der Novelle von Curt Siodmak, R: Felix Feist, K: Joseph Biroe, M: Eddie Dunstedter, D: Lew Ayres, Gene Evans, Nancy Davis, Steve Brodie, Lisa H. Howard The Beast from 20.000 Fathoms US (leitete SF-Boom ein) Haus of Wax (Das Kabinett des Professor Bondi) US, 84min, 3-D, F, P: Warner Brothers, Brain Fox, B: Crane Wilbur nach einer Ge- schichte von Charles Belden, R: Andre de Toth, K: Bert Glennon, Peverill Marley, M: David Buttolph D: Vincent Price, Frank Lovejoy, Phyllis Kirk, Carolyn Jones, Paul Pi- cernd, u.a 1954 Invasion of the Body Snatchers US, 80min, B: Daniel Mainwaring, Sam Peckinpah nach dem Roman Unsichtbare Parasiten von Jack Finney Roman, R. Don Siegel, K. Ellsworth Fredericks, SpE: Milt Rice, M: Carmen Dragon, D. Kevin McCarthy (Dr. Miles Bennell), Dana Wynter (Becky Driscoll), Larry Gates (Dr. Daniel Kaufman), King Donnovan (Jack Velicec), Carolyn Jones (Theodora Velicec), Ralph Dumke (Nick Grivett), Jean Willes (Sally), Virgina Christine (Wilma Lentz), Tom Fadden (Ira Lentz), Beatrice Maude (Oma Grimaldi), Bobby Clark (Jimmy Grimanldi), Sam Peckinpah (Charlie Buchholtz), Richard Deacon (Dr. Bassett), Whit Bissell (Dr. Hill). Außerirdische übernehmen die Körper der Bewohner in Santa Mira. Gojira (Godzilla) J, 90min, B: Takeo Murata, Inoshiro Honda, LV: Shigeru Kayama, R: Inoshiro Hon- da, K: Maseo Tamai, Guy Roe, SpE:EijiTsuurubaya Akira Watanabe, Hiroshi Mu- koyama, Kuichiko Kashida, M: Akira Ifukube D: Raymond Burr (Steve Martin), Ta- kashi Shimura (Prof. Yamane)Momoko Kochi (EmikoYamane), Tomoyuki Tanaka (Gojira), Akira Takarada (Ogata), Akihiko Hirata, Fujuki Murakami, Sachio Sakei, To- raasuke Ogawa u.a. Durch Atomversuche wachte das Drachenwesen auf und be- droht Tokio. Creature from the Black Lagoon (Der Schrecken des Amazonas) US, 79min, s/w, 3-D, P: Universal, William Alland, B: Harry Essex, Arthur Ross nach einer Geschichte von Maurice Zimm, R: Jack Arnold, K: William E. Snyder, M: Jo- seph Gershenson, D: Richard Carlson (David Reed), Julia Adams (Kay), Richard Denning (Mark Williams), Antonio Moreno (Carl Maia), Nestor Paiva (Lucas), Whit Bissell (Dr. Thompson), Bernie Gozier (Zee), Henry Escalante (Chico). Im Amazo- nas Gebiet entdecken Wissenschaftler ein Geschöpf, das halb Mann, halb Rie- senechse ist 1955 Dr. Jekyll´s Hide P: Warner Brothers Marguerite de la Nuit F/I, 128min, Technicolor, P: SNEG/Gaumont Actualités/Cino del Duca, Léon Carré, B: Ghislaine Autant-Lara nach dem Roman von Pierre Mac Orlan, Gabriele Arout, R: Claude Autant-Lara, K: Jacques Natteau, M: René Cloere, D: Michèle Morgan, Yves Montand, Jean François Calvé, Massimo Girotti. Alter Mann paktiert mit dem Teufel ein, um seine Jugend zurück zu erlangen. Tarantula US, 80min s/w, P: U-I, William Alland, B: Robert M. Freco, Martin Berkely, R: Jack Arnold, K: George Robinson, D: Leo G. Carroll (Prof. Gerald Deemer), John Agar (Dr. Matt Hastings), Mara Corday Stephanie Clayton), Nestor Paiva (Sheriff Jack Andrews) u.a. Prof. Deemer züchtet riesengroße Tiere. Eine Spinne entkommt aus dem Labor und bedroht die Stadt. Forbidden Planet (Alarm im Weltall) US, 98min, Eastmancolor, Cinemascope, P: MGM, Nicolas Nayfack, B: Cyril Hune, R: Fred M. Wilcox, K: George Folsey, M: Louis and Bebe Barron, AD: Cedric Gibbons, Arthur Lonergan, D: Walter Pidgeon, Anne Francis, Leslie Nielsen, Warren Steven, Jack Kelly, Richard Anderson, Earl Hoffmann. Handlungsgerüst nach Shakespeares The Tepest. Dr. Morbins lebt als einziger Überlebender auf dem Planeten Altair. The She-Creature US, s/w, P: American International Picture, Alex Gordon, B. Lon Rusoff nach einer Idee von Jerry Zigmond, R: Edward L. Cahn, K: Frederick E. West, M: Ronald Stein, D: Chester Morris, Tom Conway, Cathy Downs, Lance Fuller, Ron Randell, Frieda Inescord, Marla English

524 A -Filmographie

1956 Invasion of the Body Snatcher US, s/w, P: Walter Wanger, B: Daniel Mainwaring nach einer Erzählung von Jack Finney, R: Don Siegel, K: Ellsworth Fredericks, M: Carmen Dragobn, D: Kevin McCarthy, Dana Wynter, Larry Gates, King Donovan, Carolyn Jones, Jean Willes, Ralph Dumke, Virginia Christine, u.a. Ufo-Wissenschaftler entdecken Invasion aus dem All.

A - Filmographie 525

1957 Un Amore De Poche F, 90min, Franz Roche nach der literarischen Vorlage von Waldemar Kämpfert, R: Pierre Kast, K: Ghislain Cloquet, M: Cogo Goragher, Georg Delerue, D: Jean Marais, Geneviéve Page, Agnès Laurant. Biologe erfindet Mittel, das Menschen schrumpfen läßt. Night of The Demon GB, 95min, s/w, P: Sabre, Hal E. Chester, B: Charles Bennett, Hal E, Chester nach der Story Casting the Runes von M. E. James R: Jacques Tourneur, K: Ted Scaife, S: Michael Gordon, M: Cilfton Parker, D: Dana Andrews (John Holden), Peggy Cummings (Joanna Harrington), Niall McGinnis (Dr. Karswell), Maurice Denham (Prof. Carrington) The Vampire US, 74min, s/w, P: UA/Gardner-Levy, B: Pat Fielder, R: Paul Landres, K: Jack Mackenzie, M: Gerald Fried, D: John Beal, Colleen Gray, Kenneth Tobey, Lydia Reed. Wissenschaftler entwickelt Essenz, die ihn in einen Vampir verwandelt. Bund Vynálz skázy (Die Erfindung des Verderbens) CSSR, s/w, z.T. Zeichentrick, R: Karel Zeman, B: Karel Zeman und Frantisek Hrubin nach dem gleichnamigen Roman von Jules Verne, K: Jiri Tarantík, D: Lubor Toskós, Arnost Navrátil, Jana Zatloukalová. Professor Roch und sein Assistent werden entführt, um dem Bösen zur Weltherrschaft zu verhelfen. Daughter of Dr. Jekyll US, 74min, s/w, P: Allied Artist, B: Jack Pollexten, R: Edgar C. Ulmer, D: Arthur Shields, John Agar, Gloria Talbott, John Dierkes. Dr. Jekylls Tochter erschient als Verursacherin von Werwolf-Morden. Blood of Dracula (Blood is my Heritage) US, R: Herbert L. Strock. Chemielehrer verwandelt Schülerin in blutsaugendes Monster. The Curse of Frankenstein GB, 83min, Eastmancolor, P Hammer Produktions Ltd., Anthony Hinds, B: Jimmy Sangster, R: Terence Fisher, K: Jack Asher, M: James Bernhard, S: James Needs. D: Peter Cushing (Baron Viktor Frankenstein), Christopher Lee (das Geschöpf), Hazel Court (Elisabeth), Robert Urquhart (Paul Krempe), Valerie Gaunt (Justine), Noel Hood (Tante Sophie), Melvyn Hayes (der junge Victor), Paul Hardtmuth (Prof. Bernstein). 1958 The Revenge of Frankenstein (Frankensteins Rache) GB, 89min, Technicolor, P: Hammer Production Ltd., Anthony Hinds, B: Jimmy Sangster, Hurford Janes, R: Terence Fisher, K: Jack Asher, S: James Needs, M: Leonard Salzedo, D: Peter Cushing (Dr. Viktor Stein), Michael Gwynn (Karl), Oskar Quitak, Francis Metthews (Dr. Hans Kleve), Eunice Gayson (Margaret), John Welsh (Bergmann), Lionel Jeffries (Fritz), Richard Wordsworth, Charles Lloyd Pack, John Stuart, Arnold Diamond. Frankenstein erschafft Kreatur mit dem Gehirn eines Kleinwüchsigen. Frankenstein '70 (Die Hexenküche des Dr. Rambow) US, 83min, s/w, Cinemascope, P: Allied Artists, Aubrey Schenck, B: Richard Landau, Georges Warthing Yates, R: Howard D. Koch, K: Carl Guthric, M: Paul A. Dunlap, D: Boris Karloff (Dr. Rambow), Tom Duggan, Jana Lund, Mike Lane (Mutter). Fernsehregisseur dreht in Frankensteins Schloß. Frankensteins Daughter US, 85min, s/w, B: H.E. Barry, R: Richard E. Cunba, K: Meredith Nicholson, SpE: Ira Anderson, Maske: K: Harry Thomas, M: Nicolas Carras, D: John Ashley (Johnny Bruder), Sandra Knight (Trudy Morton), Donald Murphy (Oliver Frank, Frankenstein), Sally Todd (Suzie, das Monster), Harold Lloyd Jnr. (Don), Felix Locher (Professor Carter Morton), Wofe Barzell (Elsa). Frankensteins Enkel pflanzt einen Frauenkopf auf einen Männerkörper. Blood of the Vampire GB, 85min, Eastmancolor, P: Baker/Berman/Artistes Alliance, B: Jimmy Sangster, R: Henry Cass, D: Donald Wolfit, Barbara Shelley, Vincent Bal, Victor Maddern, Andrew Faulds. Dracula GB, 82min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd , Anthony Hinds, B: Jimmy Sangster nach Bram Stokers Roman, R: Terence Fisher, K: Jack Asher, S: James Needs, M: James Bernhard, D: Peter Cushing (Prof. van Helsing), Christopher Lee

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(Graf Dracula), Melissa Stripling (Mina), Carol Marsh (Lucy), Michael Gough (Arthur),Olga Dickie (Gerda), John Van Eyssen (Jonathan Harker), Valerie Gaunt (Vampirin), Miles Malleson.

A - Filmographie 527

Misterios de la Magia negra (Das Grab des Dr. Caligari) Mexiko, R: Mirguel M. Delgado House on Haunted Hill (Die silbernen Särge des Dr. Horror) US, 75min, s/w, P: Allied Artists, William Castle, B: Robb White, R: William Castle, K: Carl Guthric, M: von Dexter, D: Vincent Price, Richard Long, Carol Ohmart, Alan Marshal, Elisha Cook Jnr. Ein Haus, in dem verschiedene Morde begangen wur- den, ist der Hintergrund für eine Millionärsparty The Return of Dracula US, 77min, s/w, P: UA/Gramercy, Jules V: Levy, Arthur Gardner, B: Pat Fielder, R: Paul Landres, K: Jack McKenzie, M: Gerald Fried, D: Francis Lederer, Norma Eberhardt, Ray Stricklyn, Jimmy Baird, John Wengraf. Ein europäischer Vampire kommt in eine amerikanische Kleinstadt. Horrors of the Black Museum R: Arthur Crabtree (nach Jekyll und Hyde) The Fly US, 94min, Eastmancolour, CinemaScope, Stereophon, P: Twentieth-Fox Film Corp, Kurt Neumann, B: James Clavell, nach der gleichnamigen Kurzgeschichte- von George Langelaan, R: Kurt Neumann, K: Karl Struss, SpE: Lyle B. Abbott, S: Merill G. White, Bau: Walter M. Scott, Eli Benneche, Kost: Adele Balkan, Ton: Euge- ne Gertsman, Harry M. Leonard, M: Paul Sawtell, D: Al „David“ Hedison (André Del- lambre), Patricia Owens (Hélène Dellambre), Herbert Marshall (Philippe) Vincent Price (François), Herbert Marshall, Kathleen Freeman u.a. Wissenschaftler wird durch Selbstversuch zurFliege. 1959 The Return of the Fly US, 80min, s/w, P: Bernhard Glasser/TCF, B: u. R: Edward Bernds, D: Vincent Price, Brett Halsey, John Sutton, David Frankham, Dan Seymour. Den Sohn trifft das Schicksal des Vaters. Le Testament Du Docteur Cordelier F, s/w, P: R.T.F. - S.O.F.I.R.A.D. u. Compagnie Jean Renoir, B: (nach der Novelle Dr. Jekyll and Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson) Jean Renoir, R: Jean Renoir, K: Georges Lederc, M: Joseph Kosma, D: Jean-Louis Barrault (Doktor Cordelier, Opal), Teddy Bilis, Sylviane Margotte, Jean Topart, Michel Vitold, Micheline Gary, Jacques Daunnoville, André Certes, u.v.a. Les Yeux Sans Visagen (The Horror Chamber of Dr. Faustus) F/I, 124min, s/w, P: Champs-Elysées, Lux-Film-Roma, Jules Borkon, B: Boileau- Narcejac, Jean Redon, Claude Sautet nach dem Roman von Jean Redon, Dialoge: Pierre Gascar, R: Georges Franju, K: Eugen Shuftan, M: Maurice Jarre, SpE: Henri Assola, D: Pierre Brasseur (Professor Génessier), Alida Valli (Louise), Edith Scob (Christiane Génessier), François Guerin (Jaques Vernon), Beatrice Altariba (Paulette Mérodon), Alexandré Rignault (Inspektor Parot). Professor hört nicht auf, am Gesicht seiner Tochter herumzudoktern. The Flesh and the Fiends GB, 97min, s/w, Dyaliscope, P: Regal/Triad, Robert Baker, Monty Berman, B: John Gilling, Leo Griffith, R: John Gilling, K: Monty Berman, M: Stanley Black, D: Peter Cushing, June Laverick, George Rose, Donald Pleasence, Renée Houston, Billi Whitelaw, Dermot Walsh. (The Body Snatchers) Dr. Knox stiehlt Leichen als Stu- dienobjekte. A Bucket of Blood (Das Vermächtnis des Prof. Bondi) US, 65min, s/w, P: alta Vista, Roger Cormann, B: Charles B. Griffith, R: Roger Cormann, K: Jack Marquette, M: Fred Katz, D: Dick Miller, Barboura Morris, Anthony Carbone, Ed Nelson. The Ugly Duckling US, R: Lance Comfort (nach Jekyll/Hyde) The Time Machine US, 95min, F, P: Walt Disney, R: Georg Pal, B: David Duncan nach der gleichnamigen Geschichte von H. G. Wells, K: Paul C. Vogel, SpE: Gene Warren, Wah Chang, M: Russel Garcia, D: Rod Taylor (George), Alan Young (David Filby, James Filby), Yvette Mimieux (Weena), Sebastian Cabot (Dr. Hillyer), Tom Helmore (Anthony Bridewell), Whit Bissell (Walter Kemp), Doris Lloyd (Mrs. Watchell). George hat eine Zeitmaschine konstruiert.

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1960 Brides of Dracula GB, 85min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd Hotspur, Anthony Hinds, B: Jimmy Sangster, Peter Brayn, Eduard Percy, R: Terence Fischer, K: Jack Asher, M: MacColm Willamson, SpE: James Needs, D: Alfred Cox, David Peel (Baron Meinster), Peter Cushing (Prof.van Helsing), Freda Jackson Greta), Martiita Hunt (Baronin Meinster), Yvonne Monlaur (Marianne Danielle), Andrée Melly (Gina), Mona Washbourne (Frau Lang), Henry Oscar (Herr Lang), Miles Malleson. Baron Meinster wird von seiner Mutter gefangengehalten. Faust BRD, 128min, F, P: Divina-Film, R: Peter Gorski (Inszenierung: Gustav Gründgens, Schauspielhaus Hamburg), B: Gustav Gründgens, K: Günther Anders, M: Mark Lo- thar, D: Will Quadflieg (Faust), Gründgens (Mephisto), Ella Büchi (Gretchen), Elisa- beth Flickenschild (Marthe), Hermann Schomberg (Theaterdirektor), Eduard Marks (Valentin), Uwe Friedrichsen (Schüler), Heinz Reinecke (Frosch), u.a. The lost World US, 98min, De Luxe cinemascop, P: TCF/Saratoga, P:/B:/R: Irwin Allen, Co-B: Charles Bennett nach der Novelle von Conan Doyle, K: Winton C. Hoch, M: Bert Sheftler, Paul Sawtell, D: Claude Rains, Michael Rennie, David Hedison, Richard Haydn, Fernando Lamas, Jill St. John, Ray Stricklyn (Remake von 1924) The Two Faces of Dr. Jekyll (Schlag 12 in London) GB, 88min, Technicolor, Megascope, P: Hammer Productions Ltd., Michael Carreras, Anthony Nelson-Keys, B: Wolf Mankowitz nach der Novelle The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson, R: Terence Fisher, K: Jack Asher, S: James Needs, M: Monty Norman, D: Paul Massie (Jekyll/Hyde), Dawn Addams (Kitty Jekyll), Christopher Lee (Paul Allen), David Kossoff (Litauer), Francis De Wolff (Inspektor). Il Mio Amigo, Jekyll R: Marino Girolami Die tausend Augen des Dr. Mabuse BRD, 100min, s/w, P: Artur Brauner, Idee: Jan Fethge, Co-B: Heinz Oskar Wuttig, Co-B/R: Fritz Lang, K: Karl Löb, D: Gert Fröbe (Kommissar Lehmann), Dawn Ad- dams, Peter van Eyck, Wolfgang Preiss (Dr. Mabuse, Peter Cornelius), Werner Pe- ters, David Cameron, Andrea Checci, Marie-Luise Nagel, Howard Vernon, Bernhard Kolldehoff, Jean-Jaques Delbo. Dr. Mabuse hat die Abhöranlage der Nazis im Lu- xushotel Luxor mit entsprechender Fernsehüberwachung erweitert. Mabuse will die Weltherrschaft erlangen. Hands of Orlac GB/F, 105min, s/w, P: Riviera/Pendennis, Steven Pallos, Don Taylor, B: John Baines nach dem Roman von Maurice Renard, R: Edmond T. Grévill, K: Desmond Dickinson, M: Claude Bolling, D: Mel Ferrer, Donald Wolfit, Cristopher Lee, Dany Carel, Felix Aylmer, Basil Sydney, Donald Pleasence (Remake von 1924, 1935) 1961 The Cabinet of Caligari US, P: Roger Kay, B: Robert Bloch, R: Roger Kay, K. John Russel, M: Gerald Fried, D: Dan O'Herliky, G. Johns, Erstelle Winwood, Vicky Trickett, u.a. Im Stahlnetz des Dr. Mabuse BRD, I, F, 98min, s/w, P: Arthur Brauner, B: Marc Behm, Ladislav Fodor, R: Harald Reinl, K: Karl Löb, Ernst Kalinke, D: Lex Barker (Joe Como), Gerd Fröbe (Kommis- sar Lehmann), Daliah Lavi (Maria Sabrehim) Wolfgang Preiss (Dr. Mabuse) Tozzi, Joachim Mock, Laure Sclarin. Mabuse bemächtigt sich Professor Sanrehim. Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse BRD, 89min, s/w, P: Arthur Brauner, B: Ladislas Fodor, R: Harald Reinl, K: Ernst W. Kalinke, M: Peter Sandloff, D: Lex Barker (Joe Como), Karin Dor (Liane Martin), Siegfried Lowitz (Kommissar Brahm), Wolfgang Preiss (Primarius Krone), Rudolf Fernau (Prof. Erasmus), Kurd Pieritz (Dr. Barhoff), Walo Lüönd (Hase) Heinrich Gies (Optiker), Hans Schwarz (Max), Carl de Voigt (Empfangchef) Alain Dijon (Nick Prado), Werner Peters (Martin Droste). Mabuse bemächtigt sich Prof. Erasmus. The Absent-Minded-Professor US, 97min, s/w, P: Walt Disney, Bill Walsh, B: Bill Walsh, R: Robert Stevenson, K: Eduard Colman, M: George Bruns, SpE: Robert A. Mattey, Peter Ellenshaw, Eustace Lycett, D: Fred MacMurry, Tommy Kirk, Keenan Wynn, Nancy Olson, Leon Ames, Ed Wynn, Edweard Andrews. Dr. Blood´s Coffin

A - Filmographie 529

B, Eastmancolor, 92min, P: UA/Caralan, B: Jerry Juran, R: Sidney J. Furie, K: Stephen Dade, M: Buxton Orr, SpE: Lee Bowie, Peter Nelson, D: Hazel Court, Ian Hunter, Fred Johnson, Kenneth J. Warren, Andy Alston. Biochemiker verpflanzt ein Herz. 1962 Dr. No GB, 111min, Technicolor, P: UA, Econ, Harry Salzmann, Albert R. Broccoli, B: Ri- chard Maibaum, Joanna Harwood, Berkley Mathen nach dem gleichnamigen Ro- man von Ian Flemming, R: Terence Young, K: Ted Moore, M: Monty Norman, Sean Connery (James Bond), Ursula Andress (Honey), Jack Lord (Felix Leiner), Joseph Wiseman (Dr. No), John Kitzmiller, Bernhard Lee, Lois Maxwell, Zena Marshall, En- rice Gayson, Anthony Dawson (Prof. Dent). Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse BRD, 89min, s/w, P: Artur Brauner, B: Ladislav Fador nach einer Idee von Artur Brauner, R: Harald Reinl, K: Ernst W. Kalinke, SpE: K. L. Ruppel, M: Peter Sandhoff, D: Lex Barker (Joe Como), Karin Dor (Liane Martin), Siegfried Lowitz, Wolfgang Preiss (Dr. Mabuse), Rudolf Fernau, Werner Pezors, Kurt Presitz, Werner Blum, Hans Lewarz, Walo Lüönd, Heinz Cues, Alan Dylan. Mabuse emächtigt sich Pro- fessor Erasmus. Das Testament des Dr. Mabuse BRD, 85min, s/w, P: Filmkunst GmbH Berlin, Artur Brauner, B: Ladislav Fador, R. A. Stemmle nach einer Idee von Thea von Harbou, R: Werner Klingler, K: Albert Benitz, M: Raimund Rosenberger, D: Gert Fröbe (Kommissar Lehmann), Senta Berger, Helmut Schmid, Charles Rengier, Wolfgang Preiss (Dr. Mabuse), Harald Juhnke, Leon Askin, Ann Savo, Zelv Serlinski, Albert Bessler, Arthur Schiski. Aus Prof. Pol- lant wird Dr. Mabuse. Ein Toter sucht seinen Mörder (Vengeance) GB/BRD, 90min, B: Philip Mackie, Robert Stewart nach dem Roman Donovans Brain von Curt Siodmak, R: Freddie Francis, K: Bob Huke, M: Ken Jones, D: Anne Heywoos (Anna Holt), Peter von Eyck (Dr. Corrie), Cecil Parker (Stevenson), Bern- hard Lee, Ellen Schwiers, Maxine Audley, Jeremy Spencer, Siegfried Lowitz, Hans Nielson, Dieter Borsche u.a. Dr. Corrie experimentiert mit dem menschlichen Ge- hirn. The Nutty Professor US, 107min, Technicolor, P: Paramount, Jerry Lewis, Ernst D. Glucksman, B: Jerry Lewis, Bill Richmond, R: Jerry Lewis, K: Wallace Kelly, S: John Woodcock, Bau: Haal Peereira, Walter Tyler, Kost: Edith Head, M: Walter Scharf, D: Jerry Lewis (Prof. Julius S. Kelp, Buddy Love), Stella Stevens (Stella Purdy), Del Moore (Dr. Warfield), Howard Morris, Kathleen Freeman (Miß Lemmon), Elvira Allman, Milton Frome, Buddy Lester, Marvin Caplan, Skip Ward, Henry Gibson. Chemiker entwickelt Eli- xier, das ihn in einen Rockstar verwandelt. 1963 The Raven US, 86min, Pathé Color, Panavision, P: American International Pictures, Roger Corman, B: Richard Matheson nach dem gleichnamigen Gedicht von E. A. Poe, R: Roger Corman, K: Floyd Crosby, SpE: Pat Dinga,S: Ronald Sinclair, M: Les Baxter, D: Vincent Price (Dr. Erasmus Craven), Peter Lorre (Dr. Bedlo), Boris Karloff (Dr. Scarabus), Hazel Court (Lenore Craven), Olive Sturgess (Estelle Craven), Jack Nicholson (Rexford Bedlo) u.a. Duell der Zauberer. Dr. Strangelove, or: How I learned to stop worrying and love the Bomb GB, 93min, s/w, P: Columbia, Stanley Kubrick, Victor Lyndon, B: Stanley Kubrick, Terry Southern, Peter George nach derNovelle Red Alert von Peter George, R: Stanly Kubrick, K: Gilbert Taylor, SpE: Wally Veevers, M: Laurie Johnson, D: Peter Sellers (Capt. Linoel Mandrake, Präsident Muffley, Dr. Seltsam) George G.Scott (Gen, Buck Turgidson), Peter Bull (Botschafter de sadesky), Sterlin Hayden (Gen. Jack D. Ripper), Keenan Wynn (Col. Bat Guano), Slim Pickens (Major King Kong), Tracy Reed (Miß Scott), James Earl Jones, Jack Creley, Frank Berry, Glenn Beck, Shane Rimmer, Paul Tamarin, Gordon Tanner, Robert O’Neil, Roy Stephens, Laurence Herder, John McCarthy, Hal Galili. Nach einem nuklearen Angriff auf die Sowjetunion tritt die Weltvernichtungsmaschine in Kraft. The Man with the X-Ray Eyes US, 88min, F, P: Roger Corman, B: Robert Dillon, Ray Russel, R: Roger Corman, K: Floyd Crosby, SpE: Butler/Glouner, M: Les Baxter, D: Ray Milland (Dr. James Xavier), Diana van der Vlis, Harold J. Stone, John Hoyt, Don Rickles, Lorie Sunners, John Dierkes, Vicki Lee, Carol Irey, Katherine Hart. Dr. Xavier hat das X-Serument

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entwickelt, das ihn durch Materie blicken läßt. Scottland Yard jagt Dr. Mabuse BRD, P: Artur Brauner, B: Ladislav Fodor nach dem Roman "The Device von Bryan" von Edgar Wallace und Norbert Jaques, R: Paul May, K: Nenad Jovicic, M: Rolf Wilhelm, D: Peter von Eyck, Sabine Bethmann, Dieter Borsche, Werner Peters, Klaus Kinski, Wolfgang Preiss (Dr. Mabuse), Agnes Windeck, Ruth Wilbert, Hans Nielson u.a. 1964 Kiss of the Vampire GB, 88min Eastmancolor, P: Hammer Productions Ltd, Anthony Hinds, B: John Elder (Anthony Hinds), R: Don Sharp, K:Alan Hume, S: James Needs, M: Jamrs Bernard, D: Noel Willman (Dr. Ravna), Clifford Evens (Prof. Zimmer), Edward de Souza (Gerald Harcourt), Jennifer Daniel (Marianne Harcourt), Isobel Black. Hoch- zeitspaar begegnet Dracula. The Evil of Frankenstein GB, 94min, Eastmancolor, P: Hammer Productions Ltd, Anthony Hinds, B: John Elder (Anthony Hinds), R: Freddie Francis, K: John Willcox, S: James Needs, M: Don Banks, D: Peter Cushing (Baron Frankenstein), Peter Woodthorpe (Zoltan), Sandor Eles (Hans), Kiwi Kingston (das Geschöpf), Duncan Lamont (Polizeichef), Katy Wild, David Hutcheson. Frankensteins Forschungen werden ausgenutzt. Seven Faces of Dr. Lao US, 100min, Metrocolor, P: MGM, George Pal, B: Charles Beautmont nach der Novelle The Circus of Dr. Lao von Charles G. Finney, R: George Pal, K: Robert Bronner, M: Leigh Harline, Makeup: William Tutle, D: Tony Randall, Arthur O'Conell, John Ericson, Barbara Eden, Noah Beery Jnr., Lee Patrick, Minvera, Urecal, John Qualen Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse BRD, 87min, s/w, P: Artur Brauner, B: Ladislav Fodor nach Norbert Jaques, Dr. Ma- buse. Medium des Bösen, R: Hugo Fregonese, K: Riccardo Pallottini, M: Carlos Diernhammer, elektronische Musik: Oskar Sala, D: Peter van Eyck (Major Anders), O. E. Hasse, Yvonne Faurreaux, Rika Dialina, Wolfgang Preiss (Dr. Mabuse), Wal- ter Rilla, Ernst Schröder, Robert Beatty, Valery Inkljinoff, Dieter Eppler, Claudio Go- ra, Gustav Rojo, Massimo Pietroben, Charly Fawcett. Prof. Larson hat Todesstrah- len entwickelt. The Gorgon (Die brennenden Augen von Schloß Bartimore) GB, F, P: Hammer Film Ltd., Anthony Nelson-Keys, B: John Gilling nach einer Ge- schichte von J. Llewellyn Devine, R: Terence Fisher, K: Michael Reed, AD: Bernhard Robinson, SM: Roy Ashton, S: James Needs, M. James Bernhard, D: Peter Cu- shing (Prof. Namaroff), Richard Pasco (Paul) Barbara Shelley (Carla Hoffmann), Christopher Lee (Prof. Meister), Michael Goodliffe (Prof. Heitz), Patrick Troughton (Kanof), Jack Watson (Ratloff) Dottor Jekyll R: Guardamagna 1965 Village of the Giants US, 82min, F, B: Alan Caillou, Paul C. Vogel, R: Bert I. Gordon, M: Jack Nitzsche, D: Tommy Kirk (Mike), Tisha Sterling (Jean), Beau Bridges (Fred), Johnny Crawford (Horsey), Ronny Howard (Genius), Charla Doherty (Nancy), Joy Harmon (Merrie), Tim Rooney (Pete), Kevin O’Neal (Harry), Bob Random (Rick). Junggenie entwickelt Substanz, die ihn in einen Riesen verwandelt. Berl Terrore Nello Spazio (Terror en el Espacio, Planet der Vampire) I/ESP, 86min, F, B: Callisto Cosulich, Antonio Roman, Alberto Belvilacqua, R: Mario Bava, K: Antonio Rinaldi, M: Gino Marinuzzi, D: Barry Sullivan (Capt. Mark Markary), Norma Bengell (Sanya), Angel Aranda (Wess), Evi Morandi (Tiona), u.a. Aliens ü- bernehmen menschliche Körper. Doctor Terror's House of Horrors (Die Todeskarten des Dr. Schreck) GB, 98min Techniscope, P: Amicus, Milton Subotsky, B: Milton Subotsky, R: Freddy Francis, K: Alan June, M: Elisabeth Lutyns, D: Peter Cushing (Dr. Terror), Ursula Howells, Max Adrian, Roy Castel, Alan Freeman, Bernhard Lee, Jeremy Kemp, Kenny Lynch, Christopher Lee, Michael Gough, Donald Sutherland. Dr. Terror er- zählt seinen Mitreisenden Gruselgeschichten. Frankenstein - der Schrecken mit dem Affengesicht (Furankenshutain Tai Baragon/ Frankenstein Conquers the World) Japan,US, 87min, F, B: Kaoru Macuchi, R: Inoshiro Honda, K: Hajime Koizumi, SpE: Eiji Tsuburaya, D: Nick Adams (Dr. James Bowen). Frankensteins Herz befindet

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sich in einer Nährlösung auf dem Weg nach Japan. Aus einem Herz wird ein Affe. The Face of Fu Man Chu GB, 96min, Techniscope, P: Anglo-Emi)/Hallam, Harry Alan Towers, B: Peter Welbeck, Harry Alan Towers, R: Don Sharp, K: Ernest Steward, M: Chris Whelan, D: Nigel Green, Christopher Lee, Tsai Chin, Howard Marion Crawford. Scotland Yard Dr. Fu Man Chu. Dr. Who and the Daleks GB, 83min, Technicolor, P:British Lion,Regal, Aaru, Milton Subotsky, Max J. Rosenberg, B: Milton Subotsky, R: Gordon Femyng, K: John Wilcox, M: Malcom Lockyer, D: Peter Cushing, Roy Castel, Jennie Linden, Roberta Tovey, Barrie Ingham. Zeitmaschine landet auf einem Planeten, auf dem Roboter herrschen. Dr. Goldfoot and the Bikini Machine US, 90min, Pathecolor/Scope, B: Elwood Ullman, Robert Kaufman nach einer Geschichte von James Hartford, R: Norman Taurog, K: Sam Leavitt, M: Les Baxter, D: Vincent Price, Frankie Avalon, Dwayne Hickman, Susan Hart, Jack Mullaney, Fred Clark, Vincent L. Barnett, Milton Frome, Patte Chandler, u.a. Maschine produ- ziert Frauen. Dracula Prince of Darkness ( Blut für Dracula) GB, 90min Techniscope, P: Hammer Productions Ltd., Seven Arts, Anthony Nelson- Keys, B: John Sansom, nach Bram Stoker und einer Idee von John Elder (Anthony Hinds), R: Terence Fisher, K: Michael Reed, S: James Needs, M: James Bernard, D: Christopher Lee (Graf Dracula), Barbara Shelley (Helen) , Thorley Walters, Andrew Keir (Pater Sandor), Francis Matthews (Charles), Suzan Farmer (Diana), Charles Tingwell (Alan), Thorley Walters (Ludwig). Dracula wird wiederbelebt. 1966 Fahrenheit 451 GB, 112min Technicolor, P: Rank/Anglo, Enterprice/Vineyard, Lewis M. Allen, B: François Truffaut u. Jean-Louise Richard nach Ray Bradburg, R: François Truffaut, K: Nicholas Roeg, SpE: Les Bowie, Charles Staffel, M: Bernhard Hermann, Design: Tony Walton, D: Oskar Werner (Montag), Julie Christie (Linda Montag, Clarisse), Cyrill Cusack (Hauptmann), Anton Diffring (Fabian), Jeremy Spenser (der Mann mit dem Apfel), Bee Duffell (Bücherfrau), Anne Bell (Doris), Caroline Hunt (Helen), An- na Palk (Jackie) Roma Milne (Nachbarin), Arthur Cox, Eric Mason (Krankenpfleger), Alex Scott (Stendal: Das Leben des Henry Brulard), Denis Gilmore (Bradbury: Die Mars Chroniken), Fred und Frank Cox (Jane Austen: Stolz und Vorurteil), Michael Balfour (Machiavelli: Der Fürst), David Glover (Dickens: Die Pickwicker), Judith Dry- nan (Platon: Der Staat), Yvonne Blake (Satre: Die Judenfrage, John Rae (Stevenson Weir von Hermiston). In einem Zukunftsstaat ist es die Arbeit der Feuerwehr, Bü- cher zu verbrennen. Dr. Goldfoot and the Girl Bombs US/I, 80min, Int´l color, P: AIP, B: Louis M. Heyward, Robert Kaufmann nach einer Geschichte von Fulvio Lucisano, R: Mario Bava, K: A. Rinaldi, D: Vincent Price, Fabian Forte, Franco Franchi, Laura Antonelli. Dr. Goldfoot will einen Weltkrieg an- zetteln. Brides of Fu Man Chu GB, 94min, Eastmancolor, P: Angol Amalgamated, B: Harry Alan Towers (Peter Welbeck), R: Don Sharp, D: Christopher Lee, Douglas Wilmer, Howard Marion Crawford, Marie Versini, Tsai Chin, Rupert Davis. Fu Man Chu kidnappt 12 Frauen. Torn Curtain US, 119min, Technicolor, P: Universal, Alfred Hitchcock, B: Brian Moore, R: Alfred Hitchcock, K: John F. Warren, M: John Addison, D: Paul Newman, Julie Andrews, Wolfgang Kieling, Ludwig Donath, Lila Kedrova, Hans-Jörg Felmy, Tamara Touma- nova. Amerikanischer Wissenschaftler jagt sowjetischen Kollegen mathematische Formel ab. Batman US, 105min, F, B: Lorenzo Semple, R: Leslie H. Martinson, Ray Kellog, K: Howard Schartz, Jack Marta, M: Nelson Riddle, D: Adam West (Bruce Wayne, Batman), Burt Ward (Dick Grayson, Robin), Lee Meriwether (Katzenweib, Kitka), Burgess Meredith (Pinguin), Frank Gorshim (Rätselknacker), Alan Napier (Alfred), Neil Hamilton (Poli- zeipräsident Gordon), Stafford Rapp (O’Hara), Reginal Denny (Commodore Schmidlapp), Gil Perkins (Blaubart), Dick Crockett (Morgan), Georg Sawaya (Quetch). The Projected Man (Frankenstein '70 - Das Ungeheuer mit der Feuerklaue) GB, 90min, F, B: John C. Cooper, Peter Bryan, R: Ian Curteis, Story: Frank

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Quattrocchi, K: Stanley Pavey/Brain Rhodes, SpE: Flo Nordhoff, Robert Hedges, Mike Hope, Maske: Eric Carter, M: Kennth v. Jones, D: Bryant Haliday (Prof. Steiner), Mary Peach (Dr. Pat Hill), Normann Woodland (Dr. Blanchard), Ronald Allen (Dr. Christopher Mitchell), Derek Farr (Inspektor Davis), Tracy Crips (Sheila Anderson) Derrick de Marney (Latham), Gerhard Heinz (Prof. Lehmbach), Sam Kid (Harry) Terry Scully (Steve), Norma West (Gloria), Frank Gatliff (Dr. Wilson). Prof. Steiner wird nach Selbstversuch zum Monster. Furankenshutain No Kaiju (Frankenstein - Zweikampf der Giganten) J, 77m, F, B: Kaoru Mabuchi, Inoshiro Honda, R: Inoshiro Honda, K: Haijime Koi- zumi, SpE: Eiji Tsuburaya, M: Akira Ifukube, D: Russ Tamblyn (Dr. Kitei), Kuni Mizu- no (Akemi, Assistentin), Kenji Sahara (Assistent), Kipp Hamilton, Jun Tazaki. Dr. Kitei erschuf Riesenmonster, die sich in Tokio eine Schlacht liefern.

A - Filmographie 533

The Frozen Dead GB, 95min, Eastmancolor, P: Goldstar, Seven Arts, B/R: Herbert J. Leder, D: Dana Andrews, Anna Palk, Philip Gilbert, Karel Stepanek, Kathleen Breck. Deutscher Wissenschaftler will Nazioffiziere wiederbeleben. Fantastic Voyage US, 101min, F, (Stereo), P. FOX, B: Harry Kleiner nach einer Erzählung von Isaac As imov, David Duncan, R: Richard Fleischer, K: Ernest Laszlo, SpE: L.B. Abbott, Art Cruikshank, Emil Kosa jr., Ton Otto Klement, Jay Lewis Bixby, M: Leonard Rosen- baum, D: Stephen Boyd (Grant), Raquel Welch (Cora Peterson), Edmond O’Brien (General Carter), William Redfield (Capt. Bill Owens), Donald Pleasance (Dr. Mi- chaels), Arthur O’Connell (Col. Donald Reid), Arthur Kennedy (Dr. Duval), u.a. 1967 King Kong No Gyakushu (King Kong, Frankensteins Sohn) J, 91min, F, B: Kaoru Mabuchi, R: I. Honda, K: Hajime Koizumi, SpE: Eiji Tsurubaya, M: Akira Ifukube, D: Rhodes Reason (Carl Nelson), Akira Takarada (Lt. Jiro Nomu- ra), Linda Miller (Susan Watson), Mie Hama (Mme. Piranha), Elsei Amamoto (Dr. Who). King Kong wird wiederentdeckt. Torture Garden (Die Folterkammer des Dr. Diabolo) GB, 93min, Technicolor, P: Columbia, Amicus, Milton Subotsky, B: Robert Bloch, R: Freddie Francis, K: Norman Warwick, M: Don Banks, James Bernard. Dr. Diabolo verrät vier Fremden die Zukunft. M.C. contra Dr. Kha F, R: Claude Charbrol The Vengeance of Fu Mancu GB, 92min, Eastmancolor, P: Anglo Amalgamated, Harry Alan Towers, B: Harry Alan Towers nach der Novelle von Sax Rohmer, R: Jeremy Summers, K: John Von Kotze, M: Malcolm Lockyer, D: Christopher Lee, Douglas Wilmer, Tony Ferrer, Tasai Chin, Howard Marion Crawford, Wolfgang Kieling. Dr. Fu Man Chu kreiert Nayland Smith’s Doppelgänger. The Blood Beast Terror (Das Blutbiest des Dr. Frankenstein) GB, 82min, F, B: Peter Bryan, Eve Wilson, R: Vernon Sewell, K: Stanley A. Long, SpE: Roger Dicken, M: Paul Ferris, D: Peter Cushing (Inspektor Quennell), Robert Flemyne (Prof. Mallinger), Wanda Ventham, Vanessa Howard, David Griffin, Kevin Stoney, Glyn Edwards, u.a. Prof. Mallinger hat eine Totenkopfmotte erschaffen, die sich bisweilen in ein Mädchen verwandelt. The Fearless Vampire Killers, or Pardon Me, Your Teeth Are in My Neck (Tanz der Vampire) US, 124min, Metrocolor, Panavision, P: MGM, Cadre Films, Filmway, Gene Gutowskl, B: Gerhard Brach, Roman Polanski, R: Roman Polanski, K: Douglas Slocombe, M: Krystof Komeda, pd: Wilfrid Shingleton, D: Jack MacGowran, Roman Polanski, Alfie Bass, Sharon Tate, Ferdy Mayne, Tain Quarrier, Terry Downes. Vam- pirforscher und sein Assistent treffen in Transsylvanien auf Vampire. Frankenstein created Woman (Frankenstein schuf ein Weib) GB, 86 min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd., Anthony Nelson-Keys, B: John Elder (Anthony Hinds), R: Terence Fisher, K: Arthur Grant, S: James Needs, M: James Bernhard, AD: Don Mingaye, S: James Needs, D: Peter Cushing (Baron Frankenstein), Thorley Walters (Dr. Hertz), Susan Denberg (Christina), Robert Morris (Hans), Peter Blythe (Anton) Derek Fowlds (Johann), Barry Warren (Karl). Frankenstein wiederbelebt eine Tote mit der Seele ihres Geliebten. Il Re Dei Criminali (Frankensteins Teufelsmaske) I/ESP, 80min, F, B: Julio Buchs, R: Paul Maxwell (Paolo Bianchini), K: Gogofredo Pacheco, M: Berto Pisano, D: Guy Madison (Superargo), Luisa Barrato, Luciano Pi- cozzi, Diana Lorys, Aldo Sambrell, Giovanni Cianfrigia. Prof. Wendland verwandelt Superathleten in gehirnlosen Muskelmann. Doktor Faustus GB, I, 92min, Technicolor, P: Columbia/Oxford University Screen, B: Nevill Coghill,, Wolf Mankowitz nach Christopher Marlowes Faust-Drama, R: Richard Burton, Nevill Coghill, K: Gabor Pogany, S:John Shirley, T: David Hildyard, John Aldred, M: Mario Nascimbene, Bau: Boris Juraga, Dario Simoni, D: Richard Burton (Faust), Andreas Teuber (Mephisto), Jan Marter (Kaiser), Elizabeth O’Donovan, Elizabeth Taylor (He- lena), Ram Chopra (Valdes), David MacIntosh (Luzifer), Jeremy Eccles (Belzebub), Patrick Barwise (Wagner) u.a. Film-Theaterinszenierung nach Marlowes Faust- drama.

534 A -Filmographie

Corruption (Die Bestie mit dem Skalpell) GB, 91 min, Technicolor, P: Columbia/Titan (Peter Newbrook), B: Donald und Derek Ford, R: Robert Hartford Davis, K: Peter Newbrook, M: Bill McGuffie, D: Peter Cushing, Sue Lloyd, Noel Trevarthen, Kate O’Mara, David 1968 Monster on the Campus US, 110min, s/w, P: Universal, Joseph Gershenson, B: David Duncan, R: Jack Arnold, K: Russell Metty, SpE: Clifford Stine, D: Arthur Franz, Joanna Moore, Judson Pratt, Nancy Walters, Troy Donahue. Helen Westcott, Alexander Lockwood, Whit Bissell, Ross Elliott. Wissenschaftler wird durch Selbstversuch zum Monster. (Je- kyll-Hyde Motiv). Dracula has Risen from the Grave ( Draculas Rückkehr) GB, 92min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd., Alda Young, B: John Elder (Anthony Hinds), R: Freddie Frances, S: James Needs, Spencer Reeve, K: Arthur Grant, M: James Bernhard, D: Christopher Lee (Graf Dracula), Rupert Davies (Monsignore), Veronica Carlson (Maria), Barbara Ewing (Zena), Barry Andrews (Paul), Ewan Hooper (Priester), Marion Mathie (Anna), Michael Ripper (Max). Dracu- la terrorisiert das Dorf im Schatten seines Schloßes. The Castle of Fu Man Chu BRD/ESP/I/GB, 92min, Eastmancolor, B: Harry Alan Towers (Peter Welbeck), R: Jesus Franco, D: Christopher Lee, Richard Greene, Howard Marion Craford, Gunther Stoll, Maria Perschy. Fu Man Chu greift in den Ablauf der Natur ein. Gojira No Musuko (Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn) J, 79min, F, B: Shinichi Sekizawa, Kazue Shiba, R: Jun Fukuda, K: Kazuo Yamada, SpE: Eiji Tsuburaya, Sadamasa Arikawa, M: Masaru Sato, D: Tadao Takashima (Prof. Kusumi), Beverly Maeda (Reiko), Akira Kubo (Gora), Akihiko Hirata, Kenji Sa- hara, Yoshio Tsuchiya, Susumu Kurobe, Bibari Maeda. Prof. Kusumis Termpera- turversuche lassen Gozillas Sohn aus dem Ei schlüpfen. The Blood of Dr. Fu Man Chu (Kiss and Kill/Der Todeskuß des Dr. Fu Man Chu) GB/US/ESP/BRD, B: Peter Welbeck, Manfred Köhler, R: Jess Franco, M: Daniel White, D: Christopher Lee (Dr. Fu Man Chu), Richard Green (Naylans Smith) Götz George, Loni von Friedl, Howard M. Crawford (Dr. Petrie), Maria Rohm. Fu Man Chu will die Welt erobern. Planet of the Apes US, 112min, De Luxe Panavision, P: APJAC Productions / Twentieth Century-Fox Film Corp, Richard D. Zanuck, Arthur P. Jacobs, Mort Abrahams, William Eckhardt, B: Michael Wilson, Rod Serling nach dem Roman La Planète des Singes von Pierre Boulle, R: Franklin J. Schaffner, K: Leon Shamroy, SpE: L. B. Abbott u.a., M: Jerry Goldsmith, Kostüme: Morton Haack, D: Charlton Heston (George Taylor), Roddy McDowall (Cornelius), Kim Hunter (Zira), Maurice Evans (Dr. Zaius), James Whitemore (Präsident), James Daly (Honorius), Linda Harrison, u.a. Auf der Erde herrschen Affen. Night of Living Dead US, 93min, s/W, R: George A. Romero, B: John A. Russo, K: George A. Romero, SpE: Regis Survinski u. Tony Pantanelle, D: Judith O’Dea (Barbara), Russel Streiner (Johnny), Duane Jones (Ben), Karl Hartmann (Harry), Keith Wayne (Tom), Judith Ridley (Judy), Marilyn Eastman (Helen), Kyra Schon (Karen) u.a. 2001: A Space Odyssey GB, US, F, 149min, Panavision, Technicolor, P: Stanley Kubrick Productions, Metro- Goldwyn-Mayer, Robert H. O’Brien, B: Stanley Kubrick, Arthur Charles Clarke nach der Kurzgeschichte The Sentinel von Arthur Charles Clarke, R: Stanley Kubrick, K: Kelvin Pike, John Alcott, M: Aram Khachaturian, Györgi Ligeti, Richard Strauss, Johann Strauss, Kostüme: Hardy Amies, Masken und Affenkostüme: Stuart Freeborn, D: Keir Dullea (Dr. David Bowman), Gary Lockwood (Dr. Frank Poole), William Sylvester (Dr. Heywood R. Floyd), Daniel Richter (Mondbeobachter), Douglas Rain (Sprecher von H.A.L. 9000 im Original), Leonard Rossiter (Dr. Andreas Smyslov), Margaret Tyzack (Elena), Robert Beatty (Ralph Halvorsen), Sean Sullivan (Dr. Robert Michaels) u.a. Pacto Diabolico R: Jaime Salvador

A - Filmographie 535

1969 Frankenstein Must Be Destroyed (Frankenstein muß sterben) GB, 96min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd., Anthony Nelson-Keys, B: Bert Blatt, R: Terence Fisher, K: Arthur Grant, S: Gordon Hales, M: James Bernard, D: Peter Cushing (Baron Frankenstein), Veronica Carlson (Anna Spengler), Simon Ward (Karl Holst), Thorley Walters (Inspektor Frisch), Freddy Jones (Prof. Richter), Maxine Audley (Ella Brandt). Frankenstein transplantiert das Gehirn eines Kollegen in den Körper eines anderen Kollegen. La mujer murcielago, (Draculae Tochter und Professor Satana) Mexiko, R: René Cordona. Wissenschaftler beschafft sich Männergehirne, um ei- nen Fischmann zu erschaffen. Blood of Dracula's Castle (Dracula und seine Opfer) US, R: Al Adamson, D: Alex D'Ardey (Dracula) El Conde Dracula (Nachts, wenn Dracula kommt) ESP, R: Jess Franco (Jsus Franco Manera), D: Klaus Kinski (Renfield), Christopher Lee (Dracula) Herbert Lom (Prof.van Helsing) Jonathan D, 97min, F,P: Iduna-Film, B u. R: Hans W, Geissendörfer, K: Robby Müller, S: Wolfgang Hedinger, M: Roland Kovac, D: Paul Albert Krumm (Graf), Jürgen Jung (Jonathan), Eleonore Schminke (Lena), Ilona Grüben (Eleonore) 1970 Taste the Blood of Dracula GB, 95min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd., Aida Young, B: John Elder (Anthony Hinds), R: Peter Sasdy, K: Arthur Grant, S: Chris Barnes, M: James Bernard, D: Christopher Lee (Dracula), Goeffrey Keen (William Hargood), Gwen Watford (Martha Hargood), Linda Hydeen (Alice Hargood), Peter Sallis (Samuel Paxton), Anthony Corlan, John Carson, Ralph Bates. Drei Geschäftsmänner reakti- vieren Dracula. Count Yorga Vampire US, 90min, Movielab, P: Erica, AIP, Michael Macready, B/R: Bob Kelljan, K: Arch Archambault, M. William Marx, D: Robert Quarry, Roger Perry, Michael Murphy, Michael Macready, Donna Anders, Judith Lang. Teenager in Los Angeles werden durch Außerirdischen Vampire. Scars of Dracula (Dracula - Nächte des Entsetzens. Draculas Blutrausch. Brutale Bisse) GB, 96min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd., Alda Young, B: John Elder R: Roy Ward Baker, K: Moray Grant, S: James Needs, M: James Bernars, D: Christopher Lee (Graf Dracula), Dennis Waterman (Simone), Christopher Matthews (Paul), Jenny Hanley (Sarah Franden), Patrick Troughton (Klove), Michael Gwynn (Priester), Bob Todd. Ein junger Mann ist unwissentlich Gast bei Dracula. Lust for A Vampire GB, 95min, Technicolor, P: Hammer Productions Ltd., Harry Fine, Michael Style, B: Tudor Gates nach der Novelle Carmilla von Sheridan Le Fanu, R: Jimmy Sangster, K: David Muir, S: Spencer Reeve, M: Harry Robinson, D: Ralph Bates (Giles Barton), Michael Johnson (Richard Lestrange), Barbara Jefford (Gräfin), Suzanna Leigh (Janet), Yutte Stendgaard (Mircalla), Mike Raven (Graf Karnstein), Helen Christie (Miss Simpson), Pippa Stelle (Susann). Carmilla treibt ihr Unwesen in Mädchen- pensionat. Dracula jagt Frankenstein R: Tulio Demichelis, D: Michael Remie (Dr. Varnoff) Beast of Blood (Drakapa, das Monster mit der Krallenhand) Philippinen/US, 87min, F, B: Eddie Romero, R: Eddie Romero, Story Beverly Miller, K: Justo Paulino,Edmund Cupcupin, SpE: Teofilo Hilario, M: Tito Arevalo, D: John Ashley (Bill Forster), Eddie Garcia (Dr. Lorca), Lisa Belmonte (Laida) u.a. Dr. Lorca experimentiert mit Menschen. Horror of Frankenstein (Frankensteins Schrecken) GB, 95min, F, P: Hammer Productions Ltd., Jimmy Sangster, B: Jeremy Burnham, Jimmy Sangster, R: Jimmy Sangster, K: Moray Grant, S: Chris Barnes, M: Malcolm Williamson, D: Ralph Bates (Viktor Frankenstein), Kate O'Mara (Alys), Graham Ja- mes (Wilhelm), Veronika Carlson (Elizabeth), Bernhard Archard (Elisabeths Vater), Dennis Price (Räuber), David Prowse (Monster). Frankensteins Nachkomme er- schafft ein Monster. 1971 A Clockwerk Orange GB, 136min, F, P: Warner, Polaris, Bernard Williams, B:u.R: Stanley Kubrick nach

536 A -Filmographie

einer Novelle von Anthony Burgess, K: John Alcott, SpE: EeRoy Scammel, M: Walter Carlos , D: Malcolm McDowell Alex), Michael Bates (Oberwächter), Adrienne Corri (Mrs. Alexander), Patrick Magee (Mr. Alexander), Warren Clarke (Dim) u.a. Wissen- schaft als Exekutive. La Figlia Di Frankenstein I, 94m, F, B: Eduars Di Lorenzo, R: Mel Wells, K. Ricardo Pallotini, M: Alessandro Alessandrini, D: Joseph Cotton (Frankenstein), Rosalbva Neri (Tania, Franken- steins Tochter), Mickey Hatgitay, Paul Müller, Herbert Fux, Paul Whiteman, Sara Bay. Frankensteins Tochter kehrt nach Hause zurück. Dracula vs. Frankenstein (Draculas Bluthochzeit mit Frankenstein) US, B: William Pugsly, Samuel N. Sherman, R: Al Adanson, K: Gery Grayer, Paul Glickman, D: Zandor Vorkov (Dracula), John Bloom (Monster), Shelly Weiss (Monster), J. Carroll Naish (Frankenstein). Dracula zwingt Frankenstein, seine Kre- atur wiederzubeleben. Nella stretta morsa del ragno (Dracula im Schloß des Schreckens. Satan der Ra- che) BRD/I/F, (ohne Draculafigur) D: Klaus Kinski (als E. A. Poe) The Abominable Dr. Phibes GB, 94min, Movielab, P: AIP, Louis M. Heyward, Ron Dunas, B: James Whiton, William Goldstein, R: Robert Fuest, K: Norman Warwick, M: Basil Kirchen, Jack Nathan, pd: Brian Eatwell, D: Vincent Price (Dr. Phibes), Joseph Cotton, Hugh Griffith, Terry-Thomas, Peter Jeffrey, Virgina North, Aubrey Woods. Genie rächt den Tod seiner Frau. Silent Running (Rejoice in the Sun, Lautlos im Weltall) US, 125min, Technicolor, P: Michael Gruskoff, B: Deric Washburn, Mike Cimino, Steve Bochco, R: Douglas Trumbull, SpE: Richard O. Helmer, James Rugg, Marlin Jones, Vernon Archer, R.L. Helmer, K: Charles F. Wheeler, M: Peter Schickele, Joan Baez, D: Bruce Dern, Cliff Potts, Ron Rifkin, Jesse Vint. Wissenschaftler betreut in einem Raumschiff Pflanzen- und Kleintierwelt. Gojira Tai Gigan (Frankensteins Höllenbrut) J, 89min, F, B: Shinichi Sekizawa, R: Jun Fukuda, K: Kiyoshi Hasegawa, SpE: Sho- kei Nakamo, M: Akira Ifukube, D: Hiroshi Ishikawa. Yuriko Hishimi (Tomoka To- moe), Tomoka Umeda, Minoru Takashima, Kunio Murai, Susunu Fujita, Haruo Na- kajima (Godzilla), Yukeitsu Omiya (Anguirus) Kanta Ina (Ghidra), Kengo Nakayana (Gigan). Godzilla und Anguirur werden Freunde der Menschen. Gojira Tai Hedora (Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster) J, 87min, F, B: Kaoru Mabuchi, Yoshimitu Banno, K: Yoichi Manochu, SpE: Shokei Nakano, M: Riichiro Manabe, D: Akira Yamauchi (Dr. Yano), Tochie Kimura (Toshie Yano, seine Frau), Hiroyuki Kawase (Ken Yano, sein kleiner Sohn), Kaiko Hari, Toshio Shibaki. Dr. Yano und Gozilla bekämpften gemeinsam das Monster Hedo- ra. Dr. Jekyll and Sister Hyde GB, F, P: Hammer Produktion. Ltd., Albert Fennell, Brian Clemens, B: Brain Clemens, R: Roy Ward Baker, S: James Needs, M: David Whitaker, D: Ralph Bates (Dr. Jekyll), Martine Beswick (Schwester Hyde), Gerald Sim (Prof. Robertson), Lewis Fiander (Howard), Dorothy Alison (Mrs. Spencer), Ivor Dean (Burke), Tony Calvin (Hare, Neil Wilson (Polizist), Paul Whitsun-Jones (Sgt. Danvers), Philip Madoc (Byker). Jekyll verwandelt sich in eine Frau mit schlechtem Charakter. 1972 Dr. Phibes Rises Again GB, 84min, De Luxe, P: AIP, Richard Dalton, B: Robert Fuest, Robert Blees, R: Robert Fuest, K: Alex Thomson, M: John Gale, AD: Brian Eatwell, D: Vincent Price (Dr. Phibes), Robert Quarry (Biederbeck), Valli Kemp (Vulnavia), Fiona Lewis (Diana), Peter Cushing (Captain), Beryl Reid (Mrs. Ambrose), Terry-Thomas (Lombardo) , Hugh Griffith (Ambrose), Peter Jeffrey (Trout), Gerald Sim (Hackett), John Thaw, John Cater (Waverley), Lewis Fiander. Dr. Phibes wiederbelebt seine verstorbene Frau. Majstor i Margarita (Der Meister und Margarita) J/I, 102min, P: Dunav Film Belgrad, Euro Interrnational Rom, B: Barbara Alberti, Amadeo Pagani, Aleksandar Petrovic nach dem Roman von Mikhael Bulgakow, R: Aleksandar Petrovic, K: Roberto Geraldi, M: Ennio Morricone, Aleksandar Petrovic, D: Ugo Tognazzi (Nikolai Aksudov, der Meister), Mimsy Farmer (Margarita), Alain Cuny (Prof. Voland, der Teufel), Bata Zivojnovic, Pavle Vujisic, Ljuba Tadic, Fabian Sovagovic, Tasko Nacic

A - Filmographie 537

Dracula a.D. 1972 (Dracula jagt Mini Mädchen) GB, 95min, Eastmancolor, P: Hammer Productions Ltd., Josephine Douglas, B: Don Houghton, R: Alan Gibson, K: Dick Bush, SpE: Leslie Bowie, S: James Needs, M: Michael Vickers, D: Peter Cushing (Prof. van Helsing), Christopher Lee (Dracula), Stefanie Beacham (Jessica van Helsing), Michael Coles (Inspektor), Christopher Neame (Johnny Alucard), William Ellis (Joe Mitchum), Marsha Hunt (Gaynor), Janet Key (Anna), Philip Miller (Bob), Michael Kitchen (Greg). Dracula ver- kehrt unter Teenagern.

538 A -Filmographie

1973 Madhouse (Das Schreckenshaus des Dr. Plath) US, R: Jeames Clark, D: Vincent Price Dark Star US, 83min, F, B: John Carpenter, Dan O’Bannon, R: John Carpenter, K. Douglas Knapp, Cliff Fenneman, Dale Beldin, SpE: Dan O’Bannon, Bill Taylor, Jim Danforth, Ron Cobb, Greg Jein, Harry Wolton, M: John Carpenter, D: Brian Narelle (Doolittle), Dre Pahich (Talby), Cal Kuniholm (Boiler), Dan O‘Bannon (Pinback), Joe Saunders (Commander Powell) Miles Watkins (Mission Control), Cookie Knapp (Computerstimme) The Satanic Rites of Dracula (Dracula braucht frisches Blut) GB, 88m Technicolor, P: Hammer Productions Ltd., Roy Steggs, B: Don Houghton, R: Alan Gibson, K: Brain Probyn, M: Cacavas, D: Peter Cushing, Christopher Lee, Michael Coles, William Franklyn, Freddie Johnes, Richard Vernon, Patrick Barr Frankenstein and the Monster from Hell GB, 99min Technicolor, P: Hammer, Avco, Roy Skeggs, B: John Elder (Anthony Hinds), R: Terence Fisher, K: Brian Probyn, ad: Scott McGregor, SpE: James Needs, D: Peter Cushing, Shane Briant, Madeleine Smith, John Stratton, Bernard Lee, Dave Prowse (Monster). Frankenstein verwandelt sich in Affenmann. Frankenstein US, 124min, F, B: Sam Hall, R: Glen Jordan, K: Robert Hatfield, Ken Lamkin, M: Robert Cobert, D: Robert Foxworth (Dr. Frankenstein), Susan Strasberg (Elisabeth Lavenza), Bo Swenson (Monster), Heidi Vaughn (Agatha De Lacey) John Karlen (Otto Roger), Philipp Bourneuf (Alfons Frankenstein), Robert Gentry (Henry Clerval), William Hansen (Prof. Waldmann), Brian Avery (Felix), Maliala Saint Duval (Sofie), Rosella Olson (Monsterbraut). Frankenstein '80 I, 88min, F, B: Fernando De Leoni, Mario Manzani, R: Mario Manzani, K: Alfio Quattrini, M: Daniele Patucchi, D: John Richardson, Renato Romano, Xiro Papas, Delila Parker, Bob Fiz. Frankenstein erschafft neues Monster (Satire). Horror-Hospital (Frankensteins Horror-Klinik) GB, 91min, F, B: Anthony Balch, Alan Watson, R: Anthony Balch, K: David MacDonald, M: De Wolfe, D: Michael Grough (Dr. Frankenstein), Robert Askwith (Jason James), Vanessa Shaw (Judy Peters), Ellen Polock ("Tante" Harris), Skip Martin (Frederick), Denis Price (Pollack). Frankenstein experimentiert wieder. Carne per Frankenstein (Andy Warhols Frankenstein) I/F, 94min, F, B: Paul Morrissey, R: Paul Morrissey, K: Luigi Kuveillier, SpE: Carlo Rimbaldi, M: Claudio Gizzi, D: Udo Kier (Dr. Frankenstein), Joe Dallessandro (Ni- cholas), Monique van Vooren (Katrin Frankenstein), Arno Jürging (Otto), Fiorella Masselli u.a. Frankenstein will das ideale Paar zu Schaffung eines neuen Menschengeschlechtes erzeugen. 1974 Dracula I, 93min, F, P: aka: Andy Warhol's Dracula, Andrew Braunsberg, B:u.R: Paul Morrissey, D: Udo Kier, Arno Juerging, Vittorio De Sica, Maxime Mc Emory, Joe Dalessandro. Dracula kann nur das Blut von Jungfrauen vertragen. The Rocky Horror Picture Show GB, B: Jim Sharman, Richard O'Brien nach seinem Rockmusikal, R: Jim Sharman, K: Peter Suschitzky, D: Tim Curry, Susan Sarandon, Barry Bostwick, Peter Hinwood, Meatloaf, Richard O'Brien. Argloses Liebespaar gerät in ein Horrorschloß. Young Frankenstein US, 108min, s/w, P: TCF, Gruskoff, Venture, Jouer, Crossbow, (Michael Gruskoff), B: Gene Wilder, Mel Brooks, R: Mel Brooks, K: Gerald Hirschfeld, M: John Morris, AD: Dale Hennesy. Enkel Frankensteins macht eine neue Kreatur. Vampira GB, 88min, F, P: Columbia World Film Services, Jack H. Wiener, B: Jeremy Lloyd, R: Clive Donner, K: Tony Richmond, M: David Whitaker, D: David Niven, Teresa Gra- ves, Peter Bayliss, Jennie Linden, Linda Hayden, Nicky Henson, Brenard Bresslaw, Veronika Carlson. Dracula lockt Schönheitsköniginnen in sein Schloß. The Legend of the Seven Golden Vampires GB/Honkong, 89min, Eastmancolor, Panavision, P: Hammer-Shaw, Don Houghton, Vee King Shaw, B: Don Houghton, R: Roy Ward Baker, K: John Wilcox, Roy Ford, M: James Bernard, D: Peter Cushing (van Helsing), David Chiang, Julie Ege, Robin Stewart, John Forbes Robertson. Van Helsing trifft Dracula in China.

A - Filmographie 539

V 3 Super Riders (Frankenstein Kung Fu Meister) Hongkong, 75m, F, B: Lee Chuang, R: Cheong-Kwong Ling, D: Woo-Du, Lin-Yu Sung, Kon-Lung Man, Wan-Man Lee. Frankenstein will die Welt erobern, eine Mo- torradgang hält ihn auf. Dr. Black Mr. Hyde US, R: William Crain Schwarzer wird durch Serum weiß. Frankenstein all´Italiana (Casanova Frankenstein) I, 88m, F, B: Massimo Franciosa, Maria Luisa Montagnana, R: Armando Crispino, K: Guisepps Aquari, M: Stelvio Cipriani, D: Aldo Macciona (Monster), Gianrico Tede- schi (Dr. Frankenstein), Jenny Tamburi, Lorenza Guerrieri u.a. Frankensteins neu- es Monster ist besonders potent. Phantom of the Paradise US, 90in, F, B: Brian de Palma, R: Brian de Palma, K: Larry Pizer, Ronald Taylor, SpE: Greg Auer, M: Paul Williams, D: Paul Williams (Swan), William Finley (Winslow Leach), Jessica Harper (Phoenix), George Memmoli (Philbin), Gerrit Graham (Beef), Henry Calver (Wärter), Jeffrey Comanor, Archie Hahn, Harold Oblong, 1975 The Man Who fell to Earth (Der Mann, der vom Himmel fiel) GB, 118m, F, Panavision, P: British Lion; Michael Deely, Barry Spikings, B: Paul Mayersberg nach einer Literaturvorlage von Walter Tevis, R: Nicholas Roeg, K: Anthony Richmond, SpE: Peter S. Ellenshaw, D: David Bowie (Thomas Jerome Newton), Rip Torn (Nathan Bryce), Candy Clark (Mary Lou), Buck Henry (Oliver Farnsworth), Bernie Casey (Peters), Jackson D. Kane (Prof. Canuttei), Rick Riccardo (Trevor), Tony Mascia (Arthur) Linda Hutton (Elain) u.a. Außerirdischer macht mit neuer Technik ein Vermögen. 1976 The Island des Dr. Moreau US, 99min, F, P: John Temple-Smith, Skip Steloff, John Wilson, B: John Hermann Shaner, Al Ramrus nach dem gleichnamigen Roman von H.G. Wells, R: Don Taylor, K: Gerry Fisher, S: Marion Rothman, Bau: Philip Jefferies, Kost: Richard La Motte, Masken: John Chambers, Dan Striepeke, Tom Burman, M: Laurence Rosenthal, D: Burt Lancaster (Dr. Moreau), Michael York (Braddock), Nigel Davenport (Montgomery), Barbara Carrera (Maria) Richard Basehart (Gesetzsagender), Nick Cravat (M’Ling), The Great John „L“ (Eber-Mensch), Bob Ozman (Bullen-Mensch), Fumio Demura (Hyänen-Mensch), Gary Baxley (Löwen- Mensch), John Gillespie (Tiger-Mensch), David Cass (Bär-Mensch). Dr. Moreau verbindet menschliches und tierisches Leben. Casanova Frankenstein I, P: R.P.A. Rom, Claudio Grassetti, B: Massimo Franciosa, Maria Luisa Montagna- na, R: Armando Crispino, K: Guiseppe Aquari, T: Goffredo Potier, B: Mario Molli, K: Adriano Spadaro, M: Stevio Cipriani, D; Aldo Maccione (Monster), Gianrico Tedeschi (Dr. Frankenstein), Jenny Tamburi (Janet), Lorenza Guerrieri (Alice), Anna Mazza- mauro (Maud), Nineto Davoli (Igor). Star Wars US, 121min, F, B: Georg Lucas, R. George Lucas, K: Gilbert Taylor, SpE: John Dykstra, John Stears, M. John Williams, D: Mark Hamill (Luke Skywalker), Harrison Ford (Capt. Han Solo), Carrie Fisher (Leia Organa), Peter Cushing (Groß-Moff Tar- kin), Alec Guinness (Obi-Wan Kenobi), Anthony Daniels (C-3PO), Kenny Baker (R2- D2), David Prowse (Darth Vader), Peter Mayhew (Chewbacca), Phil Brown (Owen Lars), Sheragh Fraser (Beru Lars), Jack Puvis (Jawa Führer), Alex MCCrindle (Gen. Dodonna) u.a. Der Todesstern des Bösen bedroht die Galaxis. Jedi Ritter bekämp- fen die Allianz des Bösen. 1977 Draculas Dog (Zoltan, Draculas Bluthund) US, 88m, De Luxe, P: Vic, Albert Band, Frank Ray Perelli, B: Frank Ray Perelli, R: Albert Band, K: Bruce Logan,M: Andrew Belling, D: José Ferrer, Reggie Nadler, Michael Pataki, Jan Shutan Valentino GB, 127min, P: De Luxe, Harry Benn, B: Ken Russel, Mardik Martin nach einen Buch von Brad Steiger, R: Ken Russel, K: Peter Suschitzky, M: Ferde Grofe, Stanley Black , künstlerischer Leiter: Philip Harrison, D: Rudolf Nureyev, Leslie Caron, Mi- chelle Phillips, Carol Kane, Felicity Kendal, Huntz Hall, David de Keyser, Alfred Marks, Anton Diffring, Jennie Linden, John Justin Close Encounters of the Third Kind

540 A -Filmographie

US, 135min, F, B: Steven Spielberg, R: Steven Spielberg, K: Vilmos Zsigmond, SpE: Douglas Trumbull, M: John Williams, D; Richard Dreyfuss (Roy Neary) François Truffaut (Claude Lacombe), Teri Garr (Ronnie Neary), Melinda Dillon (Jillian Guiler) Bob Balaban (David Laughlin), Lance Hendriksen (Robert), Waren Kemmerling (Wild Bill), Roberts Blossom (Farmer), Philip Dodds (Jean Claude), Shawn Bishop (Brad Neary), Adrienne Campbell (Sylvia Neary), Cary Guffey (Barry Guiler), Merrill Connally (Team Leader), George Dicenzo (Major Benchley). Wissenschaftler berei- tet eine Begegnung mit Außerirdischen vor.

A - Filmographie 541

1978 Vlad Tepes (Das wahre Leben des Fürsten Dracula) Rumänien, P: hergestellt in den Studios des Filmproduktionszentrums Bucuresti, in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Nationale Verteidigung der SKR, B: Mircea Mohor, historische Bearbeitung: Professor Dr. A. Stoicescu und Dr. C. Moi- secu, R: Daru Nastase, K: Aurel Kostrakievicz, Schnitt: A. G. Obrocea, Musik: Tiberiu Olak, D: Stefan Sileanu (Dracula), Ernest Mattei, Emanoil Petrut, Teofil Valcu, Ale- xandru Répan, György Kovács, Constantin Barbulescu, Jon Marinescu, Constantin Codrescu, Georg Constantin, Silviu Stancullscu, Vasile Cosna, Petre Simionescu. Dracula als Volksheld. Superman GB, 134min, F, R: Richard Donner, B: Mario Puzo, David Newton, Leslie Newman, K: Geoffrey Unsworth, SpE: John Richardson, Bob MacDonalds, u.a., M: John Willi- ams, D: Christopher Reeve (Cark Kent), Margot Kidder (Lois Lane), Gene Hackman (Lex Luthor), Marc McClure (Jimmy Olsen), Jackie Cooper (Perry White), Valerie Perrine (Eve Teschmacher), Ned Beatty (Otis). Marlon Brando (Jor-El), Susanna York (Lara), Trevor Howard, Harry Andrews, Vass Anderson, John Hollis, James Garbutt, Michael Grover, David Neal, Penelope Lee, John Stuart, Alan Cullen (Ältestenrat), Glen Ford (Kent), Phyllis Thaxter (Mrs. Kent), u.a. Dracula US, 112m, Technicolor Panavision, P: Universal, Walter Mirisch, Tom Pevsner, B: W. D. Richter nach Bram Stoker und dem Bühnenstück von Hamilton Deane und John L. Balderston, R: John Badham, K: Gilbert Taylor, M: John Williams, D: Frank Langella, Laurence Oivier, Donald Pleasence, Kate Nelligan, Trevor Eve Star Trek – The Motion Picture US, 132min, F, B. Harold Livingstone, Gene Roddenberry, St Alan Dean Foster, R: Robert Wise, K: Richard H. Kline, SpE: Douglas Trumbull, J. Dykstra, Dave Stewart, Don Baker, Richard Taylor, Robert Abel, Robert Swarthe, M: Jerry Goldsmith, D: William Shatner (Capt. James T. Kirk), Leonard Nimoy (Mr. Spock), DeForest Kelly (Dr. Leonard McCoy), James Doohan (Montgomery Scott), George Takei (Mr. Sulu), Majel Barrett (Dr. Christine Chapel), Walter Koenig (Lt. Chekov), Nichelle Nichols (Lt. Uhura), PersisKhambatta (Lt. Ilia). Stephen Collins (Will Decker), Mark Lenard (Klingonen-Capitain), Grace Lee Whitney (Janice Rand). Enterprise rettet die Erde vor galaktischer Bedrohung. 1979 Nosferatu – Phantom der Nacht BRD/F, 107min, Eastman F, P: Gaumont, ZDF, Werner Herzog Filmproduktion, B: Werner Herzog nach Motiven des Films Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens von Friedrich Wilhelm Murnau und Bram Stokers Roman Dracula, R: Werner Her- zog, K: Jörg Schmidt-Reitwein, SpE: Cornelia Siegel, S: Beate Mainka-Jellinghaus, M: Popol Vuh (Florian Fricken), Richard Wagner, Charles Gounod, D: Klaus Kinski (Nosferatu), Isabelle Adjani (Lucy Harker), Bruno Ganz ( Jonathan Harker), Jacques Dufilho (Kapitän der Contamana), Roland Topor (Makler Renfield), Walter Laden- gast (Dr. van Helsing), Dan Van Husen (Wärter), Jan Groth (Hafenmeister), Carsten Bodinus (Schrader), Martje Grohmann (Mina), Ryk de Gooyer (Beamter), Clemens Scheitz (Protokollführer), Lo Van Hensbergen (Inspektor), u.a.. Love at First Bite US, 96m, F, P: Simon, Joel Freeman, B: Robert Kaufmann, R: Stan Dragoti, K: Eduard Rosson, M: Charles Bernstein, D: Georg Hamilton, Susan St James, Richard Benjamin, Dick Shawn, Arte Johnson. Dracula kommt nach New York Alien GB, 116min, F, P: CBS/Fox, B: Dan O’Bannon, Walter Hill, David Giler nach einer Story von Dan O’Bannon, Ronald Shushett, R: Ridley Scott, K: Derek Vanlint, SpE: David Watkins, Phil Knowles, Roger Nichols, Denis Lowe, Neil Swan, Guy Hudson, u.a., M: Jerry Goldsmith, D: Tom Skerritt (Dallas), Sigourney Weaver (Ripley), Veronica Cartwright (Lambert), Harry Dean Stanton (Brett), John Hurt (Kane), Ian Holm (Ash), Yaphet Kotto (Parker), Bolaji Badejo (Alien). Parasitäre Lebensform bemächtigt sich einer Raumschiffcrew. Wissenschaftlerin überlebt den Angriff Au- ßerirdischer. Simon US, B/R: Marshall Brickmann, K: Adam Holender, M: Stanley Silvermann, D: Alan Arkin (Simon Mendelsohn), Judy Graubart (Lisa), Austin Pendleton (Becker), Made- line Kahn (Cynthia), William Finley (Fichandler), Wallace Strawn (Van Dongen), Max Wright (Hundertwasser), Jayant (Barundi), Fred Gwynne (Korey). Wissenschaftler

542 A -Filmographie

reden Kollegen ein, er sei ein Außerirdischer.

A - Filmographie 543

Superman II GB, 127min, F, B: Mario Puzo, David Newman, R: Richard Lester, K: Bob Paynter, Zoran Perrisic, SpE: Colin Chilvers, Zoran Perrisic, Derek Meddings, Bob Harman, M: Ken Thorne, D: Christopher Reeve (Superman, Clark Kent), Gene Hackman (Lex Luthor), Ned Beatty (Otis), Jackie Cooper (Perry White), Sarah Douglas (Ursa), Margot Kidder (Lois Lane) u.a.; The Last Embrace US, 134m, F, P: Taylor-Wigutow, B: David Shaber nach dem Roman The 13th Mon von Murray Teigh Bloom, R: Jonathan Demme, K: Tak Fujimoto, M: Miklos Rozso, D: Roy Scheider, Janet Margolin, John Glover, Christopher Walken. Wissenschaftlerin nimmt Rache The Empire Strikes Back. 1980 The Fiendish Plot of Dr. Fu Man Chu (Das boshafte Spiel des Dr. Fu Man Chu) US, 105m, F, B: Jim Moloney, Rudy Dochtermann, R: Piers Haggard, K: Jean Tour- nier, M: Marc Wilkinson, D: Peter Sellers (Fu Man Chu/Nayland Smith), Helen Mir- ren, Sid Caesar, Steve Franken, u.a. Fu Man Chu ist 168 Jahre und will weiterleben. Dr. Heckyl and Mr. Hype US, 89m, Metrocolor, P: Golan-Globus, B/R: Charles B. Griffith, D: Oliver Reed, Sunny Johnson, Mel Wells, Maia Danziger, Virgil Frye, Mell Welles. Wissenschaftler verwandelt sich in Sadisten. Dr. Jekyll e Gentile Signora (Dr. Jekylls unheimlicher Horrortrip) R: Steno (= Stefano Vanzina) Sador (Herrscher im Weltraum) US, F, R: Roger Corman, . Ein bedrohter Planet engagiert die glorreichen Sieben. The Black Hole US, 97min, F, B: Job Rosebrook, Gerry Day, R: Gary Nelson, K: Frank Phillips, SpE: Peter Ellenshaw, Danny Lee, Harrison Ellenshaw, Joe Hale, M: John Barry, D: Maximilian Schell (Dr. Hans Reinhardt), Anthony Perkins (Dr. Alex Durant),Robert Forster (Capt. Dan Holland); Joseph Bottoms(Lt. Charles Pizer), Yvette Minieux (Dr. Kate McCrae), Ernest Borgnine (Harry Booth), Tommy McLoughlin (Capt. S.T.A.R.). Wissenschaftler erforscht das Universum. 1981 Raiders of the Lost Ark US, 115min, Metrocolor, Panavision, P: Paramount, Lucasfilm Frank Marshall, B: Lawrence Kasdan, R: Steven Spielberg, K: Douglas Slocombe, M: John Williams, D: Harrison Ford (Dr. India Jones), Karen Allen, Ronald Lacey, Paul Freeman, John Rhys -Davies, Denholm Elliott. Wissenschaftler rettet Gral vor Nazis. The Thing US, 108minF, B: Bill Lancaster nach einer Novelle von John W. Campbell jr., R. John Carpenter, K:Dean Cundey, SpE: Rob Bottin, Albeert Whitlock, Roy Arbogast, M: Ennio Morricone, D: Kurt Russel ((MacReady), A. Wilford Brimely (Blair), T.K. Carter (Mauls), David Clennon (Parker), Keith David (Childs), Richard Dysard, Charles Hallahan, Peter Maloney, Richard Masur, Donald Moffat, Joel Polis, Thomas Waites, Norbert Weisser, Larry Franco. Amorphes Wesen überfällt Wis- senschaftler. Mephisto Ungarn, BRD, 145min, F, P: Mafilm, Studio Objektiv, Budapest, Manfred Durnick, Berlin, B: István Szabó, Péter Dobai nach dem gleichnamigen Roman von Klaus Mann, R: István Szabó, K: Lajos Koltai, S: Zsussa Czák`ny, T: Györgi Fék, M: Zdenko Tamássy, Klaus Maria Brandauer (Hendrik Höfgen), Rolf Hoppe (Ministerpräsi- dent), Karin Boyd (Juliette Martens), Krystyna Janda (Barbara Brückner), Ildikó Bánsági (Nicoletta von Niebuhr), Christine Harbort (Charlotte Lindenthal), u.a. 1982 Dr. Faustus BRD, 137min, F, P: Seitz, Iduna, Bayerischer Rundfunk, B: Franz Seitz nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann, R: Franz Seitz (ursprünglich: Johannes Schaaf), K: Rudolf Blahacek, S :Lotte Klimitschek, T: Isolde Kaiser, M: Rolf Wilhelm, Benjamin Britten, Bau: Rolf Zehetbauer, Herbert Strabe, Götz Weidner, D: John Finch (Andrian Leverkühn), André Heller (Satan, Puppenspieler, Dr. Schleppfuß, Mönch. Bordellwirt), Gudrun Gabriel (Clarissa Rodde), Lothar-Günther Buchheim (Dr. Erasmi) Hans Zischler (Dr. Serenus Zeitblom), Alice Treff (Tante Isabeau), Gerhard Polt (Kastellan in Linderhof), Margot Hielscher (Senatorin Rodde) u.a.

544 A -Filmographie

Android US, 80m, F, B: James Reigle, Don Opper, R: Aaron Lippstadt, K:Tim Suhrstedt, M: Don Preston, D: Klaus Kinski (Dr.Daniel), Don Opper (Max 404), Nobert Weisser (Keller), Crofton Hardester (Mendes), Brie Howard (Maggie), Kendra Kirchner (Cassandra). Dr. Daniel ist eine Maschine. Blade Runner US, F, 117m, Technicolor, Panacision, P: Warner, Ladd, Blade Runner Partnership, Michael Deely, B: Hampton Fancher, David Peoples nach der Novelle "Do Androids Dream of Electric Sheep?" von Philip K.Dirk, R: Ridley Scott, K: Jordan Cronenweth, SpE: Ddouglas Trumball, Richard Yuricich, David Dryer, S: Terry Rawlings, M: Van- gelis, Bau: Lawrence G. Paull, D:Harrison Ford (Rick Deckard), Rutger Hauer (Roy Batty), Sean Young (Rachael), Edward James Olmos (Gaff), M. Emmet Walsh (Captain Bryant), Daryl Hannah (Pris), William Sanderson (J. F. Sebastian), Brion James (Leon Kowalski), Joe Turkel (Dr, Tyrell), Joanna Cassidy (Zhora), James Hong (Chew), Morgan Paull (Holden), Kevin Thompson (Bear), John Edwards Allen (Kaiser), u. a. Wissenschaftler hat künstliche Wesen erschaffen, die gejagt werden. Poltergeist US, 114min, Metrocolor Panavision, P: GM/SLM (Steven Spielberg) B: Steven Spiel- berg, Michael Grais, Mark Victor, R: Tobe Hooper, K: Matthew F. Leonetti, SpE: Ri- chard Edlund, Michael Wood, Bruce Nicholson, M: Jerry Goldsmith, D: Jobeth Willi- ams, Craig T. Nelson, Beatrice Straight, Dominique Dunne, Oliver Robbins Jekylls & Hyde. Together Again US, F, 87min, B: Monica Johnson, Harvey Milleer, Jerry Bolson, Michael Lesson, nach Robert Louis Stevensons Novelle, R: Jerry Belson, K: Philip Lathrop, Barrry de Vorzon, D: Mark Blankfield (Dr. Daniel Jekyll, Mister Hyde), Bess Armstrong (Mary), Kistra Erikson (Ivy), Michael McGuire (Dr. Carew), Neil Hunt (Queen), Peter Brocco, u.a. 1983 Superman III GB, 125min, F, B: David Newman, Leslie Newman, R: Richard Lester, K: Robert Paynter, SpE: Colin Chilvers, M: Ken Thorne, Giorgio Moroder, D: Christopher Reeve (Supermann, Clark Kent) Richard Pryor (Gus Gorman) Jackie Cooper (Perry White) Marc McClure (Jimmy Olsen) u.a. Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse BRD, 150min, P:, B:, R:, K:, A: Ulrike Ottinger, S: Eva Schlensag, M: Peer Raben, T: Margit Eschenbach, D: Veruschka von Lehndorff (Dorian Gray), Delphine Seyrig (Frau Dr. Mabuse), Tabea Blumenschein, Toyo Tanaka, Irm Hermann, u.a. Frau Dr. Mabuse leitet einen internationalen Pressekonzern. 1984 Das Vermächtnis des Professor Dowell (Sawastschanie Professora) UdSSR, 10min, F, B: I. Winogradski, Leonid Menaker nach der Literaturvorlage von Alexander Beljajew, R: Leonid Menaker, K: Wladimir Kowsel, M: Sergej Bane- witsch, D: Olgert Kroders (Prof. Dowell), Igor Wassiljew (Dr. Korn), Valentina Titowa (Mary), Natalja Saiko (Angela, Monique, Eva), u.a. Prof. Dowell stirbt kurz vor der Entdeckung der lebensverlängernden Formel. Wissensschaftler hält seinen Kopf auf künstliche Weise am Leben. Frankenstein '90 F, 90m, F, B: Alain Jessua , Paul Gégauff, R: Alain Jessua, K: William Lubtchansky, Maske: Reiko Kruuk, Dominique Colladent, M: Armando Travailoi, D: Jean Roche- fort (Dr. Frankenstein), Fiona Gélin, (Elizabeht), Eddy Mitchell (Frank), Herma Vos (Adelaide), Ged Marlon (Inspektor), Serge Marquand (Polizeichef), Anna Gaylor (Co- rona). Frankensteins Nachkomme baut einen Mikroprozessor in einen Männerkör- per ein. The Terminator US, F, 107min, P: Gale Anne Hurt, B: James Cameron u. Gale Anne Hurd, R: Ja- mes Cameron, K: Adam Greenberg, SpE: Stan Winston, Shane Mahan, Tom Woodruff, John Rosengrant, Richard Landon, Brian Wade, David Miller, Jack Bri- cker, D. Arnold Schwarenegger (Terminator), Michael Biehn (Kyle Reese), Linda Hamilton (Sarah Connor) Paul Winfield (Traxler), Lance Henriksen (Vokuvich), Rock Rossovich (Matt), Bess Motta (Ginger), Earl Boen (Silberman), Dick Miller (Verkäu- fer), Dawn Schepps (Nabcy). Erlöser-Knabe wird von Roboter gejagt. Indiana Jones and the Temple of Doom US, 118min, Rank, DeLuxe, Panavision, P: Paramount, Llucasfilm, Robert Watts, B: Willard Huyck, Gloria Katz, Story: Goerge Lucas, R: Steven Spielberg, K: Douglas

A - Filmographie 545

Slocombe, Allan Daviau. M: John Williams, D: Harrison Ford (Dr. Indiana Jones), Kate Capshaw, Ke Huy Kwan, Philip Stone u.a. Wissenschaflter kämpft gegen Magier. 1985 Insignificance GB, 108min, F, P: Zenith Productions Ltd. Jeremy Thomas, Alexander Stuart, B: Terry Johnson, R: Nicolas Roeg, K: Peter Hannan, Bau: David Brockhurst, Kostüme: Shuna Harwood, Ton: Paul Le Mare, S: Tony Lawson, D: Gary Busey (der Ballspieler), Tony Curtis (der Senator), Michael Emil (der Professor), Theresa Russel (die Schauspielerin), Will Sampson (der Fahrstuhlführer). Einstein unter- hält sich mit Marilyn Monroe The Bride (Die Braut) US, B: Lloyd Fonvielle nach Mary Shelleys Roman Frankenstein, R: Franc Roddam, K: Stephen H. Burun, Maske: Sahra Manzani, M: Maurice Jarre, D: Sting (Franken- stein), Jennifer Beals (Eva), Clancy Brown (Viktor), David Rappaport (Rinaldo), Ge- raldine Page, u.a. Frankenstein erschafft eine Gefährtin für das Monster. Back to the Future US, 116m, Technicolor, P: Universal, Steven Spielberg, Frank Marshall, Kathleen Kennedy, B: Robert Zemeckis, Bob Gale, R: Robert Zemeckis, K: Dean Cundey, M: Alan Silvestri, D: Michael Fox (Marty McFly), Christopher Lloyd (Dr. Emmett Brown), Crispin Glover, Lea Tompson, Claudia Wells, u.a. Wissenschaftler kreiert Zeitma- schine. The Fly US, 100min, DeLux, P: Brooksfilm, Stuart Cornfeld, B: Charles Edward Pogue, Da- vid Cronenberg, nach der Kurzgeschichte von Georg Langelaan, R: David Cronen- berg, K: Mark Irwin, SpE: Louis Craig, Ted Ross, Lee Wilson, S: Ronald Sanders, Kost: Denise Cronenberg, M: Howard Shore (London Philharmonic Orchestra), Ton: Bryan Day, Michael Lacroix, Keith Grant, Jane Tattersall, D: Jeff Goldblum (Seth Brundle), Geena Davis (Veronica Quaife), John Getz (Stathis Borans), Joy Boushel (Tawny), Les Carlson (Dr. Cheevers), Geroge Chuvalo (Marky), Michael Copeman, David Cronenberg (Gynäkologe), Carol Lazare . Shawn Hewitt. Wissen- schaflter forscht auf dem Gebiet der Teletransportation. 1986 Mosquito Coast R: Peter Weir, D: Harrison Ford Besessener Wissenschaftler bringt seine Familie in Gefahr. Angel Heart US, 113min, B: Alan Parker, Robert de Niro, Story: William Bonet Hjortsberg, R: A- lan Parker, D: Robert de Niro (Louis Cyphre), Mickey Rourke, u.a. Pakt eines Solda- ten mit dem Teufel. Gothic GB, 90m, Eastmancolor, P: Virgin Vision, Penny Corke, B: Stephan Volk, R: Ken Russel, K: Mike Southon, M: Thomas Dolby, D: Gabriel Byrne, Julian Sands, Natasha Richardson, Miriam Cyr, Timothy Spall. Byron, die Shelleys und Polidori denken sich Geistergeschichten aus. Fire-Syndrome US, R: Tobe Hooper, D: Brad Daurif (Sam), Synthia Bain, Melinde Dillon, Jean Landis. Sams Eltern wurden für Atomstests mißbraucht. 1987 Nosferatu a Venezia I, R: Alan Cummings (= Augusto Caminito), D: Klaus Kinski (Renfield) Supermann 4: The Quest for Peace US, 92min, F, P: Cannon, B: Lawrence Kohner, Mark Rosenthal, Christopher Reeve, R: Sidney J. Furie, K: Ernest Day, SpE: Harrison Ellenshaw, John Evans, M: John Williams, D: Christopher Reeve (Supermann / Clark Kent), Margot Kidder (Lois Lane), Gene Hackmann (Lex Luthor), Mark Pillow (Nuclear Man), Mariel Henningway (Lucy Warfield), Marc McClure (Jimmy Olsen), u.a.; Prince of Darkness US, 110min, F, P: Alive Films, Larry Franco, B: Martin Quatermass, R: John Carpenter, K: Gary B. Kibbe, SpE: Kevin Quibell, Burt Davidson, Computer: Robert Grasmere, D: Donald Pleasnce (Priester), Jameson Parker (Brian) Victor Wong (Birack), Lisa Blount (Catherrine) Dennis Dun (Walter) Susan Blanchard (Kelly), Anne Howard (Susan Cabot), Ann Yen (Lisa), Ken Wright (Lomax) Dirk Blocker (Mullins), Jessie Lawrence Ferguson (Calder) Peter Jason (Dr. Leahy) Robert Grasmere (Wyndham), Thom Bray (Etchinson), Joanna Merlin (Pennerin), Alice Cooper (Verrückter), Betty Ramey (Nonne), Jessie Ferguson (finstere Gestalt). Trotz

546 A -Filmographie

wissenschaftlicher Überwachung gelingt es Satan, durch einen Spiegel auf die Er- de zu kommen. 1989 Addams Family US, P: Scott Rudin, B: Caroline Thompson, Larry Wilson, R: Barry Sonnenfeld, M: Marc Shaiman, D: Anjekica Huston, Raul Julia, Christopher Lloyd, Elisabeth Wilson, Christina Ricci, Judith Malina, Dan Hedaya

A - Filmographie 547

Batman US, 126min, F, P: Warner, B: Sam Hamm, Warren Skaaren, R: Tim Burton, K: Roger Pratt, M: Danny Elfman, D: Jack Nicholson (Lächler, Joker), Michael Keaton (Batman, Bruce Wayne), Kim Basinger (Vicki Vale). Jack Palance (Carl Grissom). Jerry Hall (Alice Hunt), Billy Dee Williams (Harvey Dent), Pat Hingle (Polizeichef Gordon) Indiana Jones and the Last Crusade US, 127min. DeLuxe, P: UPI, Paramount, Lucasfilm, Robert Watts, B: Jeffrey Boam, story Georges Lucas, Menno Meyjes, R: Steven Spielberg, K. Douglas Slocombe, M: John Williams, D: Harrison Ford (Dr. Indiana Jones), Sean Connery (sein Vater), Denholm Elliot, Alison Doody, John Rhys -Davis, Julian Glover, River Phoenix, Michael Byrne. Kevork Malikyan, Robert Eddison, Richard Young, Alexei Sayle. Wis- senschaftler rettet seinen Vater vor Magie. The Fly II US, 104min, DeLux, P: Brooksfilms, Steven-Charles Jaffe, B: Mick Garris, Jim Wheat, Ken Wheat, Frank Darabont, nach einer Charakteren von Georg Langelaan, R: Chris Walas, K: Robin Vidgeon, Cyrus Block, S: Sean Barton, SpE: Stephan Du- puis (Ltg.), Dennis Pawlik, Joanne Smith, M: Christopher Young,Ton: Leslie Shatz, Rob Young, Eric Tommlinson, Danny Kopelson, Jeff Vaughn, Jennifer Ware, D: Eric Stoltz (Martin), Daphne Zuniga (Beth Logan), Lee Richardson (Anton Bartock) John Getz (Stathis Borans), Frank Turner (Shepard), Ann Marie Lee (Jainway), Gary Chalk (Scorby) u.a. Weitere Experimente mit der Teletransportmaschine. Back to the Future II US, 108m, De Luxe, P: UIP, Amblin Entertainment, Bob Gale, Neil Canton, B: Bob Gale, R: Robert Zemeckis, K: Dean Cundey, SpE: Indusrial Light & Magic, M: Alan Silvestri, D: Michael J. Fox (Marty McFly), Christopher Lloyd (Doc Emmett Brown), Mary Steenburgen, Thomas F. Wilson, Lea Thompson, Elisabeth Shue, Matt Clark, Richard Dysart, James Tolkan. Dr. Brown folgt Marty durch die Zeit. Back to the Future III US, 95min, B: Bob Gale, Robert Zemeckis, R: Robert Zemeckis, K: Dean Cundey, SpE: Ken Ralston, : Alan Silvestri, D: Michael J. Fox (Marty McFly), Christopher Lloyd (Doc Emmett Brown), Thomas F. Wilson (Biff Tannen), Lea Thompson, Elisabeth Shue, Matt Clark, Richard Dysart, James Tolkan. Prosperos Bücher GB/F, P: Kees Kasander, B. u. R: Peter Greenaway (nach Shakespeares The Tempest, K: Sacha Vierny, S: Marina Bodyl, M: Michael Nyman, D: John Gielguide, Michael Clark, Michel Blank, Erland Josephson, Isabelle Pasco (vgl. Forbidden Planet) 1990 Silence of the Lambs US, 194min, F, P: A Strong Heart, Jonathan Demme, B: Ted Tally nach der Novelle von Thomas Harris, R: Jonathan Demme, K: Tak Fujimoto, M: Howard Shore, D: Jodie Foster (Clair Starling), Anthony Hopkins (Dr. Hannibal Lecter), Scott Glenn (Jack Crawford), Ted Levine (Jame Gumb), Anthony Heald (Dr. Frederich Chilton), Brooke Smith (Catherine Martin), Diane Baker (Senatorin Ruth Martin), Kais Lemmons, Roger Corman (FBI Director Hayden Burke), Tracey Walter (Lamar), Charles Napieru, u.a. Seelenarzt hilft Frauenmörder fangen Edward Scissorhands US, 101min, F, P: Twentieth Century FOX, B: Caroline Thompson, Tim Burton, R: Tim Burton, K: Stefan Czapsky, S: Richard Halsey, M: Danny Elfman, D: Johnny Depp (Edward) Winona Ryder (Kim), Dianne Wiest (Peg), Vincent Price (Wissenschaftler), Anthony Michael Hall, Kathy Baker, Alan Arkin. Kreatur blieb un- vollendet. Frankenstein, Unbound US, 85min, De Luxe, P: Warner,Mount Company, Roger Corman, Thom Mount, Kobie Jaeger, B: Roger Corman, F.X. Feeney nach dem Roman von Brian W. Aldiss, K: Armando Nannuzzi, Michael Scott, S: Jay Cassidy, Mary Bauer, M: Carl Davis, D: John Hurt (Dr. Joseph Buchanan), Raul Julia (Dr. Victor Frankenstein), Bridget Fonda, Catherine Rabett, Jasan Patric (Bayron), Michael Hutchence (Shelley), Nick Brimble (Monster). Wissenschaftler wird aus der Zukunft in die Schweiz des 19. Jahrhunderts geschleudert.

548 A -Filmographie

1991 Terminator 2: Judgement Day US, 136min, F, B. James Cameron, William Wisher, R: James Cameron, K: Adam Greenberg, SpE: Dennis Muren, M: Brad Fiedel, D: Arnold Schwarzenegger (Terminator 800), Linda Hamilton (Sarah Connor), Edward Furlong (John Connor), Joe Morton (Myles Dyson), S. Epatha Merkerson (Tarissa Dyson), Castulo Guerra (Enrique Salceda), Danny Cooksey (Tim). Erlöser-Knabe wird von gutem und bö- sen Maschinenwesen aus der Zukunft verfolgt. 1992 The Dark Half US, 122min, P: Declan Baldwin, B/R: George A. Romero nach einem Roman von Stephen King, K: Tony Pierce-Roberts, M: Christopher Young, D: Timothy Hulton (Thad Beautmont/Stark), Anny Madigen (Liz Beautmont), Julie Harris (Reggie Delesseps), Michael Rooker (Alan Pangborn), Patrick Brannan (Thad als Junge), Larry John Meyers (Dr. Pritchard), Robert Joy (Fred Clawson), Royal Dano (Digger Holt). Jekyll/Hyde Variation Batman Returns US, 122min, P: Warner Brothers, B: Daniel Waters, R: Tim Burton, K: Stefan Czapsky Rob Hahn S: Chris Lebenzon, SpE: Chuck Gaspar, Mike Edmondson u.a., M: Danny Elfman, D: Michael Keaton (Bruce Wayne, Batman), Danny DeVito (Oswald Chesterfield Cobblepot, Pinguin), Michelle Pfeiffer (Selma Kyle, Catwoman), Christopher Walken (Max Shreck), Michael Gough (Alfred Penyworth), u.a. Bram Stoker‘s Dracula US, 130min, P: Francis Ford Coppola, Fred Fuchs, Charles Mulvehill, B: James V. Hart, R: Francis Ford Coppola, K: Michael Ballhaus, M: Wojciech Kilar, SpE: Roman Coppola, D: Gary Oldman (Dracula), Winona Ryder (Mina Murray, Elisabeta), Anthony Hopkins (Professor Abraham van Helsing), Keanu Reeves (Jonathan Harker) Richard E. Grant (Dr. Jack Seward), Cary Elwes (Lord Arthur Holmwood), Bill Campell (Quincey P. Morris), Sadie Frost (Lucy Westenra), Tom Waits (R. M. Renfield), Monica Belluci, Michaela Bercu, Florina Kendrick (Draculas Bräute) u.a. Memoirs of an Invisible Man US, R: John Carpenter, 1993 Body Snatchers –The Invasion Continues US, 87min, Technicolor, Dolby, P: Warner Brothers, Robert H. Solo, Michael Jaffe, B: Stuart Gordon, Dennis Pavli, Nicholas St. John, Story: Raymond Cisthery, Larry Cohen, R: Abel Ferrara, S: Anthony Redmann, M: Joe Delna, T: Michael Barosky, Kost: Margaret Mohr, Maske: Joe Cuervo, D: Terry Kinney (Steve Malone), Meg Tilly (Carol Malone), Gabrielle Anwar (Marti Malone), Reilly Murphy (Andy Malone), Billy Wirth (Tim Young), Christine Elise (Jeen Platt), R. Lee Erney (General Platt), Kathleen Doyle (Mrs. Platt), Forest Whitaker (Dr. Collins), G. Elvis Phillips (Pete), Stanley Small (Platt’s Aide), Tonea Stewart (Leherin) 1994 Interview with a Vampire US, P: Warner Bros., Stephen Woolley, David Geffen, B: Anne Rice (basierend auf ihrer Novelle), R: Neil Jordan, K: Phillippe Rousselot, M: Elliot Goldenthal, SpE: Dante Ferretti, D: Tom Cruse (Lestat), Brad Pitt (Louis), Stephen Rea, Antonio Banseras (Armand), Christian Slater (Reporter) u.a. Mary Shelleys Frankenstein GB, P: Francis Ford Coppola, James V. Hart, John Veith, American Zoetrop, B: Steph Lady, Frank Darabont nach Mary Shelleys Roman Frankenstein , R: Kenneth Branagh, K: Roger Pratt, M: Patrick Doyle, D: Robert de Niro (Monster), Kenneth Branagh (Victor Frankenstein), Tom Hulce (Henry), Helena Bonham Carter (Elisabeth), Ian Holm (Victors Vater), Cherie Lunghi (Victors Mutter); Aidan Quinn (Walton), John Cleese (Prof. Waldman), Trevyn McDowell (Justine), Richard Briers, u.a. 1995 Seven US, P: Arnold Kopelson, Phyllis Carlyle, B: Andrew Kevin Walker, R: David Fincher, K: Darius Khondry, D: Morgan Freeman, Brad Pitt, Gwyneth Paltrow, John McGinley. Der deutsche Untertitel lautet: Sieben Todsünden. Sieben Wege zu sterben. Batman Forever US, 121min, P: Warner, Tim Burton, B: Lee Batchler, Janet Scott Bateiler, R: Joel Schumacher, K: Stephen Goldblatt, S: Dennis Virkler, M: Elliot Goldenthal, T: Peter Hiddal, D: Val Kilmer (Batman;Bruce Wayne), Tommy Lee Jones (Harvey Two-Face,

A - Filmographie 549

Harvey Dent), Jim Carrey (Riddler, Edward Nygme) Nicole Rickmann (Dr. Chase Meridian), Chris O’Donnell (Robin, Dick Grayson), Michael Gough (Alfred Pennyorth), Pat Hingle (Police Commissioner Gordon), Drew Barrymore (Sugar), Debi Mazar (Spice), Ed Begley Jr. (Fred Stickley) 1996 From Dusk till Dawn US, R: Robert Rodrignez, B: Quentin Tarantino, D: Harvey Keitel, Georg Clooney, Quentin Tarantino, Juliette Lewis. Horrorinszenario in einer Fernfahrer-Bodega. Independence Day US, 145min, P: Fox, Centropolis Entertainment, Ute Emmerich, William Fay, Dean Devlin, Roland Emmerich, B: Dean Devlin, Roland Emmerich, R: Roland Emmerich, K: Karl Walter Lindenlaub, S: David Brenner, SpE: Volker Engel, Douglas Smith, Tricia Ashford, Terry Clotiaux,Ton: Jeff Wexler, M: David Arnold, D: Will Smith (Capt. Steve Hiller), Bill Pullmann (Präsident Thomas J. Whitemore), Jeff Goldblum (David Levinson), Mary McDonnell (Marilyn Whitemore), Judd Hirsch (Julins Levenson), Margaret Colin (Constance Spano), Rady Qudid (Russel Casse), Robert Loggive (Gen. William Grey). Wissenschaftler und Flieger retten Welt vor dem Untergang. 1997 Batman & Robin US, 125min, P: Warner, Peter Macgregor-Scott, B: Akira Goldsman nach den Figu- ren von Bob Kane. R: Joel Schumacher, K: Stephen Goldblatt, S: Dennis Birkler, SpE: John Dykstra, M: Elliot Goldenthal, D: Arnold Schwarzenegger (Mt. Freeze), Georg Clonney (Batman, Bruce Wayyne), Chris O’Donnell (Robin, Dick Grayson), Uma Thurman (Poison Ivy, Pamela Isley), Michael Silverstine (Batgirl, Barbara Wil- son), Michael Gough (Kommissar Gordon), Elle Macpherson (Julie Madison). Eine Biologin plant die Erde als menschenlosen Garten. 1998 Vampires US, 107min, P: Storm King Prod., Sandy King, Don Jakoby, B: John Carpenter, Don Jakoby, Dan Mazur nach dem Roman Vampire$ von John Steakley, R: John Carpenter, K: Gary B. Kibbe, S: Edward A. Warschilka, M: John Carpenter, D: James Woods (Jack Crow), Daniel Baldwin (Tony Montoya), Sheryl Lee (Katrina), Thomas Ian Griffith (Valek), Tim Guinee (Vater Adam Guiteau), Maximilian Schell (Kardinal Alba). Einsamer Held rettet die Welt vor Vampiren. 1999 The Faculty US, 107min, B: Kevin Wiliamson, nach Jack Finneys Roman Invasion of the Body Snatchers von 1954, R. Robert Rodriguez, D: Salma Hayek, Jordana Brewster, Clea Du Vall, u.a. EXistenZ US, 93min, R: David Cronenberg, M: Hoard Shore, D: Jennifer Jason Leigh, Jude Lawe, Ian Holm, Don McKellar, William Dafoe

550 A -Filmographie

Gedruckt mit der Genehmigung der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum

Referentin: Frau Prof. Dr. Gertrud Koch

Korreferent: Herr Prof. Dr. Wolfgang Beilenhoff

Tag der mündlichen Prüfung: 04.02.2002