ORANIENBURGER SCHRIFTEN Beiträge aus der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg

AUSGABE 1 / Juli 2019

INHALT

5 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik (1919 bis 1923) Max Zenker

30 NS-Ideologie in der Polizeiausbildung 1933–1945 Janik Skibinski

52 Das tägliche Protokoll Kriegstagebuch des Oranienburger Polizeibataillons 310 Wieland Niekisch

56 Die Geschichte der Polizeiausbildungsstätte Basdorf Marc Giard

78 Die Deutsche und der Sport Christian Noack

98 Die Reformierung der Polizei in Brandenburg 1992–2002 Stefan Wizner

114 Die »« und die »RAF« – ein Vergleich Marvin Matiske Inhaltsverzeichnis

3 Editorial Rainer Grieger

5 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik (1919 bis 1923) Max Zenker

30 NS-Ideologie in der Polizeiausbildung 1933–1945 Janik Skibinski

52 Das tägliche Protokoll Kriegstagebuch des Oranienburger Polizeibataillons 310 Wieland Niekisch

56 Die Geschichte der Polizeiausbildungsstätte Basdorf Marc Giard

78 Die Deutsche Volkspolizei und der Sport Christian Noack

98 Die Reformierung der Polizei in Brandenburg 1992–2002 Stefan Wizner

114 Die »Organisation Consul« und die »RAF« – ein Vergleich Marvin Matiske

Editorial Editorial

Die Polizeibeamtinnen und -beamten des Landes Brandenburg werden seit 2006 auf einer Rainer Grieger Liegenschaft mit einer besonderen Geschichte ausgebildet. Das Gelände, auf dem die Hoch- schule (früher: Fachhochschule) der Polizei des Landes Brandenburg liegt, wurde in der Zeit des Nationalsozialismus als ein zentrales Truppenlager der SS-Totenkopfverbände für Kon- zentrationslager wie z. B. das benachbarte KZ Sachsenhausen errichtet und nach dem Krieg zuerst als sowjetisches Speziallager und später als Standort der Kasernierten Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee genutzt. Nach der Wiedervereinigung diente die Liegen- schaft kurze Zeit als Standort der Bundeswehr und beherbergte anschließend das bis 2002 existierende Polizeipräsidium Oranienburg. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten zog im Jahr 2006 die Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg auf dieses Gelände.

In Ausbildung und Studium für die Polizei des Landes Brandenburg spielen die Geschichte des Standortes Oranienburg und der deutschen Polizei insgesamt seit jeher eine besondere Rolle. Seine institutionalisierte Form fand dieser inhaltliche Schwerpunkt in der Gründung eines Zentrums für Zeitgeschichte der Polizei an der FHPol. Auch wurde das Fach Polizeige- schichte mit einem im Vergleich zu anderen Polizeihochschulen recht hohen Stundenansatz in den Curricula von Ausbildung und Studium verankert. Dabei dient dieses Fach nicht nur der historischen Orientierung, sondern auch der politischen Bildung, liefert doch gerade die deutsche Geschichte auf sehr bedrückende Art und Weise Anschauungsmaterial, wie sich eine Polizei zum Werkzeug eines verbrecherischen Regimes machen lassen kann.

Im Bachelorstudium werden jedes Jahr auch Abschlussarbeiten im Fach Zeitgeschichte ge- schrieben. Sechs besonders interessante Arbeiten aus der Zeit zwischen 2013 und 2019 le- gen wir Ihnen mit diesem Heft vor. Die Bandbreite der Themen und das Spektrum der zeithis- torischen Epochen, die dabei bearbeitet wurden, ist recht groß: Sie reicht von den politischen Krisenjahren der Weimarer Republik über die Polizeiausbildung in der NS-Zeit, der Sportförderung in der Deutschen Volkspolizei, der Geschichte der Polizeischule in Basdorf, dem Neuaufbau des Potsdamer Polizeipräsidiums bis zu einem Vergleich zweier Terrorgrup- pen aus der deutschen Geschichte.

Die in diesem Heft vorgestellten Bachelorarbeiten wurden vorsichtig lektoriert, im Wesentli- chen aber so gelassen, wie sie eingereicht wurden. Als Abschlussarbeiten eines polizeibezo- genen Studiengangs legen sie ein eindrucksvolles Zeugnis dafür ab, welche wissenschaftli- chen Leistungen von Absolventinnen und Absolventen der Polizeihochschule des Landes Brandenburg erreicht werden können. Die Autoren haben mit Bezug zu den gewählten The- men, den ausgewerteten Quellen und den befragten Zeitzeugen durchaus Neuland betreten und den Fundus an vorhandenem Wissen über die Geschichte der Polizei auf erfreuliche Art und Weise erweitert. Die ebenfalls in diesem Heft vorgestellte Arbeit von Janik Skibinski wurde 2014 sogar mit dem Brandenburgischen Nachwuchswissenschaftlerpreis ausge- zeichnet. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Rainer Grieger Präsident der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg

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Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik (1919 bis 1923)

Die Auseinandersetzung mit Staatsstreichversuchen von »rechts« und »links«

Max Zenker

Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklung der Polizei im Kontext der Weimarer Republik zu be- leuchten und dabei speziell einen Abriss über die Geschichte vom Ausgang des Ersten Weltkrieges mit Entstehung der Weimarer Republik bis hin zur Bewältigung der aus dem Krieg resultierenden Schwierigkeiten mit besonderem Fokus auf die Krisenjahre im Zeit- raum von 1919–1923 zu geben. Dabei sollen insbesondere die Neuorganisation der Polizei sowie deren Umgang mit innenpolitischen Krisen und staatsfeindlichen Bestrebungen im Vordergrund stehen.

Einleitung im täglichen Leben stets präsent: »(…) so verschwand das Heer nach Zusammen- »Das Alte und Morsche, die Monarchie, ist bruch der Monarchie zunehmend aus dem zusammengebrochen. Es lebe das Neue, Straßenbild [der Städte]«2 . es lebe die deutsche Republik!«1 Das Deutsche Heer vereinte den Aufga- benkomplex des Schutzes der Äußeren Mit diesen geschichtsträchtigen Worten rief und Inneren Sicherheit und war damit der der sozialdemokratische Politiker Philipp damaligen Polizei in Form von Schutz- Scheidemann am 9. November 1918 vom mannschaften noch vorgezogen, wenn es Balkon des deutschen Reichstages in Ber- darum ging, Aufgaben zu erfüllen, insbe- lin die erste demokratisch verfasste Staats- sondere bei Bekämpfung innerer Krisen. form in Deutschland, in Form einer Repub- Mit anderen Worten gesagt: »Die Polizei lik, aus. Diese Worte bedeuteten einen war durch die tatsächliche Gewalt der Sol- politischen und gesellschaftlichen Um- daten vorerst ausgeschaltet.«3 bruch, der zur Abkehr von dem im Jahre Doch die aus dem Krieg erwachsenen 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreich Anforderungen, insbesondere die Bewälti- und damit zur Aufgabe der konstitutionel- gung von Unruhen, ausgelöst durch Hun- len Monarchie in Deutschland führte. ger, Armut, Krankheit, Umsturzversuchen, Die Zeitenwende in Deutschland, die politischen Morden, gegenseitigen Agitati- sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts voll- onen von Anhängern links- und rechtsge- zog und stets im Kontext mit der Niederla- richteter Organisationen, brachte eine ge des Deutschen Reiches im Ersten KRႇQXQJVORVH XQG ]XJOHLFK VWUPLVFKH Weltkrieg zu sehen ist, brachte auch eine aufgebrachte Stimmungslage mit sich, die starke Veränderung der Aufgaben der Ins- von den Schutzmannschaften des Kaiser- trumente der staatlichen Sicherheit mit reiches nicht zu handhaben war.4 sich. Es bedurfte einer Neuorganisation der War doch im militaristisch geprägten Kai- Polizeitruppen zu einer Organisationsform, serreich das Militär, welches auf eine lange welche in der Lage war, die Innere Sicher- Tradition zurückblicken und die als tugend- heit und Ordnung zu verteidigen. Diese war haft angesehenen Werte wie Disziplin und durch innere Aufstände und immer wieder Gehorsam nach außen darstellen konnte, HUQHXWDXႉDPPHQGH.RQÀLNWKHUGHLQVEH-

Oranienburger Schriften 1 / 2019 5 Max Zenker

sondere in den Krisenjahren der Weimarer JHV6RHUKRႇWHQVLFKGLH*UR‰PlFKWHLQ 5HSXEOLN ± DQJHJULႇHQ Europa von einem Krieg, die im eigenen Diese Umgestaltung wurde mit Grün- Interesse stehenden Kriegsziele zu ver- dung der Sicherheitspolizei, die später in wirklichen, welche die eigene Dominanz Schutzpolizei umbenannt wurde, realisiert. und Stärke im Kräftevergleich der Mächte »Damit wurde die Polizei zum bedeutends- noch steigern sollte. Der Erste Weltkrieg ten und [zugleich] sichtbarsten Symbol der demonstrierte den Fortschritt der Zeit, wel- Staatsgewalt (…).«5 Dieser ausgelöste Ent- cher die militärische Auseinandersetzung wicklungsprozess der Polizei mündete spä- auf dem Schlachtfeld durch neuartige Waf- ter in eine Polizeitruppe, deren Maxime fensysteme zu einem industrialisierten und sich in einer volksnahen und aufgeschlos- technisierten Krieg werden ließ.7 senen Grundhaltung gegenüber dem Bür- Für das Deutsche Reich verlief der Krieg ger widerspiegelte. vorerst erfolgversprechend, konnten doch Diese Tatsachen sollen den Ansatzpunkt im Westen starke Einbrüche in die Linien der Betrachtung bilden. Dabei bildet die An- der Franzosen erzielt und im Osten mit dem fangsphase der Weimarer Republik die Aus- Abschluss des Friedensvertrages von Brest gangsbasis, um anhand der wirtschaftli- Litowsk am 3.3.1918 ein großer Gebietsge- chen, politischen und gesellschaftlichen winn verzeichnet werden.7 Doch kam es Ebene die Verhältnisse, die nach dem Krieg seit dem Jahr 1917 durch eine von alliierten in Deutschland vorherrschten und nicht um- Truppen eingerichtete Seeblockade zu sonst als Krisenjahre der Republik bezeich- wachsenden Versorgungsengpässen für net werden, zu verstehen. GLH%HY|ONHUXQJGDZHQLJHU5RKVWRႇHXQG Damit einhergehend soll der Entwick- Lebensmittel nach Deutschland eingeführt lungsprozess, der sich auf dem Gebiet der werden konnten. Dazu kamen der Hunger- Sicherheitsorgane, insbesondere der Poli- winter 1916/17 sowie die allgemeine Kriegs- zei, in Form eines Neuaufbaus vollzog, nä- müdigkeit, die den Ruf nach Frieden lauter her beleuchtet werden. Auch die Ursachen werden ließen. Zur Lösung der Seeblocka- für Staatsstreichversuche von rechts und de befahl die Seekriegsleitung im Jahre links sowie deren unmittelbare Folgen sollen 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, im Zusammenhang mit der Auseinanderset- den die USA zum Anlass für den Eintritt in zung der neu gegründeten Sicherheitsorga- den Ersten Weltkrieg nahmen und das ne mit diesen staatsfeindlichen Bestrebun- Kräftegleichgewicht zu Gunsten der Alliier- JHQQlKHUH%HWUDFKWXQJ¿QGHQ ten stark veränderte.8 Wichtig dabei erscheint es, dem Rezipien- So wurden die »erschöpften«9 deutschen ten die Polizei der Weimarer Republik als Truppen ab August 1918 von den Alliierten Vorläuferorganisation für unseren heutigen stark zurückgedrängt, sodass der Krieg Polizeiapparat mit demokratischem und bür- faktisch als verloren galt.10 gernahem Polizeiverständnis begreifbar zu Um dem kompletten Zusammenbruch machen und deutlich hervortretende Paral- der Front entgegenzuwirken, forderte die lelen zur Gegenwart herauszustellen. Oberste Heeresleitung (OHL) am 28.9.1918 HLQHQ VRIRUWLJHQ :DႇHQVWLOOVWDQG GHU 2. Das Kaiserreich bricht zusam- schlussendlich am 11.11.1918 unterzeichnet men – Übergang zur Weimarer wurde. Damit war die Chance auf einen Republik Verständigungsfrieden für das Deutsche Reich nicht mehr gegeben.11 2.1 Das Ende des Ersten Weltkrieges Auch innenpolitisch führte die sich stetig verschlechternde Situation Deutschlands, Im Jahr 1914 begann der Erste Weltkrieg, einhergehend mit Hunger und Leiden der der heute unter Geschichtswissenschaft- Bevölkerung, zu politischen Verwerfungen. lern als Urkatastrophe des 20 Jahrhunderts So distanzierten sich die großen Volkspar- bezeichnet wird. In vielen Staaten Europas teien zunehmend von der Kriegspolitik und steigerte sich die allgemeine Kriegsbegeis- unterstützten die Forderung nach einem terung bis hin zu einem Ausbruch des Krie- baldigen Verständigungsfrieden.12

6 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

Das Deutsche Reich berief sich auf das $XI 'UXFN GHU 063' XQG LQ GHU +Rႇ- von Präsident Wilson auf Grundlage des nung, die weitere Revolution eindämmen zu Selbstbestimmungsrechts der Völker vorge- können, verkündete der Reichskanzler Max schlagene 14-Punkte-Programm, nachdem von Baden eigenmächtig die Abdankung ein Friedensabkommen ausgehandelt wer- des Kaisers. Außerdem übergab er das Amt den sollte, bei dem es weder Sieger noch des Reichskanzlers an .18 Besiegte geben sollte. Damit eine Überein- Am selbigen Tag rief Philip Scheidemann kunft mit dem Deutschen Reich erreicht die Republik vom Reichstag in aus werden konnte, kam es auf Druck der Alliier- und besiegelte damit das Ende des Kaiser- ten zur Demokratisierung der Reichsverfas- reichs in Deutschland. Eine Stunde später sung und damit folglich einhergehend zur proklamierte Karl Liebknecht vom Berliner Parlamentarisierung des Reiches. Der Kai- Stadtschloss die Sozialistische Räterepub- ser ernannte Prinz Max von Baden am lik nach russischem Vorbild.19 2.10.1918 zum Reichskanzler, was den fakti- Die doppelte Proklamation der Republik schen Übergang von einer konstitutionellen deutet bereits hier innenpolitische Verwer- zur parlamentarischen Monarchie bedeute- fungen und Zielvorstellungen über die Aus- te und den Kaiser »zum ausführenden Or- gestaltung der neuen Staatsform an. gan mit eingeschränkten Rechten« degra- Am 10.11.1918 wurde unter Vorsitz Fried- dierte.13 rich Eberts eine neue Übergangsregierung, Meissner (1991) formuliert die Machtab- der Rat der Volksbeauftragten, bestehend JDEHDQGDV3DUODPHQWWUHႇHQGª'LH(QW- aus je drei Mitgliedern der USPD und scheidung über Krieg und Frieden war damit MSPD, gebildet, welche die Regierungs- aus den Händen des Kaisers in die Hände XQG9ROO]XJVJHZDOWYRUOlX¿JLQQHKDWWH20 des Parlaments gelegt.«14 Aufgrund der immer noch sehr ange- spannten inneren Lage des Reiches ver- 2.2 Die Novemberrevolution suchte Ebert durch Zusammenarbeit mit der OHL die innere Stabilität Deutschlands Einen weiteren Anlass für Ausschreitungen durch den Groener-Ebert-Pakt oder »Pakt bot der Flottenbefehl der Seekriegsleitung mit den alten Mächten« zu gewährleisten. vom 24.10.1918. Die Kriegsmarine sollte in So sicherten sich die OHL und die neue einer letzten Entscheidungsschlacht gegen Reichsregierung in Einvernehmen zu, ein- die überlegene britische Flotte zum Kampf ander gegenseitig in Fragen der Rückfüh- auslaufen.15 Die Matrosen erkannten die rung des Heeres und der Aufrechterhaltung Sinnlosigkeit dieses Befehls und sahen es der inneren Sicherheit zu unterstützen.21 nicht ein, sinnlos geopfert zu werden, wes- Dadurch erhielt die Republik zwar mehr halb es folglich zur Meuterei und zu Auf- innenpolitische Stabilität, konnte sich aber ständen der Matrosen in Kiel und Wilhelms- durch die Berufung auf alte monarchisch haven kam. Diese revolutionäre Bewegung JHSUlJWH.UlIWHLQ2+/2ႈ]LHUVNRUSVXQG JULႇVHKUVFKQHOOXPVLFKXQGEUHLWHWHVLFK Heer, nicht vollständig vom alten System wie ein Flächenbrand im ganzen Reichsge- losreißen, weshalb eine gewisse Kontinuität biet aus, bewahrte aber stets den Charakter und Verbundenheit vom Kaiserreich hin zur einer antimilitaristischen Revolution. In vie- Weimarer Republik erkennbar bleibt. len Städten des Reiches bildeten sich Ar- Auf dem am 10.–16.12.1918 in Berlin beiter- und Soldatenräte, die »legislative VWDWW¿QGHQGHQ 5HLFKVNRQJUHVV GHU $UEHL- und exekutive Befugnisse übernahmen«16. ter- und Soldatenräte sollte über die spätere Am 9. November 1918 erreichte die revo- Staatsform Deutschlands in Form einer par- lutionäre Bewegung, welche keiner Strate- lamentarischen Demokratie oder einer Rä- gie folgte und nur situationsbedingt durch terepublik nach sowjetischem Vorbild abge- die damals vorherrschenden Verhältnisse stimmt werden. Die Mitglieder entschieden abgeleitet werden kann, das politische Zen- sich mehrheitlich für Wahlen einer verfas- trum des Reiches, Berlin. Auf den Straßen sungsgebenden Nationalversammlung am forderten die Massen Frieden und die Ab- 19.1.1919, die die revolutionär legitimierte dankung des Kaisers.17 Regierung ablösen und die Verfassung für

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eine parlamentarische Republik ausarbei- So konnten die Oppositionsparteien USPD, ten sollte.22 Die Nationalversammlung trat DVP und DNVP ihre erhaltenen Stimmen zu einem späteren Zeitpunkt erstmals im kräftig steigern.25 Nationaltheater von Weimar zusammen. Die Nationalversammlung trat am 6.2.1919 wegen der aufgeheizten revolutio- 3. Die innere Belastung in den nären Stimmung in der Hauptstadt sowie Anfangsjahren der Weimarer unter Berufung auf den Geist der Weimarer Republik Klassik erstmals im dortigen Nationaltheater zusammen und wählte Friedrich Ebert zum 3.1 Politische, wirtschaftliche und Reichspräsidenten. gesellschaftliche Zustände Anschließend wurde eine Verfassung ausgearbeitet, welche am 31.7.1919 durch Die nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre die Nationalversammlung angenommen 1919 gegründete Weimarer Republik stellte und schließlich am 14.8.1919 nach Unter- GLH HUVWH GHPRNUDWLVFK EHVFKDႇHQH $XV- zeichnung durch den Reichspräsidenten in prägung des deutschen Nationalstaates Kraft trat.26 dar. Doch das System konnte sich im Zuge Die Verfassung garantierte dem auf sie- der Nachkriegszeit, welche durch schwieri- ben Jahre direkt vom Volk gewählten ge wirtschaftliche und innenpolitische Ver- Reichspräsidenten starke Machtbefugnis- hältnisse geprägt war, nicht dauerhaft etab- se, weshalb dieses Amt auch als »Ersatz- lieren. kaiser« bezeichnet wurde. So ist dieser Betrachtet man die Situation der Weimarer befugt, den Oberbefehl über die Streitkräf- Republik in ihrer Ausgangzeit von einer Me- te zu führen, den Reichskanzler ohne die taebene aus, so stellt man fest, dass sich die Mitwirkung des Parlaments zu ernennen Republik in ihrer Anfangsphase ständig mit und zu entlassen oder den Reichstag auf- dramatischen Lagen konfrontiert sah. Diese zulösen. Letztgenannter Punkt trug aber lässt sich detailliert beschreiben, indem man ebenso zur Stabilisierung der Republik bei, die drei Kernbereiche und zugleich wichtigs- da so Neuwahlen herbeigeführt werden ten Bindeglieder eines Staates, die politi- konnten und mögliche Regierungsunfähig- sche, wirtschaftliche und gesellschaftliche keiten auf Grund des Verhältniswahlrechts Ebene, zur näheren Betrachtung heranzieht. und der deshalb zahlenmäßig hohen An- zahl von Parteien begegnet werden konn- a) politische Zustände: ten.27 Am 19.1.1919 fanden erstmals unter Beteili- Das deutlichste Beispiel für die machtpoli- gung von Frauen reichsweite Wahlen nach tisch herausragende Stellung des Reichs- dem Verhältniswahlrecht zur verfassungsge- präsidenten bildet der Art. 48 I der Weimarer benden Nationalversammlung statt, welche Reichsverfassung (WRV). Demnach erhält den im Zuge der Novemberrevolution ge- dieser das Recht der Reichsexekution ge- VFKDႇHQHQ5DWGHU9RONVEHDXIWUDJWHQGXUFK gen innerdeutsche Länder, was bedeutete, eine neue Regierung ablösen sollte. Dem- GLHVH/lQGHUPLWGHUªEHZDႇQHWHQ0DFKW© nach bildeten die Sozialdemokratische Par- also der des Heeres, zur Erfüllung der tei Deutschlands (SPD), die Zentrumspartei 3ÀLFKWHQJHJHQGLHVH/lQGHUHLQVHW]WHQ]X (Z) und die Deutsche Demokratische Partei können. Von diesem Recht wurde im Jahre (DDP), welche zusammen mehr als 75% der 1920 gegen Thüringen und 1923 gegen Gesamtstimmen erhielten, die Weimarer Ko- Sachsen Gebrauch gemacht, um dessen alition, die erste demokratisch legitimierte kommunistische Regierungen, die sich aus Regierung unter Philipp Scheidemann Vertretern der SPD und KPD bildeten, abzu- (SPD).23 setzen28, da diese die damals als revolutio- Bei den Reichstagswahlen im Jahre 1920 när, radikal und als demokratie-feindlich gel- erhielt die Weimarer Koalition nur noch tende KPD bei radikalen Umsturzversuchen knapp 48,2 %24 der Stimmen und verlor da- unterstützten.29 So wurden 1923 Reichs- mit viele ihrer Stimmen, die sie noch im Jahr wehrtruppen in eingesetzt, welche 1919 erhielten, an rechte und linke Parteien. die zuvor von Seiten der KPD gebildeten

8 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

ª3UROHWDULVFKHQ+XQGHUWVFKDIWHQ©DXÀ|VWHQ b) wirtschaftliche Zustände: und die kommunistischen Minister entließen. Betrachtet man die wirtschaftliche Aus- Durch den Einmarsch der Reichswehr kam gangslage nach dem Krieg, so ist festzu- es zu Toten und Verletzten.30 stellen, dass die Weimarer Republik durch Der Art. 48 II WRV sicherte dem Reichs- die im Krieg aufgebauten Schulden, den präsidenten die exekutive, folglich die Poli- Versailler Vertrag, der auf der einen Seite zeigewalt zu, um bei »(…) erheblicher Stö- umfangreiche Gebiets- und Sachforderun- UXQJ RGHU *HIlKUGXQJ GHU |ႇHQWOLFKHQ gen und auf der anderen Seite starke Repa- Sicherheit und Ordnung«31PLWGHUªEHZDႇ- rationsleitungen mit sich verband, sowie neten Macht einzuschreiten«32 zu können. durch eine aus dem Krieg erwachsene und Auch die Grundrechte konnten außer Kraft VLFK]XVSLW]HQGH,QÀDWLRQVWDUNJHVFKZlFKW gesetzt werden. Weiterhin konnte das Parla- begann. ment faktisch ausgeschaltet werden, indem Deutschland verzichtete mit Annahme der Reichspräsident Gesetze ohne Mitwir- des Versailler Vertrages am 28.6.1919 auf kung des Reichstages erlassen konnte. Der circa 13 Prozent der Fläche und circa zehn Art. 48 WRV wurde gerade in den Krisenjah- Prozent der Bevölkerung, was auf die ren der Republik im Zeitraum von 1919– Gebietsverluste bezogen, zum Verlust 1923 genutzt, um Putsch- und Staatsstreich- ZLFKWLJHU,QGXVWULHDQODJHQXQG5RKVWRႇYRU- versuche von politisch linken und rechten kommen34, aber auch zum Verlust von land- Kräften zu verhindern.33 ZLUWVFKDIWOLFKHU 1XW]ÀlFKH IKUWH ZHOFKH Aber am Ende der Republik diente dieser gerade für die Versorgung der Bevölkerung Artikel auch den Nationalsozialisten als Hilfe, bedeutsam war. Außerdem mussten neun- um die Funktion des Parlaments zu unterlau- ]LJ 3UR]HQW GHU +DQGHOVÀRWWH XQG JUR‰H fen und somit ihr System zu etablieren. Zahlen an Lokomotiven, landwirtschaftli- Es lässt sich zusammenfassen, dass der chen Maschinen und Gütern an die Alliier- Wahlausgang für die republiktragenden Par- ten abgeben werden.35 teien einen Erfolg bedeutete, da diese mit Hinzu kamen Reparationszahlungen, die ihrem Kurs Unterstützung bei der Bevölke- auf der Londoner Konferenz im Jahr 1921 rung fanden. Das Amt des Reichspräsiden- auf eine Höhe von 132 Milliarden Goldmark ten erhielt durch die monarchistische Aus- festgelegt wurden, obwohl auch englische richtung eine machtvolle Handhabe, die und französische Experten bescheinigten, gerade in den Anfangsjahren der Republik dass diese Forderung von Deutschland nicht dazu genutzt wurde, dass System zu stabili- zu erbringen war.36 sieren. ,P -DKU  NDP HV ]XU +\SHULQÀDWLRQ Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnis- Die Entwertung der Währung führte vieler- se und die im Alltag ständig spürbaren orts zum Zusammenbruch der Lebensmittel- Kriegsnachwirkungen in Form von Hunger versorgung und zu einer regelrechten und Krankheit, aber auch der Ärger der links- »Flucht in Sachwerte«37. gerichteten Lager über den Ausgang der Re- $OV*HJHQPD‰QDKPH]XU,QÀDWLRQXQGGHU volution sowie starker Unmut der rechtsge- sich verschlechternden wirtschaftlichen La- richteten Lager über die Annahme des ge wurde nach Gründung der Rentenbank Versailler Vertrages, die Erfüllungspolitik und am 15.11.1923 die Rentenmark als Über- die neu angenommene Staatsform führten gangswährung eingeführt.38 Mit Hilfe dieser zwischen den kontrastierenden Lagern war es möglich, das Wirtschaftsleben zum selbst zu starken Auseinandersetzungen, Nachteil des Mittelstandes, der seine ge- ferner aber auch zu staatsfeindlichen Aktio- samten Ersparnisse und damit das Vertrau- nen gegen die Weimarer Republik, mit de- en in den Staat verlor, zu normalisieren.39 nen im Laufe der Krisenjahre immer wieder So führte der Erste Weltkrieg zur Ein- versucht wurde, das sich neu entfaltende, in schränkung der Handelsbeziehungen der GHU.RQVROLGLHUXQJEH¿QGOLFKHXQGYRQGHQ Staaten untereinander, aber auch zu star- radikalen Parteien verachtete System zu er- ken wirtschaftlichen Problemen, mit denen schüttern und nach eigenen Vorstellungen sich insbesondere Deutschland, das als und Motiven zu gestalten. Verlierer aus dem Krieg hervorging, in den

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Jahren von 1919 bis 1923 auseinander set- sich insbesondere in der Anfangsphase der zen musste. Insbesondere der Versailler Weimarer Republik vollzogen, sind mit all Friedensvertrag bedeutete für Deutschland ihren Problemen als mitursächlich für die zum einen eine starke wirtschaftliche staatsfeindlichen Bestrebungen links- und Schwächung, zum anderen aber auch die rechtsgerichteter Kräfte anzusehen. So er- Ausschaltung Deutschlands als militärische lebte die Weimarer Republik seit ihrer Grün- Groß- und Kolonialmacht, starke Gebiets- dung zahlreiche Putsch- und Staatsstreich- verluste und lastete dem deutschen Volk versuche, die sich insbesondere in den und seinen Verbündeten die Hauptschuld Krisenjahren der Republik, also im Zeitraum für den Ersten Weltkrieg an. von 1919–1923, ereigneten. Gerade Ereignisse wie der Spartakus- c) gesellschaftliche Zustände: aufstand im Januar 1919, der Kapp-Lütt- Da die wirtschaftliche Ebene eines Staates witz-Putsch im März 1920, der Ruhrauf- stets eng mit der gesellschaftlichen Ebene stand im März 1920, der Mitteldeutsche verbunden ist, hat die wirtschaftlich schwie- Aufstand im März 1921, der Hamburger rige Lage folgerichtig auch Auswirkungen Aufstand im Oktober 1923 oder der Hitler- auf den Volkskörper, welche als Arbeitslo- Putsch im November 1923, welche eine sigkeit, eine schlechte Versorgungslage turbulente und höchst aufrührerische Lage und daraus resultierende Ermüdung und in den ersten fünf Jahren der Weimarer Re- Perspektivlosigkeit zu Tage traten. Die An- publik widerspiegeln, zeigten, wie notwen- erkennung der alleinigen Kriegsschuld dig Sicherheitsorgane für den Bestand des Deutschlands gemäß Artikel 231 des Ver- Staates waren. sailler Vertrages40 (VV) und die Reparati- onsleistungen führten ebenfalls zu einer 4. Polizei zu Beginn der ZDFKVHQGHQ 8QUXKH LQ GHU gႇHQWOLFKNHLW Weimarer Republik sowie zu einem Gefühl der Enttäuschung darüber, dass das politischen System41 ge- 4.1 Zusammenbruch der Schutzmann- scheitert war – aber auch zu einer Partei schaften des Kaiserreiches übergreifenden Ablehnung des Vertrags- werkes. Mit der Niederlage des deutschen Kaiser- Die Einführung der Renten- bzw. der spä- reiches im Ersten Weltkrieg und dem dar- teren Reichsmark beendete 1923 schlagar- aus resultierenden Zusammenbruch der WLJGLH+\SHULQÀDWLRQ'XUFKGLHVHKDWWHJH- inneren Ordnung war das alte Gefüge des rade der den Staat tragende Mittelstand innerstaatlichen Sicherheitsapparates seine Ersparnisse verloren, was zur Ableh- nicht mehr aufrecht zu erhalten. Die nung des demokratischen Staates, »(…) Schutzmannschaften des Kaiserreiches der sie betrogen und bestohlen hatte«, führ- waren den aus dem Weltkrieg erwachse- te. Viele wandten sich danach radikalen nen Anforderungen nicht gewachsen.43 Parteien zu.42 Dies zeigt insbesondere das Verhalten der Insgesamt lässt sich herausstellen: Die Schutzmannschaften in den Städten des Weimarer Republik hatte einerseits die ihr Reiches zu Beginn der Novemberrevoluti- durch den Versailler Vertrag aufgelegten on im Jahre 1918. In Berlin, der Haupt- Lasten des verlorenen Krieges zu tragen. stadt des Deutschen Reiches, in der der Andererseits musste sie sich mit einer ihr ab- Personalkörper der Schutzmannschaft mit lehnend und zurückhaltend gegenüberste- 6300 Polizisten, eine an der Mannstärke henden Bevölkerung auseinandersetzen des gesamten Reiches gemessen circa und der ständigen Anfeindung durch radikale 80 000 Mann starken Polizei, sehr stark Kräfte erwehren. So erfuhr die Republik ge- ausgeprägte Truppenzahl besaß, ergaben rade in den Anfangsjahren eine Zeit inneren sich die Schutzmänner, die als Symbol Aufruhrs und Ungewissheit. Wirtschaftliche des monarchistischen Systems einer stark Instabilität und gesellschaftliche Verunsiche- militaristisch, auf Gehorsam und Disziplin rung waren ein weiteren Indikator der Krisen- angelegten hierarchischen Ordnung un- jahre. Gerade die Entwicklungen, welche WHUVWDQGHQNDPSÀRVGHUKHUDQQDKHQGHQ

10 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

revolutionären Welle, indem das »(...) stark Sicherheit und Ordnung und in den ver- EHVHW]WH XQG EHZDႇQHWH 3ROL]HLSUlVLGL- schiedenen Städten des Reiches mit unter- um«44 ohne einen Schuss aufgegeben schiedlicher Struktur versehenen, neu for- wurde. Die Schutzmannschaften legten ih- mierte Sicherheitswehren, Einwohner- und re Arbeit nieder und erschienen erst einige Bürgerwehren sowie , neben den Tage später wieder zum Dienst. Diese Vor- Schutzmannschaften die Polizeikontrolle.50 gänge lassen sich repräsentativ auch auf Könnemann (1971) gibt in einem Rund- andere Teile des Deutschen Reiches be- schreiben des Reichswehrministeriums ziehen.45 über die Bildung von Einwohnerwehren Weiterhin trug auch der Zusammenbruch vom 25.4.1919 nähere Auskunft über de- des Heeres zum Niedergang der kaiserli- ren Aufgabe: »Zweck der Einwohnerweh- chen Polizei bei. Dieses war, neben der UHQ LVW GLH |ႇHQWOLFKH 6LFKHUKHLW LP HLJH- Kriegsführung und den Belangen für die äu- nen Wohnbezirk zu gewährleisten und ßere Sicherheit des Reiches, bei Vorliegen Polizei- und Regierungstruppen in ihrer des »Belagerungszustandes«, welcher mit schweren Aufgabe, Kampf gegen Dieb- der Kriegserklärung vom 31.7.1919 durch stahl, Plünderungen und Aufruhr, zu unter- das preußische Gesetz über den Belage- stützen.«51 Auch die Freikorps, welche sich rungszustand formal gegeben war, auch für zu großen Teilen aus ehemaligen Frontsol- innere Belange46, also die Aufrechterhal- GDWHQ DOVR DXV GHP VLFK DXÀ|VHQGHP tung der inneren Sicherheit und Ordnung, Heer rekrutierten, wurden zu diesem zuständig. Das Gesetz über den Belage- Zweck gebildet, aber eben auch zur Be- rungszustand vom 4.6.1851 sicherte den kämpfung sozialistischer Revolutionäre, regionalen Militärbefehlshabern, welche im also zur Bekämpfung linker staatsfeindli- ganzen Reichsgebiet, an strategisch wichti- cher Aktionen eingesetzt. »Bis zur ersten gen Punkten verteilte Garnisonen und »Ge- Konsolidierung der innenpolitischen Ver- neralkommandos« befehligten, »(…) die hältnisse im Sommer 1919 blieb der An- vollziehende Gewalt [und] damit [auch] die spruch, Polizei-Aufgaben auszuüben, ›Ru- Polizeigewalt [zu] (…).«47 Diese »Ersatz- he und Ordnung‹ herzustellen, im truppenteile« sollten die Schutzmannschaf- Widerstreit der ›Sicherheitswehren‹, ›Ein- ten im Falle innerer Unruhen und Konfron- wohnerwehren‹ und ›Freikorps‹ (…).«52 WDWLRQHQXQWHUVWW]HQ¿HOHQMHGRFKLP=XJH Erst mit der Aufstellung der Sicherheitspo- der sich rasch ausbreitenden Bewegung lizei (Sipo) im Jahre 1919 in Preußen kehr- der Novemberrevolution zunehmend an die te der »(…) Monopolanspruch des Staates sich in vielen Städten des Reiches gegrün- im Bereich der inneren Sicherheit zu- deten Arbeiter- und Soldatenräte oder liefen rück.«53 Es herrschte bis zur Bildung der zu den Revolutionären über.48 Sipo reichsweit keine Einheitlichkeit darü- Leßmann (1989) verdeutlicht mit einem ber, wie der Sicherheit und Ordnung ga- Auszug aus dem Berliner Tageblatt vom 10. rantiert werden konnten, weshalb dieses November 1918 die wechselhaften Ereignis- Vakuum durch Freiwilligenverbände und se und das Ende der kaiserlichen Schutz- verschiedene Wehren zeitweise übernom- mannschaft: men wurde. »Es gab noch vor einer Woche einen mi- litärischen und zivilen Verwaltungsapparat, 4.2 Neuaufbau und Umgestaltung der der so… tief eingewurzelt war, daß [sic.] er Polizei über den Wechsel der Zeiten hinaus seine Herrschaft gesichert zu haben schien,... auf 4.2.1 Die Aufstellung der Sicherheits- den Plätzen standen wie Säulen der Macht polizei die Schutzleute. Gestern früh war in Berlin Die auf das Jahr 1918 datierte Novemberre- wenigstens das alles noch da – gestern volution sowie verschiedene Aufstände, die Nachmittag existierte nichts mehr davon.«49 zugleich staatsfeindliche Aktionen gegen die Es übernahmen im Zuge der turbulenten Weimarer Republik darstellten, bedrohten Umstände im Reich verschiedene, mit dem nicht nur die sich gerade in den Anfangsjah- Zweck der Aufrechterhaltung der inneren ren und einer Phase der Konsolidierung be-

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¿QGOLFKH5HSXEOLNVRQGHUQIKUWHQDXFK]X Zu diesem Zweck war diese Truppe mit Veränderungen in der Ausgestaltung der Si- »(…) Geschützen, Panzerfahrzeugen, Mi- cherheitsorgane der Weimarer Republik. nen- und Flammenwerfern ausgerüstet«61, So forderte der Reichswehrminister was den militärischen Charakter noch un- Gustav Noske bereits im März des Jahres terstrich. Die Kasernierung wurde durch 1919 beim preußischen Innenministerium »(…) die schwierigen innenpolitischen Ver- die Einrichtung einer »neuen Polizei«54. hältnisse im Lande, insbesondere die im- In Zusammenarbeit mit dem preußi- mer wiederkehrenden Erhebungen ganzer schen Innenministerium unter Wolfgang Volksteile zum Kampf gegen den Staat.«62 Heine, welcher ein zum polizeilichen notwendig. Schutzmann-System entgegenstehendes Kraus (2004) fasst zusammen: »(…) Mit Konzept anstrebte, wurde eine Ausferti- der Sicherheitspolizei wurde eine Polizeior- gung für den zukünftigen Aufbau der Sipo ganisation ins Leben gerufen, die militä- LQ GHQ ªDP  0DL  YHU|ႇHQWOLFKWHQ risch gegliedert und auch ausgerüstet war. (…) Organisationsrichtlinien für die Berli- Sie bildete zusammen mit der Ordnungs- ner Sicherheitspolizei [publiziert]«55. und Kriminalpolizei die dritte Säule im Si- In diesem Konzept fanden sich auch be- cherheitswesen (…)«63 der Weimarer Re- GHXWHQGH3XQNWHGHV6WDEVRႈ]LHUVGHU*DU- publik. Die kaiserliche Schutzmannschaft de-Kavallerie-Schützendivision, Waldemar hatte ausgedient. Mit der Aufstellung der 3DEVWLQGHUDPYHU|ႇHQWOLFKWHQ Sicherheitspolizei in Preußen und später Denkschrift, die einen bedeutenden Anschub im gesamten Reich wurde das staatliche für die Neuorganisation der Polizei bildete. Gewaltmonopol bei Einsatzanlässen der Die bedeutendsten dieser Kernpunkte Sipo einheitlich nach außen hin sichtbar. sind die »(…) Umbildung der Schutzmann- Die Uniformfarbe war grau-grün und er- schaft zu einer uniformierten Ordnungspoli- innerte an die militärische Formation der zei und einer davon getrennten, militärisch Jägertruppen.64 Nach diesem Vorbild wur- strukturierten Sicherheitspolizei(…)«56. de eine schlagkräftige, paramilitärische Daneben wurden folgende Aufgaben für und infanteristische Truppe aufgebaut, de- die Sicherheitspolizei festgeschrieben: ren primäres Ziel gerade in der Bekämp- »Der Sicherheitspolizei soll die Sicherheit fung innerer Unruhen und Aufstände lag. von Leben und Eigentum gegen gewaltsa- PH$QJULႇHXQGGLH6LFKHUXQJGHU6WDDWV- 4.2.2 Bestimmungen und Folgen des ordnung obliegen, der Ordnungspolizei der Versailler Vertrages in Bezug auf die gesamte übrige Polizeidienst.«57 Landmacht Diese strukturelle Trennung in Ordnungs- :HLWHUHQ (LQÀXVV DXI GLH *HVWDOWXQJ GHU polizei und Sicherheitspolizei sowie die da- Polizei in der Weimarer Republik hatte zu- neben existierende Kriminalpolizei mit ihren dem die Verkündung der Friedensbedin- jeweiligen Aufgabenbereichen ist in diesen gungen des Versailler Vertrages am Organisationsgrundzügen bis auf Namens- 10.5.191965, durch welchen die Alliierten änderungen und kleine organisationsforma- PD‰JHEOLFKHQ(LQÀXVVDXIGLH*HVWDOWXQJ le Unterschiede bis heute erhalten. Die Si- der inneren Sicherheitsorgane in Deutsch- cherheitspolizei, die somit faktisch als land nahmen. Dieses Vertragswerk, wel- Vorläufer unser heutigen Bereitschaftspoli- ches zugleich die Bestimmung der Nach- zei dient, war in Kasernen untergebracht kriegsordnung für Europa darstellte, und sollte sich aus jungen und ledigen Leu- enthielt nicht nur Regelungen über wirt- ten, Freikorps58, sowie aus gedienten Unter- schaftliche und territoriale Aspekte, son- Rႈ]LHUHQ ]XVDPPHQVHW]HQ ZRGXUFK GDV dern enthielt auch weitreichende militärpo- Militär der hauptsächliche »Nachwuchslie- litische Bestimmungen. Bezieht man den ferant« der Sicherheitspolizei blieb.59 Versailler Vertrag auf die militärischen und Die Rekruten »(…) waren dafür be- GLHLQQHUH6LFKHUKHLWEHWUHႇHQGHQ2UJDQH stimmt, den Kern einer speziell für den so ist Teil Fünf VV – »Bestimmungen über Straßenkampf ausgebildeten Polizeitrup- die Land-, See- und Luftstreitkräfte« – zur pe, zu bilden«60. näheren Betrachtung heranzuziehen. Leß-

12 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

mann (1989) stellt die bedeutendsten Punk- gleichen Zuge festgelegte Hinwendung zu te wie folgt heraus: einem Freiwilligenheer (Art. 173 VV) festge- »Die wesentlichen Bestimmungen des schrieben.69 Teils V, die personelle Beschränkung des Die starken Einschränkungen von Seiten Militärs des deutschen Reiches auf 100 000 GHU$OOLLHUWHQLQVEHVRQGHUHEHL%HZDႇQXQJ Mann (Art. 160) und die mit den weiteren und Munition, hatten auch Folgen für die Artikeln intendierte Begrenzung der Mög- Polizei. So umschreiben Harnischmacher & lichkeiten des Militärs, auf die Innenpolitik Semerak (1986) die Lage wie folgt: (LQÀXVV]XQHKPHQIRUGHUWHQQLFKWQXUGLH ª'LH VFKZHUHQ :DႇHQ ZXUGHQ DEJHOLH- $XÀ|VXQJ GHU ELV ]X GLHVHP =HLWSXQNW fert. Es war so, daß [sic.] die Anführer bes- 0DQQ XPIDVVHQGHQ ¾YRUOlX¿JHQ½ VHUEHZDႇQHWZDUHQDOVGLH3ROL]HL9RQGHU Reichswehr, sondern verlangten auch, preußischen Polizei dürften im Höchstfall spätestens seit dem Tätigwerden der in 30 000 mit einem Karabiner versehen sein. Art. 203f. VV angekündigten und mit der So blieb es bis 1933. Alle Versuche den Zu- Beobachtung der Vertragstreue des Deut- stand zu ändern schlugen fehl.«70 schen Reiches beauftragten ›Interalliierten Des Weiteren bestimmte das Vertrags- Militär-Kontroll-Kommission‹, die Klärung werk die Einrichtung einer Interalliierten Mi- der Organisationsfragen im Bereich der in- litär-Kontroll-Kommission (IMKK). Diese neren Sicherheit, insbesondere die Tren- hatte die Aufgabe, die im Vertrag enthalte- nung der Institutionen Polizei und Mili- nen Bestimmungen über die Land-, See- tär.«66 und Luftstreitkräfte zu überwachen und Das Heer wurde durch diese Bestimmun- durchzusetzen. gen, also den Abbau der Gesamtstärke so- Insgesamt lässt sich feststellen, dass die wie durch eine neue Organisations- und militärpolitischen Bestimmungen starken Aufgabenreglementierung in seiner Positi- (LQÀXVVDXIGLHLQQHUHQ6LFKHUKHLWVRUJDQH on als Krisenregulator im Reich deutlich ge- der Weimarer Republik hatten. Die Alliierten schwächt. trugen mit ihren Reglementierungen zur Folglich entschieden die Länder des Rei- Schwächung des Heeres und zur Stärkung ches »(…) angesichts der Heeresverminde- der Polizei bei. Der so entstandene Bruch rung und der weiterhin erwarteten inneren zwischen Militär und Polizei führte in weite- Unruhen im Reich die Polizeimacht zu stär- rer Folge zur Aufhebung der Vormachtstel- ken«67 ZDV GHQ .RQÀLNW ]ZLVFKHQ 0LOLWlU lung des Heeres im innerstaatlichen Be- und Polizei noch verstärkte. reich und wertete die Länderpolizei 'HU%HJULႇGHU3ROL]HL¿QGHWLP9HUWUDJV- nachträglich auf. Im weiteren Verlauf übten werk nur im Artikel 162 VV direkt Erwähnung. GLH$OOLLHUWHQQRFKPHKU(LQÀXVVDXIGLH2U- Demnach darf die Polizei »entsprechend ganisation der Polizei aus. dem seit 1913 erfolgten Bevölkerungszu- wachs« vermehrt werden und »nicht zu mili- 4.2.3 Von der Sicherheitspolizei zur tärischen Übungen herangezogen wer- Schutzpolizei den«68, was in Bezug auf die militärisch Die Alliierten Mächte standen dem neuge- RUJDQLVLHUWHXQGLP$XIEDXEH¿QGOLFKH6LSR gründeten Polizeikörper misstrauisch ge- HLQHQ .RQÀLNW LQ GHU 6DFKH VHOEVW YHUELUJW genüber, da sie in diesem eine »getarnte da die Sipo eine starke militärische Prägung, Formation der Reichswehr« sahen und so- hervorgerufen durch die Organisationsstruk- mit eine Unterwanderung der Friedensbe- tur, Herkunft ihrer Mitglieder und Ausrüstung, stimmungen befürchteten. Mit den Boulog- aufweist. ner Beschlüssen vom 22.7.1920 wurde die Weitreichende Bestimmungen über die bis dahin neu eingerichtete kasernierte Si- 9HUULQJHUXQJRGHU$EJDEHYRQ:DႇHQXQG cherheitspolizei schließlich verboten.71 So Munition sowie sonstigem Kriegsmaterial, waren die Länder des Reiches gezwungen, die genaue Gliederung des Heeres und ihre Sicherheitspolizeien aufzulösen. Diese Vorschriften mit Zeitvorgaben sind ebenfalls entstandene Lücke sollte durch die Schaf- im Vertrag enthalten. Außerdem sind die fung einer Ordnungspolizei, welche eine $EVFKDႇXQJ GHU :HKUSÀLFKW XQG GLH LP dezentrale und vor allem nichtmilitärische

Oranienburger Schriften 1 / 2019 13 Max Zenker

Organisation aufweisen sollte, ausgefüllt abzuwehren. Diese Aufgabenzuweisung, werden. die bis heute im Polizeigesetz der Länder Diese von den Entente-Mächten zugebillig- enthalten ist, diente schon damals als te Polizeieinheit sollte von 92 000 Mann auf Kompetenz innere Unruhe zu verhindern 150 000 Mann aufgestockt werden, wovon und zu bekämpfen. allein 85 000 Mann auf Preußen entfallen Die Entwicklung der Polizei in der An- sollten. Den Rahmen für die neue Gestal- fangsphase der Weimarer Republik wurde WXQJGHU3ROL]HLQDFKGHU$XÀ|VXQJGHUND- nicht nur durch die Niederlage des Kaiser- sernierten Sicherheitspolizeieinheiten sah reiches im Ersten Weltkrieg angestoßen, ein Mitarbeiter Severings, Wilhelm Abegg, sondern insbesondere durch ein Wechsel- mit seiner Denkschrift »Zur Neuordnung spiel, anders gesagt, durch eine Phase der des Polizeiwesens in Preußen« vor.72 innenpolitischen Unruhen in den Krisen- Demnach sollte eine »Einheitspolizei« jahren der Weimarer Republik maßgeblich aus der abzubauenden Sicherheitspolizei bestimmt. So hat zum Beispiel der Kapp- sowie kommunalen Polizeieinheiten mit Putsch, der ein polizeiliches Einschreiten GHP&KDUDNWHUHLQHUªVWUDႇJHJOLHGHUWHQ© sowie Einschreiten der Reichswehr erfor- kasernierten und in festen Verbänden orga- derlich machte, gezeigt, dass die Truppen nisierten Polizei mit dem Namen Schutzpo- keineswegs neutral oder regierungstreu im OL]HL JHVFKDႇHQ ZHUGHQ 'LHVHV .RQ]HSW Umgang mit dem rechten Lager agierten, wurde mit dem vom preußischen Innenmi- sondern auch mit diesem sympathisierten, QLVWHULXP DP  YHU|ႇHQWOLFKHQ was Veränderungen dringend nötig mach- »Richtlinien für die Organisation der Schutz- te. Bis 1923 blieb die Bekämpfung innerer polizei« angenommen und nach Preußen Unruhen die primäre Aufgabe der Polizei, auch in den übrigen Ländern des Reiches bis die Prävention mit der Phase der Ent- eingeführt. So versah ein Großteil der spannung in den Vordergrund rückte. Schutzpolizisten ihren Dienst auf Polizei- Aus welcher Motivation die verschiede- revieren, im Einzeldienst in ländlichen Regi- nen Staatsstreichversuche erfolgten und onen (sog. Landjäger) oder in den circa 200 welche Folgen und Nachwirkungen diese kasernierten Polizei-Bereitschaften.73 Dabei nach sich zogen, aber auch die Frage, wie ging es auch darum, die Unübersichtlichkeit sich der Sicherheitsapparat der Weimarer und Zersplitterung der Polizei in Deutsch- Republik mit diesen staatsfeindlichen Akti- land und Preußen aufzuheben, da diese in onen auseinandersetzte, soll im Folgen- dieser Organisation »(…) kein Schutz, son- den untersucht werden. dern eine Gefahr für die Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Reich (…) [bedeutete]«74. 5. Staatsfeindliche Aktionen Die Beibehaltung des kasernierten und ge- beider politischer Lager in den schlossenen, in Verbänden organisierten Krisenjahren 1918–1923 Charakters, übernommen von der Sicher- heitspolizei, lässt sich auf die schwierige 5.1 Staatsfeindliche Aktionen linksge- innere Lage des Reiches zurückführen. richteter Kräfte Nachfolgendes Zitat beschreibt die Neue- rung der Polizei passend: Während der Krisenjahre der Weimarer »Die preußische Regierung sah sich nicht Republik, in der sich die neugegründete zuletzt durch die für die Frühzeit der Wei- junge Republik mit einer sehr schwierigen marer Republik prägenden, bürgerkriegs- Lage konfrontiert sah, kam es zu verschie- ähnlichen Formen annehmenden Putsche denen staatsfeindlichen Aktionen, also und Aufstandsversuche der extremen Lin- Putschversuchen und Aufständen, ausge- ken und der äußersten Rechten gegen die übt sowohl von links-, aber auch rechts- demokratische Verfassungsordnung zu die- gerichteten Kräften gegen die Weimarer ser Neuerung in der Polizeiorganisation be- 5HSXEOLN'DEHLVLQGIROJHQGH'H¿QLWLRQHQ wogen.«75 zu beachten: Ein Putsch ist ein »von einer Die Polizei hatte die Aufgabe, Gefahren kleineren Gruppe [von Militärs] durchge- IU GLH |ႇHQWOLFKH 6LFKHUKHLW XQG 2UGQXQJ führter Umsturz[versuch] zur Übernahme

14 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

der Staatsgewalt«76 'HU %HJULႇ $XIVWDQG 19.1.191978, also für eine durch freie und der im Kontext dieser Arbeit als Synonym geheime Wahlen ermächtigte Demokratie. zur Revolution verwendet werden kann, ist Die Spartakisten, welche sich als extreme ein »auf radikale Veränderung der beste- Linke von der USPD abspalteten und am henden politischen und gesellschaftlichen 1.1.1919 in der PKD aufgingen, entschlos- Verhältnisse ausgerichteter, gewaltsamer sen sich zum Boykott der Wahlen zur Natio- Umsturz[versuch]«77. Im Folgenden werden nalversammlung.79 Im Anschluss an die die für die Entwicklung der Weimarer Repu- Weihnachtskämpfe im Dezember 1918 tra- blik bedeutendsten Aktionen, welche alle- ten die drei Mitglieder der USPD am VDPWXQWHUGLH]XYRUJHQDQQWHQ'H¿QLWLRQV- 29.12.1918 aus dem Rat der Volksbeauf- schemata zu subsumieren sind, näher tragten aus. Diese war die revolutionär legi- untersucht. Dabei stehen insbesondere die timierte, provisorische Regierung. Die Dif- Ursache, der Verlauf, die Intention der Put- ferenzen, gerade in Bezug auf die schisten und Aufständischen, die Rolle der Militärpolitik, waren unüberbrückbar gewor- Polizei während der Aktionen sowie die Fol- den.80 Dies führte dazu, dass der Rat um gen des Ereignisses im Vordergrund. Dabei Gustav Noske und Rudolf Wissel ergänzt werden die staatsfeindlichen Aktionen ge- wurde81 und folglich nur noch aus Mitglie- teilt in beide Lager abgehandelt. Diese Dar- dern der MSPD bestand und damit an stellungsform verdeutlicht am ehesten die »nnerer Geschlossenheit« gewann, aber Abgrenzung der beiden konträren politi- die Möglichkeit, »(…) sich als Führungsein- schen Extreme und ermöglicht zudem eine heit aller sozialistischen Kräfte darzustellen, dezidierte Gegenüberstellung. verlor«82. In weiterer Folge legten viele Anhänger 5.1.1 Spartakusaufstand am 5. bis 12. der USPD ihre Ministerämter in Preußen Januar 1919 und anderen Bundesstaaten nieder. Eine Gerade in der Anfangszeit der Weimarer Ausnahme bildete der Berliner Polizeipräsi- Republik, die durch eine stürmische und dent Emil Eichhorn (USPD), der sein Amt chaotische Zeit geprägt war, in deren Folge nicht gleich aufgab.83 das gesamte System der inneren Sicherheit Die MSPD duldete diesen aber in der zusammenbrach, die staatliche Ordnungs- machtvollen Position des Berliner Polizei- macht der Polizei in Form von Schutzmann- präsidenten nicht, woraufhin Eichhorn am schaften sich mit Arbeiter- und Soldatenrä- 4.1.1919 entlassen wurde und Eugen Ernst ten verbrüderte und Einwohner- und (MSPD) als sein Nachfolger eingesetzt wur- Bürgerwehren übergangsweise das inner- de.84 Dies führte bei Anhängern der USPD staatliche Machtvakuum übernahmen, kam und KPD zu einem Sturm der Entrüstung, es zu gewaltsamen Aufständen links- und weshalb diese am 5.1.1919 zu einer großen rechtsgerichteter Gruppierungen. Während Massendemonstration gegen die Regie- der Novemberrevolution zur Jahreswende rung Ebert-Scheidemann aufriefen.85 Diese 1918/1919 war Deutschland die Frage der Ereignisse werden als Januaraufstand oder =XNXQIWGHVSROLWLVFKHQ6\VWHPVEHWUHႇHQG Spartakusaufstand bezeichnet, der nach innerlich zwischen Anhängern einer Natio- dem Vorbild Russlands die Forderung nach nalversammlung, die zukunftsweisend über einem sozialistischen Rätesystems in sich die Staatsform entscheiden sollte, sowie verband. von Anhängern eines Rätesystems zerris- In Folge der Massendemonstrationen, an VHQ'LHVHU.RQÀLNWVROOWHGXUFKGLH(LQEH- GHQHQVLFKPHKUDOVWHLOVEHZDႇQH- rufung eines Rätekongresses, der vom 16. ter Menschen beteiligten und »(…) man- bis zum 20. Dezember 1918 in Berlin tagte FKHURUWV GHQ &KDUDNWHU HLQHV EHZDႇQHWHQ und über das zukünftige politische System Aufstandes annahm«, rief ein spontan ge- abstimmen sollte, gelöst werden. bildeter Revolutionsausschuss zum Sturz Hier entschied man sich mit großer Mehr- der Regierung auf. Außerdem wurden durch heit für eine parlamentarische Republik und Aufständische im Zeitungsviertel unter an- die Festsetzung von Wahlen zur verfas- derem das Gebäude des »Vorwärts«, der sungsgebenden Nationalversammlung am Parteizeitung der MSPD, andere Presse-

Oranienburger Schriften 1 / 2019 15 Max Zenker

häuser und Bahnhöfe sowie das Berliner brutal vorgehenden Freikorps niederge- Polizeipräsidium besetzt.86 schlagen wurden.94 Diese wurden in weite- Rosenberg (1991) beschreibt die Ereig- rer Folge zum Grenzschutz und die Bildung nisse während der Januarunruhen in Berlin HLQHU YRUOlX¿JHQ 5HLFKVZHKU DEHU DXFK wie folgt: »Man hatte allgemein das Gefühl, für die Aufstellung der grünen Sipo in Form daß [sic.] die zweite Revolution begonnen einer kampferprobten und nicht sehr zim- habe. Die revolutionären Demonstranten, perlich vorgehenden Truppe verwendet. XQWHU GHQHQ YLHOH %HZDႇQHWH ZDUHQ EH- herrschten die Straße, von einer Gegen- 5.1.2 Ruhraufstand im März 1920 aktion der Regierung war nichts zu mer- Im Zuge des Kapp-Lüttwitz-Putsches ent- ken.«87 wickelte sich der von der Regierung als Am 6.1.1919 wurde Gustav Noske zum Gegenmaßnahme geforderte, von den Ge- Oberbefehlshaber der Truppen in Berlin werkschaften und Arbeiterverbänden und und Umgebung ernannt. Mit den Worten: später von Mitgliedern der SPD, USPD, »Meinetwegen, einer muss der Bluthund KPD proklamierte und getragene General- werden, ich scheue die Verantwortung streik95 deutschlandweit, insbesondere im nicht!«88, kommentiert er seine Ernennung. Ruhrgebiet , dem wirtschaftlichen Zentrum Noske begann sofort eine reichsweite Deutschlands, zu einem regelrechten Werbekampagne zur Bildung von Frei- »Bürgerkrieg«96, dessen Ziel nicht mehr in NRUSV ZHOFKH YRQ 2ႈ]LHUHQ GHU DOWHQ$U- einer Ablehnung des Kapp-Putsches be- mee gegründet wurden. Die Freiwilligen VWDQG VRQGHUQ YLHOPHKU HLQ :LHGHUDXÀH- setzten sich aus arbeitslosen entlassenen ben der Revolution von 1918 im Wesen Soldaten, »(…) kampf- und abenteuerlusti- trug.97 Die damit einhergehenden gewal- gen jungen Leuten« zusammen. Diese tsa-men Ausschreitungen werden in der Truppen besaßen einen starken Korpsgeist Fachliteratur als Ruhraufstand oder März- und waren »(...) von einem leidenschaftli- aufstand bezeichnet. Nach Aufruf zum Ge- chen Haß [sic.] gegen die Revolution erfüllt, QHUDOVWUHLNJHJHQGHQLQ%HUOLQVWDWW¿QGHQ- die das alte Heer und das alte Kaiserreich den Kapp-Putsch übernahmen in größeren zerschlagen hatte«89. Ortschaften des Ruhrgebietes »lokale Voll- So gingen die Freikorps mit aller Brutalität zugsräte der USPD und KPD die politische gegen die Aufständischen vor. In weiterer 0DFKW©XQGRUJDQLVLHUWHQGLH%HZDႇQXQJ Folge wurden erst das Zeitungsviertel durch von Arbeiterwehren.98 das Regiment Potsdam90 und später das Diese traten nach Plünderung von Waf- Polizeipräsidium unter Einsatz schwerer fenlagern den aufständischen, also den :DႇHQ ZLH ]XP %HLVSLHO 0DVFKLQHQJH- Putsch unterstützenden Truppen »[…]ent- wehre und Feldgeschütze, am 12.1.1919 gegen, nicht nur im rheinisch-westfälischen zurückerobert, was faktisch das Ende des Industriegebiet, sondern auch in Mittel- Aufstandes bedeutete91 und die Ruhe und deutschland um und Merseburg, in Ordnung wieder herstellte. Teilen von Sachsen, Thüringen, Branden- Insgesamt wurden während der Kampf- burg, Mecklenburg und Pommern«99. Un- handlungen bei den Januarunruhen 165 terstützt wurden die Arbeiter außerdem von Menschen getötet.92 Auch in den nächsten zahlreichen Bergarbeitern. So streikten am Tagen stießen weitere Freikorps-Verbände 16.3.1920 bis zu 360 000 Bergarbeiter im nach Berlin vor. Dort wurden die führenden Ruhrgebiet, was die Größenordnung und Köpfe des Spartakusbundes, der am Ausmaße des Generalstreiks noch ver- 1.1.1919 in der KPD aufgegangen war, Karl deutlicht.100 Liebknecht und Rosa Luxemburg, verhaftet Nachdem der Kapp-Lüttwitz-Putsch in und am 15. Januar 1919 von der Garde- Berlin am 17.3.1920 mit dem Rücktritt der Kavallerie-Schützen-Division, einer Frei- beiden Protagonisten gescheitert war und korps-Formation, ermordet.93 Als weitere der proklamierte Generalstreik sein Ziel er- Folge der politischen Morde kam es im ge- reicht hatte, wurde dieser entgegen der samten Reich zu schweren Unruhen, wel- Aufrufe der Regierung zum Streikabbruch, che ebenfalls durch die neu gebildeten und nicht beendet, sondern mit einer neuen

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Zielsetzung, welche im »Neun-Punkte-Pro- Putsch agiert hatten, gegen die Aufständi- gramm« festgelegt wurde und mit der Nie- schen ein. Dies geschah laut Rosenberg derwerfung des Kapp-Lüttwitz-Putsches mit »besonderer Rücksichtslosigkeit nicht mehr in Zusammenhang stand, fortge- (…)«110. »Sie [die von der Regierung einge- führt.101 Trotz einiger Verhandlungen mit der setzten Truppen] handelten nach der Devi- Reichsregierung besaßen die Aufständi- se: Mit Roten wird nicht verhandelt, Abma- schen keine einheitliche »Kommandozent- chungen sind von vornherein null und rale« oder ein auf einem allgemeinen nichtig. Das konkrete Vorgehen war also Konsens beruhendes »politisches Pro- bestimmt von der Annahme eines rechts- gramm«.102 Der Aufstand der Arbeiter radi- freien Raumes.«111 kalisierte sich zunehmend. Insgesamt endete der Ruhraufstand mit So bildeten Teile der Arbeiter eine bis zu der totalen Niederschlagung der Aufständi- 50 000 Mann starke »Rote Ruhrarmee«, schen durch Reichswehr und Freikorps. welche den Charakter einer militärischen »Am Ende der Kämpfe hatten die Aufständi- Formation annahm und das Ruhrgebiet bis schen weit mehr als 1000 Tote zu beklagen, zum 21.05.1920 faktisch kontrollierte.103 Ne- Reichswehr und Freikorps etwa 250.«112 ben »Reichswehr, Freikorps, Einwohner- wehren und örtlicher Polizei war auch Si- 5.1.3 Mitteldeutscher Aufstand im März cherheitspolizei (…)« während des 1921 Ruhraufstandes eingesetzt, welche eben- Auch 1921 kam es zu einem von linksgerich- falls im Zuge der aufständischen Bewegung teten Kräften durchgeführten Umsturzver- LQ.DPSIKDQGOXQJHQPLWEHZDႇQHWHQ$UEHL- such, welcher das Ziel hatte, die Weimarer terwehren geriet.104 Thomas beschreibt da- Regierung und damit das parlamentarische EHL $XIHLQDQGHUWUHႇHQ YRQ 6LSR XQG $XI- System zu beseitigen. Dabei führten die im- ständischen als »erbittert und hart«105. mer noch andauernden wirtschaftlichen und Welche Ausmaße die Kämpfe annahmen, gesellschaftlichen Probleme zu Unzufrieden- verdeutlicht die Einnahme der Stadt Essen heit der Arbeiter, die seit dem Kapp-Lüttwitz- durch die »Rote Armee« am 19.5.1920: Putsch im Jahre 1921 immer wieder in »Am Schlacht- und Viehhof, wo sich die Si- Streiks oder Auseinandersetzungen mit der cherheitspolizei verteidigte, kam es zu ei- Polizei mündeten.113 nem zweistündigen Beschuß [sic.]. Ein Rest Als besonders charakteristisch für den von 20 Sicherheitspolizisten ergab sich, als mitteldeutschen Raum ist das Vorhanden- die Munition verschossen war. Hierbei büß- sein eines »starken kommunistischen Zent- te ein Großteil das Leben ein.«106 Weiterhin rums«, das auch nach Ende des Kapp-Lütt- NDPHVGHVgIWHUHQ]X$QJULႇHQJHJHQ3R- ZLW]3XWVFKHVJUR‰H%HVWlQGHYRQ:DႇHQ lizeibeamten in dessen Folge diese »(…) und Munition im Privatbesitz oder zumin- YRQGHU6FKX‰ZDႇHJHEUDXFK©>VLF@PDFK- GHVWIUGLH$UEHLWHUVFKDIW]XJULႇVEHUHLWEH- ten.107 Die Sipo war bereits zu Beginn der saß und somit für die Republik eine ständi- Aufstandsbewegung nicht stark genug, um ge Gefahr ausstrahlte, herauszuheben.114 eine »erfolgreiche operative Bekämpfung Nach Aufruf des Oberpräsidenten der [der Aufständischen]« durchzuführen. preußischen Provinz Sachsen Hörsing be- So wurde die Sipo gerade bei Räu- setzten am 19.3.1921 verschiedene Hun- PXQJVDNWLRQHQ XQG$XÀ|VXQJHQ YRQ 9HU- dertschaften der Schutzpolizei die Städte sammlungen der Reichswehr zur Unterstüt- Eisleben und Hettstedt, um die vorgenann- zung zugeteilt.108 ten Zustände zu beseitigen.115 Dies nahmen Verhandlungen der Reichsregierung mit Kräfte der Kommunistischen Arbeiterpartei den aufständischen Arbeitern führten zu Deutschlands (KAPD) und der Vereinigten keinen merklichen Ergebnissen, vielmehr Kommunistischen Partei Deutschlands blieb, trotz neuer Regierung unter Hermann (VKPD) zum Anlass für den Aufruf zum Ge- Müller, im Wesentlichen alles beim Alten.109 neralstreik. Dabei war »die Belegung des Die Reichsregierung setzte Anfang April ne- Industriegebiets mit Schutzpolizei (…) au- ben der SiPo auch die Reichswehr und genscheinlich der auslösende Anlaß Freikorpseinheiten, welche schon im Kapp- [sic.].116«

Oranienburger Schriften 1 / 2019 17 Max Zenker

Max Hoelz, der schon bei den Märzunru- durchaus in der Lage war, die Aufstandsbe- hen 1920 als radikaler Arbeiterführer auf- wegung erfolgreich zu bekämpfen. Dabei trat, setzte sich als Protagonist an die Spit- hat »das präventive und repressive Ein- ze der Bewegung und rief Arbeiter »(…) schreiten der Polizei dazu beigetragen, ei- zum gewaltsamen Widerstand gegen die ne Ausbreitung (…) der Aufstandsbewe- Polizei auf«, was zur Eskalation hin zu ei- gung über Mitteldeutschland hinaus zu QHPEHZDႇQHWHQ$XIVWDQGIKUWH117 Es fan- verhindern«126. Wichtiger dabei erscheint, den zahlreiche Versammlungen, Streiks dass die Polizei »(…) nur unter geringer und Protestversammlungen statt. Dabei Beteiligung der Reichswehr in der Lage NDPHVLPPHUZLHGHU]XEHZDႇQHWHQ$XV- war, den Aufstand niederzuschlagen«127, einandersetzungen mit aufständischen Ar- und an Erfahrung für das Vorgehen in Be- beitern.118 Am 24.3.1921 verhängte Reichs- zug auf Zukünftige innere Unruhen gewon- präsident Ebert den Ausnahmezustand nen hat. So musste sich die Polizei gegen über die Provinz Sachsen. kleinere mobile Kampftrupps der Aufständi- Welches Ausmaß die Kampfhandlungen schen oder in Gebäuden verschanzten zwischen Polizei und Aufständischen dabei Schützen durchsetzen. annahmen, zeigt insbesondere die Anforde- UXQJYRQVFKZHUHQ:DႇHQLQ)RUPYRQ$U- 5.1.4 Hamburger Aufstand am tillerie.119 Neben kleineren Gefechten bilde- 23. Oktober 1923 te die Erstürmung und damit verbundene Am 23.10.1923 kam es in verschiedenen Einnahme des Industriekomplexes der Stadteilen von Hamburg, von Kommunisten /HXQDZHUNH LQ ZHOFKHP VLFK EHZDႇQHWH und revolutionären Arbeitern getragen, zu Männer verschanzten120, den Höhepunkt gewaltsamen Ausschreitungen, welche im der mitteldeutschen Kämpfe. Die Werke ZHLWHUHQ9HUODXIGLH)RUPHLQHVEHZDႇQH- wurden am 29.3.1921 von »21 Hundert- ten Aufstandes annahmen. Mit dem Ham- schaften und einer Artillerieeinheit der burger Aufstand versuchte die KPD nach Reichswehr umstellt (…)«121. Dabei »(…) zahlreichen gescheiterten Umsturzversu- wurde [von Seiten der Aufständischen] leb- chen – namentlich Spartakusaufstand 1919, haft auf die Polizei gefeuert«122. Mit der Ein- Ruhraufstand 1920, Mitteldeutscher Auf- nahme des Werks galt der Aufstand als stand 1921 – das parlamentarische System endgültig niedergeschlagen123 und endete durch einen weiteren gewaltsamen Umsturz mit der Niederlage der aufständischen Ar- DE]XVFKDႇHQXQGGXUFKHLQHVR]LDOLVWLVFKH beiter. Räterepublik zu ersetzen.128 Um die Ursa- Die Rolle von Max Hoelz im Mitteldeut- chen des ausgeführten Aufstandes ver- schen Aufstand fasst eine Bekanntmachung ständlich darzustellen, müssen zunächst die des Berliner Polizeipräsidenten Richter vom Rahmenbedingungen, konkret die Aus- 16. April 1921 zusammen: »Unzweifelhaft gangslage und die innenpolitische Situation war er die treibende Kraft der Märzunruhen. im Jahr 1923 bedacht werden. Das Jahr 'XUFK:RUWXQG6FKULIWKDWHU]XEHZDႇQH- 1923 war insbesondere durch Hunger, die ter Gewalt, zu Dynamitanschlägen und an- ZDFKVHQGH,QÀDWLRQXQGGLHGDPLWLQ9HUELQ- deren hochverräterischen Unternehmen dung stehende massive Geldentwertung aufgefordert.«124 und Not der Massen geprägt. Es herrschten Diese Vorwürfe verdeutlichen die Vorgän- Unruhe, Unzufriedenheit und ein politisches ge und erbitterten Kämpfe zwischen Polizei Chaos, die sich mit der Forderung nach und Arbeiterschaft, die sich während des dem Rücktritt der Regierung Cuno verband, Aufstandes zutrugen, und auch die Maß- welche dieser Forderung auch nachkam.129 nahmen, derer sich die Aufständischen be- Die Ursache des Aufstandes ist vordergrün- dienten. Die Gesamtzahl der Festgenom- dig in der schlechten sozialen und wirt- menen lag bis Mitte April bei 3470 Personen. schaftlichen Lage der Arbeiter zu sehen. Insgesamt forderte die Aufstandsbewegung Dabei sollte die Staatskrise von Kommunis- das Leben von 34 Schupos und 146 Auf- WHQ]XHLQHPEHZDႇQHWHQ8PVWXU]DXVJH- ständischen und vielen Verwundeten.125 Es nutzt werden, wobei die Machtübernahme lässt sich feststellen, dass die Schutzpolizei nach Vorbild der russischen Oktoberevoluti-

18 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

on von 1917 erfolgen sollte.130 Zur Vorberei- stark. Die Polizei war mit Maschinengeweh- tung revolutionärer Aktionen wurde die KPD ren und sogar Panzerwagen ausgerüstet, auch mit Mitteln aus der Sowjetunion, insbe- ein Flugzeug unterstützte die Bodentrup- sondere bei der Rekrutierung und Bildung pen, indem es die Lage von der Luft aus »Proletarischer Hundertschaften« in Sach- aufklärte. »Zugleich erging der Befehl, rück- sen und Thüringen unterstützt. Die KPD, die VLFKWORV JHJHQ MHGHQ EHZDႇQHWHQ XQG XQ- sowohl in Sachsen und Thüringen neben der EHZDႇQHWHQ:LGHUVWDQGYRU]XJHKHQ©135 SPD durch kommunistische Minister in der Am 24.10.1923 wurde der Aufstand durch Landesregierung mitwirkte, wurde durch die die Polizei schließlich »restlos niederge- Anordnung der Reichsexekution in Sachsen schlagen.« Insgesamt wurden bei den Aus- abgesetzt und die zuvor gebildeten Proletari- einandersetzungen zwischen den Aufstän- schen Hundertschaften aufgelöst.131 Damit dischen und der Polizei 17 Beamte getötet waren die Vorbereitungen für eine »deutsche und 62 weitere verletzt. Die Aufständischen Oktoberrevolution« gescheitert. Dennoch hatten 61 Tote und 267 Verwundete zu be- kam es in Hamburg, isoliert und begrenzt klagen.136 Insgesamt lässt sich feststellen, vom restlichen Reich, zu einem gewaltsa- dass die Schutzpolizei in der Lage war, den men Aufstand, was letztlich den Umsturz Aufstand einzudämmen und zügig zu be- scheitern ließ. kämpfen. Dabei musste sie sich gegen Bar- So kam es am Morgen des 23.10.1923 zu rikaden und Heckenschützen auf Dächern HLQHP6WXUPYRQUXQGWHLOVEHZDႇQH- GXUFKVHW]HQZDVLPhEULJHQDXFK(LQÀXVV ten Arbeitern und Kommunisten auf insge- auf die Ausbildung in den zwischen 1921 samt 17 Polizeidienststellen in Hamburg. und 1926 errichteten Polizei-Provinzial- Weiterhin wurden strategische Punkte wie schulen hatte, da in der Polizeiausbildung %UFNHQ RGHU |ႇHQWOLFKH *HElXGH EH- der Kampf in großen Verbänden, der Stra- setzt.132 ßen- und Häuserkampf sowie insbesondere Einige der Polizeiwachen wurden von nach den Erfahrungen von 1923 der Kampf den Angreifern regelrecht überrumpelt, er- gegen kleine bewegliche Gruppen an Be- gaben sich oft freiwillig, andere Wachbesat- deutung gewann. ]XQJHQNRQQWHQGLH$QJULႇHDEZHKUHQ'LH Doch auch nach Ende des Hamburger $XIVWlQGLVFKHQ HUEHXWHWHQ MHGRFK :DႇHQ Aufstandes blieb die Situation im Innern des und Munition zur Durchsetzung ihrer Zie- Deutschen Reiches angespannt. So kam es le.133 bereits im November 1923 mit dem Hitler- Während des Aufstandes genossen Poli- Putsch zu einer weiteren staatsfeindlichen zei und Aufständische unterschiedliche Aktion, diesmal ausgeführt durch rechtsge- 6\PSDWKLHQLQGHUgႇHQWOLFKNHLW6FKU|GHU richtete Kräfte. VWHOOWGLH8QWHUVWW]XQJGHUEHLGHQ.RQÀLNW- Die vorgenannten linken staatsfeindlichen parteien gut heraus: Aktionen sind Gegenstand zahlreicher litera- »Die kämpfenden Arbeiter genießen die rischer Werke. Eine Verklärung des roten Sympathie der Massen und werden aktiv 5XKUDXIVWDQGHV ¿QGHW VLFK HWZD LQ GHP unterstützt. Frauen helfen beim Barrikaden- Buch mit dem Titel »Sturm auf Essen«137 von bau, Ladenbesitzer unterrichten die Kämp- Hans Marchwitza138 und später auch in der fenden von den Stellungswechseln des DDR. So waren die linksradikalen Aufstände Feindes, Mütter versorgen ihre Männer und und Umsturzversuche, explizit der Sparta- Söhne, die auf den Barrikaden kämpfen. kusaufstand, der rote Ruhraufstand und der (…) Die Polizei ist auf sich allein gestellt. Hamburger Aufstand für die militärischen- (…) Die Volksmassen rühren keine Hand und auch Polizeiformation in der DDR traditi- für sie.«134 onsbildend. So wurde zum Beispiel am Es kam zu teils heftigen Kämpfen zwi- 1.7.1970 die 3. Volkspolizeibereitschaft schen Polizei und Aufständischen. Es wur- (VPB) in der DDR nach Hans Marchwitza den zahlreiche Festnahmen getätigt, Waf- benannt. Im September 1974 wurde schließ- fen und Munition sichergestellt. Der lich die gesamte Kaserne in Potsdam-Eiche Widerstand, auf den die Beamten in den nach Marchwitza benannt, in der die ge- verschiedenen Stadtteilen trafen, war sehr nannte VPB stationiert war.139 Diesen Traditi-

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onsbestand kann man bis zum heutigen Tag an dessen Spitze sich Kapp als Reichs- ablesen, da auch heute noch Straßen in kanzler stellte, in einem Tagesbefehl die Potsdam nach ihm benannt sind, so zum Unterstützung zu.146 Beispiel der Hans-Marchwitza-Ring. Die Sicherheitspolizei zog sich darauf- hin, ohne Widerstand zu leisten, zurück. 5.2 Staatsstreichversuche Ebenso schlossen sich viele der Berliner rechtsgerichteter Kräfte 6LSR%HDPWHQXQG6LSR2ႈ]LHUHGHQ3XW- schisten an, andere verweigerten die Un- 5.2.1 Kapp-Lüttwitz Putsch am terstützung der Kapp-Regierung oder ver- 13. März 1920 hielten sich neutral.147 Beim Kapp-Lüttwitz Putsch handelt es sich Auch die Reichswehr unter dem Chef um einen rechtsgerichteten Putschversuch des Truppenamtes Hans von Seeckt unter- gegen die Weimarer Regierung, bei wel- stützte die legitimierte Regierung unter chem »(…) die bestehende Regierung dem Hinweis »Reichswehr schießt nicht durch eine Militärdiktatur ersetzt werden auf Reichswehr« nicht, sondern begab sich sollte«140, also durch einen monarchistisch in eine neutrale Position, weshalb die Put- autoritären Staat. schisten ungehindert agieren konnten.148 Dieser Umsturzversuch wurde vom Ge- »Sowohl die Reichsregierung als auch neral Walther Freiherr von Lüttwitz und dem die preußische Regierung, die sich auf die ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Verteidigungsbereitschaft des Heeres und Wolfgang Kapp141 geplant und am 13.3.1920 der Berliner Polizei verlassen hatten, sa- durch einen Befehl von General Lüttwitz hen sich überrumpelt.«149 Die Reichsregie- eingeleitet.142 Die Situation in den Krisen- rung verließ daraufhin Berlin.150 Auch eine jahren und die damit verbundenen schlech- richtige Vorbereitung des Putsches fehl- ten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen te.151 So kam es, dass der Putsch nach vier Verhältnisse, insbesondere die im Zusam- Tagen am 17.3.1920 mit dem Rücktritt des menhang mit der Unterzeichnung des Ver- selbsternannten Reichskanzlers Wolfgang sailler Vertrages verbundene Abrüstung des Kapp endete.152 Als entscheidende Fakto- Heeres, führte bei Soldaten, Generälen des ren für den Zusammenbruch des Putsches, Heeres und Freikorpsangehörigen zu Un- also den Misserfolg der Unternehmung, mut und Existenzängsten, da riesige Hee- sind zum einen die Berliner »Ministerialbü- resverbände und Freikorps-Formationen, rokratie« zu nennen, welche sich weigerte, die die nicht in Polizei oder Reichswehr ein- die neue selbsternannte Kapp-Regierung gegliedert werden konnten, entsprechend anzuerkennen, den Gehorsam verweigerte der Friedensbedingungen des VV abgerüs- und in einen »passiven Widerstand« trat, tet und entlassen werden mussten143, aber sowie zum anderen der von den Gewerk- eine Integration in das Zivilleben aufgrund schaften am 15.3.1920 proklamierte Gene- der wirtschaftlichen Verhältnisse fast un- UDOVWUHLNZHOFKHUGDV|ႇHQWOLFKH/HEHQGHU möglich war.144 Folglich besitzt die Ursache Reichshauptstadt Berlin lähmte und den des Putschversuches einen militärisch-be- Dienstleistungssektor vollständig zum Er- UXÀLFKHQ DEHU DXFK VR]LDOHQ XQG SROLWL- liegen brachte.153 schen Hintergrund. Wichtig in diesem Zusammenhang Auch die Freikorpsformation Marinebriga- scheint der Fakt, dass das Scheitern des de Ehrhardt sollte im Zuge der Heeresstär- Putsches nicht monokausal, sondern nur kenverminderung aufgelöst werden. Doch aus dem Zusammenwirken der zuvor ge- die Mitglieder dieser Formation widersetz- nannten Elemente, also multikausal zu er- ten sich ihrer Entlassung. Nach erfolglosen klären ist. Der Generalstreik, der sich ge- Verhandlungsversuchen von Lüttwitz mit gen den Kapp-Putsch formierte, wandelte dem Reichswehrminister Noske besetzte sich nach dessen Ende in eine regelrechte die Brigade Ehrhardt zum 13.3.1920 die Aufstandsbewegung linksgerichteter Kräfte Reichshauptstadt Berlin.145 Der Komman- sowohl gegen die Reichsregierung als deur der Berliner Sipo, Ernst Milchling von auch die Weimarer Republik an sich und Schönstedt, sicherte der neuen Regierung, »(…) beruhte nicht auf einem vorgefassten

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Plan«154. So erwuchs aus dem General- Die Nationalsozialistische Deutsche Ar- streik der rote Ruhraufstand, welcher mit beiterpartei (NSDAP), deren Vorsitz Adolf Kapp-Lüttwitz in keinerlei Beziehung stand. +LWOHULQQHKDWWHSUR¿WLHUWHYRQGHUDQGDX- Über die Loyalität der Sicherheitspolizei ernden Krise im Reich und entwickelte während des Kapp-Putsches im März 1920 »(…) sich in Bayern zur aktivsten rechtsra- fasst Liang folgendes zusammen: »In den dikalen Kraft«158. Hitler, der in Bayern als sechs Monaten ihrer Existenz wurde ihre »deutscher Mussolini« galt, wagte am politische Loyalität nur einmal (…) auf die 8.11.1923 den gegenrevolutionären Um- Probe gestellt. Dabei erwies sie sich gegen- sturz unter Vorbild des Marsches auf Rom, über der rechtmäßigen Regierung als eben- ausgeführt vom Römischen Diktator Benito so unzuverlässig wie die Königliche Schutz- Mussolini. Dazu wollte er das »Triumvirat«, mannschaft gegenüber der Monarchie im bestehend aus »(…) Kahr, Lossow und November 1918.«155 Seißer, die am Abend des 8. November im Damit einhergehend mussten als Konse- Münchner Bürgerbräukeller eine politische TXHQ] QHEHQ HLQLJHQ 6LSR2ႈ]LHUHQ XQG Versammlung abhielten, überrumpeln und 8QWHURႈ]LHUHQGHU5HLFKVZHKUPLQLVWHU1RV- mitreißen«159. So kam es, dass Hitler am ke, der preußische Innenminister Heine und  1RYHPEHU PLW EHZDႇQHWHQ .UlIWHQ LQ der Kommandeur der Sipo in Berlin Milch- den Saal des Bürgerbräukellers eindrang. ling, ihre Ämter niederlegen.156 Carl Seve- Dort »(…) proklamierte er die nationale ring, der die Polizei in der Weimarer Republik Revolution, erklärte die Bayrische und die stark prägte und das Ziel einer bürgernahen Reichsregierung für abgesetzt und kün- »Volkspolizei« verwirklichen wollte, trat die digte die Bildung einer nationalen Regie- Nachfolge Heines an. Als eine weitere wich- rung an«160. tige Folge des Kapp-Putsches ist die am Kahr, Lossow und Seißer sicherten Hitler 6.4.1920 erfolgte Änderung des Verfahrens zunächst ihre Unterstützung bei einem über den Ausnahmezustand anzusehen. »Marsch auf Berlin« gegen die Reichsregie- Demnach war die RW »(…) nur noch dann rung zu, aber noch in der Nacht trafen sie für die Aufgaben der vollziehenden Gewalt Maßnahmen zur Unterdrückung des Put- [Einschreiten bei inneren Unruhen] in Be- sches.161 So erklärte Kahr im Rundfunk tracht zu ziehen, wenn die Anwendung mili- »(…) die ihm, Lossow und Seißer mit vorge- tärischer Gewalt unerläßlich [sic.] schien.«157 haltener Pistole abgepressten Erklärungen Zuvor hatte die Reichswehr die Rolle des in- für null und nichtig (…)«162. Stattdessen nenpolitischen Krisenregulators inne, verlor ließen sie Straßen und Regierungsgebäude aber in Folge der Einnahme einer Neutrali- besetzen. Hitler erkannte am Morgen des 9. tätsposition während des Putsches den November die Isolation seines Vorhabens Rückhalt der Reichsregierung. Diese Ent- und organisierte einen Demonstrations- wicklung wertete die Rolle der Polizei bei in- zug.163 neren krisenhaften Entwicklungen auf und Über Hitlers Intention im Zusammenhang verdrängte die RW zunehmend aus dem in- mit dem Marsch zur Feldherrnhalle fasst QHUVWDDWOLFKHQ(LQÀXVVEHUHLFK Meissner bündig zusammen: ª+LWOHU « KRႇWGXUFKHLQHQJUR‰HQ'H- 5.2.2 Hitler-Putsch am 9. November 1923 monstrationszug durch München, über des- Im Krisenjahr 1923, welches durch die stark sen Verbot er sich hinwegsetzt, die Bevöl- ]XQHKPHQGH+\SHULQÀDWLRQGLH5XKUEHVHW- kerung mitzureißen und dadurch, daß [sic.] zung durch französische Truppen zur *HQHUDO /XGHQGRUႇ PLW LKP GHQ =XJ DQ- Durchsetzung der Reparationszahlungen führt, die Reichswehr und die Polizei von und der damit in Verbindung stehende einem Widerstand abzuhalten und für sich Ruhrkampf sowie durch kommunistische zu gewinnen.«164 Unruhen in Sachsen, Thüringen und Ham- Doch dies gelang nicht. Der Zug, der et- burg geprägt war, kam es am 9.11.1923 in wa 3000 Teilnehmer zählte, wurde vor der München zu einem rechtsgerichteten Feldherrnhalle von der Polizei gestoppt. Putschversuch, angeführt durch Adolf Hitler Diese besaß die Anweisung, das Verbot XQG*HQHUDO/XGHQGRUႇ GHV=XJHVDXFKPLWGHU:DႇHGXUFK]XVHW-

Oranienburger Schriften 1 / 2019 21 Max Zenker

zen.165 Nachdem sich der Zug unter Miss- 6. Schlussbemerkung achtung des Verbotes wieder in Bewegung gesetzt hatte, kam es zu einem Handge- Die Untersuchung ergab, dass sich die menge und zu einem Feuergefecht zwi- Weimarer Republik gerade in der Anfangs- schen den Teilnehmern des Marsches und phase mit schweren wirtschaftlichen und der Polizei. Der Zug löst sich in auf. Hitler innenpolitischen Verhältnissen konfrontiert konnte entkommen, bis er einige Tage spä- sah und nicht zuletzt durch die unmittelba- WHU YHUKDIWHW ZXUGH *HQHUDO /XGHQGRUႇ re Nachkriegszeit neben einem außenpoli- wurde gleich verhaftet.166 tischen vielmehr auch ein innenpolitischer 6SlWHVWHQV PLW GHU $XÀ|VXQJ GHV 'H- Umbruch einsetzte, welcher nicht nur am monstrationszuges durch die Polizei war Staatsgefüge, nämlich der Wandlung der der Hitler-Putsch endgültig gescheitert und konstitutionellen Monarchie zur parlamen- niedergeschlagen. tarischen Demokratie nachgewiesen wer- Bei der Auseinandersetzung zwischen den kann, sondern ferner auch im Gefüge Polizei und Putschisten kamen vier Polizei- der Sicherheitsorgane, explizit der Polizei, beamte und 16 Putschisten zu Tode.167 erfolgte, welche sich mit zahlreichen ge- Heute erinnert eine Gedenktafel an der waltsamen Aufständen und Umsturzversu- Feldherrnhalle in München an die vier gefal- chen auseinandersetzen musste. len Polizeibeamten, die zur Verhinderung Was die Veränderungen der Polizei be- des Putsches ihr Leben ließen. Als Folge WULႇWVRNRQQWHDQKDQGHLQLJHUEHGHXWVDPHU des missglückten Staatsstreiches wurde die Etappen des Veränderungsprozesses ge- NSDAP reichsweit verboten.168 zeigt werden, dass es nach dem Zusam- Im anschließenden Hochverratsprozess menbruch der Kaiserlichen Schutzmann- im Jahr 1924 gegen Hitler und weitere am schaft im Zuge der revolutionären, unruhigen Putsch beteiligter Verschwörer erhielten und aufgewühlten Stimmung zu einem GLHVH PLOGH 6WUDIHQ 6R ZXUGH /XGHQGRUႇ Bruch mit der alten Zeit kam, wenngleich sie freigesprochen und Hitler zu fünf Jahren die neuen Machthaber nicht ganz von den Festungshaft, mit der Aussicht auf vorzeiti- alten Mächten der OHL lösen konnten, wie ge Entlassung nach sechs Monaten, verur- das Bündnis Eberts mit der OHL zeigt. Die teilt.169 kaiserliche Schutzmannschaft, welche Mit Scheitern des Putsches und der In- durch das Heer starke Unterstützung bei haftierung Hitlers kam die nationalsozialisti- Bewältigung ihrer Aufgaben erfuhr, aber sche Bewegung vorerst zum Stillstand. durch die Heeresverminderung auf dessen Doch nach Aufhebung des Parteiverbotes Unterstützung verzichten musste und somit der NSDAP und der sich später ereigneten den innenpolitischen Anforderungen nicht Weltwirtschaftskrise 1929 gewann die Be- mehr gewachsen war, wurde durch die Bil- wegung erneut an Bedeutung und erreichte dung der Sipo abgelöst. Damit wurde eine mit der Machtergreifung Hitlers im Januar 3ROL]HLWUXSSHJHVFKDႇHQGLHDXIJUXQGLKUHV 1933 ihren Höhepunkt. Zur Festigung ihres militärischen Charakters und der Kasernie- Regimes bedienten sich die Nationalsozia- rung ihre Berechtigung im Einsatz gegen listen auch der Polizei, die zur Erreichung innere Unruhen fand. Die innenpolitischen der Ziele gebraucht, schließlich unterwan- Verhältnisse auf der einen Seite, aber auch dert und folglich für ihre Zwecke miss- GHUH[WHUQH(LQJULႇGHU$OOLLHUWHQPLWGHQ%H- braucht wurde. stimmungen des Versailler Vertrages auf Insgesamt lässt sich konstatieren, dass der anderen Seite, der mit seinen militärpo- es sich beim Hitler-Putsch nicht um eine im litischen Forderungen tief in die innerdeut- Reichsgebiet verzweigte Verschwörung, VFKHQ 6LFKHUKHLWVRUJDQLVDWLRQ HLQJULႇ XQG sondern eher um einen auf München be- weitere Reformen, also Umstrukturierungen schränkten Lokalputsch handelte. Dieser mit sich brachte, gaben der Polizei die Mög- wurde von Hitler und Ludendorf ohne weite- lichkeit, die Reichswehr, welche der Polizei re Unterstützung durchgeführt und schnell in Bezug auf die innere Sicherheit stets vor- und konsequent durch Einheiten der bayri- gezogen war, als innenpolitischen Krisenre- schen Polizei niedergeschlagen. gulator zu verdrängen.

22 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

'DEHLRႇHQEDUHQGLH$XVHLQDQGHUVHW]XQ- kasernierte und in geschlossenen Verbän- gen der Polizei mit verschiedenen bedeut- den organisierte Charakter der Bereit- samen staatsfeindlichen Aktionen im Zeit- schaftspolizei, die Strukturierung in raum 1919–1923 die Bedeutung einer Schutz-, kriminal- und Bereitschaftspolizei funktionstüchtigen und durchsetzungsstar- sowie die Aufgabenzuweisung der Abwehr ken Polizei. Diese sah sich in allen Fällen in YRQ*HIDKUHQIUGLH|ႇHQWOLFKH6LFKHUKHLW der Lage, Putschversuche und Aufstände sind bis heute in gleicher oder ähnlicher gemäß ihrer Aufgabenzuweisung konse- Weise erhalten. quent zu bekämpfen, um so den Bestand Insgesamt lässt sich festhalten: »Die Po- GHV6WDDWHVWURW]PHKUHUHU$QJULႇHXQG$JL- lizei in der Weimarer Republik durchlitt ei- tationen beider politischer Lager auch über nen starken Veränderungsprozess, der die das Jahr 1923 hinweg zu sichern. Polizeiorganisation nach unserem heutigen Die besonders harte Bekämpfung linker Verständnis stärkte und maßgeblich an Be- Umsturzversuche und Neutralität während deutung gewinnen ließ. Dieser lebendige GHV .DSS3XWVFKHV RႇHQEDUHQ KLQJHJHQ Veränderungsprozess, der sich stets an einen anfangs noch wenig ausgeprägten den Erfordernissen der damaligen Gege- Sinn für Demokratie und Rechtstaatlichkeit benheiten orientierte, entwickelte die kai- in den Reihen der Polizei, die sich zu einem serliche Schutzmannschaft zur Sipo und überwiegenden Teil aus ehemaligen zur Schupo fort. Gleichwohl ist diese Ent- Reichswehrsoldaten und Mitgliedern von wicklung aber auch immer stets im Lichte Freikorps zusammensetzte. der Entwicklung der Weimarer Republik zu , der stets bemüht war, eine sehen. Denn ohne Polizei hätte die Repub- rechtstaatliche und vor allem bürgernahe lik den Umsturzversuchen nicht standgehal- Polizei, die sich als Bindeglied zwischen ten und ohne die gegebenen Rahmenbe- %HY|ONHUXQJ XQG 6WDDW LGHQWL¿]LHUW ]X dingungen hätte sich die Polizei nicht in VFKDႇHQWULHEGLHVHV=LHOLQGHU3KDVHGHU diesem Maße entwickeln können.« Entspannung ab 1924 konsequenter voran. Liang (1977) verdeutlicht diese Wechsel- Einige Grundbestandteile der damaligen ZLUNXQJPLWIROJHQGHPWUHႇHQGIRUPXOLHUWHQ Organisation, festgeschrieben in den Satz Severings: »Die Geschichte der Repu- »Richtlinien für die Organisation der blik ist untrennbar mit der Geschichte der Schutzpolizei«, insbesondere jedoch der Polizei verbunden.«170

Abkürzungen

Art. Artikel BbgPolG Brandenburgisches Polizeigesetz DDP Deutsche Demokratische Partei DPolG Deutsche Polizeigewerkschaft IMKK Interalliierte Militärkontrollkommission KPD Kommunistische Partei Deutschlands MSPD Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands NSDAP Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands OHL Oberste Heeresleitung RMI Reichsministerium des Innern Schupo Schutzpolizei Sipo Sicherheitspolizei StatJBDR Statistisches Jahrbuch für das Deutsch Reich SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands VV Versailler Friedensvertrag WRV Weimarer Reichsverfassung Z Zentrumspartei

Oranienburger Schriften 1 / 2019 23 Max Zenker

Anmerkungen

1 Deutsches Rundfunkarchiv, Frankfurt am Main: 29 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen Bericht über den 9. November 1918, ca. 1924, Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 34. Deutsches Historisches Museum Berlin (Hrsg.): 30 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/ Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 34. scheidemann/ [29.05.2013]. 31 Fritsch, René: Die Verteidigung der Staatlichen 2 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der Ordnung in der Weimarer Republik, 2007, S, Weimarer Republik, 1977, S.5. 17. 3 DPolG (Hrsg.): Deutschland und seine Polizeige- 32 Fritsch, René: Die Verteidigung der Staatlichen schichte. In: Festschrift 50 Jahre DPolG, 2001, Ordnung in der Weimarer Republik, 2007, S, S. 21. 17. 4 DPolG (Hrsg.): Deutschland und seine Polizeige- 33 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: schichte. In: Festschrift 50 Jahre DPolG, 2001, Die Weimarer Republik, 1998, S. 30. S. 21. 34 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: 5 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der Die Weimarer Republik, 1998, S. 47; Weimarer Republik, 1977, S.5. vgl. Maser, Werner: Zwischen Kaiserreich und 6 Scriba, Dr. Arnulf, Rother, Dr. Rainer: Der erste NS-Regime, 1992, S. 78f. Weltkrieg, http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/ 35 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: [01.05.2013]. Die Weimarer Republik, 1998, S. 47. 7 Wiegand, Berthold: Der Erste Weltkrieg und der 36 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: ihm folgende Frieden, 1982, S. 4. Die Weimarer Republik, 1998, S. 56. 8 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: 37 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: Die Weimarer Republik, 1998, S. 11. Die Weimarer Republik, 1998, S. 54. 9 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, 38 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: S. 24. Die Weimarer Republik, 1998, S. 55. 10 Salewski, Michael: Deutschland – Eine 39 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer politische Geschichte, 1993, S. 175. Republik, 1991, S. 105. 11 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: 40 Arndt Verlag (Hrsg.): Das Versailler Diktat – Die Weimarer Republik, 1998, S. 13. Vollständiger Vertragstext, 1999, S. 183. 12 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: 41 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: Die Weimarer Republik, 1998, S. 11. Die Weimarer Republik, 1998, S. 48. 13 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: 42 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: Die Weimarer Republik, 1998, S. 13. Die Weimarer Republik, 1998, S. 55. 14 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, 43 DPolG (Hrsg.): Deutschland und seine S. 24. Polizeigeschichte. In: Festschrift 50 Jahre 15 Salewski, Michael: Deutschland – Eine DPolG, 2001, S. 21. politische Geschichte, 1993, S. 178. 44 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 16 Müller, Helmut: Schlaglichter der deutschen in der Weimarer Republik, 1989, S. 12. Geschichte, 1990, S. 228. 45 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 17 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, in der Weimarer Republik, 1989, S. 12. 6ႇ 46 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 18 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, in der Weimarer Republik, 1989, S. 14. S. 27-28. 47 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 19 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, in der Weimarer Republik, 1989, S. 15. S. 28. 48 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 20 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: in der Weimarer Republik, 1989, S. 15-16. Die Weimarer Republik, 1998, S. 15f. 49 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 21 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, in der Weimarer Republik, 1989, S. 16. (zitiert S. 31. nach Berliner Tageblatt, 10. November 1918). 22 Böckenförde, Ernst-Wolfgang; Bracher/Funke/ 50 Leßmann, Peter; Hans-Jürgen Lange (Hrsg.): Jacobsen (Hrsg.): Die Weimarer Republik Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in 1918-1933, 1988, S. 33. Deutschland, 2000, S. 31. 23 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: 51 Könnemann, Erwin: Einwohnerwehren und Die Weimarer Republik, 1998, S. 28. Zeitfreiwilligenverbände, 1971, S. 360. 24 StatJBDR 1933, Statistisches Reichsamt 52 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch für das in der Weimarer Republik, 1989, S. 17. Deutsche Reich, Jg. 1933, http://www. 53 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei digizeitschriften.de/dms/resolveppn/?PPN=P in der Weimarer Republik, 1989, S. 17. PN514401303_1933 [01.06.2013]. 54 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 25 Kluge, Ulrich: Die Weimarer Republik, 2006, S. 66. in der Weimarer Republik, 1989, S. 46. 26 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen 55 Leßmann, Peter; Hans-Jürgen Lange (Hrsg.): Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in 17-18. Deutschland, 2000, S. 35. 27 Margedant, Udo; Meyer zu Natrup, Friedhelm: 56 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei Die Weimarer Republik, 1998, S. 30. in der Weimarer Republik, 1989, S. 50; vgl. 28 Fritsch, René: Die Verteidigung der Staatlichen Selowski, Harald: Beiträge zur Polizei in der 2UGQXQJLQGHU:HLPDUHU5HSXEOLN6ႇ Weimarer Republik, S. 34.

24 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

57 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 81 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer in der Weimarer Republik, 1989, S. 50. Republik, 1991, S. 53. 58 Selowski, Harald: Beiträge zur Polizei in der 82 Hürten, Heinz; Bracher/Funke/Jacobsen (Hrsg.): Weimarer Republik, S. 34. Die Weimarer Republik 1918-1933, 1988, S. 83. 59 Leßmann, Peter; Hans-Jürgen Lange (Hrsg.): 83 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Republik, 1991, S. 54; Deutschland, 2000, S. 35. vgl. Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in 60 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der der Weimarer Republik, S. 59f. Weimarer Republik, 1977, S.50. 84 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei 61 Selowski, Harald: Beiträge zur Polizei in der in der Weimarer Republik, 1989, S. 39; Weimarer Republik, S. 37. vgl. Rosenberg, Arthur: Geschichte der 62 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei Weimarer Republik, 1991, S. 55. in der Weimarer Republik, 1989, S. 92. 85 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, 63 Kraus, Kurt: 800 Jahre Frankfurter Polizei, S. 41. 2004, http://www.polizei.hessen.de/icc/ 86 Wette, Wolfram: Gustav Noske, 1987, S. 298; internetzentral/nav/9f4/9f470ee1-825a-f6f8- vgl. Rosenberg, Arthur: Geschichte der 6373-a91bbcb63046&uCon=dd16011d-8c74- Weimarer Republik, 1991, S. 56. IDIGF X7HP Eႇ 87 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer bb1d-50f1-2860-72700266cb59.htm Republik, 1991, S. 56. [11.05.2013]. 88 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der 64 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der Weimarer Republik, S. 61; Weimarer Republik, S. 37. vgl. Wette, Wolfram: Gustav Noske, 1987, S. 65 Leßmann, Peter; Nitschke, Peter (Hrsg.): Die ႇ deutsche Polizei und Ihre Geschichte, 1996, S. 89 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer 122. Republik, 1991, S. 59. 66 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei :HWWH:ROIUDP*XVWDY1RVNH6ႇ in der Weimarer Republik, 1989, S. 52-53. 91 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der 67 Leßmann, Peter; Nitschke, Peter (Hrsg.): Die Weimarer Republik, S. 65-67. deutsche Polizei und Ihre Geschichte, 1996, S. 92 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der 123. Weimarer Republik, S. 67. 68 RMI (Hrsg.). Reichsgesetzblatt 1919: Friedens- 93 Wette, Wolfram: Gustav Noske, 1987, S. 308f; vertrag zw. Deutschland und den Alliierten, S. vgl. Rosenberg, Arthur: Geschichte der ႇ Weimarer Republik, 1991, S. 61. 69 RMI (Hrsg.). Reichsgesetzblatt 1919: Friedens- 94 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpolizei vertrag zw. Deutschland und den Alliierten, S. in der Weimarer Republik, 1989, S. 42. ႇ 95 Hürten, Heinz; Bracher/Funke/Jacobsen (Hrsg.): 70 Harnischmacher, Robert/Semerak, Arved: Die Weimarer Republik 1918-1933, 1988, S. Deutsche Polizeigeschichte, 1986, S. 77. 89. 71 Harnischmacher, Robert/Semerak, Arved: 96 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, Deutsche Polizeigeschichte, 1986, S. 76. S. 91. 72 Leßmann, Peter; Hans-Jürgen Lange (Hrsg.): 97 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 26. Deutschland, 2000, S. 36; vgl. Salewski, 98 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen Michael: Beiträge zur Polizei in der Weimarer Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 26. Republik, S. 49f. 99 Erhard, Lucas: Die Märzrevolution von 1920, 73 Leßmann, Peter; Hans-Jürgen Lange (Hrsg.): http://www.arndtbeck.com/wordpress/2011/02/ Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in die-maerzrevolution-von-1920-und-ihre-histori- Deutschland, 2000, S. 36f. sche-verarbeitung/ [30.05.2013]. 74 Nass, Stefan: Die Entstehung des Preußischen 100 Alexander, Thomas: Carl Severing – Ein Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003, S. Demokrat und Sozialist in Weimar, 1996, S. 48. 455. 75 Leßmann, Peter; Hans-Jürgen Lange 101 Alexander, Thomas: Carl Severing – Ein (Hrsg.):Staat, Demokratie und Innere Sicherheit Demokrat und Sozialist in Weimar, 1996, S. in Deutschland, 2000, S. 37. 440. 76 Dudenredaktion: Duden, http://www.duden.de/ 102 Leicht, Johannes, Die Märzkämpfe in node/728785/revisions/1164500/view Mitteldeutschland 1921, http://www.dhm.de/ [26.05.2013]. lemo/html/weimar/innenpolitik/maerzkaempfe/ 77 Dudenredaktion: Duden, http://www.duden.de/ [30.05.2013]. node/662683/revisions/1087300/view 103 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen [08.05.2013]. Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 26; 78 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer vgl. Alexander, Thomas: Carl Severing – Ein Republik, 1991, S. 40-42. Demokrat und Sozialist in Weimar, 1996, S. 79 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer 454-455. Republik, 1991, S. 52. 104 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): 80 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer Polizeigeschichte, 1979, S. 67. Republik, 1991, S. 47; 105 Alexander, Thomas: Carl Severing – Ein vgl. Wette, Wolfram: Gustav Noske, 1987, S. Demokrat und Sozialist in Weimar, 1996, S. 297. 455.

Oranienburger Schriften 1 / 2019 25 Max Zenker

106 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): 134 Schröder, Jürgen: Der Hamburger Aufstand Polizeigeschichte, 1979, S. 69. 1923, 107 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): http://www.mao-projekt.de/BRD/NOR/HBG/ Polizeigeschichte, 1979, S. 71. Hamburg_Aufstand_1923.shtml [05.06.2013]. 108 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): 135 Zaika, Siegfried; (Karl Heinz Amft (Hrsg.)): Polizeigeschichte, 1979, S. 70-72. Polizeigeschichte, 1979, S. 130-132. 109 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer 136 Zaika, Siegfried; (Karl Heinz Amft (Hrsg.)): Republik, 1991, S. 98. Polizeigeschichte, 1979, S. 132. 110 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer 137 Marchwitza, Hans: Sturm auf Essen, 1952. Republik, 1991, S. 99. 138 Zugführer der Roten Ruhr-Armee beim 111 Erhard, Lucas: Die Märzrevolution von 1920, Mitteldeutschen Aufstand 1920 http://www.arndtbeck.com/wordpress/2011/02/ 139 Lambrecht, Rainer: Von der Kaserne zum die-maerzrevolution-von-1920-und-ihre-histori- behördensitz, 2010, S. 95-135, insb. S. sche-verarbeitung/ [30.05.2013]. 121-122. 112 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen 140 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 26. Weimarer Republik, 1977, S. 55. 113 Leicht, Johannes: Die Märzkämpfe in 141 Wolfgang Kapp: Mitbegründer der extrem Mitteldeutschland 1921, http://www.dhm.de/ nationalistischen Vaterlandspartei und lemo/html/weimar/innenpolitik/maerzkaempfe/ Vorstandsmitglied der DNVP. [02.06.2013]. 142 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpoli- 114 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): zei in der Weimarer Republik, 1989, S. 78. Polizeigeschichte, 1979, S. 82. 143 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der 115 Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der Weimarer Republik, S. 42; Weimarer Republik, 2001, S. 115-118. vgl. Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in 116 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): der Weimarer Republik, 1977, S. 54. Polizeigeschichte, 1979, S. 84. 144 Alexander, Thomas: Carl Severing – Ein Demo- 117 Leicht, Johannes: Die Märzkämpfe 1921 in krat und Sozialist in Weimar, 1996, S. 431. Mitteldeutschland, http://www.dhm.de/lemo/ 145 Hürten, Heinz; Bracher/Funke/Jacobsen (Hrsg.): html/weimar/innenpolitik/maerzkaempfe/ Die Weimarer Republik 1918-1933, 1988, S. 88. [02.06.2013]. 146 Leßmann, Peter: Die preußische Schutzpoli- 118 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): zei in der Weimarer Republik, 1989, S. 80; Polizeigeschichte, 1979, S. 84. vgl. Rosenberg, Arthur: Geschichte der 119 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): Weimarer Republik, 1991, S. 95. Polizeigeschichte, 1979, S. 85. 147 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der 120 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): Weimarer Republik, 1977, S. 55-57. Polizeigeschichte, 1979, S. 85. 148 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der 121 Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der Weimarer Republik, S. 45; Weimarer Republik, 2001, S. 132. vgl. Hürten, Heinz; Bracher/Funke/Jacobsen 122 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): (Hrsg.): Die Weimarer Republik 1918-1933, Polizeigeschichte, 1979, S. 93. 1988, S. 89. 123 Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der 149 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik, 2001, S. 133. Weimarer Republik, 1977, S. 55. 124 Gebhardt, Manfred: Max Hoelz, 1989, S. 150 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer 159. Republik, 1991, S. 95; 125 Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der vgl. Alexander, Thomas: Carl Severing – Ein Weimarer Republik, 2001, S. 135; vgl. Zaika, Demokrat und Sozialist in Weimar, 1996, S. Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): Polizeige- 433. schichte, 1979, S. 100. 151 Alexander, Thomas: Carl Severing – Ein 126 Zaika, Siegfried; Karl Heinz Amft (Hrsg.): Demokrat und Sozialist in Weimar, 1996, Polizeigeschichte, 1979, S. 82. S. 432 (zitiert nach Erger, 1967, S. 126). 127 Eberhard, Kolb: Friedrich Ebert als Reichsprä- 152 Rosenberg, Arthur: Geschichte der Weimarer sident, 1997, S. 233. Republik, 1991, S. 97; Hürten, Heinz; 128 Dahmer, Helmut: 1923 und die Folgen, http:// Bracher/Funke/Jacobsen (Hrsg.): Die www.vsp-vernetzt.de/soz/050924.htm#Anfang :HLPDUHU5HSXEOLN6ႇ [05.06.2013]. 153 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der 129 Schröder, Jürgen: Der Hamburger Aufstand Weimarer Republik, S. 42; 1923, vgl. Rosenberg, Arthur: Geschichte der http://www.mao-projekt.de/BRD/NOR/HBG/ Weimarer Republik, 1991, S. 96; Hamburg_Aufstand_1923.shtml [05.06.2013]. 154 Hürten, Heinz; Bracher/Funke/Jacobsen 130 Scriba, Dr. Arnulf: Der »deutsche Oktober«: (Hrsg.): Die Weimarer Republik 1918-1933, http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/ 1988, S. 90-91. innenpolitik/oktober/ [05.06.2013]. 155 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der 131 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen Weimarer Republik, 1977, S. 54. Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 26. 156 Salewski, Michael: Beiträge zur Polizei in der 132 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen Weimarer Republik, S. 45. Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 34. 157 Leßmann, Peter; Nitschke, Peter (Hrsg.): Die 133 Zaika, Siegfried; (Karl Heinz Amft (Hrsg.)): deutsche Polizei und Ihre Geschichte, 1996, Polizeigeschichte, 1979, S. 129f. S. 128.

26 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Polizei in den Krisenjahren der Weimarer Republik

158 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen 167 Asmuss, Dr. Burkhard: Der Hitler Putsch, Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 34. http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/gewalt/ 159 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen hitler/ [07.06.2013]. Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 34. 168 Asmuss, Dr. Burkhard: Der Hitler Putsch, 160 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/gewalt/ Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 34. hitler/ [07.06.2013]. 161 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen 169 Sturm, Reinhard, Informationen zur politi- Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 35. schen Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, 162 Ziegler, Walter, Historisches Lexikon Bayerns: S. 35. Hitlerputsch, 8./9. November 1923, 170 Liang, Hsi-Huey: Die Berliner Polizei in der http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Weimarer Republik, 1977, S. 5-6 (zitiert nach artikel/artikel_44511 [07.06.2013]. Carl Severing, Die Polizei im neuen Staat, in: 163 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, Almanach zum »Fest der Polizei«. Sonn- 1991, S. 124. abend, den 7. Dezember 1929, in den 164 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, Festräumen des Zoologischen Gartens, Berlin 1991, S. 124-125. 1929, S. 12-13). 165 Meissner, Otto: Ebert, Hindenburg, Hitler, 1991, S. 125. 166 Sturm, Reinhard, Informationen zur politischen Bildung: Weimarer Republik, 261/2011, S. 35.

Quellenverzeichnis

Literatur

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Oranienburger Schriften 1 / 2019 27 Max Zenker

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Oranienburger Schriften 1 / 2019 29 Janik Skibinski

NS-Ideologie in der Polizeiausbildung 1933–1945

Ideologisch geprägte weltanschauliche Schulung

Janik Skibinski

Diese Arbeit geht der Frage nach, inwieweit die gezielte weltanschauliche Schulung der Nationalsozialisten innerhalb der Polizei aus Polizeibeamten Täter machen konnte, die sich an den Massenmorden des NS-Regimes beteiligten. Dabei wird auch die Vorgeschichte der Polizei zur Zeit der Weimarer Republik eingehend beleuchtet.

1. Einleitung Um sich einer so komplexen Thematik wie den Gründen menschlichen Handelns Im Zeitraum vom 16.9.1939–19.9.1939 er- zu nähern, ist es wichtig, die einzelnen Stü- schoss eine sogenannte »Einsatzgruppe cke des Mosaiks zu betrachten und zu ana- z.b.V.« im polnischen Przemysl 500 bis 600 lysieren. jüdische Zivilisten, Männer, Frauen und Diese Thesis hat nicht den Anspruch, eine Kinder. Diese Einsatztruppe setzte sich aus ganzheitliche Antwort auf die Frage nach 50 bis 80 Polizeischülern der Führerschule dem »Warum?« zu geben, sondern lediglich Berlin Charlottenburg, 40 bis 50 Grenzpoli- einen Teilaspekt aufzuarbeiten und darzu- zeischülern und einem Lehrgang der Poli- stellen – die ideologisch geprägte weltan- zeischule Fürstenberg zusammen (Breit- schauliche Schulung innerhalb der Polizei. man, 2003, S. 31-32). Ein sehr großer Teil Diese wurde lange Zeit in der NS-For- der Holocaustopfer wurde unmittelbar oder schung als bloßes kontinuierliches Wieder- mittelbar durch Angehörige des Polizeiap- holen hohler Phrasen und Leitsätze sowie parates umgebracht (Matthäus, 1999, Zeit zur Zerstreuung der Truppe abgetan S.679). und in ihrer Bedeutung wesentlich unter- Aus heutiger Sicht stellt sich vielen die schätzt (Breitman, Förster, Kwiet & Matthä- Frage, wie so etwas passieren konnte? Wie us, 2003, S. 7). konnte eine Polizei, die durch das demokra- Wer jedoch herausarbeiten will, wie im tische System der Weimarer Republik Dritten Reich aus ›normalen Polizeibeam- geprägt wurde, in so kurzer Zeit zu einem ten‹ Massenmörder werden konnten, Terrorinstrument des NS-Regimes und zu kommt an einer Analyse der weltanschauli- einer »gut geölten Tötungsmaschinerie« chen Indoktrination nicht vorbei (Breitman werden? et al., 2003, S. 12). Was die einzelnen Täter oder Tätergrup- Doch was ist unter »weltanschaulicher pen bei solchen Mordaktionen antrieb, ist Schulung« oder dem synonym verwende- historisch nur sehr schwer nachvollziehbar. WHQ %HJULႇ ªZHOWDQVFKDXOLFKH (U]LHKXQJ© Vielschichtige Motive, individuelle Persön- zu verstehen? lichkeiten, die generelle Multikausalität des 5LFKDUG%UHLWPDQGH¿QLHUWZHOWDQVFKDXOL- menschlichen Handelns und eine lückenhaf- che Schulung als »zeitgenössische Um- te Quellenlage tragen ihren Teil dazu bei. schreibung für Manipulation mit den Mitteln

30 Oranienburger Schriften 1 / 2019 NS-Ideologie in der Polizeiausbildung 1933–1945

YRQJUXSSHQVSH]L¿VFKHQ$XVXQG:HLWHUELO- winkel die Dinge betrachtet, das weltan- dungen« (Breitman et al., 2003, S. 7). Die schaulich aus dem gleichen Lager kommt, weltanschauliche Erziehung innerhalb des VRQGHUQ 6LH ¿QGHQ LQ GHU 3ROL]HL QHEHQ NS-Polizeiapparates ist als didaktisch-ganz- den alten erprobten Vorkämpfern der nati- heitlicher Ansatz zu verstehen, der sich nicht onalsozialistischen Bewegung, neben den auf das Denken beschränkt, sondern auch Trägern des Blutordens und den Trägern eine sehr praxisbetonte und handlungsrele- des Goldenen Ehrenzeichens, neben den vante Komponente umfasste (Breitman et tausenden von überzeugten und erprobten al., 2003, S. 14). Diese Arbeit stützt sich pri- Nationalsozialisten, die in die nach der mär auf das grundlegende Herausgeber- Großen Reinigung im Jahre 1933 freige- werk »Ausbildungsziel Judenmord? Zum wordenen Lücken eindrangen, auch noch Stellenwert der weltanschaulichen Erzie- eine Anzahl von Polizeibeamten, die ein- hung von SS und Polizei im Rahmen der PDOYRU]XGHQSROLWLVFK,QGLႇHUHQWHQ Endlösung«, da dieses die weltanschauliche gehörten, dann aber auch eine Anzahl sol- Erziehung schwerpunktmäßig thematisiert. cher die früher einmal im feindlichem La- In weiterer Literatur wird dieser Themenkom- ger standen, ohne dabei besonders in Er- plex meist nur angeschnitten. Des Weiteren scheinung zu treten, die man, auf ihren werden Primärquellen herangezogen, um soldatischen Kern vertrauend, in ihrer Stel- ein vollständiges Bild der weltanschaulichen lung belassen hatte und die sich dann ehr- Erziehungsarbeit zu gewährleisten. Auf lich zur nationalsozialistischen Weltan- Grund dieser schwierigen Quellenlage wird schauung durchgerungen haben. (…). Die GHU %HJULႇ 3ROL]HLDXVELOGXQJ LP )ROJHQGHQ Kenntnis dieser personellen Zusammen- weit gefasst und beinhaltet auch alle Weiter- setzung ist Voraussetzung für eine plan- bildungsmaßnahmen. mäßige Schulung (…).« (BArch R 19 / 380) Doch eine Analyse der weltanschaulichen Die späteren Schulungsbemühungen Schulung an sich, der vermittelten Ideologie der Polizeiführung waren also auf einen und den Zielen der Schulungsmaßnahmen Personalkörper zugeschnitten, der zum macht erst Sinn nach einer Auseinanderset- Teil ein Erbe der Weimarer Republik war. zung mit dem Polizeiapparat, wie ihn das Eine Betrachtung der Polizei der letzten NS-Regime zum Zeitpunkt der Machtüber- Jahre der Weimarer Republik ist also zwin- nahme vorfand. Dieser Schritt ist für das gend erforderlich. Verständnis des Komplexes »weltanschau- Wie war die Polizei der Weimarer Repu- liche Schulung« essentiell. blik strukturiert und mit welchen Proble- men musste sie kämpfen? Welche Ereig- 2. Die Ausgangssituation – nisse prägten die Beamten? Polizei im Spannungsfeld zwischen Weimarer Republik 2.1 Die Polizei zur Zeiten der und Nationalsozialismus Weimarer Republik

Die Zusammensetzung der Polizei und die Die Verfassung des Deutschen Reichs EHUXÀLFKH3UlJXQJGHU3ROL]HLYROO]XJVEHDP- schrieb am 11.8.1919 die Hoheit über Polizei- ten zum Zeitpunkt der Machtübernahme spielt angelegenheiten den Ländern zu. Im Reichs- eine wichtige Rolle als Ansatzpunkt für die ministerium des Inneren, welches sich seit weltanschauliche Schulung in den Jahren da- 1923 aus drei Abteilungen zusammensetzte, nach. So heißt es in den Unterlagen für eine gehörte die Polizei zur Abteilung I: Politik, po- Ansprache Kurt Daluges, dem Chef des lizeiliche Angelegenheiten, Verfassung, Ver- Hauptamtes der Ordnungspolizei (Orpo), vor waltung und Beamtentum. Die Polizei glieder- dem Einweisungslehrgang der Schulungslei- te sich in drei Hauptzweige. ter für die weltanschauliche Schulung inner- Die Verwaltungspolizei setzte sich aus halb der Ordnungspolizei am 18. März 1937: Fremden-, die Verkehrs-, Gewerbe-, Ge- ª6LH¿QGHQLQGHU3ROL]HLNHLQHVZHJVHLQ sundheits-, Veterinär- und die Baupolizei homogenes Menschenmaterial, das welt- zusammen und erfüllte somit eine Fülle ma- anschaulich aus dem gleichen Gesichts- teriellrechtlicher Aufgaben.

Oranienburger Schriften 1 / 2019 31 Janik Skibinski

Die Schutzpolizei umfasste den Einzel- Die ersten Bestrebungen, die Polizei dienst, der hauptsächlich den Posten- und NS-ideologisch zu unterwandern, fanden Streifendienst versah und die Bereit- nachweislich schon im Jahr 1929, kurz schaftspolizei, die für Großveranstaltun- nach der Ernennung Himmlers zum gen, Demonstrationen und Katastrophen Reichsführer SS, statt. Dieser bemühte zuständig war. sich, Kontakte zu mit der politischen Situ- Den dritten Hauptzweig bildete die Krimi- ation und der daraus resultierenden Rolle nalpolizei, die mit der präventiven und re- der Polizei unzufriedenen Beamten zu pressiven Verbrechensbekämpfung be- etablieren (Breitman, 2003, S. 23). traut war (Wilhelm, 1999, S. 22-26). Auch waren viele Polizeibeamte, die ih- Die sich schon 1929 abzeichnende Welt- re Karriere noch im Kaiserreich begonnen wirtschaftskrise leitete auch für die Polizei hatten, eher geneigt, sich dem autoritären der Weimarer Republik eine schwere Zeit Obrigkeitsdenken und der strikten Ord- ein, auf die sie nicht vorbereitet war. nung zu unterwerfen, die auch durch die Die ständig wachsende Unruhe in der NS-Ideologie repräsentiert wurden, als für Bevölkerung führte zu einem Erstarken die demokratischen Werte der Weimarer von KPD und NSDAP. Diese fochten ihre Zeit einzustehen (Matthäus, 2003, S. 45). SROLWLVFKLGHRORJLVFKHQ.RQÀLNWHPLWWHOVLK- Zusammenfassend bleibt zu sagen, rer Parteiarmeen, dem Rot-Frontkämpfer- dass der Polizeialltag in den Jahren vor bund und der SA, in blutigen Straßen- der Machtübernahme von Gewalt, Stra- schlachten aus (Wilhelm, 1999, S. 28). ßenschlachten und Mord geprägt war, auf Die Straßengewalt nahm schnell bürger- die die Polizei nicht vorbereitet war. In den kriegsähnliche Ausmaße an. Der so ge- Reihen der Polizei herrschte Unzufrieden- nannte Berliner Blutmai vom 1.–4. Mai heit mit dem System und der Rolle, die der 1929, bei dem 33 Personen allein durch Polizei zuteilwurde. Erste Säuberungen Polizisten getötet wurden und der Altonaer auf der Führungsebene wurden bereits Blutsonntag am 17. Juli 1932, der weitere von konservativen Kräften im Rahmen 17 Todesopfer forderte, sind nur zwei der des Preußenschlags durchgeführt. bekanntesten Beispiele für die brachiale Die Machtübernahme durch die Natio- Gewalt auf den Straßen. nalsozialisten am 30.1.1933, die die Re- Dazu kam eine Serie von Polizistenmor- gierungsgewalt in die Hände der NSDAP den, die überwiegend den Kommunisten und ihrer konservativen Verbündeten leg- zugeordnet wurden und die Polizei schwer te, und die Vereidigung Adolf Hitlers als erschütterten (Wilhelm, 1999, S. 28-32). Reichskanzler, leiteten eine neue Zeit ein, Ein wichtiger Einschnitt in die Personal- die auch für die Polizei viele Veränderun- struktur der Polizei vor der Machtergrei- gen mit sich brachte. fung war der sogenannte Preußenschlag und seine Folgen. Mit der Ernennung von 2.2 Struktur der Polizei im NS-Staat Dr. zum Reichskommissar für Preußen und der Übernahme der vollzie- Nur wenige Tage nach der Machtübernah- henden Gewalt durch die Reichswehr be- me, schon am 6.2.1933, erließ Hitler die gann eine »Säuberungsaktion«, die die Verordnung zur Herstellung geordneter Re- Führungsstruktur der Polizei erheblich be- gierungsverhältnisse in Preußen. Diese ent- HLQÀXVVHQVROOWH%HDPWHLQKRKHQ3RVLWLR- zog der Regierung Braun weitgehend alle nen, die sich durch ihr hartes Vorgehen Befugnisse. Hermann Göring, der seit der gegen rechte und konservative Bestrebun- Machtübernahme nicht nur Reichsminister gen unliebsam gemacht hatten, wurden ohne Geschäftsbereich, sondern auch entlassen. An ihre Stellen traten deutsch- Reichskommissar für das preußische In- nationale, konservative Verwaltungsfach- nenministerium war, erhielt somit die volle leute. Somit fand die erste »ideologische Kontrolle über die Polizei in Preußen (Wil- Säuberung« bereits vor der Machtüber- helm, 1999, S. 37). In seinem Buch »Aufbau nahme durch die Nationalsozialisten statt einer Nation« schreibt Göring rückblickend (Wilhelm, 1999, S. 34). über seine Aufgaben Folgendes:

32 Oranienburger Schriften 1 / 2019 NS-Ideologie in der Polizeiausbildung 1933–1945

»Als Wichtigstes galt es mir zunächst, schen Polizei ab. Die Protagonisten in die- das Machtinstrument der Schutzpolizei sem Wettstreit waren Hermann Göring auf und der politischen Polizei fest in meine der einen und – der die- Hand zu bekommen. (…) ses Duell am Ende für sich entscheiden Es ist das [sic] in so wenigen Monaten sollte – auf der anderen Seite. tatsächlich gelungen – da der Kern so aus- Im Winter 1933–1934 machte sich gerichtet war –, aus der preußischen Himmler daran, Stück für Stück die Füh- 6FKXW]SROL]HL HLQ ,QVWUXPHQW ]X VFKDႇHQ rung der politischen Polizei in allen Län- das dem Staat das richtige Gefühl der Si- dern zu übernehmen. Am 20. 4.1934 über- cherheit, der Schutzpolizei aber das stolze nahm er schließlich auch die ursprünglich Gefühl verleiht, das erste und bestgeschlif- LQ *|ULQJV (LQÀXVVEHUHLFK IDOOHQGH SROLWL- fene Instrument des Staates zu sche Polizei Preußens. Endgültiger Sieger sein.«(Göring, 1934, S. 84-87) des Machtstreits wurde Himmler am Das Ziel, das Göring in seinem Buch for- 17.6.1936 mit seiner Ernennung zum mulierte, lässt sich auf die gesamte Polizei »Reichsführer SS und Chef der deutschen Deutschlands übertragen und zeigt die Ziel- Polizei im Reichsministerium des Inne- setzung der Parteispitze bezüglich dieser. ren«. In dieser Stellung unterstand Himm- Es galt, das existierende Exekutivorgan ler zwar auf dem Papier noch dem Reichs- schnellstmöglich vollständig zu kontrollie- innenminister Dr. , besaß ren, um die erreichte Machtposition inner- jedoch faktisch die alleinige Kontrolle über halb Deutschlands dauerhaft zu sichern. das Machtinstrument Polizei (Wilhelm, Hierzu wurden umfangreiche strukturelle 1999, S. 76). und personelle Veränderungen durchge- Die deutsche Polizei unterlag in der ge- führt (s. hierzu Punkt 2.3). samten NS-Zeit einem ständigen Wand- In den ersten Monaten nach der Mach- lungsprozess der zum Teil auf Verreichli- übernahme galt es zunächst, die immer chungsbestrebungen, außenpolitischen noch unruhige Lage auf den Straßen unter (LQÀVVHQXQGQHXHQ$XIJDEHQEHUHLFKHQ Kontrolle zu bringen. beruhte. Diese Prozesse im Einzelnen dar- Die Nationalsozialisten ergänzten die zustellen, würde jedoch den Rahmen die- existierenden Polizeikräfte um die so ge- ser Arbeit überschreiten. Im Folgenden nannte Hilfspolizei, welche sich überwie- wird deshalb nur auf einige, für die weltan- gend aus der SS und der SA rekrutierte. schauliche Erziehungsarbeit in der Polizei Alleine in Preußen umfassten diese Ein- entscheidende Veränderungen eingegan- heiten mindestens 50 000 Mann, der nun gen werden. mit Polizeibefugnissen ausgestatteten und Einer der zentralen Schritte zu einer Ver- lediglich durch eine weiß-blaue Armbinde reichlichung der Polizei war das 1934 er- gekennzeichneten Schlägertruppen der lassene »Gesetz über den Neuaufbau des NSDAP (Matthäus, 2003, S. 42). Reiches«, welches verfügte, dass be- Durch radikales Vorgehen sollte jeglicher stimmte Kompetenzen der Länder an das Widerstand im Keim erstickt werden. Zu Reich übergingen. Damit war die Grundla- diesem wurden die Polizeibeamten nicht ge für ein einheitliches Aus- und Weiterbil- nur ermutigt, sondern sogar angewiesen. dungssystem der Polizei gegeben, in wel- Im als »Schießbefehl« bekannt geworde- chem weltanschauliche Themen einen nen Erlass Görings vom 17.2.1933 über- höheren Stellenwert einnahmen. Im selben nimmt dieser nicht nur die Verantwortung Zug wurde das Tätigkeitsfeld der Polizei IUMHGHQDXVHLQHU3ROL]HLZDႇHDEJHIHXHU- auf »rassisch-präventive Maßnahmen« ten Schuss, sondern droht mit Strafe für zu verschoben (Banach, 1998, S. 267). Bis nachgiebiges Verhalten gegenüber den Re- zum 16.7.1938 war die Zentralisierung der gimegegnern (Wilhelm, 1999, S. 38). Kriminalpolizei endgültig abgeschlossen Nachdem die erste chaotische Phase und somit auch für eine Ausbildung nach der Machtübernahme abgeschlossen war, einheitlichem Lehrplan des Reichskrimi- zeichnete sich ein immer deutlicherer nalpolizeiamtes gesorgt (Wilhelm, 1999, S. Kampf um die Gesamtführung der deut- 82).

Oranienburger Schriften 1 / 2019 33 Janik Skibinski

Weitere wichtige Veränderungen für die sämtliche Beamte, die sich in den Augen der Polizei brachten der Krieg und seine Vorbe- NS-Führung unliebsam gemacht hatten, reitung mit sich. Durch eine Verfügung des entlassen oder ihrer Positionen enthoben. Reichskriegsministers gingen 56.000 Poli- Am 7.2.1933 erhielt so z.B. Kurt Daluge zeibeamte ab dem 7.3.1936 in die Wehr- von Göring persönlich den Auftrag, die po- macht über. Der resultierende Personal- litische Säuberung der preußischen Poli- mangel konnte kaum kompensiert werden zei zu überwachen. Dies führte allein in und hatte Auswirkung auf die Altersstruktur Preußen im selben Monat noch zu der der Polizei und auf die Ausbildung des neu- Entlassung von 13 Polizeipräsidenten. Auf en Nachwuchses (Wilhelm, 1999, S. 63). kommissarischer Ebene wurden systema- Auch brachten die Kriegsvorbereitungen tisch die frei gewordenen Stellen durch im Rahmen der sogenannten Wehrhaftma- höhere SA- und SS-Führer besetzt. chung neue Aufgabenfelder mit sich, für Eine entscheidende Handhabe zur Säu- die die Beamten geschult und ausgebildet berung der Polizei lieferte der NS-Führung werden mussten. Zu diesen gehörten bei- die als Reichstagsbrandverodnung be- spielsweise die Aufgabenfelder Luftschutz, kannte Notverordnung, welche unmittelbar Feuerschutzpolizei, Musterung, Bewa- nach dem Reichstagsbrand noch am chung von militärischen Anlagen. Abend des 28.2.1933 in Kraft trat. Diese Durch die sich ändernden Aufgaben und setzte im § 1 die wichtigsten verfassungs- lX‰HUHQ(LQÀVVHXQWHUODJDXFKGLH6WUXN- mäßigen Grundrechte außer Kraft. Der § 2 tur der Polizei in der NS-Zeit ständigen jedoch ermöglichte der Reichsregierung Veränderungsprozessen. Der wohl wich- ]XU :DKUXQJ GHU |ႇHQWOLFKHQ 6LFKHUKHLW tigste Schritt war die Ernennung Himmlers und Ordnung, die Befugnisse der obersten zum Chef der deutschen Polizei. Ein Er- Landesbehörden wahrzunehmen und so- lass Hitlers vom 17.6.1936 schuf dieses mit auch alle Entscheidungen auf dem Po- Amt neu, welches eine reichseinheitliche OL]HLVHNWRU]XWUHႇHQ'LHVQXW]WH5HLFKVLQ- Führung der gesamten Polizei zur Folge nenminister Dr. Frick aus, um sogenannten hatte und die Führung von SS und Polizei Reichskommissaren die Leitung der Polizei in einer Person vereinte. Nur neun Tage der einzelnen Länder zu übertragen. später nutzte Himmler die ihm übertrage- Das Gesetz zur Wiederherstellung des nen Befugnisse und verfügte eine Auftei- Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 stellte lung der Polizei in zwei sogenannte Haupt- eine weitere gesetzliche Norm dar, mit de- lPWHU±HLQ%HJULႇGHUDXVGHQ6WUXNWXUHQ ren Hilfe die politischen Säuberungen le- der SS entliehen war. So entstanden das gitimiert wurden. Hauptamt Orpo unter der Führung von Kurt Wie in Preußen gab es in Folge dessen Daluege und das Hauptamt Sipo unter der im gesamten Reich umfangreiche Entlas- Führung von Reinhard Heydrich. Dieser sungen. Auch hier wurden die Positionen Schritt führte nicht nur zu einer Zweiteilung anschließend vorzugsweise mit regiona- der Polizei, sondern auch zu einer Zentra- len SS- und SA-Führern besetzt (Wilhelm, lisierung der Verwaltungsstrukturen sowie 1999, S. 38-40). der Einleitung einer Herauslösung der Po- Somit war der erste Schritt für eine ein- lizei aus der inneren Verwaltung (Wilhelm, heitliche, nach den Werten der NS-Ideolo- 1999, S. 73-76). gie ausgerichtete Polizei getan. Eine Ar- beit, die in den folgenden Jahren durch 2.3 Die »Säuberung« des die weltanschauliche Schulung fortgesetzt Berufsbeamtentums werden sollte.

Da es das Ziel der NS-Führung war, den Po- 2.4 Polizei und SS – Ein Annährungs- lizeiapparat möglichst schnell und vollstän- prozess von ideologischer Bedeutung dig unter Kontrolle zu bekommen, folgte nach der Machtübernahme eine grundlegen- »Es heißt doch immer SS Polizei. War- de Veränderung des Personalkörpers. In so- um?« – lautete die Überschrift des 10. Ka- genannten Säuberungsaktionen wurden pitels der am 23.9.44 im Verlag F. Willmy

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GmbH erschienenen Broschüre »Der Weg gen eingerichtet worden war, konnte dem- der SS«. In demselben Kapitel dieser Bro- nach nur durch die angestrebte Personal- schüre wird die national-sozialistische Poli- union der Organisationen erreicht werden. zei als »großer Helfer« der SS bei der Ge- $XFK LQ %H]XJ DXI GDV ]XNQIWLJH 2ႈ- währleistung der inneren Sicherheit des zierskorps der Polizei hatte die NS-Füh- Staates beschrieben (BArch NS 31 / 152). rung genaue Vorstellungen. So verkündete In der Realität verband die SS und die Himmler Anfang Mai 1937 bei einer An- Polizei zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits VSUDFKH YRU  2ႈ]LHUHQ GHU 2USR VHL- wesentlich mehr als ein ähnliches Aufga- QHQ=XK|UHUQGDVVVLFKGLH3ROL]HLRႈ]LHUH benfeld. von morgen vollständig aus den SS-Füh- Das in Kurt Daluges Ansprache vor dem rerschulen rekrutieren würden (Matthäus, Einweisungslehrgang der Schulungsleiter für 2003, S. 46). die weltanschauliche Schulung innerhalb der Eine weitere Strategie zur Verschmel- Orpo am 18.3.1937 formulierte Ziel »(...) es zung von SS und Polizei war die Intensivie- gilt das große Korps der deutschen Polizei rung gemeinsamer Schulungsaktivitäten PLWGHP*HLVWGHU6FKXW]VWDႇHOQDQ]XIOOHQ XQGGLH9HUNQSIXQJYRQEHUXÀLFKHU$XV- (…)«, (BArch R 19 / 380) sollte nicht nur bildung mit ideologischer Indoktrinierung durch weltanschauliche Erziehung erreicht (Breitman, 2003, S. 25, 28). So konnte werden, sondern auch durch die seit der man auf Lehrplänen der Sipo Schule Fürs- Machtübernahme von Himmler angestrebte tenberg ein Lehrfach mit der Bezeichnung Personalunion der beiden Organisationen. Weltanschauung und SS-mäßige Erzie- Schon direkt nach der Machtübernahme KXQJ¿QGHQ %DQDFK6 *UDGH durch die Nationalsozialisten wurden bei im Bereich der weltanschaulichen Schu- verschiedenen Säuberungsaktionen inner- lung spielte die SS eine wichtige Rolle. So halb der Polizei wichtige Positionen durch wurden Teile des verwendeten Schulungs- SS-Angehörige besetzt (siehe 2.3). materials vom Schulungsamt, welches Auch später als Chef der Deutschen Po- dem zur SS gehörenden RuSHA unterstellt lizei versuchte Himmler die personelle Ver- war, bereitgestellt. Auch fanden Schu- ÀHFKWXQJ]XLQWHQVLYLHUHQ(LQ%HLVSLHOLVW OXQJVOHKUJlQJHIU3ROL]HLRႈ]LHUHLP5X6- ein Erlass Himmlers vom 18.1.1938, der es HA statt (s. Abb. 1, S. 36). allen uniformierten Polizeibeamten, die bis Doch die Bemühungen erstreckten sich zur Machtergreifung Mitglied in der NS- nicht nur auf den rein dienstlichen Bereich. DAP oder einer Unterorganisation waren, Mit der Veranstaltung gemeinsamer Kame- ermöglichte, in die SS einzutreten (Wil- radschaftsabende von SS und Polizei sollte helm, 1999, S. 93). In einem weiteren Er- ein Gefühl von Gemeinschaft erzeugt wer- lass vom 23.06.1938 wurde selbiges für den. Für die Ausführung dieser Zusammen- Beamte und Angestellte der Sipo ermög- künfte erließ Himmler genaue Richtlinien, in licht (Banach, 1998, S. 122). Der wichtige denen vom Musik- und ideologischem Vor- NS-Theoretiker Werner Best beschrieb tragsprogramm bis hin zu der Menge der den Prozess mit den Worten: auszuschenkenden Getränke alles minutiös »Die Zusammenfassung zweier Einhei- vorgegeben war (Matthäus, 2003, S. 62). ten, deren eine der Schutz der nat.soz. Be- Der Verschmelzungsprozess verfolgte wegung und deren andere dem Schutz des verschiedene Ziele. Zum Beginn der NS- nat.soz. Staates und hierdurch jede dem Zeit ging es primär darum, das etablierte Schutz des deutschen Volkes – zu dienen Exekutivorgan Polizei zur Sicherung der hat, muss beginnen mit der Verschmel- neuen Machtposition der NSDAP einzuset- zung der Menschen, die die Träger dieser zen. Es ging also zunächst darum, die Poli- Einheiten und ihrer Aufgaben sind.« (BArch zei mit treuen Parteianhängern zu durchset- NS 19 / 1845) ]HQ XP LP  SROL]HLOLFKHQ %HUHLFK (LQÀXVV Die Verschmelzung der Polizei, die für zu gewinnen. den Schutz des Staates zuständig war, und Bei einer Rede anlässlich seiner Ernen- der SS, die ursprünglich zum Schutz von nung zum Chef der deutschen Polizei schil- Parteiversammlungen und -veranstaltun- derte Himmler ein düsteres Bedrohungssze-

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Abb. 1: Artikel in »Der Deutsche Polizeibeamte« vom 15.5.1937 mit dem Titel »Polizei und SS wachsen zusammen«

nario und erläuterte sein Ziel, »die deutsche Die für die Polizei relevante Ideologie Polizei zusammengeschweißt mit dem Or- setzte sich zusammen aus der grundle- GHQGHU6FKXW]VWDႇHODOV2UJDQLVDWLRQ]XP genden NS-Ideologie und den elitären Schutz des Reiches von innen aufzubauen«. Vorstellungen des RFSSuChdDtPol. im 'LHVHQ*HGDQNHQJULႇ:HUQHU%HVWZHQLJH RMdI. Heinrich Himmler. Wochen später in einem Aufsatz auf und SUlJWH GHQ %HJULႇ GHV 6WDDWVVFKXW]NRUSV 3.1 Weltanschauung der Polizeiführung Darunter verstand Best eine Fusion der ge- – Himmlers elitäre Ideologie samten Polizei mit der SS zu einem neuen eigenständigen Organ, welches für die inne- Himmler sah in der SS den neuen Adel des re Sicherheit des Reiches zuständig sein deutschen Volkes, eine rassische und poli- sollte (Longerich, 2010, S. 213-214). tische Elite des neuen Deutschlands. Es war also aus verschieden Gründen Schon bei der Auswahl neuer Mitglieder für die Absicht der Polizei und SS-Führung, seinen »Sippenorden« legte Himmler ras- die beiden Organisationen zu vereinen. sische, ideologische und elitäre Maßstäbe 'HU LGHRORJLVFKH (LQÀXVV DXI GLH ZHOWDQ an (Banach, 1998, S. 87, 89). Diesen Or- schauliche Schulung der Polizei durch die den wollte er mit der Polizei vereinen. SS ist nicht zu verkennen. Eine nähere Innerhalb der SS galt die NS-Ideologie als Auseinandersetzung mit der in den Schu- strenges Dogma. Diese setzte sich aus ver- lungen vermittelten Ideologie, die auch die schiedenen Kernelementen zusammen. SS prägte, ist ein wichtiger Schritt zum Der Ausgangspunkt der nat. soz. Weltan- Verständnis der Indoktrination innerhalb schauung war eine sozialdarwinistische der Polizei. Rassenideologie in Verbindung mit rassisch begründetem Antisemitismus. Diese war 3. Die deutsche Polizei im Licht geprägt von der Vorrechtstellung der überle- der NS-Ideologie genden arisch-nordischen Rasse als Kultur- begründer auf der einen Seite und dem Im Rahmen der weltanschaulichen Schu- Feindbild des Juden und der jüdisch-bol- lung spielten NS-ideologische Aspekte eine schewistisch verseuchten Untermenschen zentrale Rolle. Von in Schulungen behan- als Gegenstück und Kulturzerstörer auf der delten Themenkomplexen bis zur täglichen anderen Seite (Zentner, 1985, S.632). Aufgabenwahrnehmung wurde alles im Aus der grundlegenden Vorstellung von Lichte dieser Ideologie betrachtet. höheren und minderwertigen Rassen er-

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gab sich ein weiteres Schlagwort der NS- sen sollte auf sachlicher Basis als Not- Ideologie: Blut und Boden. Dieses Prinzip wendigkeit empfunden werden (Banach, setzte sich aus zwei Teilen zusammen 1998, S. 92). (Benz, Graml & Weiß, 2007, S. 442). Zum Detaillierter soll im Rahmen dieser The- einen war dies das Recht des Stärkeren sis nicht auf die grundlegende NS-Ideolo- auf Lebensraum, welches die imperialisti- gie eingegangen werden. Eine größere sche Außenpolitik des NS-Regimes be- Rolle spielte das aus ihr resultierende Be- gründete und mit der Rückkehr zu einer rufsverständnis der Polizei und die aus agrarischen Lebensform verbunden war dieser Weltanschauung resultierenden (Benz et al., 2007, S. 620). polizeilichen Aufgaben. Der zweite Kernpunkt war die soge- nannte Rassenhygiene. Hitler und seine 3.2 Das Selbstverständnis und die Gefolgsleute glaubten, dass die Vermi- Aufgaben der »neuen Polizei« in den schung von Rassen zum Ende der ari- Köpfen der Führungsriege und der schen Rasse und damit zum Ende der gႇHQWOLFKNHLW Kultur und schließlich der Menschheit füh- ren würde (Zentner, 1985, S. 632). Daraus Mit dem ideologisch begründeten Ver- ergab sich die Forderung, eine Durchmi- ständnis der Polizei entwickelte sich auch schung zu verhindern, fremdes Blut aus- deren Aufgabenfeld weiter, und es ent- ]XPHU]HQ XQG GLH )RUWSÀDQ]XQJ GHU DUL- stand ein neues Berufsverständnis. schen Rasse zu fördern (Benz et al., 2007, In der Broschüre » Der Weg der SS« S. 263). Es ging also darum, das Volk vor aus dem Jahr 1944 heißt es rückblickend VFKlGOLFKHQ(LQÀVVHQ]XVFKW]HQZDV über die deutsche Polizei: auch unter Aufopferung E inzelner ge- ª8QWHUGHP(LQÀXVVGHUQDWLRQDOVR]LD- schehen konnte. Somit verloren Individu- listischen Weltanschauung änderte sich alrechtsgüter des Einzelnen jegliche Be- auch die Arbeitsweise der Polizei. Heute deutung in Abwägung mit dem Wohl der ist ihre erste Aufgabe eine erzieherische: Volksgemeinschaft. Dies schlug sich auch wichtiger als das Feststellen und Bestra- LQ GHQ (LQJULႇVEHIXJQLVVHQ GHU 3ROL]HL fen von Vergehen ist, vorbeugend strafba- nieder. re Handlungen zu verhindern, Volk und Einen dritten wichtigen Aspekt bildete Staat vor den Erscheinungen zu schützen, das Führer-Gefolgschafts-Prinzip. Dieses die der Gemeinschaft abträglich sind oder bedeutete die bedingungslose Unterord- gar gefährlich werden können.« (BArch nung des deutschen Volkes und des Staa- NS 31 / 152) tes unter einen Führer. Es bedeutete aber Die hier benannte Verschiebung der pri- auch die Aufstellung und Einhaltung strik- mären Zielstellung von Repression zur ter Hierarchien in sämtlichen Bereichen Prävention lässt sich seitens der Polizei- staatlicher Struktur (Benz et al., 2007, S. IKUXQJHUVWPDOLJLQHLQHU|ႇHQWOLFKHQ5H- 14-15). Für Polizeibeamte folgte daraus de Heydrichs anlässlich des Tages der eine direkte Vereidigung auf den Führer deutschen Polizei im Januar 1938 nach- Adolf Hitler. weisen (Wilhelm, 1999, S. 72). Die neuen Eingebettet waren diese Säulen der rassisch-präventiven Maßnahmen wurden NS-Ideologie in pseudowissenschaftli- ideologisch begründet. Die Polizei hatte chen Rechtfertigungen aus dem Bereich nicht länger nur das Verbrechertum zu be- der Biologie und der Geschichte. kämpfen, sondern war auch für die Rein- Ergänzt wurde die NS-Ideologie in SS haltung der deutschen Rasse verantwort- und Polizei durch weitere Aspekte. Das lich (Zimmermann, 1994, S. 143). »Soldatische« spielte hier eine große Rol- Wiederholte Delinquenz wurde als Be- le. Himmlers Untergebene sollten sich als weis für das Vorhandensein von »schlech- politische Soldaten und soldatische Be- tem Blut« gewertet. Verbrechen wurde also amte fühlen, die den weltanschaulichen erbbiologisch begründet. Himmler sah als Kampf um des Kampfes willen führen. Die Aufgabe der Polizei den Schutz der blutli- Auseinandersetzung zwischen den Ras- chen Substanz des Volkes an (Banach,

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1998, S. 237). Demnach wurde die Polizei 5ROOH ,GHRORJLVFK JHODGHQH %HJULႇH ZLH als Hüterin der Gesellschaft und der Volks- Gegner und deren Bekämpfung hielten gemeinschaft verstanden. Im Zusammen- Einzug in die Ausbildungsinhalte (Banach, hang mit den völkischen Aspekten der NS- 1998, S. 270). Neue Feindbilder wie der Ideologie verbot sich in den Augen der Rasseschänder oder der Volksschädling NS-Führung eine restriktive Auslegung der rückten in den Fokus. Heydrich prägt den polizeilichen Befugnisse (Banach, 1998, S. %HJULႇGHV9RONVIHLQGHVXQG:HUQHU%HVW 236). Dies betonte Himmler anlässlich des den des Staatsfeindes, den er mit den Wor- 60. Geburtstages des Reichsministers des ten »Er ist immer derselbe. Er bleibt ewig Inneren Dr. Wilhelm Frick in einer Festschrift. gleich. Es ist der Gegner der rassischen, Er führte hier aus, dass die Polizei einen volklichen und geistigen Substanz unseres Wandel durchlaufen hatte. Vor der Macht- Volkes« charakterisierte (Banach, 1998, S. übernahme durch die Nationalsozialisten 237). Gemeint waren damit nach Best vor stand das Individuum im Mittelpunkt der allem das Weltjudentum, Weltfreimaurer- Weltanschauung. Daraus ergaben sich die WXP XQG GDV LQ VHLQHQ$XJHQ HLQÀXVVUHL- Befugnisse und Aufgaben der damaligen Po- che politische Priesterbeamtentum. lizei. Im NS-Staat trat gemäß der Weltan- Aber nicht nur der Charakter der wahrge- schauung das Individuum hinter dem Volk nommenen Aufgaben und das daraus abge- als körperliches Gesamtwesen zurück. Dar- leitete Selbstbild der Polizei hatten sich in aus ergaben sich nach Himmler folgende der NS-Zeit stark gewandelt. Es traten auch neue Aufgaben für die Polizei: YHUPHKUW$QVWUHQJXQJHQ ]XU 6FKDႇXQJ HL- Die nationalsozialistische Polizei hat ner bürgernahen Außenwahrnehmung auf. zwei große Aufgaben: Am 16. und 17.1.1937 wurde der erste a. Die Polizei hat den Willen der Staats- Tag der Deutschen Polizei unter dem Motto führung zu vollziehen und die von ihr »Sei gehorsam den Gesetzen und Deinem JHZROOWH 2UGQXQJ ]X VFKDႇHQ XQG Volke treu, dann hast Du stets zu Freunden aufrechtzuerhalten. die ganze Polizei« veranstaltet (Wilhelm, b. Die Polizei hat das deutsche Volk als 1999, S. 72). Auch wurden in verschiedenen organisches Gesamtwesen, seine Le- Publikationen und Rundfunkbeiträgen die benskraft und seine Einrichtungen ge- Arbeit der Polizei erläutert und ihre Ge- gen Zerstörung und Zersetzung zu si- VFKORVVHQKHLW XQG VROGDWLVFKH 3ÀLFKWWUHXH chern. hoch angepriesen. Weitere Maßnahmen, Die Befugnisse einer Polizei, der diese dem Bürger die Polizei näher zu bringen, Aufgaben gestellt sind, können nicht ein- waren z.B. Konzerte von Polizeimusikkorps schränkend ausgelegt werden. (Kirch- oder Polizeimannschaftschören, Wachpara- schlager, 1937, zitiert nach Himmler, 2011, den, verschiedene Darbietungen und Vor- http://www.kriminalia.de/2011/01/quellen- stellungen sowie die Ausgabe von Essen an zur-geschichte-der-polizei-im-dritten- Bedürftige (Wilhelm, 1999, S. 71). reich-aufgaben-und-aufbau-der-polizei- ,Q HLQHU 5HGH YRU 3ROL]HLRႈ]LHUHQ LQ des-dritten-reiches/ [10.06.2013] ) Stettin merkte Himmler an, dass die Poli- Auch in Bezug auf bestimmte Ausbil- zei unter der NS-Herrschaft eine positive dungsinhalte der Polizei schlug sich die Entwicklung durchlaufen und sich von ei- ideologische Auslegung der polizeilichen nem verhassten Symbol regionaler Macht Aufgaben nieder. Nach Heydrich ließ sich zu einer von Volk und Partei hochangese- das polizeiliche Gegenüber in zwei Katego- henen nationalen Kraft entwickelt habe rien unterteilen. Die unpolitischen Kriminel- (Breitman, 2003, S. 27-28). len und die politisch-weltanschaulichen Kri- minellen, welche sich gut anpassen und 4. Ziele und Funktionen tarnen konnten. Zur Bekämpfung dieser sei der weltanschaulichen ein weltanschaulich geschultes Auge von Schulungsarbeit Nöten (Breitman, 2003, S. 26). So erhielt weltanschauliche Schulung innerhalb der Nach dem die der Schulung zu Grunde lie- Polizeiausbildung eine immer wichtigere gende Ideologie und das aus dieser resul-

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tierende Berufs- und Aufgabenverständnis sich zu gleichen Teilen auf das tägliche der NS-Polizei dargestellt wurde, ist eine Dienstgeschehen und auf den »Ostein- Auseinandersetzung mit der weltanschauli- satz« (Banach, 1998, S. 119). Hierbei ging chen Schulung an sich möglich. Doch wenn HVYRUDOOHPXPGLH6FKDႇXQJHLQHU+DQG- man die Wirkung und Handlungsrelevanz lungslegitimation vor sich selbst und dem der weltanschaulichen Indoktrination ver- Umfeld sowie einer Abschwächung der ei- stehen will, muss man sich zunächst mit genen Verantwortung (Breitman et al., den Zielen und den Mitteln, mit denen die 2003, S. 14). Schulungen betrieben wurden, befassen All diese Ziele verfolgte die weltanschauli- (Breitman et al., 2003, S. 12). che Erziehung mit der Vermittlung einer be- Die Polizeiführung verfolgte mit der VWLPPWHQ*UXQGKDOWXQJ'LHVHVROOWHÀH[LEHO Schulungsarbeit unterschiedliche Ziele, die zum jeweiligen Zeitpunkt erforderlichen deren Gewichtung von verschiedenen Maßnahmen der Gegnerbekämpfung legiti- Faktoren abhing. Zielvorgaben, wie »das mieren. Die Suche nach konkreten Hand- Korps der deutschen Polizei mit dem Geist lungsanweisungen im Schulungsmaterial ist der SS anzufüllen«, die die Schulungsleiter vergebens, da die Schulung nur den Zweck der Orpo von Kurt Daluge bei ihrer Einwei- erfüllte, eine bestimmte Richtung vorzuge- sung erhielten, können nur eine schemen- ben, ohne dabei konkret auf einzelne Hand- hafte Vorstellung von dem vermitteln, was lungsoptionen einzugehen. die Führungsriege von SS und Polizei mit der Schulungsarbeit erreichen wollte (Mat- 4.1 Problemfeld der inneren Heterogeni- thäus, 2003, S. 46). Fest steht jedoch nach tät – weltanschauliche Erziehung als Bewertung des aktuellen Forschungsstan- Bindemittel des bezüglich der Thematik, dass der Schulungsarbeit seitens der Führungsrie- Wie schon unter Punkt 2 dieser Thesis er- ge bis zuletzt eine immense Bedeutung läutert, setzte sich die Polizei im NS-Staat beigemessen wurde. aus einem sehr stark heterogenen Perso- Die Analyse von einschlägiger Fachlite- nalkörper zusammen. Der zitierte Auszug ratur und der vorhandenen Quellenlage aus der Rede Kurt Daluges zeigt deutlich, lässt drei Hauptziele erkennen. dass sich die Polizeiführung diesem Um- Auf der Ebene der Organisationsent- stand sehr wohl bewusst war. wicklung wurde versucht, mittels Vermitt- Auch die unter Punkt 2.4 erörterte Ver- lung und Verinnerlichung gleicher Grund- schmelzung mit der SS stellte sich als or- einstellungen der hohen Heterogenität ganisationsstrukturelle Herausforderung innerhalb der Polizei, aber auch zwischen dar. Denn auch die SS, welche seit der Polizei und SS entgegenzuwirken (Matthä- Machtübernahme ständig in verschiedene us, 2003, S. 84). Richtungen expandierte, setzte sich entge- Auf der Ebene der Personalentwicklung gen der Idealvorstellung Himmlers aus ei- ging es der Polizeiführung primär um die nem sehr heterogenen Personalkörper zu- 6FKDႇXQJHLQHVQHXHQ7\SVYRQ%HDPWHQ sammen (Longerich, 2010, S. 265). Der sogenannte »soldatische Beamte«, Die weltanschauliche Schulung sollte an welcher in den Augen der Polizeiführung dieser Stelle ansetzen und eine gemeinsa- über fachliches Wissen hinaus weltan- PH *UXQGKDOWXQJ VFKDႇHQ GLH LQ GHP schaulich gefestigt sein musste und nur so komplexen und heterogenen Organisati- die neuen Aufgaben der Polizei erfüllen onsgefüge innerhalb von Himmlers Macht- konnte (Banach, 1994, S. 89). apparat als Bindemittel fungieren sollte Schließlich verfolgte die weltanschauli- (Matthäus, 2003, S. 84). che Schulungsarbeit noch ein funktionsbe- So wurden beispielsweise gemeinsame zogenes Ziel. Die Polizeibeamten sollten Schulungen von SD, Gestapo und Krimi- auf ihre Rolle und ihre verschiedenen Auf- nalpolizei mit dem Ziel veranstaltet, eine gaben in der Unterdrückungs- und Ver- einheitliche Grundeinstellung sowie eine nichtungsmaschinerie des NS-Staates vor- JOHLFKJHULFKWHWH$XႇDVVXQJGHUJHPHLQVD- bereitet werden. Diese Vorbereitung bezog men Aufgaben zu erzeugen (Banach,

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1998, S. 120). Das bedeutet, die weltan- unten weitergibt und jede Gelegenheit schauliche Schulung erfüllte hier den nutzt, um seinem Vorgesetzten, von dem Zweck, aus den benannten Organisatio- er abhängig ist, zu zeigen, wie treu und QHQ HLQH IXQNWLRQHOOH (LQKHLW ]X VFKDႇHQ HKUOLFK XQG DQVWlQGLJ ZLH ÀHL‰LJ XQG Die weltanschauliche Erziehungsarbeit GLHQVWEHÀLVVHQHULVW'DVDOOHVWXWHUDEHU stellte demnach ein bedeutendes Werk- nicht der Sache halber, sondern nur, um ]HXJ]XU6FKDႇXQJGHV6WDDWVVFKXW]NRUSV Karriere zu machen.« (Banach,1940, zi- dar, in dem SS und Polizei ihre rassenideo- tiert nach Himmler, 1998, S. 90) logisch geprägten Aufgaben im Bereich Diesen Zustand galt es in den Augen der inneren Sicherheit gemeinsam bewälti- der Polizeiführung zu ändern. Ziel dieses gen sollten (Banach, 1994, S. 92). Veränderungsprozesses war der Typ des Sehr plastisch stellte Heydrich dieses soldatischen Beamten, der als einziger in Ziel der weltanschaulichen Erziehung in der Lage war, die weltanschaulich begrün- seinem Buch »Die Bekämpfung der Staats- deten Aufgaben der neuen Polizei zu er- feinde« dar: füllen (Matthäus, 1999, S. 684). Dieser »Das Menschenmaterial für [die] kämp- neue Beamtentyp sollte weder Wert auf fende Staatspolizei (…) [muss] besonderer Titel, Orden oder Ehrenzeichen noch die Art sein. Die sehr notwendige verwaltungs- eigene Karriere legen. Er sollte ein Kämp- mäßige und kriminalistische Ausbildung an fer um des Kampfes willen sein, der das sich genügt nicht. (…) Zur Bekämpfung der Ergebnis einer rassisch-biologischen Se- Staatsfeinde gehört darüber hinaus das lektion, weltanschaulicher und fachlicher bedingungslose Erfassen der nationalsozi- Schulung und wehrsportlicher Ausbildung alistischen Idee und die umfassende Er- war (Banach, 199 8, S. 90). kenntnis des Gegners in seinen Grundfes- Die Tugenden des traditionellen Beamten- ten. Die Männer der Staatspolizei müssen WXPV ZLH 7UHXH 3ÀLFKWEHZXVVWVHLQ /HLV- daher absolut gleichgerichtet in ihrer geis- tungsstreben sollten sich hier vereinen mit tigen Haltung sein. Sie müssen sich als ein soldatischen Tugenden wie Härte, Kampf- kämpferisches Korps fühlen.« (Banach, geist und Gnadenlosigkeit. Erweitert wurde 1936, zitiert nach Heydrich 1998, S. 238) diese Kombination noch um eine ideologi- Die Schulungen dienten demnach der sche Komponente, die Gefühllosigkeit ge- 6FKDႇXQJ HLQHV FKDUDNWHUOLFK JOHLFKJH- genüber allen weltanschaulichen Gegnern richteten, ideologisch sowie fachlich gut und ein fanatisches Verfechten der eigenen geschulten Personalkörpers, der sich als Ideologie beinhaltete (Banach, 1998, S. 93). Einheit fühlt (Banach, 1994, S. 89). Als oberstes Ziel sollte der Schutz des Volks- Doch nicht nur auf organisationsstruktu- körpers als organisches Gesamtwesen gel- reller Ebene sollte die weltanschauliche ten (Matthäus, 1999, S. 687). Schulung den Personalkörper der Polizei Die Aufgabe, den Typ des soldatischen EHHLQÀXVVHQ(VVROOWHDXFKHLQQHXHU7\S %HDPWHQ]XHUVFKDႇHQVROOWHQDFK+LPP- GHV%HDPWHQJHVFKDႇHQZHUGHQGHUGHQ lers Vorstellung unter Mithilfe des SD-Am- Beamten aus der Zeit der Weimarer Repu- tes verwirklicht werden (Banach, 1998, S. blik ablösen sollte. 99). Heydrich, in dessen Zuständigkeit GLHVH $XIJDEH VRPLW ¿HO EHQDQQWH GLH 6FKDႇXQJHLQHVIDQDWLVFKHQ 6FKDႇXQJGHVVROGDWLVFKHQ%HDPWHQDXV- Kämpfers – Der soldatische Beamte drücklich neben der fachlichen Schulung als Ziel der Schulungseinrichtungen von Himmler verachtete das Beamtentum zum SD und Sipo (Banach, 1994, S. 89). Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zutiefst. Er beschrieb 4.3 Die Stählung für die härteste aller den Beamten der Weimarer Republik mit Aufgaben den Worten: »(…) der ewige Kriecher, ein Radfahrer- Der tägliche Dienst der Polizei hatte sich typ, der alles das, was er von oben einste- seit der Machtübernahme durch die Natio- cken muss und demütig einsteckt, nach nalsozialisten stark verändert. Im Rahmen

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der indirekten oder direkten Teilnahme der Der Krieg und die folgenden Befrie- Polizei am Holocaust reichten die neuen Auf- dungsaktionen machten aus der Theorie gaben von dem Erfassen von bestimmten der Schulung grausame Praxis. In einem Personengruppen auf Listen, über die Ein- Bericht an den Kommandanten der Orpo weisung in KZs bis hin zur Durchführung von aus dem Sommer 1942 heißt es: » Das na- Massenerschießungen im Rahmen von »Be- tionalsozialistische Gedankengut muß [sic] friedungsmissionen« im Besatzungsgebiet gerade hier im Einsatz den Männern fort- oder der »Widerstandsbekämpfung« (Leo, während nahe gebracht werden, um sie für 1994, S. 100). Für die täglichen Erfahrungen die Durchführung ihres schweren Dienstes bei der Bewältigung dieser neuen Aufgaben zu härten« (Matthäus, 1999, S. 694). Im sollte die weltanschauliche Schulung den Rahmen der Schulungen wurde darauf ge- einzelnen Polizisten einen ideologischen achtet, dass Themen wie Gegnerbekämp- Rahmen geben, in dem das Erlebte im Sinne fung betont unemotional und sachlich be- der national-sozialistischer Weltanschauung handelt wurden. Der Vollzug der eingeordnet werden konnte. Massenmorde wurde als naturgesetzliche Das bedeutet, die weltanschauliche Er- und historisch legitimierte Notwendigkeit ziehung sollte bei den handelnden Beam- der Auseinandersetzung der Rassen dar- ten das Bedürfnis nach Sinnesstiftung und gestellt (Matthäus, 2003, S. 84). In Verbin- Legitimation stillen sowie die Vertretbarkeit dung mit einer ideologischen totalen Ver- der oft drastischen Maßnahmen vor sich SÀLFKWXQJJHJHQEHUGHP)KUHUXQGGHU und dem sozialen Umfeld sicherstellen Reduzierung des Einzelnen auf einen Teil (Matthäus, 2003, S. 86). der Volksgemeinschaft, in deren Interesse Hierzu wurde im Rahmen der weltan- es zu handeln galt, konnte eine rücksicht- schaulichen Schulung auf bereits existie- lose und gewaltbereite Mentalität geschaf- rende und in der Bevölkerung festverwur- fen und die Verantwortung für das eigene ]HOWH 9RUXUWHLOH ]XUFNJHJULႇHQ XP HLQ Handeln aufgehoben werden (Banach, )HLQGELOG ]X VFKDႇHQ GDV GLH HLJHQHQ 1998, S. 120). Trotz der Radikalisierung Handlungen als gerechtfertigt erscheinen der Schulungen nach Kriegsbeginn erfüllte ließ (Matthäus, 1999, S. 686). Mit Beginn die weltanschauliche Schulung in der Pha- der Kriegsvorbereitungen und einer zuneh- se der aktiven Beteiligung der Polizei am menden Radikalisierung der Judenpolitik in Massenmord die gleiche Funktion wie in Deutschland waren auch erste Tendenzen der Vorkriegszeit. Sie vermittelte den Be- einer zunehmenden Dämonisierung des amten lediglich eine der Tätigkeit ange- Feindbildes Jude in der weltanschaulichen passte nat. soz. Grundhaltung und Recht- Schulung zu erkennen. Diese konnte ein fertigung, konkrete Handlungsanweisungen Anzeichen für die Vernichtungsperspektive blieben aus (Matthäus, 2003, S. 80). sein, die in Zukunft die Judenpolitik des NS- Die SS- und Polizeiführung verfolgte mit Staates prägen sollte. In den Schulungsun- der weltanschaulichen Schulung demnach terlagen fanden sich nun vermehrt Berichte verschiedene Zielstellungen. Die Bedeu- über jüdische Ritualmorde, Blutopfer zu tung dieser Ziele hing stark von den Passah und den Vernichtungskampf des jü- Außenbedingungen ab. So war es bei dischen Untermenschentums gegen die ari- VWDUNHP 3HUVRQDO]XZDFKV XQG 9HUÀHFK- sche Rasse (Matthäus, 2003, S. 51). Die tungsprozessen wichtig, die Männer durch Gegner sollten als lebensunwürdig empfun- eine einheitliche Schulung auf eine ge- den werden, um selbst härteste Maßnah- meinsame Linie zu bringen. Hingegen war men zu ihrer Bekämpfung zu legitimieren. es im psychisch sehr belastenden Ostein- Nach Kriegsbeginn im Jahre 1939 erfuhr satz wichtig, den Beamten Sinnesstiftung die Schulungsarbeit auf dem weltanschauli- und Legitimation des eigenen Handelns zu chen Sektor einen weiteren Bedeutungszu- vermitteln. wachs, der sicherstellen sollte, dass alle Wie genau diese Ziele erreicht werden Beamten bei der Bewältigung ihrer Aufga- sollten, ist mittels einer Betrachtung der ben die nötige nat. soz. Glaubensgewiss- Methodik und der Institutionen der weltan- heit hatten (Banach, 1998, S. 115). schaulichen Schulung zu erörtern.

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5. Mittel und Methoden der UXÀLFKHU (UIROJ YRQ GHU (LQSUlJXQJ XQG weltanschaulichen Erziehung Anwendung der NS-Ideologie abhing (Breitman, 2003, S. 25). Weltanschauliche Die weltanschauliche Erziehung war ein Schulung entwickelte sich rasch zu einer ganzheitlicher Prozess, der sich nicht nur festen Kategorie in allen Bewertungen so- auf theoretisches Wissen beschränkte, son- wie in allen Aus- und Weiterbildungsmaß- dern einen hohen Praxisbezug aufwies und nahmen (Matthäus, 2003, S. 40). Doch die nicht nur im Unterricht an sich stattfand, weltanschauliche Erziehung beschränkte sondern auch den täglichen Dienst und die sich nicht auf die in Lehrplänen dafür aus- Freizeit der Polizeibeamten prägte (Breit- gewiesenen Stunden. Jede fachliche man et al., 2003, S. 14). Schulungsmaßnahme war von ihr durch- Lange Zeit war die weltanschauliche drungen, so dass auch bei fachlichen Schulung schlecht organisiert und be- Lehrgängen ideologische Themen in den schränkte sich oftmals auf regionale Schu- Unterricht integriert wurden (Banach, lungsmaßnahmen der örtlichen Verwaltung. 1998, S. 120). Doch der Wunsch nach systematischer und In einem SS-Befehl vom 24.2.1943 wies einheitlicher Schulung wurde immer größer Himmler erneut auf die extreme Wichtig- (Matthäus, 2003, S. 45). Die Verreichli- keit der weltanschaulichen Erziehung hin chungsprozesse und die Zentralisierungs- und erörterte die Möglichkeiten, wie diese bestrebungen innerhalb der Polizei sowie zu erfolgen habe: die einheitliche Führung unter Heinrich +LPPOHU HU|ႇQHWHQ MHGRFK GLH 0|JOLFKNHLW 1. Die wichtigste und einprägsamste Er- einer einheitlichen und systematischen ziehung ist stets das Vorbild der Führer Schulung innerhalb der gesamten Polizei. der Truppe. Das Beispiel der Komman- Auch der Umfang des zu schulenden Per- deure, Chefs und sonstigen SS-Führer sonals nahm rasch zu. Die Schulungsmaß- vermittelt mehr an nationalsozialisti- nahmen erstreckten sich bald sogar auf die scher Weltanschauung, als die besten Hilfspolizei, die jedoch lediglich in Grundla- Vorträge dazu im Stande sind. gen der NS-Ideologie sowie in der Ge- 2. Das zweite Mittel der Erziehung ist Un- schichte der NS-Bewegung geschult wurde terricht und Unterweisung (…). (BArch R 58 / 7238). Selbst die erst im Jahr a. der Planmäßige Unterricht als ein 1937 in die Orpo eingegliederte Feuer- ebenso wichtiger Teil des Ausbil- schutzpolizei unterlag der weltanschauli- dungsplanes wie das Training an der chen Schulung (BArch R 70 (Lothringen) / :DႇH «  48). Die weltanschauliche Schulung betraf b. Die Unterweisung durch Führer und demnach alle Teile der Polizei des NS-Staa- Unterführer bei jeder sich bietenden tes. Schon bald etablierte sich eine Organi- Gelegenheit. (BArch NS 19 / 1845) sationsstruktur im Bereich der weltanschau- lichen Schulung, die von dem für die Auch hier wird deutlich, dass sich die NS-Verwaltung typischen Neben- und Ge- Schulungsmaßnahmen nicht auf den Un- geneinander geprägt war. In der Orpo wur- terricht beschränkten, sondern »bei jeder de im April 1937 dann eine einheitliche welt- VLFKELHWHQGHQ*HOHJHQKHLW©VWDWW]X¿QGHQ anschauliche Schulung verfügt, die sich hatten. Die hier durch Himmler vorgenom- nach den im RuSHA erarbeiteten Lehrplä- mene Gewichtung erklärt möglicherweise nen richten sollte. Verantwortlich für die Or- auch den relativ geringen Anteil der für die ganisation und Durchführung waren die so- weltanschauliche Schulung ausgewiese- genannten Inspekteure der Orpo, ein Amt, nen Stunden in Anwärterlehrgängen GDV IU GLHVHQ =ZHFN HUVFKDႇHQ ZXUGH dienen. So waren im Stundenplan des Of- (Matthäus, 2003, S. 37, 45). ¿]LHUVDQZlUWHUOHKUJDQJV DQ GHU 3ROL]HL- Zur Verdeutlichung der enormen Wich- schule in Fürstenfeldbruck im Zeitraum tigkeit der weltanschaulichen Erziehung zwischen November 1938 bis April 1939 versuchte die Polizeiführung ihren Unter- für die 110 angehenden Ordnungspolizis- gebenen zu implizieren, dass jeglicher be- ten lediglich 2 von insgesamt 46 Wochen-

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stunden für die weltanschauliche Erzie- Material des SD war von einem Stil geprägt, hung vorgesehen (Matthäus, 2003, S. 55). der als SD-mäßige Betrachtungsweise be- Die von Himmler genannte Methode des zeichnet wurde. Die Themen wurden betont Lernens am Beispiel ist anhand der histori- sachlich abgehandelt und Behauptungen schen Quellenlage nur schwer zu analysie- als naturgesetzliche Selbstverständlichkeit ren. Dennoch ist davon auszugehen, dass dargestellt. Eine pseudowissenschaftliche eben diese einen Großteil zur Indoktrinati- Herangehensweise, die geprägt war von on innerhalb der Polizei beigetragen hat. Scheindiskursen mit unhaltbaren Gegenpo- Das Lernen in der Praxis war, soviel ist si- sitionen, und bei der, wann immer Logik und cher, in der Polizei weit verbreitet. So un- Empirie zur Stützung der eigenen Theorie terbrach beispielsweise ein Lehrgang für fehlte, auf vage Worthülsen und ideologisch den leitenden Dienst der Sipo an der Füh- JHODGHQH %HJULႇH ]XUFNJHJULႇHQ ZXUGH rerschule Charlottenburg ihre theoretische (Matthäus, 2003, S. 52). Ausbildung, um im Osteinsatz aktiv an Auch das RuSHA, eines der ältesten Massenerschießungen teilzunehmen. An Hauptämter innerhalb der SS, leistete sei- praktischen Einsätzen dieser Art beteiligte nen Beitrag zur Erstellung von Schulungs- sich oftmals auch das Lehrpersonal der materialien. In diesem war das Schulungs- polizeilichen Ausbildungsstätten (Matthä- amt eingegliedert. Schon im Jahr 1936 us, 2003, S. 70). YHU|ႇHQWOLFKWH GDV +DXSWDPW HLQHQ /LFKW- bildvortrag mit begleitenden Textbeilagen 0DWHULDOLHQ±9RQ8QWHUKDOWXQJV¿OP zu Schulungszwecken. Thematisiert wurde bis hin zum ideologischem Hetzblatt hier der Gegner Nr. 1 unter dem Titel: Das Judentum, seine blutsgebundene Wesens- Ähnlich vielfältig wie die Ziele und allgemei- art in Vergangenheit und Gegenwart. Wei- nen Methoden der weltanschaulichen Schu- tere Schulungsunterlagen sollten folgen lung war auch das zur Schulungszwecken (Matthäus, 2003, S. 47). Auch die ursprüng- verwendete Material. Es reichte von spezi- lich für weltanschauliche Erziehung und Bil- ell für diesen Zweck angefertigten Schu- dung in der SS eingesetzten SS-Leithefte, lungsunterlagen, über Schulungsmateriali- die auch im Bereich der Polizei Verwendung en, die ursprünglich in der SS Verwendung fanden, waren ein Produkt des Schulungs- fanden, bis hin zu Artikeln in Fachzeitschrif- amtes. Dieses erhielt mit der wachsenden ten, Tageszeitungen, Filmen und Literatur. Bedeutung der weltanschaulichen Schulun- Das in der Verwaltungsstruktur der Poli- gen in den Augen der SS und Polizeifüh- zei herrschende Neben- und Gegeneinan- rung starken Zuwachs in der zweiten der führte auch dazu, dass es im Bereich Kriegshälfte. (Matthäus, 2003, S. 37). der Materialienzusammenstellung für die Zusätzlich zu den extra für die Schulun- Schulungen keine eindeutige Zuständig- gen produzierten Materialien wurden eine keit gab. So gab es nebeneinander existie- ganze Reihe weiterer Publikationen ver- rende Stellen, die Schulungsmaterial zu- wendet. Ein wichtiges Mittel zur Indoktrina- sammenstellten. Eine von diesen Stellen tion war der Kameradschaftsbund Deut- war das 1936 im Rahmen der Hauptamtes scher Polizeibeamter, der nach der der Orpo entstandene »Politische Informa- Gleichschaltung anderer polizeilicher Inte- tionsdienst«, der ab Mitte des Jahres 1941 ressenverbände am 1.9.1933 gegründet in »Mitteilungsblätter für die weltanschauli- worden war (Wilhelm, 1999, S. 63). Die che Schulung« umbenannt wurde (Matthä- von diesem herausgegebene Zeitschrift us, 2003, S. 39). »Der Deutsche Polizeibeamte« (später Eine weitere Organisation, die erhebli- »Die Deutsche Polizei«) wurde zu Wieder- chen Anteil an der Organisation und der holung des im Unterricht erarbeiteten Stof- Durchführung der weltanschaulichen Erzie- fes verwendet und zum Teil auch im Unter- hung hatte, war der SD, der parteiinterne richt eingesetzt (Matthäus, 2003, S. 38). Geheimdienst. Dieser hatte u.a. auch die Aufmacher wie » Das Harmlose Geba- Aufgabe, Schulungsmaterialien zusam- ren der Juden im Inland kann nicht darüber menzustellen (Matthäus, 2003, S. 47). Das hinwegtäuschen, dass das Weltjudentum

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mit allen Mitteln gegen das nationalsozia- S. 90). Noch im gleichen Jahr regte er dann listische Deutschland arbeitet« (Matthäus, die Einrichtung selbiger in einem Gespräch 1937, zitiert nach Dr. Weibgen, 2003, S. mit Hitler an (Breitman, 2003, S. 24). Im 50) oder »In Polen wird aufgeräumt: als Jahr 1937, als die weltanschauliche Schu- zweite Linie des Heeres habe man auch lung auf breiter Ebene begann, war es gegen Bazillen- und Kaftanträger vorzuge- dann soweit: Das bis dato wissenschaftlich hen« (Matthäus, 1940, zitiert nach Pilz, hochstehende Polizei-Institut-Berlin-Char- 2003, S. 60) verdeutlichen die ideologi- lottenburg wurde umbenannt, neu struktu- sche Prägung der Artikel. Auch das Hetz- riert und trug fortan den Namen Führer- blatt der SS »Das Schwarze Korps« wurde schule Berlin-Charlottenburg (Matthäus, auf Grund seiner stark von der SS-Ideolo- 1999, S. 684). Die Aufgaben der neu ge- gie geprägten Inhalte als Schulungsmateri- VFKDႇHQHQ,QVWLWXWLRQXPIDVVWHQIDFKOLFKH al für die Polizei eingesetzt (Matthäus, und ideologische Schulung, Körperschu- 1999, S. 685). lung und Berufseignungsprüfungen. Des 6HOEVW 8QWHUKDOWXQJV¿OPH PLW LGHRORJL- Weiteren sollten eine zentrale Muster- und schen Komponenten wurden für Schu- Lehrmittelsammlung sowie eine Bibliothek lungszwecke eingesetzt. So ordnete JHVFKDႇHQ ZHUGHQ 'LH JHVDPWH 9HUZDO- Himmler persönlich im September des tungsstruktur wurde militarisiert. Damit Jahres 1940 an, dass alle im Osten einge- JLQJGLH6FKDႇXQJYRQVWUHQJHQKLHUDUFKL- setzten Polizei- und SS-Einheiten den anti- schen Verhältnissen und ein absoluter Uni- VHPLWLVFKHQ 3URSDJDQGD¿OP ª-XG 6‰© formzwang einher (Banach, 1998, S. 108- von Veit Harlan zu sehen bekommen soll- 109). Nach diesem Vorbild wurden weitere ten (Matthäus, 2003, S. 64). %LOGXQJVHLQULFKWXQJHQ JHVFKDႇHQ RGHU Eine Analyse vorliegender Berichte über umfunktioniert. Zu den wichtigsten heute die Durchführung der weltanschaulichen bekannten gehörten die SD-Schule Ber- Erziehung im Zeitraum vom 21.5.1941 bis nau, die auch zur Ausbildung von Sicher- zum 31.7.1941 der in Posen stationierten heitspolizeinachwuchs genutzt wurde und Ordnungspolizeieinheiten zeigt, dass SS- sich ursprünglich in Berlin-Grunewald be- Leithefte und -Schulungsbriefe, Kartenma- fand und später teilweise nach Fulda ver- terial, Mitteilungsblätter, eine Schriftreihe legt wurde, die Sicherheitspolizeischule für die weltanschaulich Schulung der Orpo, Fürstenberg/Mecklenburg, die sich bis Liederbücher, der politische Informations- 1941 als Grenzpolizeischule in Pretzsch dienst, Schulungsbriefe der NSDAP sowie befand, die Reichsschule der Sipo und des eine örtliche Bücherei für die Schulungen SD in Prag und die Führerschule in Rabka, verwendet worden sind. Zur Besprechung die sich bis 1944 wahrscheinlich in Berlin der aktuellen Lage oder des Tagesgesche- befand (Banach, 1994, S. 89-90). Im Deut- hens wurden Rundfunkmeldungen heran- schen Reich gab es in der NS-Zeit viele gezogen (BArch 70 (Polen) / 403). weitere Schulungseinrichtungen, die von Doch nicht nur die Fülle an verschiedenen der Polizei genutzt worden sind. Schulungsunterlagen machte die Wichtigkeit Himmler verfolgte den Plan, dass zu- der weltanschaulichen Schulung in den Köp- künftig der gesamte Führernachwuchs in fen der Entscheidungsträger des NS-Staates seinem Machtapparat ausschließlich von deutlich. Das sich rapide entwickelnde Netz den SS-Junkerschulen und den Führer- aus Schulungsinstitutionen war ein weiterer schulen rekrutiert werden sollte (Matthä- Beleg für diese Gewichtung. us, 2003, S. 46). Heydrich formulierte am 2.3.1937 in ei- 5.2 Führerschulen, Polizeischulen, nem Schreiben die Zielstellung für die Führerlager – Institutionen der Schulungsleiter an Führerschule in Char- weltanschaulichen Erziehung lottenburg wie folgt: »den Nachwuchs der Polizei neben der Vermittlung des rein Schon Anfang des Jahres 1935 tauchten in fachlichen Wissens nach nationalsozialis- Himmlers Unterlagen die ersten Erwähnun- tischen Grundsätzen und im soldatischen gen der Führerschulen auf (Banach, 1994, Geiste zu erziehen und heranzubilden«

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(Matthäus, 1937, zitiert nach Heydrich Auslesefunktion. Fachliches Können rück- 2003, S. 48). Ziel der neuen Schulen war te in den Hintergrund, während politisches, also, über die fachliche Befähigung hinaus, geschichtliches und weltanschauliches die weltanschauliche und charakterliche Wissen priorisiert wurde (Banach, 1998, S. Formung des Nachwuchses, die zur Be- 100-102). Ein Erlass aus dem Frühjahr wältigung der neuen weltanschaulichen 1940 legte fest, dass jeder Angehörige der Aufgaben der Polizei erforderlich war (Ba- Sipo, der auch in der SS war, vor einer Be- nach, 1998, S. 105). So war es auch wenig förderung einen Lehrgang im SS-Führerla- verwunderlich, dass bei einem Lehrgang ger mit abschließender Prüfung besuchen der Sipo am 1.9.1942 an der Sicherheits- musste. Ab 1942 wurde dies mit der Ein- polizeischule Fürstenberg SS-mäßige und führung der Führerlager der Sipo auch für weltanschauliche Erziehung im Unter- DOOH DQGHUHQ %HDPWHQ GHU 6LSR YHUSÀLFK- richtsplan zum Teil mehr Raum einnahm tend (Banach, 1998, S. 115). Die Führerla- als kriminalistische oder strafrechtliche Fä- ger machten eine Auseinandersetzung mit cher (Leo, 1994, S. 100). der nat. soz. Weltanschauung zu einer Nur wer bestimmte Voraussetzungen er- zwingenden Karrierevoraussetzung. füllte, konnte als Lehrer oder Beurteiler an einer der Schulen arbeiten. Als Lehrkräfte 6. »Warum ist das Judentum fungierten zunächst größtenteils Beamte unser größter Feind?« – Die der Sipo, die sich durch besondere Kennt- Themen der Schulungen nisse auszeichneten. Ergänzt wurden die- se durch Redner aus dem RSHA, welche Wenn man sich die Vielfältigkeit der unter- als Fachleute für bestimmte Themengebie- schiedlichen Zielsetzungen der weltan- te eingesetzt wurden (Breitman, 2003, S. schaulichen Schulung vor Augen führt, wird 25). Auch später noch wurde der Lehrkör- deutlich, dass auch die Palette der behan- SHUQXUDXVTXDOL¿]LHUWHQQDFKFKDUDNWHUOL- delten Themen ein breites Spektrum abde- cher und weltanschaulicher Eignung aus- cken musste. So reichten die behandelten gewählten und pädagogisch talentierten Themen von rein ideologischen Bereichen SS-Führern rekrutiert (Banach, 1994, S. wie der nat. soz. Weltanschauung an sich 91). So kamen von dem bisher bekanntge- und dem Vergleich mit anderen Weltan- machten Lehrpersonal der Sicherheitspoli- schauungen oder Rassenlehre über Ge- zeischule Fürstenberg 15 aus den Reihen schichte der Partei, der Polizei und der SS der Gestapo, ganze acht aus der Kriminal- bis hin zu der Besprechung aktueller politi- polizei und zwei aus dem SD. Die meisten scher Geschehnisse (Banach, 1998, S. 117). von ihnen hatten einschlägige Erfahrungen Dabei ging es jedoch immer darum, die aus Mordaktionen im Osteinsatz (Banach, verschiedenen Themen im Lichte der nat. 1998, S. 113-114). In der Orpo wurden als soz. Weltanschauung zu beleuchten. Lehrkräfte Schulungsleiter aus dem RuS- Einen Schwerpunkt im Bereich der poli- +$ HUQDQQW GLH lKQOLFKH 4XDOL¿NDWLRQHQ zeilichen Schulungen bildeten die »Geg- aufweisen mussten (Breitman, 2003, S. ner« und deren »Bekämpfung« (Banach, 26-27). Diese sollten sich nach Daluge ei- 1998, S. 270). Die hohe Relevanz dieses nen Helferstab aufbauen, um die Aufgabe Themenkomplexes für die Polizeiarbeit, der weltanschaulichen Schulung zu bewäl- die zum großen Teil aus der Verfolgungs- tigen. Hierfür wurde ein Wettbewerb mit praxis eben dieser Gegner bestand, ist dem Thema: »Der Polizeibeamte als Nati- selbst erklärend. Die Grundschulung aller onalsozialist im Leben und Handeln« ver- Beamten, die bis Ende März 1938 abge- anstaltet, dessen Gewinner sich durch ihre schlossen sein sollte, behandelte als einen Beschäftigung mit dem NS-Gedankengut von vier Themenkomplexen »Judentum, TXDOL¿]LHUHQNRQQWHQ %$UFK5  Freimaurerei, Bolschewismus« (Matthäus, Neben den verschiedenen Schulen und 2003, S. 46). Bei der Behandlung dieser Bildungseinrichtungen wurden noch die Themen vermischte sich kruder Biologis- sogenannten Führerlager eingerichtet. mus mit etablierten Stereotypen und Vorur- Diese Lager hatten eine Bildungs- und teilen (Banach, 1998, S. 118).

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6.1 Judentum, Bolschewismus, Kirchen VFKLH‰XQJHQDOV-XGHQNODVVL¿]LHUWH3HU- – Die Gegner und deren Bekämpfung sonen unter dem NS-Regime ausgesetzt waren, ist hinreichend bekannt. Auch in- Viele Polizeivollzugsbeamte waren unter nerhalb der Polizei wurden Feinde nach dem NS-Regime direkt oder indirekt in den rassenbiologischen Kriterien unterteilt. Als Vollzug des Holocaust eingebunden. Der all- größter Feind Deutschlands galt der Jude tägliche Umgang mit Regimegegnern und (Breitman, 2003, S. 24). Im Bereich der die Vollstreckung antijüdischer Maßnahmen Schulungsmaterialien nahm das Thema mussten durch die Beamten verarbeitet wer- Judentum demnach einen großen Raum den. Hier diente die weltanschauliche Schu- ein. Auf den Lehrplänen standen Themen lung nicht als reine Wissensvermittlung, son- wie: »Der Bolschewismus – jüdisches Un- dern hatte einen hohen Grad an Praxisbezug termenschentum«, »Die Judenfrage als 0DWWKlXV6 'LH6FKDႇXQJHLQHV weltgeschichtliches Problem« (Matthäus, klaren Feindbildes und die Abgrenzung von 1999, S. 692) oder Schulungsleitfragen wie diesem dienten als Rechtfertigung für das »Warum ist das Judentum unser größter eigene Handeln (Matthäus, 2003, S. 49). Feind?« (Matthäus, 1999, S. 686). Im ge- Neben allen überwiegend kommunisti- samten Verlauf der Indoktrinationsanstren- schen Regimegegnern, deren Verfolgung gungen in Bezug auf dieses Thema zeich- und Bekämpfung direkt nach der Machter- neten sich drei Phasen ab. In der ersten greifung die Hauptaufgabe des Repressi- Phase, die 1941 mit dem Überfall auf die onsapparates des NS-Staates war, kristalli- Sowjetunion endete, ging es primär darum, sierten sich schnell verschiedene Gruppen existierende Vorurteile weiter aufzubauen. ideologischer Gegner heraus. In diesen Eine konkrete Zielvorstellung war hier noch wurden die Hintermänner und Drahtzieher nicht zu erkennen (Matthäus, 1999, S. in einer Verschwörung gegen die arische 698). Ab dem Jahr 1938 radikalisierte sich Rasse gesehen. Im November 1938 sprach die Thematik »Lösung der Judenfrage« zu- Himmler von einem »Vernichtungskampf nehmend (Matthäus, 1999, S. 688). Im Ja- des Freimaurer-, Marxisten-, Juden- und QXDU  VWHOOWH +H\GULFK |ႇHQWOLFK GLH Kirchtums der Welt gegen Deutschland«, Umsiedlung der jüdischen Bevölkerung als an dessen Ende nur die Vernichtung aller Fehler dar, der nicht zur endgültigen Lö- Deutschen oder das Großdeutsche Reich sung des Problems beitrage (Breitman, stehen konnte (Breitman, 2003, S. 29). 6 $EGHP$QJULႇDXI3ROHQ Eine konkret benannte Gruppe waren veränderten sich auch die Schulungsmate- die Freimaurer. Sie spielten als Feindbild rialien. Der »Ostjude« wurde als besonders für Himmler besonders in den dreißiger verachtenswert dargestellt und stets mit Jahren eine wichtige Rolle und wurden mit QHJDWLYJHSUlJWHQ%HJULႇHQZLH'UHFN*H- Juden und Bolschewisten auf eine Stufe stank, Läuse oder Täuschung in Zusam- gestellt. Aber schon ab Mitte der dreißiger menhang gestellt (Matthäus, 2003, S. 59). Jahre wurde in der Freimaurerloge keine Mit der Durchführung des »Unterneh- nennenswerte Gefahr mehr für das NS- mens Barbarossa« 1941 leitete sich die Regime gesehen. Diese wurde somit ledig- zweite Phase der antisemitischen Indoktri- lich als Zweckorganisation des Judentums nation ein. Nun lag der Schwerpunkt auf eingestuft und damit einem wesentlich be- einer Legimitation des Massenmordes als deutenderem Feind untergeordnet. Eine radikalste antijüdische Maßnahme. aktive Verfolgung der Logenmitglieder fand Die letzte Phase zeichnete sich ab dem nebst einer Erfassung dieser in einer Kar- Spätsommer 1941 ab. Die theoretische In- tei und einem Verbot für eine Einstellung doktrination wurde zunehmend von der LP |ႇHQWOLFKHQ 'LHQVW XQG GHU 0LWJOLHG- Umsetzung des Erlernten im Massenmord schaft in Parteiorganisationen nicht statt verdrängt. Zielsetzung war fortan, schwer- (Longerich, 2010, S. 223). punktmäßig eine legitime Darstellung des Ganz anders sah es mit dem Gegner eignen Handelns im Rahmen der Ereig- Nr. 1 aus. Welchen Repressalien, von den nisse für die Nachkriegszeit (Matthäus, Nürnberger Gesetzen bis hin zur Massener- 1999, S. 699).

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Ein weiteres Feindbild, das durch die Entwicklungen orientieren und sich mit die- weltanschauliche Schulung in den Köpfen sen auseinandersetzen. der Beamten geprägt werden sollte, waren die Kirchen. Interessant an diesem The- 6.2 Aktuelle politische Lage – Thema PHQJHELHWLVWGDVVHLQHRႇHQH$XVHLQDQ- XQG(LQÀXVVIDNWRUDXIGLHJHVDPWHQ dersetzung mit dem Thema aufgrund der Schulungsanstrengungen Kirchenpolitik des NS-Regimes schwer möglich war. Grade vor SS-Angehörigen Aktuelle außen- und innenpolitische Ge- wetterte der RFSSuChdDtPol. Himmler im- VFKHKQLVVHEHHLQÀXVVWHQGLHZHOWDQVFKDX- mer wieder aufs heftigste gegen die Kir- liche Schulung auf zwei Ebenen. Zum einen chen, die er als Zerstörer aller Völker be- stellten sie als Thema einen wichtigen Be- zeichnete (Longerich, 2010, S. 227). Im standteil der Schulungsarbeit dar. Die Schu- Schulungsmaterial schlug sich diese lei- lungsarbeit diente – wie unter Punkt 4.3 er- denschaftliche Abneigung jedoch nur be- läutert – dazu, das täglich Erlebte im Licht dingt wieder. So lehnte er im Rahmen der der NS-Ideologie zu betrachten und einzu- Schulung von SS-Führern das Thema ordnen. Gleiches galt auch für alle politi- »Mein Austritt aus der Kirche« ab und schen Entwicklungen im In- und Ausland, schlug stattdessen »Ist Gottesglaube und die den Beamten im Rahmen der Schulun- Konfession dasselbe« vor (Longerich, gen näher gebracht und im Sinn der NS- 2010, S. 229). Auch Kurt Daluge problema- Ideologie erklärt wurden. In der Schulungs- tisierte das Thema in seiner Rede vor dem anweisung des Chefs des Stabes I.A. für Einweisungslehrgang der Schulungsleiter den Bereich Posen hieß es am 19.10.1944 für die weltanschauliche Schulung inner- in Bezug auf die Tagesschulung: »Auf sie ist halb der Orpo am 18. März 1937: in dieser Zeit ganz besonders Wert zu le- »Die bisherige Schulung hat, um einige JHQ 5HLFKOLFK 6WRႇ ELHWHQ 5XQGIXQN XQG Beispiele zu nennen, die Behandlung kir- Tagespresse. – Außerdem werden laufend chenpolitischer Fragen vermieden, (…) Führungshinweise herausgegeben, (…)« Auch war in den Jahren 1933 und 1934 (BArch R 70 (Polen) / 402). für viele Fragen, besonderes für die kir- Die zur Schulung verwendeten Medien chenpolitischen, die Zeit noch nicht reif, so wie Rundfunk und Tagespresse zeigen GD‰ >VLF@ LKUH |ႇHQWOLFKH %HKDQGOXQJ YRU deutlich, dass es gerade in den Tages- einem so verschiedenartigen Menschen- schulungen um die Behandlung aktueller material wie die Polizei Beamtenschaft Geschehen gehen sollte. Die angekündig- nicht geeignet erschien.« (BArch R 19 / ten Führungshinweise bestätigten, dass 380) aktuelle Entwicklungen thematisiert und in Auch hier wird deutlich, dass die Be- einem bestimmten Licht beleuchtet werden handlung dieses Themenfeldes von der sollten. Polizeiführung als ein sehr sensibles The- So heißt es in einem Führungshinweis ma gesehen wurde. Die Maßnahmen ge- (8) vom 25.10.1944 für die Orpo in Posen: gen die Kirchen beschränkten sich größ- »Die Lage in Ungarn wird von uns be- tenteils auf Verbote von Jugendclubs und herrscht. Die militärischen Führungskräfte Überwachung. Nur gegen die Zeugen Je- Ungarns arbeiten mit der deutschen Wehr- hovas wurde mit polizeilicher Hilfe ein macht zusammen. Die Judengesetzte wur- massiver Verfolgungsdruck aufgebaut den wieder eingeführt. (…) (Longerich, 2010, S. 233). Die Berichte der Presse über die Aufstel- Wie bereits erwähnt, sollte die weltan- lung des Volkssturms im ganzen Reich schauliche Schulung nur einen Rahmen sind genau zu verfolgen. Dabei ist die Tat- OLHIHUQXPÀH[LEHOGLH]XPMHZHLOLJHQ=HLW- sache besonders zu beachten, daß [sic] in punkt aus Sicht der NS-Führung erforderli- manchen Gauen die Organisation des chen Maßnahmen zu legitimieren. Um die- Volkssturms auf freiwilliger Meldung be- se Flexibilität zu gewährleisten, musste ruht.« (BArch R 70 (Polen) / 402) sich die weltanschauliche Schulung immer Diese beiden genannten Punkte verdeutli- an aktuellen außen- und innenpolitischen chen beispielhaft, dass außen- und innenpo-

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litische Entwicklungen in den Tagesschulun- 7. Handlungsrelevante gen thematisiert wurden. Besonders Vorbereitung oder sinnloses EHDFKWHQVZHUW LVW GLH DXVGUFNOLFKH$XႇRU- Dreschen hohler Phrasen – derung, die Freiwilligkeit der Meldungen ge- Zur Wirkung der sondert herauszustellen. Es wurden dem- weltanschaulichen Schulung nach nicht nur Themen vorgegeben, sondern auch angewiesen, wie sich mit diesen ausei- Aus heutiger Sicht ist ein direkter Wir- nanderzusetzten und welche ideologischen kungszusammenhang zwischen den Schu- Schwerpunkte zu setzen waren. lungen und dem praktischen Teilnehmen Aber die aktuellen politischen Entwicklun- am Holocaust nur schwer zu belegen. Für gen waren nicht nur ein Thema der die überlebenden Opfer polizeilicher Maß- 6FKXOXQJHQVRQGHUQEHHLQÀXVVWHQGLHJH- nahmen und Gewalt war eine direkte Kau- samten Schulungsbemühungen als Rah- salität nur in den seltensten Fällen zu er- menbedingungen. Beispielhaft zu nennen kennen (Matthäus, 2003, S. 65). Auch ist ist die Behandlung der Judenfrage, die sich fraglich, ob sich die Tätergeneration im DP MHZHLOLJHQ 6WDQG GHU |ႇHQWOLFKHQ 0HL- Nachhinein einer tatsächlichen Auswirkung nung und dem gesetzlich Zulässigen orien- der Indoktrination auf ihr Handeln oder ihre tierte. Mit der fortschreitenden Radikalisie- Motivationsstruktur bewusst war. Des Wei- rung der Judenpolitik in Deutschland teren ist es nicht nachvollziehbar, woher radikalisierte sich auch das darauf bezug- bestimmte etablierte Stereotypen und Ein- nehmende Schulungsmaterial. Ein weiteres stellungen in Einzelfällen stammen. Mögli- Beispiel ist der Umgang mit der Sowjetuni- che Antworten sind unter vielen anderen on. Der durch den Hitler-Stalin-Pakt verur- die parentale Erziehung, Modelllernen im sachte ideologische Widerspruch wurde mit sozialen Umfeld oder tatsächliche Prägung Beginn des Unternehmens Barbarossa auf- durch die planmäßige weltanschauliche gehoben. Durch die außenpolitische Ent- Schulung des NS-Regimes (Matthäus, wicklung konnte der ehemalige Vertrags- 1999, S. 682). partner die Sowjetunion wieder zum Obwohl der historische Nachweis dieser ideologischen Feind erklärt werden. Dies Kausalität kaum zu erbringen ist, gibt es fand in einer Kopplung antisemitischer und verschiedene Anhaltspunkte neben der antibolschewistischer Propaganda statt, die Priorisierung der Schulung durch die NS- sich in der weltanschaulichen Schulung nie- Führung, die für die Existenz eines Wir- derschlug (Matthäus, 1999, S. 691). kungszusammenhanges zwischen Schu- Weitere Entwicklungen im Jahr 1943, die lung und Handeln sprechen. eine Verstärkung der Schulungsbemühun- Zum einen sind dies zeitgeschichtliche gen nach sich zogen, waren der miss- Dokumente von Opfern und Tätern, die JOFNWH$QVFKODJDXI+LWOHUGLH(U|ႇQXQJ aus der NS-Zeit überliefert wurden, oder der Westfront und die Niederlage bei Sta- auch Aussagen von Zeitzeugen, die sich lingrad (Matthäus, 1999, S. 697). Allge- auf besagten Zeitraum beziehen. mein lässt sich sagen, dass jede Entwick- So berichtete der ehemalige KZ-Häftling lung, die sich für Deutschland negativ auf Erich Kohlhagen von der Misshandlung die Chancen den Krieg zu gewinnen aus- von acht Häftlingen im KZ Sachsenhau- wirkten, zu einer Intensivierung der Schu- sen. Die Misshandlungen waren von dem OXQJHQ IKUWHQ XP PLW GHU :XQGHUZDႇH ausführenden SS-Hauptscharführer mit Ideologie noch den Endsieg zu erreichen dem Konsum des antisemitischen Hetz- (Banach, 1998, S. 121). ¿OPVª-XG6‰©EHJUQGHWZRUGHQ 0DW- Die Aufrechterhaltung der Schulungsbe- thäus, 2003, S. 65). In diesem Beispiel mühungen bis zum Schluss und der hohe dienten die NS-Propaganda und die dazu- Stellenwert, den die NS-Führung dieser The- gehörige Schulung dem Täter als Begrün- matik erwiesenermaßen beimaß, führen zu dung. Ob es sich um die tatsächlichen der Frage, wie sich die weltanschauliche Er- oder alleinigen Auslöser dieses Gewaltak- ziehung tatsächlich auf die Polizeibeamten tes handelte, ist jedoch nicht zu erschlie- ausgewirkt hat (Matthäus, 2003, S. 84). ßen.

48 Oranienburger Schriften 1 / 2019 NS-Ideologie in der Polizeiausbildung 1933–1945

Bei der Analyse von zeitgeschichtlichen und vor dem Umfeld angenommen und Aussagen in Bezug auf die Massenmorde verwendet wurden. Der hohe Abstraktions- oder die Schulungen ist jedoch nicht nur grad der weltanschaulichen Erziehung er- der Inhalt relevant, sondern auch die ge- möglichte es den Beamten, auch persönli- wählte Ausdrucksweise des jeweiligen In- che Motive und Gewaltimpulse als GLYLGXXPV 0DWWKlXV6 6R¿Q- VFKOLFKWH(UIOOXQJHLQHU3ÀLFKWGDU]XVWHO- den sich in vielen Aussagen über die len (Matthäus, 2003, S. 84). Teilnahme an Massenerschießungen be- Die Polizeibeamten als Untergebene stimmte Formulierungen aus der weltan- Himmlers waren einer ständigen pseudo- schaulichen Erziehung, die die grausame wissenschaftlichen und indoktrinativen Realität abstrahieren oder zu rechtfertigen Propaganda ausgesetzt (Breitman, 2003, versuchen. Der Wiener Polizeisekretär S. 21). Der hohe Grad an Beteiligung an Walter Mattner schrieb in einem Brief nach Massenerschießungen lässt vermuten, Hause über seine Teilnahme an Massener- dass die weltanschauliche Schulung zu- schießungen von jüdischen Männern, mindest die Herabsetzung bestimmter Frauen und Kindern. Dabei benutzte er im- Hemmschwellen verursachte (Breitman, mer wieder Formulierungen, die auch im 2003, S. 32). Material der weltanschaulichen Schulung Für eine abschließende Bewertung der ]X¿QGHQZDUHQZLHª1XUZHJPLWGLHVHU NS-ideologischen Schulungen innerhalb Brut, die ganz Europa in den Krieg gestürzt der Polizeiausbildung als handlungsrele- hat (…)« und behauptete, dass der Krieg vanter Faktor im Rahmen der Vorbereitung »das Ende des Judentums in Europa« mit und Durchführung des Holocaust fehlen sich bringe. Der Verwaltungsführer des jedoch noch die wissenschaftlichen Vor- Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe aussetzungen. Weitere Forschung und die C und Schutzpolizist Karl Kretschmer Entdeckung und Aufarbeitung weiterer Pri- schrieb in einem Brief aus der Ukraine an märquellen sind hierzu unerlässlich. Es seine Frau in der Heimat, dass die »Schie- lässt sich jedoch mit Sicherheit sagen, ßereien (…) unbedingt zur Sicherheit un- dass der weltanschaulichen Schulung in- seres Volkes und unserer Zukunft erforder- nerhalb der Polizei eine Brückenfunktion lich« seien (Matthäus, 2003, S. 72-73). Die zwischen der Etablierung von Vorurteilen Verwendung von aus der weltanschauli- und dem Ausleben dieser in der prakti- chen Erziehung stammenden Formulierun- schen Teilnahme an Massenmorden zu- gen, Wortkonstruktionen und Legitimie- kam. Sie gab den Tätern eine Möglichkeit, rungsversuchen lässt den Schluss zu, das eigene Handeln zu rechtfertigen und dass zumindest in diesen Fällen die in der erleichterte den Tätern somit den Umgang Schulung erlernten Werkzeuge zur Recht- mit individueller Schuld (Matthäus, 1999, fertigung der eigenen Handlung vor sich S. 698).

Oranienburger Schriften 1 / 2019 49 Janik Skibinski

Abkürzungen

$XÀ   $XÀDJH Hrsg. Herausgeber/ Herausgeberin KZ Konzentrationslager nat. soz. nationalsozialistisch NS Nationalsozialismus Orpo Ordnungspolizei RFSSuChdDtPol. Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei RMdI. Reichministerium des Inneren RuSHA Rasse- und Siedlungshauptamt S. Seite s. siehe SA SD Sicherheitsdienst des Reichsführers SS Sipo Sicherheitspolizei 66   6FKXW]VWDႇHO u.a. unter anderem z.B. zum Beispiel z.b.V. zur besonderen Verwendung

Quellenverzeichnis

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50 Oranienburger Schriften 1 / 2019 NS-Ideologie in der Polizeiausbildung 1933–1945

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Oranienburger Schriften 1 / 2019 51 Wieland Niekisch

Das tägliche Protokoll

Kriegstagebuch des Oranienburger Polizeibataillons 310

Wieland Niekisch

Erwin Strittmatter bewarb sich Anfang 1940 Forschung systematisch erschlossen wer- EHLGHU:DႇHQ66ZXUGHDEHUQLFKWJHQRP- den. In Polen, im besetzten Teil der UdSSR, men. 1941 trat er nach erfolgreicher Bewer- dem Balkan und Griechenland war eine bung seinen Dienst im Polizeibataillon 325 große Zahl der Polizeibataillone u. a. Teil an, das 1942 in das neu aufgestellte Polizei- der hinter der Wehrmacht operierenden gebirgsjägerregiment 18 eingegliedert wurde, Einsatzgruppen. Diese bestanden eben dem Heinrich Himmler 1943 in seiner gleich- nicht nur aus Angehörigen von SS und SD, zeitigen Funktion als Reichsführer SS und sondern ebenfalls aus Angehörigen der der Chef der deutschen Polizei wie allen Polizei- SS-Führung unterstehenden, uniformierten regimentern den Zusatz »SS« verlieh. Im Ordnungspolizei. Rang eines Oberwachtmeisters war es seine Diese Einsatzgruppen hatten vor allem Aufgabe, das Kriegstagebuch zu führen. die Aufgabe, in ihren Einsatzgebieten die Das Kriegstagebuch seiner Polizeieinheit jüdische Bevölkerung und die politischen ist nicht erhalten. Ein Großteil des Archivs Kommissare zu liquidieren. Dies geschah der Ordnungspolizei, das 1945 nach Bi- auch nicht selten mit der Begründung der schofteinitz in Westböhmen (heute Tsche- »Banden«- bzw. Partisanenbekämpfung in chien) ausgelagert worden war, konnte Form von Vergeltungsmaßnahmen. Auch QRFK YRU GHP (LQWUHႇHQ GHU DPHULNDQL- wenn bei den Kampfhandlungen mit Parti- schen Truppen am 5.Mai vernichtet werden. sanen von beiden Seiten Grausamkeiten Die Rede ist von 32 Aktenschränken und und Härten vorgekommen sind, rechtfertigt 15 000 Fotos. Im Archiv der Ordnungspoli- dies niemals das grenzenlose Ausmaß an zei hatte Strittmatter seinen letzten Dienst- Willkür und Verbrechen gerade in Ost- und posten bis zum Kriegsende. Südosteuropa. Die Polizeibataillone und Polizei-Oberstleutnant Emil Klofanda späteren SS-Polizeiregimenter waren in- schrieb 1954 vertraulich an seinen früheren nerhalb der Einsatzgruppen oder selbst- Vorgesetzten, den Generalleutnant der Po- ständig unter dem direktenBefehl der »Hö- lizei und SS-Gruppenführer Adolf von Bom- heren SS- und Polizeiführer« im Einsatz. hard: »Wären meine Bestände an Befehlen Diese waren die unmittelbaren, regionalen und Tagebüchern, von den höchsten bis zu Stellvertreter von SS-Chef Himmler, der den niedersten Stellen ... in die Hände des seit Juni 1936 als Chef der gesamten deut- Gegners gefallen, hätte es wahrscheinlich, schen Polizei diese Schritt für Schritt mit oder gewiss, noch einer größeren Anzahl der SS zu einem sogenannten Staats- von Befehlshabern und Kommandeuren schutzkorps zu vereinigen suchte. usw. das Leben gekostet, mindestens aber Das Kriegstagebuch des in Oranienburg langjähriges, schweres KZ, zumal die aufgestellten Polizeibataillons 310 (ab Juli 15 000 Fotos vielfach eine beredte Sprache 1942 III. Bataillon des Polizei-Regiments sprachen.« 15) ist für die Zeit von 1940 bis 1942 So konnte die Legende von einer »saube- erhalten geblieben. Es ermöglicht einen ren Ordnungspolizei« entstehen, deren Ge- unverstellten Einblick in den Kriegsalltag waltverbrechen im Zweiten Weltkrieg erst in deutscher Polizisten im Ausland. Der heuti- den beiden letzten Jahrzehnten von der ge Kriminalkommissar Christoph Koppe hat

52 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Das tägliche Protokoll

Abb. 1 aus: Tag der deutschen Polizei. Berlin/Deutsches Historisches Museum PK 95/3; u. Geschichtsort Villa ten Hompel, Objektsammlung.

über dieses Bataillon, das in Polen und in der »30. 5. 1941. Tomaschow. 2. Kp. 3 Juden Sowjetunion stationiert war, 2009 an der und eine Jüdin wurden ohne Ausweis ange- Fachhochschule der Polizei in Oranienburg WURႇHQXQG]ZDQJVJHVWHOOW=XHLQHU([HNX eine lesenswerte Diplomarbeit geschrieben. tion in Petrikau stellte die Kp. von 02.00- Der bekannte Polizeihistoriker Stefan Klemp 09.00 Uhr ein Sonderkommando... Petrikau. hat dem Bataillon in seinem Buch »Nicht er- 3.Kp. In den frühen Morgenstunden führte mittelt« ein Kapitel gewidmet. Seit 2010 wird ein Kommando der Kp., verstärkt durch ein an der Fachhochschule des Landes Bran- Sonderkommando der 2.Kp. (s. oben) die denburg weiter, insbesondere über Einheiten Exekution von 78 Verbrechern (darunter 1 aus Oranienburg, geforscht, wobei die Poli- Frau) durch. Die Exekution war als Sühne- zeianwärter mittels Lehre und Forschung maßnahme für die Ermordung des SS-Un- einbezogen werden. tersturmführers Dittmann erfolgt. Neben vielen banalen Vorgängen sind 24.2.41.Tschenstochau. 03.25 Uhr wird täglich in nüchternem Bürokraten-Deutsch die angesetzte Einsatzbereitschaft wieder auch die äußerst grausamen Einsätze mit aufgehoben, und tritt ab 22.00 Uhr neu in der Schreibmaschine protokolliert worden. Kraft. Um 17.00 Uhr hören die Einheiten im Die Formblätter geben drei Spalten vor. Gemeinschaftsempfang die Führerrede... Links wurde das Datum, der Ort und die Art 20. 11. 1941. Lemberg. 3.Kp. ... Die Kom- der Unterkunft eingetragen. In der Mittel- panie wurde heute zwecks Exekution von VSDOWH¿QGHWVLFKGHUPHLVWH7H[WXQWHUGHU 139 russ. Kommunisten und Kommissaren Überschrift »Darstellung der Ereignisse«. in Rawa-Ruska eingesetzt. Die Aktion be- Hier ein Auszug (Kp. steht als Abkürzung für gann an Ort und Stelle 08.30 Uhr und war Kompanie): gegen 11.00 Uhr beendet. Es wurde an-

Oranienburger Schriften 1 / 2019 53 Wieland Niekisch

Abb. 2: Polizei und SS waren gemeinsam in den okkupierten Gebieten im Einsatz. Hier Polizeibataillon 310, 1940 (Foto Udo Müller).

fangs durch Salve executiert, später wurde die Sicherstellung des Viehs, des Geräts Einzelexecution mittels MP. vorgenommen. und des Getreides. 24.12.1941. Lemberg. – Stab – Heute 9. Oktober 1942. O.U. Kobryn. ... Zur Ver- wurde von den Einheiten des Bataillons in geltung für den am 4. Oktober 1942 erfolg- den festlich hergerichteten Wohlfahrtsräu- ten Ueberfall werden von der 10. und 11. men das Julfest feierlich begangen. Neben Kompanie in den Orten Antonowo, Zielone den Ansprachen der Kompanie-Chefs- Budy, Lasowiec Soboty, Lasowiec Niny, La- wechselten der Würde des Tages entspre- sowice Gora undKorostawka die Familien chende Vorträge und Deklamationen. Trotz ermittelt, von denen Angehörige bei den des Ernstes der Zeit war es möglich gewe- Banden sind. Die Familien werden erschos- sen, jedem Angehörigen des Bataillons ein sen; die Gehöfte abgebrannt. Insgesamt Geschenk zu überreichen, das mit dazu werden 17 Gehöfte vernichtet und 19 Män- beitrug, die Feststimmung zu heben und ner, 22 Frauen und 41 Kinder erschossen. den Männern Freude zu bereiten. 21. Oktober 1942. O.U. Kobryn. ... Zwei 22. September 1942. O. U. Kobryn. Das mit den Banditen in Verbindung stehende Batl. erhält den Befehl, mit den unterstellten Familien in Lachczice werden erschossen. Einheiten und dem zugeteilten Gend.- Die Gehöfte und das Vieh werden sicher- (Gendarmerie) Zug 16(mot) die nördlich gestellt. 8 Bandenhelfer, 1 Bandit und 5 Ju- und nordostwärts von Mukray gelegenen den werden erschossen. Die 10. Kompanie Orte Borki, Zablosie und Borysowka, die als erschießt in einem Lager an der Straße Bandenstützpunkte festgestellt worden Brest-Kobryn 461 Juden.« sind, zu vernichten. In der rechten Spalte des Kriegstage- 23. September 1942. O. U. Kobryn. Bat.- buchs wurde die Wetterlage stichwortartig Gefechtsstand Mukray. Die Aktion beginnt charakterisiert – etwa »trübe, windig, gerin- mit der Umstellung der Ortschaften, die in ger Frost« oder »sonnig warm«. Heinrich den frühen Morgenstunden beendet ist. Bei Himmler befahl am 27. Oktober 1942 die Tagesanbruch werden die Einwohner zu- Vernichtung des Ghettos in Pinsk. Am 29. sammengeholt und vom SD überprüft. Nach Oktober nahmen u. a. Teile die 10. Kompa- Ausscheiden von einwandfrei zuverlässi- nie des III. Polizeibataillons an der Vertrei- gen Familien werden befehlsmäßig in Bory- bung und Ermordung von mindestens sowka 169 Männer, Frauen und Kinder, in 15 000 Juden aus dem Ghetto in Pinsk teil. Borki 705 und in Zabloni 289 Männer, Frau- Das Polizeibataillon III nahm die Erschie- en und Kinder erschossen. Es beginnt dann ßungen im Ghetto vor.

54 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Das tägliche Protokoll

Abb. 3: Angehörige der Ordnungspolizei und der SS demütigen einen Juden durch Ab- schneiden der rituellen Haarlocken, Polen 1939. Warschau/ Instytut Parmieci, GK_19523

Die Gesamtzahl der Opfer des Polizeiba- lichkeit nachweisen kann, hätte er doch mit taillons 310 wird mit 6769 Menschen bezif- seinem Wissen über die Kriegstagebücher fert. Direkt auf das Konto aller Polizeibataillo- seiner und anderer Einheiten und der ne gehen etwa 520 000 Opfer. Unter der Kenntnis über das umfangreiche, aber ver- indirekten oder direkten Mitwirkung der Ord- nichtete Archiv der Ordnungspolizei vieles nungspolizei sind schätzungsweise zwi- zur Aufklärung beitragen können. Insbe- schen 1,5 und zwei Millionen Menschen bei sondere was die unmittelbare Verantwor- Einzelaktionen und Massenerschießungen tung für das brutale Vorgehen seines Regi- ermordet worden.Sicher haben sich auch in ments in Slowenien oder bei den allen Einheiten Polizisten dem massenhaf- Vernichtungs-, Deportations-und Masse- ten Morden entzogen oder verweigert. Mehr- nerschießungsaktionen vor allem gegen heitlich folgte man jedoch der Ideologie, dem die jüdische Bevölkerung in Griechenland Gruppenzwang oder stand unter Alkohol. EHWULႇW GLH 5DOSK .OHLQ  LQ GHU =HLW Auch wenn man Erwin Strittmatter kon- schrift für Geschichtswissenschaft darge- kret keine Verbrechen gegen die Mensch- stellt hat.

Oranienburger Schriften 1 / 2019 55 Marc Giard

Die Geschichte der Polizeiausbildungsstätte Basdorf

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Marc Giard

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung der Polizeiausbildungsstätte in Basdorf nach der Neugründung des Landes Brandenburg im Jahr 1990. Insbesondere im Hinblick auf die beiden kommenden herausragenden Ereignisse 2016 – das 25-jährige Bestehen der Polizei Brandenburg und dem sich nähernden zehnten Jahres- tag des Umzuges der FHPol von Basdorf nach Oranienburg – soll diese Thesis (von 2015) einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte rund um den Standort der Polizeiausbil- dungsstätte in Basdorf leisten.

1. Einleitung Doch wie verlief die Entwicklung der Poli- zeiausbildungsstätte in Basdorf im Detail Nach der Neugründung des Landes Bran- und welche Umstände spielten hierbei eine denburg am 3.10.1990 stand dieses vor Rolle? Hierzu wurden Berichte der Polizei- der schwierigen Aufgabe, eine neue Poli- einrichtungen der Jahre 1992 bis 2006 aus- zei aufzubauen. Diese sollte sich auf JHZHUWHW :HLWHUKLQ ZXUGHQ |ႇHQWOLFK ]X- Grund der geschichtlichen Erfahrungen gängliche Medien wie auch Protokolle des von der Volkspolizei der DDR abgrenzen Landtages ebenfalls gesichtet und hinzuge- und, die Besonderheiten des Landes Bran- zogen. Ferner erfolgten sowohl persönliche denburg beachtend, Dienst am Bürger ver- Gespräche mit Politikern, Entscheidungsträ- richten. gern als auch Zeitzeugen, um die Hinter- Um die Servicequalität der Polizei auf ein gründe der Geschichte näher zu beleuchten hohes Niveau zu führen, werden seit 1991 und somit die Entwicklung der Polizeiausbil- im Land Brandenburg jedes Jahr Anwärter/- dungsstätte Basdorf darzustellen. innen zu neuen Polizisten ausgebildet und mit hohem Fachwissen sowie Verantwor- 2. Geschichtlicher Hintergrund tungsbewusstsein ausgestattet. Dies wurde der Liegenschaft Basdorf 1936– anfangs in der Polizeiausbildungsstätte in 1991 Basdorf verwirklicht. Die Polizeiausbildungsstätte, die zunächst Zielgerichtet absolvierte Luftschutzübungen Landespolizeischule Brandenburg (LPS) bei großen Industriestandorten in Süd- hieß und später den Namen Fachhochschu- deutschland führten Mitte der 1930er-Jahre le der Polizei des Landes Brandenburg (FH- zur Errichtung spezieller Flugmotorenwer- Pol) tragen sollte, blickt auf eine interessante ke, sogenannter Waldwerke. Diese Werke und auch erfolgreiche Entwicklung zurück. wurden teilweise in Waldstücke hineinge- Angefangen mit der Gründung der LPS im baut und damit verbundene Abholzungen Jahr 1991, der Errichtung der FHPol in Bas- sowie Planierungen auf das Nötigste redu- dorf 1998, bis zum Umzug nach Oranien- ziert. Durch die verkehrsgünstige Lage zur burg im Jahr 2006, war und ist die LPS ein Hauptstadt und dem nahe gelegenen Kie- wichtiger Bestandteil der Geschichte der fernwald, der zu Tarnzwecken fungierte, Brandenburger Polizei. entstand eines dieser Waldwerke durch Sie-

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mens & Halske/die Brandenburgischen Mo- tiert. Ab dem 1.1.1947 erfolgte die Nutzung torenwerke GmbH (Bramo) im November des Geländes durch die Gemeinde Basdorf 1936 in Basdorf. Der Standort war zunächst als Verwaltungs-, Gewerbe-, Sozial- und Bil- ein Montage- und Prüfstandwerk für die im dungszentrum »Aufbauhof«. Nachdem das Unternehmenssitz in Spandau hergestellten Ministerium des Innern der DDR das Areal Flugmotorenteile. Nach der mit Siemens & 1955 übernahm, diente es bis zur Wende als Halske vertraglich geregelten Übernahme Standort für drei Polizeibereitschaften.2 der Bramo am 8.6.1939 durch die Bayeri- Nach der Wende handelte es sich beim schen Motoren Werke (BMW) Flugmotoren dem Areal in Basdorf um eine leergezogene GmbH erfolgte die Umbenennung in BMW Liegenschaft. Es wurde seitens des Staates Flugmotorenwerke Brandenburg GmbH im nach einer Nachnutzung gesucht.3 Zu- Dezember 1939. Damit war die Zugehörig- nächst wurde dann aus dem Volkseigentum keit zu BMW gegeben. Das Werk wurde der ehemaligen DDR Bundeseigentum. Der nach Vorgaben des Reichsluftfahrtministeri- Bund entschied dann auf Grund regionaler ums (RLM) entsprechend ausgebaut, eben- Gesichtspunkte, zunächst die Liegenschaft so wurde ein zweites Werk in unmittelbarer bis zum 30.6.1991 durch das Land Berlin Nähe in Zühlsdorf errichtet. Hierbei handelte YHUZDOWHQ ]X ODVVHQ 'LHVHV YHUVFKDႇWH es sich jedoch nur um ein Pachtwerk von sich in dieser Zeit dort einen Überblick über BMW, das Grundstück, die Gebäude sowie bestehende Ausrüstungen und Ausstattun- die maschinelle Einrichtung standen im Ei- gen. Nach Ablauf der befristeten Laufzeit gentum des RLM. Im Februar 1940 ent- der Liegenschaftsverwaltung entschied der schied sich BMW zum Verkauf des Basdor- damalige Berliner Senat, dass die Liegen- fer Werkes an das RLM. Die Konzernführung schaft zum 1.7.1991 an das Land Branden- wollte nach dem Krieg mit Überkapazitäten burg übertragen wird. Das Innenministeri- des Werkes verbundene Kosten verhindern. um des Landes Brandenburg beschloss 'DV ¿QDQ]LHOOH 5LVLNR VROOWH EHLP 5/0 OLH- dann, die Liegenschaft für die Errichtung gen.1 der LPS und des Landeskriminalamts (LKA) Nachdem das RLM die Mehrheitsbeteili- zu nutzen. Danach erfolgten Erlasse zur Er- gung an beiden Werken erreichte, folgte im richtung von Aufbaustäben für die beiden Spätsommer 1941 die Umbenennung der Einrichtungen. Herr Gerhard Wettschereck Unternehmensbezeichnungen in »Nieder- aus Nordrhein-Westfalen (NRW) leitete den barnimer Flugmotorenwerke GmbH, Berlin« Aufbaustab der LPS.4 bzw. »Niederbarnimer Flugmotorenwerke GmbH, Basdorf/Zühlsdorf«. Mit dem Ausbau 3. Landespolizeischule Branden- der Flugmotorenfertigung wurden bis 1941 burg in Basdorf 1991–1998 statt der geplanten 4000 nur ca. 300 Werks- wohnungen in Basdorf errichtet. Das Werk in 3.1 Selbstverständnis Zühlsdorf erhielt ebenfalls ein Wohnlager, welchem später ein Ledigenwohnheim folg- »Die Landespolizeischule Brandenburg ist te. Es wurde mit massivem Einsatz von das Aus- und Fortbildungszentrum für alle Fremd- und Zwangsarbeitern versucht, den Sparten und Laufbahngruppen der Polizei kriegsbedingten Mangel an männlichen des Landes Brandenburg«.5 Die LPS ver- deutschen Arbeitskräften zu kompensieren. stand sich selbst als eine Dienstleistungs- So entstand auch im Frühjahr 1942 das einrichtung der Polizei Brandenburg, des- Zwangsarbeiterlager auf dem Areal in Bas- sen oberstes Ziel die Aus- sowie Fortbildung dorf. Dies geschah durch den Generalbauin- jener Polizeibeamtinnen und -beamten war, spektor für Berlin. Es lebten im Dezember die der Demokratie sowie dem Prinzip des 1943 rund 4100 Zwangsarbeiter im Basdor- 5HFKWVVWDDWHV YHUSÀLFKWHW XQG DP 6FKXW] fer Zwangsarbeiterlager. Nach dem Ende des Bürgers orientiert waren.6 des Krieges blieb das Lager unzerstört, wur- Neben der Aus- und Fortbildung bot die de dann aber am 22.4.1945 durch die sowje- LPS auch Service- und Unterstützungsfunk- tische Armee besetzt und zum Abzug dieser tionen für andere Polizeibehörden Branden- Ende 1946 durch die Sowjetunion demon- burgs. So geschah dies durch Entwicklung

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von elektronischen Datenverarbeitungspro- und Kritikfähigkeit der Beamtinnen und grammen, Konzepten der Verkehrserzie- Beamten. Daher sah sich die LPS in der hung und Beweissicherung oder durch Öf- Verantwortung, ihren aus- bzw. fortzubil- fentlichkeitsarbeit. In diesem Sinne war es denden Beamtinnen und Beamten neben ebenfalls beabsichtigt, eng mit anderen poli- GHP 0LWJHEHQ HLQHU EHUXÀLFKHQ %LOGXQJ zeilichen Bildungseinrichtungen anderer auch einen Beitrag zur Persönlichkeitsent- Bundesländer und externen Bildungseinrich- ZLFNOXQJ]XUEHUXÀLFKHQ,GHQWLWlWV¿QGXQJ tungen zu kooperieren. Die internationale und somit zur Zufriedenheit der Beamtin- Zusammenarbeit wurde auf Grund der zu nen und Beamten mit dem Beruf des Poli- diesem Zeitpunkt fortschreitenden europäi- zisten zu leisten.9 schen Integration immer bedeutsamer. Aus JHRJUD¿VFKHQ VRZLH JHVFKLFKWOLFKHQ *UQ- 3.3 Aufgaben den sollte dem Nachbarland Polen besonde- re Bedeutung zukommen. Das Augenmerk Durch dieses Selbstverständnis der Ein- lag jedoch bei der Polizei Brandenburg. Das richtung sowie des Verständnisses der Po- DXI %UDQGHQEXUJ VSH]L¿VFK DXVJHOHJWH lizei ergab sich die Aufgabenstellung, die Selbstverständnis der Polizei war noch nicht Aus- und Fortbildung an der LPS so zu or- herausgebildet, zumal die Brandenburger ganisieren, dass die genannten Ziele er- Polizei im Gegensatz zur Deutschen Volks- reicht werden konnten. Ferner wurde hier- polizei erst in einem sehr jungen Bundesland aus abgeleitet, dass sich die Polizei des existierte.7 /DQGHV%UDQGHQEXUJGHU*HVHOOVFKDIW|ႇ- nen muss. Dies sollte erreicht werden, in- 3.2 Verständnis von Polizei dem sich die LPS aktiv an »Diskussionen um die Rolle und die Aufgaben der Polizei In diesem Zusammenhang wurde auch das in der Gesellschaft« beteiligt, also auch ex- Verständnis von der Polizei beschrieben. terne gesellschaftliche Gruppen miteinbe- Auf Grund der geschichtlichen Erfahrungen zieht, sich »selbst zum Forum für eine sol- mit der Volkspolizei in der DDR sollte im che Auseinandersetzung macht«. Als Land Brandenburg die Dienstleistungsfunk- SRVLWLYHQ (ႇHNW ZXUGH GXUFK GLH %HUlX- WLRQGHUPRGHUQHQ3ROL]HLDOVª.RQÀLNWUHJH- mung von Irrtümern und Vorbehalten über lungsinstanz in einer demokratisch verfass- die neue Polizei dementsprechend eine ten Gesellschaft« in den Vordergrund Annäherung dieser an die Bevölkerung er- UFNHQ'LH3ROL]HLVROOWHHLQª3UR¿IU6L- wartet. Es sollte Vertrauen gewonnen und cherheit« werden und Verbrechen bekämp- das Verhältnis sowie die Akzeptanz der Be- fen und hierbei an Recht und Gesetz ge- völkerung gegenüber der Polizei verbes- bunden sein.8 sert werden.10 Das formulierte polizeiliche Verständnis Zu den Aufgaben der LPS 1991 gehörte ergab natürlich Konsequenzen für die LPS. die Ausbildung der Polizeivollzugsbeamtin- Die sich ständig ändernden Anforderungen nen und -beamten für den mittleren Polizei- der Gesellschaft brachten ein Berufsbild vollzugsdienst (m. D.). Dies beinhaltete die einer bzw. eines dynamischen Polizeivoll- fachtheoretische, fachpraktische sowie be- zugsbeamtin und -beamten mit sich. Dem- rufsethische Ausbildung und den allge- entsprechend mussten neben polizeispezi- meinbildenden Unterricht. Fragen bezüg- ¿VFKHQ )HUWLJNHLWHQ XQG .HQQWQLVVHQ lich der Ausbildung wurden mit dem Innen- ebenfalls soziale sowie kommunikative ministerium, anderen Bundesländern, den Fähigkeiten im Umgang mit dem polizeili- Bundesbehörden und internationalen Poli- chen Gegenüber erworben werden. Als zeieinrichtungen seitens der LPS koordi- zentrales Merkmal wurde die Orientierung niert. Sämtliche Fortbildungen der Polizei- GHV EHUXÀLFKHQ 6HOEVWYHUVWlQGQLVVHV DQ vollzugsbeamtinnen und -beamten und das Grundgesetz sowie an die Verfassung Mitarbeiterinnen und -arbeiter der Verwal- des Landes Brandenburg genannt. Weiter- tung der Polizei wurden ebenfalls an der hin waren wesentliche Merkmale die LPS in Zusammenarbeit mit den Institutio- Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit nen ermittelt, geplant und durchgeführt.

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Für lebensjüngere wie auch lebensältere Gelerntem und praktische Fälle zur Vertie- Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte für fung. Nach erfolgreicher Abschlussprüfung den gehobenen Polizeivollzugsdienst (g. waren die Anwärter dann vollwertige Polizis- D.) erfolgte lediglich die fachpraktische und tinnen und Polizisten.13 berufsethische Ausbildung an der LPS. Der Das dreijährige Studium zur Kommissarin g. D. der Polizei Brandenburg wurde an der bzw. zum Kommissar des g. D. unterteilte FHöV in Bernau fachtheoretisch ausgebil- sich in fachwissenschaftliche und fachprakti- det.11 sche Anteile. Fachwissenschaftliche Anteile Die Aus- und Fortbildungsprozesse wur- wurden an der FHöV in Bernau gelehrt, Stu- den wissenschaftlich begleitet sowie materi- dienfächer waren mitunter Führungs- und ell-technisch und studienorganisatorisch un- Einsatzlehre, Kriminologie, Kriminalistik, terstützt. Es wurden Medien für die Aus- und 9HUNHKUVOHKUH9HUZDOWXQJVXQG|ႇHQWOLFKHV )RUWELOGXQJ VRZLH GLH gႇHQWOLFKNHLWVDUEHLW Dienstrecht, Staats- und Verfassungsrecht, produziert. Sämtlichen Polizeibehörden und Polizei-, Ordnungs-, Straf- und Strafprozess- 3ROL]HLHLQULFKWXQJHQ ZXUGH EHL |ႇHQWOLFK- recht, Psychologie, Pädagogik, Verhaltens- keitswirksamen Maßnahmen geholfen und training. Es wurden Hausarbeiten und Klau- es erfolgten Zusammenarbeiten mit Arbeits- suren geschrieben. Das theoretische Wissen ämtern, Berufsberatungszentren oder ande- wurde in verschiedenen Praktika gefestigt ren Institutionen und Behörden. Die LPS und die Laufbahnprüfung war im g. D. eine warb auch den Nachwuchs, organisierte die Staatsprüfung.13a Auswahlverfahren und traf entsprechende Herr Seidenschwanz vom Personalrat Entscheidungen beim Nachersatz für das GHU)+3ROLVWGHU$XႇDVVXQJGDVVHLQHJH- Spezialeinsatzkommando und dem Mobilen meinsame Ausbildung eine bessere Soziali- Einsatzkommando.12 sation zur Folge gehabt hätte. Weiterhin ZlUHQGDQQQLFKWVRYLHOH'LႇHUHQ]HQ]ZL- 3.4 Ausbildungswege an der schen m. D. und g. D. zum Anfang entstan- Landespolizeischule den und die Resultate einer gemeinschaftli- FKHQ$XVELOGXQJZlUHQSRVLWLYH(ႇHNWHDXI Die Ausbildungszeit des m. D. betrug 2,5 Teamfähigkeit und Kameradschaft gewe- Jahre und war in drei Ausbildungsabschnitte sen. Auf Grund der Praxis des Partnerlan- gegliedert. Im ersten Ausbildungsabschnitt des NRW, den g. D. grundsätzlich an den wurden den Auszubildenden Grundlagenfä- Standorten der Verwaltungsfachhochschu- cher wie Deutsch, Englisch, Russisch, Poli- len auszubilden und an der sich Branden- tik, Zeitgeschehen, Staats- und Verfassungs- burg orientierte, wurde damals beschlos- recht, Polizeikunde, Zivil-, Straf-, Polizei- und sen, den g. D. an der FHöV in Bernau 2UGQXQJVUHFKW 9HUNHKUV XQG |ႇHQWOLFKHV ausbilden zu lassen. In NRW wurde die Auf- Dienstrecht, Berufsethik und praktische An- fassung vertreten, dass der g. D. nur Füh- teile vermittelt. Weiterhin nahm Sport einen rungsfunktionen übernehmen sollte, ent- wichtigen Stellenwert in der Ausbildung ein, sprechend wurde durch die Lehrkräfte an ebenso wie das Erlernen von Selbstverteidi- der LPS, viele von ihnen stammten aus gungstechniken und das Training mit der NRW, auch viel Führungswissen vermittelt. 6FKXVVZDႇHLP)DFK1LFKWVFKLH‰HQ6FKLH- Ab 1996 wurde dieser Kurs jedoch korri- ßen. Im zweiten Teil der Ausbildung erhielten giert, der g. D. wurde dann eher auf Aufga- die Anwärter/-innen eine Kraftfahrzeugaus- ben im Bereich der Sachbearbeitung vorbe- bildung für Polizeifahrzeuge. Ferner waren reitet.14 Um dem Personalbedarf Anfang Verhaltens- und Kommunikationstraining, der 1990er-Jahre gerecht zu werden, muss- Fernschreib- und Funkausbildung Bestand- te man schnell und entschlossen handeln. teile des Ausbildungsabschnittes, bevor es Es war nötig und wichtig, Polizei- und Ver- dann für 4 Monate in das Praktikum in einer waltungsbeamtinnen und -beamte gemein- Polizeidienststelle des Landes Brandenburg sam auszubilden und somit den Bürger ging. Der letzte Ausbildungsabschnitt diente über die Rolle der Polizei in der Demokratie der Vorbereitung auf die Abschlussprüfung. zu informieren. Die Polizei sollte »keine Es erfolgten Wiederholungen von bereits Sonderrolle spielen«15.

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3.5 Entwicklungen der Landespolizei- schau durch den Direktor der LPS, Gerhard schule Wettscheck, kann wohl zu Recht als »klei- ner Baustein europäischer Integration« be- Nachdem am 21.5.1991 drei Polizeibeamte zeichnet werden. Sein Besuch dauerte vom des höheren Polizeivollzugsdienstes (h. D.) 8.9.–10.9.1992 nur drei Tage, jedoch wur- aus dem Brandenburger Partnerland NRW den in diesem kurzen Zeitraum wichtige Vo- auf dem Kasernengelände der Polizeibe- raussetzungen für die Zusammenarbeit ge- reitschaften in Basdorf eintrafen, kam es VFKDႇHQ $OV (UJHEQLV ZXUGHQ ]XNQIWLJ am 22.5.1991 zu einer Zusammenkunft mit gemeinsame Seminare mit Führungskräf- HOI HKHPDOLJHQ 2ႈ]LHUHQ GHU 9RONVSROL]HL ten, Austausch von Lehrern und Auszubil- Diese waren mit der weiteren Abwicklung denden sowie Durchführungen gemeinsa- der Liegenschaft beauftragt worden. Ziel mer Lehrveranstaltungen, kultureller war es, eine leistungsfähige Landespolizei- Veranstaltungen und Sportwettkämpfe be- schule zu errichten, die alle Ausbildungs- schlossen. Ganz unter dem Motto »Niemcy und Fortbildungsmaßnahmen bündeln und i Polacy wspolnie w Europie – Polen und den Lehrbetrieb für bis zu 1200 Aus- und Deutsche gemeinsam in Europa«20. Fortzubildende ermöglichen sollte. Nach Ein Programm zur Einstellung von »le- dem Erlass zur »Errichtung von Aufbaustä- bensälteren« Bewerbern wurde 1993 entwi- ben für die Polizeibehörden und -einrichtun- ckelt und ermöglichte erstmals in der Ge- gen des Landes Brandenburg« vom schichte der deutschen Polizei, 404 Frauen 5.6.1991 konnte schließlich mit dem Aufbau und Männern zwischen 30 und 40 Jahren der LPS unter Leitung von Gerhard Wett- eine zweieinhalbjährige Ausbildung bei der VFKHUHFNEHJRQQHQZHUGHQ2ႈ]LHOOZXUGH Brandenburger Polizei durchzuführen.21 die LPS mit »Erlass des Innenministeriums Im Jahr 1994 erhielten erstmals 100 Be- zur Errichtung der Polizeibehörden und amtinnen und Beamte des m. D. die Gele- -einrichtungen des Landes Brandenburg« genheit, in einem einjährigen Lehrgang zum zum 1.11.1991 errichtet.16 Kommissar aufzusteigen. Diese Aufstiegs- Die Liegenschaft befand sich 1991 in ei- ausbildung wurde ein Jahr später durch eine nem guten Zustand, musste jedoch für eini- Fernausbildung erweitert.22 Auch die Ein- ge Millionen DM baulich hergerichtet wer- stellung von 38 ausländischen Bewerbern den.17 Dies umfasste aber noch nicht die stellte einen Höhepunkt für dieses Jahr dar, Mittel, die für Ausstattung der Unterkünfte, wurden doch nun deutsche und ausländi- Mensa, Lehrbasis, Büros, Raumschießanla- sche Polizisten und Polizistinnen gemein- ge und ähnliches aufgewendet wurden. Die sam ausgebildet.23 Basdorfer Liegenschaft umfasste insgesamt Eine sichtbare Veränderung auf dem Ge- eine Fläche von 382 890 m².18 lände der LPS brachte die 3,6 Millionen DM Ende des Jahres 1992, am 22. Dezember, teure Raumschießanlage, die von Innenmi- besuchte dann der damalige Bundespräsi- nister Alwin Ziel am 8.2.1995 eingeweiht dent Richard von Weizsäcker zusammen mit und durch mehrere Medien begleitet wurde. dem früheren Ministerpräsidenten Manfred Ferner interessierten sich die Medien in die- Stolpe und dem Innenminister Alwin Ziel die sem Jahr für ausländische Beamte, die an LPS in Basdorf. Der Bundespräsident nahm der LPS ausgebildet wurden. Besonders an einem Fortbildungskurs für Beamtinnen über die türkischen Polizeischüler wurde mit und Beamte des gehobenen Dienstes teil großem Interesse im Fernsehen durch die und führte danach ein Gespräch mit den jun- Sender ORB und Arte berichtet. Weiterhin gen Kolleginnen und Kollegen über deren führten bestehende Kontakte nach Weiß- Ausbildungsweg und Berufswahl. Wenige russland dazu, dass Personen des h. D. der Monate später erfolgte dann der zweite Be- weißrussischen Polizei an zwei Fortbil- such des Innenministers mit Landtagsabge- dungslehrgängen an der LPS über Organi- ordneten am 5.2.1993, um die Schule und sierte Kriminalität teilnahmen.24 das Gelände zu besichtigen.19 1996 wurden die Vorbereitungen für die Der Besuch des Bildungszentrums der Zusammenlegung zu einer gemeinsamen polnischen Polizei in Legionowo bei War- Fachhochschulverwaltung der LPS und der

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FHöV für die geplante FHPol intensiviert. fentliche Verwaltung des Landes Branden- Damals waren Bernau und Basdorf als burg« vom 8.7.1993 startete der mit 5 Standort der zukünftigen FHPol gleichauf. Millionen DM geförderte Modellversuch am Praktisch das ganze Jahr über war die ge- 1.9.1993. Bundesweit erstmalig studierten plante Zusammenlegung der LPS und der nun an einer internen Fachhochschule, FHöV der »Dauerbrenner« in den Medien. dank einer an allgemeinen Fachhochschu- Angehörige der weißrussische Polizei nah- len angepassten Diplomierungsordnung, men diesem Jahr ebenfalls in der Zeit vom auf Widerruf eingestellte Beamtenanwärter/- 8.7.–19.7.1996 an Seminaren zum Thema innen neben nicht verbeamteten Studentin- Bekämpfung des Organisierten Internatio- nen und Studenten.29 nalen Verbrechens teil. Ein zweiter Höhe- Unter dem Aspekt der Zusammenführung punkt in diesem Jahr war ein Lehrgang über der gemeinsamen Ressourcen zur Aus- und Computerkriminalität vom 15.7.–19.7.1996, Fortbildung der Polizei wurde dem Direktor der vom Bundeskriminalamt an der LPS der FHöV gleichzeitig die Leitung der LPS durchgeführt wurde und an dem Personen am 1.3.1995 übertragen. Im Juli 1995 wur- aus drei Kontinenten und neun Ländern teil- den, hinsichtlich des positiven Ergebnisses nahmen.25 der Durchführung des Modellversuches, be- 5000 Bedienstete durchliefen im Jahr reits bestehende Konzepte zur Gründung 1991 zunächst auf Grund der Bewährungs- der FHPol weiterentwickelt und Gesetzesini- anforderungsverordnung die Anpassungs- tiativen eingeleitet. Diesem folgte dann am fortbildung. Bis zur Gründung der FHPol im 18.8.1995 der »Erlass des Ministeriums des Jahr 1998 wurden es insgesamt ca. 12 000 Innern zur Zusammenarbeit zwischen der Fortzubildende.26 FHöV und der LPS«. Hierdurch wurden die Die Verlegung des g. D. von Bernau nach inhaltlichen und organisatorischen Vorberei- Basdorf und der damit verbundenen Grün- tungen für den Aufbau der FHPol verstärkt.30 dung der FHPol in Basdorf am 29.12.1998 In der Kabinettsvorlage Nr. 2710/97 vom bildete einen der wichtigsten Höhepunkte in 11.2.1997 kündigte der Innenminister der der Entwicklung der Polizeiausbildungsstät- Landesregierung an, dass dieser die interne te. Die gesamte Aus- und Fortbildung der Ausbildung von Nachwuchskräften des ge- Polizei des Landes Brandenburg konzent- hobenen nichttechnischen Verwaltungs- rierte sich nun an dem Standort der FHPol.27 dienstes an der FHöV künftig einstellen so- wie einen Gesetzesentwurf zur Errichtung )DFKKRFKVFKXOHIU|ႇHQWOL- einer Fachhochschule der Polizei vorlegen che Verwaltung in Bernau 1991– will. Am 1.12.1997 trat eine, sich an den Ent- 1998 wurf eines Fachhochschulgesetzes orientie- UHQGHYRUOlX¿JH2UJDQLVDWLRQVWUXNWXUIUGLH Am 11.6.1991 fasste die Landesregierung LPS/FHöV in Kraft. Nach der Festlegung der den Entschluss zur Errichtung der FHöV. Mit Landesregierung vom 19.5.1998, die Lie- dem Runderlass des MI zur Errichtung der genschaft in Bernau aus Kostengründen auf- ª)DFKKRFKVFKXOHIU|ႇHQWOLFKH9HUZDOWXQJ zugeben, begannen im Sommer 1998 die Brandenburg« im Sinne des § 12 Landesor- baulichen Vorbereitungen zur Errichtung der ganisationsgesetzes vom 21.6.1991 konnte künftigen Fachhochschule der Polizei auf schließlich am 18.9.1991 der Studienbetrieb dem Gelände der LPS in Basdorf. Es wurden beginnen. Gründungsrektor war Prof. Dr. neue Kursräume gebaut, Fachkabinette, In- Werner Giesen. 158 Studentinnen und Stu- ternatsräume und Büros ausgebaut sowie denten des Fachbereiches Allgemeine Ver- die Hochschulbibliothek errichtet. Die Lie- waltung, 32 Aufsteigerinnen und Aufsteiger genschaft der FHöV wurde schrittweise ge- im Fachbereich Polizeivollzugsdienst und 90 räumt. Nachdem am 31.8.1998 die letzte Beamtenanwärter/-innen des g. D. nahmen Veranstaltung in Bernau stattfand, wurde am LKU6WXGLXPDXI'LH(U|ႇQXQJVIHLHUHUIROJWH 1.9.1998 der Dienstbetrieb der LPS/FHöV am 20.9.1991.28 am Standort Basdorf ohne Ausfall des Unter- Nach dem Kabinettsbeschluss zur »Ex- richts fortgesetzt. Der Landtag beschloss am WHUQHQgႇQXQJGHU)DFKKRFKVFKXOHIU|I- 21.12.1998 das Gesetz über die Errichtung

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der »Fachhochschule der Polizei des Lan- wurde von vornherein auf Grund der unzu- des Brandenburg«, welches am 29.12.1998 reichenden baulichen Ausgangslage ver- LQ.UDIWWUDW'LHIHLHUOLFKH(U|ႇQXQJGHU)+- worfen.36 Pol am 8.3.1999 erfolgte dann durch Innen- Einerseits war die Ausbildung in einem minister Alwin Ziel sowie dem Minister für anderen Bundesland nicht ohne weiteres :LVVHQVFKDIW)RUVFKXQJXQG.XOWXU6WHႇHQ möglich, da es kein anderes Bundesland Reiche.31 gab, welches ein gleiches Laufbahnrecht An der FHöV in Bernau wurden in den besaß. So gab es Länder, die die in Schutz- Jahren 1991 bis 1998 insgesamt 1628 Ab- und Kriminalpolizei zweigeteilte Laufbahn solventinnen und Absolventen verabschie- eingeführt hatten, den m. D. im Gegensatz det. Hiervon waren 260 Inspektorinnen und zu Brandenburg bei der Bereitschaftspolizei Inspektoren der Staatlichen Verwaltung, 370 ausbildeten und den Aufstieg vom m. D. Kommunalinspektorinnen und -inspektoren, zum g. D. völlig anders regelten. Dies hätte 753 Kommissarinnen und Kommissare des MHGH 0HQJH =XVDW]TXDOL¿NDWLRQHQ HUIRU- g. D., 101 externe Verwaltungsinspektorin- dert.37 nen und -inspektoren und 144 Verwaltungs- Andererseits hätten sich auch keine Ein- betriebswirtinnen und -wirte.32 sparungen bei einer Ausbildungsverlage- rung ergeben, da vom Land Brandenburg 5. Fachhochschule der Polizei eine volle Kostenerstattung in Form von des Landes Brandenburg in Personal-, Sach- sowie Investitionskosten Basdorf 1998–2006 gefordert worden wäre. Weiterhin würden auf Grund der zu erfolgenden Abordnung 5.1 Gründe der Zusammenlegung der Anwärter/-innen in ein anderes Bundes- land diese Ansprüche auf Trennungsgelder »Was sich heute an unserem Gründungsort haben und neben diesen ebenfalls Reise-, – Basdorf – vollzieht, ist kein Namenswech- 8QWHUEULQJXQJV XQG 9HUSÀHJXQJVNRVWHQ sel. Es ist ein Neubeginn«, sagte Prof. Dr. anfallen.38 Ackermann, der damalige Vertreter des Dem Land entstand insgesamt bei der Präsidenten der FHPol, in seiner Begrü- Modernisierung des Heizwerkes der LPS ßungsrede zur Gründungsveranstaltung HLQXQQ|WLJHU¿QDQ]LHOOHU$XIZDQGYRQ der FHPol am 8.3.1999 in Basdorf.33 Millionen DM. Dies war zurückzuführen auf Auf Grund der angespannten Haushalts- ungenügende Planung sowie fehlender In- lage und dem sinkenden Bedarf an Nach- formationsaustausch der Beteiligten und wuchskräften des gehobenen nichttechni- zu langen Entscheidungswegen. Um hohe schen Verwaltungsdienstes in den Emissionswerte zu senken, wurde das Kommunen sowie im Land war ein weiter- Braunkohleheizwerk in den Jahren 1991– hin bestehender Fachbereich Verwaltung 1993 für insgesamt 1,7 Millionen DM um- an der FHöV am Standort Bernau nicht JHUVWHW 'D GLH HUKRႇWHQ (PLVVLRQVVROO- mehr möglich. Der g. D. der Verwaltung werte jedoch trotzdem nicht erreicht sollte in Zukunft an externen Standorten wurden, entschied man sich, das Heizwerk ausgebildet werden, um auch die Chancen stillzulegen und eine gasbefeuerte Wärme- der Studierenden, in anderen Betrieben ar- versorgungsanlage zu errichten, die Mitte beiten zu können, zu erhöhen.34 1994 fertiggestellt wurde. 4,5 Millionen DM Nachdem die Einstellungszahlen in den wurden erneut hierfür aufgebracht. Neben letzten Jahren immer weiter sanken, lohnte den erhöhten Aufwendungen von 550 000 sich eine eigene Fachhochschule für den g. DM für die Heizkosten durch die Steinkohle D. aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr, und mussten die bereits für die Heizperiode es wurde eine Zusammenführung des m. D. DQJHVFKDႇWHQ7RQQHQ6WHLQ- und g. D. in Basdorf beschlossen. Es gab kohle mit einem Verlust von 272 000 DM außerdem die Idee, mit Berlin gemeinsam zurückverkauft werden. Der Landesrech- auszubilden, dies scheiterte jedoch an den nungshof kam außerdem auf Einsparun- »Egoismen«35 einiger Personen. Die Zu- gen in Höhe von 2,05 Millionen DM, wäre sammenführung am Standort in Bernau die Umstellung auf Gas bereits 1992 durch-

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JHIKUW ZRUGHQ ,Q %H]XJ DXI GLH 9HUSÀH- schen Innenministeriums in Budapest gungskosten zeigte der Rechnungshof Ein- hergestellt, denen Absichtserklärungen zur sparungsmöglichkeiten in Höhe von bis zu dauerhaften Zusammenarbeit folgten.43 643 000 DM auf, wenn die Beamtinnen und Brandenburg zog Konsequenzen aus dem Beamten sich an diesen beteiligen würden. Terroranschlag auf das World Trade Center Durch die Beteiligung an Unterbringungs- und stellte zwei neue Polizeibereitschaften kosten hätte noch mehr gespart werden auf und bildete diese am Standort Basdorf können. Schließlich resultierten aus Unter- aus.44 EULQJXQJV XQG 9HUSÀHJXQJVNRVWHQ (LQ- Die geplante Polizeireform trat am nahmeverluste von rund 450 000 DM. Es 1.7.2002 in Kraft und führte unter anderem wurde weiterhin festgestellt, dass die gängi- zum Wechsel des Präsidenten der FHPol ge Praxis des Führerscheinerwerbes dahin- zum LKA.45 gehend geändert werden sollte, dass die 'LH (U|ႇQXQJ GHV (XURSlLVFKHQ =HQW- Kosten zumindest zu einem Teil von den rums durch den Innenstaatssekretär Eike Beamtinnen und Beamten getragen wer- Lancelle am 6.10.2003 stellte einen der Hö- den.39 hepunkte in diesem Jahr dar. Noch während der eigentlichen Aufbauphase organisierte 5.2 Entwicklungen der Fachhochschule dieses eine Veranstaltung anlässlich des 40. der Polizei Jahrestages des deutsch-französischen »Elyseé-Vertrages« und machte durch die Am 25.1.1999 wurde durch den Innenminis- bereits seit zwölf Jahren bestehende Zusam- ter Alwin Ziel die neue Fachhochschulbiblio- menarbeit mit der Polizeischule Slupsk auf thek eingeweiht. Ferner wurden die Bezie- sich aufmerksam.46 hungen zu Polen, hier besonders mit der 2005 fand erstmals ein Besuch einer Partnerschule Slupsk, nach der Gründung tschechischen Polizeidelegation aus dem der FHPol weiter vertieft. Bereits in den letz- Kreis Cheb statt, dem ein Gegenbesuch ei- ten Jahren erfolgte Schüler- sowie Lehrer- ner Studentendelegation der FHPol folgte. austausche wurden ab 1999 unter der Ein- Auch hier wurden Kontakte geknüpft und beziehung von Kommissarsanwärterinnen weitere Zusammenarbeit beschlossen.47 Die und -anwärtern ergänzt. Ebenfalls besuchte guten Beziehungen zu Polen führten ferner im Mai diesen Jahres eine Delegation aus dazu, dass in der Zeit vom 15.3.– 17.3.2005 China die Einrichtung im Rahmen eines der Präsident der Fachhochschule und der Kurzbesuches.40 Leiter des Europazentrums einer Einladung Die am 19.9.2000 von der Landesregie- nach Warschau folgten. Im Ergebnis wurden rung beschlossenen Eckpunkte der Polizei- weitere Schritte in Bezug auf die künftige Zu- reform sahen Standortwechsel des LKA sammenarbeit in Lehre und Wissenschaft und der FHPol vor.41 Die Diskussionen über vereinbart. Insgesamt nahmen bis dahin 800 die Reform und den damit verbundenen auf Polizeischüler sowie 200 Lehrkräfte der FH- die FHPol zukommenden Veränderungen, Pol und der polnischen Partnerschule Slupsk konnten jedoch nach einigen Workshops ab an verschiedenen Veranstaltungen teil.48 1RYHPEHUSRVLWLYEHHLQÀXVVWZHUGHQ Ebenfalls zum ersten Mal begannen Die meisten Mitarbeiter der FHPol beteilig- Ratsanwärter/-innen aus Berlin und Bran- ten sich aktiv mit Ideen und Vorschlägen an denburg am 4.10.2005 ihr zweijähriges Stu- diesem Prozess.42 dium für den h. D. in Basdorf. Bisher fand Neben Studentenaustauschen mit der das erste Studienjahr an der Landespolizei- Polizeischule Slupsk erfolgte auch ein Stu- schule in Berlin statt.49 dentenaustausch mit der rumänischen Poli- Nach zweieinhalbjähriger Bauphase konn- zeiakademie »Alexandru Ioan Cuza« in Bu- te am 4.11.2006 der neue Campus am karest in der Zeit vom 18.4.–23.4.2001 und 6WDQGRUW2UDQLHQEXUJIHLHUOLFKHU|ႇQHWZHU- 30.6.–8.7.2001, in dessen Ergebnis weitere den50 (die Gründe des Standortwechsels Zusammenarbeit beschlossen wurde. Zu- werden später unter Punkt 10 noch erläu- gleich wurden erste Kontakte mit dem inter- tert). Nach der symbolischen Schlüsselüber- nationalen Fortbildungszentrum des ungari- gabe erfolgte die Vereidigung von 110 Be-

Oranienburger Schriften 1 / 2019 63 Marc Giard

amtenanwärterinnen und -anwärtern des ge und vertrauensvolle Zusammenarbeit Einstellungsjahrganges 2006. Es wurden angestrebt.54 neben Angehörigen der Anwärter/-innen Es gab weiterhin vier Abteilungen. Zur Ab- auch ca. 120 Ehrengäste geladen. Im Laufe teilung Verwaltung gehörten nun vier ver- des Tages besuchten weit über 3500 Gäste schiedene Dezernate und zwei Einrichtun- die FHPol und übertrafen somit die Erwar- gen. Neben den Dezernaten Personal und tungen um ein Vielfaches.51 allgemeine Hochschulangelegenheiten, Haushalts-/Wirtschaftsführung und Liegen- 6. Organisationsstrukturen der schaften und dem Werbe- und Auswahl- Polizeieinrichtungen dienst waren hier ebenfalls die Technik, der polizeiärztliche Dienst und die Bibliothek Laut Organisationsplan mit Stand vom angegliedert. Die zweite Abteilung Studium/ 15.12.1992 befand sich an oberster Stelle Ausbildung war in drei Dezernate geteilt. Es der Direktor der LPS, dem das Büro des Di- gab nun neben dem eingeführten Dezernat UHNWRUV PLW GD]XJHK|ULJHU gႇHQWOLFKNHLWV Studium g. D., die Ausbildung m. D. und der und Pressestelle zur Seite stand. Er leitete Aufstieg g. D. sowie die Ausbildungsleitung die LPS, führte die Dienstgeschäfte und h. D. für Seiteneinsteiger. Die Abteilung überwachte die ordnungsgemäße Ausfüh- Fortbildung gliederte sich neben den drei rung der Verwaltung. Weiterhin existierten Dezernaten der allgemein fachlichen und ein Personalrat und eine Vertretung der funktionsbezogenen, der technikbezogenen Schwerbehinderten. Die LPS gliederte sich und der verhaltensorientierten Fortbildung in vier Abteilungen. Der Abteilung 1 der Ver- in das Diensthundewesen und die Sportbil- waltung waren das Dezernat mit Schwer- dungsstätte. Eine Schlüsselposition nahm punkt Personal, Verwaltungsorganisation die letzte Abteilung Fachgruppen (FG) /All- und Haushalt, und das Dezernat Wirtschafts- gemeiner nichttechnischer Verwaltungs- verwaltung angegliedert. Zur Abteilung 2, der dienst, Vertretung des Direktors ein, die eine Zentralabteilung, gehörten die drei Dezerna- Koordinierungszuständigkeit zwischen ihrer te Zentrale Dienste, der Werbe- und Aus- und den letzten beiden genannten Abteilun- wahldienst und Technik. Die Abteilung 3, die gen einnahm. Neben den drei Dezernaten Ausbildung, gliederte sich in die Dezernate Studienwesen, Ausbildungs- und Fortbil- Organisation, Lehrgänge und Fachhoch- dungsangelegenheiten, dem allgemeinen schule. Abteilung 4, Fortbildung, gehörten nichttechnischen Verwaltungsdienst und die Allgemeine und die funktions- und de- der Fortbildung der staatlichen und kommu- liktsbezogene Fortbildung an.52 nalen Verwaltung war diese Abteilung in sie- Die am 1.12.1997 erlassene Verfügung ben Fachgruppen unterteilt. Es gab die fol- des Direktors der FHöV/LPS über »den Auf- genden Fachgruppen: Einsatz- und bau, die Organisation und Arbeitsweise der Führungslehre, Rechts- und Kriminalwis- Fachgruppen sowie der Studien- und Ausbil- senschaften, Verkehrsrecht/Verkehrslehre, dungsorganisation gemäß Übergangsstruk- Gesellschafts- und Humanwissenschaften tur in Vorbereitung der Gründung einer Fach- und Sprachen, Informations- und Kommuni- hochschule der Polizei«53, spiegelte sich am kationstechnik und zuletzt Führung, Ma- 1.9.1998 in einem übergangsweisen Organi- nagement und Steuerungsmodelle.55 gramm wider. An oberster Stelle stand wei- Mit dem Gesetz zur Errichtung der Fach- terhin der Direktor der FHöV und der LPS. hochschule der Polizei des Landes Bran- Ihm stand ein Senat aus gewählten Vertre- denburg vom 21.12.1998 erfolgte eine tern der Einrichtung gegenüber. Neben dem gesetzlich festgeschriebene Organisati- Büro des Direktors und der Geschäftsstelle onsstruktur der FHPol. Mit Stand vom Bildungskooperation gab es neben dem vor- 26.1.1999 befanden sich an oberster Stelle her schon existierenden Personalrat und den der FHPol der Präsident und der Senat. Vertretern der Schwerbehinderten nun auch Der Präsident leitete die FHPol, vertrat sie eine Jugend- und Auszubildendenvertretung nach außen und überwachte den ord- (JAV), einen Studentenrat und Gleichstel- nungsgemäßen Gang der Verwaltung und lungsbeauftragte. Hierdurch wurde eine en- führte die Dienstgeschäfte. Dem Senat ge-

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hörten neben dem Präsidenten als Vorsit- Im Jahr 2003 existierten weiterhin das Amt zenden seine Vertreter, die Abteilungsleiter, des Präsidenten, der Senat, Personalrat, ein Vertreter jeder Fachgruppe, zwei Vertre- Gleichstellungsbeauftrage, Schwerbehin- WHU GHV QHEHQEHUXÀLFKHQ /HKUSHUVRQDOV dertenvertretung und die JAV. Neu war nun, und je ein Vertreter aus jedem Studien- und dass es nur zwei Abteilungen und drei Fach- Ausbildungsgang an. Der Senat beschloss gruppen gab. Die Abteilung 1 Verwaltung die Geschäftsordnung der FHPol, die Studi- gliederte sich nun in vier Dezernate: dem en-, Praktikums- sowie Diplomierungsord- Dezernat für Personal, Rechtsangelegenhei- nung und unterstützte und beriet den Präsi- ten, Verwaltungsorganisation, dem Dezernat denten in grundsätzlichen Angelegenheiten. für Haushalt, Liegenschaften, Technik, dem Die FHPol bestand weiterhin aus Abteilun- Dezernat Planungszentrum für Aus- und gen und Fachgruppen. Die Abteilung der Fortbildung, Bibliothek, Medienzentrum, Fachgruppen und Vertretung des Direktors Lehrmittel und dem Dezernat Werbe- und wurde umbenannt in Abteilung Fachgrup- Auswahldienst. Abteilung 2 Training/Projekte pen und Vertreter des Präsidenten. Die Ab- spaltete sich in die drei Dezernate Europäi- teilung Studium/Ausbildung verfügte nun sches Zentrum, Dienstellenberatung, Projek- über das Dezernat Studienwesen. In der te sowie das Dezernat Verhaltenstraining/ Abteilung Fortbildung gab es fortan nur Kommunikation, Integrierte Fortbildung, In- noch die Allgemeine Fortbildung, die Ver- formations- und Kommunikationstechnik, haltensorientierte Fortbildung, das Dienst- Sport, Fahr- und Sicherheitstraining, Dienst- hundewesen und die Sportbildungsstätte.56 hundewesen. Die FG 1 Einsatzwissenschaf- Die Einführung des Umfassenden Quali- ten versammelte die Lehrgebiete der Ein- tätsmanagements (TQM) in der Polizei Bran- satz-, Führungs- und Verkehrslehre, des denburg wurde am 26.11.1998 durch die Verkehrsrechts und der Berufsethik und den Leiter der Polizeibehörden und Polizeiein- geschlossenen Fortbildungsgang der Füh- richtungen in Zusammenarbeit mit dem MI rungskräfte des g.D. in sich. FG 2 Rechts- beschlossen. Die Hauptaufgaben waren, die wissenschaften beinhaltete die Lehrgebiete Bürgerorientierung, also die Kundenzufrie- des Staats- und Verfassungs-, Allgemeinen denheit, und Mitarbeiterzufriedenheit zu er- 9HUZDOWXQJV (LQJULႇV 6WUDI =LYLO 2UG- K|KHQXQGGLH(ႈ]LHQ]XQGGLH/HLVWXQJVIl- QXQJVZLGULJNHLWHQ gႇHQWOLFKHQ 'LHQVW- higkeit der Polizei zu sichern. Nach dem rechts und der Politologie. In der letzten TQM-Erlass des MI vom 15.7.1999 wurde Fachgruppe, FG 3 Kriminal-/Sozialwissen- ebenfalls das Zentrale Qualitätsbüro an der schaften, befanden sich die Lehrgebiete der FHPol gegründet. Dieses sollte dort alle per- Kriminalistik, Kriminologie, Kriminaltechnik, sonellen und anderen Ressourcen optimie- Soziologie, Psychologie und Sprachen.59 ren. Die FHPol entschloss sich zu einer Es handelte sich Ende 1992 um ein einfa- schrittweisen Einführung des TQM durch ches Organigramm, welches den damali- Einrichtung von Arbeitsgruppen zu jeweils gen Anforderungen an die LPS gerecht wur- bestimmten Themen und Projekten.57 de. Die einzelnen Dezernate der Abteilungen Weitere Änderungen bis zum 1.9.1999 waren nochmal in mehrere Teildezernate waren neben der Einführung des Dezerna- untergliedert. Mit der Gründung der FHPol tes Wissenschaftliche Dienstleistungen/Zen- 1998 wurde eine Übergangslösung einge- trales Qualitätsbüro, welches der nun umbe- führt, um den veränderten Anforderungen nannten Abteilung Fachgruppen/Vertretung gerecht zu werden. Eine Umstrukturierung des Präsidenten untergliedert war, die Eintei- musste erfolgen, da sich die neu gegründe- lung der Abteilung Fachgruppen/Vertretung te FHPol nun der gesamten polizeilichen des Präsidenten in fünf statt bisher sieben Ausbildung aller Beamtinnen und Beamten Fachgruppen: Einsatz- und Führungslehre/ am Standort Basdorf gegenüber in der Ver- Management, Rechtswissenschaften, Krimi- antwortung sah. Mit Stand vom 26.1.1999 nalwissenschaften, Verkehrslehre und der wurde dieses dann in ein festgeschriebenes letzten Fachgruppe Gesellschafts- und Hu- Organigramm umgewandelt. Die geplanten manwissenschaften, Sprachen und Sonsti- Reformvorhaben der Politik in Bezug auf ge.58 die Polizei kamen 2003 zum Vorschein. Ins-

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besondere an der FHPol kam es am Angesichts der schwierigen Aktenlage 6.10.2003 zur Neustrukturierung, die einen war es nicht möglich, eine genauere Über- Abbau von Führungsebenen und eine Re- sicht des Führungs- und Leistungsberei- duzierung von Abteilungen und Fachgrup- ches zu erstellen. Zum Teil sind diese Akten pen ermöglichten. über mehrere Behörden hinweg verteilt oder QLFKWPHKUDXႈQGEDU'LHVSH]LHOOHQ%H]LH- 7. Personen des Leistungsberei- KXQJHQXQG9HUÀHFKWXQJHQGHU/36LQ%DV- ches der Einrichtungen dorf zur FHöV in Bernau und anschließend der FHPol erforderten außerdem eine ge- Direktor der ersten Stunde der LPS war meinsame, statt einer separaten, Übersicht Gerhard Wettschereck. Er leitete die Ein- der Einrichtungen. richtung vom Beginn 1991 bis zum 30.6.1995. Ihn vertrat Prof. Dr. Rolf Acker- 8. Entwicklungen des Personals mann. Außerdem war dieser Vertreter des Direktors der FHöV und LPS in den Jahren 8.1 Bewerbungen und Einstellungen 1992–1999. Gründungsrektor der FHöV wurde am 1.8.1991 Prof. Dr. Werner Gie- Die Zahl der Interessenten für den m. D. sen. Er wurde am 3.2.1993 durch Prof. Dr. lag im Jahr 1991 bei 1089. Von den an den Nicolai Müller-Bromley abgelöst, welcher Auswahlverfahren teilnehmenden 675 das Amt inne hatte, bis Dr. Manfred Tröder Kandidaten wurden immerhin 149 einge- am 1.3.1995 als Leiter der FHöV und der stellt. Bis 1992 änderte sich daran kaum LPS bestellt wurde. Herr Wilfried Krämer etwas. Von 1117 Bewerbern wurden knapp leitete von 1993–1997 die Verwaltung der die Hälfte, nämlich 667, zum Auswahlver- LPS. Otto Richardt wurde dann als Verwal- fahren eingeladen und davon schließlich tungsleiter und Kanzler der FHPol und 155 auch als Anwärter aufgenommen. Für FHöV bis zum Jahr 2005 eingesetzt.60 den g. D. gingen 1991 nur 717 Bewerbun- Der Bereich Polizeivollzugsdienst wurde gen ein. Von den 470 Teilnehmern der Aus- im Juni 1991 zunächst von Jörg Mielke etab- wahlverfahren wurden 161 als Beamtinnen liert, bis dann am 1.4.1992 Herr Gerards und Beamte auf Widerruf ernannt. Ein Jahr zum Fachbereichsleiter gewählt wurde. später gingen nur 424 Bewerbungen ein, Nach dem dieser in den Ruhestand ging, bei 271 Teilnahmen und letztendlich 111 wurde Manfred Philipp am 1.3.1997 zum Einstellungen.61 amtierenden Leiter des Fachbereichs Poli- Mit 3499 Bewerbungen im Jahr 1994 ver- zeivollzugsdienst berufen, vertreten durch doppelte sich die Anzahl der Bewerbungen Frau Prof. Dr. Reingard Nisse.60a für den m. D. und g. D. im Vergleich zum Am 1.2.1997 übernahm Dr. Bernd-Ulrich Jahr 1991. Die Zahl lag 1995 sogar noch hö- Straube das Amt von Dr. Tröder. Dieser her. Ganze 5194 Unterlagen gingen beim wurde dann der Präsident der FHPol und Werbe- und Auswahldienst der Landespoli- blieb dies bis zum 4.7.2002. Ihn vertrat zeischule in Basdorf ein. 4200 Personen nach 1999 Prof. Dr. Reingard Nisse. Sie wurden zu Testverfahren eingeladen. Es er- blieb bis 2008 Vertreterin des Präsidenten folgten im m. D. und g. D. jeweils 150 Ein- und Vizepräsidentin der FHPol. Nach dem stellungen. Die hohe Anzahl der Bewerbun- Wechsel von Dr. Straube zum LKA Anfang gen lässt sich auf einige wichtige Ursachen Juli 2002 amtierte Prof. Dr. Peter Kirmße zurückführen, so wurden gezielt jüngere vom 9.7.2002 bis 31.12.2003 als Präsident Zielgruppen angesprochen und ein durch- der FHPol. Mit Wirkung vom 1.3.2004 übt gängiges Informationskonzept aus dem Rainer Grieger das Amt des Präsidenten Jahr 1994 endlich verwirklicht. Weiterhin lag der FHPol bis heute aus, seit dem 1.9.2008 die Zahl der Schulabgänger bei ca. 30 500, vertritt ihn Dr. Jochen Christe-Zeyse. Im was eine deutliche Erhöhung im Vergleich Jahr 2005 wurde Dietmar Wutzler der Nach- zu den Vorjahren darstellte.62 folger von Herrn Richardt. 2010 übernahm Von 3649 Interessenten 1996 wurden un- sein Amt Frau Martina Höpner, die bis heute gefähr die Hälfte auf Grund von Voraus- eingesetzte Kanzlerin der FHPol.60b wahlkriterien, wie Einhaltung des Bewer-

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bungstermins, Vollzähligkeit der geforderten Für den Jahrgang 2003 gingen mit insge- Unterlagen und Beachtung der schulischen samt 3730 ca. 10 % mehr Bewerbungsunter- Leistungen, vorher abgelehnt. 1988 von ih- lagen als im Vorjahr ein. Hiervon nahmen nen wurden zum Testverfahren zugelassen, insgesamt 3027 Personen an den Testver- woraufhin 50 Einstellungen im m. D. und 150 fahren teil. Von ihnen wurden schließlich 38 im g. D. erfolgten. Die Zahl der Anwärterin- Männer und 7 Frauen in den m. D. und 95 nen betrug hier 13 im m. D. und 66 im g. D.63 Anwärter/-innen, davon 35 Frauen, in den g. Im Jahr 1997 begannen 53 D. als Beamte und Beamtinnen auf Widerruf Polizeimeisteranwärter/-innen ihre Ausbil- ernannt.71 dung und 160 Kommissarsanwärter/-innen Durch gezielt geschaltete Anzeigen in nahmen ihr Studium in Basdorf auf. 1998 Zeitungen und im Internet sowie der ver- wurden an der Fachhochschule der Polizei stärkten Werbung durch Ansprechpartner in 571 Bewerbungen für den m. D. und 2293 den Schutzbereichen erhöhte sich im dar- für den g. D. bearbeitet. Lediglich 150 DXႇROJHQGHQ-DKUGLH=DKOGHULQWHUHVVLHU- Anwärter/-innen für den g. D. wurden in die- ten Kandidaten auf 5013, was einem An- sem Jahr genommen. Hiervon betrug der stieg von 37 % entspricht. Davon bewarben Anteil der Frauen 53.64 900 Bewerber für den sich ca. 50 % für beide Laufbahngruppen. m. D. erhielten die Auskunft, nachdem das 91 Anwärter/-innen, davon 20 weiblich, wur- Haushaltsgesetz verabschiedet wurde, dass den für den m. D. und 100 Anwärter/-innen, in diesem Jahr keine Stellen verfügbar sind.65 davon 29 weiblich, für den g. D. eingestellt.72 Nach der Einstellungspause des m. D. im 2005 gab es einen Anstieg der Bewer- Jahr 1998 wurden im Jahr 1999 wieder 50 bungen um 14,1 % auf insgesamt 5718, je- neue Anwärter/-innen, davon 13 Frauen, für doch kam es zu keinen Ernennungen.73 Im die Ausbildung eingestellt. Für 100 Anwärter/- selben Jahr wurden in Berlin ebenfalls kei- innen, davon 37 Frauen, erfolgte die Ernen- ne Einstellungen vorgenommen, in Bremen nung zum Anwärter/-innen für das Studium betrug die Anzahl lediglich 25, in Hamburg des g. D. Insgesamt gab es 5215 Bewerber/- 28. Das Saarland stellte 60 Anwärter/-innen innen, von denen 2276 sich den Auswahlver- ein, Sachsen-Anhalt 70 und Thüringen 79.74 fahren stellten.66 Es wurden die besten 55 Bewerber/-innen Daran änderte sich im Jahr 2000 nur wenig. für den m. D. und g. D. aus dem Jahr 2005 Es erfolgten 39 Einstellungen für den m. D. schließlich im Jahr 2006 eingestellt, davon sowie 104 für den g. D.67 Erstmals gab es nun jeweils 11 und 20 weibliche Bewerberin- Diplomabschlüsse zu erreichen, den Diplom- nen.75 grad »Diplomverwaltungswirt/in Polizei« mit Zusammenfassend lässt sich sagen, dem Zusatz »(FH)« verliehen, die jedoch auf dass sich die Anzahl der Bewerbungen mit freiwilliger Basis beruhten. Diese Diplomie- ca. 1800 in den Anfangsjahren bis 1994 auf rungsordnung trat am 15.3.2000 in Kraft.68 knapp 3500 verdoppelte, dann bis 1998 auf Die Zahl der Anwärter/-innen, die ihr Studi- ca. 3000 sank. Sie erreichte ihren höchsten um aufnahmen, blieb im Jahr 2001 wie im Stand 1999 mit 5215 Bewerbungen und lag Vorjahr bei 104. Im m. D. erfolgten 44 Ein- 2006 noch bei 5013. Das prozentuale Ver- stellungen. Es gab insgesamt 4083 Interes- hältnis von Bewerbungen zu Einladungen senten für dieses Jahr. In diesem Jahr war zum Testverfahren schwankte zwischen ca. die Kompensierung des Rückgangs der Inte- 60–64 % in den Anfangsjahren, erreichte ressenten für den Polizeiberuf um ca. 25 % 81 % im Jahr 1995, sank dann auf den Tief- eine der Hauptaufgaben des Werbe- und punkt von 44 % im Jahr 1999, bevor 2002 Auswahldienstes.69 der höchste Stand mit 95 % erreicht wurde. 2002 gingen die Bewerberzahlen weiter Die Zahl der Rekrutierungen war 1991 mit herunter. So bewarben sich nur 3699 Män- 310 neuen Anwärter/-innen hoch, fünf Jahre ner und Frauen. Von ihnen wurden allerdings später waren es 100 weniger. Von da an auch 3491 zu den Auswahlverfahren einge- wurden, abgesehen von 200 neuen Einstel- laden. Es gab 50 Einstellungen für den m. D. lungen im Jahr 1999, jeweils nur um die 150 und 100 für den g. D. Unter ihnen waren 53 neuen Anwärter/-innen ernannt. Das Ver- Frauen.70 hältnis m. D./g. D. betrug durchgängig ca.

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1:2. Allerdings wurden 1998 nur 150 chensbekämpfung, Staatsschutz, Auswer- Anwärter/-innen für den g. D. eingestellt tung und Ermittlungsunterstützung sowie und 2005 keine Einstellungen vorgenom- die Kriminaltechnik. Es war nicht vorgese- men, stattdessen wurden die erfolgreichen hen, dass das LKA eigenständige Ermitt- Bewerber/-innen im Folgejahr ernannt. Es lungsarbeit leistet, sondern nur auf ist also ein Abwärtstrend in den letzten Jah- Ersuchen von Generalbundesanwalt, ren der FHPol in Basdorf erkennbar. Der Staatsanwaltschaft, Gericht oder auf Wei- Anteil der Frauen bei den Einstellungen sung des Innenministers eingreift. § 10 des beim m. D. betrug ca. ein Fünftel, im g. D. Gesetzes über die Organisation und die ca. 38 %. Zuständigkeit der Polizei im Land Branden- burg – Polizeiorganisationsgesetz (POG 8.2 Personalbestand Brbg) vom 20.04.1991 regelte diese Zu- ständigkeit.80 Mit Stand vom Dezember 1991 betrug die Das LKA Brandenburg nahm mit 195 Mit- Zahl der Personen des Stammpersonals arbeiterinnen und Mitarbeitern am 1.1.1992 der LPS 228 und die Zahl der Auszubilden- Rႈ]LHOOVHLQHQ'LHQVWDXIGLHVH=DKOVWLHJ den 246. Zum Stammpersonal kamen bis bis zum Januar 1993 auf 229 an. 1992 wur- Ende 1995 noch einmal ca. 100 neue den auch die ersten Ermittlungs- bzw. Son- Mitarbeiter/-innen, sodass die Gesamtan- derkommissionen gebildet. Eine der ersten zahl nun 334 betrug. Die Gesamtanzahl der war die Ermittlungskommission »Weide«, Anwärter/-innen erhöhte sich zunächst auf die mit Erlass des Innenministeriums vom 537, 790 und dann 952 in den Folgejahren. 14.2.1992 gegründet wurde. Seit Septem- Im Dezember 1995 lag sie bei 980.76 ber 1991 war es zu professionell ausgeführ- Seit 1995 zeigte sich ein Abwärtstrend ten Großviehdiebstählen in Brandenburg beim Stammpersonal, dessen Personal gekommen. Im Zuge der Ermittlungsarbeit sich bis Ende des Jahres 1998 auf 250 ver- konnten am 15.10.1992 die Ermittlungsak- kleinerte. Auch die Gesamtanzahl der ten an die Staatsanwaltschaft in Frankfurt Anwärter/-innen sank von 907 im Jahr 1996 (Oder) übergeben werden und es kam zur bis auf 692 im Folgejahr und am Ende des Aufklärung von insgesamt 17 der 23 Anzei- Jahres 1998 gab es nur noch 542 Anwärter/- gen der Diebstähle. Im Verlauf der Jahre innen an der FHPol.77 Im Jahr 2001 betrug gab es eine Reihe von organisatorischen die Anzahl der Anwärter/-innen noch weni- Veränderungen und Umstrukturierungen im ger. 418 Studenten, Studentinnen und Aus- LKA. Den Höhepunkt stellte jedoch die Poli- zubildende gab es an der FHPol. Der Per- zeistrukturreform dar, in dessen Folge das sonalbestand blieb in etwa konstant und LKA an den Standort Eberswalde am betrug 263.78 Während des Umzuges der 1.7.2001 umzog.81 FHPol 2006 betrug die Zahl des Stammper- sonals lediglich 208, es wurden auch nur 10. Umzug der Fachhochschule 284 Anwärter/-innen ausgebildet.79 von Basdorf nach Oranienburg 2006 9. Landeskriminalamt 10.1 Standortentscheidung Den am 10.6.1991 errichteten Aufbaustab zur Errichtung des LKA, welchem 15 Beam- Es gab vermögensrechtliche Rückgabean- te und Angestellte angehörten, leitete der sprüche, sogenannte Restitutionsansprü- damalige Kriminaloberrat des LKA NRW che, von Teilen der Liegenschaft in Bas- Axel Lüdders. Da sich das LKA Branden- dorf. Zeitlich war nicht absehbar, wann burg strukturell an dem des LKA Düsseldorf diese endgültig geklärt werden würden, orientierte, gab es dort ebenfalls eine Zen- daher lag also auch die Zukunft des LKA tralabteilung, welche die Organisation und und der LPS im Ungewissen. Am 19.9.2000 Grundsatzfragen, Verwaltung, Dauerdienst beschloss deshalb die Landesregierung und Technik vereinte. Weiterhin gab es vier die Eckpunkte einer Polizeireform, welche weitere Abteilungen: Überregionale Verbre- vorsah, das LKA und seinen zweiten Stand-

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ort in Berlin-Johannisthal an den Standort Der Personalrat sah den geplanten Um- des Polizeipräsidiums Eberswalde zusam- zug sehr kritisch und war strikt dagegen. menzuführen. Die LPS sollte an einen Lie- Schließlich war Basdorf eine polizeieigene genschaftsstandort verlegt werden, der Liegenschaft gewesen, welche groß genug nicht restitutionsbelastet war. Es wurde als und auch ausbaufähig war. Die Europäische neuer Standort der des damaligen Polizei- Union wäre eventuell sogar bereitgewesen, präsidiums Oranienburg beschlossen. Die ein Modernisierungsprogramm zu fördern, Landesregierung sah die »Inanspruchnah- mit dessen Hilfe man diesen Standort auf ein me des Geländes eines ehemaligen Kon- hohes Niveau hätte ausbauen können. Fer- zentrationslagers – heute Gedenkstätte – ner waren dort Unterkünfte vorhanden, die in für Aus- und Fortbildung der Polizei« als Oranienburg nicht vorhanden waren.87 eine gute Möglichkeit, dieses einer sinnvol- Ein großer Teil der Belegschaft hatte kein len Nachnutzung zuzuführen.82 Verständnis dafür gehabt, dass nicht in 'LHJHSODQWHQ$XÀ|VXQJHQGHU3UlVLGLHQ Basdorf investiert wurde und warum nun machten »Kompensationen« notwendig, gerade Oranienburg der neue Standort der nach denen gesucht wurde. Die Politik wollte FHPol werden sollte und schöpften ihre Geld in die Liegenschaft in Oranienburg in- Möglichkeiten der Remonstration voll aus. vestieren. So zog die FHPol auf das Gelände Enorme Überzeugungsarbeit war notwen- des ehemaligen Polizeipräsidiums Oranien- dig. Schließlich wurde 2003 mit dem Bau burg und das LKA an den Standort des Poli- EHJRQQHQXQGHUIROJWHGLH(U|ႇQXQJ zeipräsidiums Eberswalde. In Eberswalde Der Termin wurde dabei mehrmals verscho- war es leichter, diese operative Polizeibehör- ben. Insgesamt wurden 42,5 Millionen Euro de unterzubringen statt der FHPol.83 für das Bauvorhaben der FHPol in Oranien- 1HEHQGHP$XÀ|VHQGHU3ROL]HLSUlVLGLHQ burg aufgewandt. Die Grundlage der Pla- in Eberswalde und Oranienburg war auch nung war der Raumbedarfsplan, der vom GDV$XÀ|VHQGHV3UlVLGLXPVLQ&RWWEXVJH- Finanzministerium geprüft und vom Innen- plant, welches natürlich für eine kurze Zeit- ministerium genehmigt wurde.88 spanne besonders die Befürchtung aufkom- Bis zum Jahr 2001 wurden jedoch rund 60 men ließ, dass die FHPol dorthin verlegt Millionen DM für Sanierungen eingesetzt, die werden könnte. Daher war Oranienburg, sich nicht wertsteigernd, sondern nur bedingt auch auf Grund des S-Bahn Anschlusses, werterhaltend auswirkten. Wäre man weiter- als neuer Arbeitsplatz unter Mobilitätsaspek- hin am Standort Basdorf verblieben, hätten WHQHKHUIUGLH%HWURႇHQHQ]XPXWEDU84 die Kosten den Rahmen eines Neubaus er- Einer der Hauptgründe für die Verlegung reicht. Allein 80 % des Abwassernetzes wa- der FHPol nach Oranienburg war außerdem ren sanierungsbedürftig. In Oranienburg die schlechte Bausubstanz in Basdorf. Ein wurde dagegen bereits die vorhandene Bau- Großteil der Gebäude war »verrottet«.85 So substanz sowie Infrastruktur für rund 24 Mil- gab es »etliche Havarien« beim Leitungs- lionen DM saniert und somit konnte auf die netz und der Medienversorgung. Zwar ver- K|KHUZHUWLJH /LHJHQVFKDIW ]XJHJULႇHQ ZHU- fügte die FHPol über ein eigenes Heiz- und den.89 Wasserwerk sowie -netz, doch die Leitungen Die Verlegung bot ferner die Möglichkeit, waren verschlissen. Zurückzuführen sei dies im Sinne einer »notwendigen Reduzierung auf den starken Pappelbewuchs auf dem landesfremder Aufgaben«, den Betrieb der Liegenschaftsgelände Basdorf. Diese bilde- Wohnungsunterkünfte in private Hände zu ten Fallwurzeln, die sich in den Rohrleitun- legen. Die Etablierung eines landeseigenen gen verzweigten und diese verstopften. Spe- Wohnheimes am neuen Standort Oranien- ]LDO¿UPHQ ZXUGHQ EHDXIWUDJW GDV 3UREOHP burg war also nicht vorgesehen.90 zu beseitigen, konnten allerdings auch nicht Bei der Frage der Unterkünfte gibt es nach Herr der Lage werden. Ferner gab es Proble- wie vor unterschiedliche Meinungen. So sei me mit der strukturellen Verkabelung, die manch einer durchaus froh darüber, nach- dort nicht gegeben war. Es war schwierig, mittags aus dem Polizeibereich herauszu- nachzuverkabeln. In Oranienburg hingegen kommen. Zum Teil kamen einige Basdorfer gab es ein neues intaktes Netz.86 Studenten und Studentinnen gar nicht mehr

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raus und beschäftigten sich nur noch mit sich Verantwortung und Aufgabe die Polizei hat, selber und der Polizei, es entstand teilweise war in Oranienburg besser möglich als in ein »Lagerkoller«. Das führte teilweise zu Basdorf. Natürlich gab es Diskussionen in unangenehmen Situationen, die auch in Po- der Politik und Befürchtungen, dass zwi- lizeieinsätzen endeten. Die Grundsatzent- schen der Polizei und dem Nationalsozialis- scheidung, keine Unterkünfte in Oranienburg mus Parallelen gezogen werden könnten.96 bereitzustellen, wurde damals unabhängig Doch im Gegensatz zu diesen Befürch- YRP KLVWRULVFKHQ 2UW JHWURႇHQ XQG EHVRQ- tungen lobten bereits viele polnische und ders kritisch von den Berufsvertretungen ge- sogar israelische Kollegen und Kolleginnen sehen.91 die FHPol dafür, dass gerade auf diesem Der Personalrat hätte, da es sich um Sozi- Gelände junge Polizisten ausgebildet wer- DOHLQULFKWXQJHQ KDQGHOWH GHU $EVFKDႇXQJ den und so mit der Geschichte umgegan- der Unterkünfte zustimmen müssen, was gen wird. Es wurde aus der »auf den ersten dieser natürlich nicht tat. Dies führte sogar zu Blick scheinenden Bürde eine Tugend ge- Gerichtsverfahren, die jedoch keine eindeuti- macht«.97 ge Klärung brachten. Die Errichtung von Un- Auf Grund der besonderen Verstrickung WHUNQIWHQDP6WDQGRUW2UDQLHQEXUJJULႇLQ der Polizei und dem KZ, denn Kriminalpoli- GDV+DXVKDOWVUHFKWHLQXQG¿HOVRPLWDX‰HU- zei und Gestapo halfen bei der Verbringung halb der Zuständigkeit des Personalrates, dorthin, entstand an der FHPol mit dem Um- jedoch hätte die Gewerkschaft auf Grund ih- zug 2006 auch das Zentrum für Zeitge- res größeren Handlungsspielraumes etwas schichte der Polizei. Anfangs von Graf Det- unternehmen können. Das tat diese auch lef von Schwerin geleitet, übernahm sein und tut es bis heute, allerdings ohne nen- Amt dann Dr. Wieland Niekisch. Der m. D. nenswerte Erfolge.92 und g. D. sollen sich auf dem Gelände aus- Zumindest konnte durch zähe Verhand- kennen und sich darüber bewusst werden, lungen seitens der Gewerkschaft und des an welchem Ort sie unterrichtet werden. So Personalrates erreicht werden, dass die gibt es für jeden Einstellungsjahrgang einen Einstellungsjahrgänge 2003 und 2004 bis Grundkurs 19./20. Jahrhundert mit den zum Ende des Umzuges nach Oranienburg Schwerpunkten Politischer Extremismus, zum 30.9.2006 in Basdorf wohnen bleiben Weimarer Republik, Polizei im Nationalsozi- durften.93 alismus und im geteilten Deutschland.98 Den damaligen städtebaulichen Wettbe- 10.2 Bedeutung des Konzentrationsla- werb für die Gestaltung der Liegenschaft in gers Sachsenhausen Oranienburg gewann das Architekturbüro von Daniel Libeskind. Nach seiner Planung Besonders Prof. Dr. Günther Morsch von wurden das Gelände der FHPol und das KZ der Stiftung Brandenburger Gedenkstätten durch einen Riegel getrennt. Es gab Flucht- und der Bürgermeister von Oranienburg linien und Sichtachsen, letztere wurden hatten damals den Wunsch, den Standort durch den Riegel durchschnitten. Diese bil- der FHPol gerade an diesen historischen deten eine Dreiecksform, die es der SS da- Ort zu verlegen. Die Rolle der Geschichte mals ermöglichte, jederzeit alles im Blick zu des Konzentrationslagers (KZ) spielte eine haben. Der Spielraum zum Bau neuer Ge- wichtige Rolle in der Nachnutzung der Lie- bäude war so begrenzt.99 genschaft.94 Die Opferverbände und die Auf Grund des Denkmalschutzes war ei- Gremien der Stiftung Brandenburgische ne Neubebauung auf dem Gelände nicht Gedenkstätten begrüßten ebenfalls die vorgesehen. Mit Ausnahme der errichteten »Gelegenheit, diesem Gebäudeensemble Sporthalle handelt es sich um denkmalge- einer vernünftigen Nutzung zuzuführen und schützte Gebäude. Nach § 2 des Branden- somit zu erhalten«.95 burgischen Denkmalschutzgesetzes stehen Die Möglichkeit, Verbindungen zur Zeit nämlich die Gebäude des ehemaligen KZ des Nationalsozialismus aufzuzeigen, nicht mit Wirkung vom 17.1.2000 auf der Liegen- auszublenden, sondern sich damit zu be- schaft der FHPol unter Denkmalschutz. Ins- schäftigen und deutlich zu machen, welche besondere die Gebäudehüllen sind ge-

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schützt.100 Gebäudeumrisse und grundsätzli- JDEHQLFKWVWDWW¿QGHQZUGH(VZXUGHDO- che Gebäudeansichten, das schließt auch OHQIDOOVYRQHLQHU]X]DKOHQGHQ¿QDQ]LHOOHQ Fenster und Türen mit ein, dürfen somit nicht Entschädigung seitens des Landes ausge- verändert werden. Problematisch war das gangen.103 Von den insgesamt 382 890 m² zum Beispiel bei dem Neubau der Mensa, und 287 einzelnen Flurstücken, die der Lie- das dafür vorgesehene Gebäude musste auf genschaft in Basdorf zugeordnet waren, be- Grund bauphysikalischer Mängel abgerissen standen im Jahr 2000 auf insgesamt 37 werden und wurde anschließend exakt wie )OXUVWFNHQ PLW HLQHU *HVDPWÀlFKH YRQ vorher errichtet. Dies führt natürlich nun zu 242 433 m² Restitutionsansprüche. Hier wa- langen Schlangen in der Mittagspause, da ren besonders für die Liegenschaft wichtige sich alle durch einen Ein- und Ausgang Ver- )OlFKHQEHWURႇHQ,QVJHVDPWPHOGHWHQ SÀHJXQJ EHVRUJHQ PVVHQ )HUQHU ZDU HV Anspruchssteller vermögensrechtliche An- notwendig, die Raumschießanlage so herzu- sprüche an.104 richten, dass von draußen kein Schuss zu hören war. Der Außenbau durfte nicht verän- 10.4 Umzug dert werden, also wurde innerhalb der Anla- ge eine Betonmauer gezogen, um den Die Firma Grohmann wurde mit dem Um- Schallschutz zu gewährleisten. Ebenso ist zug der FHPol von Basdorf nach Oranien- die Diensthundeausbildung genauso wenig burg beauftragt. Die Kosten beliefen sich möglich wie die Verwendung von Startpisto- auf ca. 30 000 Euro. Für weitere 9000 Euro len auf dem Sportplatz.101 ZXUGH H[WUD HLQH 6SH]LDO¿UPD HQJDJLHUW die sich um die Verlegung der Hochschulbi- 10.3 Restitutionsansprüche an der bliothek kümmerte. Der Umzug an sich war Liegenschaft Basdorf »ein logistisches Glanzstück«, denn dieser verlief ohne den Ausfall einer einzigen Aus- Die Befehle Nr. 124 und 64 des Obersten bildungsstunde. Weiterhin wurde kein Lo- Chefs der Sowjetischen Militäradministrati- gistikunternehmen beauftragt, sondern die on in Deutschland enteigneten 1948 die Fir- FHPol organisierte alles selber. Ferner wur- PHQGLHJUR‰H7HLOÀlFKHQGHU/LHJHQVFKDIW den nach dem Umzug noch die Räumlich- in Basdorf besaßen und ließen sie gemäß keiten der Liegenschaft in Basdorf genutzt, Verordnung der Provinzialverwaltung Mark VRGDVVEHUÀVVLJH6DFKHQGRUWYHUEOHLEHQ Brandenburg vom 5.8.1946 in Volkseigen- konnten und in Oranienburg Platz für neue tum übergehen. Ebenfalls wurden Privat- $XVUVWXQJ JHVFKDႇHQ ZHUGHQ NRQQWH personen enteignet, die kleinere Flurstücke Dies war allerdings nur möglich, da die Bas- besaßen. Dies geschah im Zeitraum von dorfer Liegenschaft nicht direkt in das allge- 1956–1966 auf der Grundlage des § 14 des meine Finanzvermögen überging.105 Aufbaugesetzes vom 6.9.1950 in Verbin- dung mit § 3 der 2. Durchführungsverord- 10.5 Fachhochschule der Polizei heute nung zum Aufbaugesetz vom 7.6.1951. Nur wenige Flurstücke wurden von der DDR Die Entscheidung 2002 sah Weiterbildung von Privatpersonen aufgekauft. Einige Flur- an der FHPol nur im begrenzten Maß vor, stücke befanden sich im Besitz der Ge- da die gesamte Weiterbildung auf die da- meinde Wandlitz und gingen dann ins maligen Präsidien verteilt war. Erst die Volkseigentum über.102 Diese Rückübertra- zweite Polizeireform brachte 2011 die Um- gungsansprüche wurden mit der Übermitt- stellung, dass diese nun am Standort Orani- lung der Bescheinigungen nach § 32 Ver- enburg zentral erfolgte. Dementsprechend mögensgesetz durch das zuständige Amt werden die Unterkünfte zum Beispiel von ]XU 5HJHOXQJ RႇHQHU 9HUP|JHQVIUDJHQ LQ den sich weiterbildenden Teilnehmern und der Zeit von Januar 1994 bis Februar 1995 Teilnehmerinnen genutzt. Ebenso stehen EHNDQQW ,Q +LQEOLFN DXI GLH (U|ႇQXQJ GHU einige weitere Räumlichkeiten den FHPol auf diesem Gelände konnte damals Anwärter/-innen nicht mehr zur Verfügung. davon ausgegangen werden, dass eine Na- Die fehlenden Unterkünfte halten einige turalrestitution, also eine Grundstücksrück- Bewerber/-innen davon ab, sich für die FH-

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Pol zu entscheiden.106 Die Anzahl des Per- beschlossen, die Weiterbildung zentral an sonals änderte sich in den Jahren von 2013 der FHPol durchzuführen, was natürlich bis 2014 von 354 auf 355. Die Anzahl der enorme Kapazitäten erfordert, die den Stu- Studierenden erhöhte sich in dieser Zeit denten dann z.B. nicht mehr als Räumlich- von 266 auf 318 und die Auszubildenden- keiten zur Verfügung stehen. Neue Unter- zahl stieg ebenfalls von 142 auf 180. Mit künfte können auf Grund des Stand vom 1.1.2015 arbeiten 361 Personen Denkmalschutzes aber nicht errichtet wer- an der FHPol. Hinzu kommen 361 Studie- den. Jedoch kommen viele Anwärter/-innen rende und 257 Auszubildende.107 aus dem Umland und haben somit keinen Damals wurde die Fachhochschule so an- allzu großen Fahrweg. Auch die Anbindung gelegt, dass sie ausreichende Kapazitäten zur S-Bahn ermöglicht das schnelle Errei- besaß. Heute stößt sie aber an ihre Gren- chen des Campus. Eine zwingende Not- zen, da nun mehr Ausbildungen durchge- wendigkeit von Unterkünften ist somit nicht führt und mehr Anwärter/-innen eingestellt gegeben. Momentan wird geprüft, inwie- werden.108 Die Hochschulbauplanung sah weit die Einstellungszahlen in den nächs- damals nur 150 Neueinstellungen vor, die ten Jahren noch steigen, dementspre- durch den Kampf des Personalrates auf 280 chend muss eine Lösung gefunden werden, erhöht wurde. Das Ministerium der Finanzen um die Kapazitäten der FHPol entweder zu richtete sich damals an den gültigen Ausbil- erhöhen oder aber die Weiter- und Fortbil- dungs- und Studienplänen und dem Hoch- dungen zu verlegen. Derzeit ist neben ei- schulneubau aus. Auf Grund dieser wurden nem Schichtbetrieb für die Anwärter auch zum Beispiel weniger Sanitäranlagen und eine Verlegung der Hundertschaft Oranien- keine festen Klassen- und Kursräume ge- burg denkbar, um mehr Kapazitäten zu er- plant, letztere hätten allerdings auf Grund langen. Es bleibt abzuwarten, welche an- der nicht vorhandenen Unterkünfte eine Bin- deren Maßnahmen eventuell sinnvoll dung des Klassen- bzw. Kursteams ermög- wären. (2018 wurden insgesamt 401 An- licht. Es wurden bei der damaligen Planung wärterinnen und Anwärter eingestellt.) die Weiterbildungen nicht mit einbezogen, Wer sich auf dem Campus umsieht, wird die ebenso Kapazitäten brauchen. Erst spä- feststellen, dass es oft größere Veranstal- ter wurde beschlossen, diese in Oranienburg tungen über die verschiedensten polizeili- durchzuführen.109 Trotzdem spricht der Prä- chen Themen gibt. Die Flaggen vor dem sident der FHPol Rainer Grieger von einem Haus des Präsidenten ändern sich beinahe ª*OFNVJULႇ©0LWWOHUZHLOHKDEHVLFKHLQH$Q- wöchentlich und die verschiedensten Nati- erkennung für die FHPol entwickelt, die in RQDOÀDJJHQ ZHUGHQ JHKLVVW 'LH 6WHOOXQJ dieser Form in Basdorf nicht möglich gewe- der deutschen Polizei in internationalen sen wäre. Delegationen unterschiedlicher Einsätzen hat der FHPol auch eine neue Nationen besuchen diese regelmäßig.110 Funktion gebracht, der sie im Sinne von Repräsentationsaufgaben gerecht wird. 11. Ausblick Die FHPol hat sich zu einer Institution ent- wickelt, die Delegationen aus sämtlichen Heute arbeiten 361 Personen an der FHPol Bereichen unterschiedlichster Länder emp- in Oranienburg. Weiterhin studieren und ler- fängt, somit also eine Anerkennung weit nen 361 Anwärter/-innen des g. D. und es über die Landesgrenzen hinaus erworben gibt 257 Auszubildende des m. D. an der hat. Um es mit den Worten des Präsiden- Einrichtung. Die damals nicht geplante, ten der FHPol zu sagen: »Heute geben kürzlich erfolgte Erhöhung der Einstellun- sich die Delegationen hier die Klinke in die gen bringt die FHPol an ihre Grenzen. Erst Hand. Nicht nur aus Europa, sondern aus mit der Entscheidung 2011 wurde nämlich der ganzen Welt.«

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Abkürzungen

Bramo Brandenburgische Motorenwerke GmbH BMW Bayerische Motoren Werke FG Fachgruppe )+|9  )DFKKRFKVFKXOHIU|ႇHQWOLFKH9HUZDOWXQJGHV/DQGHV%UDQGHQEXUJ FHPol Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg g. D. gehobener Polizeivollzugsdienst h. D. höherer Polizeivollzugsdienst JAV Jugend- und Auszubildendenvertretung KZ Konzentrationslager LKA Landeskriminalamt LPS Landespolizeischule Brandenburg m. D. mittlerer Polizeivollzugsdienst NRW Nordrhein-Westfalen TQM Total Quality Management (Umfassendes Qualitätsmanagement)

Anmerkungen

1 Till Lorenzen, 2008, BMW als Flugmotorenher- 8. März 1999, S. 34-36, Basdorf steller 1926-1940 Staatliche Lenkungsmaßnah- 17 Persönliches Gespräch mit Klaus-Dieter men und unternehmerische Handlungsspielräu- 6FKႉHU2UDQLHQEXUJ me. Im Auftrag von MTU Aero Engines und 18 Landtag Brandenburg, 2001, Antwort der BMW Group, S. 168, 173, 183-185, München Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 961, 3. 2 Burghard Ciesla, 2014, Das Basdorfer Wahlperiode, Drucksache 3/2605, Potsdam Zwangsarbeiterlager, Studie zur Planungs-, 19 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, Bau- und Funktionsgeschichte des ehemaligen Jahresbericht 1992, S. 3,11-12, Basdorf Zwangsarbeiterlagers an der Reichsstraße 109 20 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, in Basdorf und die Nutzung des Areals nach Jahresbericht 1992, S. 13, Basdorf 1945, S. 8-10, 19, 27, Potsdam 21 Landespolizeischule Brandenburg, 1994, 3 Persönliches Gespräch mit Britta Stark, Jahresbericht 1993, S. 3, Basdorf 19.02.15, Bernau 22 Fachhochschule der Polizei des Landes 4 Persönliches Gespräch mit Klaus-Dieter Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung 6FKႉHU2UDQLHQEXUJ 8. März 1999, S. 35, Basdorf 5 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, 23 Landespolizeischule Brandenburg, 1995, Jahresbericht 1992, S. 6 zitiert nach Haushalts- Jahresbericht 1994, S. 3, Basdorf entwurf 1992, Basdorf 24 Landespolizeischule Brandenburg, 1996, 6 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, Jahresbericht 1995, S. 28, 35, 37, Basdorf Jahresbericht 1992, S. 6, Basdorf 25 Landespolizeischule Brandenburg, 1997, 7 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, Jahresbericht 1996, S. 5, 30-32, Basdorf Jahresbericht 1992, S. 6, Basdorf 26 Fachhochschule der Polizei des Landes 8 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung Jahresbericht 1992, S. 7, Basdorf 8. März 1999, S. 35, Basdorf 9 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, 27 Fachhochschule der Polizei des Landes Jahresbericht 1992, S. 7, Basdorf Brandenburg, 1999, Jahresbericht 1998, S. 3, 10 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, 26, Basdorf Jahresbericht 1992, S. 8, Basdorf 28 Fachhochschule der Polizei des Landes 11 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung Jahresbericht 1992, S. 9, Basdorf 8. März 1999, S. 28, Basdorf 12 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, 29 Fachhochschule der Polizei des Landes Jahresbericht 1992, S. 10, Basdorf Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung 13 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, 8. März 1999, S. 29, Basdorf Jahresbericht 1992, S. 32-33, Basdorf 30 Fachhochschule der Polizei des Landes 13a ebenda Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung 14 Persönliches Gespräch mit Michael Seiden- 8.März 1999, S. 29-30, Basdorf schwanz, 7.1.15, Oranienburg 31 Fachhochschule der Polizei des Landes 15 Alwin Ziel, Fachhochschule der Polizei des Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung Landes Brandenburg, 1999, Gründungsveran- 8.März 1999, S. 30-32, Basdorf staltung 8. März 1999, S. 8, Basdorf 32 Fachhochschule der Polizei des Landes 16 Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung 8.März 1999, S. 32, Basdorf

Oranienburger Schriften 1 / 2019 73 Marc Giard

33 Prof. Dr. Rolf Ackermann, Fachhochschule der Brandenburg, 1999, Gründungsveranstaltung Polizei des Landes Brandenburg, 1999, 8. März 1999, S. 23, Basdorf Gründungsveranstaltung 8. März 1999, S. 5, 57 Fachhochschule der Polizei des Landes Basdorf Brandenburg, 2000, Jahresbericht 1999, S. 34 Landtag Brandenburg, 1996, Antwort der 54-56, Basdorf Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 905, 2. 58 Fachhochschule der Polizei des Landes Wahlperiode, Drucksache 2/3085, Potsdam Brandenburg, 2000, Jahresbericht 1999, 35 Persönliches Gespräch mit Britta Stark, 19.2.15, Anlage 2, Basdorf Bernau 59 Fachhochschule der Polizei des Landes 36 Landtag Brandenburg, 2001, Antwort der Brandenburg, 2004, Jahresbericht 2003, S. Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 818, 3. 4-6, Basdorf Wahlperiode, Drucksache 3/2181, Potsdam 60 Persönlicher E-Mail-Kontakt mit Ann Scheiner, 37 Landtag Brandenburg,1998, Antwort der 18.3.15 Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 1745, 60a ebenda 2. Wahlperiode, Drucksache 2/5601, Potsdam 60b ebenda 38 Landtag Brandenburg,1998, Antwort der 61 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 1745, Jahresbericht 1992, S. 28-29, Basdorf 2. Wahlperiode, Drucksache 2/5601, Potsdam 62 Landespolizeischule Brandenburg, 1996, 39 Der Präsident des Landesrechnungshofes Bran- Jahresbericht 1995, S. 14, Basdorf denburg, 1996, Jahresbericht 1996, S. 56-58, 63 Landespolizeischule Brandenburg, 1997, Potsdam Jahresbericht 1996, S. 14-15, Basdorf 40 Fachhochschule der Polizei des Landes 64 Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, 2000, Jahresbericht 1999, S. Brandenburg, 1999, Jahresbericht 1998, S. 26-27, Basdorf 5-6, 13, Basdorf 41 Landtag Brandenburg, Jörg Schönbohm, 2000, 65 Landespolizeischule Brandenburg, 1998, Landtag Brandenburg 3. Wahlperiode Jahresbericht 1997, S. 6, Basdorf Plenarprotokoll 20. Sitzung, S. 1246-1247, 66 Fachhochschule der Polizei des Landes Potsdam Brandenburg, 2000, Jahresbericht 1999, S. 42 Dr. Bernd-Ulrich Straube, Fachhochschule der 10-11, Basdorf Polizei des Landes Brandenburg, 2001, 67 Fachhochschule der Polizei des Landes Jahresbericht 2000, S. 3, Basdorf Brandenburg, 2001, Jahresbericht 2000, S. 16, 43 Fachhochschule der Polizei des Landes 18, Basdorf Brandenburg, 2002, Jahresbericht 2001, S. 68 Minister der Justiz und für Europaangelegen- 54-55, Basdorf heiten des Landes Brandenburg, 2000, 44 Dr. Bernd-Ulrich Straube, Fachhochschule der Amtsblatt für Brandenburg- Gemeinsames Polizei des Landes Brandenburg, 2002, Ministerialblatt für das Land Brandenburg Nr. Jahresbericht 2001, S. 3, Basdorf 43, 11.Jahrgang, S. 933-936, Potsdam 45 Fachhochschule der Polizei des Landes 69 Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, 2003, Jahresbericht 2002, S. Brandenburg, 2002, Jahresbericht 2001, S. 20, 51-53, Basdorf 46-47, Basdorf 46 Fachhochschule der Polizei des Landes 70 Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, 2004, Jahresbericht 2003, S. 28, Brandenburg, 2003, Jahresbericht 2002, S. Basdorf 20-21, 45, Basdorf 47 Fachhochschule der Polizei des Landes 71 Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, 2006, Jahresbericht 2005, S. 41, Brandenburg, 2004, Jahresbericht 2003, S. Basdorf 38-40, Basdorf 48 Ministerium des Innern des Landes Branden- 72 Fachhochschule der Polizei des Landes burg, 2005, Info 110 15. Jahrgang, Nr. 1/2005, Brandenburg, 2005, Jahresbericht 2004, S. S. 17-18, Potsdam 22-26, Basdorf 49 Ministerium des Innern des Landes Branden- 73 Fachhochschule der Polizei des Landes burg, 2005, Info 110 15. Jahrgang, Nr. 3/2005, Brandenburg, 2006, Jahresbericht 2005, S. S. 26, Potsdam 25-26, Oranienburg 50 Rainer Grieger, Fachhochschule der Polizei des 74 Gewerkschaft der Polizei, 2006, Landesjournal Landes Brandenburg, 2007, Jahresbericht Berlin, Ausgabe 2/2006, S. 10, Berlin 2006, S. 3, Oranienburg 75 Fachhochschule der Polizei des Landes 51 Ministerium des Innern des Landes Branden- Brandenburg, 2007, Jahresbericht 2006, S. 24, burg, 2006, Info 110 16. Jahrgang, Nr. 3/2006, Oranienburg S. 4-5, Potsdam 76 Fachhochschule der Polizei des Landes Branden- 52 Landespolizeischule Brandenburg, 1993, burg, 1996, Jahresbericht 1995, S. 5, Basdorf Jahresbericht 1992, S. 4, Basdorf 77 Fachhochschule der Polizei des Landes 53 Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, 1999, Jahresbericht 1998, S. 4, Brandenburg, 1999, Jahresbericht 1998, S. 14, Basdorf Basdorf 78 Fachhochschule der Polizei des Landes 54 Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, 2002, Jahresbericht 2001, S. 45, Brandenburg, 1999, Jahresbericht 1998, S. 29, Basdorf Basdorf 79 Fachhochschule der Polizei des Landes 55 ebenda Brandenburg, 2007, Jahresbericht 2006, S. 25, 56 Fachhochschule der Polizei des Landes Oranienburg

74 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Geschichte der Polizeiausbildungsstätte Basdorf

80 Archivbestand des LKA Brandenburg, 96 Persönliches Gespräch mit Jörg Schönbohm, Eberswalde, 05.05.15 20.2.15, Kleinmachnow, bestätigt durch 81 ebenda persönliches Gespräch mit Hans-Jürgen 82 Landtag Brandenburg, Jörg Schönbohm, 2000, Hohnen, 29.4.15 Landtag Brandenburg 3. Wahlperiode 97 Persönliches Gespräch mit Rainer Grieger, Plenarprotokoll 20. Sitzung, S. 1246-1247, 19.1.15, Oranienburg Potsdam, bestätigt durch persönliches 98 Persönliches Gespräch mit Dr. Wieland Gespräch mit Hans-Jürgen Hohnen, 29.04.15 Niekisch, 23. 4.15, Oranienburg 83 Persönliches Gespräch mit Rainer Grieger, 99 Persönliches Gespräch mit Michael Seiden- 19.1.15, Oranienburg schwanz, 7.1.15, Oranienburg 84 Persönlicher E-Mail-Kontakt mit Dr. Claudia 100 Landtag Brandenburg, 2000, Antwort der Schmid-Rathjen, 8.4.15 Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 729, 85 Persönliches Gespräch mit Jörg Schönbohm, 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2153, Potsdam 20.2.15, Kleinmachnow 101 Persönliches Gespräch mit Klaus-Dieter 86 Persönliches Gespräch mit Klaus-Dieter 6FKႉHU 6FKႉHU2UDQLHQEXUJ 102 Landtag Brandenburg, 2000, Antwort der 87 Persönliches Gespräch mit Michael Seiden- Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 783, schwanz, 7.1.15, Oranienburg 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2070, Potsdam 88 Persönliches Gespräch mit Klaus-Dieter 103 Landtag Brandenburg, 2000, Antwort der 6FKႉHU2UDQLHQEXUJ Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 818, 89 Landtag Brandenburg, 2001, Antwort der 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2181, Potsdam Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 926, 3. 104 Landtag Brandenburg, 2000, Antwort der Wahlperiode, Drucksache 3/2485, Potsdam Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 708, 90 Landtag Brandenburg, 2000, Antwort der 3. Wahlperiode, Drucksache 3/1874, Potsdam Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 729, 3. 105 Persönliches Gespräch mit Klaus-Dieter Wahlperiode, Drucksache 3/2153, Potsdam 6FKႉHU2UDQLHQEXUJ 91 Persönliches Gespräch mit Rainer Grieger, 106 Persönliches Gespräch mit Michael Seiden- 19.1.15, Oranienburg schwanz, 7.1.15, Oranienburg 92 Persönliches Gespräch mit Michael Seiden- 107 Persönlicher E-Mail-Kontakt mit Ann Scheiner, schwanz, 7.1.15, Oranienburg 31.3.15 93 http://www.gdp.de/gdp/gdpbra.nsf/id/info_ 108 Persönliches Gespräch mit Jörg Schönbohm, basdorf?open&1=DE&ccm=500000 [20.03.15] 20.2.15, Kleinmachnow 94 Persönliches Gespräch mit Britta Stark, 19.2.15, 109 Persönliches Gespräch mit Michael Seiden- Bernau, bestätigt durch persönliches Gespräch schwanz, 7.1.15, Oranienburg mit Hans-Jürgen Hohnen, 29.4.15 110 Persönliches Gespräch mit Rainer Grieger, 95 Persönliches Gespräch mit Rainer Grieger, 19.1.15, Oranienburg 19.1.15, Oranienburg

Quellenverzeichnis

Literatur

Ciecla, B. Dr. (2014). Das Basdorfer Fachhochschule der Polizei des Landes Zwangsarbeiterlager, Studie zur Pla- Brandenburg (2001). Jahresbericht 2000. nungs-, Bau- und Funktionsgeschichte Basdorf. des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers an Fachhochschule der Polizei des Landes der Reichsstraße 109 in Basdorf und die Brandenburg (2002). Jahresbericht 2001. Nutzung des Areals nach 1945. Berlin. Basdorf. Der Präsident des Landesrechnungshofes Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg (1996). Jahresbericht 1996. Brandenburg (2003). Jahresbericht 2002. Potsdam. Basdorf. Fachhochschule der Polizei des Landes Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg (1999). Gründungsveran- Brandenburg (2004). Jahresbericht 2003. staltung 8. März 1999. Basdorf. Basdorf. Fachhochschule der Polizei des Landes Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg (1999). Jahresbericht 1998. Brandenburg (2005). Jahresbericht 2004. Basdorf. Basdorf. Fachhochschule der Polizei des Landes Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg (2000). Jahresbericht 1999. Brandenburg (2006). Jahresbericht 2005. Basdorf. Basdorf.

Oranienburger Schriften 1 / 2019 75 Marc Giard

Fachhochschule der Polizei des Landes Landtag Brandenburg (2001). Antwort der Brandenburg (2007). Jahresbericht 2006. Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. Oranienburg. 961, 3. Wahlperiode, Drucksache Gewerkschaft der Polizei (2006). Landes- 3/2605. Potsdam. journal Berlin. Ausgabe 2/2006. Berlin Landtag Brandenburg (2006). Antwort der Landeskriminalamt Brandenburg (2015). Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. Archivbestand. Eberswalde: Standort 1194, 4. Wahlperiode, Drucksache Landeskriminalamt Brandenburg. 4/3117. Potsdam Landespolizeischule Brandenburg (1993). Landtag Brandenburg (2000). Plenarproto- Jahresbericht 1992. Basdorf. koll 20. Sitzung, 3. Wahlperiode. Pots- Landespolizeischule Brandenburg (1994). dam. Jahresbericht 1993. Basdorf. Lorenzen, T. (2008). BMW als Flugmoto- Landespolizeischule Brandenburg (1995). renhersteller 1926-1940 Staatliche Len- Jahresbericht 1994. Basdorf. kungsmaßnahmen und unternehmeri- Landespolizeischule Brandenburg (1996). sche Handlungsspielräume. Im Auftrag Jahresbericht 1995. Basdorf. von MTU Aero Engines und BMW Group Landespolizeischule Brandenburg (1997). (Perspektiven Band 2). München: R. Ol- Jahresbericht 1996. Basdorf. denbourg Verlag. Landespolizeischule Brandenburg (1998). Minister der Justiz und für Europaangele- Jahresbericht 1997. Basdorf. genheiten des Landes Brandenburg Landtag Brandenburg (1996). Antwort der (2000). Amtsblatt für Brandenburg- Ge- Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. meinsames Ministerialblatt für das Land 905, 2. Wahlperiode, Drucksache 2/3085. Brandenburg. Nr. 43, 11.Jahrgang. Pots- Potsdam. dam Landtag Brandenburg (1998). Antwort der Ministerium des Innern des Landes Bran- Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. denburg (2005). Info 110. 15. Jahrgang, 1745, 2. Wahlperiode, Drucksache Nr. 1/2005. Potsdam. 2/5601. Potsdam. Ministerium des Innern des Landes Bran- Landtag Brandenburg (2000). Antwort der denburg (2005). Info 110. 15. Jahrgang, Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. Nr. 3/2005. Potsdam. 708, 3. Wahlperiode, Drucksache 3/1874. Ministerium des Innern des Landes Bran- Potsdam denburg (2006). Info 110. 16. Jahrgang, Landtag Brandenburg (2000). Antwort der Nr. 3/2006. Potsdam. Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. 729, 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2153. Internetquellen Potsdam Landtag Brandenburg (2000). Antwort der Basdorf Entwicklungsgesellschaft mbH Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. (2015). Liegenschaft. Verfügbar unter: ht- 783, 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2070. tp://beg-basdorf.de/standort/liegenschaft/ Potsdam [12.04.2015] Landtag Brandenburg (2000). Antwort der Gemeinde Wandlitz (2015). Basdorfer Gär- Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. ten – Wohnen in Basdorfs Grünem Quar- 818, 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2181. tier. Verfügbar unter: http://www.basdor- Potsdam fer-gaerten.de/Standort/Standort.htm Landtag Brandenburg (2001). Antwort der [12.04.2015] Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. Gewerkschaft der Polizei Bundesvorstand 818, 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2181. (2006). Einstellungsjahrgänge 2003 und Potsdam. 2004 dürfen in Basdorf wohnen! Verfüg- Landtag Brandenburg (2001). Antwort der bar unter: http://www.gdp.de/gdp/gdpbra. Landesregierung auf Kleine Anfrage Nr. nsf/id/info_ 926, 3. Wahlperiode, Drucksache 3/2485. basdorf?open&1=DE&ccm=500000 Potsdam [20.03.2015]

76 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Geschichte der Polizeiausbildungsstätte Basdorf

Sonstige Quellen

Grieger, R. (2015). Präsident der Fachhoch- Scheiner, A. (2015). Leiterin Personal/Ver- schule der Polizei des Landes Branden- waltungsorganisation Fachhochschule der burg. Persönliches Gespräch am Polizei des Landes Brandenburg: persönli- 19.1.2015. Oranienburg: Büro des Präsi- che Mitteilung (E-Mail) zur Übersicht des denten an der Fachhochschule der Poli- Personals der Landespolizeischule und zei. Fachhochschule der Polizei Brandenburg. Hohnen, H.-J. (2015). Staatssekretär a.D. Schmidt-Rathjen, C. Dr. (2015). Leiterin Kul- des Landes Brandenburg. Persönliches turamt Wandlitz: persönliche Mitteilung (E- Gespräch am 29.4.2015. Berlin: Büro des 0DLO  ]XU$XÀ|VXQJ GHU 3UlVLGLHQ LP =X- Staatssekretärs a.D. sammenhang mit der damaligen Niekisch, W. Dr. (2015). Leiter Zentrum für Polizeistrukturreform. Zeitgeschichte der Polizei an der Fach- Schönbohm, J. (2015). Innenminister a.D. hochschule der Polizei des Landes des Landes Brandenburg. Persönliches Brandenburg. Persönliches Gespräch Gespräch am 20.2.15. Kleinmachnow: am 23.4.2015. Oranienburg: Büro des Haus des Innenministers a.D. Leiters des Zentrums für Zeitgeschichte 6FKႉHU .'   /HLWHU +DXVKDOW/R- der Polizei an der Fachhochschule der gistik Fachhochschule der Polizei des Polizei. Landes Brandenburg. Persönliches Ge- Seidenschwanz, M. (2015). Personalrat spräch am 20.1.2015. Oranienburg: Büro Fachhochschule der Polizei des Landes des Leiters Haushalt/Logistik an der Fach- Brandenburg. Persönliches Gespräch am hochschule der Polizei. 7.1.2015. Oranienburg: Büro von Herrn Stark, B. (2015). Präsidentin des Landtages Seidenschwanz an der Fachhochschule Brandenburg. Persönliches Gespräch am der Polizei. 19.2.2015. Bernau: Büro der Präsidentin.

Oranienburger Schriften 1 / 2019 77 Christian Noack

Die Deutsche Volkspolizei und der Sport

Sportförderung in der DDR

Christian Noack

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rolle der Sportvereinigung der Schutz- und Sicher- heitsorgane der DDR: Dynamo. Unter den übrigen sportlichen Vereinigungen nahm diese eine besondere Position ein. Die deutsche Volkspolizei und das Ministerium für Staatssicherheit schlossen sich im sportlichen Bereich zusammen, um bestimmte Ziele zu verfolgen, die dem Regime und dem nationalen Ansehen dienen sollten.

1. Einleitung unter denen sich der Sport in der Sowjeti- schen Besatzungszone entwickelt hat, zu Bei der Erforschung des Sports und der analysieren. Da Dynamo ein Zusammen- Sportförderung der Deutschen Volkspolizei schluss der Sportvereinigung der deut- stößt man immer wieder auf den Namen ei- schen Volkspolizei und der des Ministeri- ner Institution, die Sportvereinigung Dyna- ums für Staatssicherheit war, werden beide mo. Dieser Name lässt die meisten von uns Trägerorganisationen und ihre Sportvereini- an bekannte Fußballclubs der DDR denken, gungen näher beleuchtet. Anschließend wie zum Beispiel Dynamo Dresden oder wird auf die Gründung Dynamos sowie auf BFC Dynamo Berlin. Diese Institution war die Vereinigung selbst eingegangen. Dabei aber vielmehr als das; sie war die Sportver- wird vor allem der Blick auf die Ziele sowie einigung der Schutz- und Sicherheitsorga- den organisatorischen Aufbau, den man der ne der DDR. Sie nahm unter allen üblichen ,QVWLWXWLRQ JDE JHZRUIHQ 'DUDXႇROJHQG sportlichen Vereinigungen in der DDR eine ZHUGHQ GLH &KDUDNWHULVWLND XQG (LQÀVVH herausragende Position ein. Dies wird vor der Trägerorganisationen, die auf die Sport- allem dann deutlich, wenn man sich mit vereinigung Dynamo prägend wirkten und Übungsleitern und Trainern der ehemaligen maßgeblich für ihre Entwicklung waren, vor- DDR über Dynamo unterhält. Mit neidi- gestellt. Abschließend wird die praktische schem Blick wird davon berichtet, dass sie 8PVHW]XQJGHU(LQÀXVVQDKPHVHLWHQVGHU im Vergleich zu anderen Sportvereinigun- Trägerorganisationen erläutert, die für das JHQ EHU HQRUPH ¿QDQ]LHOOH 0LWWHO VRZLH Erreichen der sportlichen Erfolge sowie die einer sehr guten sportlichen Ausrüstung herausragende Position gegenüber den an- verfügte. Wie war es möglich, dass sich deren Sportvereinigungen verantwortlich solch eine Institution innerhalb der DDR so waren. von den übrigen abheben konnte? Wurden Die Betrachtung der Sportvereinigung die Grundsteine für diese Entwicklung be- Dynamo hinsichtlich ihrer Entstehung be- reits am Anfang ihrer Entstehung gelegt? schränkt sich lediglich auf ihre Gründungs- Um diese Fragen zu beantworten, ist es jahre bis zur Etablierung im Jahr 1958. Auch notwendig, die allgemeinen Bedingungen, werden nur die Trägerorganisationen Deut-

78 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Deutsche Volkspolizei und der Sport

sche Volkspolizei und Ministerium für sich in den westlichen Besatzungszonen Staatssicherheit vorgestellt, da sie das Bild eine recht vielfältige staatliche und gesell- von Dynamo maßgeblich prägten. Auf die schaftliche Landschaft herausbildete.2 Trägerorganisationen Zollverwaltung, Feu- Die sowjetische Besatzungsmacht grün- erwehr und Strafvollzug wird nicht einge- dete am 9. Juni 1945 die Sowjetische Mili- gangen, da sie erst nach der Etablierung täradministration in Deutschland (SMAD) Dynamos als Träger hinzukamen und kei- und war in ihrer Zone vorrangig auf die mili- QHQ(LQÀXVVDXIGLH(QWZLFNOXQJGHU6SRUW- tärische Sicherheit und die Ausschaltung vereinigung hatten. aller nationalsozialistischen Strukturen aus- gerichtet. Bei der Umsetzung der politi- 2. Die Entwicklung des Sports schen Ziele nutzten die sowjetischen Besat- in der Sowjetischen Besatzungs- zer vorerst kommunistische Gruppierungen zone aus dem Moskauer Exil; später wurden auch sozialdemokratische Kräfte mit einbe- Am 8. Mai 1945 endete mit der Unterzeich- zogen, jedoch nur in politisch unwichtigen, nung der Kapitulationsurkunde der 2. Welt- eher repräsentativen Funktionen. Durch krieg auf dem europäischen Festland. den Schutz und den Vorgaben der Sowjets Nachdem die letzte geschäftsführende Re- erlangten die kommunistischen Kräfte der gierung des nationalsozialistischen Regi- Kommunistischen Partei Deutschlands mes unter Karl Dönitz festgenommen wur- (KPD) innerhalb der russischen Besat- de, übernahmen die Oberbefehlshaber der zungszone die eindeutige politische Füh- Alliierten am 5. Juni 1945 die Regierungs- rungsrolle. Die russischen Besatzer lehnten gewalt in Deutschland. Die Zukunft der Be- das Konzept einer bürgerlich-parlamentari- völkerung im zerstörten Deutschland lag schen Demokratie ab, da dies ihrer Mei- somit in den Händen des Alliierten Kontroll- nung nach erst dem »Faschismus« Tür und rates, der von den Siegermächten gebildet 7RUJH|ႇQHWKlWWH8PGLH%LOGXQJDQGHUHU wurde. Der Alliierte Kontrollrat erließ Geset- politischer demokratischer Parteien zu kon- ze und Direktiven, welche die zentralen Po- trollieren und einen aufkommenden Plura- litikbereiche betrafen und die Nachkriegs- lismus zu verhindern, wurde nach einem entwicklung im gesamten Deutschland Aufruf der KPD der Block der antifaschisti- bestimmen sollte. Die Form und Qualität schen demokratischen Parteien gegründet. der Umsetzung blieb den Besatzern in ihren Dieser Organisation traten alle demokrati- Zonen selbst überlassen.1 schen Parteien der Sowjetischen Besat- Wie die Geschichte jedoch gezeigt hat, zungszone bei. Da diese aber von Anfang waren sich die Besatzer, was die politische an von der KPD kontrolliert wurde, gab es Weltanschauung und die Zukunft des be- keinen reellen Parteipluralismus. Mit dem siegten Deutschlands anging, uneins, so- Zusammenschluss von KPD und der Sozi- dass es zur Bildung zweier deutscher Staa- aldemokratischen Partei Deutschlands ten kam, die sich gesellschaftlich völlig (SPD) zur Sozialistischen Einheitspartei unterschiedlich entwickelten. Deutschlands (SED) und der ständigen För- Die westlichen Alliierten (USA, Großbri- derung der Kommunisten durch den SMAD tannien, Frankreich) übernahmen die Ent- war der Scheinpluralismus in der Sowjeti- militarisierung und Aufrechterhaltung der schen Besatzungszone und späteren DDR |ႇHQWOLFKHQ 6LFKHUKHLW XQG 2UGQXQJ XQG perfekt.3 konzentrierten sich auf eine baldige Rege- neration und Erstarkung der Wirtschaft 'HU(LQÀXVVYRQ*HVHW]HQXQG nach kapitalistischem Vorbild sowie den Direktiven in der Sowjetischen Aufbau einer formalen, westlichen Demo- Besatzungszone kratie. Dabei waren sie relativ liberal mit GHU(QWQD]L¿]LHUXQJ6LHEH]RJHQIUK]HLWLJ Wie schon erwähnt, übernahmen nach der politisch pluralistische Kräfte in die Neuord- Kapitulation Deutschlands die vier Sieger- nung und Verwaltung des gesellschaftli- mächte in Form des Alliierten Kontrollrates chen und politischen Lebens ein, sodass die oberste Regierungsgewalt in den besetz-

Oranienburger Schriften 1 / 2019 79 Christian Noack

ten Gebieten. Zum einen, weil keine Behör- terorganisation der Nationalsozialistischen de oder Regierung Deutschlands fähig war, Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) war, GDV/DQG]XYHUZDOWHQXQGIUGLH|ႇHQWOLFKH mussten diese aufgrund oben genannter Sicherheit und Ordnung zu sorgen, und zum Weisung aufgelöst werden. Die Alliierten anderen, um die Forderungen der siegrei- waren sich darüber bewusst, dass Sport- chen Besatzer durchzusetzen. Dazu erließ vereine ein mächtiges Werkzeug zur Ver- der Kontrollrat Gesetzte und Direktiven, die breitung von nationalsozialistischen Ideolo- für alle Gebiete Gültigkeit besaßen. Von die- gien waren und wollten somit einem sen Gesetzen und Direktiven waren auch erneuten Missbrauch des Sports für militä- der Sport und seine Organisationsform in rische und reaktionäre Zwecke einen Rie- 'HXWVFKODQGEHWURႇHQ gel vorschieben. Allerdings war ein gene- So lautete der Artikel I des Kontrollratsge- relles Sportverbot der Besatzer nicht setzes Nr. 2 vom 10. Oktober 1945: beabsichtigt; war doch der Sport auch bes- tens geeignet, das Verhältnis zwischen 1. Die Nationalsozialistische Deutsche Ar- Sieger und Besiegten aufzulockern und beiterpartei, ihre Gliederungen, die ihr das Bedürfnis der Sportler nach Wieder- angeschlossenen Verbindungen und die aufnahme des Sportbetriebs groß.6 von ihr abhängigen Organisationen, ein- Um beiden Zielen gerecht zu werden, schließlich der halbmilitärischen Organi- verabschiedete der Alliierte Kontrollrat am sationen und aller anderen Nazieinrich- 17. Dezember 1945 die Direktive Nr. 23 zur tungen, die von der Partei als Werkzeuge »Beschränkung und Entmilitarisierung des LKUHU +HUUVFKDIW JHVFKDႇHQ ZXUGHQ Sportwesens in Deutschland«. In Punkt 1 sind durch vorliegendes Gesetz abge- und 4a der Direktive wird dies nochmal VFKDႇWXQGIUXQJHVHW]OLFKHUNOlUW deutlich. 2. Diejenigen Naziorganisationen, die auf der Liste im Anhang aufgeführt sind, „ Punkt 1: Allen vor der Kapitulation in oder solche, die außerdem zusätzlich Deutschland bestehenden sportlichen, bezeichnet werden sollten, sind aus- militärischen oder paramilitärischen, drücklich aufgelöst. athletischen Organisationen (Klubs, 3. Die Neubildung irgendeiner der ange- Vereinigungen, Anstalten und andere führten Organisationen, sei es unter Organisationen) wird jede Betätigung dem gleichen oder unter einem anderen untersagt und sie sind bis zum 1. Januar Namen, ist verboten.4 1946 spätestens aufzulösen. „ Punkt 4a: Das Bestehen nichtmilitäri- Ebenfalls von Bedeutung war das Kontroll- scher Sportorganisationen örtlichen ratsgesetz Nr. 8 vom 30. November 1945, Charakters auf deutschem Gebiet ist darin heißt es im Artikel I und V: gestattet.7

Art. I: Jegliche Tätigkeit von Verbänden, Die Punkte 4b und 4c dieser Direktive be- Vereinen, Gruppen und Einzelpersonen, sagen, dass die Organisationen den Land- die, mittelbar oder unmittelbar, die Theorie, kreis nicht überschreiten dürfen, jede neu Grundsätze, Technik oder Mechanik des gegründete Organisation einer Genehmi- Krieges lehrt oder die für irgendwelche krie- gung der örtlichen alliierten Besatzungsbe- gerische Handlungen vorbereitet, ist hiermit hörde bedarf und selbige die Tätigkeit der verboten und wird für gesetzwidrig erklärt. Organisation überwacht. Art. V: Versuche, die Bestimmungen dieses Dem Ziel, alle Bereiche des gesellschaft- Gesetzes unter dem Deckmantel von Verei- lichen Lebens in Deutschland – so auch QHQ]XU3ÀHJHYRQ6SRUWRGHU/HLEHVEXQ- GHQ6SRUW±]XHQWQD]L¿]LHUHQYHUOLHKGLH gen zu umgehen, sind verboten.5 Direktive Nr. 24 des Kontrollrates noch ein- mal Nachdruck. Diese veranlasste die Ent- Sämtliche Sportvereine organisierten sich fernung aller Personen mit nationalsozialis- im Nationalsozialistischen Reichsbund für tischer Vergangenheit aus Ämtern und Leibesübungen (NSRL). Da dieser eine Un- verantwortlichen Stellungen.8

80 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Deutsche Volkspolizei und der Sport

Da die russischen Besatzer entschieden »antifaschistisch-demokratische Umwäl- VWUHQJHUEHLGHU(QWQD]L¿]LHUXQJGHV6SRUWV zung der Gesellschaft« einzubinden.11 vorgingen als die westlichen Alliierten, wur- den die Bestimmungen des Kontrollrates in Den Sport an die kommunalen Abteilungen ihrer Zone rigoros umgesetzt. Bereits im für Volksbildung anzubinden, war kein An- Herbst 1945 wurden Anordnungen in der liegen von Gesundheits- oder Sozialpolitik. 6RZMHWLVFKHQ %HVDW]XQJV]RQH JHWURႇHQ Sie wurde eher als Bestandteil der neuen die die Beseitigung ehemaliger NS-Vereine sozialistischen Kultur angesehen.12 Eine und die Entfernung ihrer früheren Funktio- Aussage Otto Winzers, seinerzeit Stadtrat näre betrafen.9 für Volksbildung im Magistrat von Berlin, be- stätigt dies: »Auf dem Gebiete des Sports 2.2 Vom Kommunalsport zum ist viel gesündigt worden. Man braucht für Betriebssport gewisse Zeit eine Kontrolle dieser Organi- sationen, daß [sic] sie nicht zu Schlupfwin- Der Sport und dessen bisherige Organisati- keln faschistischer Elemente werden, dar- onsstruktur wurden demnach aufgrund der XPZLUGGLHLGHRORJLVFKH%HHLQÀXVVXQJGHU (QWQD]L¿]LHUXQJ LQ 'HXWVFKODQG ]HUVFKOD- Sporttätigkeit noch eine wesentliche Aufga- gen. In der Sowjetischen Besatzungszone be der Sportämter bleiben.«13 sollte eine Organisationsform für den Sport Alle Beteiligten begrüßten anfangs den JHVFKDႇHQ ZHUGHQ GLH GHQ NRPPXQLVWL- kommunalen Sport, da er schlichtweg die schen Zielen entsprach. Die Direktive Nr. 23 einzige Möglichkeit bot, sich sportlich zu or- des Kontrollrates legte dafür den Grund- ganisieren. Da aber mit zunehmenden Ver- stein. ODXI GLH +RႇQXQJ DXI=XODVVXQJ YRQDOWHQ In den Kommunalverwaltungen der Sowje- Vereinen aufgrund ihrer möglichen Entzieh- tischen Besatzungszone wurden Sportämter EDUNHLWYRUSROLWLVFKHQ(LQÀVVHQVFKZDQG eingerichtet, die allein für den Sport zustän- XQGGLHSROLWLVFKH(LQÀXVVQDKPHGXUFKGLH dig waren. Politisch treue KPD-Sportler leite- KPD im Sport vor allem den Jugendlichen ten diese Ämter. Die Sportämter waren PLVV¿HO JHULHW GHU .RPPXQDOVSRUW LQ GHU wiederum den Kultur- und Volksbildungsab- Sowjetischen Besatzungszone in missliche teilungen der Verwaltungsorgane unterge- Lage. Das Ziel, eine einheitliche demokrati- ordnet. Wollte man sich sportlich organisie- VFKH6SRUWRUJDQLVDWLRQ]XVFKDႇHQGLH]XU ren, musste man sich im Sportamt anmelden demokratischen Erneuerung des Volkes und eine kommunale Sportgruppe bilden. beiträgt, war in Gefahr, da eine große An- Der Sportbetrieb wurde dann zwischen zahl von Sportlern dem Kommunalsport kri- Kommunalsportgruppen innerhalb eines tisch gegenüberstand und den »unpoliti- Landkreises organisiert und überwacht.10 schen« Sport bevorzugte.14 Hinter der Organisationsform des Kommu- Eine Lösung dieses Problems sah man in nalsports steckten klare politische Absichten. der Freien Deutschen Jugend (FDJ), einer Da die Sportämter den Stadt- und Gemein- nach außen hin überparteilich erscheinen- deverwaltungen angehörten und diese von den Massenorganisation. Sie war der Zu- der Besatzungsmacht gebildet wurden, war sammenschluss von vielerorts gebildeten es der SMAD und KPD möglich: Antifa-Ausschüssen und wurde am 7. März 1946 von der KPD gegründet. Eines der – alle Sportler zu registrieren und auf ihre Ziele dieser Organisation war die Förde- nationalsozialistische Vergangenheit zu rung des Sports, was ihr einen enormen überprüfen und eventuell zu entfernen, 0LWJOLHGHU]XZDFKV YHUVFKDႇWH $QIDQJV – alle Sportler organisatorisch zu binden sollte die FDJ den Sportbetrieb innerhalb und politisch zu indoktrinieren, ihrer Organisation aufbauen und fördern. – das beschlagnahmte Eigentum der Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte verbotenen Sportvereine treuhänderisch hatte sie in Mecklenburg jedoch bereits die zu verwalten und gesamte Organisation des Sports übernom- – LGHRORJLVFKHQ(LQÀXVVDXIGLH(QWZLFNOXQJ men, da es in dieser Region keinen Kom- des Sports zu nehmen und ihn in die munalsport gab. Mit der Erhöhung der Mit-

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gliederzahl stieg auch der Bedarf an etwa einer halben Million Mitglieder in den Fachkräften, die sich mit der Organisation, volkseigenen Betrieben. Im April 1950 be- GLH DXIJUXQG YRQ (QWQD]L¿]LHUXQJ XQG schloss der Deutsche Sportausschuss, alle Skepsis erfahrener Sportler nicht vorhan- Betriebssportgemeinschaften auf Basis der den war, auseinandersetzen mussten. Er- vorhandenen Gewerkschaftsstruktur zu schwerend kam hinzu, dass es nun in den zentralen Sportvereinigungen zusammen- dichtbesiedelten Städten mit dem Kommu- zuschließen. So wurden zwischen 1950 und nalsport und der FDJ zwei Organisations- 1957 insgesamt 18 Sportvereinigungen ge- formen für den Sport gab. Des Weiteren gründet und alle vorhandenen Betriebs- gab es in der FDJ eine Altersgrenze für sportgemeinschaften diesen zugeordnet.18 Sporttreibende, welche die über Dreißigjäh- rigen vom Sportbetrieb ausschloss; ein Um- 3. Die Trägerorganisationen der stand, der in ländlichen Gegenden aufgrund Sportvereinigung Dynamo des nicht vorhandenen Kommunalsports untragbar war. Somit fand man auch mit der Wie im vorangegangenen Kapitel erwähnt, FDJ keine Lösung für eine einheitliche de- wurden alle Betriebsportgemeinschaften mokratische Sportbewegung.15 ihrer jeweiligen Sportvereinigung zugeord- Um das Durcheinander in der Organisati- net, diese Sportvereinigungen waren wie- on des Sports zu unterbinden und weitere derum den Gewerkschaften der Betriebe Mitglieder für die einheitliche demokrati- zugeteilt. sche Sportbewegung zu gewinnen, wurde Dynamo war die Sportvereinigung der der SMAD empfohlen, dass die FDJ und inneren Schutz- und Sicherheitsorgane der der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund DDR. Zu ihnen gehörte die Volkspolizei, (FDGB) Träger der neuen Volkssportbewe- das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), gung sein sollten. Mit der Einbeziehung des ab Mitte der 1950er-Jahre die Zollverwal- FDGB versprach man sich die fachliche tung und weitere Bereiche des Ministeri- Kompetenz alter Arbeitersportfunktionäre, ums des Innern (MdI) wie Feuerwehr und die man bisher nicht binden konnte, sowie Strafvollzug. eine bessere materielle Unterstützung der Das nachfolgende Kapitel betrachtet die Betriebe. Darüber hinaus schlug man vor, Träger der Sportvereinigung Dynamo hin- dass beide Organisationen von Sportaus- sichtlich ihrer Gründungs- und Entste- schüssen, die bereits in vielen Städten und hungsphase, wobei das Augenmerk nur Dörfern gebildet wurden, unterstützt wer- auf die Trägerorganisationen Volkspolizei den sollten. Diese Sportausschüsse be- und MfS gelegt wird, da sie von Beginn an standen aus Mitgliedern der FDJ, des PD‰JHEOLFKHQ(LQÀXVVDXIGLH(QWZLFNOXQJ FDGB, der Sportämter und kommunisti- Dynamos hatten. schen Sportlern und wurden auf Orts-, Kreis-, Landes-, Zentralebene gebildet.16 3.1 Die Deutsche Volkspolizei Dieser Empfehlung kam die SED mit der Gründung des Deutschen Sportausschus- Nach der Kapitulation Deutschlands ent- ses am 1. Oktober 1948 nach. Der Deutsche stand im Juni auf Befehl der sowjetischen Sportausschuss hatte die Aufgabe, den Besatzer eine Vorläuferorganisation der Sport von den Kommunen in die Betriebe zu Volkspolizei. Sie bestand aus Ordnungs- verlagern und dort Betriebssportgemein- kräften deutscher Staatsangehörigkeit und schaften zu gründen da »die Betriebssport- unterstand formal gesehen den neugebil- gemeinschaften (BSG) das Rückgrat der deten Verwaltungen auf kommunaler Ebe- Sportbewegung an der Stätte der Produktion ne. Da die SMAD jedoch diese Kräfte oft- in den volkseigenen Betrieben (…)«17 sein mals für ihre Belange einsetzte, waren sie sollten. Der Name der jeweiligen Betriebs- in den ersten Nachkriegsjahren vorrangig sportgemeinschaft sollte sich nach dem Ge- deren Exekutivorgan. Im Zuge des Wieder- werkschaftsbereich des Betriebes richten. aufbaus von überörtlichen Verwaltungen, Bereits im Herbst 1949 existierten unge- also Kreis- und Länderebene, ging die fähr 800 Betriebssportgemeinschaften mit Volkspolizei in deren Zuständigkeit über.19

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Wie auch beim Sport sollte der Aufbau ve. Es erfolgte die Zusammenfassung aller der Polizei den politischen Wünschen und Dienstzweige der Polizei unter der Leitung Zielen der Besatzungsmacht dienlich sein. der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei Da die SMAD und KPD ein besonderes In- (HVDVP). Ab 1950 unterteilte die HVDVP teresse am Aufbau und der Sicherung ihrer die Polizei in folgende funktionale Bereiche: Machtposition hatten, wurde speziell bei der Schutzpolizei, Verkehrspolizei, Wasser- inneren Verwaltung auf die Auswahl des schutzpolizei, Betriebsschutz und Betriebs- Personals geachtet. So wurden auf allen feuerwehr, Kriminalpolizei, Pass- und Melde- Ebenen, auch bei der Polizei, linientreue wesen und Erlaubniswesen, Transportpolizei Kommunisten in leitender Funktion einge- und Grenzpolizei.23 setzt, obwohl genügend sozialdemokrati- Mit der Verwaltungsreform von 1952 wur- sche Fachkräfte aus der Weimarer Zeit vor- de die DDR in Bezirke und Kreise aufgeteilt. handen waren.20 Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Der Neuaufbau einer staatlichen Verwal- Veränderung erfolgte eine erneute Struk- tung in der Sowjetischen Besatzungszone turanpassung. Die Landespolizeibehörden unterlag vorerst den Vereinbarungen des ZXUGHQDEJHVFKDႇWXQGHVHQWVWDQGHQ Alliierten Kontrollrates. In denen hieß es: Bezirksbehörden und 215 Volkspolizeikreis- Dezentralisierung, Demilitarisierung, Entna- ämter. In Berlin gab es Volkspolizeiinspekti- ]L¿]LHUXQJ XQG 'HPRNUDWLVLHUXQJ 'HXWVFK- onen.24 lands.21 Somit folgte der Aufbau des Polizei- apparates vorerst den strukturellen Prinzipien 3.2 Das Ministerium für Staatssicherheit der Weimarer Republik. Da aber die unter- schiedlichen Interessen zwischen den west- Das MfS war die politische Geheimpolizei lichen und östlichen Alliierten schnell deutlich der DDR. Sie stellte das wichtigste innenpo- wurden, wies die SMAD bereits im Juli 1946 litische Repressionsinstrument der SED dar die geheime Bildung der Deutschen Verwal- und nahm gleichzeitig Funktionen der äu- tung des Innern (DVdI) an. Mit dieser Wei- ßeren Sicherheit wahr. Zu den Kernaufga- sung verabschiedeten sich die sowjetischen ben zählten die Spionageabwehr, der Besatzer intern von der Vereinbarung der Auslandsnachrichtendienst und strafpro- Dezentralisierung. Diese Organisation, die zessuale Untersuchungen. Darüber hinaus den Vorläufer des späteren DDR-Innenmi- übernahm sie auch polizeiliche Aufgaben, nisteriums darstellte, koordinierte in der So- wie zum Beispiel Passkontrollen an Grenz- wjetischen Besatzungszone vorerst die In- übergängen, Personenschutz für führende nenministerien und Polizeibehörden der DDR-Funktionäre und Absicherung von ge- Länder. Doch bereits ab Juni 1947 lud die heimen Außenhandelsaktionen. Das MfS DVdI im Abstand von ein bis zwei Monaten hatte die besondere Aufgabe, alle Organi- die Innenminister und Landespolizeipräsi- sationen und Institutionen der inneren und denten der Landesregierungen zu zentralen äußeren Sicherheit, vor allem die Volkspoli- Beratungsgesprächen, sodass die Kompe- zei und die Nationale Volksarmee (NVA), zu tenzen der Ministerpräsidenten weitgehend überwachen.25 ausgehöhlt wurden und sich die DVdI zu ei- Die Vorläuferorganisation des MfS war nem zentralen Führungsorgan entwickelte. die politische Polizei innerhalb der Kriminal- Bei diesen Innenministerkonferenzen waren polizei. Diese wurde im August 1946 verein- stets hohe SED-Funktionäre anwesend, so- heitlicht und trug fortan die Bezeichnung GDVV GLHVH 7UHႇHQ DXFK HLQHQ SDUWHLSROLWL- K5. Anfangs war das Referat K5 ein Hilfsor- schen Charakter bekamen. Ein Jahr später, gan des sowjetischen Geheimdienstes (NK- im Juni 1948, wurden die Landespolizeien WD = Narodny Kommissariat Wnutrennich der DVdI direkt unterstellt und es erfolgte ei- Del) innerhalb der Sowjetischen Besat- QHRႇHQH$ENHKUYRQGHUYHUHLQEDUWHQ'H- zungszone. Es unterstützte diesen bei Ver- zentralisierung seitens der Sowjetunion.22 haftungen von tatsächlichen oder vermeint- Im Oktober 1949, mit der Gründung der lichen NS-Aktivisten oder kommunistischen DDR, löste das MdI die DVdI ab und über- Gegnern. Das Referat K5 erhielt 1947 enor- QDKPGLH)KUXQJGHUEHZDႇQHWHQ([HNXWL- men personellen Zuwachs und einen An-

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stieg der eigenen Kompetenz. Grund war Gesinnung bemüht. So ist es nicht verwun- die Umsetzung des SMAD-Befehls 201 zur derlich, dass 1953 über 90% aller Mitarbei- (QWQD]L¿]LHUXQJ XQG YROOVWlQGLJHQ 6lXEH- ter des MfS Mitglied in der SED waren. Bei UXQJDOOHU|ႇHQWOLFKHQbPWHUXQGGHU:LUW- der Anwerbung neuen Personals bediente schaft von aktiven Faschisten, Militaristen man sich vorrangig bei hauptamtlichen Ein- und Kriegsverbrechern. Die Auswahl des richtungen der SED und FDJ, Staats- und Personals im Referat K5 erfolgte nach noch Wirtschaftsapparaten und der Volkspoli- strengeren Vorgaben als in den anderen zei.29 Teilen der Volkspolizei und war eine absolu- .DUO6WHLQKRႇGHUGDPDOLJH,QQHQPLQLV- te Domäne der kommunistischen Kaderpo- ter, legitimierte die Einrichtung dieses Mi- litik. Im Mai 1949 kam es dann zur Bildung nisteriums mit den Worten, dass die eines von der Volkspolizei getrennten Ge- »hauptsächlichste[n] Aufgaben, die heimapparates. Unter der Führung von volkseigenen Betriebe und Werke, das wurde die K5 aus der Kriminal- Verkehrswesen und die volkseigenen Gü- polizei herausgelöst und als eigenständige ter vor Anschlägen verbrecherischer Ele- Apparate mit der Bezeichnung »Hauptver- PHQWHVRZLHJHJHQDOOH$QJULႇH]XVFKW- waltung zum Schutz der Volkswirtschaft des zen, einen entschiedenen Kampf gegen Ministeriums des Innern« beziehungsweise die Tätigkeit feindlicher Agenturen, Diver- »Länderverwaltung zum Schutz der Volks- santen, Saboteure und Spione zu führen, wirtschaft« aufgebaut.26 unsere demokratische Entwicklung zu 'LHVH9HUZDOWXQJHQZXUGHQPLWGHURႈ]L- schützen und unserer demokratischen ellen Gründung des MfS am 8. Februar 1950 Friedenswirtschaft eine ungestörte Erfül- in »Ministerium (beziehungsweise) Länder- lung der Wirtschaftspläne zu sichern verwaltung für Staatssicherheit« umbenannt. [sind].«30 Wilhelm Zaisser wurde am 16. Februar Lei- Diese Äußerung bedeutete nichts ande- ter des neuen Ministeriums, sein Stellvertre- res, als dass das MfS in allen Bereichen ter war Erich Mielke, im Range eines Staats- des gesellschaftlichen Lebens, der Wirt- sekretärs. Interessanterweise gab es im schaft, der Politik, den Massenorganisatio- Gesetzestext, der von der Volkskammer zur nen und Religionsgemeinschaften alle ver- Rႈ]LHOOHQ*UQGXQJGHV0I6YHUDEVFKLHGHW meintlichen oder tatsächlichen Kritiker der wurde, keine Angaben zu den Befugnissen QHXHQWVWDQGHQHQ9RONVGHPRNUDWLHDXႈQ- und Aufgaben des Ministeriums. Auch Kont- den und dingfest machen sollte.31 rollen durch parlamentarische oder exekuti- Mit dem Amtsantritt von Erich Mielke als ve Instanzen wurden nicht genannt. Das MfS Leiter des MfS waren 1957 bereits 17 400 sollte nach dem Willen der SED-Parteispitze Mitarbeiter mit dieser Aufgabe betraut. handeln, jedoch waren die Anleitungsstruk- 1DFK GHU OHW]WHQ Rႈ]LHOOHQ 0LWDUEHLWHUVWD- turen in der Anfangszeit relativ schwach aus- tistik kümmerten sich am 31. Oktober 1989 gebildet. Zu diesem Zeitpunkt lag die eigent- 91 015 Personen um die Staatssicherheit liche Führung in sowjetischen Händen, da der DDR.32 jedem Leiter einer Diensteinheit ein sowjeti- scher Instrukteur zur Seite stand. In allen 4. Die Entstehung der Sportver- )UDJHQGHURSHUDWLYHQ$UEHLWZDUHQ2ႈ]LHUH einigung Dynamo in der DDR des MfS der UdSSR präsent und weisungs- befugt.27 'LH6SRUWYHUHLQLJXQJ'\QDPRZXUGHRႈ]L- Der strukturelle Aufbau war ähnlich dem ell am 27. März 1953 geründet. Dies war der Volkspolizei. Im Zuge der Verwaltungsre- jedoch keine Neugründung, sondern ledig- form wurden 1952 auch hier die fünf Länder- lich der Zusammenschluss von zwei be- verwaltungen durch 14 Bezirksverwaltungen reits bestehenden Sportvereinigungen. und 217 Stadt- und Kreisverwaltungen er- Denn beide vorgestellten Trägerorganisati- setzt.28 onen verfügten – wie im kommenden Kapi- Wie schon erwähnt, war das MfS bei der tel nachgewiesen – schon vor diesem Auswahl ihrer Mitarbeiter um avantgardisti- Gründungsdatum über eine eigene Sport- sche Reinheit hinsichtlich der politischen vereinigung.

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Vorab sei schon mal gesagt, dass die sieren, sorgte für einen enormen Mitglieder- Existenz einer alleinigen Sportvereinigung zuwachs. Durch die frühzeitig zentral ange- der Staatssicherheit äußerst fragwürdig er- leitete und geförderte Entwicklung wurde schien. die Sportvereinigung Deutsche Volkspolizei zu einer der erfolgreichsten Organisatio- 4.1 Die Sportvereinigung der nen.36 Volkspolizei Die Sportvereinigung der Deutschen Volkspolizei genoss aufgrund der privile- Die Gründung der ersten regionalen Sport- gierten Stellung ihres Trägerbetriebs noch organisationen der Polizei erfolgte schon weitere Vorteile. So wurde sie auf Antrag- am 2. August 1946 in Leipzig. Erich stellung von der Zahlung der 5% ihrer Mit- Reschke, der damalige Präsident der DVdI, gliedsbeiträge an den Deutschen Sportaus- stellte noch im selben Jahr bei der SMAD schuss befreit. Des Weiteren hatte die einen Antrag, den Polizeisport für die ge- Sportvereinigung nahezu uneingeschränkte samte sowjetische Besatzungszone einzu- Unterstützung von allen wichtigen Institutio- führen, da sich dies bei der Verbrechensbe- nen, was sich bei eventuellem Fehlverhal- kämpfung durchaus positiv auswirken ten oder Abwerben von Spielern auszahlte. könnte. Diesem Antrag wurde nach kurzer Somit hatte die Sportvereinigung Deutsche Zeit stattgegeben und es entstanden bis Volkspolizei schon in den wenigen Jahren 1949 über 200 Polizeisportgemeinschaften ihrer Existenz eine Sonderposition in der in der Sowjetischen Besatzungszone, die demokratischen Sportbewegung einge- sich im Vergleich zu den zivilen Sportge- nommen.37 meinschaften bereits auf Landesniveau or- ganisierten.33 4.2 Die Sportvereinigung der Im Zuge der Reorganisation des Sports Staatssicherheit auf gewerkschaftlicher Basis kam es am 20. Juni 1950 per Befehl zur Gründung einer Im Gegensatz zur Sportvereinigung der DDR-weiten Sportvereinigung der Deut- 'HXWVFKHQ 9RONVSROL]HL ¿QGHW PDQ NDXP schen Volkspolizei, die alle bestehenden Unterlagen oder Belege zur Existenz einer Polizeisportgemeinschaften umfassen soll- Sportvereinigung der Staatssicherheit vor te. Der Befehl ordnete zusätzlich den Bau dem angegebenen Gründungsdatum Dyna- HLQHU3ROL]HLVSRUWVFKXOHGLH6FKDႇXQJYRQ PRV/DXW)HFKQHUEH¿QGHQVLFKLP6$3- Sportzentren, die Bildung von leistungsfähi- MO-Bestand (Stiftung Archiv der Parteien gen Mannschaften sowie die Durchführung und Massenorganisationen der DDR im von Trainerlehrgängen an. Außerdem fan- Bundesarchiv) des Deutschen Turn- und den die »Leistungssportler« eine besonde- Sportbundes (DTSB) lediglich zwei Briefe, re Berücksichtigung in diesem Befehl, da die eine Existenz einer Sportvereinigung sie für den Sport eine Freistellung vom der Staatssicherheit belegen. Im ersten Dienst bekamen und mit dem Erreichen sig- Brief, der auf den 17. Juli 1952 datiert ist, QL¿NDQWHU 7LWHO EHI|UGHUW ZHUGHQ VROOWHQ34 teilt der Absender Erich Mielke dem Deut- Weiterhin legte Kurt Fischer, der damalige schen Sportausschuss mit, dass die Staats- Chef der Deutschen Volkspolizei, fest: »Alle sicherheit eine Sportvereinigung namens VP-Angehörigen, die in zivilen Sportge- »Dynamo« gegründet hat und diese in die meinschaften Sport treiben, sind (…) zu »Demokratische Sportbewegung« aufge- veranlassen, dort, wo VPSG [Volkspoli- nommen werden solle. Ein Gründungsda- zeisportgemeinschaften] bestehen oder ge- tum der Organisation gab Mielke jedoch gründet werden können, in dieselben einzu- nicht an. Der zweite Brief, der vom Deut- treten«35. schen Sportausschuss stammt, bestätigt Die Umsetzung dieses Befehls stellte die die Aufnahme Dynamos in die Demokrati- Weichen für einen leistungsorientierten sche Sportbewegung am 23. Juli 1952.38 Sport innerhalb dieser Sportvereinigung. Mit dieser Aufnahme wurde die Sportver- 'LH9HUSÀLFKWXQJDOOHU9RONVSROL]LVWHQVLFK einigung Dynamo auf eine Ebene mit ande- innerhalb ihrer Sportvereinigung zu organi- ren Trägern der »demokratischen Sportbe-

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wegung« gestellt, wie zum Beispiel dem ersichtlichen Gründe für die Sportvereini- FDGB, der FDJ und dem Innenministerium. gung der Polizei, da diese bereits sehr er- Dynamo bekam somit vom Deutschen folgreich war und über Sportstätten und Sportausschuss Unterstützung in Form von Trainer verfügte. Lediglich die Staatssi- Sportstätten und Geräten sowie Übungslei- FKHUKHLWKlWWHSUR¿WLHUWGDVLHPLWGHU)XVL- tern und Trainern. Dazu muss man sagen, on einen »Mitgliederzuwachs« zu verzeich- dass die Bedarfsermittlung für die Unter- nen hätte. stützung der »demokratischen Sportbewe- Für die Planung dieser Fusion existieren gung« vom Staatlichen Komitee für Körper- jedoch Unterlagen. So fand am 15. Okto- kultur und Sport getätigt wurde. Dieses ber 1952 eine vorbereitende Besprechung Komitee hatte die Funktion eines Sportmi- zur Gründung der Sportvereinigung Dyna- nisteriums und löste den Deutschen Sport- mo im Konferenzzimmer Karl Marons ausschuss am 24. Juli 1952 ab.39 statt.41 Die Einladung zu dieser Bespre- Mielke hatte also einen Tag vor der chung wurde direkt oder im Auftrag von PDFKWSROLWLVFKHQ$XÀ|VXQJGHV'HXWVFKHQ , Chef der Deutschen Volkspoli- Sportausschusses dafür gesorgt, dass Dy- zei, und Herbert Gasch, Leiter der Sport- namo die einzige Sportvereinigung der vereinigung Deutsche Volkspolizei, am 13. DDR war, die ihre sportliche Ausrüstung in- Oktober 1952 verfasst. In dieser Bespre- dividuell vorbestellen konnte und nicht wie chung sollten das Statut, ein Strukturplan andere Vereinigungen auf eine Zuteilung der Zentralen Leitung, ein Finanzplan, Vor- durch entsprechende Stellen angewiesen schläge für den Einsatz und Bezahlung von war.40 Trainern sowie ein Stellenplan der Leis- Festzuhalten ist, dass Mielke eine Sport- tungsschwerpunkte diskutiert werden.42 vereinigung der Staatssicherheit gründete, /DXW 3URWRNROO VLQG ]X GLHVHP 7UHႇHQ die bereits vor dem 27. März 1953, zumin- neun Teilnehmer erschienen, die alle eine dest auf dem Papier, existiert hat und die leitende Funktion in der jeweiligen Träger- Dank seines Engagements oder auch politi- organisation oder der dazugehörigen schen Kalküls einen Sonderstatus einnahm. Sportvereinigung hatten. Unter ihnen be- Zu konstatieren ist aber auch, dass zu die- fanden sich Karl Maron, Herbert Gasch ser Gründung kein konkretes Datum oder und natürlich Erich Mielke. Erstaunlicher- ein festlicher Akt erwähnt wird. Darüber hin- weise war Wilhelm Zaisser, der amtierende aus ist ehren- oder hauptamtliches Perso- Minister der Staatssicherheit, nicht anwe- nal gänzlich unbekannt, gleiches gilt für den send. Zumindest erwähnt das Protokoll ihn organisatorischen Aufbau, die Struktur und nicht.43 die Benennung eines Vorsitzenden. Sport- Obwohl diese Veranstaltung als Vorbe- ler oder Mannschaften, die für diese Verei- sprechung deklariert wurde, ist anzuneh- nigung vor dem März 1953 aktiv waren, men, dass dies nicht die erste Versammlung sind ebenfalls nicht bekannt. zu dieser Thematik war, denn in dieser Be- sprechung wurden bereits Entwürfe des 4.3 Die Gründung der Sportvereinigung Finanzplans und des Statuts der gemeinsa- Dynamo men Sportvereinigung vorgelegt. Alle Teil- nehmer schienen sich gut mit dem Fall aus- Sowohl die Volkspolizei als auch die Staats- einander gesetzt zu haben, sodass lediglich sicherheit verfügten bereits über eine eige- wichtige Details besprochen wurden. So ne Sportvereinigung. Warum schlossen ging es unter anderem um die Frage der sich beide zusammen? Über die Gründe freiwilligen oder direkten Mitgliedschaft in der Fusion ist wenig bis gar nichts bekannt. der Sportvereinigung. Es wurde auch eine Auch wer die treibende Kraft in dieser Ange- EHUXÀLFKH(LQJOLHGHUXQJLQGLH9RONVSROL]HL legenheit war, bleibt im Verborgenen. Anzu- oder das Staatssicherheitsministerium vor- nehmen ist jedoch, dass Mielke der Initiator geschlagen, um Spitzensportler aus ande- dieser Fusion war. Denn zum einen hatte er ren Gewerken an sich zu binden. Darüber im Vorfeld Privilegien für seine Sportvereini- hinaus diskutierte man auch über die grund- gung errungen. Zum anderen gab es keine legende Bestimmung der Mindestanzahl

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von 80 Mitgliedern, die für die Gründung ei- 1. die politisch moralische Erziehung der ner örtlichen Sportgemeinschaft vorge- Sportler, schrieben war. Dieser Punkt ermöglichte 2. die Entfaltung einer breiten Massen nämlich die Bildung von Sportgemeinschaf- Sportbewegung und ten in ländlichen Regionen mit geringer Be- 3. die Erziehung neuer sportlicher Hochleis- schäftigtenzahl. Des Weiteren wurde der tung.48 Entwurf des vorgelegten Finanzplans be- sprochen sowie über den Redner des wichti- Mit anderen Worten, die zukünftigen und gen Gründungsreferats auf der Gründungs- erfolgreichen Sportler der Sportvereinigung versammlung abgestimmt. Verwunderlich ist Dynamo hatten folgende Funktionen: Sie auch hier, dass die Wahl einstimmig auf Miel- sollten zum einen die DDR im Ausland als NH¿HOXQGQLFKWDXIGHQ&KHIGHU9RONVSROL- Staatsmacht sowie im Inland den Staatsap- zei, Karl Maron, oder den Chef der Staatssi- parat repräsentieren. cherheit, Wilhelm Zaisser.44 Mielke betont auf dieser Gründungskon- Zu erwähnen ist noch, dass es für eine ferenz immer wieder die Wichtigkeit der Gründungsversammlung keinerlei schriftli- Trägerbetriebe und somit auch die Wichtig- che Beweise gibt und auch sonst niemand keit dieser Sportvereinigung. Schon hier bezeugen kann, wann, wo und wie sie statt- lassen sich die geplante sportpolitische IDQG ,P 3URWRNROO GLHVHV 7UHႇHQV ZXUGH Richtung und das zukünftige elitäre Selbst- lediglich vermerkt, dass sie für Mitte No- verständnis der Sportvereinigung erken- vember des Jahres angesetzt war. Da nen. sämtliche juristische Fragen und Personal- planungen bis zur Gründungskonferenz ge- 4.4 Der organisatorische Aufbau der klärt waren, geht man aber davon aus, dass Sportvereinigung Dynamo sie stattgefunden hat.45 $P0lU]IDQGGDQQGLHRႈ]LHOOH 1953 gab es ein Rahmenstatut für die ge- Gründungskonferenz der Sportvereinigung werkschaftlichen Sportvereinigungen.49 Dies Dynamo im Gesellschaftshaus in Berlin- hatte das Staatliche Komitee für Körperkultur Grünau statt. Auf dieser Konferenz wurde und Sport entworfen und war für alle Sport- Erich Mielke zum ersten Vorsitzenden und vereinigungen bindend. Da die erste Sat- Karl Maron zum zweiten Vorsitzenden Dy- zung der Sportvereinigung Dynamo von die- namo gewählt.46 Nach seiner Wahl zum ers- sem Rahmenstatut nicht abwich, wird darauf ten Vorsitzenden erläutert Mielke noch ein- auch nicht eingegangen. mal die Bedeutung der Schutz- und In den Jahren 1955 und 1957 gab es Ab- Sicherheitsorgane und die Notwendigkeit wandlungen zu den Satzungen der zivilen einer Sportvereinigung mit folgenden Wor- Sportvereinigung, weshalb diese näher be- ten: trachtet werden. »Der Staatsapparat ist das Hauptinstru- Laut Statut von 1955 befanden sich auf PHQWEHLGHU6FKDႇXQJGHU*UXQGODJHQGHV der höchsten Ebene Dynamo die Zentrale Sozialismus (…). Die Aufgabe unserer Or- Delegiertenkonferenz, die Zentrale Leitung, gane ist es, den Widerstand der Feinde un- das Präsidium und das Büro der Zentralen serer Ordnung zu brechen und alle feindli- Leitung. In der Bezirksebene gab es Be- chen Elemente unschädlich zu machen. Die zirksinstrukteurgruppen. Auf der Kreisebe- Durchführung dieser großen und verant- ne agierten die Grundorganisationen, die wortungsvollen Aufgabe gegenüber unserer Mitgliederversammlung der Grundorganisa- Partei und dem ganzen Volk fordert beson- tionen sowie die Jahreshauptversammlun- ders von uns, in unseren Reihen gesunde gen. Dieser Aufbau unterschied sich von und stahlharte Kämpfer zu haben.«47 den zivilen Vereinigungen in zwei Dingen: Darüber hinaus erklärte Mielke, die Sport- Zum einen existierte in der Sportvereini- vereinigung Dynamo nach den Prinzipien gung Dynamo ein Präsidium und zum ande- des demokratischen Zentralismus aufzu- ren wich man von der Größe der Organe bauen und dabei folgende drei Hauptaufga- und deren Versammlungsturnus ab. Das ben zu erfüllen: höchste Organ, die Zentrale Delegierten-

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konferenz, tagte alle zwei Jahre. Sie wählte es sich auf Vorschläge des ersten Vorsit- die Zentrale Leitung und die zentrale Revi- ]HQGHQXQGDQGHUHUHLQÀXVVUHLFKHU3UlVL- sionskommission und nahm deren Rechen- diumsmitglieder bildete. Zum Aufgabenfeld schaftsbericht entgegen. Zusätzlich hatte des Präsidiums befand sich in der Satzung sie über Vorlagen und Anträge zu beschlie- keine Information. Die Sitzungsprotokolle ßen. Die Teilnehmer der Delegiertenkonfe- machen jedoch deutlich, dass die Zentrale renz wurden in den Jahreshauptversamm- Leitung und dessen Büro rechenschafts- lungen der Grundorganisationen gewählt.50 SÀLFKWLJ JHJHQEHU GHP 3UlVLGLXP ZDUHQ Hierarchisch unterhalb der Delegierten- und sich das Präsidium mit wesentlichen konferenz befand sich die Zentrale Leitung, strategischen Planungen, Analysen einzel- ein Organ, dass die Tätigkeit der Sportver- ner Bereiche der Sportvereinigung und einigung zwischen den Delegiertenkonfe- großen repräsentativen Themenfeldern be- renzen in die Hand nahm. Sie hatte die Auf- fasste. Auf der obersten Ebene im Aufbau JDEH GLH DXI GHU .RQIHUHQ] JHWURႇHQHQ Dynamos war die Macht somit zweigeteilt. Beschlüsse umzusetzen sowie Vermögen Die theoretische Leitung übernahm im Sin- und Finanzen zu verwalten. Die Zentrale ne eines Vorstandes das Präsidium, wäh- Leitung bestand aus 39 Mitgliedern und rend die praktische Leitung im Sinne eines übertraf damit die vorgeschriebene Anzahl Managements dem Büro der Zentralen Lei- des Rahmenstatuts um neun Personen. Sie tung oblag. Da sich das Büro wöchentlich tagte auch nicht, wie bei den zivilen Vereini- traf und sich hier Befugnisse und Kompe- gungen vorgesehen, vierteljährlich, son- tenzen sammelten, war es das wichtigste dern lediglich halbjährlich. Neben den Organ der Sportvereinigung. Zwar war es bereits beschriebenen Aufgabenfeldern gegenüber dem Präsidium rechenschafts- übernahm die Zentrale Leitung die Bezie- SÀLFKWLJ HLQH VWlQGLJH .RQWUROOH ZDU MH- KXQJVSÀHJH]XU3DUWHLXQGGHQ0DVVHQRU- doch nicht möglich, da das Präsidium nur JDQLVDWLRQHQ VRZLH GLH 9HUELQGXQJVSÀHJH alle zwei Monate tagte. Beiden Organen, zu Regierungs- und Verwaltungsstellen.51 das heißt dem Präsidium und dem Büro, Somit konnte Dynamo zu ihren Gunsten be- stand immer ein Angehöriger der Staatssi- ZXVVW (LQÀXVV DXI VSRUWSROLWLVFKH %HODQJH cherheit vor.53 nehmen. Die auf der Bezirksebene eingesetzten Da die Zentrale Leitung nur alle sechs Bezirksinstrukteurgruppen sollten die Sport- Monate tagte, benötigte sie noch ein aus- gemeinschaften des Bezirkes operativ an- führendes Organ. Dieses Organ war das leiten und kontrollieren. Die Kreisebene um- Büro der Zentralen Leitung und wurde mit fasste Grundorganisationen und deren der Durchführung der gesamten Arbeit be- Mitgliederversammlung. Eine Grundorgani- auftragt. Das Personal dieses Büros setzte sation bestand aus den Sportgemeinschaf- sich aus dem der Zentralen Leitung zusam- ten, deren Leitungen 5 bis 15 Mitgliedern men, tagte wöchentlich, übernahm Lei- umfassen konnten und die mindestens ein- tungs- und Kontrollfunktionen und gliederte mal im Monat tagten. Die Sportvereinigung sich in mehrere Abteilungen wie beispiels- Dynamo unterbot die im Rahmenstatut vor- weise »Leistungssport« und »Kultur und gesehene Anzahl von 5 bis 15 Mitgliedern. Bildung«.52 Der Grund dafür war ein in der Satzung vor- Wie bereits erwähnt, verfügte Dynamo kommender Passus, der eine Grundorgani- über ein Präsidium. Dieses Präsidium setz- sation für jeden Kreis vorsah. Da aber die te sich aus 10 bis 12 Mitgliedern der Zentra- DDR in vielen Arealen eine geringe Bevöl- len Leitung zusammen und tagte jeden kerungsdichte aufwies, mussten die Sat- zweiten Monat. Zu den Mitgliedern des Prä- zungen entsprechend angepasst werden, sidiums zählten die beiden Vorsitzenden damit auch kleinere Gemeinschaften ge- der Sportvereinigung Dynamo sowie der gründet werden konnten. Obwohl die Mit- Leiter des Büros der Zentralen Leitung. gliederversammlung der Grundorganisation Weitere Bestimmungen zur Zusammenset- das höchste Organ auf der Kreisebene war, zung des Personals im Präsidium sind nicht besaß sie in sportpolitischer Hinsicht kaum bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass Macht. Sie sollte die Arbeit der Mitglieder

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und Funktionäre kritisieren, Vorschläge zur zirksleitung ersetzt. Ähnlich wie auf der Verbesserung der Arbeit machen und Stel- höchsten Ebene stellte die Bezirksdelegier- lung zu allen Fragen der Körperkultur des tenkonferenz das höchste Organ im Bezirk Sports nehmen. Die Situation in der Kreis- dar. Sie fand alle zwei Jahre statt und wähl- ebene war ähnlich der Führungsebene. Ob- te die Mitglieder der Bezirksleitung. Die Be- ZRKOGLH0LWJOLHGHUYHUVDPPOXQJRႈ]LHOOGDV zirksleitung tagte alle sechs bis acht Wo- höchste Organ darstellte, war sie hinsichtlich chen und bestand aus 13 bis 19 Mitgliedern. ihrer leitenden Funktion bedeutungslos, da Auf der Kreisebene gab es kaum Verände- sich die eigentliche Macht in den Leitungen rungen, es erweiterte sich lediglich der Ver- der Grundorganisation befand. Sie führte die sammlungszyklus der Mitgliederversamm- Beschlüsse der übergeordneten Leitungen lung der Grundorganisation von monatlich und Mitgliederversammlung durch und ver- auf vierteljährlich.55 waltete Finanzen und Vermögen der jeweili- gen Sportgemeinschaft.54 4.5 Die Abweichungen vom Im April 1957 wurde die letzte Massenor- Rahmenstatut ganisation der DDR, der DTSB, gegründet. Auch diese Organisation stand unter dem Nicht nur die vorteilhaften Änderungen in (LQÀXVV GHU 6(' 'HU '76% O|VWH GHQ der Satzung und des Aufbaus der Organisa- Deutschen Sportausschuss ab und über- tion begünstigten die erfolgreiche Entwick- nahm wichtige Aufgaben des Staatlichen lung der Sportvereinigung Dynamo gegen- Komitees für Körperkultur und Sport. Mit über den zivilen Vereinigungen. Ein ganz seiner Einführung kam es zu einer erhebli- wesentlicher Punkt war die Anerkennung chen Änderung der Sportstruktur innerhalb eines verbindlichen Regelwerkes zu den der DDR. Die Sportvereinigung Dynamo er- Wettkampfbestimmungen der Sektionen hielt innerhalb des DTSB den Status einer und einer hierfür zuständigen Organisati- Bezirksorganisation, sodass sie ihre Sat- on.56 Während sich alle zivilen Sportvereini- zung und damit einhergehend ihren Aufbau gungen national ausrichteten, da sie sich an nochmals änderte. Zwar änderte sich der das Rahmenstatut des Staatlichen Komi- organisatorische Aufbau Dynamos mit der tees für Körperkultur und Sport hielten, tat Einführung der neuen Satzung nur gering- Dynamo dies nicht. Sie richtete ihre sportli- fügig, aber dennoch entscheidend. Auf der che Tätigkeit nach den internationalen Bezirksebene kam es zur Installation von Amateurbestimmungen, den Bestimmun- Bezirksdelegiertenkonferenzen und Be- gen der internationalen Föderationen und zirksleitungen. In der obersten Führungs- den Wettkampfbestimmungen der Sektio- ebene wurde der Versammlungsturnus der nen der demokratischen Sportbewegung ohnehin schon machtlosen Zentralen Dele- aus und verfolgte somit internationale Inter- giertenkonferenz von zwei auf vier Jahre essen. Dieser Punkt war bereits bei der erweitert. In der Zentralen Leitung kam es Gründung Dynamos in der Satzung enthal- zu einer Erhöhung des Mitgliederstandes ten und somit dem Staatlichen Komitee für auf 60. Der zweimonatige Versammlungs- Körperkultur und Sport bekannt.57 turnus blieb bestehen und der Aufgabenbe- Es ist somit davon auszugehen, dass UHLFK HUZHLWHUWH VLFK XPGLH .RQWDNWSÀHJH dies vom Komitee billigend in Kauf genom- zu ausländischen »Brudersportvereinigun- men wurde beziehungsweise internationale gen« Dynamos. Das Präsidium unterlag Erfolge von vornherein mit dieser Organisa- keiner Veränderung. Wie schon in der ers- tion angestrebt wurden. ten Satzung fehlten auch hier die Aufgaben- Ein weiterer Unterschied zu den Satzun- bereiche und Kompetenzen dieses Organs; gen der zivilen Vereinigungen war die fehlen- auch die Zusammensetzung seiner Mitglie- de sogenannte 20%-Klausel. Sie beschränk- GHUEOLHERႇHQ$XIGHU%H]LUNVHEHQHNDP te den Anteil organisationsfremder Sportler es zu starken Strukturänderungen. Die vor- in den Sportvereinigungen auf 20%. Die Sat- her eingerichteten Bezirksinstrukteurgrup- zung der Sportvereinigung Dynamo ließ eine SHQ ZXUGHQ DEJHVFKDႇW XQG GXUFK GLH Mitgliedschaft von Sportlern zu, »soweit sie Bezirksdelegiertenkonferenz und deren Be- den wesentlichsten Einstellungsbedingun-

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gen der Sicherheitsorgane entsprechen.«58 'HU(LQÀXVVGHU7UlJHUDXI Diese ungenaue Formulierung ermöglichte die Sportvereinigung Dynamo die Aufnahme von organisationsfremden Spitzensportlern, die lediglich von der Mit- Es ist hinlänglich bekannt, dass zwischen gliederversammlung der Grundorganisation einer Organisation und seinen Mitgliedern bestätigt werden musste. Bei den zivilen Or- Wechselwirkungen existieren. Zum einen ganisationen wurde man von einer Grundor- erzeugt eine Organisation aufgrund ihrer ganisation als Mitglied aufgenommen und Funktion und der Umsetzung ihrer Zieler- war somit auch an sie gebunden. Bei Dyna- reichung ein Bild von sich in der Gesell- mo war dies nicht der Fall. Dort hieß es: »Als schaft. Dieses Bild hat Auswirkungen auf Mitglied (…) jeder, der seinen Aufnahmean- die Mitglieder, die bereit sind, dieser Orga- trag eingereicht hat, das Statut der Sportver- nisationen beizutreten. Die Organisation einigung anerkennt, den festgelegten Auf- kann dann die Mitglieder an sich binden nahmebeitrag entrichtet hat, seinen Beitrag und auf sie einwirken. Zum anderen wird regelmäßig bezahlt und an der Entwicklung durch die Auswahl und dem Verhalten die- einer breiten Volkssportbewegung aktiv mit- ser Mitglieder das gesamte Erscheinungs- arbeitet.«59  :HQQ PDQ GLHVHQ 3ÀLFKWHQ bild der Organisationen geprägt. nachkam, war man Mitglied der Sportvereini- In dem hier betrachteten Zeitraum ka- gung Dynamo, ohne an eine Grundorganisa- men die meisten Sportler Dynamos aus tion gebunden zu sein. Dies hatte zwei Vor- den Reihen des MfS und der Deutschen teile: Erstens ermöglichte es den rascheren Volkspolizei. Diese beiden Organisationen Eintritt von Sportlern in die Sportvereinigung. wählten ihre Mitarbeiter nach besonderen Zweitens konnte die Sportvereinigung ihre Kriterien aus und gaben ihnen, sofern noch Sportler nach Belieben in den jeweiligen nicht vorhanden, ein politisches und ideolo- Grundorganisationen einsetzen.60 gisches Selbstverständnis mit auf den Wie bereits erwähnt, gab es in der Sat- Weg, das sich somit auch seinen Weg in zung Dynamos eine Klausel, die die Bildung die Sportvereinigung Dynamo bahnte.63 von Sportgemeinschaften als Grundorgani- sationen in allen 217 Kreisen der DDR vor- 'LH3ROL]HLXQGLKU(LQÀXVV sah.61'LHVHU3XQNWYHUVFKDႇWH'\QDPRHL- ne Omnipräsenz auf dem gesamten Über den gesamten Zeitraum der Existenz Staatsgebiet der DDR. Es war sogar mög- der DDR genoss die Volkspolizei kein gro- lich, dass sich mehrere Sportgemeinschaf- ßes Ansehen bei der Bevölkerung, die ten der Sportvereinigung Dynamo in einem Mehrheit von ihnen sah diese Tätigkeit einzigen Kreis befanden, lediglich die über- nicht mal als richtigen Beruf an.64 geordnete Leitung musste dem zustimmen. Diese Ablehnung rührte einerseits aus Dies konnte von zivilen Sportvereinigungen dem Gebaren der Gestapo während der nicht bewerkstelligt werden, da das Muster- NS-Zeit und dem daraus resultierenden statut einen derartigen Passus nicht vorsah. Misstrauen sowie der Tatsache, dass die Darüber hinaus waren die zivilen Sportver- Volkspolizei ein Organ der SED-Machtha- einigungen bei der Gründung einer Grund- ber war, welche nicht sonderlich beliebt organisation an die Mindestmitgliederan- und darauf ausgerichtet war, deren Interes- zahl gebunden, die, wie bereits im Vorfeld sen durchzusetzen.65 erwähnt, in der Satzung der Sportvereini- Die Volkspolizei hatte die Aufgabe, die gung Dynamo nicht existierte. Somit war es |ႇHQWOLFKH6LFKHUKHLWXQG2UGQXQJ]XEH- sogar theoretisch möglich, dass sich eine wahren sowie den Staat vor Kriminellen zu Betriebssportgemeinschaft gründen konn- schützen. Darüber hinaus sollte sie ein ver- te, die nur aus fünf Personen oder sogar nur mittelndes Organ zwischen der SED und aus einer Person bestand. Da aber in jedem der Bevölkerung sein, jedoch gestaltete einzelnen Kreis eine Dienststelle der Volks- sich diese Funktion als sehr schwierig. An- polizei existierte, waren auch überall genü- gesichts der zu bewältigenden Aufgaben gend Mitglieder für die Gründung einer und der Stellung im Staat hatten die Ange- Sportgemeinschaft vorhanden.62 stellten der Polizei ein ambivalentes Selbst-

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bewusstsein. Die abweisende Einstellung Strafen zu rechnen. Aufgrund des großzügi- der Bevölkerung gegenüber dem Polizis- gen Gehalts in Verbindung mit Zuschlägen, tendasein unterstützte diese Ambivalenz. Prämien und materiellen Anreizen kam es Natürlich fanden sich aber auch in den Rei- zu sozialen Abspaltungstendenzen gegen- hen der Volkspolizei Vertreter, die sich als über der restlichen Bevölkerung.70 Repräsentanten und Beschützer von Staat Die Aufgabe, mit der die Mitarbeiter des und SED verstanden und die ihre Arbeit als MfS betraut worden waren sowie die Kom- einen wichtigen Beitrag für die Einheitspar- petenzen und Rechte, die bei der Aufga- WHLXQG6R]LDOLVPXVDXႇDVVWHQ66 benerfüllung in Anspruch genommen wer- den konnten, verlieh den Angehörigen der 5.2 Das Ministerium für Staatssicherheit Staatssicherheit ein Überlegenheits- und XQGVHLQ(LQÀXVV Machtgefühl. Der Status, dem das MfS durch die SED Führung verliehen wurde, Schlimmer noch als das Bild der Volkspoli- erzeugte zusätzlich ein elitäres Gefühl bei zei bei der Bevölkerung war das der Staats- den Angehörigen. Da man den Mitarbeitern sicherheit. Es war stets ein misstrauisch der Staatssicherheit die bedeutende Not- beäugtes Organ der SED-Führung. Dies lag wendigkeit ihrer Arbeit für die Existenz des daran, dass zum Zeitpunkt der Gründung Staates sowie der Partei immer wieder ver- der Bevölkerung kaum bekannt war, welche mittelte, wuchs in ihnen auch ein Verant- Aufgaben das MfS hatte. Da das Ministeri- ZRUWXQJV XQG 3ÀLFKWEHZXVVWVHLQ JHJHQ- XP LP 5DKPHQ VHLQHU 7lWLJNHLW |ႇHQWOLFK über der SED-Führung.71 gegen rechtsgesicherte Normen verstieß, wurde es mit Angst und Terror in Verbin- 5.3 Die Selbstwahrnehmung und dung gebracht. Darüber hinaus hatte das Zielsetzung Dynamos Auftreten seiner Mitarbeiter einen elitären, überheblichen und auch abschreckenden Mit der Gründung Dynamos und der Aufnah- Charakter, der zur Abneigung in der Bevöl- me der Sportler aus den beiden vorgestellten kerung beitrug.67 Trägerorganisationen vollzog sich automa- Die Aufgabe der Staatssicherheit bestand tisch die Übernahme der organisationsspezi- darin, den Staat und seine Partei von innen ¿VFKHQ &KDUDNWHUHLJHQVFKDIWHQ YRQ 0I6 und außen zu schützen. Um dies zu ge- und Volkspolizei. Da die Initiative zur Grün- währleisten, waren ihre Abwehrmaßnah- dung einer gemeinsamen Sportvereinigung men besonders nach innen gerichtet. Bei der Schutz- und Sicherheitsorgane von Erich der Erfüllung ihrer Aufgabe war der Staats- Mielke ausging und diese nach seinen Vor- sicherheit fast jedes Mittel recht, da sie sich stellungen gestaltet werden sollte, überwog als einen unverzichtbaren Bestandteil der vor allem die Mentalität der Staatssicherheit DDR verstand.68 in der Sportvereinigung Dynamo. Das Die konspirative Arbeitsweise des Minis- Selbstverständnis der Trägerorganisationen teriums und die ihr zur Verfügung gestellten sowie das Rollenverständnis seiner Mitarbei- Rechte und Kompetenzen führte zu einem ter, das vor allem von Gefühlen wie Überle- elitären Selbstverständnis ihrer Mitarbeiter. JHQKHLW 0DFKW 9HUDQWZRUWXQJ 3ÀLFKW XQG Dies wurde noch durch die Anwerbungspo- Elitarismus geprägt war, wurde direkt auf Dy- litik des MfS unterstützt. So war es nicht namo übertragen und schlug sich somit auch möglich, sich beim MfS zu bewerben, statt- LQGLHVSH]L¿VFKH=LHOVHW]XQJGHU2UJDQLVD- dessen bekundete die Staatssicherheit ihr tionen nieder. Dynamo war von vornherein Interesse an die jeweilige Person.69 als elitäre Sportvereinigung von Volkspolizei Verstöße, die mit der Erfüllung ihrer Auf- und Staatssicherheit angelegt, die den ande- gabe einhergingen, wurden kaum geahn- ren Sportvereinigungen überlegen zu sein det. Da, wie bereits erwähnt, eine Kontroll- hatte.72 instanz fehlte, waren moralische Vergehen Bereits im Gründungsreferat von Mielke unter den Mitarbeitern weit verbreitet. Ge- hieß es: »auch unsere Sportvereinigung nerell hatten die Angehörigen des MfS bei setzt sich hohe Ziele und muß [sic] in der disziplinarischem Fehlverhalten selten mit demokratischen Sportbewegung große Be-

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deutung erlangen, weil sie die Sportvereini- gesamt 154. Auf europäischer Ebene holte gung der Angehörigen der Schutz- und Si- Dynamo 1963 den ersten Titel, bis 1981 cherheitsorgane der DDR ist.«73 Schließlich waren es 80.78 sind in dieser Sportvereinigung »die besten Die Anzahl der Medaillen sowie deren Kräfte der Partei der Arbeiterklasse verei- Steigerungen, die in diesem Zeitraum von nigt.«74 Jahr zu Jahr zunahmen, lassen den enor- Die Reden im Bereich des Spitzensports men Willen der Zielverfolgung, auf interna- verdeutlichen die Erwartungen, die man an tionaler Ebene erfolgreich zu sein, erken- Dynamo hatte. So hieß es hier: »Als eine der nen. Um der kapitalistischen Welt zu größten Sportvereinigungen, die den ehren- zeigen, wie erfolgreich der Sozialismus ist, vollen Namen ›Dynamo‹ trägt, ist es eine und um die völkerrechtliche Anerkennung 9HUSÀLFKWXQJ/HLVWXQJHQ]XYROOEULQJHQGLH aller Staaten zu bekommen, erwiesen sich das Ansehen des Sports der Deutschen De- die internationalen sportlichen Erfolge als mokratischen Republik haben und die Aner- recht probates Mittel. kennung der Welt erringen muß [sic].«75 Um an bisherige sportliche Erfolge weiter So waren es vor allem die Spitzenleistun- anzuknüpfen, diese auszubauen und politi- gen auf dem internationalen Parkett, die ge- sche Interessen durchzusetzen, bedienten fordert und benötigt wurden, da mit ihnen sich die Sportvereinigung Dynamo und ihre die Überlegenheit des Sozialismus gegen- Trägerorganisationen diverser Mittel und über der kapitalistischen Welt demonstriert (LQÀVVH$XIHLQLJHGLHVHU0LWWHOGLHDXFK werden sollte. Darüber hinaus sah man im zur Umsetzung der propagierten Ziele bei- Erbringen von internationalen Spitzenleis- getragen haben, wird hier kurz eingegan- tungen die Möglichkeit, endlich eine völker- gen. Wobei die Dopingproblematik unbe- rechtliche Anerkennung gegenüber den an- rücksichtigt bleibt. deren Staaten zu bekommen.76 Es ist davon auszugehen, dass man bei Nach den Vorstellungen der Dynamo- der Festlegung eines Statuts für die Sport- Führung sollten ihre Mitglieder nicht nur vereinigung Dynamo die Vorteile und Ein- sportliche Höchstleistungen erbringen, son- ÀVVHEHLGHU7UlJHURUJDQLVDWLRQHQEHUFN- dern auch eine nach marxistisch-leninisti- sichtigt hat. So bestand man ganz bewusst schem Verständnis politische und morali- auf das Streichen beziehungsweise Ein- sche Erziehung genießen, denn es sei führen gewisser Klauseln, die sich positiv »sehr gefährlich, wenn man als Sportler auf die sportliche Zielsetzung und auf den und Funktionär eine künstliche Kluft entwi- strukturellen Aufbau der Sportvereinigung ckelt zwischen Sport und Partei«.77 Es ent- auswirkten. wickelte sich zwar keine Kluft innerhalb der :ROOWHPDQHLQH(LQWHLOXQJGHU(LQÀVVH Sportvereinigung Dynamo, aber zwischen die für den Erfolg und den Status Dynamos ihr und den zivilen Sportvereinigungen kam ausschlaggebend waren, vornehmen, so es zu sozialen Abspaltungstendenzen, die könnte man dies grob anhand der beiden vom Interviewpartner bestätigt werden. großen Trägerorganisationen tun. Obwohl das MfS die kleinere der beiden 'LH(LQÀXVVQDKPHQXQG betrachteten Trägerorganisationen von Dy- Auswirkungen der namo darstellte, hatte sie eindeutig mehr Trägerorganisationen (LQÀXVV DOV GLH 'HXWVFKH 9RONVSROL]HL Dies lag vor allen Dingen an Erich Mielke, Der sportliche Erfolg der Sportvereinigung der von Anfang bis Ende der erste Vorsit- Dynamo nahm im Verlauf ihrer Geschichte zende der Sportvereinigung und ab 1957 immer mehr zu. So konnte Dynamo bei den gleichzeitig Leiter des MfS war. Olympischen Spielen 1956 vier Medaillen- Dieser nutzte zunächst geschickt die Re- gewinner verzeichnen. Nach den Olympi- organisation des Sports sowie seine schen Spielen 1980 sollten noch 186 Me- machtpolitische Stellung aus, um Dynamo daillengewinner dazukommen. 1959 stellte HLQHQ ¿QDQ]LHOOHQ XQG PDWHULHOOHQ 9RUWHLO die Sportvereinigung Dynamo ihre ersten gegenüber den anderen Sportvereinigun- beiden Weltmeister, bis 1981 waren es ins- JHQ]XYHUVFKDႇHQ0LWGHU,QWHJUDWLRQGHU

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Sportvereinigung der deutschen Volkspoli- lern und Trainern gehalten und abgegeben zei, die man als Neugründung deklarierte, werden. Derartige Veranstaltungen fanden erlangte Dynamo auch einen strukturellen meist vor oder nach dem Training statt und Vorteil gegenüber den zivilen Sportvereini- wurden von den sportlichen Akteuren als JXQJHQ 'LHV JHVFKDK JDQ] RႇHQVLFKWOLFK lästiges Übel empfunden.79 mit dem Einverständnis des Staatlichen Ko- Während die politische und ideologische mitees für Körperkultur und Sport, da man (LQÀXVVQDKPHGHV0I6DXIGHU(EHQHGHV bewusst von dem von ihr vorgegebenen Spitzensports recht groß war und auch so Rahmenstatut zur Gründung einer Sport- empfunden wurde, lässt sich eine derartige vereinigung abwich. (LQÀXVVQDKPHLQGHQ*UXQGRUJDQLVDWLRQHQ 'LH(LQÀVVHGLHGDV0I6DXIGLH6SRUW- der Sportvereinigung Dynamo nicht nach- vereinigung Dynamo nach dessen Konstitu- weisen. Zumindest bestätigten die Ge- ierung ausübte, waren vor allem politischer sprächspartner dies nicht.80 Ob dies in allen und ideologischer Natur. So wurde dafür Grundorganisationen der Fall war, kann an gesorgt, dass ausnahmslos alle wichtigen dieser Stelle nicht beantwortet werden. Schlüsselpositionen innerhalb der Sportver- Aufgrund der Tatsache, dass der Leiter einigung Dynamo mit Mitarbeitern der des MfS gleichzeitig der erste Vorsitzende Staatssicherheit besetzt wurden. Somit war von Dynamo war und auch alle weiteren gewährleistet, dass die gesamte organisa- wichtigen Ämter innerhalb der Organisation torische Tätigkeit auf die sportpolitische mit Mitarbeitern der Staatssicherheit be- Zielsetzung ausgerichtet war. Der höher- setzt wurden, lässt sich erahnen, dass die rangige Status des MfS gegenüber der strategische Ausrichtung Dynamos vom Volkspolizei und die allgegenwärtige Macht MfS bestimmt wurde. Eine tiefergehende innerhalb aller Gesellschaftsbereiche der %HWUDFKWXQJ GHU (LQÀXVVQDKPH GHV 0I6 DDR spiegelten sich auch in den Organisa- auf die Funktionäre der Volkspolizei, Trainer tionsstrukturen Dynamos wider. So gab es und Spieler war nicht möglich. Es war auch natürlich auch hier Ämter, die von Funktio- QLFKWKHUDXV]X¿QGHQREGDV0I6GLH9RONV- nären der Volkspolizei bekleidet wurden. polizei explizit anwies, Stellen freizuhalten, Jedoch waren diese meist unbedeutend, die den Spitzensportlern und Trainern bei was Entscheidungsbefugnisse anging oder einem Wechsel zur Sportvereinigung Dyna- der Respekt gegenüber einem übergeord- mo angeboten wurden. neten Funktionär des MfS war zu groß. Im Unterschied zum MfS begründete die Weiterhin versuchte das MfS, politisch zu 'HXWVFKH9RONVSROL]HLLKUHQ(LQÀXVVGXUFK HU]LHKHQ XQG LGHRORJLVFK ]X EHHLQÀXVVHQ ihren strukturellen Aufbau. Sie war in allen Vor allem auf der Ebene des Spitzensports 217 Kreisen der DDR mit einem Volkspoli- war man der Ansicht, dass sowohl internati- zeikreisamt vertreten. Somit war auch in je- onal als auch national erfolgreiche Sportler dem Kreis ein Trägerbetrieb für eine even- die Überlegenheit des Sozialismus und par- tuelle Grundorganisation vorhanden. Da teipolitische Treue repräsentieren sollten. das Statut der Sportvereinigung Dynamo Um dies zu gewährleisten, mussten die festlegte, dass die Neugründung einer Spitzensportler der Sportvereinigung Dyna- Sportgemeinschaft nicht an eine Mindestan- mo in die SED eintreten und an regelmäßi- zahl gebunden, der Eintritt »betriebsfrem- gen politischen Schulungen, Seminaren der« Mitglieder möglich war und man auf sowie Parteiversammlungen teilnehmen. die oben erläuterte 20%-Klausel verzichte- Nach Angaben von Jürgen Bogs hatte der te, besaß Dynamo die Möglichkeit, in jedem BFC Dynamo Berlin einen internen Mann- Kreis der DDR Grundorganisationen aufzu- schaftsbetreuer, der für die Durchführung bauen. Somit konnte sie bereits an der Ba- der politischen Schulungen verantwortlich VLV HLQ ÀlFKHQGHFNHQGHV 1HW] HUULFKWHQ war. Darüber hinaus hatten Spieler und GDVVLKUGLH0|JOLFKNHLWYHUVFKDႇWHWDOHQ- 7UDLQHU DQ GHU PRQDWOLFK VWDWW¿QGHQGHQ tierte Sportler frühzeitig zu entdecken, zu Parteiversammlung teilzunehmen. Auf die- binden und zu fördern. sen Veranstaltungen mussten auch Refera- Mit dem Eintritt in die Volkspolizei erfolgte WHXQG9HUSÀLFKWXQJVHUNOlUXQJHQYRQ6SLH- automatisch ein Eintritt in die Sportvereini-

Oranienburger Schriften 1 / 2019 93 Christian Noack

gung Dynamo.81 Auch wurden sportlich akti- MHGRFKZXUGHQVLHKlX¿JDOV0RWLYDWLRQJH- ve Mitarbeiter der Volkspolizei, die bereits nutzt, um den sportlichen Gegner zu schla- Erfahrungen mit Übungsleitertätigkeiten ge- JHQ *OHLFK]HLWLJ VRUJWH GLH RႇHQNXQGLJH macht hatten, angehalten, als Trainer oder Ablehnung der gegnerischen Fans für ei- Übungsleiter in der jeweiligen Grundorgani- nen größeren Zusammenhalt im Team des sation zu fungieren.82 Obwohl die Mitglieder BFC Dynamo Berlin. der Volkspolizei automatisch Mitglied in der Laut Bogs gab es auch Spiele, bei denen Sportvereinigung Dynamo waren, bestand im Vorfeld Karten an Mitarbeiter der Volks- für sie die Möglichkeit, noch in eine andere polizei und des MfS verteilt wurden; Bogs organisationsfremde Sportvereinigung ein- spricht im konkreten Fall von 3000.85 Ob zutreten. Aufgrund dieser Rechte und man so versucht hat, die sozialen Abspal- 3ÀLFKWHQ YHUVFKDႇW VLFK '\QDPR JOHLFK tungstendenzen von den Spielern fernzu- PHKUHUH 9RUWHLOH 0DQ HUKRႇWH VLFK GXUFK halten, bleibt eine Spekulation, da Bogs die Aufnahme von Kindern der aktiven Mit- nur dieser eine Fall bekannt ist. glieder einen Zuwachs. Durch das Privileg Festzuhalten ist, dass die herausragen- GHU GRSSHOWHQ 0LWJOLHGVFKDIW YHUVFKDႇWH de Entwicklung der Sportvereinigung Dy- man sich einen Einblick in die zivilen Sport- namo schon mit ihrer Gründung begann. vereinigungen und war somit in der Lage, So erhielt sie, mit Einverständnis des potentielle Spitzensportler und kompetente Staatlichen Komitees für Körperkultur und Übungsleiter abzuwerben. Sport, von Beginn an ein Statut, das vom Gerade auf dem Gebiet des Spitzen- üblichen Rahmenstatut für Sportvereini- sports waren die beiden Träger der Sport- gungen abwich. Dieses Statut war nicht vereinigung Dynamo in der Lage, hochkarä- nur international ausgerichtet, sondern es tige Spieler und Trainer von den zivilen YHUVFKDႇWHLKUDXFKDXIQDWLRQDOHU(EHQH Sportvereinigungen abzuwerben. Dies er- Vorteile gegenüber den anderen Sportver- folgte oftmals durch eine Anstellung bei der einigungen; ein Umstand, der auf die Volkspolizei ohne vorherige Ausbildung Machtposition des MfS zurückzuführen RGHUGXUFK9HUVFKDႇHQHLQHUNRPIRUWDEOHQ ist. Wohnung in günstiger Lage oder der Kom- Die besondere Stellung von Volkspolizei bination von beidem. Darüber hinaus erhiel- XQG0I6VRZLHGHUHQ6WUXNWXUHQXQG¿QDQ- ten die Spitzensportler eine Beförderung im zielle Unterstützung ermöglichten die Auf- Rahmen ihrer Anstellung; sofern sie ein nahme von Spitzensportlern und die An- sportliches Ziel erreichten.83 Der Unmut zivi- stellung von Diplomsportlehrern als Trainer. ler Vereinigungen, den man sich mit dieser So erhielten diese meist eine Anstellung 3UD[LV DXÀXG VFKOXJ VLFK RIW LQ )RUP YRQ in den Trägerorganisationen, ohne zuvor Buh-Rufen und Missgunst ihrer Fans nie- eine Ausbildung genossen zu haben, ge- der. VFKZHLJH GHQQ HLQHU EHUXIVVSH]L¿VFKHQ So kommentierte Jürgen Bogs im Inter- Tätigkeit nachzugehen, was das Gespräch view diese Formen sozialer Abspaltungs- mit Jürgen Bogs belegt.86 tendenzen so: Die Vorteile, die Dynamo gegenüber den »Wir haben doch von dem, was draußen zivilen Sportvereinigungen hatte, lagen so abging, gar nicht so viel mitbekommen. eindeutig im Statut und in der Satzung der Wir haben doch, mehr oder weniger, in un- Sportvereinigung und sind damit auf ihre serem eigenen Saft geschmort. Natürlich Gründung zurückzuführen. Jedoch ist da- war das oft so, dass wenn unsere Mann- von auszugehen, dass ohne die ständige schaft ins gegnerische Stadion eingelaufen (LQÀXVVQDKPH YRQ 0I6 XQG 9RONVSROL]HL ist und wir uns warm gemacht haben, die die sich in Form von Anstellungsverhältnis- gegnerischen Fans gebuht haben. Aber das VHQXQG¿QDQ]LHOOHQ=XZHQGXQJHQlX‰HU- hat die Spieler ja nur noch mehr ange- te und zu keinem Zeitpunkt in der Ge- spornt. Die haben sich dann gesagt ›Jetzt schichte der Sportvereinigung Dynamo erst recht!‹«84 abbrach, eine derartige Leistung auf der Die Missgunst der zivilen Vereinigungen Ebene des Spitzensports nicht möglich nahmen die Spieler Dynamos schon wahr, war.

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Abkürzungen

DVdI Deutsche Verwaltung des Innern Fn. Fußnote HDVP Hauptverwaltung deutscher Volkspolizei NSRL Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen persönl. persönliche SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland

Anmerkungen

1 Buss, (Sport)politisch-historischer Handlungs- 25 Gieseke, Das Ministerium für Staatssicherheit rahmen, 2001, 124. (1950-1990), 1998, 373. 2 Buss, (Sport)politisch-historischer Handlungs- 26 Gieseke, Das Ministerium für Staatssicherheit rahmen, 2001, 119. (1950-1990), 1998, 373f. 3 Buss, (Sport)politisch-historischer Handlungs- 27 Gieseke, Das Ministerium für Staatssicherheit rahmen, 2001, 126. (1950-1990), 1998, 375f. .RQWUROOUDWVJHVHW]1U$XÀ|VXQJXQG 28 Gieseke, Das Ministerium für Staatssicherheit Liquidierung der Naziorganisationen vom (1950-1990), 1998, 377f. 10.10.1945, ABl. des Kontrollrats in Deutsch- 29 Gieseke, Das Ministerium für Staatssicherheit land, 19, ber., 241. (1950-1990), 1998, 378. 5 Kontrollratsgesetz Nr.8, Ausschaltung und 30 Provisorische Volkskammer, Protokoll der 10. Verbot der militärischen Ausbildung vom Sitzung am 08.02.1950, 213. 30.11.1945, ABl. des Kontrollrats in Deutsch- 31 Gieseke, Das Ministerium für Staatssicherheit land, 33. (1950-1990), 1998, 376. 6 Keiderling, Vom Kommunal- zum Volkssport: 32 Gieseke, Das Ministerium für Staatssicherheit Entwicklung in der Ost-Zone Deutschlands, (1950-1990), 1998, 406. 1995, 157. 33 Tönsmann, In der ersten Reihe, 1977, 26f. 7 ABl. des Kontrollrats in Deutschland, Nr. 3, S. 34 Fechner, Dissertation, 2012, 58, http://edoc. 49. hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- 8 Kontrollratsgesetz Nr. 24, Entfernung von men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf [01.03.2014]. Nationalsozialisten und Personen, die den 35 Bundesarchiv, Berlin, Ministerium des Innern Bestrebungen der Alliierten feindlich gegenüber der DDR, Sign. DO 1/55994. stehen, aus Ämtern und verantwortlichen 36 Fechner, Dissertation, 2012, 59, http://edoc. Stellungen, vom 12.01.1946, ABl. des hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- .RQWUROOUDWVLQ'HXWVFKODQG1Uႇ men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf [01.03.2014]. 9 Pabst, Sport – Medium der Politik?, 1980, 73. 37 Bundesarchiv, Berlin, Staatssekretariat für 10 Pabst, Sport – Medium der Politik?, 1980, 75. Körperkultur und Sport, Sign. DR 5/1283. 11 Keiderling, Vom Kommunal- zum Volkssport: 38 Fechner, Dissertation, 2012, 67, http://edoc. Entwicklung in der Ost-Zone Deutschlands, hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- 1995, 160. men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf [01.03.2014]. 12 Wawilow, Sport und Leibesübungen, 1950, 39 Fechner, Dissertation, 2012, 72, http://edoc. ႇ hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- 13 Zitiert nach Keiderling, Vom Kommunal- zum men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf [01.03.2014]. Volkssport: Entwicklung in der Ost-Zone 40 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, Deutschlands, 1995, 161 mit Fn.23. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 14 Pabst, Sport – Medium der Politik?, 1980, 75. 101/1933/21. 15 Kühnst, Der mißbrauchte Sport, 1982, 23. 41 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 16 Pabst, Sport – Medium der Politik?, 1980, 79. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 17 Bundesvorstand des FDGB, Aus der Arbeit des 101/038/1-4. Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes 42 Bundesarchiv, Berlin, Ministerium des Innern 1947-1949, 1950, 238. der DDR, Sign. DO 1/28697. 18 Pabst, Sport – Medium der Politik?, 1980, 80. 43 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 19 Lindenberger, Volkspolizei, 2003, 37. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 20 Lindenberger, Volkspolizei, 2003, 38. 101/038/1-4. 21 Zitiert nach Buss, (Sport)politisch-historischer 44 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, Handlungsrahmen, 2001, 124. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 22 Müller, Parteiministerien, 1998, 337. 101/038/1-4. 23 Lindenberger, Volkspolizei, 2003, 44. 45 Fechner, Dissertation, 2012, 85, http://edoc. 24 Werkentin, Die »2. Parteikonferenz« der SED hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- im Juli 1952, 2002, 54. men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf [01.03.2014].

Oranienburger Schriften 1 / 2019 95 Christian Noack

46 Tönsmann, Grahmann & Zugt, Sportvereinigung 61 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, Dynamo, 1982, 23. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 47 Zitiert nach Tönsmann, Grahmann & Zugt, 101/001/2-4. Sportvereinigung Dynamo, 1982, 23. 62 Fechner, Dissertation, 2012, 85, http://edoc. 48 Zitiert nach Tönsmann, Grahmann & Zugt, hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- Sportvereinigung Dynamo, 1982, 23. men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf 49 Bundesarchiv, Berlin, Staatssekretariat für [01.03.2014]. Körperkultur und Sport, Sign. DR 5/517. 63 Lindenberger, Volkspolizei, 2003, 40. 50 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 64 Lindenberger, Volkspolizei, 2003, 211. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 65 Lindenberger, Volkspolizei, 2003, 267. 101/001/2-4. Und Bundesarchiv-SAPMO, /LQGHQEHUJHU9RONVSROL]HLႇ Berlin, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 67 Schumann, Parteierziehung in der Geheimpoli- der DDR, Sign. DY 34/3861. zei, 1997, 26. 51 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 68 Gieseke, Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 6WDDWVVLFKHUKHLWႇ 101/001/2-4. Und Bundesarchiv-SAPMO, 69 Gieseke, Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Berlin, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 6WDDWVVLFKHUKHLWႇ der DDR, Sign. DY 34/3861. 70 Gieseke, Die hauptamtlichen Mitarbeiter der 52 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 6WDDWVVLFKHUKHLWႇ Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 71 Engelmann, Florath, Heidemeyer, Münkel, 101/001/2-4. Und Bundesarchiv-SAPMO, Polzin u.a., Das MfS-Lexikon, 2011, 154. Berlin, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 72 Fechner, Dissertation, 2012, 148, http://edoc. der DDR, Sign. DY 34/3861. hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- 53 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO [01.03.2014]. 101/001/2-4. Und Bundesarchiv-SAPMO, 73 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, Berlin, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO der DDR, Sign. DY 34/3861. 101/1825/2. 54 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 74 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 101/001/2-4. Und Bundesarchiv-SAPMO, 101/1825/2. Berlin, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 75 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, der DDR, Sign. DY 34/3861. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 55 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 101/1825/2. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 76 Schroeder, Der SED-Staat, 1998, 223f. 101/001/2-4 77 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 56 Fechner, Dissertation, 2012, 85, http://edoc. Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO hu-berlin.de/dissertationen/fechner-car- 101/001/2-4. men-2012-02-22/PDF/fechner.pdf [01.03.2014]. 78 Tönsmann, Grahmann & Zugt, Sportvereini- 57 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, JXQJ'\QDPRႇ Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 79 Anhang A, J. Bogs (persönl. Mitteilung, 101/001/2-4. Und Bundesarchiv-SAPMO, 04.06.2014). Berlin, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 80 B. Schulz (persönl. Mitteilung, 08.06.2014) und der DDR, Sign. DY 34/3861. Klinder (persönl. Mitteilung, 10.05.2014) 58 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 81 A. Bartz (persönl. Mitteilung, 08.06.2014). Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 82 B. Schulz (persönl. Mitteilung, 08.06.2014) 101/001/2-4. 83 Anhang A, J. Bogs (persönl. Mitteilung, 59 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 04.06.2014). Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 84 Anhang A, J. Bogs (persönl. Mitteilung, 101/001/2-4. 04.06.2014). 60 Bundesarchiv, Außenstelle Hoppegarten, 85 Anhang A, J. Bogs (persönl. Mitteilung, Sportvereinigung Dynamo, Sign. DO 04.06.2014). 101/001/2-4. Und Bundesarchiv-SAPMO, 86 Anhang A, J. Bogs (persönl. Mitteilung, Berlin, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund 04.06.2014); Anhang B Dienstvertrag. der DDR, Sign. DY 34/3861.

96 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Deutsche Volkspolizei und der Sport

Quellenverzeichnis

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Oranienburger Schriften 1 / 2019 97 Stefan Wizner

Die Reformierung der Polizei in Brandenburg 1992–2002

Am Beispiel des Potsdamer Polizeipräsidiums

Stefan Wizner

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Reformierung der Polizei Brandenburg in der Zeit YRQELV=LHOLVWHVKHUDXV]X¿QGHQZLHJUXQGOHJHQGXQGXPIDVVHQGGLH5HIRUPGHU Polizei des Landes Brandenburg ist. Die Arbeit versucht nicht nur die Veränderungen in der Polizei deutlich zu machen, sondern es wird auch aufgezeigt, wie die Veränderungen herbeige- führt wurden und warum sie notwendig waren. Des Weiteren soll geklärt werden, ob es eben- falls auch eine Änderung des Aufgabenspektrums in der Polizei gegeben hat, speziell auf das Polizeipräsidium Potsdam ausgerichtet. Meine zentrale Forschungsfrage lautet deshalb wie folgt: »Gab es durch die Reformierung der Polizei erhebliche Veränderungen und wenn ja – wie sehen sie aus?«

1. Einleitung und Aufgaben gegeben. Diese Arbeit soll ne- ben der Neustrukturierung der Polizei des Aufgrund der wenigen literarischen Quel- Bundeslandes Brandenburg explizit die Or- len, die es bisher zu diesem Thema gibt, ganisationsstruktur des Polizeipräsidiums wird großen Wert gelegt auf eine Informati- Potsdam beleuchten. Einen Vergleich mit an- onssammlung aus Interviews. Hier sollen deren Polizeipräsidien wird es nicht geben, Interviewpartner aus der Zeit der Wieder- da dies nicht Teil dieser Arbeit ist. vereinigung und der damit verbundenen Reformierung der Polizei eine wesentliche 2. Vorgängerorganisation der Quelle sein. Polizei bis 1990 Im ersten Teil dieser Arbeit wird kurz ein- leitend die ehemalige Deutsche Volkspoli- Die Vorgängerorganisation zur heutigen zei (fortan DVP) etwas näher erläutert. Polizei des Landes Brandenburg war die Fortlaufend wird dann die Entwicklung DVP, welche nach dem Zweiten Weltkrieg eben jener DVP zur Polizei des Landes gebildet wurde und bis zur Einheit Deutsch- Brandenburg während des Zusammen- lands 1990 Bestand hatte. Im Folgenden schlusses beider Staatsgebiete dargestellt. wird ein kurzer Einblick über die Deutsche Es wird hier versucht, chronologisch vorzu- Volkspolizei gegeben. gehen, obwohl doch einzelne Änderungen KlX¿J JOHLFK]HLWLJ UHDOLVLHUW ZXUGHQ E]Z 2.1. Deutsche Volkspolizei parallel abliefen. Des Weiteren wird ein Ausblick gegeben Nach Decker (2012) gehörten zur Deut- über die Reformierung zur Polizei des Landes schen Volkspolizei die Dienstbereiche: Brandenburg. Hier wird die Neuorganisation Schutzpolizei, Verkehrspolizei, Kriminalpo- der Polizei im neu gegründeten Bundesland lizei mit den Kommissariaten 1–9, Trans- Brandenburg beschrieben. Ebenso wird ein portpolizei, das Pass- und Meldewesen Überblick über die Entwicklung von Personal und der Betriebsschutz (S.6).

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Die DVP war militärisch ausgelegt, so tru- wie Sonderaufgaben, die im Zusammen- JHQDXFKGLH2ႈ]LHUHGHU9RONVSROL]HLPLOL- hang mit dem sogenannten Schutz der tärische Dienstgradbezeichnungen, wie Staatsgrenze und dem Zusammenwirken z. B. »Leutnant der Volkspolizei«. Im Zuge mit dem Ministerium für Staatssicherheit einer Gebietsreform im Jahr 1952 auf dem (MfS) bestanden. Die Schutzpolizei mit Re- Staatsgebiet der DDR wurden die fünf Län- vieren, den Zentralen Kräften Schutzpolizei, GHU DEJHVFKDႇW XQG GXUFK  %H]LUNH HU- den Gruppenposten der Abschnittsbevoll- setzt (als eigenständige 15. führende Poli- PlFKWLJWHQ XQG GHP 2ႈ]LHU (UODXEQLVZH- zeibehörde fungierte das Polizeipräsidium sen. Die Verkehrspolizei mit der Verkehrsun- von Berlin-Ost). Aus dem ehemaligen Land fallbereitschaft, der KfZ-Zulassung und Brandenburg wurden schließlich die Bezir- Fahrerlaubniswesen, der Verkehrserzie- ke Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder. hung, den Verkehrsüberwachern und dem Am 23. Juli 1952 befahl der Chef der DVP Hilfssachverständigen. Die Feuerwehr mit die Bildung von 14 Bezirksdirektionen der der Abteilung und dem Kommando Feuer- Deutschen Volkspolizei (BDVP) und von wehr, Strafvollzug mit einer Untersuchungs- 217 Volkspolizei-Kreisämtern (VPKA).1 haftanstalt (UHA), die Wasserschutzpolizei, Potsdam wurde eine der 14 Bezirksdirek- der Betriebsschutz, das Pass- und Meldewe- tionen der DVP mit den Volkspolizei-Kreis- VHQGLH9HUVRUJXQJVGLHQVWHGHQ2ႈ]LHUIU ämtern (VPKÄ) Belzig, Brandenburg/Havel, $XV XQG :HLWHUELOGXQJ GHQ .DGHURႈ]LHU Gransee, Jüterbog, Königs Wusterhausen, sowie die Verkehrsgruppe Transit.« (S. 7) Kyritz, Luckenwalde, Nauen, Neuruppin, Auch heute noch werden viele dieser Be- Oranienburg, Potsdam, Pritzwalk, Rathe- reiche durch die Polizei des Landes Bran- now, Wittstock und Zossen. In den Orten denburg abgedeckt. Andere Aufgaben sind und Stadtteilen waren Abschnittsbevoll- an andere Ministerien abgegeben worden. mächtigte eingeteilt. Des Weiteren gab es Aufgaben, die mit dem Schutz der Staats- auch noch freiwillige Helfer, welche die DVP grenze zu tun haben und durch das Ministe- unterstützten. Die VPKÄ wurden je nach rium für Staatssicherheit bearbeitet wurden, Größe und Bedeutung in drei Kategorien sind im Zuge der Wiedervereinigung kom- unterteilt. Diesbezüglich kam dem VPKA plett weggefallen. Potsdam die höchste Kategorie zu. Nach Jaenicke (2012) gehörten zu den wesent- 2.2. Ende der DDR-Polizei lichsten Aufgaben der Volkspolizeikreisäm- WHU *HZlKUOHLVWXQJ GHU gႇHQWOLFKHQ 6L- Ende der 1980er-Jahre fanden mehr und cherheit und Ordnung, Schutz der mehr Protestwellen der Bevölkerung der Staatsgrenze, Schutz der Volkswirtschaft, ehemaligen DDR statt. Die Bürger lehnten Schutz der Transitwege zu Lande und zu sich gegen die für sie falsche Politik der füh- Wasser, Erfüllung von Aufgaben im Rah- renden SED-Partei auf, was zu vielen Pro- men der Landesverteidigung, Ausbildung WHVWHQDXIRႇHQHU6WUD‰HIKUWH6RPQGH- der Kampfgruppen und Arbeiterklasse, Aus- te in Potsdam die falsche SED-Politik am bildung der Brandschutzeinheiten (S. 6). 7.10.1989 in einem unangemessenen Poli- Der Aufbau eines Volkspolizeikreisamtes ]HLHLQVDW]]XU$XÀ|VXQJHLQHU'HPRQVWUDWL- sah an oberster Stelle den Leiter des VPKA. on von über 1000 Bürgern, die demokrati- ,KP XQWHUVWDQGHQ GHU .DGHU 2ႈ]LHU GHU sche Änderungen in der DDR forderten.2 Leiter Feuerwehr, der Stellvertreter des Lei- Mit starker Gewalt und insgesamt 108 ters für politische Arbeit, der Stellvertreter Festnahmen von Demonstranten ging die des Leiters und Versorgungsdienste, der damalige DVP gegen die Demonstration Stellvertreter des Leiters und Operativ so- vor, was im Nachhinein als großer Fehler wie der Stabschef. seitens der Führung der damaligen BDVP Nach Decker (2012) bestand die Struktur Potsdam eingeräumt wurde. Nachdem der Volkspolizeikreisämter unterhalb der DXFK LQ 3RWVGDP GLH *UHQ]|ႇQXQJ HUIROJW Leitungsebene aus folgenden Bereichen: war, entschuldigte sich der damalige Chef »Die Kriminalpolizei mit Kommissariaten GHU%'933RWVGDPDP|ႇHQW- mit vergleichbaren Aufgaben wie heute so- lich für den genannten Polizeieinsatz.3

Oranienburger Schriften 1 / 2019 99 Stefan Wizner

'LH 9HUlQGHUXQJHQ GXUFK GLH 0DXHU|ႇ- 3. Entwicklung zur nungen führten auch in der Volkspolizei zu Landespolizei Brandenburg Veränderungen, was bei den ehemalig täti- JHQ2ႈ]LHUHQ]X8QVLFKHUKHLWHQLQ%H]XJ Der ehemalige Innenminister des Landes auf ihre zukünftige Verwendung führte. Da Brandenburg, Alwin Ziel, sagte im Zuge ei- YLHOH HKHPDOLJ KRFKUDQJLJH 2ႈ]LHUH GHU nes persönlichen Interviews mit dem Ver- Volkspolizei aufgrund ihrer Nähe zum Chef fasser über den Aufbau einer demokrati- der BDVP Potsdam oder zu den Leitern der schen Polizei im Land Brandenburg VPKÄ befürchteten, in der »neuen« Polizei folgendes: des Landes Brandenburg keine Verwen- »Der Weg von der ehemaligen Deut- dung mehr zu erhalten, entschlossen sich schen Volkspolizei hin zu einer bürger- viele, die im Einigungsvertrag befristete freundlichen und bürgernahen Polizei, die Vorruhestandsregelung für Polizeiangehöri- den bediensteten Raum für eigenverant- ge ab dem 50. Lebensjahr bzw. nach 25 wortliche Aufgabenwahrnehmung und be- Dienstjahren zu akzeptieren.4 Deshalb UXÀLFKH (QWIDOWXQJ JLEW GDGXUFK GDQQ$U- rückten in den Monaten bis zum Dienstbe- beitszufriedenheit fördert und bestmögliche ginn der neu aufgestellten Polizeipräsidien Arbeitserfüllung sichert, war ein sehr MXQJH2ႈ]LHUHDXVGHQ6WlEHQXQGHUIDKUH- schwieriges Unterfangen.« (Ziel Alwin, In- ne Wachtmeister der Schutz- und Verkehrs- nenmister a.D., Interview vom 1.4.2014) polizei nach. Ziel führte dies auf neue Aufgabenfelder $E GHP  ZXUGHQ GLH 2ႈ]LHUV- zurück, die auf die neu formierte Polizei GLHQVWJUDGH DEJHVFKDႇW XQG PDQ IKUWH des Landes Brandenburg im Zuge der Wie- wieder die polizeitypischen Bezeichnungen dervereinigung hinzukam. So kannten die für den gehobenen und höheren Dienst ein. Polizisten der ehemaligen Volkspolizei sich In dem von der Innenministerkonferenz z. B. wenig aus mit Hausbesetzern, De- am 29.6.1990 gefassten Beschluss zur Zu- monstrationen oder auch die Verkehrsun- sammenarbeit zwischen den Bundeslän- fallaufnahme mit anschließenden Todeser- dern und der DDR wurden sogenannte Pa- mittlungsverfahren, um nur einige neue tenschaften für die ehemaligen Bezirke der Aufgabenfelder zu benennen. Ein großes ''5DXIJHVWHOOW'LH3DWHQVFKDႇWHQVROOWHQ Problem war die fehlende Akzeptanz der zu einer funktionsfähigen Polizeistruktur Polizei bei der eigenen Bevölkerung.6 verhelfen. Für das neue Bundesland Bran- In der DDR war die Deutsche Volkspolizei denburg waren die alten Bundesländer auch ein Instrument des Staates. Und mit Nordrhein-Westfalen und das Saarland der Politik der ehemaligen führenden SED- festgelegt. Vorgesehen war von Beginn an Partei waren große Teile der Bevölkerung die Angleichung der Polizei der DDR an die nicht zufrieden. Somit traten sie auch der aufbau- und ablauforganisatorischen poli- Polizei mit sehr wenig Vertrauen gegenüber, zeilichen Strukturen in der BRD.5 was nicht zuletzt auch der friedlichen Revo- Nach dem am 31.8.1990 unterzeichneten lution im Jahre 1989 geschuldet war. Einigungsvertrag und der damit verbunde- Dazu beigetragen hatte auch das Er- nen Einheit zwischen der BRD und der VFKHLQXQJVELOGGHU3ROL]HLLQGHUgႇHQWOLFK- DDR hatte die DDR am 2.10.1990 um keit, welches geprägt war durch Uniformen 24 Uhr aufgehört zu existieren. Infolgedes- und Fahrzeuge der DVP. Ausrüstung und sen wurde aus der Bezirksdirektion der technische Ausstattung entsprachen nicht Deutschen Volkspolizei die Bezirksbehörde dem westlichen Standard und konnten erst der Polizei (BDP) und aus den Volkspolizei- nach und nach in Brandenburg ausge- kreisämtern die Polizeikreisämter (PKÄ). tauscht werden. Der neue Landtag in Brandenburg wurde All dieser Probleme musste man erst nun am 14.10.1990 gewählt. Für das Land Herr werden. Unterstützend am Aufbau der Brandenburg wurde eine neue Polizeistruk- Polizei Brandenburg waren Partnerländer tur beschlossen, deren Aufbau ab Mitte aus Westdeutschland, die sich mit sachli- 1991 mit Aufbaustäben für die zukünftigen chem und personellem Aufwand am Auf- Polizeipräsidien vorangetrieben wurde. bau der Polizeiorganisationen beteiligten.7

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Die Partnerländer für Brandenburg waren DDR beschloss in einem ihrer letzten Amts- die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und handlungen das (Übergangs-) Gesetz über das Saarland. die Aufgaben und Befugnisse der Polizei. Laut Decker (2012) waren erste Reform- schritte unter der neuen Regierung Modrow 4. Neuorganisation der ab dem 13.11.1989: die Abkoppelung der Polizei ab 1992 Deutschen Volkspolizei von der SED als oberster Leistungsinstanz. Die Beendigung Der ehemalige Innenminister Alwin Ziel des faktischen Unterstellungsverhältnisses sagte zum Neuaufbau der Polizei wörtlich XQWHUGDVVLFKLQGHU$XÀ|VXQJEH¿QGOLFKHQ folgendes: Ministeriums für Staatssicherheit. Die Ablö- »Die ehemaligen Bezirksdirektionen der sung des Chefs der Deutschen Volkspolizei Volkspolizei, welche in der DDR tragende (DVP) und gleichzeitigen Innenministers Säulen darstellten, wollten wir nicht in der Friedrich Dickel durch seinen Stellvertreter neuen Organisation übernehmen, denn wir Lothar Arendt. Die Trennung des Amtes des wollten ja Veränderungen vollziehen und Chefs der DVP von dem des Innenminis- somit wollten wir auch Zeichen setzen, um ters. Der Abbau militärischer Strukturen und mit der Struktur der DDR-Polizei abzu- Gebräuche, sowie die ersten Arbeiten an schließen.« (Interview Ziel, ehemaliger In- einem neuen Aufgaben- und Befugnisge- nenminister, 1.4.2014) setz für die DVP (S. 24 f). Dem Ministerium des Innern als oberste Durch die Ablösung Dickels, welcher Landesbehörde wurden im Zuge der Neu- gleichzeitig Chef der DVP und Innenminis- strukturierung der Polizei fünf Polizeipräsi- ter der DDR war, fand auch die Trennung dien (Cottbus, Eberswalde, Frankfurt dieser beiden Ämter statt. Mit dem Abbau (Oder), Oranienburg und Potsdam) plus ein militärischen Strukturen und Gebräuche zusätzliches Polizeipräsidium der Wasser- ZDUEVSZGLH$EVFKDႇXQJGHUPLOLWlULVFKHQ schutzpolizei nachgeordnet. Dienstgrade gemeint. Später erfolgte auch Das Bundesland Brandenburg ist ein gro- die Umbenennung der Deutschen Volkspo- ßes Flächenland, und die Aufgaben sollten lizei zu Polizei. auf die Schultern mehrerer Polizeipräsidien Allerdings sollten die Führungsphiloso- verteilt werden, um die Führung nicht zent- phie und wesentliche Führungsstrukturen ral nur von einem Präsidium zu vollziehen.8 zunächst bestehen bleiben. Somit wurde die Bildung von insgesamt Nach Decker (2012) waren das folgende sechs Polizeipräsidien beschlossen, um )KUXQJVSULQ]LSLHQ VWUDႇH ]HQWUDOH )K- das ganze Land Brandenburg abzudecken. UXQJWLHIJHVWDႇHOWH*OLHGHUXQJGHU2UJDQL- Peter Schultheis äußerte sich im Inter- sation, systematische Kontrolle der Mitar- view bezüglich der Bildung der sechs Poli- EHLWHU,QQHQ XPIDQJUHLFKH 0HOGHSÀLFKWHQ zeipräsidien folgendermaßen: mangelnde Spielräume für Entscheidungen »Diese Struktur wurde größtenteils aus vor Ort, militärische Disziplin (S. 24). dem Bundesland Nordrhein-Westfalen Mit dem Beitritt der fünf neuen Länder übernommen. Es gab allerdings einen Un- plus Berlin der ehemaligen Deutschen De- terschied im Brandenburger Modell. So wa- mokratischen Republik zur Bundesrepublik ren innerhalb der Schutzbereiche die Deutschland war auch das Land Branden- Schutzpolizei und der Kriminalpolizeiliche burg gebildet worden. Mit dieser Neugrün- Dienst in einem Organisationsbereich zu- dung des Bundeslandes unterstand die Po- sammengefasst, was es in Nordrhein-West- lizei von nun an der Landesregierung. falen so nicht gab.« (Interview mit Peter Fortan bestand für das Land Brandenburg Schultheis, ehemaliger LPD Abteilung Ein- GLH3ÀLFKWPLWHLQHUHLJHQHQ3ROL]HLDXIGHU satz/Ermittlung 4.6.2014) *UXQGODJHGHVQHXHQ5HFKWVGLH|ႇHQWOLFKH Im Jahre 1991 wurde durch den Branden- Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. burgischen Landtag das neue Polizeiorga- Dass die Polizei eine Handlungsgrundlage nisationsgesetz verabschiedet, welches für ihr Handeln hatte, wurde noch im Jahre beinhaltet, dass die Polizei ausschließlich 1990 klar gestellt. Die Volkskammer der eine zivile Führung erhält. Für Polizeiange-

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legenheiten ist fortan die Abteilung IV des Das Polizeiorganisationsgesetz regelte Innenministeriums zuständig. im Einzelnen die Einrichtung von Polizei- Es wurde festgelegt, dass die Polizeiprä- beiräten bei den Polizeipräsidien, die örtli- sidenten fortan keine Polizeibeamten wa- che Zuständigkeit der Polizeibehörden und ren, sondern aus dem Bereich der Politik der Polizeivollzugsbeamten sowie die kamen.9 Für die notwendige fachliche Kom- sachliche Zuständigkeit der Polizei.11 petenz sorgten die Abteilungsleiter des Be- Somit fand zum ersten Mal eine klare reiches Einsatz/Ermittlung, wo hochrangige Trennung zwischen den für Vollzugsaufga- Polizeibedienstete die Führungsposition ben zuständigen Polizeibehörden und den hatten. In Potsdam war Leiter der Abteilung Polizeieinrichtungen statt. Die zentralisti- Einsatz/Ermittlung der aus dem Bundes- sche Polizeistruktur der ehemaligen DDR land NRW gekommene LPD Peter Schult- gehörte somit der Vergangenheit an. heis, der fortan die Abteilung geführt hat. Am 20. März 1996 trat dann das Gesetz Das neu gegründete Innenministerium über die Aufgaben und Befugnisse der Po- des Landes Brandenburg musste neue Po- lizei im Land Brandenburg, sprich das lizeibehörden und -einrichtungen aufbauen Brandenburgische Polizeigesetz in Kraft.12 sowie vorhandene Organisationseinheiten Hiermit erfüllte der Landtag Brandenburg in eine neue Struktur überführen. einen gesetzgeberischen Auftrag, den er sich vor über vier Jahren mit dem Vor- 4.1. Entstehung und Aufgaben des schaltgesetz selbst gegeben hatte. Brandenburgischen Polizeiorganisati- Eine Novellierung war jedoch notwendig, onsgesetzes weil es seit dem Inkrafttreten des Polizei- aufgabengesetzes eine Vielzahl von bun- Der ehemalige Innenminister Alwin Ziel des- und landesgesetzlichen Veränderun- sagte zum Polizeiorganisationsgesetz: gen gegeben hatte, die in dem bis dahin »Mit dem Polizeiorganisationsgesetz leg- gültigen Polizeiaufgabengesetz keine Be- ten wir das Fundament für den Aufbau einer rücksichtigung fanden. den demokratisch-rechtsstaatlichen Grund- Seit dem Jahr 1996 hat somit auch das VlW]HQYHUSÀLFKWHWHQ3ROL]HL6LHVROOWHQLFKW Bundesland Brandenburg ein Polizeige- mehr der Diktatur, sondern dem Bürger die- setz. nen« (S.29). Grundzüge und Inhalte des Polizeigeset- Mit diesen Worten beendete der damali- zes werden in dieser Arbeit allerdings nicht ge Innenminister Ziel seine Rede im neuen näher erläutert, da dies nicht Thema dieser Brandenburger Landtag und legte den Ge- Arbeit ist. Hier wird verwiesen auf die un- setzesentwurf des Polizeiorganisationsge- zählige Literatur zum Brandenburgischen setzes zur Abstimmung im Landtag vor. Polizeigesetz. Dem neuen Vorschaltgesetz zum späteren Polizeigesetz des Landes Brandenburg 4.2. Struktur der neuen wurde mit 67 Ja-Stimmen bei null Gegen- Polizeipräsidien in Brandenburg stimmen und lediglich zwei Stimmenthal- tungen deutlich zugestimmt. %HLGHU$XVZHUWXQJGHU*UD¿NDXI6 Mit dem Polizeiaufgabengesetz von 1991 fällt auf, dass jedes einzelne Präsidium wollte man für die Übergangsphase ein Ge- sich auf der Stabsebene in die beiden Ab- VHW] VFKDႇHQ ZDV GHQ 3ROL]HLYROO]XJV- teilungen Einsatz/Ermittlung und Verwal- GLHQVW LP QHX JHVFKDႇHQHQ %XQGHVODQG tung mit ihren jeweils untergeordneten De- Brandenburg auf eine rechtlich solide Basis zernaten gliedert (s. Abb. 1, S. 107). stellte. Jenes Gesetz wurde das Vorschalt- Ziel war es hier, die operativen Beamten gesetz zum späteren Polizeigesetz des der Abteilung Einsatz/Ermittlung vom Ver- Landes Brandenburg. Das Vorschaltgesetz waltungsaufwand zu entlasten. Der Abtei- trat am 1.1.1992 in Kraft , blieb bis zum Jahr lung Einsatz/Ermittlung eines jeden Poli- 1996 bestehen und gab die Grundlage für zeipräsidiums unterstanden des Weiteren das polizeiliche Handeln der Landespolizei noch die jeweiligen Schutzbereiche, sowie Brandenburg.10 der Zentrale Kriminalpolizeiliche Dienst,

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Abb. 1: Struktur der Polizeipräsidien

welcher die Aufgabe hatte, Straftaten von ner neuen Einrichtung der Polizei zusam- höchster Bedeutung aufzuklären. mengefasst.14 Auf Mittelbehörden sowie Zum 1. November 1991 nahmen die neu- eine eigenständige Autobahnpolizei wurde en Polizeipräsidien die Arbeit auf, so auch hingegen verzichtet. das Polizeipräsidium Potsdam Des Weiteren wurden auch die Einrich- Jeweils vier bis fünf Schutzbereiche wa- tung des Landeskriminalamtes, der Bereit- ren jedem Präsidium zugeordnet. Zum Poli- schaftspolizei, der Landespolizeischule zeipräsidium Potsdam zählten die alten und des Zentraldienstes der Polizei für Landkreise Rathenow, Nauen, Branden- 7HFKQLN XQG %HVFKDႇXQJ DOV QRWZHQGLJ burg-Stadt, Brandenburg-Land, Belzig, angesehen. Der gehobene Polizeivoll- Potsdam-Stadt, Potsdam-Land, Luckenwal- zugsdienst wurde von nun an in einem de, Zossen Königs Wusterhausen und Jü- Fachbereich für Polizei an der Fachhoch- terbog.13 VFKXOHIU|ႇHQWOLFKH9HUZDOWXQJDXVJHELO- Durch die Kreisgebietsreform, welche im det.15 Die Bereiche des Pass- und Jahre 1993 vollzogen wurde gab es auch Meldewesens, der Feuerwehr, des Kfz- ab Januar 1994 neue Grenzen der Polizei- Zulassungswesens und des Strafvollzugs präsidien. So verringerte sich die Zahl der der ehemaligen Deutschen Volkspolizei Kreise von 38 auf 14 und Zahl der kreisfrei- wurden in kommunale Bereiche bzw. die en Städte von sechs auf vier. Die Schutzbe- Justiz eingegliedert und waren nicht mehr reichsgrenzen wurden den Kreisgrenzen der Polizei angegliedert. angepasst, so gab es von da an 21 Schutz- Polizeipräsident von Schwerin äußerte bereiche mit 21 Hauptwachen und 37 Wa- sich bezüglich der Struktur der neuen Poli- chen im Land Brandenburg. Näher auf die zei wörtlich wie folgt: Kreisgebietsreform wird in dieser Arbeit »An der Struktur änderte sich von Grund nicht eingegangen. auf alles. Es sollte nichts von der Struktur Hinzu zu den sechs Polizeipräsidien kam der ehemaligen Deutschen Volkspolizei der noch das Landeskriminalamt in Basdorf und DDR übrig bleiben. So wurden aus den eine Bereitschaftspolizei, welche in Pots- ehemaligen drei Bezirken Potsdam, Cott- dam/Eiche stationiert war. Die Bereit- bus und Frankfurt/Oder mit ihren jeweiligen schaftspolizei wurde im Mai 1995 durch die Bezirksdirektionen der Volkspolizei insge- Landeseinsatzeinheit (LESE) ersetzt. Hier samt fünf neue Polizeipräsidien und ein zu- wurden die Bereitschaftspolizei, die Polizei- sätzliches Präsidium der Wasserschutzpoli- sonderdienste und ein Führungsstab zu ei- zei gegründet.« (Interview mit von Schwerin,

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ehemaliger Polizeipräsident des PP Pots- (V1–V8), welche wie folgt aufgebaut wa- dam, 15.4.2014) ren: Dezernat V1 (allgemeine Verwaltungs- Im Laufe der 90er-Jahre entwickelte sich organisation und Personalstelle), Dezernat die Polizei im Bundesland Brandenburg V2 (Rechtsangelegenheiten, Datenschutz DXIGHU*UXQGODJHGHUJHWURႇHQHQ6WUXNWX- und die Bußgeldstelle), Dezernat V3 rentscheidungen zu einer Organisation, (Haushalts- und Kassenwesen, Liegen- deren Leistungsfähigkeit durch konse- schaften, Bekleidungsstelle, Zentrale quente Entwicklung kontinuierlich gestei- Verwaltungsstelle), Dezernat V4 (IuK- gert werden konnte.16 War es anfangs noch 7HFKQLN :DႇHQXQG *HUlWHWHFKQLN )DKU- schwierig, für die Polizisten mit den neuen dienst), Dezernat V5 (Ärztlicher Dienst, Aufgaben zurecht zu kommen, so stärkte Sozialmedizinischer Dienst), Dezernat V6 sich Jahr für Jahr das Verständnis und so- (Aus- und Fortbildung), Dezernat V7 (Ver- PLW DXFK GLH (ႇHNWLYLWlW GHU SROL]HLOLFKHQ sorgungsstelle) und Dezernat V8 (Zentrale Arbeit.17 Bußgeldstelle). Der Abteilung Einsatz/Ermittlung waren 4.3. Organisationsstruktur des fünf Dezernate (E1–E5) unter der Leitung Polizeipräsidium Potsdam von Peter Schultheis, Leitender Polizei- Direktor des Polizeipräsidium Potsdam Die Aufbauorganisation war in den ganzen angegliedert. Die Gliederung der Abtei- sechs Präsidien, die es seit 1991 gab, ein lung sah wie folgt aus: Dezernat E1 und dieselbe.18 Unter der obersten Füh- (Lagedienst, Leitstelle), Dezernat E2 rungsebene gab es zwei in sich geschlos- (Einsatzdienst), Dezernat E3 (Kriminalan- sene Abteilungen. gelegenheiten), Dezernat E4 (Verkehrs- Dies war zum einen die Abteilung angelegenheiten, Verkehrsdienst), Dezer- Verwaltung mit ihren unterschiedlichen nat E5 (Vorbeugung, Zentrale Polizeiliche Dezernaten, welche sich um Personalan- Beratung). JHOHJHQKHLWHQ 7HFKQLNEHVFKDႇXQJ XVZ Neben diesen fünf Bereichen waren der kümmerten, und zum anderen die Abtei- Abteilung Einsatz/Ermittlung auch noch die lung Einsatz/Ermittlung. Dieser Abteilung Schutzbereiche Potsdam, Brandenburg/ unterstanden zudem auch noch die einzel- Havel, Dahme-Spreewald, Teltow-Fläming nen Schutzbereiche sowie die Zentralen sowie der Zentrale Kriminalpolizeiliche Kriminalpolizeilichen Dienste der jeweili- Dienst (ZKD) angegliedert. gen Schutzbereiche. Auf das Polizeipräsi- Der Sektor Schutzbereiche war ebenfalls dium Potsdam bezogen waren das die nochmal untergliedert in folgende Gebiete: Schutzbereiche Brandenburg/Havel, Dah- Polizeiwachen, Sachgebiet Allgemeine Si- me-Spreewald und Teltow-Fläming sowie cherheit, Sachgebiet Allgemeine Kriminali- die Kreisfreien Städte Potsdam und Bran- tätsbekämpfung und Sachgebiet Verkehrs- denburg/Havel.19 unfallbekämpfung. Dem Polizeipräsidium Potsdam unter- Dem Sektor ZKD unterstanden im standen die meisten Einsatzkräfte, da es Polizeipräsidium Potsdam sieben eigen- auch der größte Präsidialbereich gewesen ständige Kommissariate. Diese waren: ist.20 Die Organisationsstruktur des neuen Kommissariat 1 (Leben und Gesundheit), Polizeipräsidiums Potsdam sah den Polizei- Kommissariat 2 (Raub, Erpressung, Ban- präsidenten an oberster Stelle. Ihm unter- den), Kommissariat 3 (Organisierte Krimi- stellt befanden sich die beiden eigenständi- nalität, Bandenkriminalität), Kommissariat gen Abteilungen Verwaltung und Einsatz/ 5 (Wirtschaftskriminalität und Amtsdelik- Ermittlung. te), Kommissariat 6 (Brand- und Umwelt- Beide Abteilungen waren für sich gestell- delikte), Kommissariat 7 (Kriminaltechnik te geschlossene Bereiche, welche wieder- und Erkennungsdienst) und Kommissariat um in einzelne Dezernate mit ihren unter- 8 (Fahndungsdienst). schiedlichen Aufgabenbereichen unterteilt Das Kommissariat 4 befasste sich mit waren. So hatte die Abteilung Verwaltung Staatsschutzdelikten und war nur dem Po- insgesamt acht untergeordnete Dezernate lizeipräsidium Oranienburg angegliedert.

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4.4. Erster Polizeipräsident des »Das Polizeipräsidium in Potsdam war an- Polizeipräsidiums Potsdam sässig in der Henning-von-Tresckow-Straße 9–13, wo auch das Innenministerium seinen Sitz hatte und auch heute noch hat. Die räumlichen Gegebenheiten waren in der An- fangszeit eine Katstrophe, denn die Dienst- gebäude wurden aus DDR-Bestand über- nommen. Die Räume waren sehr klein, eigentlich zu klein, um zu arbeiten, und vom Zustand gar nicht zu sprechen. Allerdings war eine Sanierung auch nicht in ein paar Wochen bzw. Monaten zu realisieren.« (Graf Von Schwerin, Detlev, Erster Polizei- präsident des Polizeipräsidiums Potsdam 1992–2002, Interview vom 15.4.2014) Die verfügbaren Liegenschaften der ehe- maligen Volkspolizei waren für eine sachge- rechte Nutzung umzugestalten. Auch sämt- liche Polizeiwachen entstanden aus ehemaligen Volkspolizeikreisämtern. Des Weiteren mussten weitere Liegenschaften für die Einrichtung neuer Dienststellen ge- Abb. 2: Erster Polizeipräsident des Polizei- wonnen werden, was erhebliche Investitio- präsidiums Potsdam von 1992–2002 nen nach sich zog. (Foto FH Pol) Die technischen Einrichtungen der ehe- maligen Bezirksdirektion Potsdam wurden Erster Polizeipräsident des neu gegründe- übernommen und genutzt. Die neuen Ein- ten Polizeipräsidiums Potsdam war Detlev satzbearbeiter hatten große Probleme, die Graf von Schwerin. Graf von Schwerin hat- Einsatzmittel überhaupt zu erreichen, da te keinen polizeilichen Hintergrund, er kam auch das Funknetz von DDR-Technik auf aus der Politik, der SPD-Zentrale Ost aus den Standard der alten Bundesländer um- Berlin. Der ehemalige Innenminister Ziel gestellt wurde. Ähnlich verhielt es sich mit hatte den Wunsch, an der Spitze der Poli- der Dienstbekleidung und Dienstaus- zei des Landes Brandenburg keine Poli- rüstung. zeibediensteten einzusetzen, sondern po- Graf von Schwerin äußerte im Interview litisch engagierte Kräfte. Graf von Schwerin bezüglich der Führungs- und Einsatzmittel war Wunschkandidat des ehemaligen wörtlich folgendes: Innenministers Ziel für die Position des Po- »Die Bediensteten der ehemaligen Volks- lizeipräsidenten des Polizeipräsidiums polizei mussten am Anfang noch ihre alten Potsdam.21 Bereits seit Juli 1991 war von Uniformen tragen, was hinderlich war, um als Schwerin im Aufbaustab für das künftige neue Polizei Anerkennung zu erlangen. Polizeipräsidium Potsdam tätig.22 Der Neue Uniformen und auch Dienstwagen wa- neue Polizeipräsident übernahm gemein- ren wichtig für den Schritt weg von der ehe- sam mit seinen Kollegen am 1.11.1991 maligen Deutschen Volkspolizei. Bei den seine neue Position. Streifenwagen und auch bei der Gebäudes- anierung verging jedoch eine sehr lange 4.5. Infrastruktur und Ausstattung im Zeit. Auch die technischen Einsatzmittel wie Bereich des Polizeipräsidiums Potsdam Funkgeräte konnten zunächst nur aus DDR- Beständen übernommen werden.« (Graf von Zum Standort des neu gegründeten Polizei- Schwerin, Detlev, Erster Polizeipräsident präsidiums Potsdam machte der ehemalige des Polizeipräsidiums Potsdam 1992–2002, Polizeipräsident Graf von Schwerin im In- Interview vom 15.4.2014). Der Wandel voll- terview wörtlich folgende Angaben: zog sich erst nach und nach.

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Haselow (2000) bemerkte zur Ausstat- z. B. der Bandenkriminalität, der Organi- tung der Polizei Brandenburg folgendes: sierten Kriminalität und der Wirtschaftskri- »Das Partnerland Nordrhein-Westfalen minalität, nicht gewachsen. lieferte allein bis Ende 1992 Bekleidungs- In jedem Bereich der Polizei wurden die stücke, Vordrucke, Videoanlagen, 135 Polizeibediensteten von Fachkräften des Funkstreifenwagen, 35 Krafträder, das Ka- Partnerlandes Nordrhein-Westfalen unter- QDOVWUHLIHQERRW:63:DႇHQXQG.ULPL- stützt, um auch die neuen Kriminalitätsphä- naltechnik nach Brandenburg.« (S. 135) nomene angemessen bekämpfen zu kön- Eine neue Leitstelle, mit moderner Ein- nen.25 Im August 1991 betrug die Zahl der satztechnik ausgerüstet, war ab 1994 ein- abgeordneten Aufbauhelfer 56, im April satzbereit und wurde durch die Bedienste- 1992 waren es 96 im gesamten Bundes- ten des Polizeipräsidiums Potsdam im land Brandenburg.26 Jahre 1994 bezogen. Die alte Leitstelle wur- Eine weitere Möglichkeit der Aus- und de zunächst zur Hauptwache umgebaut. Fortbildung waren die Austauschprogram- me mit Dienststellen aus dem Partnerland 4.6. Aufgabenfelder Nordrhein-Westfalen und umgekehrt. So war es möglich, für Polizeibeamte aus Im Zuge der Wiedervereinigung und damit Brandenburg für ein paar Monate in NRW auch der Neugründung der Polizei des Lan- zu hospitieren, um auf den neuen polizeili- des Brandenburg kamen auch zusätzliche chen Alltag vorbereitet zu werden. Im Zuge neue Aufgabenfelder auf die »neue« Polizei dessen kamen auch gestandene Polizisten zu.23 aus NRW nach Brandenburg, um mit den Nach Neue (2010) machten den Polizeibe- hier bediensteten Polizisten gemeinsam diensteten in den Schutzbereichen in und auf Streife zu gehen. So ist es auch in um Potsdam von nun an folgende Delikte Potsdam gewesen, das Personal aus den YHUPHKUW]XVFKDႇHQ5HFKWVXQG/LQNVH[W- alten Bundesländern ging mit den Bran- remisten mit Aufzügen und Plakatierungen, denburger Kollegen auf Streife. Schlägereien; Besetzung von Häusern im Potsdamer Zentrum und Ruhestörung; die 4.7. Aus- und Fortbildung ersten Schüsse auf Polizeibeamte nach ei- nem Einbruch bei Brandenburg/Havel; Grup- Das Personal der neu gebildeten Polizei des penrandalen (Baumblüte Werder, Silvester, Landes Brandenburg, welches im Wesentli- Herrentag usw.); zerstörte Haltestellen von chen aus Bediensteten der ehemaligen Bussen und Straßenbahnen; illegale Auto- Deutschen Volkspolizei bestand, war sehr rennen im Bereich Mahlow und auf alten Mi- XQWHUVFKLHGOLFKTXDOL¿]LHUW27 Zum Teil muss- OLWlUOLHJHQVFKDIWHQ :DႇHQGLHEVWlKOH XQG ten die neuen Aufgabenfelder auch mit Per- -handel; Raubüberfälle auf Poststellen, sonal bewältigt werden, welches über keine Geldinstitute; Revolten in und Ausbrüche vollzugspolizeiliche Ausbildung verfügte, da aus Justizvollzugsanstalten; Bombendro- viele ehemalige Volkspolizisten in der ehe- KXQJHQ$QJULႇHDXI$V\OEHZHUEHUXQGLKUH maligen DDR zum Beispiel im Pass- und Heime (z. B. Brand in Ketzin); Sensationsha- Meldewesen oder im Einlasskontrolldienst, scherei bestimmter Medien (S. 25). also in nicht kernpolizeilicher Aufgabenbe- Hinzu kam ebenfalls noch die Zunahme reichen beschäftigt waren. des Verkehrs auf der Straße, was zu einer Um die neuen Aufgabenfelder und poli- deutlichen Erhöhung von Verkehrsunfällen zeilichen Lagen des Alltags bewältigen zu führte. Bis zum 21.10.1990 ereigneten sich können, mussten sich die ehemaligen insgesamt 27 813 Verkehrsunfälle, bei de- Volkspolizisten zur Aneignung der grund- nen 502 Personen getötet und 8194 Perso- legendsten Rechtskenntnisse und Polizei- nen verletzt wurden.24 Diese Zahlen waren EHJULႇHXPIDQJUHLFKHQ6FKXOXQJHQXQWHU- eine Verdoppelung zum Vorjahr. Auch die ziehen. Diese Schulungen waren Kriminalpolizei, welche zwar hinreichend Grundvoraussetzungen für die Übernah- spezialisiert war, war jedoch der neu auf- me in den Polizeivollzugsdienst des Lan- kommenden Kriminalitätsphänomene, wie des Brandenburg.28

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Umfangreiche Aus- und Fortbildungsmaß- gischen Polizei eingestellt. Stärkster QDKPHQ]XU%HKHEXQJGHUEHUXÀLFKHQ'H¿- Einstellungsjahrgang war bis dahin das zite waren notwendig, um letztendlich den Jahr 1994 mit 200 Beamten für den geho- neuen polizeilichen Lagen Herr zu werden.29 benen Polizeivollzugsdienst und 198 Aus- Nach Neue (2010) lief die Aus- und Fort- zubildende für den mittleren Polizeivoll- bildung folgendermaßen: vier Wochen zugsdienst.31 Grundseminar für ehemalige Volkspolizei- Angehörige, mittlerer Dienst 300 Stunden 4.8. Personal Fortbildung mit Leistungsnachweis und ge- hobener Dienst 600 Stunden Fortbildung Zum 1.10.1990 gab es in der Polizei des mit Leistungsnachweis in den Fächern Poli- Landes Brandenburg noch 16 882 Mitarbei- zeirecht, strafprozessuale Maßnahmen, ter, von denen 7202 Polizeibeamte im Strafrecht, Verkehrsrecht, Verkehrsunfall- operativen Dienst waren.32 Zum 31.10.1990 aufnahme, Einsatzlehre, Verhalten gegen- ZXUGHQ GLH :HKUSÀLFKWLJHQ GHU 3ROL]HLEH- über Medien und Führung in besonderen reitschaften entlassen. Es folgte am Lagen usw. (S. 25). 1.11.1990 die Versetzung von Angehörigen Fortbildungen wurden auf jeder Ebene der Transportpolizei zum Bundesgrenz- der Polizei durchgeführt, egal ob höherer schutz und bis zum 1.1.1991 waren die An- oder mittlerer Dienst. Auf jeder Ebene gehörigen des Pass- und Meldewesens, musste das Personal geschult werden, um der Feuerwehr, des Kfz-Zulassungswesens auf die gleichen Standards der Kollegen und des Strafvollzuges in die kommunalen aus den alten Bundesländern zu kommen. Bereiche bzw. in die Justiz eingegliedert. Bezüglich der Fortbildung äußerte sich Ziel beschrieb im Interview zur Personal- Schultheis in Bezug auf seine Potsdamer organisation der Polizei im Land Branden- Polizeibediensteten im Interview wörtlich burg wörtlich folgendes: wie folgt: »Die neue Polizei sollte zum einen durch »So wurden in Nordrhein-Westfalen erfahrene Kräfte der ehemaligen Volkspoli- Schulungen für das Personal des höheren zei und zum anderen durch Quereinsteiger, Dienstes angeboten, um den zukünftigen welche sich entschlossen hatten, bei der Führungsleuten die polizeiliche Führung Polizei tätig zu werden, aufgebaut werden. von Einsätzen bzw. die Einsatzbewältigung Der Personalapparat sollte allerdings ent- beizubringen. Die Schulungen liefen ca. schieden kleiner werden. sechs Monate und mussten durch Prüfun- Die Verringerung des Personals sollte gen abgeschlossen werden. Bei erfolgrei- durch ordentliche Kündigungen erfolgen, da cher Erfüllung der Schulung wurden diese viele Angehörige der ehemaligen DVP kei- Polizisten in den höheren Dienst der Polizei ne Polizeiaufgaben im eigentlichen Sinne übernommen.« (Schultheis, ehemaliger ausgeübt hatten und somit für eine prakti- LPD Abteilung Einsatz/Ermittlung, Interview sche Tätigkeit ohne Polizeierfahrung nicht vom 4.6.204) in Frage kamen. Zum anderen erhielten vie- Einen großen Schritt zur Errichtung einer le ehemalige Angehörige der damaligen QHXHQ 3ROL]HL ZROOWH PDQ VFKDႇHQ LQ GHP DVP eine Kündigung, weil sie für das ehe- auch gezielt Nachwuchs rekrutiert werden malige Ministerium für Staatssicherheit tätig sollte. Auch Seiteneinsteiger sollten motiviert waren. Dieses war ein Ausschlusskriterium werden, sich der Polizei anzuschließen. für den Dienst in der neuen rechtsstaatlich- Am 23.9.1991 nahmen 50 Seiteneinstei- demokratischen Polizei.« (Ziel, ehemaliger ger und 75 Aufsteiger aus dem mittleren Innenminister, Interview 1.4.2014) Dienst ihr Studium für den gehobenen Die oberste Führung hatte die Polizei ver- Dienst am Fachbereich Polizei der Fach- lassen, somit musste sich in der Personal- KRFKVFKXOH IU |ႇHQWOLFKH 9HUZDOWXQJ GHV struktur einiges ändern. Nachgeordnete Landes Brandenburg in Bernau bei Berlin Führungskräfte versuchten von nun an, zu auf.30 Insgesamt wurden 546 neue Polizis- neuen Aufgaben herangezogen zu werden. tinnen und Polizisten bis 1994 als soge- Des Weiteren waren bei allen Bedienste- nannte Seiteneinsteiger in der Brandenbur- ten, insbesondere den Führungskräften, er-

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hebliche Zukunftsängste vorhanden. Der glieder wurden im Dezember 1990 vom Grund hierfür waren die Neubesetzung von Innenausschuss des Landtags in Branden- Funktionen sowie mögliche Konsequenzen burg einstimmig bestätigt.34 aus Personalüberprüfungen bezüglich einer Auftrag jener Personalkommission, der möglichen früheren Tätigkeit für das Minis- sog. Bischofskonferenz war es, eine Emp- terium für Staatssicherheit. fehlung hinsichtlich der weiteren Beschäfti- 'LHVHVNRQQWHLQVEHVRQGHUH]XWUHႇHQIU gung von Angehörigen der ehemaligen Beteiligte an den Oktobereinsätzen der ehe- Volkspolizei auszusprechen. maligen Deutschen Volkspolizei im Zur Überprüfung der Angaben im Perso- Zusammenhang mit den friedlichen De- nalfragebogen wurden ab Mitte 1991 Mit- monstrationen in der DDR im Herbst 1989, teilungen des damaligen Sonderbeauftra- Angehörige des Strafvollzugsdienstes, An- gen, später Bundesbeauftragen, für die gehörige des Arbeitsgebietes I der Kriminal- Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes polizei, welche sich vor allem um politische der ehemaligen Deutschen Demokrati- und politisch motivierte Straftaten kümmerte, schen Republik, der sog. Gauck-Behörde, Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssi- beantragt.35 FKHUKHLWVRZLHLQRႈ]LHOOH0LWDUEHLWHUXQG3R- Die -Überprüfung der Polizeiange- OLWRႈ]LHUH ,QVSHNWHXUH 2EHULQVSHNWHXUH hörigen erfolgte zur damaligen Zeit mittels SED- und FDJ-Sekretäre (http://www.inter- eines Personalfragebogens für die Ange- netwache.brandenburg.de/fm/85/dokumen- hörigen der ehemaligen Volkspolizei. Die- tation_polizeireform_bb.pdf [16.5.2014]). ser Fragebogen beinhaltete auf 12 Seiten Ein eigens für Überprüfungen entwickel- 49 Fragestellungen und abschließend wur- ter Personalfragebogen befasste sich unter de eine Versicherung unterzeichnet, dass anderem mit Sachverhalten, die nach dem IDOVFKH$QJDEHQGLH$XÀ|VXQJGHV'LHQVW- Einigungsvertrag eine außerordentliche verhältnisses nach sich ziehen können.36 Kündigung des Arbeitsverhältnisses recht- Schultheis äußerte sich wörtlich im Inter- fertigen konnten.33 Hierzu musste ein wich- view bezüglich des Personalfragebogens tiger Grund vorliegen, der eine Kündigung wie folgt: rechtfertigen würde. Dieser war insbeson- »Hier gab es im Zuge der Übernahme dere dann gegeben, wenn der Arbeitneh- ein Protokoll, das alle Polizisten ausfüllen mer gegen Grundsätze der Menschlichkeit mussten, wenn sie übernommen werden oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hatte, wollten. Eine Frage darin lautete, ob die insbesondere die im Internationalen Pakt Polizeibediensteten in irgendeiner Weise über die bürgerliche und politische Rechte für das Ministerium für Staatssicherheit tä- vom 19.12.1966 gewährleisteten Men- tig waren.« (Schultheis, ehemaliger LPD schenrechte oder die in der Allgemeinen de Abteilung Einsatz/Ermittlung, Interview Erklärung der Menschenrechte vom 4.6.2014) 10.12.1948 enthaltenen Grundsätze ver- Die Beantwortung jeder Frage war ver- letzt hatte oder für das MfS tätig war, so- SÀLFKWHQG LP +LQEOLFN DXI GLH :HLWHUEH- dass deshalb ein Festhalten an diesem Ar- schäftigung.37 Etwa 10 000 Bedienstete der beitnehmer unzumutbar war. ehemaligen DVP stellten sich diesem Fra- Die Auswertung der Personalfragebögen gebogen. Die Kommission gab dann, nach übernahm eine neutrale Kommission, die erfolgter Prüfung ein Votum an das Innen- aus drei Superintendenten der evangeli- ministerium, bezüglich der überprüften Be- schen Kirche, einem Verwaltungsjuristen diensteten. sowie dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Ziel betonte bezüglich der Überprüfung der Polizei bestand. Darüber hinaus waren der ehemaligen Volkspolizisten folgendes: in der Kommission noch jeweils ein Vertre- »Es gab bei ca. 100 Überprüften eine ter der drei Polizeibezirkspersonalräte, ein Verknüpfung mit dem Ministerium für weiterer Vertreter des Personalrates des Staatssicherheit, was laut Auswahlkom- Gemeinsamen Landeskriminalamtes sowie mission eine Weiterbeschäftigung in der zwei Personalabteilungsleiter mit beraten- Brandenburger Polizei unzumutbar mach- der Stimme tätig. Diese Kommissionsmit- te. Bei diesen 100 Kündigungen blieb es

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allerdings nicht, da sich im Ergebnis aller Einsatz/Ermittlung führte die nachgeordne- Personalüberprüfungen aufgrund von wahr- ten Schutzbereiche, und die Abteilung Ver- heitswidrigen Angaben im Personenfrage- waltung kümmerte sich um die Ressourcen- bogen bezüglich der Tätigkeit beim Ministe- verantwortung. rium für Staatssicherheit noch weitere 500 Das neu gewählte kooperative Füh- Bedienstete ausgemacht wurden, welche rungssystem war geeignet und ausgerich- für das ehemalige MfS tätig waren. Auch tet, aktuellen Anforderungen gerecht zu hier blieb nur die Lösung der Kündigung ZHUGHQ 'LH 3HUVRQDOTXDOL¿]LHUXQJVPD‰- dieser Mitarbeiter für den Polizeidienst.« nahmen wurden ausgeweitet, nachdem (Ziel, ehemaliger Innenminister, Interview 1993 durch das Innenministerium Füh- 1.4.2014) rungsgrundsätze für die Polizei Branden- burg beschlossen wurden. So wurde der 4.9. Steuerung und Führung höhere Polizeivollzugsdienst ab dem Jahr 1994 ausschließlich nach einheitlichem Das Führungsverständnis in der Polizei Standard ausgebildet. Des Weiteren fan- sollte sich im Wesentlichen an den Prinzi- den für die Führungskräfte des gehobenen pien des kooperativen Führungssystems und höheren Dienstes Führungskräftetrai- ausrichten. Beim kooperativen Führungs- nings statt. system geht es darum, Aufgaben, Kompe- tenzen und Verantwortung auf mehrere 5. Auswertung der Interviews Schultern zu verteilen und somit ein soge- nanntes Ober- und Unterordnungsverhält- Bei der Bearbeitung dieses Themas wurden QLVDE]XVFKDႇHQ'HPQDFKVROOWHGLH'H- Interviews mit wichtigen Persönlichkeiten legation von Aufgaben, Kompetenzen und aus der Zeit der Reformierung zur Polizei der damit verbundenen Verantwortung auf des Landes Brandenburg durchgeführt. eine möglichst tiefe Ebene verlagert wer- Die Interviews wurden als Grundlage der den. Darstellung genutzt und sind deshalb in Das Problem, welches sich auftat, war Teilen mit eingegliedert und auch dement- allerdings die in Teilen noch unzureichen- sprechend gekennzeichnet. GH4XDOL¿NDWLRQGHU%HGLHQVWHWHQLQ)K- Eine kurze Auswertung der wichtigsten rungsebenen tätig sein zu können. Aus Punkte soll trotzdem separat noch einmal diesem Grund wurde die Verantwortung in unter diesem Punkt erfolgen. vielen Bereichen zunächst zentralisiert. Mit folgenden Personen sind Interviews Die Mitarbeiter wurden nur schrittweise an bezüglich des Themas der Reformierung mehr Eigenverantwortung, Eigeninitiative der Polizei geführt worden: Alwin Ziel, erster und größere Entscheidungsspielräume he- Innenminister Brandenburgs, Detlev Graf rangeführt, da sie geprägt waren durch die Von Schwerin, ehemaliger Polizeipräsident Arbeitsweise der Deutschen Volkspolizei. des Polizeipräsidiums Potsdam (1992– Eine Leistungssteigerung sowie eine de- 2002) und Peter Schultheis, ehemaliger mokratische Ausrichtung der Mitarbeiter Leiter der Abteilung Einsatz/Ermittlung im der Polizei war somit zwingend notwendig. Polizeipräsidium Potsdam (1992–2002). Einen ersten Schritt machte man bei der Die Kernpunkte der Befragung waren Polizei Brandenburg mit einer Anpas- ausgelegt an die Reformierung der Polizei sungsfortbildung im Partnerland Nord- des Landes Brandenburg von 1992–2002 rhein-Westfalen. Des Weiteren wurden und dann auch speziell unter der Einbezie- Ausbildungsmaßnahmen an der neuen hung des Polizeipräsidiums Potsdam. Landespolizeischule sowie Fortbildungs- Folgende Informationsschwerpunkte wur- veranstaltungen in den Polizeipräsidien den in den Interviews geklärt: Neuorganisa- durchgeführt. tion der Polizei, Organisationsstruktur der Durch die Abteilung Einsatz/Ermittlung Polizei als Ganzes, personelle Situation der und Verwaltung wurde eine Trennung von Polizei ab dem Jahr 1992 und Infrastruktu- Fach- und Ressourcenverantwortung be- relle und technische Gegebenheiten ab wusst in Kauf genommen. Die Abteilung 1992.

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Nach Auswertung der Interviews lassen noch aus DDR-Beständen zum Einsatz sich die Kernaussagen bei allen drei Be- kommen. Erst nach und nach wurde die fragten wie folgt zusammenfassen. Im Hin- Polizei hier mit neuen Führungs- und Ein- blick auf die Neuorganisation wurde er- satzmitteln ausgerüstet. Die Gebäude der wähnt, dass durch die Hilfe von sogenannten neuen Polizeipräsidien, Polizeireviere usw. Partnerländern eine neue Organisations- wurden ebenfalls aus DDR-Bestand über- struktur aufgebaut wurde. Jedes neue Bun- nommen. So war das neue Polizeipräsidi- desland der ehemaligen DDR bekam als um Potsdam am Standort der ehemaligen Aufbauhelfer der neuen Polizeistruktur ein Bezirksbehörde der Polizei, vormals Be- Partnerland aus den alten Bundesländern, zirksdirektion der Volkspolizei angesiedelt. welches zum einen beratend und zum an- Ebenfalls wurden die Gebäude der ehema- deren mit technischer Ausrüstung im neuen ligen Volkspolizeikreisämter als Standorte Bundesland Akzente gesetzt hat. Sinn der übernommen. Soweit eine kurze Auswer- Reformierung war die Angleichung des Po- tung der Interviews. lizeiapparates an westdeutsche Standards. Auf Brandenburg bezogen, wurde die Orga- 6. Nachteile der Organisations- nisationsstruktur der Polizei des Partnerlan- struktur der Landespolizei des Nordrhein-Westfalen übernommen. Brandenburg Beim Kernpunkt der personellen Situation waren sich alle Befragten einig, dass die Die Organisation der Polizei im Land personelle Situation Anfang der 1990er- Brandenburg, bestehend aus sechs Polizei- Jahre ein großes Problem war, womit die präsidien, wurde im Laufe der 1990er-Jahre Politik, aber auch die Polizei zu kämpfen ]XQHKPHQG DXIJUXQG YRQ (ႈ]LHQ]JH- hatte. Im Zuge der Interviews kam heraus, sichtspunkten, in Frage gestellt, da die dass viele Führungskräfte der ehemaligen sechs Präsidien einen relativ hohen Koordi- DVP die Polizei aus unterschiedlichen nierungsaufwand erforderten. Des Weiteren Gründen verlassen haben. So musste neu- bedingte diese Struktur auf der Führungs- es Personal nachrücken, welches sich in ebene eine entsprechend hohe Personalor- die neuen Aufgabenfelder zunächst auch ganisation, was auch die Kosten diesbezüg- einarbeiten musste. Dieser Prozess hat lich in die Höhe trieb. Hinzu kam, dass der sehr lange gedauert. Hilfreich waren hierbei prozentuale Anteil an Führungs-, Stabs- und Anpassungsfortbildungen in allen Berei- Verwaltungsfunktionen bei kleineren Orga- chen der Polizei. Diese Fortbildungen wa- QLVDWLRQVHLQKHLWHQ HUKHEOLFK Hႈ]LHQWHU LVW ren laut Interviewpartnern auch ausschlag- als bei größeren, da kürzere Entscheidungs- gebend für die weitere Verwendung wege zu schnelleren Entscheidungen füh- innerhalb der Polizei des Landes Branden- ren. So musste in den bestehenden sechs burg. Im Laufe der Jahre entspannte sich Präsidien stets genügend Personal vorhan- dies allerdings, nicht zuletzt durch die gute den sein, um alle entsprechenden Aufgaben Unterstützung des Partnerlandes NRW im wahrnehmen zu können. Hinblick auf die Weiterbildung der gestan- Die territorial unterschiedliche Entwick- denen Polizeikräfte, sondern auch durch lung der demographischen und sozialen die Ausbildung neuer Polizeikräfte an der Strukturen seit dem Inkrafttreten der neuen Fachhochschule der Polizei. Polizeiorganisation sowie die daraus resul- Bezüglich der infrastrukturellen und tech- tierende Belastung durch das Kriminali- nischen Gegebenheiten ergab die Auswer- täts-, Verkehrsunfall- und Einsatzgesche- tung der Interviews, dass in der Anfangszeit hen und die fortgeschrittene Befähigung auf Ausrüstung der ehemaligen Deutschen der Mitarbeiter stellten die bestehende 9RONVSROL]HL]XUFNJHJULႇHQZHUGHQPXVV- Struktur mehr und mehr in Frage. te, um die polizeiliche Aufgabenerfüllung :HJHQ LKUHU KLHUDUFKLVFKHQ 6WDႇHOXQJ sicher zu stellen. So machten die Polizeibe- und gewollten zentralen Ausrichtung ver- amten anfangs noch Dienst in den alten langte die Struktur der Polizeipräsidien ei- Uniformen der ehemaligen DVP. Auch Fahr- nen hohen Abstimmungsaufwand. Die Mit- zeug- und Funktechnik musste anfangs arbeiter entwickelten sich weiter und

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erwarteten eigene Verantwortungs- und leichter Prozess. Die Verantwortlichen hat- Entscheidungsspielräume. Dies führte zu ten gerade am Anfang viel zu tun, um die einem Problem bei den Führungskräften, neu organisierte Polizei den neuen Anforde- denn das eigene Aufgabenfeld bot nur we- rungen anzupassen, da vor allem hochran- nig Raum für Delegation. Die Übertragung gige Führungspersonen der ehemaligen von Kompetenzen und Verantwortung hätte Volkspolizei die Polizei verlassen haben die eigene Funktion in Frage gestellt. und neue Führungskräfte erstmal nachrü- Die Gliederung der einzelnen Abteilungen cken und sich einarbeiten mussten. Hinzu verhinderte die Zusammenführung von kam auch noch, dass es Anfang der 1990er- Fach- und Ressourcenverantwortung. Jahre nicht nur um die Reformierung der Entscheidungswege waren durch Mit- Polizei ging, sondern dass sich ein ganzes ]HLFKQXQJVSÀLFKWHQUHODWLYODQJXQGNRPSOL- Bundesland neu entwickelt hat und sich de- ziert. So gab es selten Vorgänge in der Füh- mokratisch umorientieren musste. rungsebene der Präsidien, welche nicht Besonders kritisch ist anzumerken, dass beide Abteilungen des Polizeipräsidiums die Polizei am Anfang große Schwierigkei- zugleich erforderten. So kam es tendenziell ten hatte, die neuen Aufgaben überhaupt zu Doppelarbeit. bewältigen zu können, da aufgrund man- Auch für die Bürger ergaben sich hier gro- JHOQGHU4XDOL¿NDWLRQXQGYHUDOWHWHU7HFKQLN ße Umstände, wenn eine Verwaltungsleis- die Polizei sehr stark in ihrem Handeln ein- tung der Polizei in Anspruch genommen geschränkt war. Besonders in Potsdam werden wollte. So konnten z. B. die Anmel- wurde die Polizei mit neuen Aufgabenfel- dung einer Versammlung oder die Beantra- dern wie Hausbesetzern, Demonstrationen, JXQJHLQHUZDႇHQUHFKWOLFKHQ(UODXEQLVQXU aber auch vielen Verkehrsunfällen usw. im Polizeipräsidium und nicht in den jeweili- zum Teil an die Grenzen des Machbaren JHQ 6FKXW]EHUHLFKHQ VWDWW¿QGHQ 'LH %LQ- gebracht. Des Weiteren haben viele hoch- dung unverhältnismäßig vieler Polizeibe- rangige Polizeibedienstete der ehemaligen amten in Stabs- und Verwaltungsfunktionen DVP die Polizei im Zuge der Wiedervereini- ging außerdem zu Lasten der Präsenz der gung, teils freiwillig, aber auch teils unzu- Polizei vor Ort, welches sich durch den ab mutbarer Verknüpfungen mit den Organen 2001 eingeleiteten Abbau von 725 Perso- des ehemaligen DDR-Staates verlassen. nalstellen bei der Polizei noch verstärkt hät- So war eine Übernahme in das Polizeiwe- te.38 Diese ganzen Probleme riefen gerade- sen des neuen Bundeslandes Brandenburg zu nach einer neuen Reform der für ehemalige Bedienstete der DVP unmög- Polizeistruktur, welche im Jahre 2002 auch lich, wenn eine Verknüpfung mit dem Minis- vollzogen wurde. terium für Staatssicherheit nachgewiesen wurde. 7. Fazit Besonders die Verschlankung des enor- men Personalapparates, welche der Polizei Mit der Polizeireform von 1992 im neu ge- zu DDR-Zeiten unterstanden, galt umzuset- gründeten Bundesland Brandenburg ist ein zen. So wurden polizeifremde Gebiete, wie großer Schritt in Richtung demokratischer die Feuerwehr und der Strafvollzug, u.a. Ausrichtung der Polizei gelungen. ausgegliedert und waren somit nicht mehr Charakteristisch ist hierbei, dass sich die Sachgebiet der Polizei. vorher eher militärisch geprägte Struktur Die neue Struktur der Polizei sah ab 1992 der ehemaligen Deutschen Volkspolizei somit deutlich schlanker aus und trennte die durch die Reformierung grundlegend geän- operative Ebene von der Verwaltungsebe- dert hat. Die Umstrukturierung zur neuen QH XP HLQH Hႈ]LHQWH 3ROL]HLDUEHLW ]X HU- Organisationsstruktur der Polizei war kein möglichen.

Oranienburger Schriften 1 / 2019 111 Stefan Wizner

Anmerkungen

1 Schulze, Das Grosse Buch der Deutschen 21 Graf Von Schwerin, Detlev, Erster Polizeipräsi- Volkspolizei; Das neue Berlin Verlagsgesell- dent des Polizeipräsidiums Potsdam schaft 2006; S. 52 (1992-2002), Interview vom 15.04.2014 2 G. Neue, Die Leitstellen der Polizei in der Stadt 22 Graf Von Schwerin, Detlev, Erster Polizeipräsi- 3RWVGDPYRQ3DႇHQKRO]9HUODJ dent des Polizeipräsidiums Potsdam 2010, S.18 (1992-2002), Interview vom 15.04.2014 3 G. Neue, Die Leitstellen der Polizei in der Stadt 23 Interview Schultheis, LPD a.D. Abteilungsleiter 3RWVGDPYRQ3DႇHQKRO]9HUODJ Einsatz im PP Potsdam, 04.06.2014 2010, S.19 24 http://www.internetwache.brandenburg.de/ 4 Haselow, R. Der Wandel der Volkspolizei zu fm/85/dokumentation_polizeireform_bb.pdf einer rechtsstaatlich-demokratischen Polizei (16.05.2014) - Schriftenreihe der deutschen Gesellschaft für 25 Schultheis, Peter, LPD a.D. Abteilungsleiter Polizeigeschichte e.V., Verlag Schmidt-Römhild Einsatz im PP Potsdam,Interview vom Lübeck 2000, S.90 04.06.2014 5 Haselow, R. Der Wandel der Volkspolizei zu 26 Haselow, R. Der Wandel der Volkspolizei zu einer rechtsstaatlich-demokratischen Polizei einer rechtsstaatlich-demokratischen Polizei - Schriftenreihe der deutschen Gesellschaft für - Schriftenreihe der deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte e.V., Verlag Schmidt-Römhild Polizeigeschichte e.V., Verlag Schmidt-Röm- Lübeck 2000, S.28 hild Lübeck 2000, S.134 6 Ziel Alwin, Innenmister a.D., Interview vom 27 Schultheis, Peter, LPD a.D. Abteilungsleiter 01.04.2014 Einsatz im PP Potsdam,Interview vom 7 Ziel Alwin, Innenmister a.D., Interview vom 04.06.2014 01.04.2014 28 Schultheis, Peter, LPD a.D. Abteilungsleiter 8 Ziel Alwin, Innenmister a.D., Interview vom Einsatz im PP Potsdam,Interview vom 01.04.2014 04.06.2014 9 Interview Schultheis, LPD a.D. Abteilungsleiter 29 Ziel Alwin, Innenmister a.D., Interview vom Einsatz im PP Potsdam, 04.06.2014 01.04.2014 10 Niehöster, Frank (1996), Brandenburgisches 30 Decker, Ingo; Laurisch, Katrin (2012), Info 110 Polizeigesetz, Boorberg Verlag, Stuttgart – Zeitung der Polizei Brandenburg. Potsdam: 11 Decker, Ingo; Laurisch, Katrin (2012), Info 110 Ministerium des Innern des Landes Branden- – Zeitung der Polizei Brandenburg. Potsdam: burg, S.38 Ministerium des Innern des Landes Branden- 31 Decker, Ingo; Laurisch, Katrin (2012), Info 110 burg, S.29 – Zeitung der Polizei Brandenburg. Potsdam: 12 Niehöster, Frank (1996), Brandenburgisches Ministerium des Innern des Landes Branden- Polizeigesetz, Boorberg Verlag, Stuttgart, S. 5 burg, S.38 13 Interview Schultheis, LPD a.D. Abteilungsleiter 32 http://www.internetwache.brandenburg.de/ Einsatz im PP Potsdam, 04.06.2014 fm/85/dokumentation_polizeireform_bb.pdf 14 Bernig, Andreas (1999), dp spezial-Zehn Jahre (16.05.2014) danach, Verlag Deutsche Polizeiliteratur, S.4 33 Abschlussbericht MI BB zur Personalüberprü- 15 Runderlass des Brandenburgischen Innenminis- fung der Polizei des Landes Brandenburg vom teriums vom 21.06.1991 Gesch.Z.:Abt.II-2.4 *HVFK=,96ႇ lue, S. 1-4 34 http://www.internetwache.brandenburg.de/ 16 http://www.internetwache.brandenburg.de/ fm/85/dokumentation_polizeireform_bb.pdf fm/85/dokumentation_polizeireform_bb.pdf (16.05.2014) (16.05.2014) 35 http://www.internetwache.brandenburg.de/ 17 Interview Schultheis, LPD a.D. Abteilungsleiter fm/85/dokumentation_polizeireform_bb.pdf Einsatz im PP Potsdam, 04.06.2014 (16.05.2014) 18 Graf von Schwerin, Erster Polizeipräsident des 36 Ziel Alwin, Innenmister a.D., Interview vom Polizeipräsidiums Potsdam, Interview am 01.04.2014 15.04.2014 37 Ziel Alwin, Innenmister a.D., Interview vom 19 Schultheis, Peter, LPD a.D. Abteilungsleiter 01.04.2014 Einsatz im PP Potsdam,Interview vom 38 http://www.internetwache.brandenburg.de/ 04.06.2014 fm/85/dokumentation_polizeireform_bb.pdf 20 Graf von Schwerin, Erster Polizeipräsident des (16.05.2014) Polizeipräsidiums Potsdam, Interview am 15.04.2014

112 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die Reformierung der Polizei in Brandenburg 1992–2002

Quellenverzeichnis

Literatur Elektronische Medien

Haselow, Reiner (2000). Der Wandel der Bericht über die Reformierung der Polizei Volkspolizei zu einer rechtsstaatlich-de- Brandenburg ab dem Jahr 1992 mokratischen Polizei - Schriftenreihe der Verfügbar unter: deutschen Gesellschaft für Polizeige- http://www.internetwache.brandenburg.de/ schichte e.V., Verlag Schmidt-Römhild fm/85/dokumentation_polizeireform_bb. Lübeck. pdf [16.05.2014] Niehöster, Frank (1996). Brandenburgi- sches Polizeigesetz. Boorberg Verlag. Brandenburgisches Polizeigesetz Stuttgart. Verfügbar unter: Neue, Günter (2000). Die Leitstellen der http://www.bravors.brandenburg.de/sixcms/ 3ROL]HLYRQ±.ODXV3DႇHQKRO] detail.php?gsid=land_bb_ Verlag. bravors_01.c.43239.de [31.05.2014] Schulze, Dieter (2006). Das Grosse Buch der Deutschen Volkspolizei; Das neue Interviewpartner Berlin Verlagsgesellschaft 2006. 1. Alwin Ziel – Erster Innenminister im Land Zeitschriften Brandenburg (1992–2002) 2. Detlev Graf von Schwerin – Erster Poli- Decker, Ingo; Laurisch, Katrin (2012). Info zeipräsident des Polizeipräsidiums Pots- 110 – Zeitung der Polizei Brandenburg. dam (1992–2002) Potsdam: Ministerium des Innern des 3. Peter Schultheis – Leiter Abteilung Ein- Landes Brandenburg. satz im PP Potsdam (1992–2002)

Interne Quellen

Abschlussbericht MI BB zur Personalüber- prüfung der Polizei des Landes Branden- burg vom 01.06.1999, Gesch.Z.: IV/3., S. ႇ Runderlass des Brandenburgischen Innen- ministeriums vom 21.06.1991 Gesch.Z.:Abt.II-2.4 lue, S. 1-4

Oranienburger Schriften 1 / 2019 113 Marvin Matiske

Die Organisation »Consul« und die »RAF« – ein Vergleich

Die Polizei in der Auseinandersetzung mit zwei staatsgefährdenden Terrororganisationen

Marvin Matiske

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit zwei Terrororganisationen: Zum einen mit der Orga- nisation »Consul« und zum anderen mit der »RAF«. Diese Arbeit versucht dabei den Terror beider Gruppierungen, welcher aus völlig unterschiedlichen politischen Lagern entspringt, ge- JHQEHU]XVWHOOHQXQGKHUDXV]X¿QGHQREXQGLQZLHIHUQVLFK7HUURUDXVNRPSOHWWGLYHUJHQWHQ politischen Motivationen trotzdem miteinander vergleichen lässt: auf der einen Seite die Orga- nisation »Consul«, welche mit allen Mitteln versuchte, die verhasste Weimarer Republik zu stürzen, um somit ganz nach ihrem »Elitegedanken« wieder zurück zum Ständestaat zu kom- men. Auf der anderen Seite die RAF, eine linksradikale Gruppierung, welche ganz nach dem »Avantgardegedanken« durch politische Anschläge ein Bewusstsein in der Bevölkerung errei- FKHQ ZROOWH XP LP (QGH௺HNW GXUFK HLQH 5HYROXWLRQ GLH DXWRULWlUHQ *HVHOOVFKDIWVIRUPHQ ]X beseitigen und die Bundesrepublik Deutschland, welche sie als »faschistisch« betrachtete, zu bekämpfen.

1. Einleitung sich nach West-Berlin ein. Dort, in einer Wohnung der Terroristen, wurde der Jour- »Wir sagen natürlich, die Bullen sind nalistin durch den ebenfalls anwesenden Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist Horst Mahler das Tonbandgerät mit Bitte der ein Schwein, das ist kein Mensch, und so 9HU|ႇHQWOLFKXQJ EHUJHEHQ2 Anderthalb haben wir uns mit ihm auseinander zu set- Wochen später, am 15. Juni 1970, druckte zen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu »Der Spiegel« schließlich über vier Spalten reden, und es ist falsch, überhaupt mit die- Auszüge der Meinhof-Erklärung des durch sen Leuten zu reden, und natürlich kann Ray übergebenen Tonbandgerätes.3 Diese geschossen werden.«1 Ulrike Meinhof Kriegserklärung an die deutsche Polizei und den deutschen Staat soll nicht nur die Einlei- Diese pure gewalttätige und gegen die Men- tung in die vorliegende Bachelor-Thesis dar- schenwürde gerichtete polemische Aussage stellen, sondern auch die Brisanz des The- wurde durch die RAF-Terroristin Ulrike Mein- mas verdeutlichen und aufzeigen, mit hof zur Begründung der Befreiung des Mit- welcher Art und Weise, ja mit welchem Aus- Terroristen Andreas Baader am 14. Mai 1970 maß des Terrors sich die deutsche Polizei auf ein Tonbandgerät gesprochen. Um diese jener Zeit konfrontiert sah. So war nicht nur Kampfansage gegen den deutschen Staat die Rechtsordnung der Bundesrepublik publik zu machen, luden die Terroristen An- Deutschland massiv bedroht, sondern auch dreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike das Leben eines jeden deutschen Polizisten Meinhof am Donnerstag, den 4. Juni 1970, in Gefahr. Nachvollziehbar also sieht auch also knapp 3 Wochen nach der Baader-Be- Butz Peters in der Erklärung Meinhofs frei- freiung, die bekannte französische Kriegs- lich »nichts anderes als die Ankündigung und Revolutions-Journalistin Michèle Ray zu von Morden«4.

114 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die »Organisation Consul« und die »RAF« – ein Vergleich

Doch dass der Terror von links längst nicht men: die »Organisation Consul« (im Fol- das einzige Phänomen in der langjährigen genden O.C.). Dieser rechtsradikale und Geschichte der deutschen Demokratie war, nationalistische, paramilitärische Geheim- ist kein Geheimnis. So sah sich der deutsche bund gründete sich 1920 als Nachfolgeor- 6WDDWDXFKQDFKGHU$XÀ|VXQJGHU5$)DP ganisation des berüchtigten Freicorps der 20. April 1998 mit dem Terror verschiedens- »Brigade Ehrhardt« und setzte sich zum ter politischer oder religiöser Motivlagen ge- Ziel, die verhasste Weimarer Republik zu genüber. Mag es Zufall oder trauriges zerstören. Laut ihrer Satzung waren ihre Schicksal sein, stand bereits zum Zeitpunkt vornehmlichsten Ziele die »Bekämpfung al- GHU Rႈ]LHOOHQ$XÀ|VXQJ GHU 5$) GHU %XQ- ler Antinationalen und Internationalen, des desrepublik Deutschland eine neue terroristi- Judentums, der Sozialdemokratie und der sche Gefahr gegenüber, welche 13 Jahre linksradikalen Parteien« sowie die »Be- lang unerkannt blieb und das Land in Atem kämpfung der antinationalen Weimarer Ver- hielt. Es ist der 22. Januar 1998 um 8.55 Uhr, fassung in Wort und Schrift«.8 als sich der damals 20-jährige Uwe Böhn- Außer einem weiten Unterstützerumfeld hardt dazu entschließt, mit seinem PKW vor in der Bevölkerung hatte die Weimarer Re- GHUSROL]HLOLFKHQ0D‰QDKPH]XÀLHKHQNXU] publik in der Auseinandersetzung mit der EHYRUGLH%HDPWHQVHLQH*DUDJH|ႇQHWHQLQ O.C. ein weiteres großes Problem: Auch in welcher sich neben diversen Bomben und der Polizei waren Befürworter und Unter- Bombenzubehör auch eine Menge Nazipro- stützer präsent, welche die Machenschaf- paganda-Material befand.5 Zusammen mit ten wohlwollend duldeten.9 Bereits hierbei seinen Mitstreitern Uwe Mundlos und Beate wird deutlich, dass es durchaus Unterschie- Zschäpe verschwindet er in den Untergrund, de bzgl. des Umgangs von Polizei mit den von wo aus die drei den »Nationalsozialisti- jeweiligen Terrororganisationen gab. schen Untergrund«, kurz »NSU«, gründeten Diese Arbeit wird im Folgenden auf die und bis zu ihrer Entdeckung im Jahr 2011 erwähnte rechtsradikale O.C. und die links- neben zahlreichen Bombenanschlägen und terroristische RAF eingehen und dabei de- Banküberfällen auch 10 Morde, darunter den ren Geschichte, Strukturen und Vorgehens- einer Polizistin, zu verantworten haben.6 weisen beschreiben. Ein besonderer Spätestens mit dem Anschlag auf dem Schwerpunkt liegt dabei auf der Gegen- Breitscheidplatz in Berlin im Dezember überstellung beider Organisationen hin- 2016 ist es auch für jeden in Deutschland sichtlich etwaiger Gemeinsamkeiten und lebenden Menschen traurige Gewissheit, Unterschiede, insbesondere bei dem Vor- GDVVQLHPDQGYRUGHQSHU¿GHQ$WWDFNHQHL- gehen der Polizei gegen beide Gruppierun- ner neuen Art von Terror gefeit ist. Waren gen. Die Auswahl gerade dieser beiden die Opfer bei den Terroranschlägen durch Gruppen begründet sich außerdem neben die RAF bzw. den NSU noch vornehmlich der völlig konträren politischen Ansicht bei- auf bestimmte Randgruppen fokussiert, ist der Organisationen auch in der Tatsache, der islamistische Terror im Gegensatz dazu dass sie in unterschiedlichen historischen komplett unbegrenzt. Die Auswahl der Op- Epochen der deutschen Geschichte aktiv fer reicht von verhassten Einzelpersonen waren. Was jedoch unumwunden festgehal- bis zur Gesamtheit aller »Ungläubigen«7. ten werden kann, ist die Tatsache, dass bei- Abgesehen von diesen unterschiedli- de Terrorgruppierungen ein gemeinsames chen Ausprägungen des Terrorismus, mit Ziel verbindet: Der klare Kampf gegen das welchem sich die Bundesrepublik seit dem System, den demokratischen Staat. Ende der 1960er-Jahre bis heute auseinan- dersetzen muss, gab es freilich schon vor 2. Die Organisation »Consul« der Gründung der Bundesrepublik Deutsch- land Extremisten, Terror sowie ebenfalls gut 2.1 Die Vorgeschichte VWUXNWXULHUWHXQGPLWlKQOLFKSHU¿GHQ0LWWHOQ arbeitende Terrororganisationen. Die vorlie- Um die Entstehung der O.C. zu verstehen, gende Arbeit wird im Folgenden vor allem ist ein Blick zurück in das Jahr 1918 not- auf eine bestimmte speziellen Bezug neh- wendig. Der Erste Weltkrieg war verloren,

Oranienburger Schriften 1 / 2019 115 Marvin Matiske

und die neue Republik wurde am 9. Novem- Um diese Aufgaben zu bewältigen, war ber durch Philipp Scheidemann ausgeru- GLHQHXH5HJLHUXQJDXITXDOL¿]LHUWH)DFK- fen. Diese bekam 1919 mit der in Weimar kräfte angewiesen, welche sie in Großun- verabschiedeten Verfassung ihre Gestalt WHUQHKPHQ EHL *UR‰EDXHUQ 2ႈ]LHUHQ und ihren Namen. Doch bereits ihre Entste- höheren Regierungs- und Verwaltungsbe- hung und Anfangsphase war begleitet von amten, Richtern, Staatsanwälten und Poli- Putschversuchen und Aufständen sowohl zeiführern – kurz, jenen alten Eliten der von links als auch von rechts. Als erstes sei Kaiserzeit – fand. Dieser notwendige Erhalt der bekannte »Spartakusaufstand« im Ja- (in solch kurzer Zeit hätten diese nicht aus nuar 1919 erwähnt. Dieser, aufgrund der ihren gesellschaftlichen Stellungen entfernt Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten werden können) hatte zur Folge, dass die Emil Eichhorn, einem Mitglied der USPD, alten monarchistischen Eliten in ihren Posi- HQWVWDQGHQH EHZDႇQHWH $XIVWDQG KDWWH tionen blieben. So wurden antidemokrati- zum Ziel, die Wahlen zur Nationalversamm- sche Beamte nicht entlassen, Universitä- lung zu verhindern und eine Räterepublik ten blieben weiterhin Hochburgen des auszurufen. Nach gescheiterten Verhand- Monarchismus, Nationalismus und Antise- lungen zwischen Regierung und Aufständi- PLWLVPXVXQGGLH*HQHUDOLWlWXQG2ႈ]LHUV- schen begann am 8. Januar 1919 jedoch korps behielten ihre Stellung.13 die Niederschlagung des Aufstandes durch Die wohl größte Ursache für den Hass die Regierungstruppen unter dem Oberbe- auf die junge Demokratie und der damit fehl des Volksbeauftragten und Militärex- verbundenen Entstehung rechtsradikaler perten Gustav Noske. Mit der Besetzung Republikgegner bildete jedoch wohl der des Berliner Polizeipräsidiums am 12. Ja- Versailler Vertrag. Seine Bestimmungen nuar 1919 brach der nur unzureichend vor- wurden von Vertretern aller Parteien und bereitete Januaraufstand schließlich zu- gesellschaftlichen Gruppierungen als un- sammen.10 gerecht empfunden. Fragte schon Schei- Doch wie bereits angedeutet, gab es ne- demann: »Welche Hand müsste nicht ver- EHQ GLHVHU HUVWHQ $XÀHKQXQJ YRQ OLQNV dorren, die sich und uns in solche Fesseln auch massive Aufstände von der rechten legte?«14, wird klar, wie erst die Gemüter Seite. Geschuldet war dies unter anderem auf nationalistischer Seite aufgebracht ge- der Tatsache, dass die die provisorische wesen sein mussten. Die vorgesehenen Regierung bildenden Parteien MSPD, DDP Gebietsverluste und Souveränitätsbe- und Zentrum vor einer aus eigener Kraft schränkungen schürten, vor allen in den kaum lösbaren Aufgabe standen: Man Kreisen der Nationalisten, Nationalsozialis- musste die acht Millionen Soldaten demo- ten, Rechtskonservativen und des Militärs, bilisieren und in den Wirtschaftsprozess den Hass auf den »Schmachfrieden« von HLQJOLHGHUQZRYRQ±ODXW:DႇHQVWLOOVWDQGV- Versailles ins Unermessliche, welcher ge- verhandlungen, welche am 11. November rade in diesen Kreisen mit der Existenz der im Wald von Compiègne von Erzberger Weimarer Republik gleichgesetzt wurde.15 und dem französischen General Marschall In diesem Zusammenhang gewann auch Ferdinand Foch unterzeichnet wurden – die sogenannte »Dolchstoßlegende« oder drei Millionen in kürzester Zeit über den besser gesagt »Dolchstoßlüge« an Popu- Rhein ins Reich zurückgeführt werden larität. Diese schob die Schuld für die Nie- mussten.11 Außerdem musste man, in derlage des Krieges vor allem der politi- Anbetracht des bevorstehenden Winters, VFKHQ /LQNHQ GHQ 3D]L¿VWHQ -XGHQ XQG die Versorgung der Bevölkerung mit Nah- den demokratischen Parteien der Mitte zu, rungsmitteln und Heizmaterial gewährleis- welche den im Feld kämpfenden Truppen ten. Nicht zuletzt galt es, die innere und in den Rücken gefallen seien.16 Den Höhe- äußere Sicherheit insoweit aufrechtzuer- punkt in der Entstehungsgeschichte dieser halten, dass man sich gegen separatisti- Legende bildete wohl der Auftritt Luden- sche Tendenzen und im östlichen GRUႇVXQG+LQGHQEXUJVYRUGHP8QWHUVX- Grenzgebiet gegen polnische Expansions- chungsausschuss des Reichstags 1919, bestrebungen behaupten konnte.12 bei welchem Hindenburg unter anderem

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erklärte, dass der Sieg nur deshalb verfehlt insbesondere natürlich auf Seiten der natio- wurde, weil Heimat und Heer nicht zusam- nalen Rechten, bereit, den Mythos über den men gehalten hätten.17 Es habe aber durch Dolchstoß wie ein Schwamm aufzusaugen. »Parteiinteressen« eine Spaltung gegeben Unnötig zu erwähnen ist selbstverständlich und »revolutionäre Agitation in der Heimat auch die Tatsache, dass Hindenburgs Po- habe schließlich das Heer zu Fall ge- pularität und die damit verbundene, ver- bracht«.18 Der Höhepunkt der Rede wurde meintliche Glaubwürdigkeit des Helden von aber wohl erreicht, als Hindenburg dem Tannenberg der Dolchstoßthese einen ho- englischen General Sir Frederick Maurice hen Grad an Seriosität verlieh.23 die Worte in den Mund legte, die deutsche Kein Wunder also, dass die Dolchstoßle- Armee sei von »hinten erdolcht worden«19. gende breite Wellen schlug, nicht schon al- Doch wusste in Wahrheit kaum jemand leine deshalb, weil sie von prominenten kai- besser als Hindenburg selbst, dass unter serlichen Militärs und Politikern, mit der Führung der kaiserlichen Generäle der Unterstützung konservativ er und rechtsra- Krieg bereits militärisch verloren war, bevor dikaler Zeitungen, unermüdlich verbreitet GLH$XÀ|VXQJVHUVFKHLQXQJHQDQGHU:HVW- wurde.24 Sie wurde »zum Dogma und zur front begannen, und dass die OHL (Oberste Fahne der Unzufriedenheit«25. Schließlich Heeresleitung) selbst ein sofortiges und hielt sich die Legende auch noch Jahre GHVKDOE NDSLWXODWLRQVlKQOLFKHV :DႇHQVWLOO- nach der Rede von Hindenburg. So erklärte standsgesuch verlangt hatte.20 Doch mag der ehemalige Kaiser Wilhelm II. in seinen die Aussage Hindenburgs noch so schein- 1922 erschienenen Erinnerungen, die Ar- heilig sein, so ist es, um Robert G.L. Waite mee sei sein Stolz gewesen, für welche er zu zitieren »…sometimes for more impor- gelebt und an welcher er gearbeitet hat. tant to record what men believed actually Und »nach über vier glänzenden Kriegsjah- took place. The important historical fact he- ren mit unerhörten Siegen musste sie unter re is not that the stab-in-the-back theory is dem von hinten gegen sie geführten Dolch- false; but rather that it was believed to be stoß der Revolutionäre zusammenbrechen, true.”21 (Es ist manchmal wichtiger zu erfas- gerade in dem Augenblick, als der Friede in sen, was Männer tatsächlich glauben, wie Greifnähe stand!«26 etwas passiert ist. Der wichtige historische Doch war der ehemalige Kaiser nur ein Fakt hierbei ist nicht, dass die »Dolchstoß- berühmter Verfechter der »Dolchstoßlegen- legende« falsch ist; sondern eher, dass da- de«. Schließlich machte Adolf Hitler die ran geglaubt wurde, dass sie wahr ist). »Dolchstoßlegende« zu einem zentralen Und wie bereit Männer dazu sind, in größ- Schlagwort der Propaganda seiner Partei.27 ter Not und in Folge gebrochenen Stolzes Bereits im Oktober 1919, also einen Monat ihre Realitätswahrnehmung zu trüben, vor der »Dolchstoß-Rede« Hindenburgs, macht Franz Schauwecker in seinem Werk wurde unter der Führung von Wolfgang »Im Todesrachen« sehr bildlich deutlich, in- Kapp und mit der Unterstützung von Gene- dem er einen deutschen Soldaten in Zeiten UDO(ULFK/XGHQGRUႇGLHª1DWLRQDOH9HUHLQL- größter Entbehrungen sagen lässt »Die gung« gegründet. Ihr Ziel war es, eine »Ein- Front! – Das Operationsgebiet! – Dann heitsfront aller Nationalgesinnten« von den kommt eine Weile gar nichts. Und dann Deutschnationalen bis zu den Freikorps zu kommt die Etappe! Die Etappe liegt weit, VFKDႇHQ28 Freilich spielte die Rede Hinden- weit hinter der Front, und da gibt es »noch burgs dieser rechten Vereinigung sehr in allerhand«. Allerhand an Bequemlichkeiten, die Karten und so konnte in der Folgezeit Lebensmitteln, Vergnügungen, Ruhe – an bei den Rechtsparteien und den Freikorps Lebensgenuss [liegt] in dem Wörtchen die Loyalität zum neuen Staat weiter unter- »Etappe«. Ein paar Tage Urlaub in die Etap- höhlt werden.29 pe und dazu ein Haufen Geld, das ist eine So dauerte es nicht lange, und die »Nati- Art Luftspiegelbild der Wüste für den Front- onale Vereinigung« wuchs zu einer mächti- soldaten.«22 Ähnlich dem Frontsoldaten, der gen Größe heran. So bekam sie z.B. die an die Bequemlichkeiten der »Etappe« Unterstützung der baltischen Freikorps, glaubt, so war eine Vielzahl von Menschen, ZHOFKH QLFKW ]XU $XÀ|VXQJ EHUHLW ZDUHQ

Oranienburger Schriften 1 / 2019 117 Marvin Matiske

und die erste militärische Unterstützung für Versuch der Beseitigung der Weimarer Re- die rechte Vereinigung darstellte. Über das publik war, den es beim nächsten Mal bes- Führerkorps der aus Bayern stammenden ser vorzubereiten galt. Schon im Juli 1920 »Eisernen Schar« des Hauptmanns Rudolf EHJDQQGHU(KUKDUGW2ႈ]LHU0DQIUHGYRQ Berthold (1891–1920) ließen sich zudem Killinger in der »Vereinigung ehemaliger Kontakte ins Lager der bayerischen Rech- Sturmsoldaten« Männer zu suchen, »die ten aufbauen.30 sich im Falle höchster Not zur Verfügung Als dann schließlich noch, bedingt durch zu stellen« hätten, und stellte die Bildung das in Inkrafttreten des Versailler Vertrages von Ortsgruppen in Aussicht. am 10. Januar 1920, die Unterstützung des Weiterhin wurde am 11. September 1920 Kommandeurs des Gruppenkommandos 1 in Munsterlager ein »Bund ehemaliger Ehr- der Reichswehr, General der Infanterie Wal- KDUGW2ႈ]LHUH© %((2  JHJUQGHW GHV- ther Freiherr von Lüttwitz, gewiss war, wur- VHQ9RUVWDQGVLFKDXVGHQ0DULQHRႈ]LHUHQ den Umsturzpläne gegenüber der Republik der alten Brigade zusammen setzte, wel- seitens der Vereinigung immer konkreter. che dann auch in der O.C. führende Funk- Das Fass zum Überlaufen brachte schließ- tionen einnehmen sollten und dessen Eh- lich der von der Entente geforderte und dann UHQYRUVLW]GHPVHLW0DLÀFKWLJHQ(KUKDUGW GXUFK 5HLFKVZHKUIKUXQJ YHUIJWH $XÀ|- angetragen wurde.34 sungsbefehl für die Marinebrigade 2 unter Unterstützung erhielt der sich in der ihrem Kommandeur, Korvettenkapitän Her- »Ordnungszelle« Bayern35 aufhaltende mann Ehrhardt, womit die Vereinigung ihren (KUKDUGW YRQ GHU QHXJHVFKDႇHQHQ stärksten militärischen Verband im Berliner ª6FKLႇVVWDPPGLYLVLRQ 1RUGVHH© EHVWH- Raum verloren hätte.31 Nachdem Lüttwitz hend aus Marinedienstfähigen der bisheri- diesen Befehl verweigerte und daraufhin sei- gen Brigade, welche zu einem großen Teil nes Kommandos enthoben wurde, setzte er in die Reichsmarine übernommen wurden, die Brigade in der Nacht vom 12. auf den 13. und von 35 bis 120 Mann starken »Arbeits- März 1920 gegen die Reichshauptstadt in gemeinschaften«, die gemeinsame Be- Marsch. Der Kapp-Lüttwitz-Putsch hatte be- schäftigung auf dem Land suchten und als gonnen. Da jedoch die Ministerialbürokratie intakte Zellen der Ehrhardt-Organisation des Reiches und Preußens in Berlin Kapp »bis zu einem erneuten Ruf ihres Führers« RႇHQGLH*HIROJVFKDIWYHUZHKUWHXQGGLHDO- überwinterten.36 Je länger sich dieser Ruf te Regierung zusammen mit den Gewerk- jedoch verzögerte, umso missmutiger wur- schaften zum Generalstreik aufrief, war der den viele der Männer, da sie sich einerseits Putsch bereits nach kurzer Zeit zum Schei- von den Informationen und Planungen der tern verurteilt. Führungsriege abgeschnitten sahen und Schließlich blieben selbst die Parteifüh- andererseits auf dem Land mit wirtschaftli- rungen der Rechtsparteien mehrheitlich ab- chen Problemen zu kämpfen hatten. Dies lehnend, da sie die fragile innere Ordnung führte dazu, dass immer mehr Männer die im Reich nicht erneut aufs Spiel gesetzt se- »Arbeitsgemeinschaften« verließen. Ein hen wollten.32 Damit war der Versuch, die weiteres Problem war, dass es nach An- junge Republik aus den Angeln zu heben, VLFKW GHU (KUKDUGW2ႈ]LHUH XQP|JOLFK bereits am 17. März, mit dem Rücktritt von schien, den gesamten Verband im »Even- Wolfgang Kapp und in Übereinstimmung tualfall« geschlossen ins ferne Bayern zu mit den militärischen Trägern des Putsches, bringen.37 passé.33 So kam es, dass sich die einzelnen Orts- JUXSSHQPHKUXQGPHKUDXÀ|VWHQXQGYLH- 2.2 Die Entstehung OH GHU 2ႈ]LHUH GHU DOWHQ 0DULQHEULJDGH den Norden verließen, um sich gänzlich Bereits nach dem gescheiterten Kapp-Lütt- Ehrhardts Organisation zur Verfügung zu witz-Putsch und der damit verbundenen stellen, sodass München immer mehr zum $XÀ|VXQJGHU%ULJDGH(KUKDUGWZDUIUHLQL- einzigen Kristallisationspunkt des ur- ge der Putschisten klar, dass dies nicht das sprünglich aus der Marine entstandenen Ende, sondern lediglich ein unzulänglicher Freikorps Ehrhardt wurde.38 Schließlich

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wurde am 1. November 1920, über den frü- strengstes Stillschweigen über alle Organi- heren Zahlmeister der Marinebrigade Wil- sationsnachrichten gegenüber Fremden zu helm Bollinger, eine Wohnung in der Trau- wahren. Schon der Name ihres Anführers tenwolfstraße gemietet, in die die neue Erhardt, der in Briefen als »Fritz«, »Erich« Organisation, getarnt als »Bayerische Holz- RGHUª:ROI©]X]HLFKQHQSÀHJWHVROOWHVR- verwertungsgesellschaft mbH«, am 10. De- weit als möglich verschwiegen werden, und zember 1920 einzog.39 Spätestens im Janu- selbst neu aufgenommene Mitglieder durf- ar 1921, mit dem Eintritt Manfred Killingers, ten ihn nicht immer sofort erfahren.42 erweiterte die Organisation ihr Tätigkeitsge- Die bereits erwähnte obligatorische Ver- biet und wurde zu einem ernstzunehmen- eidigung und dem damit verbundenen Ge- den Machtfaktor. Killinger selbst übernahm horsamsgelöbnis gegenüber den Vorge- die militärische Leitung und plante die Her- setzten verlangte von jedem Mitglied vor ausgabe einer eigenen Zeitschrift mit dem allem zwei Dinge: In »geistiger« Hinsicht Namen »Wiking«. Des Weiteren bekam die GLHªZHLWHVWH3ÀHJHGHVQDWLRQDOHQ*HGDQ- Organisation eine immer bessere Struktur. kens« und die »Bekämpfung der antinatio- So wurde eine besondere Unterabteilung nalen Weimarer Verfassung in Wort und der Zentrale in München gegründet, die für Schrift«, insbesondere der Sozialdemokra- Mobilmachungsvorbereitungen, Alarmie- tie und des Judentums und in »materieller« rung und Einberufung der erfassten Freiwil- Hinsicht die »Sammlung von entschlosse- ligen zuständig war und ihre Bewährungs- nen nationalen Männern«, um »die vollstän- probe am 2. Mai 1921 hatte. dige Revolutionierung Deutschlands zu ver- Als polnische Aufständische, aufgrund ei- hindern« und »bei großen inneren Unruhen ner Volksabstimmung über den Verbleib deren vollständige Niederwerfung zu er- Oberschlesiens bei Deutschland, das Ge- zwingen und durch Einsetzung einer natio- biet westlich bis zur Oder zum Teil in ihre nalen Regierung die Wiederkehr der heuti- Gewalt gebracht hatten, waren Killinger und gen Verhältnisse unmöglich zu machen.«43 seine 200 Mann starke Sturmkompanie Dieses Gelöbnis band nicht nur jedes Mit- maßgeblich an der Zerschlagung des Po- glied an die Organisation, sondern machte lenaufstandes beteiligt. Für die Organisati- es zu einem »gefügigen Werkzeug« der on, welche sich mittlerweile nach dem Bundesführung44, welches sich unter steter Decknamen ihres Führers »Consul« nann- Kontrolle der Zentrale in München befand. te, hatte dies zur Folge, dass sie, insbeson- So mussten beispielsweise die »Unterfüh- dere mit dem Hinweis auf einen drohenden rer« oder »Vertrauensleute«, welche den abermaligen Polenaufstand, laufend neue einzelnen Ortsgruppen der jeweiligen Bezir- Mitglieder zu verzeichnen hatte und ihre in- ke vorstanden, zweimal im Monat Meldung nere Organisationsstruktur weiter ausbau- über die geleistete Arbeit geben. Der Bund te.40 Die Konsequenz aus der wachsenden führte außerdem eine schwarze Liste über Zahl von Mitgliedern, die größtenteils nicht die Namen unzuverlässiger und verdächti- in Beziehung zur früheren Marinebrigade ger Personen, welche den Bezirksorganisati- gestanden hatten, war, dass sich alle Mit- onen mitgeteilt wurden. Diese Schreiben glieder auf die Satzungen der »Geheimor- zwischen Zentrale und Bezirksleitern wurden ganisation« mit dem Namen »Organisation LKUHUVHLWV ZLHGHUXP FKLႇULHUW XQG EHGXUIWHQ C« vereidigen lassen mussten.41 Spätes- in der Regel zum Beweis ihrer Authentizität tens dies war die Geburtsstunde der »Orga- einer besonderen Unterschrift, wenn sie nisation Consul«. nicht von Ehrhardt selbst stammten.45 Wie skrupellos mit Verrätern umgegan- 2.3 »Verräter verfallen der Fehme« – gen wurde, belegen die zahlreichen »Fe- Aufbau und Struktur der O.C. memorde« in den Jahren von 1920–1923, bei welchen in Ostpreußen, Pommern, Die Betrachtung der Struktur der O.C. muss Mecklenburg, Brandenburg, Oberschlesien stets mit dem Hintergrund der Klandestinität und Bayern mindestens 23 Menschen von ihres Charakters geschehen. So war es für Angehörigen rechtsextremer Gruppen er- MHGHV 2UJDQLVDWLRQVPLWJOLHG YHUSÀLFKWHQG mordet bzw. mit Tötungsabsicht überfallen

Oranienburger Schriften 1 / 2019 119 Marvin Matiske

wurden.46 Alleine in Bayern, der Hauptzent- rangewachsen ist, durchaus mit dem rale der O.C. und Aufenthaltsort Ehrhardts, »gigantischen Menschen«, welcher den ereigneten sich sechs dieser Attentate. So »Geschichtsprozess zu beschleunigen« wurde beispielsweise der bayerische Land- versucht, zu vergleichen. An dem Willen zu tagsabgeordnete der USPD, Karl Gareis, einem solchen »Machtfaktor« zu werden dessen Aufgabe es war, das Wesen und die besteht nach § 4 der Statuten der O.C. je- Aktivitäten der Einwohnerwehr aufzuklären denfalls kein Zweifel.50 VRZLHIUGHUHQ$XÀ|VXQJ]XNlPSIHQYRU So besteht die Vermutung, dass die O.C. seiner Haustür erschossen. Ein Jahr zuvor bereits im Jahre 1921, unter Hinzuziehung wurde ein Mordanschlag auf den ehemali- der ihr unterstellten Freikorps, eine Größe gen Reichswehrsoldaten Hans Dobner ver- von 120.000 Mann aufbieten konnte, womit übt, nachdem er beabsichtigt hatte, sein sie personell stärker als die Reichswehr :LVVHQ XP HLQ :DႇHQODJHU DQ GHXWVFKH gewesen wäre.51/HW]WHQGOLFKSUR¿WLHUWHGLH Behörden zu verkaufen.47 Organisation aber maßgeblich von der Un- Es ist also feststellend zu sagen, dass ne- terstützung des Münchener Polizeipräsidi- ben der Geheimhaltung der Verschwörung ums, dessen Leiter Ernst Pöhner nicht nur das Treueband zwischen den Mitgliedern GHQ VWHFNEULHÀLFK JHVXFKWHQ (KUKDUGW PLW oberste Prämisse hatte. Bezogen auf den falschen Pässen versorgte und ihm einen Terror spricht Hannah Arendt vom »eiser- ungefährdeten Aufenthalt in München er- nen Band«, welches »…alle so eng anein- möglichte. Auch die Erzberger-Mörder Til- anderschließt, dass nicht nur der Raum der lessen und Schulz wurden, in der Folge ih- Freiheit, wie er in verfassungsmäßigen res Anschlags, von der Münchener Polizei Staaten zwischen den Bürgern existiert, gewarnt, bevor selbige zu ihrer Verhaftung sondern auch die Wüste der Nachbarlosig- schritt, und wieder war es Pöhner der für keit und des gegenseitigen Misstrauens, die die Ausstellung zur Flucht notwendigen der Tyrannis eigentümlich ist, verschwindet, Pässe besorgte.52 Schließlich sieht auch und es ist, als seien alle zusammenge- Waite in Pöhner den »chief patron of the schmolzen in ein einziges Wesen von gi- organization«53 (Schirmherr der Organisati- gantischen Ausmaßen.«48 Weiterhin konsti- on). Wie gut die O.C. tatsächlich struktu- tuiere das »eiserne Band« des Terrors »… ULHUWZDUXQGZLHZHLWGHU(LQÀXVVGHVVLFK den totalitären politischen Körper und macht DXI GHU )OXFKW EH¿QGOLFKHQ (KUKDUGWV WDW- ihn zu einem unvergleichlichen Instrument, sächlich reichte, zeigen auch die Aussagen die Bewegung des Natur- oder des Ge- von Heinrich Schulz vor dem Untersu- schichtsprozesses zu beschleunigen« und chungsrichter. Am 2.3.1950 gestand dieser es gelänge ihm »…Menschen so zu organi- ein: »Ich konnte von Zeit zu Zeit aber sieren, als gäbe es sie gar nicht im Plural, auch immer wieder die schützende Hand sondern nur im Singular, als gäbe es nur Ehrhardts erkennen.«54 einen gigantischen Menschen auf der Erde, dessen Bewegung in den Marsch eines au- 2.4 Die Opfer tomatisch notwendigen Natur- oder Ge- schichtsprozesses mit absoluter Sicherheit 2.4.1 Philipp Scheidemann und Berechenbarkeit einfallen.«49 Das Attentat auf den »Verkünder der Repu- Freilich mag die von Hannah Arendt be- EOLN© ¿HO LQ HLQH =HLW LQ GHU PLW7HUURUDQ- schriebene Natur des »totalitären Terrors« schlägen seitens der O.C. eigentlich nicht auf Terrorregime wie das Dritte Reich oder mehr gerechnet wurde. Durch die Fahn- den Stalinismus passender anwendbar dungen der Polizei nach den Erzberger- sein, da die Terrorakte der O.C. während Mördern Tillessen und Schulz wurde die der Weimarer Republik noch kein »Re- O.C. im Herbst 1921 überraschend ent- gime« darstellen. Doch ist die auf einen Ein- deckt und ihrer ausgeklügelten Struktur, heitsgedanken, nämlich die Zerstörung der welche gerade auf ihrem konspirativen Demokratie, getrimmte Organisation, wel- Charakter basierte, damit das Fundament che mehr und mehr Macht gewinnt und genommen. Obendrein wurden sämtliche schließlich zu einer beachtlichen Größe he- O.C.-Führer, bis auf Ehrhardt selbst, ver-

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haftet und ihre Zentrale in München zer- mann, der auf den Warnruf seiner Tochter schlagen, so dass, mochten die Mörder hin seinen bei sich geführten Revolver ge- auch noch weiterhin auf der Flucht sein, der zogen hatte, konnte »…im Hinsinken noch Staat mit dieser Bedrohung aus dem Unter- zwei Schüsse abgeben«63, woraufhin der grund rasch und entschlossen fertig gewor- Attentäter und sein Companion, welcher, den schien.55 PLW HLQHU 3LVWROH EHZDႇQHW KLQWHU HLQHP Ein fataler Irrtum, der im Frühsommer Baum wartete und im Falle des Missglü- 1922 deutlich wurde, als innerhalb eines ckens des Säureattentats Scheidemann er- Monats gleich drei politische Anschläge ver- schießen wollte64 ÀRKHQ65 Ob es nun übt wurden, welche die Furcht des Weima- Scheidemanns Bart und Augenbrauen66 rer Staates wiederbelebten.56 War Scheide- oder dem an diesem Tage herrschenden mann zum Zeitpunkt des Attentats auch starken Luftzug67 zu verdanken war, dass schon längst von seinem Amt des Minister- die Blausäure ihre Wirkung nicht vollends präsidenten der Weimarer Republik zurück- entfalten konnte, sei dahin gestellt, in jedem getreten, blieb er für die Rechtspresse wei- Fall ist der Oberbürgermeister von Kassel WHUKLQ GLH 3HUVRQL¿NDWLRQ GHU YHUKDVVWHQ dem Tode an diesem Tage nur knapp Republik.57 So war er »…über Jahre hinweg entronnen. ]HUPUEHQGVWHQ$QJULႇHQXQG9HUOHXPGXQ- Den entscheidenden Hinweis68 auf die gen ausgesetzt, bei denen seine Gegner Täter und ihrer Zugehörigkeit zur O.C. gab mit gekauften Zeugen, gefälschten Urkun- ein Mann namens Theodor Brüdigam, der den und Drohbriefkampagnen arbeiteten, sich im Frühjahr 1922 als Spitzel in die sein Haus in Kassel mit Wandparolen be- Frankfurter O.C.-Gruppe um Karl Tillessen schmierten, seine Wohnung vernagelten eingeschlichen hatte und seine Erkenntnis- XQGLKQ|ႇHQWOLFKLQJU|EVWHU:HLVHEHOlV- se beim Kasseler Polizeipräsidium zu Pro- tigten.«58 In einem Artikel mit dem Titel: »An tokoll gab.69 Schließlich wurden, nachdem meine Herren Mörder!« berichtet Scheide- in der Folge des kurz darauf erfolgten Ra- mann von Drohungen, welche er von allen thenau-Attentats der aktive Kern der O.C. Seiten bekam und listet dabei Auszüge von ausgeschaltet wurde und ein Versuch Hus- diversen Drohbriefen auf, welche an ihn ad- terts und Oehlschlägers, Pässe ins Ausland ressiert waren. Und versucht er auch die zu besorgen scheiterte, beide Attentäter Drohungen mit Sätzen wie »Beim Stechen festgenommen.70 bitte ich mir nicht an den Hals zu kommen, weil ich da zu kitzlich bin« auf humorige Art 2.4.2 und Weise herunterzuspielen, so muss er Am 24. Juni 1922, nicht mal drei Wochen doch zugeben, dass er sich »in einer ziem- nach dem missglückten Mordanschlag auf OLFKVFKZLHULJHQ/DJHEH¿QGH©59 Scheidemann, forderte der unbändige Hass Wie ernst die Drohungen tatsächlich zu der O.C. auf die Weimarer Republik ihr QHKPHQZDUHQ]HLJWHVLFKDP3¿QJVWVRQQ- nächstes Opfer. Am Vormittag gegen elf Uhr tag des Jahres 1922, als zwei Männer der wurde der Reichsaußenminister auf der O.C., namentlich Hans Hustert und Karl Fahrt von seiner Wohnung zum Auswärti- Oehlschläger, ein Blausäure-Attentat, im gen Amt aus einem den Ministerwagen oberen Druseltal vor Kassel60, auf Scheide- überholenden Kraftfahrzeug erschossen.71 mann verübten. Laut den Aussagen von Doch woher kam dieser Groll gegen einen Scheidemann in seinen Memoiren war er Mann, der nicht nur bekennender Preußen- gerade mit Tochter und Enkeltochter bei ei- verehrer war, sondern durch seine, noch nem Waldspaziergang, als ein Mann hinter während des Krieges bekanntgewordene einem Baum hervorsprang, welchen zuerst /HLVWXQJEHLGHU.ULHJVURKVWRႇEHZLUWVFKDI- nur seine Tochter bemerkte.61 Trotz ihrer tung zeitweilig sogar als »Retter des Vater- Warnung »…stand der Kerl, den ich auf landes« tituliert wurde?72 So war auch er es, dem weichen Waldboden nicht hatte hören der noch im Jahr seiner Ermordung als Au- können, auch schon vor mir und spritzte ßenminister auf der Konferenz von Genua aus einer faustdicken Ohrenspritze die mit dem Vertrag von Rapallo einen ersten Blausäure mir ins Gesicht.«62 Scheide- Schritt zur Wiedererlangung außenpoliti-

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scher Handlungsfreiheit machte.73 In dem alle korrigiblen Seltsamkeiten zu beseiti- am 7. Oktober 1918 in der Vossischen Zei- gen.«82 tung erschienenen Aufsatz »Ein dunkler Doch trotz all dieser Umstände hatte Ra- Tag« behauptete er sogar: »Die verfrühte thenau, dessen Eltern aus jenen Führungs- %LWWH XP :DႇHQVWLOOVWDQG ZDU HLQ )HKOHU schichten der deutschen Judenschaft ent- Das Land ist ungebrochen, seine Mittel un- stammten, die im 19. Jahrhundert ihren erschöpft, seine Menschen unermüdet. Wir eigenen Aufschwung an den von Technik, sind gewichen, aber nicht geschlagen«74 Industrie und moderner Großwirtschaft zu und forderte schließlich: »Die nationale Ver- binden wussten, keinen guten Stand bei teidigung, die Erhebung des Volkes muss den Rechten.83 So wurden z.B. Völkische eingeleitet, ein Verteidigungsamt errichtet Flugblätter und Klebezettel verteilt, in de- werden.«75 Zwar fand Rathenaus Anregung, nen mit der Ernennung Rathenaus und an- dass Volk aufzurufen, laut Scheidemann im derer Juden zu Reichsministern die Herr- Kabinett »nicht die geringste Gegenlie- schaft des »internationalen Judentums« be«76, auf der Rechten jedoch brachte sie über das deutsche Volk für angebrochen Zustimmung. erklärt wurde.84 Auch wurde vor Verleum- Doch trotz dieses »Herzensschrei[s] ei- dungen nicht halt gemacht. So druckte nes großen Patrioten«, wie Prinz Max von »Der Tag« die »angebliche Äußerung Ra- Baden ihn betitelt77, änderte sich in der thenaus« auf der Titelseite: »Ich vertrete Grundhaltung gegenüber Rathenau nichts. nicht, wie Herr Stinnes, Deutschland, son- Rathenau selbst fragte einmal seinen Par- dern ich vertrete den internationalen Fi- teifreund Hellmut von Gerlach: »Sagen Sie, nanzgeist!«85 Hugo Stinnes gehörte dem warum hassen mich diese Menschen ei- nationalistischen Flügel der deutschen De- gentlich so furchtbar?« Woraufhin dieser legation an und wollte dem französischen antwortete: »Ausschließlich, weil Sie Jude Druck zur Zahlung als überhöht empfunde- sind und mit Erfolg für Deutschland Außen- ner Reparationsforderungen nicht nachge- politik treiben.«78 Diese unverblümte Ant- ben. Rathenau und Wirth dagegen waren wort Gerlachs traf den Nagel zumindest in- Teil der koorperativer gesinnten Teilneh- soweit auf den Kopf, als dass die jüdischen mer, welche den Forderungen der West- Deutschen, nach einer Jahrzehnte währen- mächte bis zur Grenze des »Erfüllbaren« den Phase politischer und sozialer Emanzi- nachgeben wollten und deshalb schließlich SDWLRQ]XQHKPHQGDXIZLHGHUDXႉDPPHQ- als »Erfüllungspolitiker« verschmäht wur- de Gegnerschaft stießen, welche sich nicht den.86 Der »Völkische Beobachter« ging mehr wie einst religiös, sondern rassistisch sogar noch weiter und bezeichnete den legitimierte.79 Dagegen half auch nicht, dass neuen Außenminister als den Feind er sich voll und ganz mit dem Deutschtum Deutschlands schlechthin, der seine Be- LGHQWL¿]LHUWHXQGVHLQ/HEHQODQJJHJHQGLH fehle von den »Weisen von Zion« emp- jüdische Identität kämpfte.80 ¿QJ87 und selbst später, den Vertrag von In seinem 1897 erschienenen Aufsatz Rapallo, als Teil einer »jüdischen Ver- »Höre, Israel!«, welche einerseits gegen die schwörung zur Verschacherung des deut- Protzereien jüdischer Neureicher und ande- schen Volkes.«88 rerseits gegen die Ghettokultur der beson- Kaum verwunderlich also, dass schon ders aus dem galizischen Raum nach Preu- kurz nach Amtsantritt seines ersten Minis- ßen strömenden sogenannten Ostjuden terpostens Rathenau sich einer Vielzahl gerichtet war, zeichnete er gar das Bild ei- von Schmähungen und Morddrohungen nes »fremden Organismus im Leibe des ausgesetzt sah.89 So lautete ein bekannter deutschen Volkes«.81 In späteren Jahren »Stammtischvers« jener Zeit: »Auch Ra- milderte er zwar die Absage an seine eige- thenau, der Walther/Erreicht kein hohes ne jüdische Identität in seinem 1912 er- Alter/Knallt ab den Walther Rathenau/Die schienenen Buch »Zur Kritik der Zeit« ab, JRWWYHUÀXFKWH -XGHQVDX©90 Neben dieser rät aber den Juden weiterhin, »…durch eine unheilvollen Vorhersage, gab es jedoch energische Selbsterziehung, die schon seit auch ganz gezielte Hinweise auf einen be- einem Jahrhundert von vielen geübt wird, vorstehenden Anschlag auf Rathenau. So

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berichtet Harry Graf Kessler in seiner Ra- lene Kaiser100 kam für Walther Rathenau thenau-Biographie von einem Brief, wel- jede Hilfe zu spät. Obwohl es dem Chauf- chen der damalige Reichskanzler Wirth an feur Prozeller gelang, den an Motor und Ge- ihn adressierte, und in welchem er schilder- triebe unbeschädigt gebliebenen Wagen te, dass »ein katholischer Priester in das wieder anzukurbeln, konnte der Außenmi- 5HLFKVNDQ]OHUKDXVNDP©XQGLKPHU|ႇQH- nister nur »als Toter« in sein Haus zurück- te, »dass das Leben des Ministers Rathe- gefahren werden, welches er kaum zehn nau bedroht sei.«91 Auch von seinem Partei- Minuten zuvor verlassen hatte.101 freund von Gerlach war er gewarnt worden. Der Anschlag auf den Außenminister Diesem wurde zugetragen, dass ein gewis- führte zu einer großen Empörung in der Be- VHU'U5XJHDXV%UHVODXHLQJHWURႇHQVHL völkerung und ließ die polizeilichen Ermitt- welche »die feste Absicht, Rathenau zu er- lungen auf Hochtouren laufen. So konnte schießen« habe.92 Rathenau jedoch, der bereits einige Tage nach dem Anschlag, sich »…kategorisch jeden Schutz [verbat]« trotz der Hindernisse, die der Polizei berei- und »in Erwartung des Todes [lebte]«93, er- tet wurden102, der Fahrer des Mordwagens, widerte laut Gerlach: »Ich weiß, dass mein Ernst Werner Techow, auf dem Gut seines Leben ständig bedroht ist. Aber was wollen Onkels festgenommen werden.103 Den Sie, dagegen kann man sich nicht schüt- maßgeblichen Hinweis auf Techow sowie zen, wenn man nicht selbst ein Gefangener auf die beiden Haupttäter Kern und Fischer werden, sich einschließen oder sich ständig gab der Student Willi Günther, der sich in von Polizei bewachen lassen will.«94 einer Versammlung des deutschnationalen Diese tatenlose Hinnahme seines Schick- Jugendbundes Hansa der Mittäterschaft sals spricht einerseits für Rathenaus fatalis- gebrüstet und behauptet habe, während tische Einstellung, andererseits erleichterte des Anschlags auf einem Notsitz des Täter- sie aber, ebenso wie das unentschlossene wagens gesessen zu haben.104 Handeln der hessischen Ermittlungsbehör- Trotz der nun bekannten Identität der bei- den in den letzten Tagen vor dem Anschlag, den Haupttäter erwies es sich als äußerst den Mördern ihr Vorhaben.95 Der schick- schwierig, ihrer habhaft zu werden. So half salshafte Tag ereignete sich schließlich am nicht nur eine Fahndungspanne den Mör- Vormittag des 24. Juni 1922. Rathenau war dern, auf freiem Fuß zu bleiben105, sondern gerade auf dem Weg von seinem Wohn- es scheiterte auch der Versuch, 20.000 haus in das Auswärtige Amt unterwegs. Mit Flugblätter per Bahn nach Gardelegen zu einem Anschlag auf seine Person schien bringen, wo die beiden Täter zwischenzeit- der Außenminister an diesem Tage, trotz lich vermutet wurden, am Widerstand der der im Vorfeld vielfältigen Morddrohungen, Reichsbahn.106 Als größtes Hindernis der nicht gerechnet zu haben. So fuhr Rathe- Ermittlungsarbeiten stellten sich jedoch QDX]XVDPPHQPLWVHLQHP&KDXႇHXU-RVHI zahlreiche Helfershelfer heraus, welche die 3UR]HOOHU QLFKW QXU LQ HLQHP RႇHQHQ :D- Polizei als angebliche Augenzeugen ab- gen96, sondern schien von dem Anschlag sichtlich in falsche Richtungen führten.107 RႇHQEDU Y|OOLJ EHUUDVFKW XQG KDWWH QRFK Nachdem sich die Polizei zwischenzeit- seine Zigarre im Mund, als die tödlichen lich schon eingestehen musste, die Spur Schüsse abgegeben wurden.97 der Gesuchten verloren zu haben, wurde Insgesamt wurden fünf Schüsse auf den der Polizei in Halle am 16. Juli durch zwei Außenminister abgegeben, welche sämtlich Gäste der thüringischen Rudelsburg an der von links hinten nach rechts vorne durchge- Saale mitgeteilt, dass sie auf einem be- schlagen hatten und somit den Schluss zu- wohnten Turm der gegenüberliegenden lassen, dass sie während der ersten Phase Burg Saaleck Licht bemerkt hätten, obwohl des Überholvorgangs von dem linksseitig deren Besitzer Hans Wilhelm Stein außer überholenden Autos abgegeben wurden.98 Haus gewesen sei. Dadurch aufmerksam Zusätzlich wurde in den Ministerwagen eine geworden, hätten sie dort zwei Gestalten Handgranate geworfen, welche das Fahr- gesehen, welche mit den gesuchten Perso- zeug vollends zum Stehen brachte.99 Trotz nen auf den Steckbriefen übereinstimm- der herbeieilenden Krankenschwester He- ten.108 Daraufhin kam es am nächsten Mor-

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gen, nachdem zuerst das Türschloss zum darauf aus, uns alle zu töten. Wir müssen Wohnturm aufgebrochen wurde, »zu einer Widerstand organisieren, Gewalt kann nur förmlichen Belagerung der Burg«109, in de- mit Gewalt beantwortet werden. Das ist die ren Folge Kern erschossen wurde und Fi- Generation von Auschwitz, mit denen kann scher sich, nach Bewusstwerden seiner man nicht argumentieren!«113 Zusammen aussichtlosen Lage, selbst richtete. mit Andreas Baader, welchem Ensslin im Sommer 1967 erstmals begegnete, machte 3. Die Rote Armee Fraktion sie sich zunehmend Gedanken, wie man diesen verhassten Kapitalismus am besten 3.1 Die erste Generation angreifen könnte und dachte mehr und mehr an terroristische Aktivitäten.114 3.1.1 »Dieser faschistische Staat ist Ihre Überlegungen wurden am 2. April darauf aus uns alle zu töten« – 1968 Realität, als sie zusammen mit dem Die Vorgeschichte APO-Mitglied Thorwald Proll nach Frank- Das für die Entstehung der RAF entschei- furt a.M. reisten, um dort, wie angekündigt, dende Datum war wohl der 2. Juni 1967, als in westdeutschen Kaufhäusern zu »zün- der Schah von Persien, Mohammad Reza deln«115. Tatort des Anschlags wurde das Pahlavi, West-Berlin besuchte und damit ei- Kaufhaus »Schneider«. Kurz vor Feier- ne Demonstration insbesondere seitens abend versteckten sie in der Möbelabtei- studentischer Kreise hervorrief. Die »Au- lung und in der Abteilung für Damenober- ßerparlamentarische Opposition« (APO), bekleidung je einen der Brandsätze, die sie welche sich selbstinszenierend als Antwort in einer Tasche versteckt mitgebracht hat- auf die fehlende starke parlamentarische ten und stellten die Wecker für die Zündung Opposition in der Regierung gründete, und auf Mitternacht. In gleicher Weise gingen im Wesentlichen vom »Sozialistischen Horst Söhnlein und Thorwald Proll im Kauf- Deutschen Studentenbund« (SDS) gestützt haus »Kaufhof« vor.116 wurde, engagierte sich neben dem An- Bereits am 4. April 1968 wurden alle vier spruch auf Demokratisierung der universitä- Brandstifter verhaftet, ein halbes Jahr, be- ren Politik und der größeren Transparenz vor der »Kaufhaus-Brandstifter-Prozess« hochschulinterner Abläufe auch gegen die am 14. Oktober 1968 seinen Anfang nahm. Verdrängung der Verbrechen des National- Die Verhandlung sahen die vier Angeklag- sozialismus seitens der Vätergenerationen ten als Spiel, den Gerichtssaal als ihre und reihte sich zum Thema Vietnamkrieg in Bühne, und so hatte ihr Auftritt »etwas von die weltweiten Aktionen gegen den von einer theatralen Happening-Inszenie- USA geführten Krieg in Asien ein.110 Der rung.«117 Sie lächelten überlegen, warfen Staatsbesuch des damaligen iranischen mit Bonbonpapier, hielten Zigarren in den Kaisers gipfelte in der Erschießung des un- Händen, und einmal gab sich Proll als Baa- EHZDႇQHWHQ 6WXGHQWHQ %HQQR 2KQHVRUJ der aus und gab an, im Jahre 1789, dem durch den Polizisten Karl-Heinz Kurras, Jahr der französischen Revolution, gebo- welcher später wegen Notwehr freigespro- ren worden zu sein.118 Alles war darauf aus- chen werden sollte.111 gelegt, der Justiz möglichst viele Hinder- Diese Ereignisse des 2. Juni 1967 stellten nisse zu unterbreiten und wie Proll es sozusagen das Schlüsselerlebnis für die ausdrückt: »das Ganze spielerisch aufzulö- spätere Generation des deutschen Links- sen und die autoritären Strukturen zum Terrorismus dar und dürfen als verantwort- Einfallen zu bringen.«119 lich für das Sinken der Hemmschwelle für Insgesamt erhielten die Angeklagten ein gewaltsame Aktionen gegen Staat und Ge- Dutzend Ordnungsstrafen, insbesondere sellschaft verstanden werden.112 Deutlich wegen des wiederholten Verstoßes gegen wird dies besonders an dem Ausspruch der das Aufsteh-Gebot in deutschen Gerichts- späteren Mitbegründerin der RAF, Gudrun sälen.120 Am Ende der Verhandlungen, Ensslin, in einer Diskussion im SDS-Zent- dem 31. Oktober 1968, stand eine Verurtei- rum, in welcher die Geschehnisse bespro- lung der Angeklagten zu jeweils drei Jah- chen wurden: »Dieser faschistische Staat ist ren Zuchthaus, wogegen ihre Verteidiger

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jedoch Revision einlegten. Bereits am 13. =LHO YRU $XJHQ KDWWHQ GHQ ªEHZDႇQHWHQ Juni 1969 wurden die vier aus dem Gefäng- Kampf«128. Zurück in Berlin kamen die bei- nis entlassen, als ihre Haftbefehle unter der den bei der Journalistin Ulrike Meinhof un- $XÀDJHVLFKUHJHOPl‰LJEHLGHU3ROL]HL]X ter, welche sie bereits aus der Zeit in der melden, außer Vollzug gesetzt wurden.121 Untersuchungshaft kannten. Trotz der völlig Als der Bundesgerichtshof im November unterschiedlichen Charaktere der drei129 er- 1969 dann jedoch das landgerichtliche gänzten sie sich gut und wuchsen sehr bald Brandstifterurteil bestätigte, tauchten Ens- als das Trio zusammen, welche das folgen- VOLQ3UROOXQG%DDGHUVRIRUWXQWHUXQGÀFK- de Jahrzehnt in Atem halten und in der Jus- teten ins Ausland.122 tizvollzugsanstalt Stammheim enden Ihr erster Stopp sollte Frankreich sein. wird.130'HUªEHZDႇQHWH.DPSI©IDQGDOOHU- Untergekommen bei einem »Genossen«, dings seine erste Schwierigkeit beim Ver- ließen sie es sich gut gehen und genossen VXFK GHV ª%HZDႇQHQV© hEHU 0DKOHU in vollen Zügen die neu gewonnene Frei- kommt Baader in den Kontakt mit Peter Ur- heit.123 Zwischenzeitlich verließ Thorwald bach, auch genannt »S-Bahn-Peter«. Die- Proll die Gruppe, der in einem Jahre später VHUVWDQGLQGHP5XI:DႇHQEHVRUJHQ]X geführten Interview zugegeben hatte: können. So hatte er bereits die Molotow- »Nicht in der Lage« gewesen zu sein, wei- cocktails geliefert, durch die die Lieferwa- ter mitzumachen.124 Nach der Trennung gen vor dem Axel Springer Pressehaus am reiste er zuerst nach England und ein Jahr Gründonnerstag 1968 in Brand gesetzt wor- später zurück nach Berlin, um sich der den waren, und auch Horst Mahler seine Staatsanwaltschaft zu stellen.125 An seine HUVWH:DႇHEHVRUJW131 Das Urbach tatsäch- Stelle trat seine sechs Jahre jüngere lich ein V-Mann des Verfassungsschutzes Schwester Astrid Proll, die von nun an fes- gewesen ist, war Baader zwar unbekannt, ter Bestandteil der Gruppierung war. Im De- doch gab Mahler in einem später geführten zember 1969 reisten Baader, Ensslin und Interview zu, durchaus von »Mutmaßun- Proll über Mailand nach Rom, wo auch Baa- gen« gehört zu haben: »So richtig klar« ders Verteidiger in den Kaufhausbrandstif- wurde es ihm aber erst »an diesem Abend, terprozessen, Horst Mahler, kurze Zeit spä- als Baader verhaftet wurde.«132 Auf dem ter hinzukam. Dieser war zuvor nach Weg zum Friedhof in Buckow-Rudow, auf London gereist, um dort mit dem ehemali- welchem Urbach angeblich »Pistolen aus gen Wortführer des SDS, Rudi Dutschke, dem Zweiten Weltkrieg vergraben habe«133, über den weiteren Verlauf der Revolution zu wurde Baader, welcher durch Urbach verra- sprechen, war dort aber zu keiner Überein- ten wurde, von einem Zivilwagen, nach ei- kunft gekommen.126 Bei Baader, Ensslin ner kurzen Verfolgungsfahrt, einer allgemei- und Proll hingegen fand Mahlers Idee, eine nen Verkehrskontrolle unterzogen, in deren Art »APO-Avantgarde« zu gründen, Zustim- Folge er zur »Personenüberprüfung« zum mung, denn in diesem Punkt waren sich alle Polizeirevier 221 gebracht wurde, da er der HLQLJGDVVªEHZDႇQHWHU:LGHUVWDQGXQXP- Polizei nicht glaubhaft machen konnte, der gänglich ist«.127 auf dem Führerschein und Personalaus- Den Ausschlag gab sodann der 5. Febru- weis ausgewiesene Chotjewitz zu sein.134 ar 1970, als Rechtsanwalt Mahler die Mittei- lung erhielt, dass das im Vorfeld von Otto 3.1.2 »Glauben die Schweine wirklich, Schily, Ennslins Verteidiger, gestellte Gna- wir würden den Genossen Baader zwei dengesuch durch den Justizminister Karl oder drei Jahre sitzen lassen?«135– +HPÀHU DEJHOHKQW ZXUGH hEHU GHQ VLFK Die Baader-Befreiung und Gründung der ebenfalls in Italien aufhaltenden, späteren RAF Wahlverteidiger Baaders, Peter Chotjewitz, 'DVV %DDGHU DOVEDOG DOV GLHVHU LGHQWL¿]LHUW lässt Mahler die Nachricht an Baader und werden konnte, war einem Missgeschick Ensslin übermitteln (Astrid Proll war bereits Host Mahlers zu »verdanken«. Dieser hatte zurück nach Deutschland gegangen), wel- nämlich am nächsten Morgen beim Kriminal- che daraufhin die Reise zurück nach hauptmeister Borchert angerufen und ge- Deutschland antraten und dabei ein klares fragt, wo der festgenommene Baader sei,

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und ob er mit ihm sprechen könne. Borchert fes« ansah.142 Die RAF verstand sich als wusste zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, politisch-militärische Organisation, die in dass der Mann, der den Fahndern in der der Bundesrepublik Deutschland und ins- Nacht ins Netz gegangen war, tatsächlich besondere in West-Berlin eine »Metropole Baader war. Dass Baader nämlich bereits des Imperialismus« sah, welche sie für den eine halbe Stunde zuvor durch seine Finger- »Todfeind der Menschheit« hielten.143 Mit DEGUFNHLGHQWL¿]LHUWZHUGHQNRQQWHZDU]X ihrem Kampf wollten sie die Befreiungs- Borchert bis dato nicht durchgedrungen.136 kriege der Völker der Dritten Welt – insbe- Baader kam zuerst in die Untersuchungs- sondere des vietnamesischen Volkes und haftanstalt nach Moabit, bevor er dann drei der Bevölkerung Südamerikas – unterstüt- Wochen später in die Strafanstalt Tegel ver- zen144 und sahen sich als Vorreiter einer legt wurde, wo er den Rest seiner Brandstif- Revolution und Befreiungsbewegung.145 ter-Strafe (22 Monate) abzusitzen hatte.137 Schriftlich festgehalten hat die Gruppe Für Ensslin, Mahler und Meinhof war klar, ihre Ziele und Leitlinien in den insgesamt dass Baader schnellstmöglich befreit wer- drei grundlegenden Kampfschriften: »Das den müsse. Ihr Plan sah vor, dass Mahler .RQ]HSW6WDGWJXHULOOD©ªhEHUGHQEHZDႇ- dem zuständigen Gefängnisleiter vorspie- neten Kampf in Westeuropa« und »Stadt- len sollte, dass Baader und Meinhof an ei- guerilla und Klassenkampf«. In »Das Kon- nem gemeinsamen Buchprojekt arbeiten zept Stadtguerilla« vom April 1971 würden, wofür Baader, zur Sichtung der er- schreiben sie beispielsweise von »der Or- forderlichen Literatur, unbedingt in das Zen- JDQLVLHUXQJYRQEHZDႇQHWHQ:LGHUVWDQGV- tralinstitut für Sozialfragen ausgeführt wer- gruppen« welche »gerechtfertigt« sei und den müsse.138 Als sich Baader dann GDVVGHUªEHZDႇQHWH.DPSI>«@MHW]WEH- schließlich im Rahmen der genehmigten gonnen werden kann und muss«146 oder Ausführung im Lesesaal des Zentralinstituts das der antiimperialistische Kampf Grund- für Sozialfragen in Dahlem aufhielt, wurde bedingung für den »Vereinheitlichungspro- der Plan in die Tat umgesetzt. Mehrere zess« sei.147 In der Schrift »Über den be- Gruppenmitglieder, unter ihnen Ulrike Mein- ZDႇQHWHQ.DPSILQ:HVWHXURSD©YRP0DL hof, Gudrun Ensslin, Irene Goergens und 1971 wird unter anderem von der Notwen- ,QJULG 6FKXEHUW EHU¿HOHQ GLH %HZDFKHU digkeit der »Solidarisierung der arbeiten- Baaders und gaben dabei mehrere Schüs- den Massen«, um »zahlreiche militärische se ab, wodurch der 62-jährige Institutsbe- Zellen« zu bilden, »die zusammen allmäh- dienstete Georg Linke durch einen Leber- lich ein für den Feind undurchdringliches steckschuss lebensgefährlich verletzt Gebilde bilden, operative und taktische Er- wurde.139 Baader und seine Befreier entka- fahrungen bei der Bekämpfung der Unter- men schließlich durch das Fenster und be- drückungskräfte sammeln und in zuneh- gründeten mit diesem Fenstersprung end- mender Größenordnung anwenden.«148 In gültig ihr Leben in der Illegalität. Die Gruppe »Stadtguerilla und Klassenkampf« vom wurde von nun an, nach dem Befreiten und April 1972 schließlich betont die RAF die seiner bekanntesten Befreierin als »Baa- Notwendigkeit und Richtigkeit von Bank- der-Meinhof-Bande« bezeichnet, obwohl überfällen (»Er ist logisch richtig, weil an- die Gruppe selbst sich nie so genannt hat.140 ders das Finanzproblem gar nicht zu lösen Für sie war der 14. Mai 1970, wie in ihrer ist. Er ist politisch richtig, weil er eine Ent- $XÀ|VXQJVHUNOlUXQJ JHVFKULHEHQ GLH *H- eignungsaktion ist. Er ist taktisch richtig, burtsstunde der RAF. weil er eine proletarische Aktion ist. Er ist strategisch richtig, weil er der Finanzierung ª8PGLH.RQÀLNWHDXIGLH6SLW]HWUHL- der Guerilla dient.«)149 und auch die Not- ben zu können, bauen wir die Rote Armee wendigkeit der »technischen Kenntnisse« auf«141 – Ziele und Struktur der RAF IUGHQªEHZDႇQHWH>Q@.DPSI©GDGLHVHU Das primäre Ziel der RAF war ganz klar der eine »technische Angelegenheit« sei.150 Sturz des »alten Systems«. Als Mittel dafür Der Leitfaden für ihren Aufbau, die Aus- VDKVLHGHQªEHZDႇQHWHQ.DPSI©ZHOFKHQ stattung und die Aktionen bildet das »Mini- sie als »höchste Form des Klassenkamp- Handbuch der Stadtguerilla« des brasiliani-

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schen Guerillaführers Carlos Marighella.151 fern. In ihrer Kampfschrift »Konzept Stadt- In seiner Schrift beschreibt Marighella unter guerilla« erklärt die RAF herausfordernd: anderem, wie die Stadtguerilla zu verfahren »Wir schießen, wenn auf uns geschossen hat. So z.B. »führt [sie] in den Städten Hinter- wird. Den Bullen, der uns laufen lässt, las- halte, Handstreiche, Enteignungen, Überfäl- sen wir auch laufen.«159 Tatsache ist, dass OH]XU:DႇHQXQG6SUHQJVWRႇEHVFKDႇXQJ es Petra Schelm war, welche zuerst auf die Anschläge, Besetzungen von Eigentum (…) Polizei geschossen hat, bevor diese zu- sowie Beschriftungen von Wänden aus.«152 rückschossen und Schelm tödlich am Kopf Er beschreibt jedoch weiterhin, zusammen- trafen. Diese war am 15. Juli 1971 in eine gefasst in den sieben Todsünden, was die Polizeisperre geraten, aus der sie zusam- Stadtguerilla tunlichst zu unterlassen habe. PHQPLW:HUQHU+RSSH]XÀLHKHQYHUVXFK- So sollte die Stadtguerilla auf keinen Fall den te, woraufhin es zu besagtem Schusswech- Feind unterschätzen oder die von ihr ausge- sel kam. Petra Schelm stellt damit das erste führten Aktionen »in alle vier Himmelsrich- Todesopfer auf Seiten der RAF dar. tungen« ausposaunen.153 Aber auch das erste Todesopfer auf der Da den Mitgliedern der RAF bewusst war, »anderen« Seite sollte nicht lange auf sich dass ihnen für den beabsichtigten militäri- warten lassen. Am 22. Oktober desselben schen Kampf das hierfür erforderliche Trai- Jahres starb der Polizeimeister Norbert ning fehlte, begannen sie bald regelmäßig, Schmidt, nachdem er, zusammen mit sei- sich in Lagern der Palästinensischen Wi- nem Kollegen, eine unbekannte Frau in derstandsgruppen im Nahen Osten für den Hamburg-Poppenbüttel kontrollieren wollte. »imperialistischen Kampf« ausbilden zu Als die beiden Polizeibeamten die Unbe- lassen.154 Mit Hilfe des dreiundzwanzigjähri- kannte – später stellte sich heraus, dass es gen, aus Jordanien stammenden und in sich um Margrit Schiller handelte – einhol- Berlin studierenden Said Dudin reisten ten, wurden Schüsse von einem jungen Mahler und neun weitere »Genossen« am Pärchen abgegeben, welche die Beamten 8. Juni 1970 in das Camp der El Fatah nach verfolgten.160 Bei dem Todesschützen soll Jordanien.155 es sich um Gerhard Müller gehandelt ha- ben.161 Der nächste RAF-Mord ereignete 3.1.4 »Enteignet die Feinde des Volkes!« sich bereits drei Monate später. Das Opfer, – Banküberfälle, Bombenanschläge und wieder ein Polizist. Polizeiobermeister Her- erste Tote bert Schoner wurde, nachdem er versucht Als die Gruppe von Jordanien zurück nach KDWWH HLQHP ÀLHKHQGHQ 9:%XV KLQWHUKHU Deutschland kam, unternahm sie mehrere zu eilen, aus der Beifahrertür angeschos- %DQNEHUIlOOH ]ZHFNV *HOGEHVFKDႇXQJ sen. Hilfe versuchte er in einer naheliegen- Der wohl bekannteste ist dabei der so ge- GHQ%DQN¿OLDOH]XEHNRPPHQLQGHUVLFK nannte »Dreierschlag«, welcher in die Berli- zu seinem Unglück, gerade ein RAF-Kom- ner Justizgeschichte einging.156 Drei Kom- mando bei einem Banküberfall befand. Die PDQGRVGHU5$)EHU¿HOHQ]HLWJOHLFKGUHL Täter dachten, Schoner käme wegen des verschiedene Banken und erbeuteten dabei Überfalls herein und schossen ihm ohne zu insgesamt über 217.000 DM. Bei dem Über- zögern in den Rücken.162 In der Zeit zwi- fall auf die Zweigstelle 92 der Sparkasse schen dem 11. bis 24. Mai 1972 verübte die der Stadt Berlin hinterließen die Täter ein RAF schließlich insgesamt sechs Spreng- Flugblatt mit der Aufschrift: »Enteignet die VWRႇDQVFKOlJH Feinde des Volkes!« womit sie der Empfeh- 'LHVH DOV ª0DL2ႇHQVLYH© EHNDQQWJH- lung Marighellas folgten, den Banküberfall wordene Anschlagsserie galt den Feindbil- »zu einem Agitationszweck« zu nutzen.157 dern der RAF: Polizei und Justiz, US-Militä- Horst Mahler wurde eine Woche später, als reinrichtungen sowie dem Springer-Verlag.163 erster der Gruppe, am 8. Oktober 1970 in Die einzelnen »Anschlagkommandos« be- der Knesebeckstraße 89 durch ein Mitglied nannte sie nach ihren eigenen Toten, um verraten158 und festgenommen. VLHVRLQGHUgႇHQWOLFKNHLWDOV0lUW\UHUHU- Neben den Banküberfällen kam es in der scheinen zu lassen:164 Zu dem Anschlag auf Folgezeit weiterhin zu den ersten Todesop- das Hauptquartier des V. US-Korps in

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Frankfurt a. M. (13 Tote und ein Verletzter) ernährung in der Haftanstalt Wittlich, was bekannte sich das das »Kommando Petra zu massiven Protesten bei der linken Sze- Schelm«165, zu den Anschlägen auf die Poli- ne führte175) und sie prangerten immer wie- zeidirektion Augsburg (7 Verletzte) und auf der die These der »Isolationsfolter« an, das Landeskriminalamt in München (10 welche ein großes publizistisches Echo Verletzte)166 bekannte sich das »Komman- fand.176 do Thomas Weißbecker«167, zu dem An- Als ein Ergebnis des Hungerstreiks wur- schlag auf das Privatautos des Bundesrich- den die Haftbedingungen gelockert, womit ters Wolfgang Buddenberg (seine Frau es den Inhaftierten möglich wurde, aus den Gerda Buddenberg befand sich zu der Zeit Zellen heraus Kontakt zu den noch im Un- alleine im Auto und wurde schwer ver- tergrund lebenden Mitgliedern zu knüpfen. letzt)168 bekannte sich das »Kommando Dadurch gelang es Andreas Baader, ein In- Manfred Grashof«169, zu dem Anschlag auf fo-System einzurichten, welches zum einen das Verlagshaus Springer in Hamburg (36 den »Zusammenhalt der RAF« als Organi- Verletzte) bekannte sich das »Kommando sation auch in der Haft sichern, zum ande- 2. Juni« (Todestag von Benno Ohnesorg), ren eine »gezielte Schulung« aller RAF-Mit- und zu dem Anschlag auf das US-Haupt- glieder ermöglichen, vor allem aber auch die quartier in Heidelberg (3 Soldaten werden ª)RUWVHW]XQJ GHV EHZDႇQHWHQ .DPSIHV© getötet, 6 weitere verletzt) das »Kommando fördern sollte.177 Damit gelang es Baader, 15. Juli« (Todestag von Petra Schelm).170 faktisch eine Neuorganisation der RAF au- Als Reaktion auf die Anschläge rief der ßerhalb des Gefängnisses herzustellen. Präsident des Bundeskriminalamtes die Vorrangiges Ziel dieser Neuorganisation Leiter der Sonderkommissionen der Länder sollte vor allem die Befreiung der inhaftier- und Vertreter des Bundesgrenzschutzes ten Gesinnungsgenossen sein.178 Um die- zusammen und leitete die bis dahin größte ses Ziel zu erreichen, drängte Baader auf Fahndungsaktion in der Geschichte der Aktionen, um einen Gefangenenaustausch Bundesrepublik ein.171 Diese sogenannte herbeizuführen und schlug dabei gezielte »Aktion Wasserschlag«, welcher einen Ein- $QJULႇH DXI 6SLW]HQSROLWLNHU YRU179 Diesen satz von 16.000 Polizeibeamten und eine bereits konkret gewordenen Überlegungen Vielzahl taktischer Maßnahmen mit sich für eine Befreiungsaktion wurde am 4. Feb- brachte172, führte schlussendlich zum Er- ruar 1974 ein jähes Ende bereitet, als es zu folg: In der Zeit vom 1. bis 7. Juni 1972 wur- einer Reihe von Festnahmeaktionen kam, den die führenden RAF-Mitglieder, unter ih- ZRPLWGLHHUKRႇWH%HIUHLXQJGHU5$)+lIW- nen Baader, Ensslin und Meinhof, linge in weite Ferne gerückt war.180 festgenommen. 3.2.2 »Wer Gewalt sät, wird Gewalt 3.2 Die zweite Generation ernten!«181 – Die Bewegung 2. Juni Die Bewegung 2. Juni existierte bereits seit 3.2.1 »Hungerstreik ist Kampf«173 – 1969 in West-Berlin und sollte mit ihrem Hungerstreiks und Neuformierung Namen an den Tod des Studenten Benno Mit der Inhaftierung der Gründungsmitglie- Ohnesorgs erinnern. Sie wollte, wie die der der RAF war ihr Jahrzehnte währender RAF, die staatliche Ordnung der Bundesre- Kampf gegen die Bundesrepublik jedoch publik Deutschland erschüttern und die Be- noch lange nicht zu Ende. Im Gegenteil: völkerung für eine »Revolution« mobilisie- Deutschland steuerte auf jene Phase seiner ren.182 Den Hungertod Holger Meins nahm Nachkriegszeit zu, die später als »Deut- diese zum Anlass, den Präsidenten des scher Herbst« in die Geschichtsbücher ein- Berliner Kammergerichts, Günter von ging.174 Mit der Forderung nach besseren Drenkmann, zu entführen. Die geplante Haftbedingungen und dem Status von Entführung endete am 10. November 1974 Kriegsgefangenen führten die Inhaftierten mit der Ermordung Drenkmanns aufgrund mehrere Hungerstreiks durch (im dritten der »heftigen Gegenwehr der Eheleute Hungerstreik starb am 9. November 1974 Drenkmann«.183 Am 27. Februar 1975 kam der inhaftierte Holger Meins trotz Zwangs- es zur Entführung von CDU-Spitzenkandi-

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dat Peter Lorenz. Ziel war es, die Freilas- die sich noch in der Botschaft aufgehalten sung von sechs Inhaftierten, darunter Horst hatten, wurden bei der Detonation zum Teil Mahler, zu erpressen. Nachdem in Berlin erheblich verletzt. Zwei der Attentäter star- ein Krisenstab zusammengetreten war, und ben an ihren schweren Brandverletzun- man sich eingestand, den Gefangenen Lo- gen.190 renz in den nächsten 48 Stunden nicht be- Nach dem Desaster von Stockholm for- freien zu können, ordnete der Berliner Se- mierten sich die restlichen RAF-Mitglieder nator für Justiz an, den Forderungen der neu und fanden durch den Zusammen- Entführer nachzugeben. Fünf der sechs schluss der einzelnen regionalen Gruppie- Gefangenen (Horst Mahler lehnt seine Frei- rungen zu neuer Stärke zurück. Köpfe der lassung ab)184 wurden schließlich im Aus- neu formierten RAF werden der Rechtsan- tausch von Peter Lorenz freigelassen. walt Siegfried Haag und sein Begleiter Ro- land Mayer. Die vier großen Aufgabenfelder 3.2.3 »Nun lauft schon, ihr Schweine!«185 waren ab sofort: »margarine«, »big mo- – Die Botschaftsbesetzung in Stockholm ney«, »rache« und »big raushole«.191 Na- und die Gründung der Haag-Mayer-Bande hezu parallel zu diesen Ereignissen fand In dem für die »Bewegung 2. Juni« glückli- der Prozess gegen Baader, Meinhof, Ens- chen Ausgang der Lorenz-Entführung sahen slin und Raspe vor dem Oberlandesgericht die RAF-Angehörigen ein ermutigendes Zei- Stuttgart statt, in dessen Folge die Terroris- chen für ihr eigenes Befreiungsvorhaben. ten im Jahre 1977 zu einer lebenslangen Ziel war es, 26 Häftlinge aus den Kreisen der Freiheitsstrafe verurteilt werden. Ulrike Roten-Armee-Fraktion freizupressen.186 Un- 0HLQKRႇHUOHEWHGHQ$XVJDQJGHVª6WDPP- ter dem Namen »Kommando Holger Meins« heim-Prozesses« nicht mehr: Sie erhängte YHUVFKDႇWHQGLH7HUURULVWHQVLFKXQWHU9RU- sich am 9. Mai 1976 in ihrer Zelle.192 täuschung, in der Rechts- und Konsularab- teilung Angelegenheiten besprechen zu wol- 3.2.4 »Wir haben nach 43 Tagen Hanns- len, am 24. April 1975 Zutritt zur Botschaft Martin Schleyers klägliche und korrupte und nahmen in der Folge 12 Geiseln, mit Existenz beendet«193±'LHª2ႇHQVLYH welchen sie sich im Zimmer des Botschaf- 77« und ihre Opfer ters im dritten Stock verbarrikadieren.187 Am 7. Februar 1977 wurde die seit 1971 zur Als die schwedische Polizei den Forde- RAF gehörende Brigitte Mohnhaupt aus der rungen der Geiselnehmer, das Gebäude Haft entlassen, in welcher sie seit dem Juni innerhalb einer halben Stunde zu räumen, 1972 saß. Durch Baader und Ensslin noch nicht nachkam, erschossen sie den Militär- während der Haftzeit vorbereitet, übernahm attaché Andreas von Mirbach. Nachdem sie nach ihrer Entlassung die Führungsauf- gegen 21 Uhr der schwedische Justizminis- gaben der Gruppe und organisierte fortan ter den Tätern telefonisch mitteilte, dass die GLH:DႇHQIUGLHIROJHQGHQWHUURULVWLVFKHQ Bundesregierung beschlossen habe, keine Groß-Aktionen zur Gefangenenfreipres- Häftlinge aus deutschen Gefängnissen frei- sung.194 Ihre Attribute verhalfen ihr schnell, zulassen, wurde ebenfalls der Wirtschafts- zu einer Autorität im Untergrund zu werden: referent Dr. Heinz Hillegaart erschossen. »klein, zäh, knallhart und als RAF-Mitglied Die Täter ließen daraufhin durch drei freige- der erste Stunde erfahren im Untergrund- lassene Sekretärinnen eine Erklärung an kampf.«195 die schwedische Polizei übergeben, in wel- $OVHLQHUGHUHUVWHQ$NWLRQHQGHUª2ႇHQ- cher sie die Erschießung eines Botschafts- sive 77« verwirklichte sie die Aktion »mar- mitarbeiters zu jeder vollen Stunde in Aus- garine«. Am Morgen des 7. April 1977 ver- sicht stellen, sollte ihr Ultimatum nicht erfüllt übt ein Täterkommando, darunter werden.188 Als sie gerade die nächste Gei- Mohnhaupt, einen Mordanschlag auf den sel, den Kulturreferenten Dr. Arno Elfgen, amtierenden Generalbundesanwalt Sieg- erschießen wollten, kam es plötzlich zur fried Buback, in welchem die RAF den Explosion der von den Tätern vorbereiteten Hauptverantwortlichen für die Inhaftierung Sprengladungen, deren Ursache bis heute ihrer Genossen sah.196 Die nächsten beiden nicht eindeutig geklärt ist.189 Die Geiseln, Opfer mussten ihre Leben in Folge der »big

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raushole« lassen. Das erste der beiden war den damaligen Präsidenten von Somalia der Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Siad Barre davon zu überzeugen, dem Ein- Jürgen Ponto. Eine Schlüsselrolle spielte satz der Antiterrorgruppe GSG 9 gegen die EHLGHU%HVFKDႇXQJYRQ,QIRUPDWLRQHQEHU palästinensischen Hijacker auf somali- Ponto dabei Susanne Albrecht. Sie gehörte schem Staatsgebiet zuzustimmen, durch der RAF-Unterstützerszene in Hamburg an welches in der Nacht vom 17. zum 18. Ok- und hatte gute Kontakte zur Familie Ponto., tober 1977 fast alle Geiseln unverletzt be- da ihr Vater und Ponto Studienfreunde wa- freit werden konnten.202 ren.197 Mit ihrer Hilfe198 gelangten sie, Brigit- Was Schleyer betraf, so blieb die Bun- te Mohnhaupt und Christian Klar in das desregierung bei ihrem ursprünglichen Haus Pontos. Als Ponto erfuhr, dass er ent- Kurs: »die Gefangenen, deren Freilassung IKUW ZHUGHQ VROOWH ¿QJ HU VLFK KHIWLJ ]X erpresst werden soll, nicht freizugeben«203. wehren an und bezahlte dafür mit seinem Für den ehemaligen Bundeskanzler Hel- Leben – Mohnhaupt schießt ihm mit ihrer mut Schmidt, welcher mit dieser Entschei- )DXVWIHXHUZDႇHGUHL0DOLQGHQ.RSI199 dung das Schicksal Schleyers besiegelte, Nach dieser gescheiterten Entführung blieb diese Entscheidung eine der schwers- Jürgen Pontos bleibt den Terroristen nur ten seines Lebens.204 Am 19. Oktober 1977 noch die geplante Entführung des Arbeitge- wurde die Leiche des entführten Arbeitge- berpräsidenten Hanns-Martin Schleyer zur EHUSUlVLGHQWHQLP.RႇHUUDXPHLQHV$XWRV Freipressung der RAF-Inhaftierten. Nach- im Elsass gefunden. Einen Tag zuvor be- dem im Vorfeld des geplanten Anschlags gingen die inhaftierten Baader, Ensslin und die Lebensgewohnheiten und die für ihn ge- Raspe in ihren Zellen Selbstmord.205 WURႇHQHQ 6LFKHUKHLWVPD‰QDKPHQ DXVJH- kundschaftet wurden, fand das Attentat auf 3.3 »Die Stadtguerilla in Form der RAF GHQ 'LHQVWZDJHQ XQG GLH GDUDXႇROJHQGH ist nun Geschichte«206– Die dritte Entführung von Hanns-Martin Schleyer am *HQHUDWLRQXQGGLH$XÀ|VXQJGHU5$) 5. September 1977 statt. Nachdem das Dienstfahrzeug Schleyers, zunächst durch Im Kreise der RAF-Anhänger stießen die einen plötzlich rückwärts auf die Straße fah- Flugzeugentführung und die damit verbun- renden PKW zum abrupten Bremsen ge- dene Gefährdung so vieler unschuldiger zwungen, zum Stehen gebracht wurde und Menschenleben auf Unverständnis und in Folge dessen das Begleitschutzauto auf Kritik. Zu brutal und weit weg vom ur- GLHVHV DXႇXKU QXW]WHQ GLH $WWHQWlWHU GHQ sprünglichen Kurs wurde vielen die Denk- entstanden Schock für ihre Tat. Sowohl weise. Deutlich wird dies z.B. an Silke Mai- Schleyers Fahrer Marcisz, als auch die sich er-Witts Einwurf während einer Planung LP %HJOHLWIDKU]HXJ EH¿QGOLFKHQ %UlQGOH über einen Anschlag auf die US-amerikani- Pieler und Ulmer starben an jenem Tag – sche Siedlung in Bonn. Bei einer Diskussi- regelrecht durchsiebt von Schüssen.200 Ab on mit den Mitgliedern Stoll, Wiesnewski diesem Tage begann Schleyers insgesamt und Speitel lässt sie Kritik über die geplan- 43 Tage andauernde Gefangenschaft, teils te Brutalität verlauten, welche mit dem Un- in Erftstadt-Liblar bei Köln, teils in Den mut der anderen beantwortet wird.207 Haag, teils in Brüssel.201 Der Mitgliederschwund in der Folgezeit, Parallel zu diesem Ereignis erhöhten die aber auch die vermehrten Erfolge der Poli- Entführer den Druck auf die Regierung, in- zei waren Gründe für den zusehenden Zer- dem als Unterstützung der deutschen Ter- fall der zweiten Generation der RAF. Zwar roristen die Lufthansa-Maschine »Lands- gab es noch einige Aktionen wie den ge- hut« auf ihrem Flug von Mallorca nach scheiterten Anschlag auf den NATO-Ober- )UDQNIXUWD0YRQHLQHPYLHUN|S¿JHQDUD- befehlshaber Alexander Haig am 25. Juni bischen Terrorkommando entführt wurde 1979 durch das »Kommando Andreas Baa- und in der somalischen Hauptstadt Mogadi- der« oder die Bombenexplosion auf der US- schu landete. Durch diplomatische Ver- Stützpunkt »Ramstein« am 31. August 1981 handlungen gelang es dem damaligen Bun- durch das »Kommando Sigurd Debus«208. desminister Hans-Jürgen Wischnewski, Doch kam es schließlich im Jahre 1982 zur

130 Oranienburger Schriften 1 / 2019 Die »Organisation Consul« und die »RAF« – ein Vergleich

Verhaftung der RAF-Spitzen Mohnhaupt und Einen maßgeblichen Schritt zur endgülti- .ODU DOV GLHVH VLFK HLQHP :DႇHQGHSRW LP JHQ$XÀ|VXQJ GHU 5$) VHW]WH GLH .LQNHO Odenwald näherten und, damit verbunden, Initiative. Dr. Klaus Kinkel, der damalige zum Ende der zweiten RAF-Generation.209 Bundesjustizminister, vertrat dabei die Posi- Dass die RAF, nachdem nun ihre Anführer tion, dass der Staat »dort, wo es angebracht festgenommen und die meisten ihrer Waf- ist, zur Versöhnung« – d.h.: zur Haftentlas- fendepots aufgedeckt worden waren, noch sung – bereit sein muss.217 Die Initiative einmal auferstehen konnte, war vor allem spaltete die RAF in zwei Lager: Während den für die RAF günstigen weltpolitischen die einen der Erklärung Karl-Heinz Dellwos Rahmenbedingungen geschuldet. Im Zuge folgten, dass keiner nach seiner Freilas- des NATO-Doppelbeschlusses (1979) ent- VXQJª]XPEHZDႇQHWHQ.DPSI]XUFNNHK- stand eine europaweite Friedensbewegung, ren«218 wird, lehnte der »harte Kern« um die der geplanten Stationierung US-amerika- Brigitte Mohnhaupt jedes Zugeständnis an nischer atomarer Mittelstreckenraketen in den Staat ab und sprach im Oktober 1993 ganz Mitteleuropa entgegentrat, und welche erstmals von einem »Bruch« in der RAF.219 abermals eine militante Struktur hervor- Aus dieser Spaltung sollte sich die RAF brachte, welche sich die RAF der vorgehen- QLFKWZLHGHUHUKROHQXQGYHU|ႇHQWOLFKWHDP den Jahre zum Vorbild nahm.210 $SULOLKU$XÀ|VXQJVVFKUHLEHQ220 Die dritte Generation stand in dem Aus- maß ihrer Brutalität den anderen kein Stück 4. Die O.C. und die RAF – nach. So wurden, wie schon in den Jahren Ein Vergleich ]XYRU 6SUHQJVWRႇDQVFKOlJH 5DXEEHUIlO- le und Morde begangen. Erwähnt sei der 4.1 Zum Gegensatz zwischen »Elite« EHVRQGHUVSHU¿GH0RUGDQGHP3UlVLGHQ- und »Avantgarde« ten des Bundesverbands der deutschen Luft-, Raumfahrt- und Ausrüstungsindustrie Betrachtet man nun beide Terrororganisati- (BDLI) und Vorsitzenden der Motoren- und onen im direkten Vergleich, scheint den Un- Turbinenunion GmbH (MTU) Dr. Ernst Zim- terschieden im Vergleich zu den Gemein- mermann. Dieser wurde am Morgen des samkeiten ein weit höheres Gewicht 1. Februar 1985 von dem »Kommando Pat- zuzukommen. Zwar lassen sich die jeweili- sy O’Hara«211 durch einen Schuss in den gen politischen Attentate unter einem liberal Hinterkopf in seinem Schlafzimmer hinge- menschenrechtlichen Denkansatz, nämlich richtet, während seine Ehefrau, gefesselt der moralisch-ethischen Frage, »wie kann auf einem Stuhl, in der Diele gelassen wur- man Politik auf Mord stützen« zusammen- GH XQG QLFKWV ZHLWHU WXQ NRQQWH DOV KLOÀRV IJHQ GRFK KDQGHOW HV VLFK QDFK $XႇDV- zuzuhören.212 sung Prof. Dr. Martin Sabrows, dem Direk- ,P-XQLGHVVHOEHQ-DKUHVEHU¿HOHQ0LW- tor des Zentrums für zeithistorische glieder der RAF einen Geldboten, verletz- Forschung in Potsdam, bei beiden Organi- ten ihn dabei schwer und raubten einen sationen um Phänomene, die sehr für sich *HOGNRႇHU PLW HLQHP ,QKDOW YRQ  stehen und sich aus sehr unterschiedlichen DM.213 Ebenfalls 1985 wurde der US-Soldat Kontexten erklären lassen.221 Edward Pimental ermordet. Dass jener nur Demnach geschah die Radikalisierung GHVKDOEJHW|WHWZXUGHXPDQVHLQH,GHQWL¿- der Linken, aus welcher schließlich die RAF kationskarte zu kommen, löste sogar bei erwuchs, in einer Zeit, in der die Bundesre- dem linksextremen Umfeld erheblichen Wi- publik von der »Fundamentalliberalisie- derstand aus.2140LWGHUª2ႇHQVLYH©HU- rung« geradezu »durchschüttelt«222 wurde reichten die Aktionen der RAF einen neuen und ein Generationswechsel eintrat. Kont- Höhepunkt. In diesem Jahr tötete sie Karl- rär dazu sei das Phänomen des wütenden Heinz Beckurts (Vorstandsmitglied bei Sie- Aufbegehrens einer Gruppe rechtsgesinn- mens) und seinen Fahrer Eckhard Groppler WHU2ႈ]LHUH]XEHWUDFKWHQGLHªQLFKWVZHQL- GXUFK HLQHQ 6SUHQJVWRႇDQVFKODJ  VRZLH ger im Blick hatte als eine Volksbewe- den Ministerialdirektor des Auswärtigen gung.«223 Eine Volksbewegung wollte die Amtes Gerold von Braunmühl.216 RAF zwar auch, doch der maßgebliche Un-

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terschied ist der, dass die O.C. aus elitären Süd«. Diese Formation hatte bereits eine Figuren bestand, die zu einem Ständestaat Stärke von 2000 Mann.228 Bereits im Sep- zurück und eine Situation wiederherstellen tember lag die Zahl der eigenen Mann- wollten, in der eine Wehr- und Lehrelite für schaften, also ohne Hinzuziehung der ih- die Massen handelte.224 Im Gegensatz zu nen unterstellten Freikorps, bei mindestens diesem Elitegedanken versteht sich die 5000 Mann. Sabrow geht jedoch davon Avantgarde, zu welcher sich die RAF ja aus, dass diese möglicherweise auch um auch zählte225, als eine Bewegung, die sich HLQ9LHURGHU)QႇDFKHVK|KHUJHZHVHQ an eine Spitze setzt, die sie gar nicht halten sein könnte.229 möchte und von der Austauschbarkeit lebt. Dagegen steht die RAF, welche in 28 Der Avantgardegedanken beruht zum ei- Jahren und über drei Generationen nur nen auf dem Mandat der Ahnungslosen rund 60 bis 80 Mitglieder umfasste.230 Geht (nämlich den Massen, die zur Ahnung ge- man also auch nur von der Mindestgröße führt werden müssen), zum anderen auf der O.C. und der maximalen Anzahl der dem Wissen der Wahrheit. Sabrow be- RAF aus, dann wird klar, dass bei einem schreibt die Avantgarde als eine »Welle, die Vergleich in der Größe eine erhebliche Dis- sich darin bricht, wenn die Massen zur Be- krepanz besteht. wusstwerdung gekommen sind.«226 Der Eli- tegedanken dagegen lebt von der statuari- 4.3 Die Attentate schen Dauerhaftigkeit, er will dauerhaft eine Schicht der Auserwählten bilden. Trotz die- Trotz dieser bis jetzt überwiegenden Unter- VHURႇHQVLFKWOLFKHQ8QWHUVFKLHGOLFKNHLWEHL- schiedlichkeiten beider Gruppierungen exis- der Ideen lassen sich dennoch Gemein- tieren doch erhebliche Überschneidungen VDPNHLWHQ¿QGHQ6RLVW]%GHU)KUHUNXOW in den Vorgehensweisen der beiden Terror- wie er einerseits im Nationalsozialismus organisationen bei ihren Attentaten. Ver- unter Hitler stattfand, auch in der Sowjetuni- gleicht man beispielsweise die Personen RQXQWHU/HQLQRGHU6WDOLQZLHGHU]X¿QGHQ Rathenau und Schleyer, kann man feststel- len, dass es im Vorfeld beider Anschläge 4.2 Die Größe beider Organisationen Warnungen, auch seitens der Polizei, gege- ben hatte. So war Rathenau nicht nur von Ein weiterer großer Unterschied zwischen dem ehemaligen Reichskanzler Wirth und beiden Organisationen liegt in der Größe von seinem damaligen Freund von Gerlach ihrer Mitgliederzahl. So kann die endgültige direkt über einen bevorstehenden Anschlag Stärke der O.C. zwar nicht endgültig festge- gewarnt worden, sondern auch schon im stellt werden, was zum Teil an den eigenen Herbst 1921, nach dem Antritt seines ersten ausschweifenden Angaben der O.C. liegt. Ministerialamtes, dazu bewogen worden, Jedoch hatte bereits die Niederschlagung »ständig eine kleine automatische Pistole des Polenaufstandes vom Mai 1921 zu ei- mit sich zu führen«231. ner erheblichen Vergrößerung der O.C. ge- Im Fall Schleyer war es ähnlich. Nach führt. Die Organisation, welche sich erst seit der Ermordung von Jürgen Ponto fanden diesem Mai nach dem Decknamen ihres Ermittler heraus, dass drei Wochen vor Führers Ehrhardt »Consul« nannte, war un- dem Mordanschlag ein junger Mann be- ter der militärischen Leitung Killingers mit hauptet hatte, er schreibe eine Doktorar- einer etwa 200 Mann starken Sturmkompa- beit über führende Personen der Wirtschaft nie227 nach Oberschlesien gezogen. Die und wolle dafür Einsicht in die Unterlagen Niederschlagung des Aufstandes hatte die von Schleyer und Ponto haben. Bei dem Organisation in den folgenden Wochen er- jungen Mann handelte es sich um Willy Pe- heblich gestärkt, da sie laufend neue Mit- ter Stoll, einen der späteren Entführer glieder bekam. Bevor Killinger im Juli nach Schleyers. Schleyer bekam daraufhin die München zurückgekehrte, vereinbarte er »Sicherheitsstufe 1« und wurde fortan von mit der Leitung des Oberschlesischen Beamten begleitet. Ein Kriminalbeamter Selbstschutzes die Aufstellung einer eige- riet ihm zudem, die Balkontür zu schließen, nen Formation mit dem Namen »Regiment wenn er ins Bett geht.232

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Auch die Tatmittel sind beiden Organisati- det sich der »Avantgarde«- bzw. »Elitege- onen zum Teil gleich. So begehen beide ih- danken« wieder. Die RAF wollte durch ihre UH 0RUGDQVFKOlJH RIW PLW 6FKXVVZDႇHQ Erklärungen nicht nur ihre Taten rechtferti- Und auch wenn Bombenanschläge bei der gen, sondern ein Bewusstsein bei den Men- O.C. nicht die gleiche Bedeutung aufweisen schen erreichen, was diese bisher noch ZLHEHLGHU5$)VR¿QGHWGRFKHLQHU]% nicht erlangt haben. Die O.C. im Gegensatz bei dem Rathenau-Anschlag Anwendung, dazu wollte zurück zu dem Zustand vor der nämlich, als einer der Attentäter eine Eier- Republik und sah es deshalb als Notwen- handgranate in den Wagen Rathenaus digkeit, die dafür im Wege stehenden Per- wirft.233 sonen zu beseitigen. Trotz dieser Ähnlichkeiten bei den Tatmit- teln muss jedoch maßgeblich bei den Tat- 4.4 Die Polizei, Spitzel und Unterstützer motiven unterschieden werden: Den Mor- den auf Seiten der RAF ging wie bei den Ein weiterer maßgeblicher Unterschei- Fällen Ponto und Schleyer eine missglückte dungspunkt der O.C. und der RAF ist das Geiselnahme (Ponto) bzw. eine missglückte Verhältnis zur Polizei. Die O.C. hatte, wie ja Gefangenenfreipressung (Schleyer) vor- bereits angedeutet, sehr wohl Unterstützer aus. Es ging also auf Seiten der RAF oft in den Kreisen der Polizeibeamten. Dies ist nicht (zumindest nicht von Anfang an) um nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, die Ermordung der jeweiligen Person, wäh- dass viele Polizeiführer noch aus eben je- rend die O.C. gezielt versuchte, durch die nen Eliten der Kaiserzeit stammten, welche Beseitigung der mit der verhassten Weima- sich die O.C. zurückersehnte. Bestes Bei- rer Republik verbundenen Persönlichkei- spiel ist dafür der bereits angesprochene ten, diese zu stürzen und die alte Ordnung und von Waite als »Schirmherr der Organi- wieder herzustellen. sation« bezeichnete damalige Leiter des Eine andere Parallele besteht in der Ge- Polizeipräsidiums in München Ernst Pöh- fangenenbefreiung. Auch wenn die RAF ner, welcher nicht nur die O.C. mit falschen versuchte, ihre Gefangenen mit der Hilfe Pässen versorgte, sondern auch gezielt vor von Geiseln freizupressen, so war es auch Strafverfolgungen warnte. der O.C. ein Anliegen, ihre Inhaftierten Im Gegensatz dazu gab es seitens der »rauszuholen«. Am 10. August versuchten RAF keinerlei Zusammenarbeit mit der Poli- O.C.-Angehörige, unter ihnen Tillessen und zei, im Gegenteil: Aussagen wie jene von .HUQ GLH EHLGHQ 6HHRႈ]LHUH %ROGW XQG Meinhof und nicht zuletzt die zahlreichen Dithmar aus dem Gefängnis in Leipzig zu Toten auf Seiten der Polizeibeamten zeigen befreien. Dafür gaben sie vor, Sipo-Beamte die tiefe Abneigung gegenüber der Exekuti- zu sein und eine Verlegung der beiden Ge- ve des Staates. fangenen nach Berlin vorzunehmen. Im Gemeinsamkeiten bestehen demgegen- Jahre 1922 gelang schließlich die Befreiung über in dem Verhältnis der Gruppierungen Boldt und Dithmars aus der Strafanstalt zur Judikative. Sowohl die O.C. als auch die Naumburg/Saale.234 5$) HUKLHOWHQ RႇHQH 6\PSDWKLHQ YRQ$Q- Ein wesentlicher Unterschied besteht je- wälten. So bekundete die Reichsanwalt- doch wiederum in dem Verhalten nach der VFKDIW EHL GHP 5DWKHQDX3UR]HVV RႇHQ Tat. So war es Usus, dass die RAF nach Sympathien für die O.C., sodass die »Vos- deren Anschlägen und Attentaten eine Er- sische Zeitung« feststellte, dass es sich NOlUXQJGDIUYHU|ႇHQWOLFKWH'LH2&ZLH- mehr um einen Prozess für als gegen die derum legte alles daran, möglichst nicht mit O.C. gehandelt hatte.235 Auf Seiten der RAF den Anschlägen in Verbindung gebracht zu gab es ebenfalls Unterstützung von Seiten werden. Beide Organisationen sahen zwar der Rechtsanwälte Schily, Ströbele und ihre Anschläge als notwendig zur Errei- Mahler. Schließlich ist es auch Mahler, der chung des jeweiligen Ziels ganz in dem Sin- seit Beginn an Teil der RAF wird. ne an: »Der Zweck heiligt die Mittel«. Doch Gemeinsam ist beiden Organisationen gerade in diesem unterschiedlichen Verhal- auch, dass sie einen Spitzel bzw. V-Mann in WHQGHU2UJDQLVDWLRQHQQDFKGHQ7DWHQ¿Q- ihren Reihen hatten. So war es Peter Ur-

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bach alias »S-Bahn-Peter«, der auf Seiten schenleben. Ob die Mordanschläge der der RAF für Baaders erste Inhaftierung ge- O.C. auf verhasste »Erfüllungspolitiker« sorgt hatte, und Theodor Brüdigam auf Sei- oder die Hinrichtungen verschiedener Ver- ten der O.C., welcher sich als Spitzel in die treter des verhassten kapitalistischen Sys- Frankfurter O.C.-Gruppe um Tillessen ein- tems, Polizisten, welche zur falschen Zeit geschlichen hatte und Hauptbelastungs- am falschen Ort waren, und Soldaten, wel- zeuge im Scheidemann-Prozess war. che als Vertreter des amerikanischen Im- Was die beiden Gruppierungen jedoch perialismus Todfeinde darstellten: Sie alle unterscheidet, ist die Art ihrer Geldbeschaf- ¿HOHQGHP7HUURU]XP2SIHU8QGGHQ$Q- fung. Während die RAF ihre Aktionen aus- gehörigen all dieser Opfer des Terrorismus VFKOLH‰OLFKGXUFK%DQNEHUIlOOH¿QDQ]LHUWH ist egal, ob dieser von links oder rechts gingen die O.C.-Funktionäre direkt Industri- oder sonst woher kam, ihnen wurde ein Teil elle aus Nord- und Süddeutschland um genommen, den sie nicht wieder bekom- Geld für ihre Bewegung an, und so bekann- men werden. WH (KUKDUGW VHOEVW EULHÀLFK ªGLH )LQDQ]LH- Trotz also der auf den ersten Blick so rung meiner Organisation durch die pfälzi- großen Unterschiedlichkeit zwischen O.C. sche Industrie«236. und RAF besteht in einem eine große Ge- meinsamkeit: Man wollte den demokrati- 5. Fazit schen Staat stürzen und nahm dafür Men- schenleben in Kauf. Dieser Punkt verbindet Abschließend kann festgehalten werden, sowohl die Polizei als auch die gesamte dass sich beide Terrororganisationen in den Gesellschaft in dem Punkt, als dass er die meisten Punkten doch sehr unterscheiden. jeweils aktuelle Gesellschaft spalten und Maßgeblich ist dafür der von Grund auf dis- zerstören will. parate Denkansatz zwischen »Elite« und Es galt also in der Vergangenheit genau- »Avantgarde«, welcher aufzeigt, dass die so wie es jetzt und in der Zukunft gilt: Der jeweiligen Terrorakte aus ganz und gar un- Terror, egal aus welchen Motiven er er- terschiedlichen philosophischen sowie poli- wächst, muss ernst genommen und ge- tischen Kontexten begangen wurden. Auch schlossen bekämpft werden. Und »ge- die Organisationen in sich unterscheiden schlossen« sage ich nicht ohne Grund. So- sich hinsichtlich der Größe und dem Ver- wohl bei der Bekämpfung des Terrors der hältnis zur Polizei deutlich. O.C. sowie der RAF wird deutlich, dass die Doch trotz des einleitend erwähnten Er- meisten Erfolge dann gezeitigt werden, wachsens beider Gruppierungen in politisch wenn Bevölkerung und Polizei zusammen- sowie gesellschaftlich unterschiedlichen arbeiten. Auf der anderen Seite die Erfolge historischen Epochen und der Tatsache, aber ausbleiben, wenn die Unterstützung dass sie sich aus völlig unterschiedlichen der Bevölkerung nicht existiert oder Teile Kontexten erklären lassen, wird doch recht derer sogar gegen die Polizei arbeiten, wie deutlich, dass die Polizei vor ein und dem- geschehen bei der Suche nach den Ra- selben Problem steht: Es geht um Men- thenaumördern.

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Anmerkungen

1 In: Der Spiegel Nr. 25 vom 15. Juni 1970; S. 74 f. 34 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 29. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44931157. 35 Politisches Konzept mit antisozialistischer, html antisemitischer, national-konservativer, 2 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 196. teilweise auch monarchistischer Komponente 3 Ebenda, S. 197. und Sammelbecken nationaler und völkischer 4 Ebenda. Extremisten. Diese sollte, nach den Erschütte- 5 Goetz, Fuchs, Die Zelle, S. 19. rungen von Revolution und Räterepublik wieder 6 Caspari, Tröger, Sundermann, 2018, https://www. »Ruhe und Ordnung« in Bayern herstellen, um zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-07/ sodann »gesundend« auf das gesamte QVXPRUGHRSIHUSUR]HVV=XJULႇ Deutsche Reich zu wirken und den nationalen 14:11 Uhr. Wiederaufbau einzuleiten. Siehe: https://www. 7 Jansen, 2018, https://www.tagesspiegel.de/ historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/ politik/raf-nsu-islamistische-terroristen-wie-sich- 2UGQXQJV]HOOHB%D\HUQ=XJULႇ der-terrorismus-in-deutschland-gewandelt- 15:37. KDWKWPO=XJULႇ 36 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 29. 8 Gruner, Ein Schicksal, das ich mit sehr vielen 37 Ebenda, S. 30. anderen geteilt habe, S. 78. 38 Ebenda. 9 Sabrow, 2010, https://www.historisches-lexikon- 39 Ebenda, S. 31. bayerns.de/Lexikon/Organisation_Consul_ 40 Ebenda, S. 32. 2& B=XJULႇ 41 Ebenda, S. 33. 10 Langhans, 2018, https://weimar.bundesarchiv. 42 Ebenda, S. 36. de/WEIMAR/DE/Content/Virtuelle-Ausstellun- 43 Ebenda, S. 34. JHQMDQXDUDXIVWDQGKWPO=XJULႇ 44 Ebenda. 14:15. 45 Ebenda, S. 37. 11 Sturm, 2011, https://www.bpb.de/izpb/55949/ 46 Hofmann, 2006, https://www.historisches-lexi- vom-kaiserreich-zur-republik-1918-19?p=3, NRQED\HUQVGH/H[LNRQ)HPHPRUGH=XJULႇ =XJULႇ 30.10.2018, 11:30. 12 Ebenda. 47 Ebenda. 13 Ebenda, S. 12. 48 Arendt, Elemente und Ursprünge totaler 14 Reichskanzler Philipp Scheidemann vor der Herrschaft, S. 735. Nationalversammlung am 12. Mai 1919. 49 Ebenda, S. 736. 15 Henßler, 2007, https://www.historisches-lexikon- 50 Aus den Akten der Prozesse gegen die bayerns.de/Lexikon/Versailler_Ver- Erzberger-Mörder. In: Vierteljahrshefte für WUDJB=XJULႇ Zeitgeschichte, 10. Jg. 1962, Heft 4, S. 434. 16 Ebenda. 51 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 40. 17 Lüdtke, Hans Delbrück und Weimar, S. 310. 52 Ebenda, S. 50. 18 Ebenda. 53 Waite, Vanguard of Nazism, S. 213. 19 Als der britische General davon erfuhr, 54 Aus den Akten der Prozesse gegen die dementierte er, Urheber des Wortes »Dolch- Erzberger-Mörder. In: Vierteljahrshefte für VWR‰©]XVHLQYJO.HLO.HOOHUKRႇ'HXWVFKH Zeitgeschichte, 10. Jg. 1962, Heft 4, S. 451. Legenden: Vom »Dolchstoß« und anderen 55 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 56. Mythen der Geschichte, S. 36. 56 Ebenda. 20 Sturm, 2011, https://www.bpb.de/izpb/55958/ 57 Ebenda. NDPSIXPGLHUHSXEOLN"S =XJULႇ 58 Hoegner, Verratene Republik, S. 102; zitiert 17.10.2018, 20:30. nach Sabrow, Der Rathenaumord, S. 56. 21 Waite, Vanguard of Nazism, S. 30. 59 Stadtsarchiv Solingen, 2018, https://archivewk1. 22 Schauwecker, Im Todesrachen, S. 116. K\SRWKHVHVRUJ=XJULႇ 23 Niess, Die Revolution von 1918/19 in der 12:00. deutschen Geschichtsschreibung, S. 45. 60 Gellinek, Philipp Scheidemann, S. 48. 24 Sturm, 2011, https://www.bpb.de/izpb/55958/ 61 Scheidemann, Memoiren eines Sozialdemokra- NDPSIXPGLHUHSXEOLN"S =XJULႇ ten, Zweiter Band, S. 329. 20.10.2018, 12:00. 62 Ebenda. 25 Hübinger, Spectator – Briefe und Berliner Briefe 63 Ebenda. (1919-1922), S. 224-225. 64 BA/P, 15.07-340, Aussage Hänel, 07.11.1922; 26 Wilhelm II., Ereignisse und Gestalten aus den zitiert nach Sabrow, Der Rathenaumord, S. 58. Jahren 1878-1918, S. 245. 65 Scheidemann, Memoiren eines Sozialdemokra- 27 Rosenthal, »Die Ehre des jüdischen Soldaten«, ten, Zweiter Band, S. 329. S. 135. 66 Gellinek, Philipp Scheidemann, S. 48. 28 Thoß, 2012, https://www.historisches-lexikon- 67 BA/P, 30.01-5055, Urteil gegen Hustert und bayerns.de/Lexikon/Kapp-L%C3%BCttwitz- Oehlschläger, S. 3; zitiert nach Sabrow, Der 3XWVFKB=XJULႇ Rathenaumord, S. 58. 29 Ebenda. :HLWHUH,QGL]LHQ]X¿QGHQEHL6DEURZ'HU 30 Ebenda. 5DWKHQDXPRUG6ႇ 31 Ebenda. 69 Ebenda, S. 63. 32 Ebenda. 70 Ebenda, S. 68. 33 Ebenda. 71 Berglar, Walther Rathenau, S. 18.

Oranienburger Schriften 1 / 2019 135 Marvin Matiske

72 François, Schulze, Deutsche Erinnerungsorte, 107 Ebenda, S. 100. Band 2, S. 606. 108 Ebenda, S. 101. 73 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 70. 109 Ebenda, S. 102. 74 Vossische Zeitung (VZ) Nr. 512, 7.10.1918: W. 110 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terrorismus- Rathenau, Ein dunkler Tag; zitiert nach Lexikon, S. 70. Megerle, Politische Teilkulturen zwischen 111 Ebenda, S. 71. Integration und Polarisierung, S. 67. 112 Ebenda. 75 Vossische Zeitung (VZ) Nr. 512, 7.10.1918: W. 113 Greiner, 2007, https://www.zeit.de/2007/13/ Rathenau, Ein dunkler Tag; zitiert nach von 5$)7HUURUVHLWH=XJULႇ Baden, Erinnerungen und Dokumente, S. 65. 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 76 Scheidemann, Der Zusammenbruch, S. 187. 115 Am 22. März 1968 besuchten Andreas Baader 77 Von Baden, Erinnerungen und Dokumente, S. und Gudrun Ensslin die Kommune I und 65. fragten, ob jemand beim »Zündeln« in 78 Heid, 2017, http://juedischerundschau.de/ westdeutschen Kaufhäusern mitmachen wolle; preusse-jude-aussenminister-135911126/, vgl. Jäger, 2017, https://www.freitag.de/ =XJULႇ DXWRUHQPLFKDHOMDHJHUYRPÀXJEODWW 79 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 70. ]XUUDI=XJULႇ 80 Heid, 2017 http://juedischerundschau.de/ 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6I preusse-jude-aussenminister-135911126/, 117 Henschen, Die RAF-Erzählung: Eine mediale =XJULႇ Historiographie des Terrorismus, S. 98. 81 Sabrow, der Rathenaumord, S. 70. 118 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 106. 82 Rathenau, Zur Kritik der Zeit, S. 220 f.; zitiert 119 T. Proll, D. Dubbe, Wir kamen, S. 33; In: nach Berglar, Walther Rathenau, S. 251. Henschen, Die RAF-Erzählung: Eine mediale 83 Berglar, Walther Rathenau, S. 255. Historiographie des Terrorismus, S. 99. 84 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 77. 120 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 109. 85 Der Tag vom 30.12.1921; zitiert nach Sabrow, 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 Der Rathenaumord, S. 77. 122 Ebenda, S. 20. 86 Schölzel, 2011, https://www.1000dokumente.de/ 3HWHUV7|GOLFKHU,UUWXP6ႇ SGIGRNBBZLWBGHSGI=XJULႇ 124 Lohr, 2018, https://www.hna.de/kassel/50- 11:30 jahre-1968-brandstifter-thorwald-proll-ueber- 87 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 78. EDDGHUXQGUDIRQOKWPO=XJULႇ 88 Völkischer Beobachter vom 22. 4. und 20. 5. 18.11.2018, 17:40 1922; zitiert nach Sabrow, Der Rathenaumord, 125 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 134. S. 79. 126 Ebenda, S. 135 f. 89 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 81. 127 Ebenda, S. 138. 90 Beier/Dudde/Fethke, Die Chronik der Deut- 128 Ebenda, S. 139. schen, S. 318. 129 Meinhof ist fasziniert von der Entschlossenheit 91 Kessler, Walther Rathenau:Biographie, S. 355. Ensslins, welche ihr selber fehlt und von der 92 Gerlach, Von rechts nach links, S. 259. »ungestümen Aggressivität« Baaders. Aber 93 Berglar, Walther Rathenau, S. 18. auch Ensslin und Baader sind beeindruckt von 94 Gerlach, Von rechts nach links, S. 260. der gesellschaftlichen Anerkennung und 95 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 85. Prominenz Meinhofs; vgl. Ebenda, S. 167. 96 Krämer, 2012, https://www.bundestag.de/ 130 Ebenda. blob/491294/a54759aef17182af0c- 131 Winkler, 2012, https://www.sueddeutsche.de/ d256e9c2f70620/vor-90-jahren--der-mord-an- politik/v-mann-peter-urbach-soll-tot-sein- ZDOWKHUUDWKHQDXGDWDSGI=XJULႇ genau-das-stueckchen-arbeiterklas- 11:50. VH=XJULႇ 97 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 87. 132 Winkler, 1997, http://www.glasnost.de/hist/ 98 Ebenda, S. 88. DSRPDKOHUKWPO=XJULႇ 99 Ebenda, S. 87. 133 Sontheimer, Wensierski, Berlin – Stadt der 100 Sabrow, Die verdrängte Verschwörung, S. 84. Revolte, S. 152. 101 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 88. 134 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 174 f. 102 Obwohl die Polizei bereits einen Hinweis durch 135 Schreiben, das bei der Deutschen Presse- die Studentenverbindung »Teutonia« auf Ernst agentur in Berlin einging; vgl. Olles, 1998, Werner Techow als möglichen Mittäter erhalten https://jungefreiheit.de/service/ hatte, gingen sie den Aussagen eines DUFKLY"DUWLNHO DUFKLYDDKWP=XJULႇ angeblichen Oberförsters nach, welcher sich 19.11.2018, 17:15. jedoch als Schwindler entpuppte und die 136 Ebenda, S. 176. Polizei gerade dort behinderte, wo sie erste 137 Ebenda, S. 177. Erfolge aufzuweisen meinte; vgl. Sabrow, der 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 Rathenaumord, S. 91. 139 Ebenda, S. 21. 103 Sabrow, der Rathenaumord, S. 93. 140 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 144. 104 Ebenda, S. 91. 141 Rote Armee Fraktion, Texte und Materialien 105 Ein Vetter Kerns hatte am 5. Juli angezeigt, zur Geschichte der RAF, S. 25. dass sich die Gesuchten zeitweilig bei 142 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 266. Verwandten in Berlin-Steglitz aufgehalten 143 Weissermel, Terrorismus als Kommunikations- hätten. Der Vorgang blieb jedoch fast zwei strategie, S. 67. Wochen unbearbeitet liegen; vgl. Sabrow, Der 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6I Rathenaumord, S. 96 f. 145 Weissermel, Terrorismus als Kommunikations- 106 Ebenda, S. 99 f. strategie, S. 67.

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146 Rote Armee Fraktion, Texte und Materialien 176 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- zur Geschichte der RAF, S. 31. mus-Lexikon, S. 74. 147 Ebenda, S. 37. 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 148 Ebenda, S. 77. 178 Ebenda, S. 46. 149 Ebenda, S. 141. 179 Ebenda. S. 47. 150 Ebenda, S. 143. 180 Ebenda, S. 48. 3ÀLHJHU5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 181 Abgedruckt in: Blues, S. 196-198; In: 152 Marighella, C., Mini-Handbuch der Stadtgueril- Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa, S. la, S. 48 – 49; In: Stahel, Widerstand Der 266. Besiegten, S. 167. 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 153 Marighella, C., Mini-Handbuch der Stadtgueril- 183 Ebenda, S. 51. la, S. 48 – 49; In: Stahel, Widerstand Der 184 Ebenda, S. 54. Besiegten, S. 176. 185 Bei dem Überfall auf die Botschaft in 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 Stockholm treiben die Eindringlinge die 155 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 198 f. Botschaftsmitarbeiter mit diesen Worten 156 Ebenda, S. 215. umher; vgl. Peters, 2005, https://www.welt.de/ 'LHWULFK$QJULႇHDXIGHQ5HFKWVVWDDW6 print-welt/article667026/Der-Terror-von-Stock- 158 Die RAF erklärt in ihrer Kampfschrift »Konzept KROPKWPO=XJULႇ Stadtguerilla« Mahler sei nicht durch 186 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- »Schlamperei«, sondern durch »Verrat« mus-Lexikon, S. 75. hochgegangen; vgl. Rote Armee Fraktion, 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 188 Ebenda, S. 59. S. 29 189 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 369. 159 Rote Armee Fraktion, Texte und Materialien 3ÀLHJHU5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 zur Geschichte der RAF, S. 30. 191 Mit »margarine« war der Mordanschlag auf 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 Generalbundesanwalt Siegfried Buback 161 Aust, Der Baader Meinhof Komplex, S. 199. gemeint (seine Initialien »SB« sind identisch 162 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 257. mit einer allseits bekannten Margarine-Marke), 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 »big money« steht für eine große Geldbe- 164 Kraushaar, 2007, http://www.bpb.de/ VFKDႇXQJVDNWLRQªUDFKH©GUHKWVLFKXPGLH geschichte/deutsche-geschichte/geschichte- Bestrafungsaktionen gegen die Strafverfol- GHUUDIUDIXQGLKUHRSIHU=XJULႇ gungsbehörden und bei der »big raushole« 21.11.2018, 14:00 handelte es sich um die seit längerem 165 Aust, Der Baader Meinhof Komplex, S. 244 f. geplante große Gefangenenbefreiung; vgl. 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6I Ebenda, S. 61. 167 Weißbecker wurde am 2. März 1972 bei einem 192 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 345. Festnahmeversuch von einem Beamten der 193 Verlesene Erklärung zur Ermordung Schleyers Kriminalpolizei in Augsburg erschossen; vgl. YRP2NWREHUYJO3ÀLHJHU'LH5RWH Peters, Tödlicher Irrtum, S. 258. Armee Fraktion, S. 106. 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 194 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- 169 Laut Erklärung der RAF war Buddenberg dafür mus-Lexikon, S. 76. verantwortlich gewesen, dass Grashof trotz 195 Briscoe, Die RAF-Nahost-Connection, S. 17. seines gesundheitlichen Zustandes vom 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 Krankenhaus in die Zelle verlegt worden sei; 197 Ebenda, S. 80. vgl. Ebenda, S. 32 f. 198 Albrecht nutzt ihre Bekanntschaft mit Ponto, (EHQGD6ႇ um zusammen mit Mohnhaupt und Klar in das 171 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- Haus Pontos zu gelangen. Der Hausverwalter mus-Lexikon, S. 73. |ႇQHWQLFKWVDKQHQGGLH7UYJO(EHQGD6 172 Um die versteckten »Fische zum Schwimmen« 82. zu bringen ordnete PR DR. Herold für den 31. 199 Ebenda. Mai 1972 diese Akion an. Zusätzlich zu dem 200 Peters, Tödlicher Irrtum, S. 404. Einsatz an der hohen Anzahl an Polizeibeam- 201 Der enorme Fahndungsdruck der Polizei ten teilte das BKA das in den letzten Monaten zwingt die Entführer dazu zweimal ihr Versteck gesammelte Wissen über Mitglieder der zu wechseln, vgl. Peters, Tödlicher Irrtum, Baader-Meinhof-Bande, Art der Unterkünfte 6ႇ und Fahrzeuge mit, um die Bevölkerung für 202 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- Hinweise zu gewinnen und die Bandenmitglie- mus-Lexikon, S. 76 f. der zu verunsichern; vgl. Bundeskriminalamt, 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 Rede Günther Schleichers zum Thema: »60 204 Winkhaus, 2017, https://rsw.beck.de/aktuell/ Jahre Staatsschutz im Spannungsfeld meldung/raf-terror-im-herbst-1977-schleyer- zwischen Freiheit und Sicherheit«, S. 7, ermordung-jaehrt-sich-zum-vierzigsten-mal- https://www.bka.de/DE/DasBKA/Historie/ IUDJHQEOHLEHQXQJHNODHUW=XJULႇ 679HUDQVWDOWXQJVW9HUDQVWDOWXQJKWPO=XJULႇ 26.11.2018, 13:45. 24.11.2018, 10:00. 205 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- 173 Gerhard Müller in einem heimlichen Schreiben mus-Lexikon, S. 77. vom 5. März 1973 an Horst Mahler; vgl. $XVGHP$XÀ|VXQJVVFKUHLEHQYRP$SULO Peters, Tödlicher Irrtum, S. 315. YJ3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 174 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- 179. mus-Lexikon, S. 74. 207 Nachdem darüber gesprochen wurde einen 175 Ebenda. DPHULNDQLVFKHQ2ႈ]LHULQVHLQHP+DXV]X

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überfallen und dabei »alles umlegen« wollte 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 was einem in den Weg kommt äußerte 220 Ebenda, S. 179. Maier-Witt: »Das ist ja ein Blutbad!«; vgl. 221 Aus dem Gespräch mit Prof. Dr. Sabrow und Peters, Tödlicher Irrtum, S. 478. Dr. Niekisch vom 22.11.2018. 208 Debus kam 5 Monate zuvor bei einem 222 Zitat Sabrow aus Ebenda. RAF-Hungerstreik ums Leben; vgl. Ebenda, S. 223 Zitat Sabrow aus Ebenda. 522. 224 Ebenda. 209 Dietl, Hirschmann, Tophoven, S. 77 f. 225 Rote Armee Fraktion, Texte und Materialien 210 Fütterer, Straßner, 2015, https://www. zur Geschichte der RAF, S. 9. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/ 226 Zitat Sabrow aus dem Gespräch mit Prof. Dr. 5RWHB$UPHHB)UDNWLRQB 5$) =XJULႇ Sabrow und Dr. Niekisch vom 22.11.2018. 27.11.2018, 14:25. 227 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 31. 211 Patrick O’Hara war Mitglied der »Irish National 228 Ebenda, S. 32. Liberations Army« und kam bei einem 229 Ebenda, S. 39. Hungerstreik im Maze-Gefängnis in Belfast 230 Die Welt, 2018, https://www.welt.de/politik/ ums Leben; vgl. Peters, Tödlicher Irrtum, S. deutschland/gallery726024/Wer-waren-die- 606. 0LWJOLHGHUGHU5$)KWPO=XJULႇ 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 13:25. 213 Ebenda, S. 146. 231 Sabrow, Die verdrängte Verschwörung, S. 28. 214 Fütterer, Straßner, 2015, https://www. 232 Aust, Der Baader Meinhof Komplex, S. 483. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/ 233 Sabrow, Die verdrängte Verschwörung, S. 82. 5RWHB$UPHHB)UDNWLRQB 5$) =XJULႇ 234 Sabrow, Der Rathenaumord, S. 129. 27.11.2018, 15:30. 235 Vossische Zeitung vom 26.10.1924; In: 215 Ebenda S. 150 f. Sabrow, Der Rathenaumord, S. 211. 216 Dietl, Hirschmann, Tophoven, Das Terroris- 236 BA/P, 30.03. 12 J 190/22, Bd. 9, Ehrhardt an mus-Lexikon, S. 78. den Regierungspräsidenten von Regensburg, 3ÀLHJHU'LH5RWH$UPHH)UDNWLRQ6 26.11.1921; In: Sabrow, Der Rathenaumord, S. 218 Lucchesi, RAF und Rote Brigaden – Deutsch- 35. land und Italien von 1970 bis 1985, S. 293.

Quellenverzeichnis

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Oranienburger Schriften 1 / 2019 141 Impressum

Herausgeber: Rainer Grieger, Präsident der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg

Beirat: Dr. Jochen Christe-Zeyse (Vorsitzender), KDin Cerstin Petersen-Schäfer, Prof. Dr. Ingo Wirth, Prof. Dr. Ralf Alleweldt

Redaktion: Sabine Zitzmann-Starz (Redaktion SZS), Dr. Wieland Niekisch

Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg, Bernauer Straße 146, 16515 Oranienburg Tel. 03301-850-2525 Fax 03301-850-2509 E-Mail [email protected]

ISSN 1865-1062

Druck: Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg

Redaktionsschluss: Juli 2019