Verlust + Rückgabe

Deutsch-Russischer Museumsdialog Verlust + Rückgabe Als 1,5 Millionen Kunstwerke heimkehrten

Hunderttausende von Besuchern bewundern jedes Jahr den Pergamonaltar in , Raffaels „Sixtinische Madonna“ oder das Grüne Gewölbe in Dresden. Es sind Höhepunkte der Weltkultur, aber auch feste Bestandteile der kulturellen Identität Deutschlands. Doch die wenigsten der faszinierten Betrachter wissen, dass diese berühmten Stücke eine der größten Kunstbewegungen mitmachten, die es jemals gab. Die Geschichte der erst verlorenen und dann wiedergewonnenen Kunstwerke begann im Zweiten Weltkrieg. Hitlers Armeen plünderten und zerstörten einen großen Teil des russischen Kulturerbes. Als Kompensation für diesen schlimmen Verlust forderte der Moskauer Kunsthistoriker Igor Grabar schon 1943 Kunstschätze aus deutschen Museen. In zweijähriger Arbeit erstellte ein Expertenbüro Ziellisten für das, was bei der Eroberung Deutschlands beschlagnahmt werden sollte. Nach dem Einmarsch der Roten Armee konfi szierten Trophäenbrigaden dann Hunderttausende von Kunstwerken und brachten sie in die UdSSR. Ein geplantes Trophäenmuseum war bald nicht mehr opportun, selbst eine Ausstellung der Kunstbeute in Moskau wurde 1946 kurz vor der Eröffnung abgesagt. Ein Mantel des Schweigens legte sich über die Sonderdepots mit den Kunstwerken aus Deutschland. Um so größer war die Sensation, als der Ministerrat der Sowjetunion am 31. März 1955 die Rückgabe der Dresdner Gemälde ankündigte. Noch im gleichen Jahr waren die Bilder ab 27. November in der Nationalgalerie in Ost-Berlin zu sehen, bevor sie nach Dresden heimkehrten. Es war nicht zuletzt ein Schauspiel des Kalten Krieges: Soeben hatte man in der Bundesrepublik beschlossen, die 1945 in den Westzonen gelandeten Museumsbestände aus Berlin endgültig in den Westteil der Stadt zurückzubringen. Zudem wurde im Mai 1955 der Warschauer Pakt unterzeichnet, die Restitution der Dresdner Galerie richtete sich daher auch als Freundschaftsgeste an den Militärpartner DDR. Am 21. Mai 1957 beschloss das Zentralkomitee der KPdSU, weitere Bestände zurückzugeben. Der erste Transport traf am 9. September 1958 in Ost-Berlin ein, insgesamt kamen bis Januar 1959 über 300 Eisenbahnwaggons aus Moskau und Leningrad. Darin befanden sich rund 1,5 Millionen Kunstwerke. Zeitzeugen erinnern sich an die Euphorie, die das Erleben der Originale auslöste. „Atemlose Erwartung! Die meisten jungen Mitarbeiter konnten sich nicht vorstellen, was alles in den Kisten verborgen war“, erinnert sich Joachim Menzhausen, der spätere Direktor des Grünen Gewölbes, an die Ankunft der Preziosen in Dresden. Ähnliche Szenen hatte es zuvor in Moskau, Leningrad und Kiew gegeben. Denn hier

2 wussten die wenigsten sowjetischen Kustoden, was sich in den Geheimdepots ihrer Häuser verbarg. Aus der DDR reisten von August bis Dezember 1958 Wissenschaftler und Restauratoren in die UdSSR, um mit den Kollegen dort die Kunstwerke reisefertig zu machen – in dieser kurzen Zeit eine gewaltige logistische Leistung. Nachdem seit dem 7. August 1958 ein staunendes Publikum in Moskau und Leningrad erstmals eine Auswahl der besten Werke zu sehen bekam, eröffnete schon am 2. November auf der Berliner Museumsinsel eine Ausstellung mit den Heimkehrern. Für das Kulturleben der DDR war die Rückgabeaktion ein bewegender Moment, der den Wiederaufbau der kriegszerstörten Museen befl ügelte. Anfang Oktober 1959 wurden das Pergamon- museum mit dem weltberühmten Altarfries sowie große Teile des Bode-Museums mit umfangreichen Präsentationen neu eingeweiht. Fast alle der Ost-Berliner Museen hatten damit wieder einen hochkarätigen Auftritt. Ähnlich war es in Dresden, wohin 600 000 Kunstwerke aus der UdSSR zurückkehrten, aber auch in Gotha, Dessau, Leipzig oder in den Potsdamer Schlössern gab es dank der restituierten Bestände großartige Wiedereröffnungen. Allerdings kehrte damals nicht alles zurück. Rund eine Million Kunstobjekte blieben vor allem in Moskau und Leningrad zurück, darunter der Schatz von Troja oder der Goldfund aus Eberswalde, Tausende von Gemälden aus den preußischen Schlössern oder fast der gesamte Vorkriegsbestand der Ostasiatischen Kunstsammlung in Berlin. Die deutsche Kulturlandschaft wäre, daran besteht kein Zweifel, ohne die sowjetischen Rückgaben von 1955 und 1958 um eine Fülle von herausragenden Meisterwerken und Kunstensembles ärmer. Das ist Anlass, 50 Jahre danach dankbar diese große kulturpolitische Tat zu würdigen. Deshalb beteiligen sich 28 deutsche Museen an diesem Jubiläum. Aber auch über das ungeklärte Problem der zurückgebliebenen Schätze soll nachgedacht werden. Mit der Erinnerung an die freudige Kunst-Heimkehr von 1958 verbindet sich heute ein freundschaftliches Verhältnis zwischen beiden Ländern. In diesem Sinne hat sich die Initiative Deutsch-Russischer Museumsdialog, an der sich fast 80 deutsche Museen beteiligen, die Intensivierung der fachlichen Kontakte und Kooperationen zur Aufgabe gemacht. Aus solcher Annäherung schöpft sich die Hoffnung, in absehbarer Zeit eine einvernehmliche Lösung dieser für beide Seiten gleichsam gewichtigen Fragen über die kriegsbedingt verlagerte Kunst zu fi nden.

3 Aachen Suermondt-Ludwig-Museum

Ambrosius Benson Ankunft der zurückgeführten (um 1495–1550), Aachener Kunstwerke in Meißen Thronende Madonna mit Kind

Aachen profi tierte indirekt von der Rückgabeaktion der Sowjet- union. Im September 1961 erhielt das damalige Suermondt-Museum 216 Skulpturen, 180 Gemälde und 47 kunstgewerbliche Objekte aus der DDR zurück – ein Stück Tauwetter mitten im Kalten Krieg. Während des Krieges hatte man das Gros der Bestände nach Sach- sen ausgelagert. Ein Teil überdauerte wohlbehalten in der Meißener Albrechtsburg und im dortigen Stadtmuseum, blieb dort aber nach 1945 unerreichbar. Manche der Aachener Kunstwerke wurden so- gar in Radebeul, Pillnitz und Meißen ausgestellt. Seit 1955 liefen die Verhandlungen zur Rückgabe, und es fügte sich, dass in Celle Werke gestrandet waren, die eigentlich nach Schwerin gehörten. Offenbar war man in Ost-Berlin durch die glückliche Rückkehr Tausender Kunstwerke aus Russland günstig gestimmt, einen „Ringtausch“ zwischen Celle, Schwerin, Meißen und Aachen zu arrangieren. So kehrten fast alle Skulpturen nach Aachen zurück, darunter spätgo- tische Glanzstücke wie Jörg Steins „Heilige Odilia“. Bei den Gemäl- den freute man sich über Riberas „Heilige Nacht“ oder ein exzen- trisches Vogelstillleben von Hondecoeter. Mindestens 200 Gemälde sind aber bis heute noch verschollen.

4 Berlin Akademie der Künste

Johann Gottfried Schadow, Nymphe mit tanzendem Satyr und Pan, um 1786/87

Bertolt Brecht persönlich überarbeitete im April 1955 eine Freund- schaftsadresse an den Ministerrat der Sowjetunion. Darin dankte die damals Deutsche Akademie der Künste dem Brudervolk für die Rückgabe der Dresdner Museumsschätze. Das geschah gewiss nicht ohne Hintersinn, denn die Trophäenbrigaden der Roten Armee hat- ten 1945 auch die Sammlung der ehemals Preußischen Akademie an ihren Auslagerungsorten konfi sziert und in die UdSSR geschickt. Im Dezember 1958 kehrten dann von dort tatsächlich acht Kisten aus Akademie-Besitz nach Ost-Berlin zurück. Darin fanden sich u.a. rund 2400 Zeichnungen und Radierungen Daniel Chodowieckis, 1200 Blätter Johann Gottfried Schadows, der bedeutende Bestand von Carl Blechen sowie zahlreiche grafi sche Arbeiten und 29 Ge- mälde anderer Künstler. Von Christian Bernhard Rode stammen die Entwürfe für den plastischen Schmuck des Französischen Doms am . Die Freude über den Rückgewinn ist bis heute groß, doch fehlt auch vieles noch. Der Verlustkatalog umfasst über 2000 Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und Medaillen, zudem Tausende druckgrafi scher Blätter. Insgesamt verlor die Akademie in den Kriegswirren rund drei Viertel ihres einstigen Kunstbesitzes.

5 Berlin Staatliche Museen Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Bildhauerwerkstatt des Thutmose, Mumienporträt der Aline, Kopf von einer Figur der Nofretete, aus Hawara, griechisch-römische Zeit, aus Tell el Amarna, Neues Reich, 24 n. Chr. 18. Dynastie, um 1350 v. Chr.

Besuch einer Regierungsdelegation der DDR in der Eremitage, wahrscheinlich 1958: DDR-Kulturminister Alexander Abusch bestaunt den Kopf der Nofretete

Es war die Wiederauferstehung einer ganzen Sammlung. Zwei de- korierte Opferkammern, etwa 615 Statuen und Reliefs, rund 600 Kleinkunstobjekte, der gesamte Goldschmuck, Skarabäen und Mumienporträts, die besten bemalten Holzsärge und sämtliche Steinsarkophage, dazu über 20 000 Papyri und beschriftete Ton- scherben – das Alte Ägypten traf von September bis Dezember 1958 in Ost-Berlin ein. Auch die bedeutenden Schaustücke wie die Pavianstatue von König Narmer, die Standfi gur Amenemhets III. oder der Quarzitkopf der Nofretete kehrten zurück. Offenbar blieb fast nichts in Leningrad und Moskau zurück. Darauf hatte nach dem Krieg niemand hoffen können. „Das ist nun der Beginn des Abtransportes unseres Sammlungsrestes“, schrieb der dama- lige Direktor Rudolf Anthes am 7. Februar 1946 verzagt in sein Tagebuch, als sowjetische Soldaten die letzten Sarkophage im zer- störten Neuen Museum abmontierten. Alles, was in der Münze und im Zoobunker den Krieg überdauert hatte, hatten die Trophäen- brigaden bereits konfi sziert. Und die nach Westen ausgelagerten Bestände, darunter die berühmte farbige Nofretete-Büste, waren vorerst in Wiesbaden und Celle gelandet. Und nun, seit 1959 im Erdgeschoss des Bode-Museums, konnte man erstmals wieder ei- nen vollständigen Überblick über die altägyptische Kunst bieten. 6 Berlin Staatliche Museen Antikensammlung

Wiederaufbauarbeiten im Altarsaal, 1959

Die Reliefs des Pergamonaltars wieder auf der Museumsinsel zu sehen, war für die Berliner die große Sensation im November 1958. Kurz zuvor hatten die Friese noch das Publikum in Leningrad beeindruckt, wo sie seit ihrer Ankunft aus Deutschland erstmals öffentlich gezeigt wurden. Bis Jahresende kehrten Tausende von Objekten aus der Sowjetunion heim, neben den identitätsstif- tenden Pergamon-Reliefs auch Berühmtheiten wie die „Aphrodite Heyl“ oder der „Betende Knabe“. So konnte sich das Pergamon- museum im Oktober 1959 wieder als ein Antiken-Schatzhaus von Weltrang präsentieren. Den Bombenkrieg hatte ein Großteil der Sammlung im Flakbunker am Zoo, im Tresor der Reichsmünze und im Leitbunker Friedrichshain überlebt. Sofort nach der Eroberung begannen dort die sowjetischen Trophäenbrigaden mit dem Abtransport. Hunderte griechischer und römischer Skulpturen, zahllose Architekturfragmente, Vasen, Statuetten und vieles mehr wurde nach Moskau und Leningrad geschickt. Das meiste, mindes- tens drei Fünftel des heutigen Bestandes, kehrte 1958 zurück. Bis heute fehlen jedoch 420 Skulpturen, über 1500 Vasen, zahlreiche Gemmen und andere Werke der Kleinkunst. Vieles davon lagert nachweislich in russischen Museen.

7 Berlin Staatliche Museen Ethnologisches Museum

Gedenkkopf eines Königs, Nigeria, Königreich Benin, Schreibkabinett, frühes 17. Jh. 17./18. Jh.

Mitarbeiter des Museums beim Auspacken der zurückgekehrten Kunstwerke in der provisorischen „Leipzig-Halle“

Das Ethnologische Museum in Berlin-Dahlem, damals noch Muse- um für Völkerkunde, hatte sein großes Rückgabe-Erlebnis 32 Jah- re später als die übrigen Berliner Sammlungen. Im August 1990 brachte ein erster Vortransport kostbare Objekte nach Dahlem, die man seit dem Krieg schmerzlich vermisst hatte: neun Meter lan- ge Totempfähle aus Kanada, Schlitztrommeln des Amazonasgebiets oder die berühmten Benin-Bronzen. Bis Dezember 1992 trafen ins- gesamt 50 000 Stücke ein. Rund 75 000 Ethnografi ca fehlten dem Museum seit den sowjetischen Requirierungen im Sommer 1945. Bis in den frühen Achtzigern das Gerücht aufkam, dass Teile der Sammlung offenbar in Leipzig lagerten. 1985 erhielten die West- Berliner Kustoden auf einer Fachtagung in der UdSSR Gewissheit: Die Sowjetunion hatte 1977/78 die Bestände in zwölf Transporten von Leningrad an das Leipziger Grassimuseum geschickt, Sitz der bedeutendsten Völkerkunde-Sammlung in Ostdeutschland. Dort blockierten die Kisten unausgepackt den Sonderausstellungsraum. Nach dem Mauerfall, im Mai 1990, konnte der Bestand erstmals besichtigt werden. Und schon wenige Monate später begann die spektakuläre Rückkehr.

8 Berlin Staatliche Museen Gemäldegalerie

Francesco di Giorgio Martini, Architektonische Vedute, um 1490/1500

Jacob Jordaens, Christus als Gärtner erscheint den drei Marien, um 1616

Die spätere Direktorin der Gemäldegalerie auf der Museumsinsel, Irene Geismeier, kann sich bestens an die Euphorie erinnern, die im Herbst 1958 herrschte. Gerade von der Universität gekommen, half sie nun monatelang beim Auspacken der Kisten. Von den 230 Bildern, die die Rote Armee im Dezember 1945 konfi sziert hatte, kehrten bis auf 19 Werke alle wohlbehalten aus der Sowjetuni- on zurück. „Jetzt konnte es endlich losgehen! So fühlten wir alle“, erzählt Geismeier, denn bis dahin war in Ost-Berlin von der euro- päischen Malerei kaum etwas übrig geblieben. „Nun aber schrieb ich am Fließband Texte für Führungsblätter und Kataloge“ – über Meisterwerke von Goessart und Jordaens, Moroni und Poussin, Sny- ders und Raeburn. Die Rückgabe der Bilder befl ügelte den schritt- weisen Wiederaufbau des zerstörten Obergeschosses im Bode- Museum, wo die Werke dann ab 1963 gezeigt wurden. Der größere und bedeutendere Teil der Gemäldesammlung war noch kurz vor Kriegsende nach Westen evakuiert worden und fand in Dahlem im Westteil der Stadt eine neue Heimat. Ungeklärt ist dagegen das Schicksal von 434 Bildern, die 1945 im Flakbunker Friedrichshain verschwanden. Die geretteten Teile der Sammlung sind seit 1998 in der neuen Gemäldegalerie am wieder vereinigt.

9 Berlin Staatliche Museen Kunstgewerbemuseum

Gebrüder Albrecht, Lorenz II und Johann Ludwig I Biller, Handfass und Wanne aus dem Ensemble des Großen Silberbuffets, Augsburg, 1695–98

Das Große Silberbuffet ist das Prunkstück in Schloss Köpenick, dem Ost-Berliner Standort des Kunstgewerbemuseums. Kein Wunder, dass die Rückkehr seiner 34 Teile 1958 in der DDR be- sonders gefeiert wurde. Kurfürst Friedrich III. gab das Ensemble in Augsburg in Auftrag, nach seiner Königskrönung 1701 ließ er es als Wanddekoration im Rittersaal des Berliner Schlosses installieren. Seit 1921 war die Hohenzollernresidenz Sitz des Kunstgewerbe- museums, nun Schlossmuseum genannt. Im Februar 1945 wurde es stark zerstört und 1950 endgültig gesprengt. Den Großteil des Bestandes hatte man im Krieg frühzeitig evakuiert, doch gingen Tausende von Objekten bei der Auslagerung verloren. Was die Westalliierten in mitteldeutschen Bergwerken konfi szierten, bildete seit 1957 das West-Berliner Kunstgewerbemuseum. Im Ostteil der Stadt kamen erst mit der Rückgabeaktion der Sowjetunion wieder genügend Kostbarkeiten für eine hochrangige Dauerausstellung in einem eigenen Haus zusammen, die 1963 in Köpenick eröffnet wurde. Der berühmte „Giselaschmuck“ des frühen 11. Jahrhun- derts gehörte zu den Heimkehrern, ein Thronsessel Friedrichs I. oder ein von Boucher entworfener Bildteppich aus Beauvais. Zudem zahlreiche Juwelen, Bronzen, Uhren, Fayencen sowie Porzellane aus altem preußischem Königsbesitz. 10 Berlin Staatliche Museen Kupferstichkabinett

Karl Friedrich Schinkel (1781–1841), Zauberflöte, Sternhalle der Königin der Nacht

Hochbedeutende Zeichnungen alter Meister gab die Sowjetunion im Herbst 1958 an das Kupferstichkabinett in Ost-Berlin zurück. Unter den rund 350 Werken befanden sich eine Studie Grüne walds zum Isenheimer Altar, Michelangelos Entwurf zum Grabmal Papst Julius II., kolorierte Landschaften von Claude Lorrain oder Szenen von Watteau. Ein Herzstück des zurückgekehrten Bestandes bildeten 57 Blätter aus Sandro Botticellis berühmtem Bilderzyklus zu Dantes „Göttlicher Komödie“; die andere Hälfte hatte es durch die Auslage- rung in die Bergwerke Kaiseroda und Grasleben in die Westzonen verschlagen, sie gelangte 1957 nach Berlin-Dahlem. Im Frühjahr 2000 zeigte das Kupferstichkabinett die wiedervereinigte Serie in einer spektakulären Ausstellung. Durch die Rückgabe von 1958 er- hielt die Sammlung zudem über 81 000 druckgrafi sche Blätter des 16. bis 20. Jahrhunderts zurück und 1200 Holzstöcke der Sammlung Derschau. Hinzu kommen 12 000 deutsche Zeichnungen des 19. Jahrhunderts, die 1969 und endgültig 1992 aus dem Besitz der Na- tionalgalerie dem Kupferstichkabinett eingegliedert wurden. Insge- samt schickte die UdSSR rund 120 000 Blätter zurück. Etwa 3000 Zeichnungen und andere Sammlungsteile werden noch vermisst; einiges davon lagert nachweislich in russischen Museen.

11 Berlin Staatliche Museen Münzkabinett

Kaiser Constantius II., Goldmedaillon Goldene Bulle aus Antiochia, um 350 n. Chr. Kaiser Friedrich Barbarossas (1152–1190) unten Goldmedaillon mit dem Bildnis unten Königin Elisabeth von England Alexanders des Großen, (1558–1603), Gold-Sovereign in filigraner 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr. Schmuckfassung

Am 20. November 1958 trafen 92 Kisten aus Leningrad ein. Darin befanden sich Hunderttausende von Münzen und Medaillen. Immer noch lagen die Objekte in ihren angestammten Schubladen, die man 1942 bei der Evakuierung zu großen Paketen verklebt hatte. Nur eine falsche Umsortierung, die rückgängig gemacht werden musste, erinnerte die Numismatiker noch 30 Jahre lang an das Exil in der UdSSR. Das nahm man aber gern in Kauf, denn mit der Rückgabe war eines der weltweit bedeutendsten Münzkabinette wiederer- standen. Dabei hatte der Münzschatz den Zweiten Weltkrieg noch wohlbehalten im Keller des Pergamonmuseums überstanden. Doch am 31. Mai 1945 versiegelten zwei Russen den Schutzraum, bald darauf war der gesamte Bestand samt seiner Bibliothek nach Osten abtransportiert. Die Bücher kehrten 1958 nicht zurück, dafür aber fast vollständig die Sammlung. Joachim Weschke reiste zur Über- nahme und zum Verpacken nach Leningrad. Nach dem Abschluss der Arbeit herrschte freundschaftliche Stimmung, und in Sektlaune reimte der Berliner Kustos am letzten Abend mit den sowjetischen Kollegen: „Nun ist die letzte Kiste geschlossen / und wird gleich mit einem edlen Tropfen begossen.“

12 Berlin Staatliche Museen Museum Europäischer Kulturen

Tuchmosaik mit Darstellungen aus dem Brustlatz, Alten Testament und dem Leben Jesu, Vierlande bei Hamburg, Schlesien, 18. Jh. 2. Hälfte 19. Jh.

Das Museum Europäischer Kulturen ist eine der jüngsten Grün- dungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und blickt doch auf eine lange Tradition zurück. 1999 entstand es als Zusammenschluss des Museums für Volkskunde in Berlin-Mitte, des Museums für Deutsche Volkskunde in Dahlem sowie der Europa-Abteilung des Ethnologischen Museums. Begonnen hatte es mit Rudolf Virchow, dem visionären Arzt und Sozialpolitiker, der 1889 das „Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes“ auf den Weg brachte. Vor dem Zweiten Weltkrieg war die rasch angewachsene Sammlung zuletzt im ausgestellt. Dort und an verschiedenen Auslagerungsorten gingen rund 80 Prozent der bedeutenden Bestände in den Kampf- handlungen und in den Nachkriegswirren unter. Um so größer war die Freude, als die Sowjetunion 372 verlorengeglaubte Stücke 1958 nach Ost-Berlin schickte. Ein so zurückgewonnenes Tuchmosaik aus Schlesien zählt heute zu den besonderen Kostbarkeiten der Sammlung. Ebenso die großen masurischen Hochzeitsteppiche, Trachtenschmuck aus Bückeburg oder österreichische Federkiel- stickereien, die damals unerwartet auf der Museumsinsel eintrafen.

13 Berlin Staatliche Museen Museum für Asiatische Kunst

Sattel, Japan, Momoyama-Zeit, 1594

Weibliche Gestalt mit Schleier und Ring in der Hand, Afghanistan, Gandhara-Schule, ca. 3.–5. Jh. n. Chr.

Der Zweite Weltkrieg traf die Ostasiatische Kunstsammlung der Staatlichen Museen besonders hart. Über 90 Prozent der bedeu- tenden Kollektion konfi szierte die Rote Armee 1945, bis heute lagern rund 5400 Objekte in der Eremitage und im Puschkin- Museum. Fast nichts kehrte 1958 nach Ost-Berlin zurück, obgleich man hier wieder eine kleine Ostasiatische Sammlung aufgebaut hat- te. Wohl eher zufällig hatten sich zwölf japanische Lackarbeiten in die Kisten aus der UdSSR verirrt. Nach West-Berlin kamen damals 300 Kunstwerke, die amerikanische Truppen in Sachsen-Anhalt geborgen hatten: der Grundstock für die neue Ostasiatische Kunst- abteilung in Dahlem. Auch das 1963 gegründete Museum für Indische Kunst – Nachfol- ger der Indischen Abteilung des Völkerkundemuseums, seit 2006 Kunstsammlung Süd-, Südost- und Zentralasien des vereinigten Museums für Asiatische Kunst – vermisste jahrzehntelang wichtige Teile. 1985 bewahrheitete sich das Gerücht, dass die Sowjetunion einen großen Bestand Berliner Ethnografi ca nach Leipzig geschickt hatte. Doch erst die Wiedervereinigung machte die Heimkehr möglich: 1992 trafen 275 Objekte von dort aus den Altbeständen des Museums für Indische Kunst und 38 aus jenen des Museums für Ostasiatische Kunst ein. 14 Berlin Staatliche Museen Museum für Islamische Kunst

Fassade von Mschatta, Detail des linken Torturms, Mitte 8. Jh.

Aleppo-Zimmer, Detail mit Engel, 1600 –1603

Mschatta-Fassade und Aleppo-Zimmer: Die beiden Hauptwerke des Islamischen Museums, wie der Ost-Berliner Teil der Sammlung hieß, konnten durch die Rückgabeaktion der Sowjetunion endlich vollständig zusammengesetzt werden. Ein Bombentreffer hatte im März 1945 den linken Turm des Wüstenschlosses des 8. Jahrhun- derts zerstört, nach der Eroberung Berlins beschlagnahmte die Rote Armee aus den Trümmern einen Steinblock mit Löwenrelief. Der Wiederaufbau von Mschatta war 1954 zur Eröffnung der ers- ten islamischen Schausäle im Pergamonmuseum abgeschlossen. Im Herbst 1958 kehrte dann das letzte fehlende Fragment zurück. Bis heute hebt es sich in seiner Helligkeit ab, denn die russischen Res- tauratoren hatten es sehr gründlich gereinigt. Hingegen kamen die fehlenden Holzpaneele des Prunkzimmers, das ein reicher Kauf- mann 1600 –1603 in Aleppo in Auftrag gegeben hatte, in besserem Zustand aus der UdSSR zurück als einige Teile, die in Berlin unter schlechter Lagerung gelitten hatten. Bedeutsam war auch die Rück- kehr von zahlreichen indischen Miniaturen aus der Moghulzeit oder einer Kollektion kunstvoll dekorierter Fliesen, außerdem Keramik, Hölzer und Metallgefäße. Allerdings werden bis heute etwa 100 der abtransportierten Objekte noch vermisst.

15 Berlin Staatliche Museen Museum für Vor- und Frühgeschichte

Gefäßständer aus mehrfarbig bemalter Keramik, Cucuteni, Rumänien, 4. Jahrtausend v. Chr.

Zweiteiliger Brustpanzer aus einem Fürstengrab der Osthallstattkultur, Stiˇcna, Slowenien, um 600 v. Chr.

Nach dem Krieg befand sich das Museum für Vor- und Frühgeschichte in West-Berlin, wo es 1960 im Langhansbau am Charlottenburger Schloss ein neues Domizil fand. Trotzdem gab die UdSSR 575 Kisten mit rund 40 000 Objekten des Museums an die DDR zurück. Zum Teil waren es Bestände aus dem Magazin und der Studiensammlung, aber auch bedeutende Werke befanden sich darunter: etwa die hölzerne Götterstatue aus Altfriesack, Keramiken aus Heinrich Schliemanns Troja-Sammlung, der Schädel eines Neanderthalers aus Le Moustier. Zunächst betreute die Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin die heimgekehrte Teilsammlung, 1963 kam sie in die Obhut des neu gegründeten Museums für Ur- und Frühgeschichte. Nun erst packte man systematisch die Kisten aus und stellte fest, dass die populärsten Exponate in der Sowjetunion verblieben waren. So lagern der „Schatz des Priamos“ aus Troja, der Goldfund aus Eberswalde und andere Kostbarkeiten heute in russischen Museen. Insgesamt werden rund 12 000 Objekte vermisst. Da war es eine große Freude, als die Prähistoriker 1992 im Museum für Völkerkunde bei der Rückkehr von dessen großem, 1979 an die DDR zurückgegebenen Restitutionskomplex 1091 Stücke fanden, die zum Museum für Vor- und Frühgeschichte gehörten.

16 Berlin Staatliche Museen Nationalgalerie

Adolph Menzel, Eisenwalzwerk, 1872–75

Aristide Maillol, Sitzende mit überschlagenem Bein, 1902

Endlich konnte die Nationalgalerie auf der Museumsinsel ihre Dauerausstellung wieder mit erstklassigen Werken bestücken. Ab 1959 erschien das 19. Jahrhundert hier wie vor dem Krieg als Teil der Weltkunst, auch wenn die Hauptgruppen von Caspar David Friedrich, von Schinkel oder den Impressionisten durch die Evakuie- rungen in den Westteil der Stadt gelangt waren. Rund 190 Gemälde und Skulpturen trafen im Herbst 1958 aus der Sowjetunion ein. Auch 12 000 deutsche Zeichnungen, darunter der größte Teil des Menzel-Nachlasses, fanden sich in den Transportkisten; sie werden heute im Kupferstichkabinett bewahrt. Eine Sensation war, dass Menzels gewaltiges „Eisenwalzwerk“ nicht wie befürchtet im Mai 1945 dem Brand im Flakbunker Friedrichshain zum Opfer gefallen war, sondern nun wohlbehalten heimkehrte. Goya, Graff und Hackert, Tischbein und Waldmüller, Blechen und Böcklin, aber auch Cézanne, Slevogt und Kokoschka – sie waren jetzt wieder mit Hauptwerken im Stammhaus der Nationalgalerie zu sehen. Ebenso Rodins berühmte Bronzestatue „Das Eherne Zeitalter“ und viele andere bedeutende Plastiken. Rund 850 Gemälde und über 100 Skulpturen indes sind seit 1945 noch verschollen.

17 Berlin Staatliche Museen Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst

Köpfe der Badener Pietà, Prag, 1390–1400 (nach Rückführung aus der Sowjetunion)

Badener Pietà, Reliefikone der Maria als Betende, Prag 1390–1400 Konstantinopel, 3. Viertel 13. Jh. (Zustand bis Mai 1945) rechts Reliefikone des Erzengels Michael, Konstantinopel, 3. Viertel 13. Jh.

Die Skulpturensammlung im ehemaligen Kaiser-Friedrich-Museum, heute Bode-Museum, erlitt empfi ndliche Kriegsverluste. Als die UdSSR 1958 450 Skulpturen zurückgab, verlieh das der Kollektion wieder Weltrang. Denn unter den Heimkehrern befand sich eine Fülle von kunsthistorischer Prominenz: Giovanni Pisano, Arnolfo di Cambio, Donatello, Luca della Robbia bis hin zu Houdon und Egell. Auch die berühmte romanische Emporenbrüstung aus Gröningen war dabei. Rund 1500 Kunstwerke sind bis heute verschollen. Wie- viele von ihnen die sowjetischen Trophäenbrigaden 1945 abtrans- portierten, ist unbekannt. Aus dem Museum für Byzantinische Kunst, ebenfalls im Bode-Mu- seum beheimatet, konfi szierte die Rote Armee 1945 wahrscheinlich rund 3000 Objekte. Wieviel hier 1958 zurückkehrte, ist bislang nicht endgültig ermittelt, aber der Rückgewinn war beträchtlich: das berühmte Kugelspiel aus Konstantinopel, zwei Reliefi konen des 13. Jahrhunderts, der Torso einer Kaiserstatue aus Porphyr oder frühe koptische Malereien. 1650 byzantinische Objekte werden noch vermisst. Manches mag 1945 im Leitturm des Flakbunkers Friedrichshain verbrannt sein, doch aus beiden Sammlungen befi n- den sich wichtige Stücke nachweislich in russischen Museen.

18 Berlin Staatliche Museen Vorderasiatisches Museum

Die damalige Kustodin und spätere Direktorin des Vorderasiatischen Museums, Liane Jakob-Rost (re.), in Leningrad bei der Verpackung von Kunstobjekten, Oktober 1958

Der heutige Palastraum im Vorderasiatischen Museum während des Einbaus der assyrischen Palastreliefs, 1959

Das Vorderasiatische Museum gehört zu den begünstigten Samm- lungen, die von der Sowjetunion fast die gesamte Kriegsbeute wie- der zurückerhielten. So konnte das Haus, das die Kulturen Meso- potamiens und seiner Nachbarlandschaften über 6000 Jahre hinweg dokumentiert, mit der Neueröffnung im Oktober 1959 wieder seine alte Spitzenposition neben dem Louvre und dem einnehmen. Glücklicherweise hatten die Großarchitek- turen, das Ischtartor und die Prozessionsstraße aus Babylon, den Krieg trotz Bombardierung gut überstanden. So befand sich die Vorderasiatische Abteilung, wie sie damals noch hieß, bei der Kapitulation komplett und nahezu unversehrt im Pergamon- museum. Dann begannen im Mai 1945 Diebstähle und Plünderungen, bald auch die Abtransporte durch die sowjetischen Trophäenbri- gaden. Seither fehlte ein Großteil der bedeutenderen Exponate. Das änderte sich auf einen Schlag im Herbst 1958. Nun kamen die einzigartigen Alabasterreliefs aus dem Palast Assurnasirpals II. in Nimrud zurück, weitere wichtige Skulpturen aus Assur, Palmyra und vom Tell Halaf, Hunderte Roll- und Stempelsiegel und vieles mehr. Vermisst werden bislang eine Reihe beschrifteter Goldtäfel- chen, Schmuckstücke aus Assur und Uruk, auch einige Siegel.

19 Berlin Stiftung Stadtmuseum

Johann Erdmann Hummel, Lovis Corinth, Die Granitschale im , 1831 Porträt Walter Leistikow, 1893

Das Märkische Museum war 1945 erheblich zerstört, ein Fünftel seiner enormen Sammlungen zur Geschichte und Kultur Berlins gilt seither als verschollen. Seit 1950 wurde das malerische Bau- ensemble am Köllnischen Park wiederaufgebaut, während man nach dem Mauerbau im Westteil mit dem ein eige- nes stadthistorisches Institut gründete. Was die Trophäenbrigaden 1945/46 aus dem Sammlungsbestand abtransportierten, ist bislang nicht vollständig erforscht. Um so überraschter waren die Kusto- den, als 1958 auch das Märkische Museum zehn Gemälde aus der UdSSR zurückerhielt. Sie gehörten zu den Kunstwerken, die man 1944 in den Flakbunker am Zoo ausgelagert hatte, wo die Rote Ar- mee sie dann konfi szierte. Unter den unerwarteten Heimkehrern befanden sich vor allem Bilder des 18. und 19. Jahrhunderts: Dani- el Chodowieckis „Familie des Künstlers“, eine Version von Johann Erdmann Hummels bekannter Ansicht der Granitschale im Lust- garten, einige wichtige Stadtveduten von Carl Traugott Fechhelm oder Carl Graebs „Berliner Rathaus“. Aber auch die beginnende Berliner Moderne war mit Lovis Corinths beseeltem Porträt des Malerkollegen Walter Leistikow vertreten.

20 Bremen Kunsthalle

Albrecht Dürer (1471–1528), Henri de Toulouse-Lautrec, Ansicht eines Felsenschlosses (1864–1901), an einem Fluss Idylle Princière

Edouard Manet, To t e r To r e ro , 1867–68

Dem Kriegsveteran ließ die private Beute keine Ruhe. Bevor er starb, erleichterte er sein Gewissen und übergab 1993 den ge- heimen Schatz der deutschen Botschaft in Moskau. Sieben Jahre später erfüllte sich sein Wille: Am 30. April 2000 konnte die Kunst- halle Bremen die 101 Blätter in Empfang nehmen. Als Rotarmist hatte es den Anonymus 1945 nach Schloss Karnzow in der Mark Brandenburg verschlagen, wo seit 1943 evakuierte Bestände der Kunsthalle Bremen lagerten. Unerlaubt steckte er 45 Zeichnungen und 56 Grafi ken in sein Gepäck, darunter Dürers berühmtes Aqua- rell „Felsenschloss“, Zeichnungen von Jan Brueghel d.Ä., Pollaiuolo, Veronese und Jordaens. Bei der Druckgrafi k waren Goya, Delacroix, Manet und Toulouse-Lautrec vertreten. Für sie ging das Exil nach 57 Jahren zu Ende. Viktor Baldin hingegen, der als Kriegsteilnehmer auf Schloss Karnzow 362 Zeichnungen und zwei Gemälde „auf- gelesen“ hatte, erlebte die Erfüllung seines Wunsches nicht mehr. Seit 1989 forderte er vergeblich die Rückgabe an Bremen, 1997 starb er. Die „Baldin-Sammlung“ steht seither ganz oben auf der deutschen Wunschliste gegenüber Russland. Insgesamt fehlen der Kunsthalle noch 28 Gemälde, 1500 Zeichnungen und rund 3000 druckgrafi sche Blätter.

21 Dessau Anhaltische Gemäldegalerie

Meister des Landauer Altars, Bildnis des Berthold Tucher und der Joos de Momper Christina Schmidtmayer, (1564–1635), Nürnberg, 2. Hälfte 15. Jh. Felsenlandschaft mit einer Burg

Balthasar van der Ast (1593/94–1657), Stillleben mit Blumen und Früchten

Wäre es nach Gauleiter Jordan gegangen, dann hätte von der An- haltischen Gemäldegalerie nichts überlebt. Im März 1945 ordnete er die Zerstörung der Sammlung an, doch gelang es den Museums- mitarbeitern, den wahnsinnigen Befehl zu verschleppen. So über- lebte der wichtigste Teil im Kalibergwerk Solvayhall bei Bernburg. Dort entwendeten US-Soldaten einzelne Kunstwerke, die zum Teil später auf dem amerikanischen Kunstmarkt auftauchten. Als die Rote Armee im Juli 1945 ganz Sachsen-Anhalt übernahm, began- nen die planmäßigen Konfi szierungen. Im April 1946 ging alles, was in Solvayhall lagerte, auf drei Güterwaggons in die Sowjetunion: mindestens 800 Gemälde und rund 17 000 grafi sche Blätter. Die altdeutschen Meister, Bilder von Pieter Brueghel d.J. oder Roelant Savery, von Willem van Aelst oder Aelbert Cuyp, Zeichnungen von Altdorfer und Holbein – das alles lagerte nun in Moskau und Leningrad. Erst durch die große Rückgabeaktion erlangte das Museum wieder seinen alten Rang, das ist bis heute in Dessau unvergessen. Um die Jahreswende 1958/59 kehrten 600 Gemälde, 1000 Handzeichnungen und 10 000 Druckgrafi ken zurück. Zwei späte Heimkehrer gab es 2006 und 2007: Gemälde, die man bei der Verteilung in Berlin irrtümlich nach geschickt hatte.

22 Dessau Kulturstiftung Dessau Wörlitz

Antonio Joli, Tempelruinen von Paestum, 1765

Salomon van Ruysdael, Kanallandschaft mit Fähre, 1657

Wie die Sammlung der Anhaltischen Gemäldegalerie brachte man im Sommer 1943 auch die meisten Gemälde, Grafi ken, Keramiken sowie einige wertvolle Möbel aus den Dessauer und Wörlitzer Schlössern ins Bergwerk Solvayhall. Dort beschlagnahmte die Rote Armee die rund 100 Kisten mit den Kunstschätzen des Gartenreichs und schickte sie im April 1946 nach Moskau und Leningrad. Die Schlösser präsentierten sich seither mit empfi ndlich ausgedünnter Ausstattung. Ende Dezember 1958 kam dann überraschend die Mit- teilung aus Ost-Berlin, dass sich unter den zurückgekehrten Bestän- den auch Werke aus dem Besitz der Schlösserverwaltung befänden. Die beste Kennerin war Julie Harksen, die seit 1927 in der Anhal- tischen Gemäldegalerie in Dessau arbeitete und diese nun leitete. Sie kannte auch den Kunstbesitz des Gartenreichs sehr gut, und so gelang es ihr, auf der Berliner Museumsinsel 115 Gemälde und 191 Grafi ken zu identifi zieren. Zu den wertvollsten Stücken zählen Neapel- und Paestum-Veduten von Antonio Joli. Schon mit Beginn der Besuchersaison 1959 ließen sich die Schlösser zum Teil wieder vollständig im Vorkriegszustand erleben. Vermisst werden noch im- mer die Fayencen aus Oranienbaum sowie die Prunkmöbel, Waffen und Bernsteine aus dem Gotischen Haus.

23 Dresden Staatliche Kunstsammlungen

Henri de Toulouse-Lautrec, Zwei Freundinnen, 1895 unten Vincent van Gogh, Quittenstillleben, 1888/89

Ankunft des ersten Zuges mit Schätzen des Grünen Gewölbes und anderer Museen der Staat- lichen Kunstsammlungen auf dem Dresdner Bahnhof am 17. September 1958

Die Nachricht am 31. März 1955 musste jeden Kunstfreund in Ost wie West elektrisieren: Die Gemälde der Sempergalerie sollten zu- rückkehren! Zehn Jahre lang waren Raffaels „Sixtinische Madonna“, Canalettos Dresden-Ansichten und Liotards „Schokoladenmädchen“ wie vom Erdboden verschwunden. In der Öffentlichkeit durften die weltberühmten Werke nicht einmal erwähnt werden. Bis Ende Mai 1945 hatten die Trophäenbrigaden der Roten Armee den größten Teil der Bilder in sächsischen Tunneln und Bergwerksstollen be- schlagnahmt. Ab Juli brachten Sonderzüge Hunderttausende von Kunstobjekten in die Sowjetunion. Selbst in Moskau wurde erst während der Rückgabevorbereitungen bekannt, dass ukrainische Truppen im November 1945 das letzte Geheimdepot aufgespürt und rund 500 Bilder nach Kiew gebracht hatten. Von dort traf am 3. November 1955 ein Zug mit 478 Gemälden in Dresden ein, dar- unter die Hauptwerke Dürers, Jan van Eycks oder Vermeers. Indes wurde die Rückkehr der Alten Meister aus Moskau und Leningrad groß inszeniert. Im Moskauer Puschkin-Museum staunten 1,2 Milli- onen Besucher über die Bilder, bevor es zur feierlichen Übergabe an die DDR kam. Im Oktober eröffnete eine erste Ausstellung der Rückkehrer in der Alten Nationalgalerie in Berlin. Ab Juni 1956 konnten die Gemälde dann in Dresden einen ersten Bauabschnitt

24 Raffael, Die Sixtinische Madonna, 1512/1513

Johann Joachim Kaendler, Tafelaufsatz aus dem Service für den Generalfeldmarschall Burchard Christoph Graf von Münnich, Meißen, 1738

der wiederaufgebauten Sempergalerie beziehen. Noch aber fehl- ten die Schätze des Grünen Gewölbes und der Porzellansammlung, vermisste man Skulpturen aller Epochen, die Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts, fast das ganze Kupferstichkabinett, kunsthand- werkliche Objekte sowie die besten Stücke der Rüstkammer. Ab Mitte September 1958 kehrte auch der Großteil dieser Bestände nach Dresden zurück. Insgesamt waren es 600 000 Kunstwerke, mehrere tausend werden noch vermisst. Damals lösten vor allem die einzigartigen Goldschmiedearbeiten Begeisterung aus. Hilde Ra- kebrand, die Direktorin der Porzellansammlung, war bei der Über- gabe der Preziosen und Juwelen im Tresor des Moskauer Finanzmi- nisteriums dabei: „Das Entzücken meiner sowjetischen Mitarbeiter beim Auspacken war unbeschreiblich, und sie hatten, fasziniert wie sie waren, Fragen über Fragen.“ Joachim Menzhausen, seit 1960 für drei Jahrzehnte Direktor des Grünen Gewölbes, erinnert sich genau an die Wirkung der Ausstellung „Der Menschheit bewahrt“, die am 8. Mai 1959 – genau 14 Jahre nach Kriegsende – im Alberti- num eröffnete: „Das war natürlich ein Hammerschlag! Jetzt hatten wir die Dresdner Sammlungen zurück und konnten alles zeigen.“

25 Gotha Stiftung Schloss Friedenstein

Meister des Amsterdamer Kabinetts, Conrat Meit, Das Gothaer Liebespaar, Adam und Eva, um 1510 um 1480/85

Rückkehr antiker Gefäße für das Gothaer Schlossmuseum im April 1959

Zum Glück sieht man dem „Gothaer Liebespaar“ nicht an, welch weite Waggonfahrt es hinter sich hat. Mit der Heimkehr des Dop- pelporträts aus Moskau gewann das Schlossmuseum in Gotha sein berühmtestes Exponat und ein entscheidendes Stück seiner Identität zurück. Zahlreiche andere bedeutende Werke kamen im November 1958 und April 1959 zurück nach Schloss Frieden- stein: Christoph Ambergers „Hieronimus Sulczer“, Lucas Cranachs „Christus und Maria“, Statuetten des genialen Bildschnitzers Conrat Meit, aber auch Böttgersteinzeug und barocke Goldschmiedewerke. Die ehemals herzoglichen Kunstsammlungen hatten in den Wirren der Nachkriegsmonate schmerzliche Verluste hinnehmen müssen, so dass sie heute nur noch 40 Prozent des einstigen Bestandes umfassen. War die Kollektion an ihren Schutzorten bis 1945 un- versehrt geblieben, kam es nach dem Einmarsch der US-Armee zu Diebstählen und illegalen Verkäufen. Hunderte von Werken ver- schwanden in dieser Zeit. Als die Rote Armee dann im Juli 1945 Thüringen von den Amerikanern übernahm, beschlagnahmte sie den gesamten Rest der Gothaer Kunstsammlungen. Im Frühjahr 1946 erfolgte der Abtransport nach Russland. Rund 80 bis 85 Prozent der sowjetischen Kriegsbeute kehrte 23 Jahre später wohlbehalten zurück.

26 Leipzig Ägyptisches Museum der Universität Leipzig

Fragment der Statue eines Mumienmaske, römische Zeit, Sistrophoren, Neues Reich, 1. Hälfte 1. Jh. n. Chr. 18. Dynastie, um 1380 v. Chr.

Als Anfang 1957 durchsickerte, dass die Sowjetunion nach den Dresdner Gemälden weitere Kunstschätze an die DDR zurückge- ben würde, durften sich auch die Leipziger Ägyptologen die uner- wartete Hoffnung auf Heimkehr ihres verlorenen Museums machen. Siegfried Morenz, Leiter der einst so bedeutenden Universitäts- sammlung, schrieb am 1. April an das Staatssekretariat für Hoch- schulwesen in Ost-Berlin und bat darum, bei den Verhandlungen mit Moskau auch seine 1945 großenteils verlorene Kollektion zu berücksichtigen. Dem Brief fügte er eine detaillierte Liste mit dem Inhalt der 17 Kisten bei, welche die Trophäenbrigaden im Sommer 1945 aus dem Felsenkeller von Schloss Mutzschen abtransportiert hatten. Die Hoffnung erfüllte sich, und mit der Rückkehr der Be- stände aus der UdSSR erlangte das Museum wieder seinen alten Rang. Die Instituts- und Schauräume waren dem Bombenkrieg zum Opfer gefallen, mit ihnen eingebaute Reliefs, die Gipssammlung und andere Objekte. So musste man bescheiden anfangen, eine erste kleine Ausstellung bot 1951 notdürftigen Ersatz für das, was fehlte. Seit der Neueröffnung des Museums 1976 ist wieder zu erleben, was vor allem Georg Steindorff, der bedeutende Ägyptologe, in vier Jahrzehnten bis 1934 von seinen Forschungsreisen und Ausgra- bungen nach Leipzig brachte.

27 Leipzig Grassi – Museum für Angewandte Kunst

Orazio Fontana(?), Großer Teller mit der Darstellung Alexanders vor Diogenes, um 1560/1565 Ringelglas, deutsch, 17. Jh.

Am 11. März 1946 verließ ein sowjetischer Militärzug den Leip- ziger Hauptbahnhof, in den Waggons rund 50 000 Kunstwerke und Bücher aus sächsischen und thüringischen Sammlungen. Aus dem Grassimuseum, Leipzigs traditionsreichem Institut für Kunstgewer- be, befanden sich Tausende von Objekten sowie fast die gesamte Grafi ksammlung in den Transportkisten. Auf eine Rückkehr der Schätze wagte damals niemand zu hoffen. Um so überwältigender war es, als zwischen November 1958 und Februar 1959 auch das Grassimuseum von der großen Rückgabewelle profi tierte. In aller Eile organisierte man zur Frühjahrsmesse eine Ausstellung. „Es ist wie in einem Wunderland inmitten dieses Geschimmers und Geglitzers silbervergoldeter, kostbar bearbeiteter Becher, Kelche, Reliquiare, perlmuttbesetzter Schmuckkästchen, funkelnder Gläser und Schalen, schwerer blanker Humpen, Kannen und Schüsseln“, schwärmte eine Tageszeitung. Auch 11 000 grafi sche Blätter kamen zurück. Vermisst von den 1945 beschlagnahmten Beständen werden noch rund 1500 Objekte sowie ein Teil der Ornamentstichsamm- lung. Eine Reihe der besten antiken Gefäße aus dem Grassimuseum zeigte das Moskauer Puschkin-Museum 2005 in einer Ausstellung.

28 Leipzig Museum der bildenden Künste

Carel Fabritius Pieter de Hooch, (vor 1622–1654), Musizierende Gesellschaft in Bildnis Rembrandt vornehmer Halle, 1666/68

Bertel Thorvaldsen, Ganymed, den Adler tränkend, 1817

Es waren die Glanzstücke, die der Sammlung schmerzlich fehlten: das damals noch Rembrandt und heute Carel Fabritius zuge- schriebene Bildnis, Frans Hals’ „Mulatte“, Pieter de Hoochs „Musizierende Gesellschaft“, Tintorettos „Auferweckung des Lazarus“, Delaroches abgründig kauernder Napoleon bis hin zu Leibl, Menzel und Munch. Unter den restituierten Skulpturen befanden sich Meisterwerke von Canova, Thorvaldsen und Rodin. 110 Gemälde und 5 Plastiken kehrten von September bis Dezem- ber 1958 nach Leipzig ins Museum der bildenden Künste zurück; 7 der beschlagnahmten Werke sind noch verschollen, manche der an den Auslagerungsorten vermissten Werke könnten vielleicht auch nach Russland gelangt sein. Die sowjetischen Experten begutachte- ten die Sammlung mit Kennerschaft. Schon 1943 hielt Igor Grabar, von Moskau aus, Pinturicchios Fresko mit dem Erzengel Michael für angemessen, um die Zerstörung der Nowgoroder Wandmalereien durch die Wehrmacht zu kompensieren. Als der Moskauer Kunst- historiker im Februar 1945 die Ziellisten für die Trophäenbrigaden abschloss, wusste er noch nicht, dass das Wandbild im Leipziger Museum einem Bombenangriff zum Opfer gefallen war. Vor Ort ließ sein Kollege Boris Alexejew im Herbst 1945 nur knapp über hundert der besten Gemälde für den Abtransport gelten.

29 Potsdam Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Caravaggio, Der ungläubige Thomas, um 1595/1600 unten Karl Friedrich Schinkel (1781–1841), Johann Melchior Kambly, Zeltzimmer, Schloss Charlottenhof, Bodenstanduhr, um 1769 Park

Die preußischen Königsschlösser wurden vom Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen besonders hart getroffen, denkt man an die Zerstörung der großen Residenzen in Berlin und Potsdam, von Schloss Monbijou und Charlottenburg. Der überwiegende Teil der Kunstwerke konnte zwar durch Verlagerungen vor der Zerstörung bewahrt werden. Dann aber sorgten nach dem Einmarsch der Roten Armee die Trophäenbrigaden sowie Eigeninitiativen von Sowjetsoldaten für Entleerung der historischen Gebäude und der Auslagerungsorte. Auch deutsche Zivilisten stahlen und plünderten. So war Ende 1946 von den einst so großartigen Gesamtkunstwerken in den Schlössern nicht mehr viel zu erleben. Das änderte sich erst mit der großen Rückführungsaktion der Sowjetunion 1958, als die Schlösserverwaltung in Potsdam wichtige Bestände zurückerhielt, woran sie bis heute dankbar erinnert. Rund 500 Gemälde kamen zurück, darunter berühmte Meisterwerke der fl ämischen, holländischen, italienischen und französischen Schulen, u.a. Caravaggio, Rubens, van Dyck. Leider blieben 3000 Bilder verschollen. Vieles verschwand hier als individuelle Kriegsbeute wie Rubens’ „Tarquinius und Lukretia“, das vor einigen Jahren in Moskauer Privatbesitz auftauchte. Von den mehr als 500 kostbaren Rahmen des 18. Jahrhunderts, die wesentlichen Anteil an den 30 Peter Paul Rubens, Jean-Antoine Houdon, Die vier Evangelisten, Marquise de Sabran, um 1614 um 1785

Johann Melchior Kambly, Kommode, um 1765

Ensembles hatten, kamen nur 11 wieder in die Schlösser. Mit 43 Werken kehrte auch nur eine kleine Gruppe der Skulpturen zurück, darunter zwei bedeutende Großplastiken Coustous d.J. aus der Bildergalerie Friedrichs des Großen und drei von vier vermissten Houdon-Büsten. Von den ehemals etwa 2000 Möbeln konnte die Schlösserverwaltung 160 in Empfang nehmen. Glücklicherweise waren dabei fast alle bedeutenden Ebenisten-Prunkmöbel des Rokoko aus dem Neuen Palais von Sanssouci. Sie erhielten wieder ihren angestammten Platz. In dieses Schloss kehrten auch die meisten Porzellanaufsätze für Kamine und Konsolen zurück. Ebenso wurden alle kostbaren Wedgwood-Kaminaufsätze aus dem restituiert. Dagegen verblieben rund 3000 ostasiatische Porzellane in Moskau und Leningrad. Von den zahllosen verschollenen Kronleuchtern in den Schlössern kehrten 1958 nur 20 zurück, darunter fünf bedeutende Exemplare aus den Winterkammern von . Neben den Gemälde- und den Porzellanbeständen hat die Grafi sche Sammlung die empfi ndlichsten Verluste erlitten. 350 Blätter trafen 1958 ein, mehr als 2600 fehlen schmerzlich. Insgesamt hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten 1945/46 Tausende von Kunstwerken aller Gattungen verloren. 31 Schwerin Staatliches Museum

Zwei Faustrohre Pulverflasche aus Horn der kursächsischen Reiterei, mit Federverschluss, 1564 Anfang 17. Jh.

Jagdbesteckscheide mit Vorlegemesser, 1. Hälfte 17. Jh.

Am 18. November 1958 traf ein Telegramm ein, mit dem niemand im Staatlichen Museum Schwerin gerechnet hatte: Die historische Waffensammlung der Herzöge von Mecklenburg war aus der Sow- jetunion zurückgekommen und musste auf der Berliner Muse- umsinsel abgeholt werden. Rund 1100 Kriegs- und Jagdwaffen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, darunter viele kunstvoll gearbeitete Prunkstücke, kehrten auf diese Weise heim nach Schwerin. Auch Uniformen, sonstiges Kriegsgerät oder Jagdausrüstung gehören zu dem Bestand, der bis 1945 rund 4000 Objekte umfasste – trotz aller Verluste heute immer noch mit 2000 Stücken eine der bedeu- tendsten Kollektionen ihrer Art. Die Beschlagnahmung der Waffen war nicht zuletzt ein Zeichen der Entmilitarisierung Deutschlands. Zudem wurde das Schloss als Lazarett gebraucht; so häuften sich die Militaria im Winter 1945/46 offen am Alten Garten. Vieles „pri- vatisierten“ Schweriner, ein Teil landete im See, ein anderer wurde verbrannt. Der wertvollste Bestand, etwa 1900 Objekte, kam im Frühjahr 1946 in 30 Kisten zum Stettiner Bahnhof in Berlin, von dort in die UdSSR. Für einen Großteil der Sammlung wurde es eine Reise mit glücklicher Rückkehr.

32 Wiesbaden Museum Wiesbaden

Domenico Tintoretto (1560–1635), Venezianerin

Das Schicksal der „Venezianerin“ birgt noch viele Rätsel. Gemalt hat sie Domenico Tintoretto (1560–1635), Sohn des großen Jaco- po Tintoretto. Hermann Voss – damals noch Museumsdirektor in Wiesbaden, bevor er nach Dresden wechselte und Beauftragter für Hitlers „Führermuseum“ in Linz wurde – erwarb das Prunkporträt im Mai 1943 von der Kunsthandlung Böhler in München. Aus wel- chem Vorbesitz das Bild stammte, ist ungeklärt. Von Dresden aus riet Voss dann, die 77 wertvollsten Werke ins sächsische Schloss Weesenstein auszulagern. Dort beschlagnahmte 1945 eine sowje- tische Trophäenkommission sechs Gemälde: neben dem Tintoretto Bilder von Bassano, Gaulli, Bacciacca, Snyders und vom Meister der Heiligen Sippe. Einige von ihnen waren in den neunziger Jahren im Moskauer Puschkin-Museum zu sehen. Ob auch die „Venezianerin“ in die UdSSR gelangte, ist bislang unbekannt. Jedenfalls übergab eine Sowjetbehörde in der DDR 1964 das Werk dem Museum der bildenden Künste in Leipzig; von wo es 1993 nach Wiesbaden heimkehrte. Die Gemälde, welche die Rote Armee nicht konfi s- ziert hatte, lagerten seither in Pillnitz und kamen erst im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturabkommens 1988 nach Wiesbaden zurück – darunter überraschenderweise auch das Stillleben von Frans Snyders. 33 34 An Verlust + Rückgabe beteiligte Museen:

Aachen Suermondt-Ludwig-Museum: www.suermondt-ludwig-museum.de Berlin Akademie der Künste: www.adk.de Berlin Staatliche Museen zu Berlin: www.smb.museum Berlin Stiftung Stadtmuseum: www.stadtmuseum.de Bremen Kunsthalle Bremen: www.kunsthalle-bremen.de Dessau Anhaltische Gemäldegalerie: www.georgium.de Dessau Kulturstiftung Dessau Wörlitz: www.gartenreich.com Dresden Staatliche Kunstsammlungen Dresden: www.skd-dresden.de Gotha Stiftung Schloss Friedenstein: www.stiftungfriedenstein.de Leipzig Ägyptisches Museum der Universität Leipzig: www.uni-leipzig.de/~/Museum.htm Leipzig Grassi – Museum für Angewandte Kunst: www.grassimuseum.de Leipzig Museum der bildenden Künste: www.mdbk.de Potsdam Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg: www.spsg.de Schwerin Staatliches Museum Schwerin: www.museum-schwerin.de Wiesbaden Museum Wiesbaden: www.museum-wiesbaden.de

35 Verlust + Rückgabe Ausstellungen

Aachen 06.09.2008 – 08.02.2009 Die Aachener Schattengalerie Suermondt-Ludwig-Museum Wilhelmstraße 18 52070 Aachen Berlin 27.11.2008 – 05.07.2009 Die Rückkehr der Götter. Berlins verborgener Olymp Staatliche Museen zu Berlin, Pergamonmuseum Bodestraße 1–3 10178 Berlin Berlin Ab 30. Oktober 2008 Verlust und Rückgabe: Die Sammlungen des Kaiser-Friedrich-Museums Staatliche Museen zu Berlin, Bode-Museum Bodestraße 1–3 10178 Berlin Bremen 14.10.2008 – 31.10.2008 Die Sammlung 101. Bremen - Moskau - Bremen 1943 ausgelagert – zurückgekehrt 2000 Kunsthalle Bremen Am Wall 207 28195 Bremen Dessau 02.12.2008 – 31.12.2008 Verlorengeglaubte Dessauer Kunstwerke kehren zurück 1958–2008 Anhaltische Gemäldegalerie Schloss Georgium Puschkinallee 100 06846 Dessau

36 Dresden Voraussichtlich bis Ende des Jahres September 1958: Das Grüne Gewölbe kehrt zurück Staatliche Kunstsammlungen Dresden Neues Grünes Gewölbe Residenzschloss Taschenberg 2 01067 Dresden Gotha 13.08.2008 – 16.11.2008 Zurück in Gotha – Die Rückgabe der Kunstsammlungen durch die Sowjetunion im Jahre 1958 Stiftung Schloss Friedenstein Schlossmuseum 99867 Gotha Potsdam 13.08.2008 – 31.10.2008 50 Jahre Verlust und Rückgabe – Die Bildergalerie von Sanssouci Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Park Sanssouci, Bildergalerie 14469 Potsdam Schwerin 18.11.2008 – 22.03.2009 Die Schweriner Waffensammlung – Das Jubiläum zum 50. Jahrestag der Rückgabe aus Moskau Staatliches Museum Schwerin Hofdornitz im Schloss Schwerin Lennéstraße 1 19053 Schwerin

37 Bildnachweis

S. 4 l. Suermondt-Ludwig-Museum S. 18 Mitte und r. Staatliche Museen zu Aachen Berlin – Skulpturensammlung und S. 4 r. Suermondt-Ludwig-Museum Museum für Byzantinische Kunst Aachen / Anne Gold S. 19 Staatliche Museen zu Berlin – S. 5 Akademie der Künste, Berlin Vorderasiatisches Museum S. 6 l. und S. 6r. o. Staatliche Museen S. 20 l. Stiftung Stadtmuseum Berlin zu Berlin – Ägyptisches Museum und S. 20 r. Stiftung Stadtmuseum Berlin / Papyrussammlung Christel Lehmann S. 6 r. u.: Staatliche Museen zu Berlin S. 21 Kunsthalle Bremen – Kupferstich- SPK, Zentralarchiv kabinett - Der Kunstverein in Bremen / S. 7 Staatliche Museen zu Berlin – Lars Lohrisch Antikensammlung. S. 22 Anhaltische Gemäldegalerie Repro nach NBI-Archivfoto Dessau, Fotothek S. 8 l. o. und S. 8 l. u. S. 23 Kulturstiftung DessauWörlitz, Staatliche Museen zu Berlin – Ethnolo- Bildarchiv / Heinz Fräßdorf gisches Museum S. 24 l. o. und S. 24 l. u.: Staatliche S. 8 r. Staatliche Museen zu Berlin – Kunstsammlungen Dresden – Ethnologisches Museum / Galerie Neue Meister / Jürgen Karpinski Martin Franken S. 24 r. Staatliche Kunstsammlungen S. 9 o. Eigentum des Kaiser-Friedrich- Dresden – Forschungsarchiv Museums-Vereins / Jörg P. Anders S. 25 l. Staatliche Kunstsammlungen S. 9 u. Staatliche Museen zu Berlin – Dresden – Gemäldegalerie Alte Meister / Gemäldegalerie / Jörg P. Anders Elke Estel und Hans-Peter Klut S. 10 Staatliche Museen zu Berlin – S. 25 r. Staatliche Kunstsammlungen Kunstgewerbemuseum / Pierre Abboud Dresden – Porzellansammlung / S. 11 Staatliche Museen zu Berlin – Jürgen Karpinski Kupferstichkabinett S. 26 Stiftung Schloß Friedenstein S. 12 Staatliche Museen zu Berlin – Gotha, Fotothek Münzkabinett S. 27 Ägyptisches Museum der S. 13 Staatliche Museen zu Berlin – Universität Leipzig / Marion Wenzel Museum Europäischer Kulturen / S. 28 Grassi – Museum für Angewandte Ute Franz-Scarciglia Kunst / Christoph Sandig S. 14 Staatliche Museen zu Berlin – S. 29 o. l. und r. bpk / Museum der Museum für Asiatische Kunst / bildenden Künste Leipzig / Jürgen Liepe Ursula Gerstenberger S. 15 Staatliche Museen zu Berlin – S. 29 l. u. bpk / Museum der bildenden Museum für Islamische Kunst Künste, Leipzig / Hans-Dieter Kluge S. 16 l. Staatliche Museen zu Berlin – S. 30 l. Stiftung Preußische Schlösser Museum für Vor- und Frühgeschichte, und Gärten Berlin-Brandenburg /Schirmer Archiv / Klaus Göken S. 30 r. o. und S. 30 r. u. S. 16 r. Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Museum für Vor- und Frühgeschichte, Berlin-Brandenburg / Wolfgang Pfauder Archiv / Claudia Plamp S. 31 l. o. Stiftung Preußische Schlösser S. 17 Staatliche Museen zu Berlin – und Gärten Berlin-Brandenburg / Murza Nationalgalerie / Andres Kilger S. 31 l. u. Stiftung Preußische Schlösser S. 18 l. o. Staatliche Museen zu Berlin und Gärten Berlin-Brandenburg / – Skulpturensammlung und Museum für Roland Handrick Byzantinische Kunst / A. Voigt 2006 S. 31 r. Stiftung Preußische Schlösser S. 18 l. u. Staatliche Museen zu Berlin und Gärten Berlin-Brandenburg / – Skulpturensammlung und Museum für Wolfgang Pfauder Byzantinische Kunst S. 32 Staatliches Museum Schwerin S. 33 Museum Wiesbaden

38 Deutsch-Russischer Museumsdialog Verlust + Rückgabe Veranstaltung aus Anlass des 50. Jahrestages der Rückführung von Kulturgütern aus der Sowjetunion

Herausgeber Deutsch-Russischer Museumsdialog

Geschäftsstelle Sprecher Kulturstiftung der Länder Stiftung Preußischer Kulturbesitz Isabel Pfeiffer-Poensgen Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger Generalsekretärin Präsident Lützowplatz 9 Von-der-Heydt-Str. 16–18 10785 Berlin 10785 Berlin 030-89 36 35-0 030-25 463-0 www.kulturstiftung.de www.hv.spk-berlin.de

Projektleitung Dr. Britta Kaiser-Schuster, Kulturstiftung der Länder Projektassistenz Kristina Diall, Kulturstiftung der Länder Tex t e Dr. Sebastian Preuss, Berlin Öffentlichkeitsarbeit Dr. Matthias Henkel, Staatliche Museen zu Berlin Entwurf und Gestaltung Ott + Stein, Berlin Herstellung Reiter-Druck, Berlin

Titelabbildung Soldaten der Nationalen Volksarmee beim Entladen von Kunstwerken der Staatlichen Museen zu Berlin vor der Nationalgalerie auf der Museumsinsel, Herbst 1958 Bildnachweis Foto nach Sonderdruck „Für uns gerettet. Kunstschätze - übergeben von der Sowjetunion“, Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin

39 finanziell ermöglicht durch das Kuratorium Museumsinsel

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