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„Einstellung zum demokratischen­ Staat: Bedenkenfrei“ Zur Frühgeschichte des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (1949-1965)

1 Bündnis 90 / Die Grünen im Bayerischen (Hg.)

Susanne Meinl / Joachim Schröder

„Einstellung zum demokratischen Staat: Bedenkenfrei“

Zur Frühgeschichte des Bayerischen Landesamtes für Verfas- sungsschutz (1949-1965)

2 Inhalt

Vorwort...... ​4

I. Anstatt einer Einleitung: Ein Vorgang im bayerischen Staatsministerium des Innern (1965)​...... 6

II. Die Zerschlagung des NS-Überwachungs- und Terrorstaates und die Herausbildung einer neuen Sicherheitsarchitektur​...... 12 1. Das Landesamt für Verfassungsschutz​...... 14 1.1 Gründungspersonal ​...... 16 1.2 ​Aufgaben und Struktur: Der Geschäftsverteilungsplan​...... 27 1.3​ Die Präsidenten des LfV​...... 37 2. Partner in Sachen Staatsschutz: BLKA und Grenzpolizei​...... 41 2.1 ​ Outgesourcte Exekutive: Die Staatsschutzabteilung im Bayerischen Landeskriminalamt.​..41 2.2 ​ Die Bayerische Grenzpolizei: Tradition, Personal und Zuarbeit für das Landesamt für Verfassungsschutz​...... 46

III. ​CIC/CIA, Organisation Gehlen und das Landesamt für Verfassungsschutz.​...... 49 1. Der US-Geheimdienst und die ehemaligen -Angehörigen: der Fall Eugen Fischer...... ​49 2. Das Landesamt und die Organisation Gehlen: Nachrichtendienstliches Outsourcing und Personaltausch?​...... 55 3. Deckname Cabolt: Joseph Schreieder und die CIA​...... 66

IV.​ Skandale und Affären...... ​74 1. „Hüter​ der Verfassung: Dr. Hans Globke (Bundeskanzleramt)“: Der Diskurs über die NS-Belastung der Sicherheitsorgane nach Spielbankenaffäre, Eichmann-Prozess und Fall Felfe...... ​74 2 „Ehemalige SS-Leute als Hüter unserer demokratischen Staatsordnung?“ Die „Telefon-Affäre“ und das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz im Herbst 1963...... 85 3. Die Causa Schreieder oder: Die Metamorphosen des Dr. Mabuse​...... 88 4. „Im gleichen Schritt und Tritt: Demokratie und Münchner Polizei“ (1963). Eine Broschüre und keine Folgen​...... 96

Anhang​...... 99 Abkürzungen...... 99 Literatur...... ​100 Autorin/Autor​...... 104 Impressum​...... 104 Anmerkungen...... 104

3 Vorwort te unseres Erachtens ein zentraler Bestandteil der politischen Kultur sein. Der Umgang mit den NS-Verstrickungen der Bundesrepublik wurde in vielen Bereichen über Noch aber gibt es viele weiße Flecken: Insbe- Jahrzehnte sträflich vernachlässigt. Zwar zählt sondere über die NS-Vergangenheit von Regie- das zwölfjährige „Dritte Reich“ inzwischen mit rungsmitgliedern und Beschäftigten in Ämtern zu den bestdokumentierten Epochen der deut- der Bundesländer liegen nur punktuell Zahlen schen Geschichte, aber die häufig bruchlose und Studien vor. Auch die Beantwortung un- personelle Kontinuität in Verwaltung, Justiz serer Schriftlichen Anfrage zur NS-Belastung und Sicherheitsbehörden des Bundes und der der staatlichen Institutionen in Bayern ließ vie- Länder in der Nachkriegszeit war selten Thema le Fragen unbeantwortet. Zum Teil vermittelten in der Öffentlichkeit und noch seltener Gegen- die darin genannten Zahlen jedoch einen ers- stand der Forschung. ten Eindruck davon, wie sehr der öffentliche Dienst auch nach dem Krieg und der „Entna- Wichtige Anstöße zur Thematisierung und de- zifizierung“ wieder von Altnazis durchsetzt war. mokratischen Aufarbeitung der NS-Zeit kamen Zwar wurden bis 31. März 1947 von der Militär- - wenn überhaupt - lange Zeit nahezu aus- regierung 64% der früheren Beamten als Nazis schließlich aus der kritischen Öffentlichkeit so- entlassen, doch fanden sich fast alle zum 1. wie von einzelnen Vertretern der Justiz - und Januar 1952 wieder im Staatsdienst. Bei den gerade nicht von Seiten der staatlichen Institu- Polizisten waren es rund 75%, die nach 1945 tionen, die durch große personelle Kontinuitä- aus politischen Gründen entlassen, dann aber ten gekennzeichnet waren. wieder eingestellt wurden.

Erst in den letzten Jahren hat sich das ge- Umso mehr freut es uns, dass kürzlich im Bay- ändert: Vom Auswärtigen Amt (AA) über das erischen Landtag auf unsere Initiative hin inter- Bundesministerium der Finanzen (BMF), der fraktionell die Einrichtung einer unabhängigen Justiz (BMJ), für Wirtschaft und Technologie Historikerkommission beschlossen wurde, die (BMWi) bis zum Bundesamt für Verfassungs- die NS-Belastung der Staatsregierung sys- schutz (BfV), Bundesnachrichtendienst (BND) tematisch aufarbeiten soll. Nachdem etliche und Bundeskriminalamt (BKA) haben mehrere Bundesministerien und -behörden mit gutem Ministerien und Bundesbehörden Forschungs- Beispiel vorangegangen sind, ist es schließlich projekte zu ihrer NS-Verstrickung in Auftrag auch in Bayern längst an der Zeit, Licht in ein gegeben. trübes Kapitel der Nachkriegsgeschichte zu bringen. Die Forschungsergebnisse werfen zum Teil ein neues Licht auf Geschichte und Entwicklung Wie in diesem Fall waren es im Hinblick auf die der Demokratie der frühen Bundesrepublik. Vor Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zumeist allem aber demonstriert der Staat mit diesen Initiativen der Grünen, die den Freistaat zum selbstkritischen Reflexionen Souveränität und Handeln gezwungen haben. So schlossen sich demokratisches Bewusstsein. Die Auseinan- jüngst die Regierungsfraktionen unserer Forde- dersetzung mit der NS-Vergangenheit und ih- rung nach Freigabe der NS-Schriften an, wenn ren Nachwirkungen in der Bundesrepublik soll- das Urheberrecht ausläuft und Nachdrucke

4 nicht mehr verhindert werden können. Auch bei heitsbehörden der frühen Bundesrepublik. Wir den NS-Orten Obersalzberg, Schwurgerichts- hoffen, mit dieser Studie einen Beitrag zur lü- saal 600 und Kaufering waren es die Grünen, ckenlosen Aufklärung der NS-Verstrickungen die zeitgemäße Konzepte für die Erinnerungs- leisten zu können und danken Dr. Susanne arbeit und die Dokumentation verlangten. Meinl und Dr. Joachim Schröder ganz herzlich für ihre bemerkenswerte Studie. Arbeiten wie Besonders interessant ist aus unserer Sicht diese sowie die ständige selbstkritische Aus- die Entstehungsgeschichte des Bayerischen einandersetzung mit dem eigenen Handeln Landesamts für Verfassungsschutz (BayLfV). und der eigenen Geschichte sind aus unserer Schließlich war nicht nur in der Diskussion über Sicht schließlich ein entscheidendes Kennzei- die Ermittlungspannen des Verfassungsschut- chen einer selbstbewussten, lebendigen und zes rund um die NSU-Morde immer wieder vom zukunftsfähigen Demokratie. sogenannten ‚Geist der Behörde‘ die Rede. Nicht zuletzt im Untersuchungsausschuss des Dr. Sepp Dürr, MdL Bayerischen wurde die Frage aufge- Susanna Tausendfreund, MdL worfen, inwiefern die Mentalität innerhalb des Landesamts für Verfassungsschutz mit dazu beigetragen haben könnte, dass über Jahre in die falsche Richtung ermittelt wurde. Es fällt je- denfalls auf, dass die bayerischen Sicherheits- behörden - von der jahrelangen Duldung der Wehrsportgruppe Hoffmann über das Oktober- festattentat bis hin zu den NSU-Morden - oft- mals auf dem rechten Auge blind waren.

Vor diesem Hintergrund haben wir zwei Historiker/-innen damit beauftragt, die Ent- stehungsgeschichte des BayLfV näher zu be- leuchten. Dr. Susanne Meinl und Dr. Joachim Schröder sind der Frage nachgegangen, wie stark die NS-Verstrickungen in den Grün- dungsjahren waren und welche Auswirkungen dies – möglicherweise bis in die jüngste Ver- gangenheit – auch auf die Ausrichtung und den Geist der Behörde hatte.

Wir freuen uns sehr, Ihnen nun die Forschungs- ergebnisse präsentieren zu können. Sie zeigen am Beispiel des BayLfV das Ausmaß der per- sonellen Kontinuität und des Fortlebens des Gedankenguts zwischen dem Sicherheitsap- parat des Nationalsozialismus und den Sicher-

5 I. Anstatt einer Einleitung: Ein Die bayerische Finanzverwaltung lehnte sein Vorgang im bayerischen Ansinnen unter Hinweis auf seine Gestapo- Staatsministerium des Innern Karriere ab, woraufhin Fumy Protest einlegte. (1965) Er sei, argumentierte er, 1955 für eine leitende Stellung im Bayerischen Landeskriminalamt im Gespräch gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe Im Sommer 1965 ersuchte der ehemalige Kri- man im Innenministerium seinen Lebenslauf minalrat und SS-Sturmbannführer Rudolf Fumy überprüft, nichts Anstößiges gefunden und ihm das bayerische Finanzministerium, ihm bei der die Stellung angeboten. Wie eine interne Kor- Berechnung seiner Pension auch seine wäh- respondenz zwischen Angehörigen des bayeri- rend des Dritten Reichs abgeleisteten Dienst- schen Innenministeriums sowie Schriftwechsel jahre und seine Beförderungen mit anzurech- mit dem Finanzministerium belegen, war diese nen. Fumy bezog Pension als sogenannter Aussage zutreffend. Fumys Karriere war dem „131-er“. So nannte man – aufgrund des Arti- Personal-Verantwortlichen im Innenministeri- kels 131 des Grundgesetzes – diejenigen Be- um in Grundzügen bekannt gewesen, zu de- amten, deren Behörden nach 1945 aufgehört tailliert hatte man es aber offenbar nicht wissen hatten zu existieren und deren Wiederverwen- wollen (zumindest geht dies aus der überliefer- dung und Pensionsangelegenheiten gesetzlich 2 ten Korrespondenz nicht hervor). zu regeln waren.1 Fumy war als Münchner Po- lizeibeamter der „politischen Abteilung“ nach Die Spruchkammerakte Fumys aus seinem der Machtübernahme der Nationalsozialisten Verfahren vor der Lagerspruchkammer des Bayerischen Politischen Polizei von der über- Internierungslagers Ebersberg dürfte dem zu- nommen worden (ab 1936 auch in Bayern: Ge- ständigen Verantwortlichen vorgelegen haben. heime Staatspolizei). Er hatte 12 Jahre der Ge- Aus ihr geht einiges – natürlich längst nicht alles stapo gedient. 1937 war er nach geholt – hervor. Fumy war im August 1948 als „Mitläu- Hauptamt Sicher- worden und hatte im dortigen fer“ eingestuft worden und hatte, wohl wegen heitspolizei (ab 1939: Reichssicherheitshaupt- seiner schon über dreijährigen Internierungs- amt) seinen Dienst fortgesetzt und hatte es vom haft, noch nicht einmal eine Geldbuße zahlen Polizeisekretär bis zum Kriminalrat gebracht – müssen. Folgt man den in der Spruchkammer- dabei dürfte sein SS-Beitritt im Mai 1938 seine akte überlieferten Aussagen ehemaliger Gesta- Karriere nicht unwesentlich gefördert haben. po-Kollegen, so hatte sich Fumy als „pflichtbe- wusster und gewissenhafter Beamter“ niemals etwas zu Schulden kommen lassen, kein Un- recht begangen, sondern nur Befehle ausge- führt. Obwohl Kriminalrat, habe er keine „lei- tende Funktion“ gehabt (so steht es im „Persil- schein“ Friedrich Eckerles, eines aus München stammenden Kollegen und Mitarbeiter Fumys im Reichssicherheitshauptamt). Die Praxis bei der Gestapo, so hatte Fumy seine Tätigkeit Das Bayerische Staatsministerium des Innern (Aufnahme 2013) © Joachim Schröder 1948 selbst resümiert, „war im politisch-polizei- lichen Exekutivdienst nicht wesentlich anders als

6 Die Spruchkammer Ebersberg stuft Fumy am 25.8.1948 als „Mitläufer“ ein (Gruppe IV) © Staatsarchiv München (Spk K 472)

7 bei irgendeinem Referat der .“3 Für setzten Sowjetunion eingehenden Meldungen begangene Verbrechen müssten die Verant- der Einsatzgruppen zusammen und verfasste wortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Berichte, die dann seinem Chef, Gruppenlei- ter Friedrich Panzinger bzw. Amtsleiter (Amt Fumy hatte während seiner Gestapo-Karriere IV Gestapo) Heinrich Müller vorgelegt wurden vor allem im „Kommunismus-Referat“ gear- (beide waren übrigens wie Fumy ehemalige beitet und war ein ausgewiesener Experte in Beamte der politischen Abteilung der Münch- der Bekämpfung des „Bolschewismus“ – al- ner Polizeidirektion). Die Berichte zeugten von lerdings nicht in der Exekutive, sondern in der hunderttausendfachem Mord in der besetzten „Aufklärung“, d.h. Fumy sammelte Informatio- Sowjetunion. Anschließend war Fumy zustän- nen über die illegale Tätigkeit der KPD, legte dig für die Überwachung von ausländischen Karteien und Archive an und schrieb Berichte Zwangsarbeitern (Referat IV D 5).4 für seine Vorgesetzten (wie viele Widerstands- kämpfer aufgrund Fumys Aufklärungstätigkeit In der Spruchkammerakte sind diese Informa- ihr Leben verloren, ist nicht bekannt). Nach tionen für Außenstehende teilweise nur ver- dem Überfall auf die Sowjetunion arbeitete klausuliert erkennbar. Welche Verbrechen die Fumy im Kommandostab der Einsatzgruppen Gestapo gerade bei der Verfolgung der Kom- und -kommandos im Reichssicherheitshaupt- munisten und bei der Überwachung der aus- amt. Er stellte unter anderem die aus der be-

Organigramm des Hauptamts (1937). Das Hauptamt war nach 1934 nach dem Muster der Bayerischen Poli- tischen Polizei umgestaltet worden. Leiter des Hauptamtes war , Chef der Abt. II Heinrich Müller. © Ramme, der SS

8 ländischen Zwangsarbeiter begangen hatte, die vormalige, ebenfalls in Pullach angesiedel- dürfte aber auch einem bayerischen Ministe- te „Organisation Gehlen“) und die US-amerika- rialbeamten nicht unbekannt gewesen sein. nischen Geheimdienste CIA und CIC6 – denn Doch Ministerialrat Dr. Arthur Kääb, Leiter der es liegt auf der Hand, dass die Alliierten den Abteilung für Öffentliche Sicherheit und Ord- Aufbau einer neuen „politischen Polizei“ von nung (IC) im Innenministerium, verließ sich in Anfang an mehr oder weniger eng begleiteten.7 Personalfragen im Allgemeinen auf die um- fassenden Kenntnisse und Erfahrungen des Die Frage, in welchem Umfang Personal und Amtsrats Pösl aus dem Sachgebiet Haushalt/ damit Arbeitsweisen der 1945 aufgelösten Ge- Versorgung, der 20 Jahre im Münchner Polizei- heimen Staatspolizei und anderer NS-Polizei- präsidium gearbeitet hatte und den er in Perso- behörden übernommen wurden, hat die (west) nalangelegenheiten immer zu Rate zog: nach deutsche Forschung bislang kaum beschäf- dessen Ermittlungen habe sich Fumy auch tigt.8 Sie war vor allem in den 1960er Jahren nach 1933 immer „untadelig“ verhalten.5 Aus Gegenstand zumeist polemischer bzw. propa- Fumys Personalnebenakte geht nicht hervor, gandistischer Auseinandersetzungen in Maga- ob seine Initiative wegen seiner Pension von zinen und der Tagespresse, nicht selten im Zu- Erfolg gekrönt war. Interessanter ist jedoch oh- sammenhang mit Publikationen aus der ehe- nehin die Position, für die er im Bayerischen maligen DDR.9 Landeskriminalrat vorgesehen war: er sollte die eben gegründete Abteilung III b – die „Staats- schutzabteilung“ – mit aufbauen (vgl. ausführ- lich Kapitel II.2).

Die im Fall Fumy überlieferte Korrespondenz aus dem bayerischen Innenministerium wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Rekru- tierungspraxis für die neuen bayerischen Si- cherheitsbehörden in Staatsschutzsachen in den 1950er Jahren, zu denen, wie zu zeigen ist, nicht nur das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz zählte. Allerdings werden seine Entstehungsgeschichte, die Grundzüge seiner Organisation und sein leitendes Perso- nal im Zentrum der vorliegenden Broschüre stehen. Die anderen Behörden, mit denen das Landesamt z.T. eng zusammenarbeitete, sind das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln, die davon weitgehend autonom agierenden Verfassungsschutz- und Informationsstellen Die DDR-Führung skandalisierte Anfang der 1960er Jahre mit der anderen Bundesländer, das schon erwähn- verschiedenen Publikationen die personellen Kontinuitäten in te Landeskriminalamt, die bayerische Grenz- bundesdeutschen Behörden und Einrichtungen – mit mäßigem Erfolg. © private Aufnahme polizei, der Auslandsgeheimdienst BND (also

9 Erst in jüngster Zeit bemüht sich die Ge- Zusammenhang mit dem Auffliegen der NSU- schichtswissenschaft, Licht in die Entstehungs- Terror-Zelle für viele nachdenkliche Gesichter geschichte des bundesdeutschen Inlands- wie gesorgt. Und sie haben in Erinnerung gerufen, Auslandsgeheimdienstes zu bringen und stößt dass die lange fällige Diskussion über die Ent- dabei auf manche Schwierigkeit, sei es, weil stehungszeit und die Praxis des deutschen In- Akten noch Schutzfristen unterliegen, aus haltsgeheimdienstes bis heute noch nicht er- nachrichtendienstlichem Quellenschutz nicht schöpfend geführt worden ist. herausgegeben werden oder bereits „kassiert“, also vernichtet worden sind.10 Andere Erkenntnisse aus dem Bereich der Ko- operation des Bayerischen Landesamtes für Nach der Aufdeckung der Morde des „Natio- Verfassungsschutz mit dem BND bzw. der Or- nalsozialistischen Untergrunds“ im November ganisation Gehlen und der CIA entstammen 2011 und dem damit einhergehenden Ver- den Vorarbeiten von Susanne Meinl zur Früh- sagen der Sicherheitsbehörden ist die Frage geschichte der westdeutschen Nachrichten- nach der Entstehungszeit des Landesamtes dienste,12 sowie zu einer ARTE-Dokumentation erneut in den Fokus gerückt: Gab es Traditi- zum Bundesnachrichtendienst.13 onen, Kontinuitäten und Weichenstellungen, die die Behörde so nachhaltig geprägt haben, Für die vorliegende Untersuchung wurden zahl- dass Auswirkungen noch heute spürbar sind? reiche Quellenbestände aus unterschiedlichen Inwieweit sorgte das damalige Klima des Kal- Archiven gesichtet, in erster Linie Personalak- ten Krieges dafür, dass beim Aufbau der Be- ten aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, hörde auf „erfahrenes Personal“ zurückgegrif- dem Stadtarchiv München, dem Archiv des fen wurde, ohne dabei genau auf die morali- BND, dem Bundesarchiv (Freiburg und Berlin), sche und persönliche Eignung des einen oder des weiteren SS-Offiziersakten und NSDAP- anderen Mitarbeiters zu achten? Nutzten die Parteikorrespondenz aus dem ehemaligen Ber- NS-belasteten Beamten ihre zweite Chance zu lin Document Center; Akten im Bundesarchiv einer Demokratie? Berlin; Akten der US-Geheimdienste aus den National Archives (Washington); Ermittlungs- Die vorliegende Broschüre versteht sich als ein und Prozessakten aus dem Staatsarchiv Mün- weiterer Anstoß zu einer unbedingt nötigen, chen und der Zentralen Stelle zur Aufklärung gründlichen Studie. Angeregt wurde sie z.T. von NS-Verbrechen in der Bundesarchiv-Au- durch neue Erkenntnisse, die vergangenen No- ßenstelle in Ludwigsburg und schließlich Akten vember und Dezember in München in der Aus- der Polizeidirektion München im Staatsarchiv stellung „Die Münchner Polizei und der Natio- (ebendort). nalsozialismus“ erstmals einer breiteren Öffent- lichkeit präsentiert wurden.11 In manchen Teilen Wir möchten an dieser Stelle allen Mitarbeite- kann diese Untersuchung auch auf Vorarbeiten rinnen und Mitarbeitern der genannten Archive und Ergebnisse dieses Projekts zurückgreifen. für die große Unterstützung danken, zumal an- Bereits einige der in der Ausstellung präsen- gesichts der oft umfangreichen Bestellwünsche tierten Dokumente und Biographien haben und Kopieraufträge. Es war uns leider nicht angesichts der jüngsten Entwicklungen, der möglich, alle gewünschten Akten einzusehen, zahllosen, haarsträubenden Vorkommnisse im sei es wegen noch laufender Schutzfristen, für

10 deren Verkürzung die Zeit nicht mehr ausreich- te, sei es, weil die Akten noch gar nicht an die Archive abgeliefert worden sind – etwa die in der Antwort der bayerischen Staatsregierung (vom 19.3.2013) auf die parlamentarische An- frage der Grünen (vom 31.1.2012) genannten 53 Personalakten aus dem Landesamt für Ver- fassungsschutz.14 Danken möchten wir auch der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit deren Unterstützung wir in die Lage ver- setzt wurden, diese Untersuchung zu unter- nehmen und zu veröffentlichen.

Susanne Meinl / Joachim Schröder

11 II. Die Zerschlagung des NS- land die Kriminalpolizei seit jeher in erster Linie Überwachungs- und Terror- als ein kriminalpolizeiliches Problem betrachtet staates und die Herausbildung hatte – eine Betrachtungsweise, die sie auch einer neuen Sicherheitsarchi- nach dem Krieg lange nicht ablegte, die Folgen tektur hiervon sind zum Teil heute noch spürbar.

Eine der ersten Anordnungen, die die Besat- Die Alliierten schrieben dem neuen, demokra- zungsmächte dem besiegten Deutschland auf- tischen Deutschland folglich vor, ihre Polizei erlegten, war die Zerschlagung des zentralisti- dezentral zu organisieren. Diesem Programm schen Polizeistaats. wurde in Bayern dergestalt Rechnung getra- gen, dass die Polizei in den größeren Städten zunächst kommunalisiert wurde. Außerhalb der Städte war die „Landpolizei“ zuständig, deren Präsidium in München ihrerseits über eine eige- ne Kriminalpolizei-Abteilung verfügte. Ein Lan- deskriminalamt, zudem mit exekutiven Befug- nissen, war noch nicht denkbar. Eine überregi- onal tätige, zentrale politische Polizei war nach den Erfahrungen des NS-Staates noch weni- ger denkbar. So erscheint es überraschend, Die zerstörte Terrorzentrale: das Wittelsbacher Palais, Sitz der Bayerischen Politischen Polizei bzw. der Münchner Gestapo dass der sozialdemokratische Polizeipräsident, (1933-1945) © Fotoarchiv Marburg Franz Xaver Pitzer, bereits im September 1945 (!) dem ehemals verfolgten Münchner Juristen Nie wieder sollte es eine zentral gesteuerte Dr. Karl Kurz, auch er ein Sozialdemokrat, das Mammutbehörde geben wie das „Reichssicher- Amt des Leiters der politischen Abteilung des heitshauptamt“, das ab 1939 Geheime Staats- Münchner Polizeipräsidiums antrug (wobei da- polizei, Reichskriminalpolizei und den Sicher- von ausgegangen werden kann, dass eine sol- heitsdienst der SS vereint hatte. Die Beamten che sicherlich mit weniger Befugnissen ausge- des Reichsicherheitshauptamts und die diesem stattet gewesen wäre als ihre Vorgängerin, die nachgeordneten, regionalen und lokalen Behör- Gestapo, und erst recht eine andere personelle den hatten nicht nur Deutschland, sondern alle Ausrichtung erhalten hätte).15 besetzten Gebiete mit Verfolgung, Terror und Mord überzogen. Im Nürnberger Prozess wur- Zentralisierungsbestrebungen auf deutscher den die SS und die Gestapo konsequenterwei- Seite waren allerdings auch nach dem Zusam- se zu verbrecherischen Organisationen erklärt menbruch und der Zerschlagung des zentra- – anders als die Reichskriminalpolizei, obwohl listischen Polizeistaats sehr schnell vorhanden, auch diese gefügige Vollstreckerin der verbre- cherischen Ziele des NS-Regimes gewesen war. was nicht überrascht, da ja viele Kriminalisten gerade in der massiven Zentralisierung der Si- Sie hatte Zehntausende als „asozial“ gebrand- cherheitsbehörden einen entscheidenden Vor- markte Menschen ebenso in die Konzentrati- teil für die Verbrechensbekämpfung erblickt onslager einweisen lassen wie Homosexuelle und ihre rasante Entwicklung in den 1930er und Sinti und Roma, deren Präsenz in Deutsch- Jahren nachhaltig befördert hatten. So wurde

12 schon früh festgestellt, dass für verschiedene Kriminalabteilung des Präsidiums der Landpo- Bereiche der Polizeiarbeit überregional tätige lizei übernommen, zusammen mit 76 Mitarbei- Dienststellen von Vorteil wären. Beispielsweise tern.19 Insgesamt weitete sich sein Mitarbeiter- wurde auf die Notwendigkeit eines überregio- stamm von weniger als 50 im Jahr 1947 bis auf nalen Nachrichtendienstes verwiesen, der die über 300 in den 1950er Jahren aus.20 Exekutive nach dem Krieg beachtlich erhöhte Kriminalität Befugnisse erhielt das Zentralamt allerdings eindämmen helfen sollte. Solche Bestrebun- erst 1952 und wurde zugleich in Bayerisches gen waren in ganz Deutschland festzustellen. Landeskriminalamt umbenannt. Ein gutes Beispiel hierfür ist das bereits im Ja- nuar 1946 von der britischen Militärregierung Weitere zentrale bayerische Polizeibehörden gebildete zentrale Kriminalpolizeiamt für die wurden ab 1946 die Bayerische Grenzpoli- britische Zone. Dieses war die Vorläuferorgani- zei (eigenständige Behörde ab 1952), deren sation des späteren Bundeskriminalamts, das Präsidium sich ebenfalls in München befand, 1951 gebildet und in starker organisatorischer sowie die kasernierte und uniformierte Baye- Anlehnung an das frühere Reichskriminalamt rische Bereitschaftspolizei, deren 1. Einheit im konzipiert wurde, mit einer entsprechenden August 1951 in Eichstätt aufgestellt wurde, auf personellen Kontinuität.16 dem Gelände des ehemaligen Arbeitshauses.21 Die Bereitschaftspolizei stand in der Tradition Als Nachfolgebehörde der Münchner Kriminal- der Landespolizei der 1920er Jahre. Wie ihre polizeileitstelle, die überregionale Funktionen Vorgängerin, die 1935 in der auf- wahrgenommen hatte, wurde deswegen be- gegangen war, sollte sie als Eingreiftruppe im reits im Mai 1946 das Landeserkennungsamt Falle innerer oder äußerer Unruhen dienen. Die gebildet – die Vorgängerbehörde des heutigen straffe militärische Grundausrichtung wurde Bayerischen Landeskriminalamts.17 Seine Auf- durch ihren ersten Präsidenten, den ehemali- gabe bestand vor allem in der Sammlung von gen Kommandeur der 6. Gebirgs-Division der Nachrichten und in dem Führen der diversen Wehrmacht, Josef Remold, anschaulich ver- Karteien, die über das Jahr 1945 hinüberge- körpert. Die Bereitschaftspolizei war nicht nur rettet worden waren und die in der Folge ein personell die größte bayerische Polizeieinrich- zentrales Arbeitsmittel der Behörde bilden soll- tung, sie diente zugleich als zentrale Ausbil- ten: die Zehnfingerabdrucksammlung mit über dungsstätte für alle Polizisten.22 1 Million Einträgen, über 400.000 Personen- akten von in strafrechtlicher Hinsicht auffällig Zuständig und verantwortlich für die gesam- gewordenen Bürgerinnen und Bürgern – und te Polizeiorganisation war die 1946/47 wieder nicht zuletzt die sogenannte „Zigeunerkartei“, eingerichtete Polizeiabteilung im Bayerischen in der Aktenmaterial (z.T. von der sogenann- Staatsministerium des Innern, wobei alle Ent- ten „rassenhygienischen Forschungsstelle“ im scheidungen auf diesem Gebiet prinzipiell mit Reichsgesundheitsamt) von über 20.000 Sinti der amerikanischen Besatzungsmacht abzu- und Roma zusammengetragen worden war.18 stimmen waren. Ab 1948 hieß die Abteilung Das Erkennungsamt bzw. Zentralamt zog im „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“, ab 1951 Laufe der Zeit immer mehr überregionale Auf- erhielt sie zusätzlich die Bezeichnung IC. Als gaben an sich und wuchs rasch, auch in per- Leiter der Polizeiabteilung fungierten die Minis- soneller Hinsicht – so wurde im Juni 1950 die terialräte Hans Ritter von Lex (bis 1948), Franz

13 Brandl (bis 1952), Dr. Arthur Kääb (bis 1955), Dr. men und befördert werden können – was sein Alexander Mayer (bis 1962) und Dr. Willi Stoll (bis Vorgesetzter 1951 nachholen wollte.26 Sowohl 1973). Die Gründungszeit des Landesamtes für die US-amerikanische Ermächtigung wie das Verfassungsschutz fällt in die Amtsperiode von Gesetz sanktionierten also lediglich nachträg- Innenminister Willi Ankermüller (CSU). Ihm folg- lich die bereits bestehende Behörde. ten Wilhelm Hoegner (SPD, 1950-54), August Geislhöringer (Bayernpartei, 1954-57), Otto Be- Die Motive, die zur Gründung dieser Behörde zold (FDP, 1957-58), (CSU, 1958- führten, liegen sehr klar auf der Hand: anders 62) und Heinrich Junker (CSU, 1962-66).23 als die Weimarer Republik sollte die bundes- republikanische Demokratie eine „wehrhaf- 1. Das Landesamt für Verfassungsschutz te Demokratie“ sein und über die Möglichkeit Das offizielle Entstehungsdatum des Landes- verfügen, staatsfeindliche Bestrebungen früh amtes ist der 1. November 1950 – so ist es im genug zu erkennen, um gegen sie einschrei- „Geschichtlichen Rückblick“ auf der offiziellen ten zu können. Gemäß der oben beschriebe- Homepage des Landesamtes vermerkt. Ge- nen Aufteilung der polizeilichen Befugnisse setzliche Grundlage dieses (zurückdatierten) sollte die Tätigkeit des Landesamtes für Ver- Gründungsdatums war das am 22. November fassungsschutz, das dem Innenministerium 1950 im Bayerischen Landtag beschlossene nachgeordnet war, allerdings streng auf die „Gesetz über die Errichtung eines Landesam- Sammlung und Auswertung von Nachrichten tes für Verfassungsschutz“.24 Dieses wiederum über solche staatsfeindlichen Tätigkeiten und war zurückzuführen auf das am 29. September Organisationen beschränkt sein. Über exekuti- 1950 in Kraft getretene „Bundesgesetz über die ve Befugnisse sollte das Landesamt gemäß § Zusammenarbeit des Bundes und der Länder 4 (des Gesetzes über die Errichtung eines Lan- in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“, desamtes) nicht verfügen – es sollte auch nicht das in seinem § 2 Abs. 2 die Einrichtung ei- berechtigt sein, anderen Behörden gegenüber ner entsprechenden Landesbehörde forderte. Auskünfte zu erteilen. Dagegen war es dem ihm Der US-amerikanische Landeskommissar für vorgesetzten Innenministerium zu Auskünften Bayern, der dem Amt des Amerikanischen Ho- verpflichtet. In der Begründung für das Gesetz hen Kommissars unterstand, hatte bereits am schrieb Ministerpräsident Ehard ausdrücklich: 20. Februar 1950 die bayerische Staatsregie- „Es wird ausschließlich Sache der Behörden rung ermächtigt, eine ,,kleine Dienststelle zum und Polizeidienststellen sein, das vom Lan- Zwecke der Sicherstellung von Nachrichten über desamt gesammelte und ausgewertete Mate- umstürzlerische Tätigkeiten“ einzurichten.25 Aus rial im praktischen Vollzug zu verwerten.“27 Die der Personalakte eines Mitarbeiters der ersten Ankündigung, es werde sich um eine „kleine Stunde, Franz Hollweck, geht allerdings her- Dienststelle“ handeln, wurde allerdings nur be- vor, dass zum Zeitpunkt dieser Ermächtigung dingt umgesetzt: Waren für das Landesamt bei durch den amerikanischen Landeskommissar seiner Bildung nur 26 Mitarbeiter vorgesehen, das Landesamt bereits existierte: Hollweck ge- so stieg die Zahl seiner Angehörigen bis 1960 hörte ihm seit dem 15. Dezember 1949 an. Da auf 132 (davon 61 Beamte, 64 Angestellte, 7 die Existenz des Amtes zu diesem Zeitpunkt Arbeiter); 1965 waren es bereits 173 Bediens- noch geheim gehalten werden musste, hatte tete.28 Hollweck nicht regulär als Beamter übernom-

14 Das Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Verfassungsschutz vom 22. November 1950 © BayHStA, MInn 97149

15 unerwünschter Bestrebungen bestand. Dieser Traditionslinie war sich auch Ministerpräsident Ehard bewusst, als er den Gesetzentwurf für das Landesamt begründete und erläuterte, wa- rum das Landesamt über keine exekutiven Be- fugnisse verfügen dürfe: „Auf diese Weise wird jeder Anschein einer Gestapo vermieden.“31 Die Traditionslinie wird auch sichtbar bei der Aus- wahl des Personals, das mit dem Aufbau der Behörde beauftragt wurde – und an der dann entstandenen Behördenstruktur und der Ar- beitsweise. Beides soll in den folgenden Kapi- teln illustriert werden.

Der Leiter des Landesamtes, Oberstaatsanwalt Dr. Kurz, be- gründet gegenüber dem Innenministerium (18.9.1951), wes- 1.1 Gründungspersonal halb Hollweck bisher nicht befördert werden konnte, was nun nachgeholt wurde (das Schreiben ist auch in der PA von Hal- Wann genau darüber nachgedacht worden ist, manseger enthalten). © BayHStA, MInn 99663 eine Nachfolgebehörde für die nun nicht mehr existente, überregionale Politische Polizei zu Im offiziellen „Geschichtlichen Rückblick“ des schaffen, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass Landesamtes wird die Auffassung vertreten, parallel zu entsprechenden Bestrebungen auf es sei mit dem Verfassungsschutz eine Ein- Bundesebene auch die Länder den Aufbau von richtung geschaffen worden, für die es „kein Einrichtungen anstrebten, die sich mit der Auf- geschichtliches Vorbild“ gegeben habe.29 Dies gabe des Staatsschutzes beschäftigen soll- ist allerdings allein für den Namen zutreffend ten und dass diese Bestrebungen Ende 1949 – es ist nicht von der Hand zu weisen, dass schon sehr weit gediehen waren. Leiter der die Behörde in einer Traditionslinie steht, und Behörde wurde der Generalstaatsanwalt des zwar in der Tradition der schon im Kaiserreich Verwaltungsgerichtshofes, Wilhelm Frank, ein und in der Weimarer Republik existierenden Jurist, der schon vor 1933 in der Münchner Politischen Polizei, die dann im NS-Staat zum Polizeidirektion die Abt. VI (politische Abtei- zentralen Terrorinstrument des Regimes, der lung) geleitet hatte.32 Als die Nationalsozialis- Geheimen Staatspolizei, umgeformt worden ten an die Macht kamen und Heinrich Himmler war, indem sie aus der allgemeinen Polizei aus- Münchner Polizeipräsident wurde, war Frank, gekoppelt und zugleich mit unkontrollierbaren der ein Parteigänger des konservativen Poli- Machtbefugnissen ausgestattet worden war.30 zeipräsidenten Koch gewesen war, sofort auf einen politisch weniger exponierten Verwal- Die Wahl des Namens für die „neue Behörde“ tungsposten versetzt worden. sollte ganz offensichtlich den Umstand ver- schleiern, dass es sich beim Landesamt um Da Frank seine neue Aufgabe nur „nebenamt- eine Behörde mit einer langen polizeilichen lich“ versah, benötigte er einen kundigen und bzw. nachrichtendienstlichen (mit anderen tatkräftigen Stellvertreter, den man bald in Max Worten: geheimdienstlichen) Tradition handel- Noeth gefunden hatte, einen bereits 54jährigen te, deren Aufgabe in der Überwachung politisch Polizeibeamten. Der ehemalige Kriegsfreiwilli-

16 ge Noeth war Frank noch gut bekannt, denn er extrem vorsichtig sein (Polizeirat Anton Zanker, war ein ehemaliger Kollege und hatte seit 1929 31.10.1946).35 Bei der BPP bzw. der Gestapo die politische Abteilung in der Polizeidirektion war Hollweck in der Abteilung eingesetzt, die Würzburg geleitet. Im Gegensatz zu Frank war mit der Überwachung der katholischen Kirche Noeth, der bereits am 1. Mai 1933 in die NS- befasst war. In dieser Eigenschaft hatte Holl- DAP eingetreten war, allerdings 1934 zum Kri- weck, so ist der Tenor vieler Eidesstattlicher minaloberinspektor befördert und – angeblich Versicherungen, auch von vielen kirchlichen gegen seinen Willen – als Unterabteilungslei- Würdenträgern, offensichtlich keinen übermä- ter zur Bayerischen Politischen Polizei versetzt ßigen Verfolgungseifer an den Tag gelegt. Er worden. Dort blieb er aber nur bis 1935, dann hatte vielmehr zu den verständigeren Gesta- betrieb er seine Versetzung zur Wehrmacht, pobeamten gehört, mit denen man habe reden weil er sich, nach eigenen späteren Angaben, können, wie Josef Müller (der „Ochsensepp“) nicht mit den Arbeitmethoden der Bayerischen ihm am 1.8.1946 bescheinigte: Politischen Polizei identifizieren konnte. Bei der Wehrmacht arbeitete Noeth in ähnlicher Funk- „Hollweck war damals schon mir gegenüber ein tion: im Dienstrang eines Hauptmanns in der anständiger Mensch, bei dem ich mich wunder- Abwehrabteilung. In dieser Abteilung blieb er te, dass er in der Gestapo war. Ich hatte damals bis Kriegsende. Zuletzt Oberstleutnant, wurde schon den Eindruck, dass er offenkundig als alter er an den verschiedensten Frontabschnitten Beamter von der Polizei zur Gestapo gekommen eingesetzt und verfügte über Kontakte (wieder: war und nichts zu tun haben wollte mit SS-Me- nach eigenen Angaben) zum militärischen Wi- thoden.“ derstand des 20. Juli.33 Bereits 1947 war Noeth wieder im „nachrichtendienstlichen Interesse“ Auch bei der Verhaftung des in München sehr für Deutschland bzw. die US-Amerikaner un- bekannten und beliebten Paters Rupert May- terwegs,34 nämlich für die „Organisation Geh- er soll er sich als „gütig und zuvorkommend len“, bis er 1950 stellvertretender Leiter des erwiesen“ haben (Pater Augustinus Rösch, Landesamtes wurde. 9.8.1946). Nach eigenen Angaben hatte Holl- weck, ein Beamter der „alten Schule“ (Max No- Hinzu kamen noch weitere ehemalige Unterge- eth, 14.10.1946), mehrmals versucht, von der bene von Frank aus der Abteilung VIa: zuerst Gestapo wegversetzt zu werden. Dies war ihm der bereits 61jährige Kriminalinspektor Franz aber nie gelungen, auch wenn er in seinem Hollweck. Hollweck war 1933 ebenfalls von Spruchkammerverfahren angab, nach Kriegs- Heydrichs Bayerischer Politischer Polizei über- beginn bei der Wehrmachtsabwehrstelle im nommen worden. Er war bereits seit 1913 Poli- Wehrkreis VII (München) gearbeitet zu haben. zeiangehöriger und seit 1921 an der Münchner Dies war zwar zutreffend, aber er war lediglich Polizeidirektion – ab 1925 in der „politischen dorthin abgeordnet worden und immer noch Nachrichtenabteilung“, zuständig für die Über- Beamter der Gestapo.36 Im Gegensatz zu den wachung der „Rechtsbewegung“, also auch meisten seiner Kollegen trat er allerdings nie der NSDAP. Seine dort erworbenen Kenntnisse der NSDAP bei, und auch nicht der SS (son- ließen ihn, so meinte ein ehemaliger Kollege aus dern lediglich der NSV). Bei den zahlreichen der politischen Abteilung rückblickend, nach Geld-Sammlungen, die die NSDAP unter der der Machtübernahme der Nationalsozialisten Bevölkerung für die verschiedensten Zwecke

17 durchführte, war Hollweck nie anzutreffen, ters der Abteilung für Öffentliche Sicherheit wie ein Blockwart monierte, der ihn ansonsten und Ordnung, Dr. Kääb, noch die besten Emp- nicht für einen Staatsgegner hielt.37 In Verbin- fehlungen und die Bitte des Weihbischofs Dr. dung mit seinen zahlreichen, ihn entlastenden Johannes Neuhäusler (der zahlreichen Ex-Ge- Eidesstattlichen Versicherungen führte dies stapo und SS-Leuten „Persilscheine“ hatte zu- dazu, dass er von der Spruchkammer als „vom kommen lassen und später zu den Mitbegrün- Gesetz nicht betroffen“ eingestuft wurde.38 dern der „Stillen Hilfe“ zählte): „für solche Perso- nen sollte man schon eine Ausnahme machen.“ Hollwecks Versuch, nach der Entlassung aus Dass der Leiter der Polizeiabteilung mehr Ver- der Internierungshaft bei der Landpolizei wie- ständnis für Anliegen wie die Hollwecks hatte derverwendet zu werden, scheiterte allerdings. als Freiherr von Godin, hängt vermutlich mit Ihr erster Präsident, Freiherr von Godin, der seiner eigenen Laufbahn zusammen. Dr. Kääb 1923 zu den Offizieren gehört hatte, die den war von 1934 bis 1944 ebenfalls in einer Polizei- Hitlerputsch niedergeschlagen hatten, be- abteilung tätig, als Ministerialrat und Leiter der schied kühl, es käme „eine Einstellung bei der Abteilung „Verwaltung und Recht“ im Reichs- Landpolizei aus grundsätzlichen Erwägungen innenministerium. 1944 war er – strafversetzt, nicht in Betracht, da H[ollweck] Angehöriger der wie er betonte – stellvertretender Polizeipräsi- Gestapo war.“ dent in München geworden, nach dem Krieg Es halfen auch weder gutes Zureden des Lei- entnazifiziert (Gruppe V) und ins Bayerische

Freiherr von Godin, Chef der Bayerischen Landpolizei, lehnt eine Einstellung Hollwecks aus „grundsätzlichen Erwägungen“ ab (12.11.1948) © BayHStA, MInn 83926 (PA Hollweck)

18 Innenministerium gewechselt.39 Über ein Jahr III (Abwehr-Abteilung) war, geleitet von Ober- später, im Dezember 1949, sperrte sich Godin regierungsrat Karl Brunner, einem alten Frei- immer noch gegen Hollwecks Einstellung und korpskämpfer und Nationalsozialisten, der schob nun vor, es gebe für einen Mann mit sei- zugleich ein hoher SS-Führer war (zuletzt im ner Erfahrung keine Verwendungsmöglichkeit. Generals-Rang als SS-Brigadeführer).41 Die wurde dann einige Wochen später aller- dings im Landesamt gefunden. Die Bayerische Politische Polizei verfügte über insgesamt drei Abteilungen: Abt. I war für Or- Weitere ehemalige Kollegen aus der Abt. VI ganisation und Personal zuständig, die Abt. II, der Münchner Polizeidirektion traten ebenfalls die größte Abteilung, bildete die berüchtigte zur Jahreswende 1949/50 ihren Dienst beim „Exekutive“, unterteilt in Referate, die sich mit Landesamt an: Kriminalkommissar Leonhard den unterschiedlichen Gegnern des Regimes Halmanseger (1892) und Kriminalinspektor befassten. „Gefüttert“ wurde die Exekutive von Franz Blümlhuber (1897), zu einem späteren den Analysen und Beobachtungen der Nach- Zeitpunkt folgte möglicherweise noch Krimi- richtenabteilung, wie Franz Regnath nach dem nalobersekretär Franz Regnath (1904). Bemer- Krieg in Internierungshaft erläuterte: „Dessen kenswerterweise erhielten sie keine Planstellen Aufgabe war es vor und nach dem März 1933, im Landesamt, sondern wurden als Angehö- die Nachrichten aus den politischen Gegnerkrei- rige des Präsidiums der Grenzpolizei geführt sen des jeweiligen Staates zu sammeln und an und von dort an das Landesamt abgeordnet.40 die Exekutivabteilungen weiterzugeben.“42 An- Diese Tatsache wirft ein grundsätzliches Prob- ders als ihr Kollege Hollweck waren Halmanse- lem bei der Untersuchung von Polizeibehörden ger, Blümlhuber und Regnath in den 1930er auf: die Praxis der Abordnung verfälscht die Jahren aber für die Beobachtung der seit 1933 auf dem Papier angegebene Größe einer Be- illegalen KPD und ihrer Nebenorganisationen hörde. Solche Abordnungen können einfache, zuständig. haushaltstechnische Ursachen haben (etwa weil der Haushalt die Schaffung einer nötigen Keiner der drei war vor 1933 Nationalsozia- Planstelle nicht zulässt). Natürlich kann durch list gewesen, den neuen Machtverhältnissen diese Praxis auch die tatsächliche Größe einer passten sich nach 1933 aber alle früher oder Behörde bewusst verschleiert werden. Mit der später an: Halmanseger und Regnath traten Einstellung Blümlhubers und Halmansegers 1937 in die SS ein, aber erst 1941 der NSDAP; bei der Grenzpolizei liegt die Vermutung nahe, Blümlhuber war bereits 1937 der NSDAP bei- dass ein anderes Problem umgangen werden getreten und 1938 auch der SS (nachdem er sollte. Wie Hollweck hatten auch sie 12 Jahre bereits von November 1933 bis Dezember 1934 bei der Gestapo gearbeitet, nur waren sie we- der SA angehört hatte).43 Über Blümlhuber hieß sentlich tiefer in die verbrecherische Tätigkeit es in einer politischen Beurteilung durch seinen der Behörde involviert. Eine Einstellung bei der NSDAP-Ortsgruppenleiter vom 14. Juli 1937: Grenzpolizei erschien offensichtlich weniger „Dem Nationalsozialismus steht er bejahend brisant als beim Verfassungsschutz. gegenüber. Er ist Mitglied der SS und der NSV. Der V[ölkische]B[eobachter] wird gelesen.“44 Alle Alle drei stammten aus der Nachrichtenab- drei traten aus der katholischen Kirche aus und teilung der Gestapo, die Bestandteil der Abt. bezeichneten sich in ihren SS-Akten als „gott-

19 „Von dem verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus hatte ich keine Kenntnis“. Blümlhuber, zuletzt immerhin Dienst- stellenleiter bei der Gestapo Salzburg, in seiner Erklärung im Internierungslager (10.1.1947). © StAM, Spk K 157 (Blümlhuber)

gäubig“, machten aber keine sonderlichen SS- Beamten der ehemaligen politischen Abteilung Karrieren – Halmanseger brachte es zum SS- der Münchner Polizeidirektion mit V-Leuten Hauptsturmführer, die anderen blieben zwei und „agents provocateurs“ (Lockspitzeln), ins- Dienstränge darunter (Untersturmführer). Hal- besondere aus dem kommunistischen Milieu. mansegers Leistungen bei der Gestapo waren Im Unterschied zu vorher verfügte die Bayeri- so hervorstechend, dass er von seinem ehe- sche Politische Polizei aber nun mit „Schutz- maligen Münchner Vorgesetzten, Heinrich Mül- haft“ und KZ über unbeschränkte Druckmittel ler, 1938 nach Berlin in das „Hauptamt Sicher- und es gab auch niemanden, der die schon heitspolizei“ geholt wurde (im Krieg verschmol- 1933 praktizierten, massiven Misshandlungen zen mit SD und Reichskriminalpolizeiamt zum von Häftlingen durch Polizeibeamte kontrol- Reichssicherheitshauptamt). Seine Einstellung lierte. Ein besonders erfolgreicher Spitzel, der zur nationalsozialistischen Weltanschauung weit über 100 KPD-Aktivisten (und solche, die wurde in seiner Beurteilung als „gefestigt“ be- lediglich unter Verdacht standen) der Gestapo zeichnet.45 auslieferte, war der Kommunist Max Troll. Viele der von ihm Denunzierten überlebten Gesta- Was Regnath bei der Erläuterung seiner Arbeit po- und anschließende KZ-Haft nicht. Troll war 1948 freilich verschwiegen hatte, waren die bereits kurz nach dem 10. März 1933 verhaf- Umstände und Arbeitsbedingungen, die sich tet worden und gehörte gemeinsam mit sei- „nach dem März 1933“, also der Machtüber- nen zwei Brüdern zu den ersten Häftlingen des nahme der Nationalsozialisten, deutlich geän- Konzentrationslagers Dachau. Er wurde bereits dert hatten. Wie schon vor 1933 arbeiteten die nach wenigen Wochen entlassen, musste sich

20 allerdings gegenüber den Beamten der Baye- Auch danach arbeitete der Spitzel Max Troll nach- rischen Politischen Polizei verpflichten, künftig weislich noch jahrelang für die Gestapo. 1939 mit ihnen zusammen zu arbeiten. Dieses „An- trat er eine Stellung bei den Bayerischen Flug- gebot“ konnte Troll nicht ablehnen. Einer der zeugwerken in Augsburg an – sein Bewerbungs- ihn betreuenden Beamten drohte ihm offen da- gesuch wurde in einem Schreiben des Leiters mit, dass im Falle der Kooperationsverweige- der Abwehr-Abteilung der Münchner Gestapo, rung seine beiden noch im KZ Dachau befind- ORR und (zu dieser Zeit) SS-Obersturmbannfüh- lichen Brüder „umgelegt“ würden. Der Beam- rer Karl Brunner, an den Abwehrbeauftragten der te, der diese Drohung aussprach, nannte sich Flugzeugwerke „wärmstens“ befürwortet. Nach „Würrer“ – dies war aber nur der Deckname des dem Krieg erhielt Troll von der Spruchkammer Kriminalbeamten Leonhard Halmanseger, dem Regensburg eine der härtesten ausgesproche- Kollegen Regnaths.46 Die „Zusammenarbeit“ nen Strafen: zehn Jahre Arbeitslager, Vermögen- mit Troll konkretisierte sich ab dem Jahr 1934 seinzug, weitgehende Berufsverbote und den und dank der Spitzeldienste von Troll gelang es Entzug des Wahlrechts. Seine ehemaligen Agen- der Bayerischen Politischen Polizei, fast die ge- tenführer traf es also weit weniger hart. Als ehe- samte illegale KPD bis 1935 zu zerschlagen.47 malige Gestapo-Beamte kamen sie zwar durch- weg in automatischen Arrest und verbrachten bis zu drei Jahren in Internierungslagern. Nach ihrer Entnazifizierung, in der alle drei als „Mitläu- fer“ eingestuft wurden, stand ihnen aber bald die Rückkehr in den Staatsdienst offen. Schuldbe- wusstsein ließen sie nicht erkennen – so äußerte sich Halmanseger in seinem Spruchkammerver- fahren zu den Anschuldigungen Trolls wie folgt:

„Es stimmt, daß Troll Vertrauensmann der dama- ligen Bayerischen Politischen Polizei war. Er war auf dem Gebiet der Bekämpfung des Kommu- nismus eingesetzt. Ich bezweifle, ob man diese Abwehr gegen den Kommunismus als unsittlich oder gegen irgendwelche Gesetze verstoßend bezeichnen kann, nachdem heute sogar die meisten Staaten, welche der Uno angehören, entsprechende Maßnahmen gegen den Kom- munismus eingeleitet haben.“48

Neben der sich durch den Kalten Krieg immer Eidesstattliche Erklärung Blümelhubers für seinen Kollegen mehr wandelnden politischen Atmosphäre hal- Franz Regnath (Internierungslager Eselheide, 14.5.1947). Von Vorteil war in diesen Erklärungen, wenn bescheinigt wurde, fen bei der Rückkehr in den Staatsdienst vor nicht an „exekutiven Handlungen“ beteiligt gewesen zu sein. © StAM, Spk 1388 (Regnath) allem die vielen Kontakte zu ehemaligen Kol- legen, die sich etwas weniger exponiert hatten und die ihnen schon für ihre Spruchkammer-

21 verfahren zahlreiche „Persilscheine“ verschafft Spielraum vorhanden war, „durchaus gerecht hatten – auch ehemalige Häftlinge sagten für und menschlich“ entschieden (Erklärung vom sie aus, wobei der Verdacht naheliegt, dass es 6.3.1958). Friedrich Panzinger (1903), ehemals sich gerade bei diesen um Gefälligkeitsschrei- Gruppenleiter im RSHA unter Müller und erst ben ehemaliger V-Leute handelte. 1955 als „Nicht-Amnestierter“ aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen, erklärte, dass Mül- Der Tenor in den Persilscheinen war immer der- ler ein „intellektmäßig hervorragend begabter selbe: der Betroffene sei gegen seinen Willen Mensch“ gewesen sei, der „beste Sachkenner der zur Gestapo versetzt worden, habe lediglich als kommunistischen Bewegung“, der auch seinen „Beamter der alten Schule“ seine Pflicht erfüllt Vorgesetzten mutig widersprochen und man- und in vielen Fällen auch mildernd gewirkt, weil ches „abgebogen“ habe. Er habe immer auf den er innerlich gegen die Methoden der Gestapo Prinzipien der Menschlichkeit und Gerechtigkeit eingestellt gewesen sei. Als Leser der zahllo- gestanden. Der Charakter Müllers müsse, so sen Eidesstattlichen Versicherungen in den Panzinger, gesehen werden „aus der Entwicklung Spruchkammerakten ist man irgendwann ge- im ersten Weltkrieg und der immer gefährlicher neigt, sich auf solche Erklärungen einzulassen werdenden Drohung des Bolschewismus, den zu und in einzelnen Fällen eine gewisse Glaub- bekämpfen ihm Lebensaufgabe geworden war.“ haftigkeit zu bescheinigen. Wie vorsichtig man mit dieser Quellengattung umzugehen hat, Der amerikanischen Besatzungsmacht blieb illustriert anschaulich die überlieferte Spruch- natürlich nicht verborgen, welches Personal kammerakte Heinrich Müllers, des Chefs der das Bayerische Staatsministerium des Innern Gestapo im Deutschen Reich („Gestapo-Mül- da zum Aufbau des neuen Landesamtes her- ler“), auch er ein ehemaliger Polizeibeamter der anziehen wollte. Als dem Landeskommissar für Politischen Abteilung VI. Seine hinterbliebene Bayern, George N. Shuster, die Liste der vor- Ehefrau betrieb dieses Verfahren, weil sie ihre gesehenen Beamten am 26. Februar 1951 vor- Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung gel- gelegt wurde (zu diesem Zeitpunkt waren die tend machen wollte und daher einen Entnazifi- genannten Beamten bereits über ein Jahr für zierungsbescheid benötigte. Hierfür mobilisier- das Landesamt tätig), legte er ein Veto ein. Er te sie ehemalige Münchner Untergebene ihres ließ Innenminister Hoegner (SPD) am 30. April Mannes, unter ihnen Halmanseger, der ab 1938 1951 wissen, dass von den sechs vorgeschla- Müller ins Hauptamt Sicherheitspolizei gefolgt genen Bewerbern nur zwei genehmigt würden und dort wieder unter Müller gearbeitet hatte: (Heinrich Löhr und Max Noeth). Die übrigen dagegen (Franz Blümlhuber, Leonhard Hal- „Müller war gegen seine Untergebenen zwar ein manseger, Franz Hollweck und Curt Boettiger) strenger aber gerechter Vorgesetzter. Er war ein lehnte er ab und begründete dies mit „Tatsa- tüchtiger und überaus fähiger Beamter. Sein ruhi- chen in der Vergangenheit dieser Bewerber, die ges und bescheidenes Wesen[,] das er an den Tag für Angestellte eines demokratischen Amtes für legte, schätzten seine Untergebenen sehr hoch.“49 Verfassungsschutz erforderlichen Grundsätzen nicht entsprechen.“50 Der Kriminalrat zur Wiederverwendung Fritz Sei- Heinrich Löhr (1897) wurde offensichtlich des- bold (1909) meinte, Müller sei ein Beamter der wegen sofort genehmigt, weil er der einzige Weimarer Republik gewesen und habe, sofern Beamte auf der Liste war, der nicht der Gesta-

22 po angehört zu haben schien. Dabei war auch Riedmayr in seiner Beurteilung schrieb, größ- er nicht unbelastet. Als langjähriger Beamter tes Verständnis entgegenbrachte.53 Die Ein- der Verwaltungspolizei und der politischen Ab- stellung des von den Amerikanern abgelehnten teilung war auch Löhr 1933 zur BPP übernom- Curt Boettiger war offensichtlich komplizierter. men worden.51 Bald darauf kam er aber zum Boettiger war ein sogenannter „Fragebogen- Polizeipräsidium zurück, wo er zunächst eben- fälscher“, d.h. er hatte auf dem Meldebogen, falls in der (im Gegensatz zur BPP weit weni- den die Alliierten an alle Deutschen ausgege- ger bekannten) politischen Abteilung tätig war. ben hatten, einen falschen Namen angegeben Seit Juni 1937 war er Mitglied der NSDAP und – ganz offensichtlich, um seine Tätigkeit wäh- ab 1942 sogar Blockwart, vor allem aber wur- rend des NS-Regimes zu verschleiern. Boetti- de er als 44jähriger Polizeioberinspektor 1941 ger arbeitete nachweislich jedoch bereits seit Leiter der Präsidialabteilung unter insgesamt mindestens 1953 als V-Mann-Führer für das drei nationalsozialistischen Polizeipräsiden- Landesamt. Er führte nach einem Agent Report ten (1942 Beförderung zum Pol. Amtmann). des US-amerikanischen Counterintelligence Hiermit verbunden war auch die Funktion des Corps vom Februar 1954 einen der Stiefsöhne Personalverantwortlichen – ein Amt, das Loehr des letzten Kaisers, Ferdinand Prinz von Schö- nach Aussagen ehemaliger Kollegen neutral naich-Carolath, als „a general Utility source con- ausgefüllt haben soll, ohne sich zu sehr als Na- cerning refugee groups and personalities in the tionalsozialist zu exponieren. Als Loehr nach area.“54 Boettiger arbeitete bis Ende der dem Krieg um Wiederverwendung im Polizei- 1950er Jahre im Landesamt, wurde zwischen- präsidium ersuchte, sperrte sich allerdings Po- zeitlich aber auch an das Landeskriminalamt lizeipräsident Pitzer zunächst dagegen. Als er abgeordnet.55 nach vollzogener Entnazifizierung (Gruppe IV, Mitläufer) seinen Widerstand aufgab, wider- Die meisten Bedenken der Amerikaner konn- sprach der Betriebsrat seiner Wiedereinstel- te Innenminister Hoegner offensichtlich im lung, zumal in leitender Funktion: Laufe der nächsten Monate zerstreuen. Am 9. Oktober 1951 teilte Landeskommissar Shus- „Die beabsichtigte Wiedereinstellung des Amt- ter Hoegner mit, dass gegen eine Einstellung mannes Löhr als Dienststellenleiter hat nach Be- Blümlhubers und Halmansegers bei der Grenz- kanntwerden bei den Angehörigen der Verwal- polizei und ihre gleichzeitige Verwendung beim tungspolizei große Unruhe ausgelöst. Es kann Verfassungsschutz „zum Zwecke der Einholung nicht verstanden werden, daß der ehemalige von Auskünften“ ebenso wenig Bedenken mehr Personalchef des Polizeipräsidiums des Dritten erhoben würden wie im Falle Hollwecks. Sein Reich[s] nun wieder als Dienststellenleiter ver- Missfallen über die Personalpolitik des Staats- wendet werden soll.“52 ministeriums verbarg er allerdings nicht:

Gut zwei Jahre später fand Löhr Verwendung „Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß es mir beim Landesamt. Seine große Erfahrung als unmöglich ist, noch einen weiteren Bewerber für Verwaltungsbeamter, insbesondere in Haus- das Bayer. Landesamt für Verfassungsschutz zu halts- und Organisationsfragen, wurde dort genehmigen, dessen Vergangenheit, frühere Tä- sehr gebraucht, zumal er den „Besonderheiten tigkeit oder politische Verbindungen in irgendei- des Amtes“, wie sein damaliger Vorgesetzter ner Hinsicht zu wünschen übrig lassen.“56

23 Eine andere Liste mit Personalvorschlägen des Und diese Freiheit betraf, eingeschränkt aller- Staatsministeriums des Innern hatte keinen dings durch US-amerikanisches Mitsprache- Widerspruch erregt. Über die darauf befindli- recht, auch die Auswahl von möglicherweise chen Namen – vermutlich eher untergeordne- NS-belastetem Personal. In der beginnenden tes Personal57 – konnte allerdings bisher nichts Hochphase des Kalten Kriegs blickten die weiter in Erfahrung gebracht werden, mit Aus- amerikanischen Sicherheitsbehörden wie die- nahme des Hugo Stein. Stein (1912) war kein jenigen der Bundesrepublik nicht auf die Ver- ehemaliger Polizeibeamter sondern gelernter gangenheit, sondern auf die Gegenwart. Ge- Kaufmann, hatte aber von 1930 bis 1943 bei fragt waren langjährige Erfahrungen im Polizei- Reichswehr und Wehrmacht gearbeitet, bis er und Nachrichtendienst sowie eine ausgeprägte in Tunesien in Gefangenschaft geriet. Er war antikommunistische Einstellung – und beides politisch unbelastet und ging nach 1945 zur hatten die hier vorgestellten Beamten in sehr Kriminalpolizei Augsburg wo er eine Zeit lang ausreichendem Maße unter Beweis gestellt. eng mit dem amerikanischen Heeresgeheim- Zwei Ausschnitte aus Beurteilungen Leonhard dienst CIC zusammenarbeitete, der seine Ver- Halmansegers illustrieren, wie sehr der Um- wendung im Landesamt offensichtlich emp- stand, dass der Betroffene für eine verbreche- fahl. Dies war auch der Grund, weshalb er ein- rische Organisation tätig gewesen war, nicht gestellt wurde, die fehlende Beamtenlaufbahn nur verblasste, sondern aus der Personalakte schien zunächst ein Hindernis zu sein.58 Da praktisch getilgt wurde. aber ein großer Mangel an geeignetem Perso- nal bestand, wurde Stein schließlich eingestellt. „Einstellung zum demokratischen Staat: Beden- Noch im Januar 1952 entschuldigte Ministeri- kenfrei; [...] „flotter, äußerst rühriger Arbeiter, fin- alrat Dr. Wreschner aus dem Staatsministerium diger, anständiger Mensch; [...] erheblich über des Innern in einem Schreiben an die Landes- Durchschnitt“. personalverwaltung die bisweilen unorthodoxe (Zwischenbeurteilung durch Amtsleiter Kurz, Rekrutierungspraxis des Landesamtes: 19.2.1952)

„Das im Aufbau befindliche Bayerische Landes- „Halmanseger ist ein seit Jahrzehnten auf dem amt für Verfassungsschutz ist zur Zeit wegen Gebiet des politischen Nachrichtenwesens er- Personalmangel noch nicht voll arbeitsfähig. Es fahrener Beamter, der sich beim Aufbau des Am- benötigt insbesondere dringend geeignete Er- tes hervorragend bewährt hat. Er darf mit Recht mittlungsbeamte. Bei der Auswahl muß entspre- als eine der Stützen des Amtes angesprochen chend den besonderen Aufgaben dieses Amtes werden.“ [...] nach Gesichtspunkten vorgegangen werden, (Schreiben LfV an SdI, 14.3.1953, fordert offizi- die es nicht immer zulassen, daß in erster Linie elle Versetzung H.’s an das LfV) darauf geachtet wird, ob der Bewerber die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorge- schriebene Anstellungsprüfung bereits abgelegt hat. Dem Leiter des Amtes mußten weitgehende Freiheiten bei der Auswahl eingeräumt werden.“59

24 Schreiben des US-Landeskommissars für Bayern, George N. Shuster, 9.10.1951 © BayHStA, MInn 99663 (PA Halmanseger)

25 „Einstellung zum demokratischen Staat: Bedenkenfrei“. Zwischenbeurteilung des Grenzjägeroberkommissärs Halmanseger durch Dr. Kurz, den Leiter des Landesamtes, 19.2.1952. © BayHStA, MInn 99663 (PA Halmanseger)

26 1.2 Aufgaben und Struktur: schaffung [war] - ein Referat 3 für den Teilbe- Der Geschäftsverteilungsplan reich Emigration, also Ausländerextremismus, Das Gesetz über die Errichtung eines Landes- zuständig.“61 Im Stellenplan 1953 sei erstmals amtes für Verfassungsschutz vom 22. Novem- die seinerzeit für die Spionageabwehr übliche ber 1950 enthielt naturgemäß keine Details zu Bezeichnung II G erschienen. Diese Abteilung Aufgaben und Struktur außer allgemein gehal- ist jedoch laut einer Entscheidung der Bundes- tene Regelungen wie der Möglichkeit der Er- innenministerkonferenz vom 8. Oktober 1954 richtung von Außenstellen und dem Verhältnis erst danach eingerichtet worden.62 Oder war zum Bayerischen Staatsministerium des Innern man in Bayern angesichts der Verhältnisse vor („nachgeordnete Behörde“). Generalakten, Ort (Grenze zur DDR und zur CSSR) einfach Ausgaben und Etat sowie Geschäftsvertei- nur schneller mit dem Ausbau der Spionage- lungspläne sind nur selektiv zugänglich, letzte- abwehr? re gegenwärtig auch nur für die Zeit von 1952 bis 1957.60 Für 1957 ist im Bestand der Polizeidirektion München ein relativ detaillierter Geschäftsver- Laut einem auf der Homepage des Bayerischen teilungsplan aus dem Februar überliefert.63 Landesamtes für Verfassungsschutz erwähn- ten Organisations- und Stellenplan für das Jahr Für die im Geschäftsverteilungsplan noch of- 1952 lassen sich mindestens zwei Abteilungen fenen Stellen wurden bis zum Ende der Ära ablesen: „In der Abteilung II - Nachrichtenbe- Riedmayr etliche Mitarbeiter neu eingestellt

27 oder mit den Posten betraut. Regierungsrat Al- Er solle ihm die Personen in der „Internationa- bert Hofmann übernahm nach dem Ausschei- le der Kriegsdienstgegner“, in der „Deutschen den von Noeth im Oktober 1959 die Leitung Friedensunion“ und dem „Deutschen Kultur- der Beschaffung, im Bereich der Abteilung II tag“ benennen, die durch ihren Einfluss da- wirkte Oberregierungsrat Ernst Proksch.64 Eine für sorgen könnten, dass die Organisationen erneute Aufstockung erfuhr das Amt mit dem kommunistisch gelenkt würden.69 Es sei für ihn Antritt von Karl Sturm: Auf einer Teilnehmerliste nicht erwiesen, dass der besagte Herr wirklich eines Briefings durch die CIA „on the Russian aus seinem – Goppels – Ministerium stamme, Target“ im November 1965 sind neben Schrei- aber er könne sich nicht vorstellen, dass „Sie, eder, Hofmann, Müller, Lechner und Hierl zahl- Herr Minister, von solchen Aktionen wissen, ge- reiche neue Namen enthalten.65 Die genaue schweige denn, sie gutheißen oder gar veranlas- Aufschlüsselung von Abteilungen, Referaten sen“! Wie kämen seine Beamten auf den ab- und Mitarbeitern der sechziger Jahre muss ei- wegigen Gedanken, ihn als Spitzel anwerben ner späteren Studie vorbehalten bleiben. zu wollen: „Sicherlich wurde ich bewusst dazu ausersehen, weil man wieder einmal einen frei- Anhand der gescheiterten Anwerbung des schaffenden Künstler mit einem asozialen Men- Carlo Schellemann sei abschließend ein Fall- schen verwechselt wie das schon vor 20 Jahren beispiel aus dem Alltag des bayerischen Ver- so war.“ Er werde das für keine Macht der Welt fassungsschutzes im Kalten Krieg erzählt, das tun – spitzeln – da durch solche Handlungen vielleicht ein wenig den eingangs erwähnten die moralischen Grundlagen des menschlichen „Geist des Hauses“ illustriert.66 Zusammenlebens aufs Furchtbarste gefährdet werden: „Ich kenne leider auch die Gründe, wo- Am 16. April 1962 erhielt der Augsburger Maler mit man heute dieses Vorgehen entschuldigt, ich und Graphiker Carlo Schellemann67 in seinem weiß, welche Verheerung das Schlagwort des Atelier den Besuch eines ihm unbekannten Her- Antikommunismus in unseren Gehirnen ange- ren. Dieser stellte sich als Beamter des Bayeri- richtet hat. Ich allerdings sehe keine Veranlas- schen Innenministeriums namens „Mainz“ vor sung, diese folgenschwere Mode mitzumachen, und versuchte Schellemann für eine V-Mann- welche den Menschen allzu oft Recht und Un- Tätigkeit anzuwerben. Denn der Maler war in recht verwechseln läßt.“ der Friedensbewegung engagiert und stell- te auch regelmäßig in Berlin-Ost seine Werke Der Brief an Goppel ließ das Telefon im Lan- aus. Offenbar neugierig geworden, was der desamt klingeln. Der stellvertretende Leiter Verfassungsschutz denn von ihm wolle, stimm- der Auswertung, Regierungsrat Albert Müller, te Schellemann einem zweiten Gesprächster- musste Rede und Antwort stehen, bevor am min im Mai zu, um danach dem Bayerischen nächsten Tag die Anfrage aus dem Ministeri- Minister des Inneren, Alfons Goppel, den hier um an Präsident Sturm erging, ob über Herrn auszugsweise abgedruckten, wütenden Brief Schellemann denn Erkenntnisse vorgelegen zu schreiben.68 hätten, nach denen die Aufnahme eines Kon- taktes mit ihm als vermutlich erfolgverspre- Er müsse Goppel vom Besuch eines Beam- chend oder wenigstens einigermaßen unge- ten seines Ministeriums unterrichten, der ihm fährlich angesehen werden konnte? Der Leiter einen verstörenden Vorschlag gemacht habe. der Abteilung Beschaffung, ­Oberregierungsrat

28 Kalter Kriegs-Alltag: die (gescheiterte) Anwerbung des Carlo Schellemann © BayHStA, MInn 97149

29 30 31 32 33 34 35 36 Hofmann, musste dazu Stellung nehmen. Hof- mann verwies zunächst auf Schellemanns zahlreiche Ostkontakte, vor allem in die DDR. Nach den „Forschungsunterlagen“ und den Äußerungen verschiedener Kontaktpersonen habe eine „Ansprache“ durchaus erfolgver- sprechend ausgesehen. Man hatte Schelle- mann also über längere Zeit beobachtet und sein Umfeld durch einen so genannten „For- scher“ sondiert, bevor der besagte Herr mit dem sicherlich falschen Namen auf Schelle- mann zutrat und ihn zu werben, „anzuspre- chen“, versuchte. Nach Hofmanns Ausführun- gen griff der im Innenministerium für Fragen des Verfassungsschutzes zuständige Minis- terialrat Freiherr Friedrich Traugott Leuckart von Weißdorf wiederum zum Telefon und ent- schuldigte sich bei Schellemann. Hier habe ein kleiner Beamter einen Fehler begangen, was den aufgebrachten Künstler jedoch nicht be- ruhigen konnte. Er erwarte eine Begründung für das beleidigende Angebot. Die kam erst nach Wochen: Man habe geglaubt, dass man im Hinblick „auf Ihren ausgedehnten Bekann- tenkreis und Ihre weitverzweigten Beziehungen in Augsburg“ Schellemann zur Unterstützung im „Abwehrkampf gegen den Kommunismus“ ansprechen könne. 1963 gelangte das beson- dere Angebot des bayerischen Verfassungs- schutzes an Schellemann in einem Bulletin des „Deutschen Kulturtages“ an die Öffentlichkeit, doch im Landesamt hielt man es für geraten, darauf nicht zu reagieren.

35 36 1.3 Die Präsidenten des LfV sessorexamen bestanden hatte, verhaftet und In dem für die vorliegende Untersuchung in- in das KZ Dachau verschleppt, aus dem er erst teressierenden Betrachtungszeittraum wurde Ende Juli 1933 entlassen wurde. Die folgenden das Landesamt für Verfassungsschutz von vier vier Jahre war er erwerbslos und musste von Männern geleitet: Generalstaatsanwalt Wilhelm staatlicher Unterstützung leben. Kurz bemüh- Frank (1950-51), Oberstaatsanwalt Dr. Karl te sich vergeblich um Aufnahme in den NS- Kurz (1.9.1951 bis Oktober 1954), Oberstleut- Rechtswahrerbund, der maßgeblichen Einfluss nant a.D. Martin Riedmayr (Oktober 1954 bis auf die Vermittlung von Stellen für Juristen März 1960) und Dr. Karl Sturm (ab März 1960). hatte und bewarb sich – ebenfalls vergeblich Auf eine ausführlichere Vorstellung Franks soll – als juristische Hilfskraft bei der Wehrkreisver- hier verzichtet werden, da er das Amt nur sehr waltung. 1938 fand er schließlich eine Stelle kurz und auch nicht hauptamtlich leitete. als einfacher Angestellter bei der Bayerischen Vereinsbank – bis er 1940 zur Wehrmacht ein- gezogen wurde.70

Nach dem Krieg kam Kurz schnell zum Justiz- ministerium, er arbeitete in der Folgezeit bei der Münchner Staatsanwaltschaft II. Von dort wur- de er an das Sonderministerium für politische Befreiung abgeordnet. 1951 konnte ihn Hoeg- ner dazu gewinnen, das Amt des Leiters des Landesamtes für Verfassungsschutz zu über- nehmen, das er am 1. September 1951 antrat. Kurz scheint von dieser neuen Aufgabe nicht allzu überzeugt gewesen zu sein, denn er ließ sich versichern, dass er nach einer Frist von drei Jahren selbst darüber entscheiden könne, ob er das Amt fortführen, oder wieder zurück-

Der Jurist Dr. Karl Kurz, Leiter des Landesamtes (1951-1954). kehren könne. Möglicherweise fühlte sich Kurz Nach drei Jahren kehrte er auf eigenen Wunsch zurück an den Verwaltungsgerichtshof. Unter ihm und seinem Stellvertreter, auch nicht sicher genug, das Amt auszufül- Max Noeth, fielen wichtige personelle Grundsatzentscheidun- len. Denn es hatte im Ministerrat Widerstände gen. © BayHStA, MJu 26645 (PA Kurz) gegen seine Ernennung gegeben, die – ver- Karl Kurz mutlich von seinem Parteifreund, Innenminis- Sein Nachfolger, Dr. Karl Kurz war wie Frank ter Hoegner selbst - erst ausgeräumt werden Jurist. Vor allem war er ein Parteifreund des mussten.71 Zudem mag ihm fraglich erschienen sozialdemokratischen Innenministers Wilhelm sein, ob er sich in seinem neuen Amt als offen Hoegner und hatte seit 1945 bereits verschie- bekennender sozialdemokratischer Jurist tat- dene, politisch bedeutsame Ämter bekleidet, sächlich als Leiter durchsetzen konnte. Jeden- u.a. war er beim Ministerium für politische Be- falls entschied sich Kurz nach drei Jahren tat- freiung tätig gewesen. Kurz war politisch unbe- sächlich, ins Justizministerium zurückzukehren lastet. Schon vor 1933 als Sozialdemokrat ak- (die Ursachen für diesen Schritt sind unbe- tiv, wurde er 1933, nachdem er gerade sein As- kannt). Er wurde zur Staatsanwaltschaft beim

37 Oberlandesgericht München versetzt und blieb mandeurs der Münchner Schutzpolizei, Lud- dort bis zu seiner Pensionierung. wig Mühe, der später in die Polizeiabteilung des Innenministeriums wechselte und zugleich zum Befehlshaber der im ge- samten Wehrkreis VII aufstieg.

Riedmayr war offenbar kein glühender Nazi, aber hatte der NSDAP zumindest zum Zeit- punkt ihrer Machtübernahme wohlwollend ge- genüber gestanden. Als alter Front- und Frei- korpskämpfer (Freikorps Epp) hatte er mit der völkischen Szene sympathisiert – 1933 trat er auch umgehend in die NSDAP ein und profitier- te von der bald einsetzenden Militarisierung der Münchner Polizei. Im Sommer wurde er zum Polizeihauptmann und Leiter des 1. Münchner

Polizeibezirks befördert. Er stieg in der Folge Martin Riedmayr, der erste „Präsident“ des Landesamtes. Un- rasch auf und gehörte, zuletzt im Rang eines ter seiner Ägide verdreifachte das Landesamt seinen Perso- nalbestand (Aufnahme vor 1945, aus seiner Zeit als Schutzpo- Oberstleutnants, bald zum Führungszirkel der lizei-Offizier im Polizeipräsidium München). © BayHStA, MInn 84717 (PA Riedmayr) Münchner Schutzpolizei, gemeinsam mit Lud- wig Mühe und Karl Hösl (der nach dem Krieg Martin Riedmayr Leiter des Ausbildungsbetriebes der Polizei- Unter Martin Riedmayr (1896-1989), dem ers- schule Fürstenfeldbruck wurde).73 ten „Präsidenten“ des Landesamtes, wurde An seiner das Landesamt zügig ausgebaut. In seiner nationalsozialistischen Gesinnung hegten sei- Amtszeit, die bis 1960 andauerte, wuchs es ne Vorgesetzten keine Zweifel. In einer Beur- auf beachtliche 132 Mitarbeiter (61 Beamte, 64 teilung durch den seinerzeitigen Vorgesetzten, „Hauptmann Angestellte, 7 Arbeiter). Riedmayr ist sicherlich Otto von Oelhafen, hieß es 1935: Riedmayr ist ein strenger, aber gerechter und die schillerndste Figur unter allen Leitern des fürsorgender Vorgesetzter, der seinen Unter- Landesamtes – schon seine Amtseinführung gebenen in der Dienstauffassung im Sinne des gestaltete sich nicht sehr einfach. Noch zwei nationalsozialistischen Gedankenguts mit bes- Wochen vor seiner Ernennung setzte sich Pa- tem Beispiel vorangeht“ ter Dr. Rösch in einem Schreiben an den so- . Im Herbst 1941 war zialdemokratischen Innenminister Hoegner für Riedmayr als Kommandeur der Schutzpolizei Riedmayr ein und verbürgte sich sogar für ihn.72 in Smolensk vorgesehen und war auch schon Inwieweit dieses Schreiben Hoegner noch um- vor Ort, ohne allerdings, wie er später behaup- stimmen musste, ist nicht bekannt. Riedmayr tete, das Amt wirklich angetreten zu haben. jedenfalls war im weiteren Umfeld der Münch- Statt dessen habe er bei Generalleutnant und ner Polizei und sonstigen Sicherheitsorgane SS-Gruppenführer Adolf von Bomhardt vom mehr als bekannt. Er war lange Jahre ein hoher Hauptamt Ordnungspolizei erfolgreich darauf Offizier der Münchner Schutzpolizei gewesen. gedrängt, wieder umgehend nach München 74 Seit 1940 galt er als die rechte Hand des Kom- zurückversetzt zu werden.

38 Riedmayr selbst gab nach dem Krieg an, be- „Moser“ als „S 2006“ für die Organisation Geh- reits in den 1930er Jahren Kontakte zu Wider- len. Als persönliche Sonderverbindung Rein- standskreisen gehabt zu haben, zuerst zu der hard Gehlens versuchte er vor allem dessen Gruppe um Ernst Niekisch, Joseph Drexel und Einfluss bei der Rekonstruktion der deutschen Karl Tröger, dann während des Krieges zum Nachrichtendienste in Bonn und München zur konservativen Sperr-Kreis. Zahlreiche Eides- Geltung zu bringen, lieferte aber auch politische stattliche Versicherungen aus seiner Spruch- Berichte.79 Nach 1954 wurde daraus eine offizi- kammerakte bestätigen dies – zugleich erfüll- elle Kooperation, die Reinhard Gehlen 1956 so te er aber weiterhin seine Funktion als hoher beschrieb: „Es ist mir ein besonderes Bedürfnis, Offizier der Münchner Schutzpolizei, sehr zur Ihnen an Ihrem heutigen 60. Geburtstag die herz- Zufriedenheit seiner Vorgesetzten und wurde lichsten Glückwünsche auszusprechen, auch im 1943 auch Angehöriger der SS. Es ist möglich, Namen meiner Frau und allen Ihnen bekannten dass sich Riedmayr durch diesen Schritt aus Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes […]. der Schusslinie nehmen wollte, denn abgese- Dieser herzliche Wunsch, den wir haben, ist ne- hen von seinem von ihm als schwierig geschil- benbei auch ein wenig egoistisch, nachdem derten Verhältnis zum neuen Kommandeur der wohl mit keinem Amt ein so herzliches Verhältnis Schutzpolizei, SS-Standartenführer Friedrichs kameradschaftlicher Zusammenarbeit besteht, (einem „glühenden Nazi“), war er – mittlerweile wie mit dem Ihren.“80 zum 5. Mal verheiratet – wegen seines unsteten Privatlebens mehrfach negativ aufgefallen.75 Riedmayrs Amtszeit litt von Anfang an dar- Gegen Ende des Krieges wurde Riedmayr als unter, dass der Verfassungsschutzpräsident Kommandeur der Schutzpolizei nach Köln ver- glaubte, weiterhin eigene Politik betreiben zu setzt. Spätestens 1946 war er jedoch wieder müssen: „Er steckte überall seine Finger rein, an- in München, wo er in einem längeren Spruch- statt sich auf seine eigentlich gesetzmäßig veran- kammerverfahren trotz belastender Aussagen kerten Aufgaben zu beschränken,“ wurde schon seiner geschiedenen Ehefrau dank seiner Kon- im Juli 1955 im BND kolportiert.81 Bayernpar- takte zum Sperr-Kreis als „entlastet“ eingestuft tei, CSU und FDP seien stark gegen Riedmayr wurde.76 eingestellt, er werde nur noch von der SPD und Waldemar von Knöringen gehalten. Die Die Jahre von 1945 bis zu seiner Berufung an CSU suche bereits kein Jahr nach Riedmayrs die Spitze des bayerischen Verfassungsschut- Amtsantritt einen Nachfolger, nach den Ereig- zes habe Riedmayr im Ruhestand vor den To- nissen der letzten Wochen wackle der Stuhl ren Münchens verbracht, wollte ein Artikel der des Amtschefs ganz bedenklich. Die „Ereignis- Süddeutschen Zeitung anlässlich der Amts- se der letzten Wochen“ bezogen sich wohl auf übernahme wissen. Sein Herz schlage aller- die so genannte Spielbankenaffäre, bei der Re- dings für die bayerische Monarchie, da er sich gierungsmitglieder der Bayernpartei beschul- als stellvertretender Kabinettschef des Hau- digt wurden, Schmiergelder angenommen zu ses Wittelsbach bei der Bayerischen Heimat haben.82 Hier hatte Riedmayr sein Amt gegen und Königspartei77 engagiert und auch für den einen missliebigen Konzessionär ermitteln las- Landtag kandidiert habe.78 Tatsächlich aber sen, eine Aufgabe, die selbst wenn sie als Wirt- arbeitete Riedmayr seit mindestens dem Jahr schaftskriminalität einzustufen gewesen wäre, 1949 unter dem Decknamen „Mühlhaus“ und primär nicht in den Aufgabenbereich des Ver-

39 fassungsschutzes fiel. Und auch beim befreun- deten BND gab es spätestens anlässlich der Spionageaffäre um den mit Riedmayr befreun- deten Schweizer Bundesanwalt René Dubois 195783 Stimmen, „ob man sich des Mühlhaus sicher“ sei: Man habe aus zwei verschiedenen Quellen, die es wissen müssten, gehört, dass Riedmayr ein Opportunist und Intrigant sei, der sowohl seine Einsetzung in seine derzeiti- ge Position dem Sozialisten Hoegner verdanke als auch andererseits – wenn es ihm geeignet erscheine – mit seinen Beziehungen zu den Wittelbachern prahle. Der „Doktor (= Gehlen) schenke einem Manne Vertrauen, „der es nicht verdient.“84 Dabei hatte Riedmayr bei Amtsan- Karl Sturm, ab 1960 Nachfolger des glücklosen Riedmayr © StAM, Spk 1811 tritt noch verkündet, dass man um Vertrauen in der Bevölkerung werben, keine demokrati- Karl Sturm schen Parteien beobachten und keine nicht Riedmayr wurde im Frühjahr 1960 durch den völlig hieb- und stichfesten Informationen an Juristen Karl Sturm abgelöst. Ihn hatte man ab die Regierung weiterleiten werde.85 1958 systematisch als Nachfolger aufgebaut. Er war ein Schulfreund des Staatssekretärs im Mit der Spielbankenaffäre war Riedmayrs Kar- Bayerischen Innenministerium und späteren riere im Landesamt dann auch beendet. Zu- bayerischen Innenministers Heinrich Junker89 nächst offiziell erkrankt, wurde er auf eigenen und kam über das Landeskriminalamt im Sep- Antrag mit Urkunde vom 22. März 1960 in tember 1958 zum Landesamt.90 Sturms Vita 86 den Ruhestand versetzt. Ein gegen ihn von war, wie die Lebenswege seiner beiden Vor- seinem früheren Vorgesetzten Dr. Geiselhörin- gänger, von den Jahren zwischen 1933 und ger eingeleitetes Meineidsverfahren wurde im 1945 geprägt, wenngleich auf andere Weise. 87 September 1960 jedoch eingestellt. Unklar Sturm, 1911 als Sohn der ledigen Glasermeis- ist, ob er nach seinem Ausscheiden aus dem terstochter Luise Sturm in Lauingen an der Do- Verfassungsschutz noch weiter als Sonderver- nau geboren, hatte vor 1933 begonnen in Mün- 88 bindung für Gehlen tätig war. chen Jura zu studieren.91 Nach der „Machter- greifung“ stand er vor dem Problem, dass er seine „arische“ Abstammung nicht nachwei- sen konnte, da beide als Väter in Frage kom- mende Liebhaber der Mutter als „Voll-“ bzw. „Halbjuden“ galten. Durch Falschaussagen seiner Mutter wurde ihm bescheinigt, dass die väterliche Abstammung vermutlich auch arisch sei. Sturm konnte damit seinen juristischen Vorbereitungsdienst ableisten. Während seiner

40 Zeit als Referendar und Offizialverteidiger beim Sturm amtierte bis Oktober 1971. Sein Nach- Münchner Sondergericht machten jedoch im- folger war der 1920 geborene Ministerialrat mer wieder Gerüchte über seinen „rassischen und Jurist Dr. Hans Ziegler vom Bayerischen Webfehler“ die Runde und fanden den Weg bis Ministerium des Innern.95 in den Gerichtssaal. Auf Initiative und Fürspra- che seines früheren Vormundes, seines Onkels 2. Partner in Sachen Staatsschutz: BLKA Karl Sturm,92 trat sein nach NS-Gesetzgebung und Grenzpolizei als „Halb-“ oder „Vierteljude“ geltender Nef- Der Umstand, dass das Landesamt für Verfas- fe 1938 rückwirkend zum 1.9.1937 der NS- sungsschutz nicht selbst exekutiv tätig werden DAP bei.93 Von 1939 bis 1945 war Sturm Sol- konnte, wirft ganz automatisch die Frage auf, dat (Zahlmeister). Nach seiner Entlassung aus welche Polizeibehörde diese Aufgabe in der französischer Kriegsgefangenschaft im März Praxis übernehmen sollte. Auf lokaler Ebene 1946 wurde Sturm als Leiter der Abteilung „Po- waren dies die Staatsschutzabteilungen der lizeiberichtswesen und Statistik“ im Zentralamt Polizeipräsidien und -direktionen. Auf überre- für Kriminalidentifizierung beschäftigt. Sein gionaler Ebene kamen hierfür zwei Behörden Spruchkammerverfahren endete nach Akten- in Betracht: das Bayerische Landeskriminal- lage offenbar mit „nicht betroffen“, da er sich amt sowie die bayerische Grenzpolizei. Im dem Gericht gegenüber als „rassisch Verfolg- ersten Fall wurde, organisationsgeschichtlich ter“ legitimierte. betrachtet, de facto eine Abteilung (die Exeku- tiv-Abteilung) der vormals zentralen politischen Bei seinem Amtsantritt als Präsident des baye- Polizei abgetrennt und (natürlich nicht zeitlich rischen Verfassungsschutzes im Frühjahr 1960 direkt anschließend) an eine andere Behörde forderte Sturm die Bürgerinnen und Bürger zu – das Landeskriminalamt – angegliedert, aller- tätiger Mithilfe auf, da er die Bundesrepublik ei- dings a) mit deutlich reduziertem Mitarbeiter- nem massiven Angriff freiheitsfeindlicher Kräfte stab; b) mit einer Kappung bzw. Einschränkung durch Zerstörung, Unterwanderung, Verleum- des direkten Informationsflusses zwischen der dung und nachrichtendienstlicher Ausspähung sammelnden Behörde (dem LfV) und der Exe- ausgesetzt sah. Diese Angriffe, die „mit Hilfe kutive (dem LKA). Im Fall der Grenzpolizei fand leistungsfähiger Nachrichtendienste des Ost- historisch gesehen eine Rückgliederung statt, blocks nach allen Regeln der Ausspähungskunst denn die Grenzpolizei war vor 1934 eine eigen- gegen uns geführt werden, haben ein Ausmaß ständige Behörde gewesen und erst zu diesem erreicht, das die Welt noch nicht gesehen hat.“ Zeitpunkt an die damalige Bayerische Politi- Dem dürfe man nicht tatenlos zusehen, appel- sche Polizei angegliedert worden – was auto- lierte Sturm an die Bevölkerung, tätig mitzuhel- matisch zur Folge hatte, dass die Grenzpolizei- fen im Abwehrkampf: „Denn eines ist gewiss: beamten Angehörige der Gestapo wurden. Unter den Trümmern eines zerstörten demokra- tischen Staates würden die Rechte aller Bürger, 2.1 Outgesourcte Exekutive: Die Staats- auch der lautersten Gesinnungsethiker, begra- schutzabteilung im Bayerischen Lan- ben liegen.“94 Hinweise auf eine Bedrohung der deskriminalamt Demokratie durch nationalistische oder rechts- Zunächst als reine Nachrichtensammelstelle extreme Organisationen sucht man in seiner konzipiert, erhielt das Bayerische Landeskrimi- Antrittserklärung allerdings vergeblich. nalamt erst 1952 überhaupt exekutive Befug-

41 nisse. Das „Gesetz über die Organisation der dehnung der durch die Straftat herbeigeführten Polizei in Bayern (Polizeiorganisationsgesetz)“ Bedrohung oder Schädigung der Bevölkerung vom 28. Oktober 1952 schrieb die Einrichtung oder wegen der besonderen Umstände der Be- einer entsprechenden „Ermittlungsabteilung“ gehung von den örtlichen Polizeidienststellen vor. Die Aufgaben der Ermittlungsabteilung nicht wirksam bearbeitet werden kann“, oder wurden in Artikel 51 des Gesetzes aufgeführt. aber wenn das Innenministerium dies „aus Ihr oblag die Verfolgung des Rauschgifthan- schwerwiegenden Gründen“ anordnete.96 dels, der Münzverbrechen und -vergehen, des Mädchenhandels und der Vergehen und Ver- Zur Einrichtung einer eigenen „Staatschutzab- brechen gegen das Sprengstoffgesetz. Ferner teilung“ innerhalb dieser Ermittlungsabteilung sollte sie im Einzelfall tätig werden, wenn das kam es aber erst später, im Dezember 1953. BLKA von einer Polizeidienststelle des Staates Auslöser war eine als Missstand empfunde- oder der Gemeinden, einem Gericht oder einer ne Praxis im Rahmen der Zusammenarbeit in Staatsanwaltschaft um die Verfolgung von sol- Staatsschutz-Angelegenheiten mit der „poli- chen Verbrechen oder Vergehen ersucht wur- tischen Abteilung“ des Bundeskriminalamts, de, die wegen ihrer „besonderen Gefährlichkeit der sogenannten „Sicherungsgruppe“.97 Diese für die Allgemeinheit, wegen der räumlichen Aus- konnten auf Anordnung des Bundesinnenmi-

42 nisteriums im Freistaat selbständig tätig wer- fung kommunistischer Organisationen, insbe- den, was wiederum seitens der bayerischen sondere nach dem Verbot der KPD (1956). Wer Landesregierung auf Kritik gestoßen war. Um aber waren nun die Beamten, die in der neuen zuständigkeitsrechtliche Schwierigkeiten künf- Abteilung eingesetzt wurden? Aus der als „Ver- tig zu umgehen, schlug der Bundesjustizmi- schlussache“ qualifizierten, internen Korres- nister vor, am Bayerischen Landeskriminalamt pondenz des bayerischen Innenministeriums eine zentrale Polizeidienststelle für entspre- in Fumys Personalakte, die in Kapitel I bereits chende „Sonderaufgaben“ zu bilden, mit einer erörtert wurde, wissen wir, dass das bayerische ausreichenden Zahl von Beamten, „welche in Innenministerium 1954 und 1955 dringend „er- Staatsschutzsachen besondere Erfahrungen fahrene Spitzenbeamte“ für die neue Staats- besitzen.“ Sobald eine solche zentrale baye- schutzabteilung suchte. Im April 1954 war es rische Polizeidienststelle existiere, werde der geglückt, Josef Schreieder für die Leitung der Oberbundesanwalt die Beamten der Siche- neuen Abteilung zu gewinnen.100 rungsgruppe keine selbständigen Ermittlungen mehr vornehmen lassen, sondern sie im Einver- Schreieder war ein bekannter Abwehrexperte nehmen mit dem LKA durchführen. Hierbei sei- der Münchner Gestapo gewesen, der es nach en exekutive Befugnisse ausdrücklich dem LKA dem Krieg zu einiger Bekanntheit gebracht hat- vorbehalten und die Bundesbeamten nur zur te, weil er als hochrangiger Angehöriger der Unterrichtung und Koordinierung einzusetzen. Dienststelle des Befehlshabers der Sicherheits- Für die neue Abteilung hielt der Bundesjustizmi- polizei und des SD in den Niederlanden große nister – und der bayerische Innenminister Hoeg- Erfolge bei der Bekämpfung der britischen Spi- ner stimmte dem ausdrücklich zu – vier Beamte onage sowie des niederländischen Widerstands für ausreichend.98 Auf genauere Abgrenzungen hatte feiern können. Schreieder hatte es bis der Kompetenzen im Falle der Zusammenarbeit 1945 zum Kriminaldirektor und zum SS-Sturm- zwischen den Bundes- und Landesbeamten bannführer gebracht. Wegen seiner „Erfolge“ meinte Hoegner verzichten zu können: war er nach dem Krieg immerhin fünf Jahre interniert. Ein niederländisches Kriegsgericht „Man wird wohl erwarten dürfen, daß die Beam- sprach ihn dann aber überraschenderweise von ten des Bundes und des Landes die Fragen der den gegen ihn erhobenen Mord-Vorwurfen frei, gemeinsam durchzuführenden Aufgaben nach so dass Schreieder, mit einer Zwischenstation den jeweiligen Bedürfnissen selbständig und bei der Organisation Gehlen, wieder in den Po- sachgemäß regeln werden.“99 lizeidienst zurückkehren konnte.101 Doch schon 1955 nur kurz nach seinem Dienstantritt im LKA Im Folgenden gab es also für unpolitische De- wechselte er in das Landesamt für Verfassungs- likte die Abteilung IIIa, für politische Delikte die schutz, so dass ein Nachfolger benötigt wurde. Abteilung IIIb, die wiederum in vier Sachgebiete Zunächst fragte das Innenministerium beim unterteilt war: Hochverrat, Landesverrat, Sons- ehemaligen Kriminalrat Alfred Schuhmann an tige Staatsschutzsachen sowie Meldedienst – wie Schreieder und Fumy ein ehemaliger und Karteien. Wenn die Abteilung formal für die Angehöriger der „politischen Abteilung“ der Bekämpfung aller „staatsfeindlichen“ Bestre- Münchner Polizeidirektion. Schuhmann war bungen zuständig war, so bestand ihre Haupt- allerdings bereits bei der Gestapo München arbeit in den folgenden Jahren in der Bekämp- Abteilungsleiter gewesen – er war Vorgesetzter

43 derjenigen Beamten, die verhaftete Kommu- Erfahrung gebracht werden konnte.106 Bekannt nisten so lange schlugen und folterten, bis sie ist allerdings, dass auch Vollmer Parteimitglied die gewünschte Aussage lieferten. Schuhmann (seit dem 1. Mai 1937) und Angehöriger der war ein alter Nationalsozialist und „Blutordens- SS (seit dem 15. August 1941) gewesen war. träger“. Er hatte bereits 1923 als Parteimitglied Er war seit 1926 im Polizeidienst und im Krieg und Angehöriger des „Freikorps Oberland“ den als Polizeioffizier bei der Schutzpolizei oder Hitlerputsch mitgemacht. Nach dem NSDAP- der Gendarmerie tätig, seit Dezember 1943 im Verbot war er nicht mehr aktiv, da ihm dies als Range eines Hauptmanns.107 Polizeibeamter nun untersagt war. Er trat aber 1933 umgehend wieder ein, der SS gehörte er Der überlieferte Geschäftsverteilungsplan ver- seit 1937 an (letzter Dienstgrad: Hauptsturm- rät, wer an leitenden Stellen in den einzelnen führer).102 Schuhmann war ein ausgewiesener Sachgebieten der Staatsschutzabteilung tätig Experte in der Bekämpfung des „Bolschewis- war – unter ihnen: Johann (Hans) Blankenbach, mus“. 1943 wurde er sogar von Heinrich Himm- seit 1955 Leiter des Sachgebiets „Hochverrat“ ler ausgezeichnet, nachdem er erfolgreich eine in der Staatsschutzabteilung.108 Blankenbach große kommunistische Widerstandsgruppe in war vor dem Zweiten Weltkrieg Beamter der München „aufgerollt“ hatte: die Hartwimmer- Karlsruher Kripo gewesen und seit 1955 beim Olschewski-Gruppe – 43 Personen wurden Bayerischen Landeskriminalamt. Sein Vorge- verhaftet, der Volksgerichtshof fällte sechs To- setzter Vollmer war sehr zufrieden mit ihm, sei- desurteile, sechs weitere Mitglieder der Grup- ne Einstellung zum demokratischen Staat wer- pe waren bereits in Gestapohaft gestorben tete er in seiner Beurteilung vom 31. März 1958 oder hatten Selbstmord verübt, weil sie die als „bedenkenfrei“: Misshandlungen nicht mehr ertragen hatten.103 Wie viele seiner Kollegen war Schuhmann als „Fleißiger, williger und strebsamer Beamter, der „Mitläufer“ eingestuft worden. Doch er lehnte gründlich und erschöpfend arbeitet. Offenes und es aus bisher unbekannten Gründen ab, wieder geselliges Wesen. In jeder Lage hilfsbereit. Auf- in den Staatsdienst zurückzukehren, aus dem treten ungezwungen und ernst. Die gute Dienst- man ihn 1945 entfernt hatte. Offenkundig hatte leistung, Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit er auch so ein ausreichendes Auskommen.104 sind hervorzuheben. Guter Sachgebietsleiter.“109

Nach der Einschätzung des Ministerialrats 1959 geriet Blankenbach ins Visier der Staats- a.D., Dr. Kääb, lag es nahe, mit Fumy einen anwaltschaft: In einem Einsatzgruppen-Verfah- weiteren Beamten zu fragen, der aus der der ren war er von einem Zeugen als Führer eines ehemaligen politischen Abteilung der Polizeidi- Teilkommandos im russischen Pskow (Ples- rektion hervorgegangen war. Doch auch Fumy kau) namhaft gemacht worden. Dies bestritt lehnte ab: er hatte zur gleichen Zeit ein Ange- Blankenbach nicht. Er stellte aber in Abrede, bot des Bundesnachrichtendienstes in Pullach jemals an der Ermordung von Juden beteiligt erhalten – und dies zog er vor, sehr zum Ärger gewesen zu sein, was ausgeschlossen war, des Amtsrats Pösl, wie sich ein anderer da- gehörte dies doch zu den originären Aufgaben maliger Kollege erinnerte.105 Leiter der neuen dieser Kommandos. Dennoch wurde das Ver- Ermittlungsabteilung IIIb wurde dann Hierony- fahren im Juli 1962 eingestellt. Die Münchner mus Vollmer, über den bisher noch nicht viel in Staatsanwaltschaft sah keinen „erheblichen

44 Verdacht für die Teilnahme des Beschuldigten sie auf 29 Mitarbeiter angewachsen (davon 20 an strafbaren Handlungen“ – obwohl Blanken- Beamte, neun Angetellte): neben dem Leiter bach nach seiner Tätigkeit in Pskow seinen und dem Stellvertreter hatte das SG Hochverrat „Osteinsatz“ sogar noch als Angehöriger des fünf, das SG Landesverrat zwölf und die inzwi- Einsatzkommandos 1b in Weißrussland fort- schen eingeführte Abteilung „Ausländerkartei“ setzte (unter dem Kommando des vormaligen zehn Mitarbeiter.112 Noch weiteren Personalbe- Münchner Gestapochefs Dr. Erich Isselhorst). darf begründete LKA-Präsident Franz Meinert Blankenbach ging 1967 unbehelligt in Pension im Juli 1956 mit der laufenden „Mehrung von und starb 1995.110 zu bearbeitenden Ermittlungsvorgängen auf den Gebieten Hochverrat, Landesverrat, Staatsge- Nach außen hin trat die Staatsschutzabteilung fährdung und staatsfeindliche Organisationen“ kaum in Erscheinung. Selbst innerhalb der Ver- 113 – möglicherweise im Vorausgriff auf das er- waltung drang über die Arbeit der Abteilung IIIb wartete Verbot der KPD (das im August 1956 nur wenig nach außen, und dies war ganz of- ausgesprochen wurde). Das Finanzministerium fensichtlich gewollt. So wurde beispielsweise schob jedoch der weiteren Vergrößerung des in den „Tätigkeitsberichten des Landeskrimi- LKA zunächst einen Riegel vor und erklärte, es nalamts“, die einmal jährlich dem Bayerischen „hätte die beste Personalausstattung im gesam- Landeskriminalblatt beilagen (allerdings „Nur ten Bundesgebiet und könnte seinen etwaigen für den Dienstgebrauch! Sicher aufbewah- Personalbedarf intern ausgleichen.“114 ren!“), breit über die erfolgreiche Tätigkeit der einzelnen Abteilungen referiert – die Abt. III a Es entspann sich eine längere Auseinander- berichtete etwa auf eng gedruckten fünf Sei- setzung zwischen dem Innenministerium, das ten über ihre zahlreichen gelungenen Ermitt- die Forderung des LKA nach Erhöhung sei- lungserfolge. Dagegen umfassten die ganz am nes Personalbestands unterstützte, und dem Schluss abgedruckten Mitteilungen der Abt. bayerischen Rechungshof, der die Größe des IIIb nur wenige Zeilen. Für das Jahr 1964 laute- tatsächlich sehr stark angewachsenen Perso- te der komplette „Bericht“: nalapparats der Behörde mit Verweis auf die z.T. erheblich kleineren Landeskriminalämter „Es wurden 195 Ermittlungsersuchen der Staats- der anderen Bundesländer grundsätzlich kriti- anwaltschaften gegen 73 Beschuldigte bearbei- sierte.115 Diese Kritik wiederum stieß auf brei- tet und dabei u.a. 161 Vernehmungen geführt. tes Unverständnis in der Abteilung Sicherheit 2.567 Fernschreiben sind eingegangen, 138 da- und Ordnung im Innenministerium. Oberregie- von waren zu steuern. Der KPMD (S) hat den Po- rungsrat Dr. Schmitt, zuständig für den Bereich lizeidienststellen 76 Hinweise aus seinen Kartei- Staatsschutz, beklagte vielmehr, dass das Amt en und Sammlungen gegeben. 4.486 Eingänge über deutlich zuwenig Personal verfüge: wurden ausgewertet und 7.249 Auskünfte erteilt. Aus 8 Fremdsprachen wurden 790 Seiten ins „Infolge der schwachen personellen Besetzung Deutsche übersetzt.“111 des Bayer. LKA werden seit Jahren auf dem Ge- biete des Staatsschutzes Beamte der Sicherungs- Die ursprünglich angestrebte Größe der Staats- gruppe des Bundeskriminalamts tätig, so dass schutzabteilung von nur vier Beamten wurde geradezu von einer Aushöhlung der Polizeihoheit übrigens rasch überschritten. Im Jahr 1956 war und damit eines wesentlichen Teiles der Souverä-

45 nität Bayerns gesprochen werden kann.“116 tionäre von der einen auf die andere Seite und diese Aktivitäten wurden von der Grenzpolizei Die „bayerische Karte“ wollte Ministerialrat Dr. kontrolliert und zu unterbinden versucht. Hin- Mayer nicht spielen, trat aber dennoch der Kri- zu kamen bis zum Bau der Mauer 1961 die tik des Rechnungshofes, insbesondere dem teilweise massiven Flüchtlingsströme, die die Vorwurf, eine zu große Staatsschutzabteilung Auslandsspionage der DDR auch dazu nutzte, zu unterhalten, vehement entgegen: unauffällig „Kundschafter“ in den Westen zu schleusen. Der Geschäftsverteilungsplan von „Wenn dazu andere Landeskriminalämter weni- 1961 weist neben dem in München angesie- ger Personal benötigen, kann daraus nicht etwa delten Präsidium zehn Grenzpolizei-Kommis- die Schlußfolgerung gezogen werden, daß für sariate, 36 Inspektionen und 203 Stationen diese Aufgaben beim bayer. Landeskriminalamt aus, daneben zwei Flughafenpolizeigruppen. zuviel Kräfte verwendet werden. Ausschlagge- Alle Dienststellen waren mit Staatsschutzauf- bend [...] kann nur der Arbeitsanfall sein.“117 gaben befasst, innerhalb des Präsidiums war es die Dienstabteilung II.118 Und dieser Arbeitsanfall sei angesichts der geographischen Lage Bayerns (bei 750 km Erster und langjähriger Leiter des Präsidiums „Feindgrenze“, wie Oberregierungsrat Schmitt der Bayerischen Grenzpolizei wurde 1948 Dr. vorgerechnet hatte) eben größer als in ande- Karl Riedl (1907-1985). Er war ein ehemaliger ren Bundesländern. Ein auf den ersten Blick Angehöriger des „Maximilianeums“ (1927- überzeugendes Argument, das sich allerdings 1931) und dieser in ganz Bayern bekannten, etwas relativiert, wenn man in Betracht zieht, altehrwürdigen Institution auch noch in späte- dass es ja auch noch die bayerische Grenzpo- ren Jahren verbunden – von 1950 bis 1985 saß lizei gab. er im Vorstand der Stiftung Maximilianeum. Riedl kam bereits 1946 ins bayerische Innen- 2.2 Die Bayerische Grenzpolizei: Tradition, ministerium. Der studierte Jurist war während Personal und Zuarbeit für das Landes- der NS-Zeit 11 Jahre in Coburg, Bamberg und amt für Verfassungsschutz München als Staatsanwalt tätig gewesen, in Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein München auch am politischen Strafsenat. Sei- (in seinem Umfang unbekannter) Teil der Mit- ne ehemaligen Kollegen stellten ihm in seinem arbeiter des Landesamtes offiziell auf Stellen Spruchkammerverfahren ein sehr positives der Grenzpolizei geführt wurde. Es gab große Zeugnis aus. Nach dem Eindruck dieser Er- Überschneidungen hinsichtlich des an die Be- klärungen scheint gerade der politische Senat amten gestellten Anforderungsprofils, denn die völlig frei von „NS-Eiferern“ gewesen.119 Wie Grenzpolizei selbst war ebenfalls seit jeher mit im Fall Hollwecks waren es auch einige kirch- Staatsschutzaufgaben betraut – diese waren liche Würdenträger, die die „streng sachliche“ sogar ein wesentlicher Bestandteil ihrer Tätig- Arbeitsweise Riedls lobten. Die Spruchkam- keit, was sich schon aus der geographischen mer stellte das Verfahren ein, da er nur Partei- Lage ergab. Viele Aktivitäten der kommunisti- anwärter gewesen und nur versehentlich nicht schen Organisationen wurden von Seiten der aus der Mitgliederkartei gestrichen worden sei. DDR finanziell, logistisch und auch personell Das große Verständnis, das ihm von Seiten unterstützt. Immer wieder reisten auch Funk- der Spruchkammer entgegengebracht worden

46 war, brachte Riedl, wie sich zeigen sollte, auch hatte er erfolgreich geleugnet und sich wie die manchem seiner Untergebenen entgegen – meisten seiner ehemaligen SS-Kameraden aus einige Karrieren wären ohne seine Förderung der Polizei als „Rangangeglichener“ bezeich- nicht denkbar gewesen. net. Einer Aufnahme in den Polizeidienst stand somit nichts mehr entgegen: Im Januar 1951 Die Organisations-Geschichte der bayerischen war er wieder bei der Grenzpolizei in Kufstein Grenzpolizei brachte es mit sich, dass zahl- und brachte es 1956 zum Polizeiamtmann und reiche Beamte – wir wissen nicht, wie viele Leiter des Kommissariats Lindau, wo er bis zu – schon lange Jahre auf diesem Gebiet tätig seinem Ruhestand 1960 verblieb.120 waren und tatsächlich ohne ihr Zutun 1934 Be- amte der Bayerischen Politischen Polizei bzw. Konle war freilich nur ein „kleiner Fisch“ im der Gestapo geworden waren. Ein solcher Fall Vergleich zu seinem Kollegen, dem schon eini- war der des späteren Polizeiamtmanns Karl ge Jahre älteren Grenzpolizei-Inspektor Franz Konle (1898-1984). Konle war, nachdem er am Straub (1889-1977), einem ebenfalls langjähri- Weltkrieg teilgenommen hatte, in die Landes- gen Grenzpolizeibeamten. Straub war 1935 in polizei in Augsburg eingetreten. Nach wenigen die NSDAP eingetreten (der er aber schon von Jahren bei der Gendarmerie wechselte er 1927 1922-23 angehört hatte), 1938 in die SS. In- zur Grenzpolizei nach Kufstein – dort war er nerhalb von nur drei Jahren war er vom Krimi- schon 1932 für die österreichische NSDAP ak- nalinspektor (1937) bis zum Kriminalrat (1939) tiv, in die er auch am 1. Juni 1933 eintrat – Mit- befördert worden. 1940 kam er als Leiter einer glied der SS wurde er 1939. Nach den Beur- Einheit der Geheimen Feldpolizei nach Belgi- teilungen seiner Vorgesetzten bei der Gestapo en und wurde dort im August bei der neu ein- war Konle „soldatisch“ und „weltanschaulich gerichteten Dienststelle der Sicherheitspolizei gefestigt“ und wurde entsprechend gefördert, „Leiter einer Abteilung [...], die sich mit Abwehr bereits 1936 war er stellvertretender Kommis- von Landesverrat und Spionage befasste“,121 sariatsleiter. Nach dem Anschluss Österreichs wie er in einem Lebenslauf 1952 formulierte. wurde Konle an verschiedenen Stapostel- Tatsächlich war Straub Leiter der Abt. IV – der len eingesetzt, um Grenzpolizeikommissaria- Gestapo – beim Beauftragten des Befehls- te aufzubauen, 1940/41 war er Lehrer an der habers der Sicherheitspolizei und des SD für „Grenzpolizeischule Pretzsch“, danach Leiter Belgien und Nordfrankreich mit Sitz in Brüssel, des Grenzpolizeikommissariats in Villach. 1943 seit 1943 im Rang eines Kriminaldirektors und kam er zum zum Befehlshaber der Sicherheits- SS-Sturmbannführers. Er war der Vorgesetz- polizei und des SD nach Triest. „K. ist ein den te derjenigen Beamten, die die jüdische Be- Durchschnitt weit überragender, energischer, ge- völkerung drangsalierten und nach Auschwitz wissenhafter Beamter, überzeugter Nationalsozi- deportierten, die den belgischen Widerstand alist und als SS-Führer sehr geeignet“, begrün- brutal unterdrückten und Gefangene grausam dete sein Vorgesetzter, der Chef der Gestapo misshandelten und als NN-Gefangene in deut- Klagenfurt, 1943 seine Beförderung zum SS- sche Konzentrationslager verschickten. Für Hauptsturmführer. Nach dem Krieg war Kon- seine Verdienste bei der Bekämpfung des Wi- le immerhin vier Jahre in Italien interniert. In derstands wurde er von Himmler ausgezeich- München wurde er im März 1950 entnazifiziert net und von seinem Vorgesetzten in höchsten („Mitläufer“) – seine Mitgliedschaft in der SS Tönen gelobt. Nach dem Krieg wurde Straub

47 jahrelang interniert und von einem belgischen Er führte die großen Härten an, die Straub nach Gericht zu einer langen Haftstrafe verurteilt, 1945 habe über sich ergehen lassen müssen, unmittelbar danach aber nach Deutschland obwohl er ja nur „Leiter einer Abteilung (Abwehr abgeschoben. Für sein Spruchkammerverfah- von Landesverrat und Spionage)“ gewesen sei. ren konnte er zahlreiche „Persilscheine“ bei- Auch die Beurteilung Straubs durch Riedl war bringen, auch von ehemaligen Verfolgten Ju- glänzend: „charakterliche Anlagen: einwandfrei; den – es wurde eingestellt. Auch Karl Riedl war Diensteifer: sehr gut [...] Berufskenntnisse: sehr offenbar überzeugt, dass Straub vollkommen gut; [...] Vernehmungsgeschick: große praktische unschuldig sei. Er stellte ihn beim Präsidium Berufserkenntnisse; [...] Gesamtpersönlichkeit: ein, allerdings im deutlich niedrigeren Rang Polizeibeamter mit langjähriger praktischer Erfah- eines Inspektors. Dafür setzte er sich kur vor rung, sehr zuverlässige Persönlichkeit. Gesamt- Straubs Pensionierung beim Innenministerium ergebnis: Beamter mit besonderer Leistung, der noch für eine Beförderung ein. auf Grund seiner beruflichen Kenntnisse für alle polizeilichen Aufgaben geeignet ist.“

Abb II.-2.2-02 Bis 1944 Chef der Gestapo im besetzten Belgi- en und Nordfrankreich, seit 1951 wieder bei der Grenzpolizei: Franz Straub (1951) © BayHStA, Präsidium Grenzpolizei, Nr. 1498 [BayHStA, Präsidium Grenzpolizei, Nr. 1498_001]

48 Die Beförderung Straubs wird befürwortet (2.1.1953), seine niedrige Einstufung bei der Einstellung in der Grenzpolizei als „große Härte“ bezeichnet. © BayHStA, Präsidium Grenzpolizei, Nr. 1498

49 III. CIC/CIA, Organisation Gehlen der völkischen Bewegung und den Nationalso- und das Landesamt für Ver- zialisten. 1923 hatte er sich, im Alter von ge- fassungsschutz rade 18 Jahren, als Angehöriger des Bundes Oberland am Hitler-Putsch beteiligt, wofür er Das Folgende ist eines der spannendsten Ka- nun mit dem „Blutorden“ ausgezeichnet wur- pitel nicht nur der bayerischen Nachkriegs- de. 1937 trat er, mittlerweile Kriminalsekretär, geschichte. Es ist zugleich auch eines, was der NSDAP bei, ein Jahr später auch der SS angesichts eines momentan noch fragmen- 123 (letzter Rang: Untersturmführer). Fischer war tarischen Aktenzugangs nur erste Schneisen während seiner ganzen Zeit bei der Gestapo durch das nachrichtendienstliche Gestrüpp Vollzugsbeamter im „Marxismus-Referat“ und der Nachkriegsjahre und der ersten Dekade mit der Bekämpfung – wie er später (1954) der Bundesrepublik schlagen kann: Welchen selbst in einem Schreiben an die Bayerische Einfluss nahmen CIA und CIC auf Aufbau und Staatskanzlei formulierte – „terroristischer, Personalrekrutierung des bayerischen Verfas- kommunistischer Sabotage- und Gewaltakte“ sungsschutzamtes? Wie begleiteten die US- befasst.124 amerikanischen Dienste die Prägephase des Amtes? Und schließlich: Welche Rolle spielte Der irritierte Häftling gab seine Beobachtung die Organisation Gehlen? an die VVN weiter, die wiederum die Öffent- lichkeit mobilisierte – die Staatsanwaltschaft 1. Der US-Geheimdienst und die ehema- wurde aktiv und klagte Fischer an, der bereits ligen Gestapo-Angehörigen: der Fall entnazifiziert und als „Minderbelasteter“ ein- Eugen Fischer gestuft worden war, obwohl die damalige An- Im Laufe des Jahres 1949 konnte ein ehemali- klageschrift der Überzeugung gewesen war, ger Häftling der Münchner Gestapo, jetzt Mit- Fischer sei „einer der Münchner Gestapohen- glied der Vereinigung der Verfolgten des Nazi- ker gewesen, die alle Härte des Gesetzes treffen regimes (VVN), seinen Augen nicht trauen: Auf muss“. Im Dezember 1949 stand Eugen Fischer der Straße, in Freiheit, erblickte er einen sei- gemeinsam mit seinem Gestapo-Kollegen An- ner ehemaligen Peiniger, den Angehörigen des ton Mahler, der im selben Referat tätig gewe- Kommunismus-Referats der Münchner Gesta- sen war, vor Gericht. Zahlreiche Zeugen und 122 po, Eugen Fischer. Fischer war zu diesem Betroffene (und ihre Hinterbliebenen) sagten Zeitpunkt etwa 44 Jahre alt und ein langjähri- gegen die beiden aus, sie wurden wegen ih- ger Polizeibeamter. Bereits 1924 war er in den rer Gewalt- und Folterexzesse zu fünf bzw. vier Dienst der damaligen Bayerischen Landespo- Jahren Zuchthaus verurteilt, wobei die Strafe lizei getreten, um 1930 als Oberwachtmeister sogleich um 18 Monate reduziert wurde, we- zur Schutzmannschaft der Münchner Polizei- gen der bereits verbüßten Internierungshaft.125 direktion zu wechseln. Anfang 1934 wurde er Auch der Umstand, dass die beiden unterge- zunächst zur Kriminalpolizei, im Oktober 1934 ordneten Beamten bemüht waren, mitten im dann zur Bayerischen Politischen Polizei ver- Krieg Fälle von „Hochverrat“ aufzudecken, setzt – ab 1936 Staatspolizeileitstelle (Gesta- wirkte strafmildernd. Doch Fischer und Mah- po) München. Die Machtübernahme der Natio- ler konnten sich nach Verkündung des Urteils nalsozialisten hat Fischer ganz sicher begrüßt, der Gefängnisstrafe entziehen. In Abwesen- denn er sympathisierte schon sehr lange mit heit wurde Fischers Spruchkammerverfahren

50 Memorandum des CIC-Führungsoffiziers von Eugen Fischer, T. Schulz (4.6.1948). Der CIC profitiert von Fischers Wissen über ehemalige Informanten der Gestapo. Auch ehemalige Gestapo-Kollegen, die mit KPD-Angelegenheiten beschäftigt waren, finden sich auf der Liste – es werden auch Franz Blümelhuber und Fritz Preißer genannt. © NARA Washington, RG 319, Dossier Eugen Fischer 51 wieder aufgerollt, diesmal wurde er als Haupt- Die US-Behörden erhielten hierdurch tiefe Ein- schuldiger eingestuft und zu zwei Jahren Ar- blicke in die Arbeit der kommunistischen Or- beitslager verurteilt. Im Zuchthaus gesessen ganisationen. Diese wiederum begriffen sehr hat Fischer aber insgesamt nur zehn Monate, schnell, mit welchem Personal die Besatzungs- im Mai 1954 wurde er aus Keilheim entlassen. macht ihre Informationen einholte, und ergrif- Und dies kam so. fen entsprechende Gegenmaßnahmen. Hierzu gehörten öffentliche Kampagnen, um Fischer Dem amerikanischen Geheimdienst CIC war und Mahler vor Gericht zu bringen und die bereits im August 1947 aufgefallen, dass im In- Sammlung von belastendem Zeugenmaterial ternierungslager Moosburg mit Eugen Fischer gegen die beiden. Für die KPD war die Aktivität ein für sie interessanter Gestapo-Beamter ein- der ehemaligen Gestapo-Beamten sehr heikel, saß. Die Aktivitäten der KPD und ihnen nahe- da die vielen aktuellen und ehemaligen V-Leute stehender Organisationen, wie die VVN, wurden die Arbeit der Organisation erschwerten. Auch vom CIC intensiv beobachtet, umso nachhalti- für die Besatzungsmacht war der Einsatz der ger, je mehr sich der „Kalte Krieg“ verschärfte. Gestapo-Beamten nicht ohne Risiko, erhielten So schien es naheliegend, das Know-how der diese doch tiefe Einblicke in die geheime Arbeit erfahrenen Gestapo-Beamten der Kommunis- und die Arbeitsmethoden des CIC, wodurch mus-Referate abzuschöpfen, auch wenn dies gewisse Abhängigkeitsverhältnisse entstan- innerhalb des CIC nicht unumstritten war. Die den. Für den CIC war denn auch der Prozess Zusammenarbeit zwischen CIC und Fischer gegen Fischer und Mahler unangenehm und es begann im Januar 1948 noch im Internierungs- wurde zumindest im Falle Fischers beschlos- lager. Schon bald wurde Fischer Hafturlaub ge- sen, sein Netzwerk „abzuschalten“ (dies ge- währt, im August konnte er das Lager als frei- schah offiziell dann im Februar 1950).127 er Mann verlassen. Intensiv arbeitete Fischer – nun im Auftrag des CIC – am Aufbau eines Die in Fischers Spruchkammerakte überlieferte „Abwehrnetzes“ gegen die KPD. Hierfür be- Korrespondenz, insbesondere seine Versuche, diente er sich nicht nur der zahlreichen Kontak- seine eigene Tätigkeit während der NS-Zeit zu te aus den unterschiedlichsten Polizeibehör- rechtfertigen, verdient ausführlicher behandelt den, die er aus früheren Tagen kannte, sondern zu werden. Sie gibt einerseits sehr deutlich auch vieler V-Leute, die ihn bereits während über das Selbstbild eines ehemaligen Gesta- der NS-Zeit mit Nachrichten versorgt hatten. po-Beamten Auskunft, andererseits aber auch Bei den meisten handelte es sich um „unfrei- über die in der vormaligen Gestapo gepflegten willige“ V-Leute, das heißt, ehemalige Schutz- Feindbilder. Und es waren gerade diese Feind- häftlinge, die nur mit der Gestapo „kooperiert“ bilder, die die Geheimpolizisten mit den US- hatten, um der KZ-Haft, Misshandlungen und amerikanischen Geheimdiensten – aber auch Folter zu entgehen. Bekanntlich arbeiteten eine mit vielen bundesdeutschen Sicherheitsbehör- ganze Reihe solcher ehemaligen Beamten für den und Gerichten teilten. den CIC, der oben erwähnte Anton Mahler war ebenso einer von ihnen wie der ehemalige Ge- Nach Fischers Ansicht erschienen sämtliche stapochef von Lyon, Klaus Barbie, zu dessen Zeugen, sowohl bei den Spruchkammerver- Netzwerk Fischer zunächst gehörte, bevor er fahren wie auch bei dem Prozess, kommunis- eigenständig Aufträge erledigte.126 tisch gesteuert. Für ihn handelte es sich um ein

52 durchsichtiges, im Auftrag der SED und mit Hil- – einer der „Räterepublik-Spezialisten“ war der fe von Meineiden organisiertes Kesseltreiben, Münchner Arbeiter Karl Zimmet, der nur mit viel mit dem alle ehemaligen Angehörigen der Kom- Glück dem Schafott entgangen war. Der Volks- munismus-Referate der Gestapo ausgeschaltet gerichtshof hatte mehrere Todesurteile gefällt, werden sollten. In Erwiderung auf die ihm An- einige Verhaftete waren bereits in Gestapohaft fang 1952 bekannt gewordene Anklageschrift ums Leben gekommen oder hatten, weil sie die der Haupt-Spruchkammer München stellte er bestialischen Folterungen nicht mehr ertrugen, sich selbst als einen pflichtgetreuen Beamten Selbstmord verübt. 92 sowjetische Kriegsge- dar, der in seiner gesamten Laufbahn gegen die fangene und Ostarbeiter, die im Zusammen- staatsumstürzlerische Arbeit der Kommunisten hang mit der Zerschlagung der BSW verhaftet gekämpft habe. Unter den kommunistischen wurden, waren 1944 im KZ Dachau ohne je- Widerstandskämpfern möge es manche Idea- des Verfahren ermordet worden.129 Fischer sah listen gegeben haben, doch es seien zahlreiche seine Tätigkeit als eine ganz natürliche an und Kriminelle darunter gewesen und insgesamt verwies geschickt auf aktuelle Kontinuitäten: habe das Ziel der KPD in nichts anderem be- standen, anstelle der nationalsozialistischen „Mit der Radikalisierung des politischen Kampfes

Diktatur eine kommunistische zu setzen: ist es in allen Staaten notwendig[,] in dieser oder jener Form eine politische Polizei zu unterhal- „Daß nun einmal die Polizei der Feind aller radi- ten. Selbst die Bundesrepublik konnte es sich kalen Gruppen ist, ist eine logische Erscheinung. nicht leisten[,] ohne eine derartige Abwehror- Will man zur Macht kommen, dann muß man ganisation auszukommen. Dabei ist es an sich eben zuerst den Widerstand der Polizei über- gleichgültig[,] wie sich dieses Polizeiinstrument winden. Gerade im Kampfe gegen die KPD trat nennt. [...] Es ist hinlänglich bekannt, daß Ka- dies zu allen Zeiten besonders krass hervor. Eine meraden, die in anderen Dezernaten [der Ge- schon immer bestehende Erscheinung ist, daß stapo, d.V.] tätig waren, vollkommen unbehel- die KPD in ihren Reihen besonders viele krimi- ligt geblieben sind. Sie tragen heute wieder den nelle Elemente hat. Sie erweisen sich für Sabo- Polizeirock und dienen der Bundesrepublik.“130 tage- und Terrorakte als besonders nützlich. [...] Kurz sei erwähnt, daß es sich in meinem Falle in Die Haupt-Spruchkammer ließ sich von Fi- denen ich beschuldigt wurde, um 2 Sabotage- schers Argumentation nicht beeindrucken, und Terrorgruppen handelte, die von bewährten stufte ihn in Abwesenheit als „Hauptschuldi- Räterepublik-Spezialisten geführt wurden. 128 gen“ ein und verurteilte ihn zu zwei Jahren Ar- beitslager. Nach Auskunft Fischers war er zum Bei den beiden „Sabotage- und Terrorgrup- Zeitpunkt des Verfahrens im Ausland. Eine Be- pen“ handelte es sich um die Hartwimmer-Ol- rufung Fischers, eingereicht von seiner Ehefrau, schewski-Gruppe sowie um die Antinazistische schmetterte der Vorsitzende der Hauptkammer, Deutsche Volksfront und die sowjetische Brü- Dr. Hoffmeister, mit folgenden Worten ab: derliche Organisation der Kriegsgefangenen (BSW), die alle in den Jahren 1942 und 1943 „Die Verantwortlichkeit des Betroffenen beruht von der Münchner Gestapo unter Einsatz bru- nicht darauf, [...] dass er Polizeibeamter war talster Ermittlungsmethoden aufgerollt wurden und kommunistische Geheimorganisationen bekämpfte, sondern darin, dass er bei seiner

53 Schreiben Fischers an die Bayerische Staatskanzlei, 27.6.1954, in dem er um die Befreiung von den „beamtenrechtlichen Fol- gen“ des Gerichtsurteils bittet. © StAM, Spk K 416 (Fischer)

54 Amtstätigkeit die Methoden der Gestapo an- Aufhebung der gegen ihn erlassenen Aufla- wandte und die durch die N.S. Gewaltherrschaft gen und Beschränkungen kämpfte und zu gegebene Hilflosigkeit der politischen Gefan- diesem Zweck auch (unter Pseudonym) eine genen ausnützte, um durch Quälerei und Miss- Broschüre publizierte, in der er die kom- handlungen Aussagen zu erpressen.“131 munistische Kampagnentätigkeit gegen ihn nachzuweisen suchte.132 Er reichte auch ein Die Gründe, warum Fischer tatsächlich nur Gnadengesuch beim Bayerischen Minister- zehn Monate in Haft verbrachte, erschließen präsidenten ein, um sich von den beamten- sich aus den vorhandenen Quellen nicht. In- rechtlichen Folgen seiner Verurteilung zu be- teressant ist jedoch, dass er auch nach der freien. Darin betonte er, unschuldig verurteilt Haftentlassung im Mai 1954 weiter für die und Opfer einer kommunistischen Verschwö-

55 rung zu sein: „Falls erforderlich beantrage ich 2. Das Landesamt und die Organisation über meine Angelegenheit durch das Verfas- Gehlen: Nachrichtendienstliches Out- sungsschutzamt ein Rechtsgutachten erstel- sourcing und Personaltausch? len zu lassen.“133 Beim Aufbau des bayerischen Verfassungs- schutzes nahm die Organisation Gehlen ins- Denn im Landesamt für Verfassungsschutz besondere in der Anfangsphase des Amtes arbeiteten einige ehemalige Gestapo-Kolle- eine zentrale Rolle ein. Dies betraf sowohl die gen wie Leonhard Halmanseger und Franz Personalstruktur des Landesamtes wie auch Blümlhuber, die wie er immer zur Bekämpfung für eine gewisse Phase auch die nachrichten- der illegalen kommunistischen Organisationen dienstliche Arbeit, für die der damals von der eingesetzt waren und von deren Fürsprache er CIA alimentierte Nachrichtendienst vor den To- sich vermutlich Vorteile erhoffte. Er stellte im ren Münchens angeblich auch Mittel von der Juli 1954 auch den Antrag auf Wiederaufnah- bayerischen Regierung erhalten haben soll. Zu me seines Spruchkammerverfahrens – womit erklären ist dies mit dem Herausbildungspro- er allerdings scheiterte. Sein Antrag ließ das zess der Sicherheitsarchitektur und der be- Selbstbewusstsein durchscheinen, auf der ginnenden Remilitarisierung mit Gründung der richtigen Seite gekämpft zu haben – zugleich Bundesrepublik. Für die Gründungsphase des war aber auch eine gewisse Verbitterung spür- Münchner Landesamts sind dabei nach mo- bar angesichts der „Verfolgungen“, die er nach mentan zugänglichen Quellen drei Komplexe 1945 erlebt hatte: signifikant:

„Es ist klar, daß ich durch meine langjährige Tä- • Die Herausbildung des Verfassungsschut- tigkeit allzu sehr in das Blickfeld der KPD geraten zes im ersten Jahr der Regierung Adenauer bin. Dies natürlich um so mehr, als man mich im und die Verhandlungen um die Spitzenposi- Jahre 1948 aufforderte, ein Abwehrnetz gegen tionen zwischen den drei Besatzungsmäch- die kommunistischen Bestrebungen zur Siche- ten, der Bundesregierung und den Ländern rung der Demokratie aufzubauen. Die kommu- • Die Auswahl und Einspeisung von Personal nistische Partei, bzw. die VVN tat natürlich alles, durch die unterschiedlichen Interessengrup- um mich um jeden Preis aus taktischen Gründen pen auszuschalten. Damals war natürlich noch nicht abzusehen, daß heute schon wieder ein Verfas- • Der Charakter der Netzwerke, die die späte- sungsschutzamt besteht, welches mit Experten re Personalstruktur, aber auch Arbeitsweise aus der Nazizeit besetzt ist. und Feindbilder mitbestimmten Abgesehen davon, daß ich nach wie vor be- Um die Gründung und Etablierung des bayeri- haupte, daß ich unschuldig vom Gericht verur- schen Verfassungsschutzes Ende der vierziger teilt wurde, stellt es mehr als eine unbillige Härte Jahre im Konnex der Organisation Gehlen zu dar, einen kleinen Berufskriminalpolizeibeamten verstehen, ist es also notwendig, einen Blick kurzerhand in die Gruppe I einzustufen, während in die Genese des Bundesnachrichtendienstes man meine sämtlichen Vorgesetzten als Mitläufer zu werfen. eingestuft sind [sic] und heute wieder im Staats- dienst sind bzw. Pensionsbezüge erhalten.“134 Die später nach ihrem Leiter, dem General Rein- hard Gehlen, benannte Organisation Gehlen

56 (ORG) entstand 1946 aus einer Offiziersgruppe fizier der CIA für Sonderverbindungen in Pull- der „Fremde Heere Ost“ der Wehrmacht, die ach, Henry Pleasant, den expliziten Wunsch sich mit Ende des Zweiten Weltkrieges mit- von Bundeskanzleramt und Innenministerium, samt ihrem Archiv der US-Army zur Verfügung „zunächst den Verfassungsschutz in Bayern“ stellte. In Oberursel, später in Pullach, betrieb zu unterstützen.137 Wie aus jetzt zugänglichen die unter dem Dach des ehemaligen Gegners Quellen ersichtlich ist, war dies keine Anord- rasch anwachsende Organisation die Aufklä- nung aus der Bundeshauptstadt, sondern Er- rung gegen die Sowjetunion und ihre Satelliten. gebnis eines wohl von Gehlen bereits seit dem Im Juli 1949 wurde die ORG von der CIA über- Vorjahr durch seine Sonderverbindungen ge- nommen.135 Für einen deutschen Generalstabs- schickt betriebenen Networkings in Bonn und offizier war die Kooperation mit dem Feind von München. gestern als nachrichtendienstlich gewisser- maßen abhängig Beschäftigter eine politische S 2006 - Martin Riedmayr berichtete bereits im und psychologische Gratwanderung, trotz des November 1949 (!) über Arbeit und Besetzung gemeinsamen Feindbildes. Gehlen suchte da- des zukünftigen bayerischen Verfassungs- her schon mit der sich abzeichnenden Grün- schutzes: dung der Bundesrepublik und Planung eines deutschen Wehrbeitrags perspektivisch seinen Dienst aus US-amerikanischer Obhut zu lösen. Sein Ziel war es, als neuer Bundesnachrichten- dienst wieder primär der (west-)deutschen Po- litik zu dienen. Zu diesem Zweck unterhielt er unter anderem eine Reihe von Sonderverbin- dungen, die als Lobbyisten der ORG in Bonn und München auftraten und bei der Bundesre- gierung und den politischen Parteien sondier- ten. Zwei dieser Sonderverbindungen waren Hans von Lossow, ORG-Deckname Lersner, und der spätere dritte Leiter des bayerischen Verfassungsschutzamtes Martin Riedmayr, Deckname Mühlhaus.136 Mit dem mächtigen Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Dr. Hans Maria Globke, hatte Gehlen einen entschei- denden Brückenkopf in Bonn, der sich be- reits im Sommer 1950 für die Übernahme der ORG ausgesprochen hatte. Zunächst aber war Gehlen in Absprache mit der CIA als einer der Kandidaten für die Spitzenbesetzung des Bun- desamtes für Verfassungsschutz im Gespräch. Im Kontext dieser Entwicklung kehrte Gehlen im Juni 1950 von Besprechungen aus Bonn zurück und unterbreitete dem Verbindungsof-

57 S 2006 - Martin Riedmayr berichtete bereits im November 1949 (!) über Arbeit und Besetzung des zukünftigen bayerischen ­Verfassungsschutzes © Archiv des Bundesnachrichtendienstes Pullach, PA Martin Riedmayr

58 59 60 Wilhelm Krichbaum, 1953 © Archiv des Bundesnachrichtendienstes Pullach, PA Wilhelm Krichbaum

61 Überdies erhielt Gehlen nun vom bayerischen Bekannt und hier bereits teilweise ausgeführt Landesamt, das noch unter „Dienststelle Ober- sind dagegen die Netzwerke ehemaliger Ab- staatsanwalt Frank“ firmierte, oder der bayeri- wehr- und Gestapo-Angehöriger, aus denen schen Landesregierung offenbar auch finanzielle über die ORG direkt oder indirekt Personal in Zuwendungen, und das bis weit ins Jahr 1951. das bayerische Landesamt für Verfassungs- So äußerte sich zumindest Heinz Danko Herre schutz übertrat. Sie sind in fast allen Nach- im März 1951 in seinem Tagebuch. Über sein richtendiensten der frühen Bundesrepublik zu Gespräch mit dem Finanzfachmann der ORG, finden. Eines dieser Netzwerke bestand aus Deckname Stahl [d.i. Georg Starke], schrieb Her- ehemaligen Angehörigen des Amts Ausland/ re: „Dann äußert Stahl schwere Sorge, dass 30 [= Abwehr, der Geheimen Feldpolizei der Wehr- Gehlen] Gelder des bayerischen VS bekommt und macht und von Angehörigen des Reichssicher- immer noch bei den Amerikanern unterschreibt, heitshauptamtes, die vorwiegend von der Bay- er bekäme aus keiner anderen Quelle etwas“.138 erischen Politischen Polizei dorthin abgestellt Am Ende des Monats befürchtete Herre gar, waren. Ihre regionalen Knotenpunkte waren dass Gehlen in Gefahr schwebe durch das „Un- München, Berlin und - bis zum Ende des Drit- terschreiben der Monatsquittungen, dass er kein ten Reiches - Dresden. Geld aus anderen Quellen bekommt“.139 Welche Aufgaben die ORG für den bayerischen Die zentrale Person im Hinblick auf nachrich- Verfassungsschutz übernahm, gegebenenfalls tendienstliches Networking, Rekrutieren alter in Absprache mit der CIA, ist im Einzelnen noch Kameraden und Implantieren in die neuen bun- unbekannt. desrepublikanischen Sicherheitsdienste war

Von der Organisation Gehlen zum Bayerischen Verfassungsschutz © Archiv des Bundesnachrichtendienstes Pullach, PA Max Noeth

62 Ein besonders qualifizierter Mitarbeiter – die Aufgaben von Max Noeth in der Organisation Gehlen © Archiv des Bundesnachrichtendienstes Pullach, PA Max Noeth

der Chef der Geheimen Feldpolizei der Wehr- noch eine andere wichtige Funktion ein: Als macht, der Dresdner Wilhelm Krichbaum.140 mutmaßlicher Sympathisant des 20. Juli galt Krichbaum entstammte dem Freikorps- und er als unbelastet und konnte dadurch weitere Wehrverbandsmilieu der Brigade Ehrhardt und Leumundszeugnisse für seine Kameraden von hatte seit dieser Zeit mehr oder minder enge der Geheimen Feldpolizei zur Verfügung stel- Verbindungen zum legendären Abwehr-Chef len. Der Name des 1944 an den Staatsstreich- Wilhelm Canaris. In den ersten Jahren der ORG planungen beteiligten Abwehroffiziers und frü- war Krichbaum so etwas wie der designierte heren Landesverbandsführers des „Stahlhelm, Personalchef, der dem Dienst zahlreiche Mitar- Bund der Frontsoldaten“, Werner Schrader143 beiter zuführte. Das Dresdner-Netzwerk, über wirkte dabei wie ein „Sesam öffne Dich“. Noeth das Krichbaum zu Beginn der fünfziger Jahre und Schrader waren beide Mitte der dreißiger unwissentlich die sowjetischen Agenten Heinz Jahre als so genannte Ergänzungsoffiziere in Felfe und Hans Clemens in die ORG einspei- die Reichswehr eingetreten. Beide verband die sen sollte,141 spielte für die Geschichte des Ablehnung des NS-Regimes. Die Abwehrstel- bayerischen Verfassungsschutzes allerdings le München hatte unter dem Kommando des eine eher untergeordnete Rolle.142 katholischen Monarchisten Rudolf Graf Maro- gna-Redwitz auch wegen der Häufung regime- Eine zweite zentrale Figur nicht nur für den bay- kritischer Offiziere den Ruf, so etwas wie eine erischen Verfassungsschutz war der ehemali- konservative Bastion in der „Hauptstadt der ge Abwehroffizier Max Noeth. Er verband ge- Bewegung“ München zu sein. Nach Durchsicht wissermaßen die regionalen Knotenpunkte in diverser Spruchkammerverfahren und Persil- Süddeutschland miteinander, nahm aber auch scheine, in denen sich unter direktem oder in-

63 direktem Hinweis auf den toten Schrader be- gen Spitzenbesetzungen im Gespräch, wie das rufen wurde, darf allerdings gefragt werden, hier abgedruckte Dokument aus der Personen- ob all die klaren Aussprachen und Anfragen akte des BND von Martin Riedmayr zeigt. auf Unterstützung des Staatsstreichversuches überhaupt jemals so stattgefunden haben. No- Riedmayr wiederum war bekanntlich die eth konnte sich im Spruchkammerverfahren nächste Spitzenbesetzung, die Gehlen an die des ORG-Mitarbeiters Franz Groschek schon Spitze eines Verfassungsschutzamtes lancie- gar nicht mehr an die richtigen Details erin- ren konnte. Ob dieser in seinem Gefolge weite- nern, die mit dem von Admiral Wilhelm Canaris re ORG-Mitarbeiter in die Münchner Königinstr. arrangierten Eintritt Schraders in die Abwehr- 17 mitzog und ob auch sein Nachfolger Sturm stelle München 1936 verbunden waren. Oder aus dem BND kam, diese Frage muss mangels er verfälschte absichtlich Zeitraum und Hinter- zugänglicher Personalakten des LfV späteren grund, um Groschek als angeblichem Unter- Forschungen vorbehalten bleiben. stützer zur begehrten Kategorie „entlastet“ zu verhelfen.144

Krichbaum und Noeth sammelten nun ihre al- ten Kameraden aus der Geheimen Feldpolizei, Abwehr, Polizei und SS und tippten sie bei Eig- nung und Interesse für die ORG.145 Von dort wechselte dann in noch unbekanntem Ausmaß haupt- und nebenamtliches Personal zum Ver- fassungsschutz, sowohl zum Bundesamt wie zu den Landesämtern. In München holte Noeth nach einem Vermerk in seiner BND-Personen- akte vom 1. April 1952 unter anderem Blümlhu- ber, Lehr und Hollweck ins Landesamt.146

Er selbst war ab 1. September 1946 bis zu seinem Übertritt zum Verfassungsschutz im Dezember 1951 bei einem Ingenieurbüro Be- cker in München beschäftigt, vermutlich eine der vielen Tarnfirmen der ORG.147 Der zweite Amtsleiter Kurz bestätigte indirekt die Tätigkeit für die ORG in seinem Antrag auf Beförderung Noeths zum Regierungsrat 1952: Dieser habe sich vom Jahre 1947 bis zu seinem Eintritt ins Landesamt „nachrichtendienstlich im Interesse der Bundesrepublik“ betätigt.148 Ursprünglich sollte Noeth auf Wunsch des Amtsleiters Kurz schon früher wechseln, er war bereits seit spä- testens November 1949 als einer der zukünfti-

64 Wer kennt wen? Die Netzwerke des Max Noeth © Archiv des Bundesnachrichtendienstes Pullach, PA Max Noeth

65 66 3. Deckname Cabolt: Joseph Schreieder maligen SS-Sturmbannführer nun ohne Sorge und die CIA wieder nach Deutschland zurückzukehren. 1945 bezeichnete ihn sein alliierter Verneh- Entweder noch in holländischem Gewahrsam mungsoffizier noch als „One of the slimiest pie- oder nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde ces of work yet encountered by this Interroga- Schreieder von der Organisation Gehlen ange- tor“. Schreieder war am 25. Mai 1945 in Sche- worben.152 Ein Indiz dafür, dass dies bereits im weningen verhaftet worden und zunächst in Gefängnis geschah, lässt sich aus der Tatsache kanadischem Gewahrsam. Dort wurde er zum ableiten, dass der unter die Kategorie III („Min- so genannten „Englandspiel“ – die gemeinsa- derbelastet“) fallende Schreieder nicht wieder me „Operation Nordpol“ von SS und Abwehr zur Aburteilung im Rahmen der „Operation Old gegen alliierte Luftlandeagenten149 – intensiv Lace“ in ein britisches Internierungslager zu- verhört, aber auch zu anderen Aspekten der rück überstellt wurde. In der zweiten Jahres- Besatzungspolitik wie der Hinrichtung von Wi- hälfte 1949 war er bereits wieder in München derstandskämpfern, dem „Nacht und Nebel- und ließ sich entnazifizieren. Schreieder hatte Erlass“ oder der Deportation der Juden in die Glück: Trotz der zahlreichen Belastungen fiel er Vernichtungslager. Der Vernehmungsoffizier laut Spruchkammerbescheid vom September vermerkte in seinen Vorbemerkungen zum Ver- 1949 unter die so genannte „Heimkehreram- hörprotokoll, Schreieder finde auf jede Frage nestie“. Maßgeblich dazu beigetragen hatte sofort eine Antwort, ohne sich in Widersprüche auch jene Bescheinigung des holländischen zu verwickeln: „He is much too clever.[…] He is Staatsanwaltes. Dass er an der Deportation ei- getting aware with a number of half truths. It is nes Teils der von ihm verhafteten oder verhörten considered that he is extraordinarily intelligent Agenten ins Konzentrationslager Mauthausen with an amazing memory, but utterly ruthless and nicht vollkommen unschuldig war, schien nach prepared to Stopp at nothing to gain it own ends. den Freisprüchen in Den Haag in Deutschland Interrogators note: I don‘t like him.“150 niemand mehr zu interessieren. Diese Agenten hatte Schreieder mit der Zusicherung, nicht vor Zehn Jahre später war aus dem Kriegsgefan- ein Kriegsgericht zu kommen, sondern in ein genen ein von der CIA geschätzter Zuarbei- Lager, zu „kooperativem Verhalten“ motivieren ter und ihr rühriger Kontaktmann zum bayeri- können. Doch die Gefangenen kamen ins KZ schen Verfassungsschutz geworden. Die Jahre und wurden dort innerhalb von zwei Tagen fast der britischen Internierung waren vorüber, und alle zu Tode gequält.153 Selbstredend hatte der mehrere in Holland gegen ihn durchgeführte SD-Angehörige angegeben, nicht gewusst zu Gerichtsverfahren hatten mit einem Freispruch haben, was die Widerstandskämpfer in Maut- geendet. Seine holländischen V-Leute muss- hausen erwarten würde. Schreieder konnte ten ihre Kollaboration dagegen mit dem Tod also trotz des Verdachts der Beteiligung an oder hohen Gefängnisstrafen büßen. Der hol- Kriegsverbrechen in alle zukünftigen Frage- ländische Staatsanwalt beim Sondergericht und Personalbögen „vom Gesetz nicht betrof- in s‘Gravenhage attestierte ihm, dass er mit fen“ eintragen. Judenverfolgung, Konzentrationslagern und Zwangsarbeit nie etwas zu tun gehabt und nur „saubere Kriminalistenarbeit“ durchgeführt hat- te.151 Mit dieser Carte Blanche konnte der ehe-

67 Heinz Bauer alias Dr. Mabuse - Der nachrichtendienstliche Werdegang Schreieders © NARA Washington, RG 263, Dossier Joseph Schreieder

68 69 70 lende Schreieder mit seinen politischen Leu- mundszeugnissen bereits beworben, war aber mangels Planstellen nicht berücksichtigt wor- den. Das zweite Hindernis lag in seiner politi- schen Belastung. Da sich aber der Leiter des LKA, Franz Meinert, für Schreieder starkmach- te, ließ sich Hoegner am 1. April 1954 den Fall vorlegen. Dieser prüfte Schreieders Aktivitäten in Holland genau, und entschied dann, dass Schreieder ins LKA eintreten, allerdings nur in der Spionageabwehr tätig sein dürfe, vor allem gegen „links“.156

Zum 1. Juni 1955 wechselte Schreieder als Regierungsamtmann vom LKA zum Verfas- sungsschutz und übernahm wie vorgesehen das Sachgebiet II G. 1957 zeichnete er be- reits für die Unterabteilung IIc (Spionagebe- kämpfung) verantwortlich.157 Im Haus war er Josef Schreieder (um 1960) © BayHStA, MInn 84972 neben Noeth und Halmanseger trotz seinem Unter den Decknamen Heinz Bauer und Dr. niedrigen Dienstrang die graue Eminenz, ein Mabuse (wohl eher ein Spitzname, angelehnt legendenumwobenes As der Spionageabwehr an die literarische Figur eines Verbrecherge- und Gegenspionage des Zweiten Weltkrieges. nies, der überall seine Augen und seine Fin- Seinen Ruhm mehrte Schreieder, ein glän- ger mit im Spiel hatte), arbeitete Schreieder in zender Erzähler, wie seine CIA-Akte vermerkt, in der Filiale L-5000 der Generalver- selbst durch Erzählungen oft und gerne. Die tretung H (Darmstadt) der ORG an mehreren zunehmende Absenz des Amtsleiters Martin Gegenspionagefällen (CIA Kryptonym „UJD- Riedmayr ab 1958 durch Krankheit und die ROLLERY“)154. Spielbanken-Affäre ließ ihm zusätzlich Raum im Hause, wenngleich die Karriereleiter durch Er scheint aber der Erwartungshaltung der Or- seine NS-Vergangenheit mit der Beförderung ganisation Gehlen nicht entsprochen zu haben. zum Oberregierungsrat 1962 endete. Darüber Man hatte sich durch seine Geheimdiensttätig- beklagte er sich bei seinem CIA-Gegenpart keit in den Niederlanden mehr Professionalität bitterlich. Der Alkohol war an diesem Abend in der Gegenspionage erwartet, die er in den im März 1958 reichlich geflossen, so dass das von ihm geführten Fällen offenbar nicht an den Dienstliche immer mehr ins Private überglitt. Tag legte. Aber – wie der abgedruckte Report Man redete auch über die Familie und die Mit- der CIA vom 3. August 1953 vermerkt – man arbeiter im Landesamt. Der CIA-Verbindungs- plane ihn ohnehin bald zum Landesamt für Ver- mann notierte später: fassungsschutz in Bayern abzuschieben.155 Dort hatte sich der unter die 131-Regelung fal-

71 „CABOLT‘s Co-Workers: This provoked more bat den namentlich nicht genannten CIA-Mann of an outburst than CABOLT has ever allowed auch darum, sich mit Amtschef Riedmayr ins himself on previous occasions. The gist of the Benehmen zu setzen, damit dieser sowohl matter was that CABOLT feels that it is not fair informiert war wie ihn auch für diese Sonder- to push young men like Identities 1 [Albert Mül- aufgabe und entsprechende Reisen freistellen ler] and Identiy 3 [Albert Hofmann] ahead just be- sollte. Ob es dazu kam, ist den vorliegenden cause their political records are clean of any tint Akten nicht zu entnehmen. of , while the ‚old men‘ who have expe- rience must continue to serve in loser positions Schreieder übernahm seit dieser Zeit die Rol- and do the work that their superiors should be le des oder eines Verbindungsmannes im Be- doing, just because they continued to work for reich der Spionageabwehr, denn bereits das the government during the Nazi era. In Schrei- erhalten gebliebene Memorandum der Munich eders case, he has become so well known for Base der CIA vom März 1958 lässt die Struk- his work with the Abwehr that everyone forgets turen des Informationsaustausches und der that he was a loyal and efficient civil servant for Zusammenarbeit erkennen.160 Kam die CIA years before the Nazis took over the government. beispielsweise mit den von ihnen beobachte- Because he continued to serve his country un- ten potenziellen Ost-Agenten nicht weiter, ließ der the Nazis, his own career is now effectively Schreieder über das KD2 der Münchner Poli- blighted, while those wo were too young to have zei die Verhaftung oder Vernehmung durch- to serve anyone are getting ahead. Comment: führen. Schreieder wiederum tauschte mit der In the past […] CABOLT has never said much CIA Erkenntnisse über Personengruppen aus, about his feelings toward his other co-workers. bei deren Überwachung das Amt selbst an die This is the first time that he has ever expressed Grenzen der eigenen Möglichkeiten stieß. So the bitterness which one would expect in a man machte Schreieder auf eine radikale Gruppe in his situation.“158 „mohammedanischer Studenten“ an der Uni- versität München aufmerksam, die nach Beob- Dabei hatte Schreieder dank seiner Vergangen- achtungen des Landesamtes von der Ägypti- heit sowohl in der SIPO in Holland wie bei der schen Botschaft in Bonn gegen die Briten re- Organisation Gehlen ein gutes Standing. Zu krutiert würden. In einem anderen Fall suchte seinem besonderen Status im Haus gehörte es die CIA am Staatsanwalt vorbei an schriftliche auch, dass er unter dem Decknamen „Cabolt“ Unterlagen eines verhafteten Ost-Agenten zu eben offizieller Verbindungsmann zur CIA war. kommen, die sich offenbar in Schreieders Ob- Denn kaum hatte Schreieder im Juni 1955 sei- hut befanden. Ob es unter den ausgetausch- ne neue – und alte – Aufgabe übernommen, trat ten Fälle auch so genannte „Anregungsfälle“ die CIA über seinen vorherigen Arbeitgeber, die gab, also die Bitte um Durchführung der den ORG, auf Schreieder zu. Sie hoffte, Informatio- bundesrepublikanischen Sicherheitsbehörden nen über mutmaßliche östliche Agenten zu er- nicht erlaubten Post- und Telefonüberwachung halten, die heute noch unter den holländischen durch die CIA, ist unbekannt. Kommunisten zu finden seien, Stichwort „Rote Kapelle“.159 Schreieder sagte begeistert seine Gelegentlich wurde Schreieder bei seinen Kooperation zu, wollte seine alten V-Männer Treffs von Max Noeth begleitet, der sich der und Kontaktleute jedoch selbst befragen. Er CIA gegenüber reservierter zeigte. Dies konnte

72 Max Noeth, Josef Schreieder und ihre Treffen mit dem CIA-Falloffizier © NARA Washington, RG 263, Dossier Joseph Schreieder

73 auch damit zusammenhängen, dass Noeth in Wochen im Haus beginnen würde, „learning to ­engerem Kontakt zur nachrichtendienstlichen lead the ropes“? Würde er mit Riedmayr harmo- Konkurrenz der CIA, dem CIC, stand. Aber nieren, dem nachgesagt wurde, dass er gerne auch Noeth gab dann Erkenntnisse über deut- ins Innenministerium wechseln würde?161 Auch sche Staatsbürger an den US-Kontaktmann über die Personalentscheidungen im LKA zeig- weiter, wenn sie sich seiner Meinung nach te sich Schreieder informiert und mitteilsam. durch Sympathien für den Osten oder ameri- kafeindliche Haltung auszeichneten. Über den Als Dank erhielt er neben Informationen auch Münchner Journalisten Jochen Wilke ereiferte immer wieder den ein oder anderen Fall zuge- sich Noeth ganz besonders: Wilke habe den schanzt, bei dem er sich profilieren konnte. Zu- Ruf der Bundeswehr schädigende Artikel ver- dem bot die CIA Schreieder an, seinem Sohn fasst, werde aber als Ehrengast der US-Navy beim Studium in den USA behilflich zu sein. empfangen. Er werde über Schreieder gerne 1960 stellte die CIA einen eigenen Fallführer ein Dossier über Wilke zusammenstellen las- für Schreieder ab, so wichtig waren neben den sen, damit die US-Seite wisse, mit wem sie es Informationen vor allem die Drähte, die Schrei- zu tun habe. In einem anderen Fall machte er eder im Polizeiapparat ziehen konnte. Diese den CIA-Offizier auf einen Mann aufmerksam, Kooperation hielt bis zum Jahr 1965 an. Zu der von sich selbst behauptete, entweder für diesem Zeitpunkt verlor Schreieder durch sein die CIA oder den CIC zu arbeiten. Dieser Mann Meineidsverfahren und seinen Gesundheits- sei ein Kommunist, der bereits 1942 wegen zustand schließlich den Status als nachrich- Hochverrats zu lebenslangem Zuchthaus ver- tendienstliche Verbindungsquelle, als „Liaison urteilt worden wäre. Damit gehöre er nach wie source“. vor ins Gefängnis. Hochverrat sei Hochverrat. Gegen ihn läge genug Belastungsmaterial we- gen seiner andauernden kommunistischen Ak- tivitäten vor, eine Verhaftung sei beabsichtigt, aber: arbeite dieser Mann wirklich für die Ame- rikaner? Er habe jetzt schon beim CIC ange- fragt, doch sowohl CIA wie CIC schützten of- fenbar ihre Quellen.

Nach der Pensionierung von Noeth (der wie- derum als Sonderverbindung weiter für den BND arbeitete) nahm Schreieder die regulä- ren „Liaison Meetings“ alleine wahr. Bis 1960 sind Treffberichte davon in Schreieders CIA- Akte enthalten. Sie zeigen, wie sich dienstli- cher Austausch zunehmend mit Interna über das Landesamt mischte, an denen die CIA na- türlich auch interessiert war. Was konnte man beispielsweise vom neuen „jungen Mann“ - Karl Sturm - im LfV erwarten, der in wenigen

74 „Hier wird gekrüßt mit ‚Heil Hitler‘“ - eine Wahrnehmung des Verfassungsschutzes aus dem Jahr 1959 © BayHStA, MInn 97149

IV. Skandale und Affären rat stieß auf immer weniger Akzeptanz. In Bay- ern diskutierte man insbesondere anlässlich Aufbau und Aktivitäten des Verfassungsschut- der so genannten Spielbankenaffäre zwischen zes vollzogen sich in der Bundesrepublik vor 1955 und 1960 die Diskrepanz von Anspruch dem Hintergrund einer immer kritischer wer- und Wirklichkeit des bayerischen Verfassungs- denden Öffentlichkeit. Mit dem Ulmer Ein- schutzes in einem demokratischen Gemeinwe- satzgruppen-Prozess gegen zehn ehemalige sen. Die Spiegel-Affäre und die so genannten SS-, Gestapo und Polizeiangehörige im Jahr „Schwabinger Krawalle“ im Jahr 1962 trugen 1958, der Debatte um Adenauers Staatssekre- dazu bei, dass auch Polizei und Staatsschutz tär Hans Globke und vor allem dem Prozess zunehmend kritisch hinterfragt wurden. gegen in Jerusalem 1961 hin- terfragte ein Teil der deutschen Bevölkerung in 1. „Hüter der Verfassung: Dr. Hans Globke West und Ost, aber auch das Ausland, die In- (Bundeskanzleramt)“: Der Diskurs über tegration der teilweise hocbelasteten NS-Täter die NS-Belastung der Sicherheitsorga- in die Nachkriegsgesellschaft. Ihre Wiederver- ne nach Spielbankenaffäre, Eichmann- wendung an politisch sensiblen Schlüsselposi- Prozess und Fall Felfe tionen im bundesdeutschen Sicherheitsappa- Die Beamten und Angestellten des Bayeri-

75 schen Landesamtes für Verfassungsschutz Der Ermittlungsbericht vermerkte zunächst la- staunten Mitte August des Jahres 1963 nicht pidar, dass die Bleistift-Inschrift zunächst eine schlecht, als sie ihre Behörde im dritten Stock Beamtenbeleidigung darstelle, indem er die der Hauses Neuhauserstr. 51 betreten wollten Angehörigen dieses Amtes als „alte Nazi“ und und auf dem Hinweisschild den Namen eines „SS-Henker“ bezeichnete. Außerdem könne neuen Vorgesetzten lesen konnten: „Verfas- die Schmierschrift in ihrem Gesamtinhalt als sungsschutz, Hüter der Verfassung: Dr. Hans Verleumdung gem. § 187 StGB angesehen Globke (Bundeskanzleramt)“.162 werden, da der Täter wieder besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Der Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Tatsache behaupte, welche geeignet sei, das graue Eminenz der scheidenden Regierung „Ansehen dieses Amtes und der betreffenden Adenauer, Dr. Hans Maria Globke, war zu die- Beamten in der Öffentlichkeit herabzuwürdi- ser Zeit wegen seiner Verstrickung in die NS- gen.“165 Die Verleumdung sei jedoch an einem Rassenpolitik in fast aller Munde. Das Oberste öffentlich zugänglichen Orte angebracht wor- Gericht der DDR hatte Globke im Juli in Abwe- den, da sich der Verfassungsschutz sein Domi- senheit zu lebenslanger Haft verurteilt, auf dem zil in der Neuhauserstraße mit dem Kaufhaus Buchmarkt kursierten west- und ostdeutsche Hettlage teilte.166 Publikationen, die sich mit der braunen Ver- gangenheit eines der wichtigsten Mitarbeiter Die Öffentlichkeit erfuhr von dem Vorfall nichts, Adenauers befassten, auch die westdeutsche da Schachinger in seinem Bericht ans Innen- Tagespresse und die politischen Magazine ministerium darum bat, dass man von dort in berichteten wiederholt über den ‘ostzonalen geeigneter Weise darauf hinwirken solle, dass Schauprozess‘.163 Doch was hatte Globke mit Presseverlautbarungen unterbleiben.167 den Münchner Verfassungsschützern zu tun? Die Ermittlungen der Polizei waren noch im Gan- Anhand des Schriftbildes erkannte man schnell ge, als Verfassungsschutzpräsident Riedmayr einen alten „Bekannten“, der im Juli und Au- am 18. August den nächsten Zwischenfall mel- gust 1959 schon einmal seine Handschrift im dete: Wieder hatten Unbekannte auf die weißla- Landesamts-Gebäude hinterlassen hatte. Auf ckierte Eingangstür am Ende eines Arbeitstages, der doppelseitigen weißen Lacktür hatte den diesmal mit blauer Schrift, folgende Inschrift an- Pförtner in den Abendstunden des 9. Juli ein gebracht: „Verfassungsschützler, Ihr verzinkten ganz besonderes Graffiti begrüßt: Unter einem Schweine. Wir schneiden Euch die Köpfe ab. Ihr Hakenkreuz und flankiert von der SS-Rune Lumpen, Ihr Schwarzbraunen! SSD”.168 stand: „Hier wird gekrüßt [sic] mit ‘Heil Hitler‘ gez. Schröder“. Darunter „Wir alten Geheimagentler Handschrift und inhaltlicher Duktus der wenig und Verfassungsschützer - Wir alten Nazi und schmeichelhaften Graffiti wiesen auf einen jun- SS-Henker - wir haben Euch alle ausnahmslos gen Mann namens Rudolf L. hin, so die Ermitt- alle erfasst.“ Und wiederum darunter, Dialog-ar- lungen des bayerischen Verfassungsschutzes, tig oder fast eine Warnung, „Alle haben wir Euch der bereits seit dem Vorjahr dadurch aufgefal- entlarft [sic] und in unserer Kartei festgehalten- len war, dass er mehrfach auch das Innenmi- die rote Hand - die Untergrundbewegung! Sitz nisterium und den Bayerischen Rundfunk mit Koblenz, München und Berlin“.164 „Pamphleten belästigt” und versucht habe,

76 Der Protest des Rudolf L. © BayHStA, MInn 97149

77 Unfug eines Geistig Verwirrten oder Empörung eines mündigen Bürgers? © BayHStA, MInn 97149

Namen leitender Regierungsbeamter festzu- fenbar 1959 nicht „verwahrt” wurde oder sich stellen. So sei beispielsweise im Bayerischen 1963 wieder frei bewegen konnte, erscheint mit Ministerium des Innern im Dezember 1958 eine seinen Graffiti und Pamphleten wie die Perso- Anfrage des L. eingegangen, ob es zutreffend nifizierung des Sprichwortes „Kinder und Nar- sei, dass russische Staatsangehörige in Haar ren sagen immer die Wahrheit” – oder ein Re- und anderen Heil- und Pflegeanstalten in Bay- sonanzboden des vergangenheitspolitischen ern gegen ihren Willen festgehalten würden. Diskurses der letzten Jahren der Regierung L. litte allerdings nach einem Gutachten der Adenauer. Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar vermutlich unter einer juvenilen Form der Schizophrenie, Was mochte Rudolf L. allerdings im Sommer gegen ihn eingeleitete Verfahren wegen Ver- 1959 zu seinen Verbalattacken auf die Staats- leumdung und Beleidigung seien wegen § 51 schützer, zumal auf das Bayerische Verfas- StGB eingestellt worden. sungsschutzamt getrieben haben? Und warum Aber: „Vorsorglich wird hier auch auf das Ver- wollte man die Vorfälle unbedingt aus der Öf- wahrungsgesetz hingewiesen und angeregt, fentlichkeit halten? geeignetenfalls und zu gegebener Zeit an das Referat für Kreisverwaltungsangelegenheiten der Die Zeit der großen Medienskandale begann – Landeshauptstadt heranzutreten, damit Antrag worauf Norbert Frei im Oktober 2012 zu Recht nach Art. 2, Abs. 1 des Verwahrungsgesetzes hinwies169 – nicht erst mit der Spiegel-Affäre gestellt wird.” 1962. Bereits im Februar 1959 hatte ein Artikel „Globke, SS-Henker, alte Nazis” – L., der of- von Mainhardt Graf Nayhauß in der Illustrier-

78 ten Stern für große Aufregung gesorgt: „Wer dem dafür zuständigen Innenminister August schützt uns vorm Verfassungsschutz?”170 Darin Geiselhöringer (Bayernpartei) und seiner Partei hatte Nayhauß ein im Vorjahr im Spiegel publi- unterstellt, bei der Konzessionsvergabe Beste- ziertes Skandalon erneut aufgriffen, den Fall ei- chungsgelder angenommen zu haben. Ein Un- nes russisch-tschechischen Ehepaares, das zu tersuchungsausschuss konnte diese Vorwür- Spionagezwecken in die Bundesrepublik ein- fe zunächst nicht belegen. Die Selbstanzeige gereist war, sich aber offenbarte.171 US-ame- eines der Konzessionäre führte dann jedoch rikanische Dienste, das Bundesamt und der zu einem Prozess, der am 8. August 1959 mit niedersächsischen Verfassungsschutz hatten der Verurteilung des Vorsitzenden der Bayern- vergeblich versucht, das Paar zur Gegenspio- partei, Joseph Baumgartner, zu zwei Jahren nage anzuwerben. Die damit befassten deut- Zuchthaus und Geiselhöringers zu 15 Monaten schen Beamten Richard Gerken (vom Kölner Gefängnis wegen Meineids endete.175 BfV) und Walter Odewald (Verfassungsschutz Niedersachsen), kannten sich bereits aus „ge- In diesem Verfahren trat auch Verfassungs- meinsamem Erleben vor 1945”.172 Im neuen schutz-Präsident Riedmayr als Belastungszeu- Artikel aus dem Frühjahr 1959, jetzt im Stern, ge auf, dessen Amt gegen einen der Konzes- wohin Nayhauß mit profundem Insiderwissen sionäre, Simon Siegfried Gembicki, ermittelt gewechselt war,173 wurde er im Hinblick auf hatte, und zwar nicht nur beim Bundesamt für die bedenklichen Kontinuitäten zu den Sicher- Verfassungsschutz, sondern auch bei westli- heits- und Nachrichtendienstes des „Dritten chen Partnernachrichtendiensten, da Gembi- Reiches” deutlicher. So mancher ehemalige cki den Zweiten Weltkrieg - nicht ganz freiwillig, SS- und SD-Führer, der jetzt im Verfassungs- wie sich herausstellen sollte - in Großbritanni- schutz tätig sei, habe „Dreck am Stecken”.174 en und den USA verbracht hatte. Gembicki, Verfassungsschutzpräsident Hubert Schrüb- für den sich nach Meldungen des Spiegel ein bers versuchte vergeblich noch im letzten Mo- Freund von Franz Josef Strauß stark gemacht ment, das Erscheinen der Stern-Ausgabe zu hatten, wurde nun in den Erkenntnissen der verhindern. versammelten Dienste als Angehöriger einer internationalen Verbrecherbande eingestuft, In der Zeit zwischen März und August 1959 als Lügner, Betrüger und Schwindler tituliert war jedoch nicht nur das Bundesamt und der und vor allem: „Er ist Jude.“ Diese auf weißen niedersächsische Verfassungsschutz in der Zettelnotizen ohne Absender verschriftlichten Presse, sondern vor allem der Bayerische Ver- Erkenntnisse ergänzte Riedmayr später an- fassungsschutz, dessen Verstrickung in ein in- geblich in einem „ʻGeheimʼ-Bericht, in dem als nenpolitisches Skandalstück im Machtkampf Quelle auch die Materialien des Bundesamtes für zwischen CSU und Bayernpartei bis heute Verfassungsschutz mit dem Aktenzeichen ‚III/61 nicht restlos aufgeklärt ist: die sogenannte -- PA 65869 -- 5.060/55 geh.‘ angeführt wur- (bayerische) Spielbankenaffäre. den, durch erhellende Mitteilungen etwa derart, daß Gembicki ‚eine luxuriös eingerichtete Villa‚ Mitte der fünfziger Jahre hatte die Koalition aus besitze und ‚enge Verbindungen‘ zum Industriel- SPD, Bayernpartei, Gesamtdeutschem Block/ len Herbert Quandt unterhalten habe.“ - so der BHE und FDP an vier Kurorte im Freistaat Spiel- Spiegel 1974.176 bankenkonzessionen vergeben. 1957 wurde Dass die Vorwürfe gegen Gembicki überwie-

79 Martin Riedmayr und die Spielbankenaffäre - Hintergründe © BayHStA, MInn 97149

80 gend haltlos waren oder eher Ergebnis der chen Charakter meines Sachwissens, gebeten rassischen Verfolgung, lag dem Gericht bereits von meinem Einvernehmen Abstand zu nehmen. vor, trotzdem mußte Riedmayr in den Zeugen- Da ich mich auch bei der Vernehmung durch den stand treten, um über seinen Geheimbericht Ermittlungsrichter bei dem Amtsgericht Mün- auszusagen, aber auch über das, was er wem chen, unter Berufung auf § 4 des Gesetzes über wann zur Kenntnis gegeben hatte. Riedmayr die Errichtung eines Landesamtes für Verfas- versuchte sich mehrfach erfolglos der Aussage sungsschutz, geweigert habe, zur Sache auszu- zu entziehen oder begehrte zumindest die Öf- sagen, erging schließlich am 29. April 1959 der fentlichkeit ausschließen zu lassen. Dem habe Beschluß der 2. Strafkammer des Landgerichts sich der Vorsitzende der 2. Strafkammer, Land- München I, dass ich auch über diejenigen Ange- gerichtsdirektor Dr. Paul Wonhas, widersetzt, legenheiten auszusagen habe, die unter die Ver- wie sich Riedmayr später beim bayerischen schwiegenheitspflicht fallen. Justizminister Dr. Albrecht Haas (FDP) beklag- Ich habe dann vor meiner Vernehmung in der te. Die Folge sei eine das Verfassungsschutz- Hauptverhandlung vor der 2. Strafkammer des amt und ihn schädigende Berichterstattung in Landgerichts München I nochmals auf die Not- der Presse gewesen.177 wendigkeit hingewiesen, eine öffentliche Erör- terung der Geheimvorgänge der Verfassungs- Aus Riedmayrs Schreiben vom Februar 1961 schutz-Arbeiten zu vermeiden. Auch vonseiten geht hervor, dass er das Landesamt tatsäch- des Bayerischen Staatsministeriums des Innern lich intensiv nicht nur mit der Überprüfung wurde durch Ministerialrat Brunner bei der Staats- jenes jüdischen Konzessionärs Gembicki be- anwaltschaft in dieser Richtung interveniert. auftragt hatte, sondern auch Details über die Als mir schließlich …durch die Staatsanwälte Geschichte der berühmten drei weißen Zettel Dr. Göppner und Dr. Jörg mitgeteilt wurde, der wusste, die man bis heute vergeblich sucht.178 Vorsitzende der 2. Strafkammer, Landgerichtsdi- Obendrein sagt er viel über das Amtsverständ- rektor Dr. Wonhas, lehne es ab, die Öffentlichkeit nis des mittlerweile im Ruhestand befindlichen auszuschließen, bat ich, es möge trotzdem durch Riedmayr aus und über die misstrauische At- die Staatsanwaltschaft ein Antrag auf Ausschluß mosphäre gegenüber den bayerischen Verfas- der Öffentlichkeit gestellt werden. sungsschützern nicht nur in der Öffentlichkeit: Ich erhielt zwar eine halbe Zusage, ein entspre- chender Antrag wurde jedoch auch dann nicht „Sehr geehrter Herr Staatsminister! gestellt, als im Lauf meiner Vernehmung ver- Nachdem nunmehr die staatsanwaltschaftlichen traulichste Informationen zur Sprache kamen. und gerichtlichen Ermittlungen, soweit sie im So wurde u.a. insbesondere ein Bericht vom Rahmen der Spielbankprozesse meine Person 12.7.1955, der ausdrücklich als ‚Geheimsache‘ berührten, zum Abschluß gekommen sind, halte gekennzeichnet war, in aller Öffentlichkeit erör- ich es an der Zeit, Ihnen folgendes vorzutragen. tert. Durch mein verständliches Streben, die Ver- Wie Sie wissen, wurde ich im Meineidsverfahren traulichkeit noch einigermaßen zu wahren, wur- gegen den Staatsminister a.D. Dr. August Gei- de meine Stellung als Zeuge sehr erschwert. Da selhöringer von der Staatsanwaltschaft München es sich zudem um peinlichste Belastungen des I als Belastungszeuge genannt und schließlich Spielbank-Konzessionärs S. Gembicki handelte, auch geladen. Bereits vor Eröffnung des Verfah- der in diesem Prozess weder Angeklagter noch rens habe ich, unter Hinweis auf den vertrauli- Zeuge war, führte dieser Vorgang nicht nur zu

81 Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in der Kritik der Öffentlichkeit - Nachwehen eines Prozesses © BayHStA, MInn 97149

82 sensationellen Presseartikeln und Angriffen ge- nicht als ausreichende Zurückweisung der An- gen meine Person, sondern schließlich auch zu griffe, sondern eher als Stichwort für mißgünstige einer Strafanzeige Gembickis gegen mich wegen Pressevertreter angesehen werden. Verdachts der Beleidigung und übler Nachrede. Ein weiterer Vorgang ist bis heute unklar: Außerdem erfolgte ein Protest englischer Stellen, Im Verlauf meiner Zeugenaussage wurden auch weil in dem erwähnten Bericht u.a. ‚vertrauliche‘ die Geheim-Meldungen fremder Nachrichten- Informationen des Bonner Nachrichten-Verbin- dienste erwähnt, die die Grundlage des Berichts dungsoffiziers der britischen Regierung verwen- des Bayerischen Landesamtes für Verfassungs- det waren. schutz an das Bayerische Staatsministerium des Ich erlaube mir, auf den in dieser Frage vom Innern gebildet hatten. Dem Gericht schien es Bundesgericht eingenommenen grundsätzlichen angezeigt, die einschlägigen Schriftstücke aus Standpunkt hinzuweisen, sowie auf die Kritik den Geheimakten des Verfassungsschutzamtes des Auslands. So schreibt z.B. die ‚Neue Züri- sicherzustellen. Nachdem Staatsanwalt Dr. Jörg cher Zeitung‘ unterm 2. November 1960..., es diese Schriftstücke eingesehen hatte, wurden sie sei nicht zu übersehen, dass ‚ in Deutschland in in einem Umschlag verschlossen. Ich wies auf Bezug auf den Umgang mit Geheimnissen bis- ihren vertraulichen Charakter hin und betonte, her mit erstaunlicher Sorglosigkeit gewirtschaftet dass ihre Einführung in den Prozess nicht nötig worden ist, wobei es sich ja oft nicht so sehr um sei, da meine eidliche Aussage wohl ausreiche. die eigenen als vielmehr um die Geheimnisse der Als ich zudem erklärte, dass der Einblick in die- anderen handelte.‘ se Schreiben ohne meine mündliche Ergänzung Wenn der Standpunkt eingenommen wird, dass wertlos und verwirrend sei, gab mir Staatsanwalt sich ein Richter über die Verschlußsachen-Vor- Dr. Jörg auf meine dringende Bitte, die ausdrück- schrift hinwegsetzen kann, so hört jede nachrich- liche Versicherung, diese Schriftstücke würden in tendienstliche Tätigkeit auf. (…) den Prozess nur eingeführt, wenn ich gleichzeitig Ich darf Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister, dazu gehört und mir damit die Möglichkeit ge- deshalb bitten, die Angelegenheit zu prüfen, wie geben würde, entsprechende Erklärungen abzu- solchen Vorkommnissen vorgebeugt werden geben. Dies wäre dringend nötig gewesen, weil kann. einige der Schreiben nur mit Chiffren bezeichnet Nach wie vor ist mir unklar, weshalb die Staats- waren, wie dies bei den Nachrichtendiensten der anwaltschaft es unterlassen hat, einen Antrag auf ganzen Welt üblich ist. Ausschluß der Öffentlichkeit zu stellen. Diese Un- Dieses Versprechen wurde nicht gehalten. terlassung ist meines Erachtens der Ausgangs- Als in der letzten Phase der Verhandlung… der punkt für die weiteren Ereignisse und die kritische inzwischen als Verteidiger von Dr. Geiselhöringer Beurteilung, die der Prozeß in der Öffentlichkeit eingesprungene Rechtsanwalt Dr. Alfred Seidl gefunden hat. Die ungerechtfertigten Beschimp- Einblick in diese Schriftstücke forderte, wurde fungen, die im weiteren Verlauf des Prozesses dieser Forderung entsprungen. Das Bayerische der Verteidiger von Dr. Geiselhöringer gegen mei- Staatsministerium des Innern wurde …um Zu- ne Person und das von mir geführte Amt richte- stimmung untersucht. Dabei blieb mein aus- te, wurden vom Gericht nicht unterbunden. Auch drücklicher Vorbehalt unerwähnt. die seltsame Bemerkung des Vorsitzenden der Daß sich das Gericht in diesem viel zu späten 2. Strafkammer [Wonhas]‚ ‚leider muss es eben Stadium nun doch zum Ausschluß der Öffentlich- ein Verfassungsschutzamt geben‘, kann wirklich keit entschloss, hatte erst recht unerfreuliche Fol-

83 gen. Ich selbst wurde weder vom Gericht, noch Bormann und Alois Brunner182, bei der bis heu- von der Staatsanwaltschaft in Kenntnis gesetzt; te immer wieder über einen nachrichtendienst- ich wurde auch nicht mehr gehört. Erst aus Zei- lichen Hintergründe spekuliert wird, oder die tungsmeldungen erfuhr ich, in welch unloyaler immer wieder in den Schlagzeilen befindliche Weise der Rechtsanwalt Dr. Seidl von dem ge- Causa Globke. Sie hatte spätestens mit dem wonnenen Einblick gebrauch machte. Er gab in Eichmann-Prozess nun auch ihren Weg nach öffentlicher Sitzung eine Schilderung der fragli- München gefunden. Reinhard Strecker zeigte chen Berichte (‚Schreiben ohne Kopf und Unter- 1961 in Schwabing seine Ausstellung „Unge- schrift‘), die bei jedem Außenstehenden Zweifel sühnte Nazi-Justiz”, der Münchner Journalist an der Arbeit des Verfassungsschutzes erwe- Rolf Seeliger thematisierte in der ebenso heftig cken mußten. befehdeten Ausstellung „Massenmord im Zei- Obwohl diese Ausführungen offensichtlich die chen des Hakenkreuzes” im Februar 1961 im Geheimhaltung verletzten, wurden sie vom Ge- Bürgerbräu-Keller Globkes Tätigkeit im Reich- richt nicht richtiggestellt und auch nicht unterbun- sinnenministerium und in der Bundesrepublik. den, als Rechtsanwalt Dr. Seidl - unter Hinweis Die Polizei (und vermutlich auch der Staats- auf die vertrauliche Einblicknahme - sogar zu der schutz) vermerkte Tausende von Besuchern. Äußerung verstieg, dass der ‚Verfassungsschutz Da die Staatsanwaltschaft jedoch gegen See- eine Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat‘ ligers Ausstellung einschritt, kam es noch im sei…“ Herbst 1962 zu einer Gerichtsverhandlung in München.183 Geiselhöringer versuchte Riedmayr noch we- gen Meineides zu belangen, doch im Februar Im Sommer 1963 kam ein weiterer heiß disku- 1961 wurde die Anzeige eingestellt. Riedmayr tierter Fall hinzu, der die Frage nach der Gefahr hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch sein Amt we- der braunen Vergangenheit für die Sicherheits- gen angeblicher gesundheitlicher Schwierig- organe der Bundesrepublik nahezu aufdräng- keiten bereits zur Verfügung gestellt und war in te - in doppelter Hinsicht: der Fall Felfe.184 Er den Ruhestand getreten.179 brachte den vor den Toren Münchens in Pull- ach beheimateten Bundesnachrichtendienst Zwischen Februar 1961 und dem Outen zahl- und die dort beschäftigten SS- und Gestapo- reicher hochrangiger SS- und SD-Angehöriger angehörigen erneut in die Schlagzeilen. Felfe in den Verfassungsschutzämtern des Bundes und seine nachrichtendienstlichen Kameraden und der Länder im Herbst 1963 im Zuge der Hans Clemens und Erwin Tiebel waren im No- sogenannten „Telefon“- oder „Abhöraffäre”, vember 1961 von der Öffentlichkeit weitgehend war die bemerkenswerte antidemokratische unbemerkt als sowjetische Agenten enttarnt Kontinuität in Regierung, Parlament und den worden.185 Vor allem Felfe, der zwischen 1951 Sicherheitsorganen immer wieder Gegenstand und 1961 nachrichtendienstlich neuralgische öffentlicher Diskussionen. Sei es, als nach der Positionen im Bundesnachrichtendienst ein- Spiegel-Affäre die braune Vergangenheit des nahm, lieferte seinen sowjetischen Auftragge- Leiters der Sicherungsgruppe Bonn des BKA, bern nicht nur Erkenntnisse und Personalstruk- Theo Saevecke ans Licht kam,180 oder die De- tur des BND, sondern auch seiner Partnerdiens- batten um Eichmanns Entführung181 und die te, des Bundesamtes für Verfassungsschutz vergebliche Suche nach NS-Tätern wie Martin und direkt oder indirekt möglicherweise auch

84 des bayerischen Verfassungsschutzes, wie der „Welche Persönlichkeiten hingegen im Kölner „Damage Report” der CIA hervorhebt: „9. As Bundesamt für Verfassungsschutz die west- one of the senior and most active BND liaison deutsche Demokratie bewachen, blieb bislang officers in contact with almost all West German unbekannt, obschon auch etliche von ihnen an Internal Security and Police services and sever- ihrer Vergangenheit zu tragen haben. So war ein al Federal Republic ministries and departments, - heute vorwiegend mit Sicherheitsfragen des ei- the KGB in effect also gained through FELFE a genen Hauses befaßter - höherer Beamter vor- valued penetration of these groups inflicting con- mals SS -Sturmbannführer, SD-Mann und Lehrer siderable damage on most of them.”186 an der Reichskriminalpolizeischule. So war der Gruppenleiter einer Abteilung SD-Mann in der Wie der bayerische Staatsschutz auf den Ver- Pariser Deutschen Botschaft und bei Kriegsen- ratsfall Felfe reagierte und ob auch in München de gleichfalls SS-Sturmbannführer, ein Rang, den den Verbindungen der so genannten „Dresden Felfe vergeblich erstrebte. In derselben Abteilung Connection”187 nachgegangen wurden, muss stammen außer dem Abteilungschef und zwei Re- späteren Forschungen vorhalten bleiben - feratsleitern sämtliche Chargen aus Abwehr- oder ebenso die Frage, ob das Landesamt mit der Sicherheitsdiensten. Es wirkten - ein Referatslei- Personalie Leonhard Halmanseger188 seinen ter als Direktor bei der Geheimen Feldpolizei, - ein eigenen Verratsfall Felfe und möglicherweise weiterer Referatsleiter als Gestapo-Kommissar seine eigene Crome-Kommission189 hatte. und SS-Hauptsturmführer. - ein Sachbearbeiter, der bis 1957 gegenüber den Alliierten unter fal- 1963 standen Erwin Tiebel, Hans Clemens schem Namen geführt wurde, als Gestapo-Kom- und Heinz Felfe vor dem Bundesgerichtshof in missar und SS-Hauptsturmführer, - ein weiterer Karlsruhe. Auch wenn die Verhandlung meist Sachbearbeiter, der bis 1954 unter falschem Na- hinter verschlossenen Türen stattfand, dran- men geführt wurde, bei der Gestapo. gen genügend Informationen über die prob- Es war daher paradox, daß SPD-Volksvertreter lematische Personalrekrutierung nach außen. Ritzel aus Anlaß des Felfe-Prozesses in Bonn Die Frankfurter Rundschau titelte „Braun ge- fragte: ‚Wir haben einen Verfassungsschutz - wo gen Rot”,190 die Welt „Die schwarz-braunen blieb er, als es galt, den Herren vom Bundes- Zellen bei Gehlen”: „Hier rächt sich eine fatale nachrichtendienst auf die Finger zu sehen?‘ Personalpolitik, die kleinen und größeren Nazis, Selbst wenn die Kölner die Kompetenz gehabt kleineren und größeren SS- und SD-Leuten be- hätten, die Münchner zu überwachen - was nicht sonders während der ersten Aufbaujahre nach der Fall ist; jeder Geheimdienst hat seine eigene dem Kriege und durchaus mit Kenntnis der Auf- Abschirm-Abteilung -, wären sie schwerlich da- sichtsorgane – früher der Amerikaner und spä- für geeignet gewesen. ter der Deutschen – fröhlichen Unterschlupf im Das Risiko, neben unbelasteten Abwehroffizie- Nachrichtendienst gewährte, wo sie unter sich ren des Heeres auch ehemalige SD-Leute aus ein eignes Verbindungsnetz unterhielten, das sie Reinhard Heydrichs Reichssicherheitshauptamt immer weiter auszudehnen suchten.“191 (RSHA) ins Haus zu nehmen, bestand für alle Dienste. Diese Leute waren dazu prädestiniert, Der Spiegel nutzte die Gelegenheit, erneut die vom gegnerischen Apparat umgedreht zu wer- braun-roten Seilschaften nicht nur in Pullach, son- den: Ihre - verschwiegene - NS-Vergangenheit dern auch im Verfassungsschutz anzuprangern: mußte Erpresser aus dem Osten anlocken.“192

85 Der Stellvertretende Vorsitzende der SPD- in der Bundesrepublik stationierten Einheiten Bundestagsfraktion, , forderte da- Post- und Telefonverkehr ohne jedwede Be- her, dass unbedingt geklärt werden müsse, schränkung überwachen, also Korrespondenz wo ehemalige SD-Angehörige eventuell heute zu öffnen und Telefonate abhören, zu dürfen. noch tätig seien. Das Magazin „Stern“ legte vier Der Vertrag enthielt auch die Verpflichtung für Wochen später noch einmal nach und berich- die Bundesrepublik zu engster Zusammenar- tete am 27. August 1963 unter dem Titel „Der beit mit den alliierten Nachrichtendiensten und Mann ohne Namen“ über ein „ganzes Schock schuf damit gewissermaßen eine rechtliche von Beamten mit profilierter SS-, SD- und so- Grauzone: Obwohl gegen das Grundgesetz gar Gestapo-Vergangenheit“ in der „etatmäs- verstoßend, aber im Einklang mit dem Truppen- sigen Führungsgruppe“ des Bundesamtes für statut gaben die Mitarbeiter des Bundesämter Verfassungsschutz.193 Der Mann ohne Namen, und der Landesämter für Verfassungsschutz Erich Wenger, alias Wolter194 war nun auch in den alliierten Nachrichtendiensten so genann- München, beim bayerischen Verfassungs- te „Anregungsfälle“ meist mündlich zur Kennt- schutz, kein Unbekannter, da er in Zusammen- nis. Über die Verbindungsoffiziere der Dienste arbeit mit den Staatsschützern vor Ort dienst- erhielten die Verfassungsschutzämter später lich Ermittlungen gegen dort ansässige, po- Informationen über die überwachten Personen tenzielle Ost-Agenten durchführte, die - wenig en retour, um dann zum Teil gemeinsam mit überraschend - aus dem alten Kameradenkreis den ausländischen Nachrichtendiensten das stammten.195 Rudolf L.‘s Schriften an der Wand weitere Vorgehen zu planen. von 1959 – nur das Menetekel eines geistig verwirrten Einzeltäters? War dieses Faktum im Jahr eins nach der Spie- gel-Affäre, bei dem der Staat nach Aussage 2 „Ehemalige SS-Leute als Hüter unserer von Innenminister Hermann Höcherl (CSU), ei- demokratischen Staatsordnung?“ Die nem Altparteigenossen der NSDAP,197 ja bereits „Telefon-Affäre“ und das bayerische schon „etwas außerhalb der Legalität“ agiert Landesamt für Verfassungsschutz im hatte,198 schon für sich alleine ein Skandal, so Herbst 1963 kam verschärfend hinzu, dass es im Bundes- Die Aufregung über den Stern-Artikel und die amt ehemalige Gestapo- und SS-Offiziere wa- Inschrift „Hüter der Verfassung: Dr. Hans Glob- ren, die diese prekäre Aufgabe wahrnahmen. ke (Bundeskanzleramt“)“ hatte sich noch nicht Peter Stähle von der Zeit fragte in seinem auf- gelegt, als via Köln die nächste Diskussion zur sehenerregenden Artikel „Sagte Höcherl die NS-Belastung des Verfassungsschutzes auch Wahrheit?“ am 6. September nicht nur nach, München erreichte. Aufhänger war der allzu ob Höcherl im Vorjahr anlässlich der Spiegel- begründete und immer wieder formulierte Ver- Affäre die Unwahrheit über die Telefonüberwa- dacht, der Verfassungsschutz breche das im chung gesagt habe, sondern gab auch weitere Grundgesetz verankerte Fernmelde- und Brief- Insider-Details zu den im Bundesamt tätigen geheimnis über die Kooperation mit den alliier- ehemaligen Gestapo- und SD-Angehörigen wie ten Nachrichtendiensten.196 Richard Gerken,199 dem Vorgesetzten Wengers, Gemäß Truppenstatut war Briten, Franzosen Johann Strübing und Werner Aretz preis.200 und US-Amerikanern im Deutschlandvertrag Den Bundestagsausschuss für Inneres erwar- 1955 zugestanden worden, zum Schutz ihrer te nach den Parlamentsferien nun eine heikle

86 Arbeit. Innenminister Höcherl wolle – und müs- Junker offenbar, umgehend eine außerordentli- se! – die Abgeordneten endlich präzise darü- che Sitzung des Ausschusses für Sicherheits- ber aufklären, wie viele ehemalige Führer von fragen des Bayerischen Landtages einzuberu- SS, SD und Gestapo jetzt als Staatsdiener im fen.202 Sie fand am 17. September 1963 unter Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz über Vorsitz von Waldemar von Knöringen (SPD) die Wahrung der Grundrechte und das demo- statt. An der nichtöffentlichen Sitzung nah- kratische Verhalten der Bevölkerung wachen, men die im Sicherheitsausschuss sitzenden und welche Gründe zur Einstellung eines so Mandatsträger der CSU, der Bayernpartei, der umstrittenen Personenkreises geführt haben. SPD und der FDP teil.203 Anwesend war außer Staatsminister Junker zudem der Verfassungs- Innenminister Höcherl konterte öffentlich nur schutzschutzpräsident Karl Sturm. mit der inzwischen zum geflügelten Wort ge- wordenen Sentenz, die Mitarbeiter des Ver- Gegenstand der Sitzung waren Stellungnah- fassungsschutzes könnten nicht „den ganzen men der Vertreter der bayerischen Landesre- Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm her- gierung hinsichtlich der „im Bund in Bezug auf umlaufen“ und versicherte, die belasteten Mit- das Bundesamt für Verfassungsschutz hoch- arbeiter machten kaum zwei Prozent der Be- gespielten Diskussion“, um die Mitglieder des schäftigten aus.201 Was er nicht erwähnte: Sie Sicherheitsausschusses auf „eventuell von au- waren in den leitenden Positionen und prägten ßen kommende Anstöße“ vorzubereiten und Feindbilder und Ermittlungen auch der jün- intern etwaig bestehende Fragen zu klären, geren Generation im Bundesamt. Dies veran- bevor sie das Vertrauensverhältnis zwischen lasste Theo Sommer eine Woche nach Stähles Land und Innenministerium in Frage stellten.204 Artikel zu einer scharfen Replik: „Nur Abhör- Zu möglichen Abhöraktionen des Verfassungs- Amtshilfe? Was Höcherl auch sagen mag: Es schutzes erklärte der Vertreter der bayeri- ist Verfassungsbruch“. Und den begingen mit schen Landesregierung, dass das Bayerische Wissen und Akzeptanz des Amtsleiters laut Landesamt für Verfassungsschutz nach dem Sommer ganz besondere Amts-Angehörige: Truppenvertrag nicht das Recht habe, Telefon- „Unter diesen Verfassungsschützern aber sind gespräche abzuhören, aber die Verpflichtung, Leute, die den ganzen Tag zwar nicht mit dem die Verfassung zu schützen und im gegensei- Grundgesetz, wohl aber mit der SS-Blutgrup- tigen Einvernehmen mit den Alliierten deren pen-Tätowierung unterm Arm umherlaufen…“ Schutz zu gewährleisten. Daher habe man die Alliierten über konkrete Verdachtsfälle und ver- Die heftige Diskussion in der Öffentlichkeit so- dächtige Personen in Kenntnis gesetzt. Wie die wie die Ankündigung der Panorama-Redaktion Verdächtigen zu observieren seien, entscheide – das NDR-Polit-Magazin Panorama hatte seit die bei den Alliierten zuständige Behörde, die seiner Erstausstrahlung im Juni 1961 auch im- wiederum den bayerischen Behörden entspre- mer wieder Reportagen über die NS-Täter ge- chende Hinweise gebe, wie es Artikel 4 des bracht – sich auf einer Reise durch Deutsch- Truppenvertrages regele. Wie sich die Alliierten lands Verfassungsschutzämter auch der Frage jeweils ihre Kenntnisse beschafft hätten, wis- der dort beschäftigen ehemaligen SS-, SD- se man nicht, hätte es hinterher teilweise aber und Gestapoangehörigen anzunehmen, veran- nachvollziehen können. lasste den bayerischen Innenminister Heinrich

87 Zum Austausch mit den Amerikanern erfuhren den könnte. Nicht einig waren sie sich in der die Abgeordneten, dass sich der bayerische Bewertung des Falles, wobei die Diskrepanz Verfassungsschutz eigentlich permanent in auch bei Abgeordneten der selben politischen einem Ermittlungs- und Aufklärungsnotstand Partei zu finden sein konnte. Die Mehrheit der befinde, da der Gegner im Untergrund mit al- Ausschussmitglieder stellte sich zwar hinter len Mitteln der Konspiration und der Nachrich- Schreieder, entweder aus Akzeptanz seiner tentechnik arbeite. Die deutschen Dienste sei- dargelegten Vita, wegen seiner Erfolge als Re- en daher auf die in Karteiform niedergelegten feratsleiter bei der Bekämpfung der östlichen Kenntnisse der US-Amerikaner angewiesen. Spionage oder weil man der Auffassung war, Lediglich in 26 Fällen, die anschließend skiz- der Staat müsse generell Schluss machen mit ziert und meist unter kommunistische Sub- dem „Götzendienst“, den man fortwährend ei- version und Spionage subsummiert wurden, nem Teil der Presse erweise. Man müsse sich darunter aber auch die Suche nach dem seit eben zu dem ein oder anderen Exponenten Mai 1945 vermissten, aus München stammen- bekennen. Wenn man an alle Beamten einen den Gestapo-Chef Heinrich Müller, habe man solch scharfen Maßstab einer „formalen NS- den Sachverhalt an die Amerikaner gelangen Belastung“ anlege, hätte alleine im bayerischen lassen.205 Telefon- und Briefzensur habe man Innenministerium ein großer Teil der Beamten selbst nie betrieben.206 nicht tätig sein können.

Im Hinblick auf die Personalpolitik des Verfas- Eine Minderheitenmeinung wurde dagegen von sungsschutzes nannte die bayerische Landes- einem anderen Abgeordneten vertreten, der regierung zwei Personen, die im Herbst 1963 sich expressis verbis weigerte, seine Hand für dem besonders diskutierten belasteten Per- Schreieder ins Feuer zu legen. Das Politikum sonenkreis angehörten: einen 1943 von der dieses besonderen Falles dürfe man nicht au- Schutzpolizei zur Waffen-SS übergewechsel- ßer Acht lassen, denn es werde rein optisch so ten, rangangeglichenen SS-Hauptsturmführer, aussehen, als ob ehemalige Mitglieder der Ge- dessen Name nicht fiel,207 und einen rangan- stapo heute wieder an entscheidenden Stellen geglichenen Kriminaldirektor und SS-Sturm- säßen, auch wenn sie unter einer sozialdemo- bannführer der Bayerischen Politischen Polizei kratischen Regierung an ihre Position gelangt und Gestapo, der den Anwesenden bekann- seien. te Oberregierungsrat Joseph Schreieder. Den Ausschussmitgliedern wurde Schreieders Wer- Abschließend einigte man sich auf die folgen- degang mitsamt der positiven Stellungnahmen de Presseverlautbarung: „Unter dem Vorsitz des holländischen Gerichts und dem Spruch- des SPD-Abgeordneten Waldemar von Knö- kammerbescheid von 1949 (als „nicht betrof- ringen und in Anwesenheit des Innenministers fen“ da unter Heimkehreramnestie fallend) Heinrich Junker hat der Landtagsausschuss noch einmal zur Kenntnis gegeben. für Sicherheitsfragen einen Bericht über die Ar- beit des Bayerischen Landesamtes für Verfas- Alle Sitzungsbeteiligten, des Falles Felfe durch- sungsschutz entgegengenommen und dabei aus gewahr, waren sich einig, dass Schreieders die Überzeugung gewonnen, dass die Arbeits- Personalie dem Landesamt von Böswilligen methoden des Landesamtes den Prinzipien unter Umständen zum Vorwurf gemacht wer- rechtsstaatlicher Ordnung entsprechen. Dies

88 gilt auch für die Personalpolitik des Amtes. An Angesichts der differierenden Angaben wollte der Sitzung haben Vertreter sämtlicher Land- es der Vorsitzende dann präzise wissen: Sei tagsfraktionen teilgenommen.“ Schreieder erst mit der Dienstgradangleichung der SS beigetreten oder doch schon vorher? Laut Homepage des bayerischen Verfassungs- Schreieder musste zugeben, dass er bereits schutzes war damit Vorwürfen gegen das Amt vor der Rangangleichung 1933 oder 1934 auf damit der Boden entzogen. In dieser relativen Befehl von Heydrich „überführt“ oder „einge- Ruhe habe das das Amt einen Ruf der Diskreti- treten“ sei. Man habe ihm nahegelegt, einen on erlangt, der Voraussetzung jeder Nachrich- Aufnahmeantrag in den SD zu stellen. Er sei tenbeschaffung sei.208 aber nicht in die Allgemeine SS eingetreten, sondern eben als Polizeibeamter in den SD, Doch zumindest der Fall Schreieder war damit der automatisch Teil der war. Er noch nicht zu den Akten gelegt. habe aber nie SS-Dienst gemacht und auch sonst mit der SS nichts zu tun gehabt. Auf die 3. Die Causa Schreieder oder: Die Meta- pointierte Nachfrage, ob er vor seinem Gesuch morphosen des Dr. Mabuse schon Angehöriger der SS gewesen sei, ant- Vor dem Schwurgericht in Düsseldorf fand wortete er mit „nein“. vom 12.10.1964 bis zum September 1965 der sogenannte „Zweite Treblinka-Prozess“ statt. Vier Monate später rief ihn der Ankläger im Verhandelt wurde gegen 10 Angeklagte, die Treblinka-Prozess, der Leitende Staatsanwalt der Leitung des Vernichtungslagers angehör- am Landgericht Düsseldorf, Alfred W. Spieß212 ten und sich wegen Mordes oder Beihilfe zum im Verfassungsschutzamt in München an. Er Mord zu verantworten hatten.209 Am 8. April teilte Schreieder mit, dass er aufgrund einer 1965 trat Joseph Schreieder in den Zeugen- anonymen Anzeige gegen ihn wegen Meinei- stand.210 Wozu er gehört werden sollte, ist sei- des ermitteln werde. Schreieder sei laut den ner Personalakte211 nicht mehr zu entnehmen, Unterlagen des Berlin Document Center bereits es waren jedoch zahlreiche Zeugen aus den am 1. Mai 1933 der Allgemeinen SS beigetre- Reihen der SS und des SD zur Aussage zum ten und turnusmäßig befördert worden. Seine Vernichtungslager Treblinka einbestellt. Vor SS-Mitgliedschaft habe nicht in inhaltlichem seiner Vereidigung wurde Schreieder von den Zusammenhang mit der Rangangleichung und Anwälten und dem Vorsitzenden des Schwur- dem SD-Eintritt gestanden.213 Schreieder habe gerichts intensiv nach seinem Werdegang in also einen Meineid geleistet. SS, SD und der NSDAP befragt, auch die Fra- ge der automatischen Rangangleichung spiel- Aus welchem Umkreis die anonyme Anzeige te wieder eine Rolle. Mitglied in der Allgemei- gekommen war, lässt sich aus den von Spieß nen SS sei er nicht gewesen, SD-Führer mit in Sachen Schreieder ausgewerteten und die- SS-Rang nur nach der Dienstgradangleichung, sem vorgehaltenen Ermittlungsakten rekonst- gab Schreieder zu Protokoll. Dabei verwickelte ruieren.214 Darunter befand sich das gegen den er sich in Widersprüche, die auf dem Tonband, Journalisten Dr. Hermann Schützinger, einen was zur Stützung des Gedächtnisses des Ge- ehemaligen Berufsoffizier und Chef der säch- richts mitlief, genau festgehalten wurden. sischen Landespolizei, von der Staatsanwalt- schaft Bonn geführte Strafverfahren wegen Be-

89 „Es ist Ihnen sicherlich nicht bekannt…“ Ein Brief an den Ministerpräsidenten Dr. Hoegner © BayHStA, MInn 84972 (PA Schreieder) 90 leidigung geführte Strafverfahren, das Schrei- heit zu ergründen. Im Präsidium des Verfas- eder gegen Schützinger angestrengt hatte. Als sungsschutzes und dem Ministerium des Innern engagierter Sozialdemokrat war Schützinger schien man nervös geworden zu sein, denn 1933 emigriert, mit Gründung der Bundesrepu- Schreieders dienstliche Meldung über das Ver- blik aus dem Exil zurückgekehrt und hatte im hör bagatellisierte den Ernst der Lage. Die ihm Juli 1954 seinen bestenfalls oberflächlich re- von Spieß nachgewiesenen Unkorrektheiten, cherchierten Artikel über Spionagekampf zwi- um es vorsichtig auszudrücken, hätten ihn ehr- schen Ost und West in der SPD-nahen Schles- lich erschüttert. Er habe das alles anders in Erin- wig-Holsteinischen Volkszeitung publiziert. nerung gehabt. Unter anderem hatte Schreieder zugeben müssen, dass er bei seinem Wechsel Schützinger war dabei über das Ziel hinaus- vom LKA zum Verfassungsschutz auch über sei- geschossen, und hatte Schreieder als sowje- ne SD-Angehörigkeit nicht die Wahrheit gesagt tischen Agenten bezeichnet, weil er SD und hatte, und nicht nur bei der Frage der Dienstran- SSD (Sowjetischer Sicherheitsdienst) verwech- gangleichung gelogen hatte. selte. Schreieder klagte wegen Beleidigung, Schützinger korrigierte sich, er habe SD und Hätte Spieß zudem den Zugang zum CIA-Per- SSD verwechselt, aber Schreieder beharrte sonendossier von „Cabolt“, alias Heinz Bauer, darauf, auch dem SD nicht angehört zu ha- alias Dr. Mabuse gehabt, hätte er Schreieder ben.215 Schließlich wurde Schreieder von sei- nur sein eigenes Statement vorhalten müssen. nem Vorgesetzten im LKA, Franz Meinert, wo- Unter Punkt C-II seiner für die Organisation hin er von der Organisation Gehlen gerade hin- Gehlen geschriebenen und der CIA ausgelie- gewechselt war, vermutlich von allerhöchster henen Ausarbeitung „Die Geheime Staatspoli- Stelle zurückgepfiffen, da man angesichts von zei“ konnte man zur Problematik der Rangan- Schreieders tatsächlicher Mitgliedschaft im SD gleichung lesen: und dem anstehenden Wechsel in den Verfas- sungsschutz nicht interessiert war, die Perso- „Bereits 1934 führte Heydrich bei einzelnen Be- nalie Schreieder „in das Blickfeld der Öffentlich- amten der Bayer. Politischen Polizei das Tragen keit treten zu lassen.“ 216 Schützinger hatte sich der SS-Uniform ein, sei es, dass er ihnen eröff- nämlich auch an seinen Parteifreund, Minister- nete, dass sie SS-Uniform tragen müssen oder präsident Dr. Högner, gewandt, und ihn auf die dass er sie aufforderte, ein Gesuch einzureichen. juristische Auseinandersetzung mit einem sei- Dies waren die Anfänge der Dienstgradanglei- ner Beamten hingewiesen: „Es ist Ihnen sicher- chung, die durch RdErl. des RFSSuChdDtPol. lich nicht bekannt, dass ein ehemaliger, höherer vom 20.6.38 (MBlfdiV.S.1089) endgültig geregelt Beamter des SD, der vom Nürnberger Gericht wurde. Nach diesem Erlaß wurden Beamte der als ‚verbrecherisch‘ bezeichneten, nationalsozi- Sicherheitspolizei in die Allgemeine SS auf An- alistischen Geheimpolizei namens Schreieder in trag aufgenommen. Die Beamten trugen dann die bayerische Kriminalpolizei wieder eingestellt die SS-Uniform mit den ihrem Beamtendienst- worden ist...“217 grad entsprechenden Rangabzeichen.“218

Am 18. August 1965 traf der wohl präparierte So aber wurden Anfang Oktober 1965 die Spieß in München ein und versuchte in einem Vernehmungsmitschriften Schreieder und die über fünf Stunden dauernden Verhör, die Wahr- angelegten Sachakten dem Institut für Zeitge-

91 Die Geheime Staatspolizei - Schreieders Vergangenheitsbewältigung © NARA Washington, RG 263, Dossier Joseph Schreieder

92 93 94 schichte zur Erstellung eines Gutachtens über Anfang Januar 1966 bestellte die Staatsan- die Frage der Dienstgradangleichung zugelei- waltschaft am Landgericht München I Schrei- tet.219 Das stringente Vorgehen, die Auswahl eder zur nächsten Vernehmung ein. Spieß der Vernommenen, zu denen neben dem pen- reiste eigens aus Düsseldorf an, um den sich sionierten LKA-Präsidenten Meinert220 auch immer mehr in Widersprüche verstrickenden Gestapo-Justitiar Werner Best zählte, wie auch Verfassungsschützer zu den belastenden Fak- die Auswahl des Gutachters, nämlich Dr. Hans ten des Buchheim-Gutachtens zu verhören. Da Buchheim, lässt Raum für Spekulationen: Woll- sich aber offenbar abzuzeichnen schien, dass te Spieß die Causa Schreieder zur Erstellung Schreieder wirklich mit einer Anklage wegen eines auch für die anderen NSG-Verfahren ver- Meineides zu rechnen hatte, scheint hinter den wertbaren, grundsätzlichen Gutachtens hin- Kulissen – vermutlich ohne Wissen oder Billi- sichtlich der Dienstrangangleichung nutzen? gung des Staatsanwaltes Spieß – von höherer Hans Buchheim hatte schon im ersten Frank- Stelle ein Ausweg aus dem Dilemma gesucht furter Auschwitz-Prozess mit seinen Gutachten worden zu sein: Schreieder litte an einer sonst zur Geschichte der SS und vor allem dem so nie geäußerten oder in den Personalakten auf- genannten „Befehlsnotstand“ diese Verteidi- geführten Cerebralsklerose, so dass er unter gungs-Konstruktion als das entlarvt, was es Gedächtnisschwund leide. Schreieder erklärte war: eine Schutzbehauptung.221 sich bereit, sich von einem Arzt dahingehend untersuchen zu lassen. Dieser Arzt beschei- Hans Buchheims penibles Gutachten bestätigte nigte Schreieder im April 1966 die Unzurech- zunächst die von Schreieder vorgebrachten Ar- nungsfähigkeit nach § 51. Spieß hatte sich in gumente, dass es durchaus einzelne, individuell seinem Anschreiben an Dr. Gerweck im Januar zu betrachtende Dienstrangangleichungen vor 1966 (siehe beigefügte Abbildung) einen Sei- dem zentralen Erlass von 1938 gegeben hatte, tenhieb allerdings nicht verkneifen können: kombiniert mit einem „freiwilligen Zwang“, als Die mehrfach unzutreffenden Angaben hätte Angehöriger der Sicherheitspolizei auch der All- Schreieder bereits schon bei seiner Wiederein- gemeinen SS beizutreten.222 Doch dies ändere stellung in den bayerischen Staatsdienst 1953 nichts an zwei Tatsachen: 1. dass der so her- vorgelegt… beigeführte Eintritt eine vollgültige SS-Mitglied- schaft zur Folge hatte,223 und dass 2. der ausge- Nach der medizinisch festgestellten Unzurech- übte Zwang nicht absolut gewesen sei. Sprich: nungsfähigkeit stellte Spieß das Ermittlungs- Man hätte durchaus auch wieder austreten kön- verfahren im Juli 1966 ein. Joseph Schreieder nen, auch wenn es dadurch einen Karriereknick trat mit Wirkung des 31.1.1967 aufgrund sei- gegeben hätte. Ein solcher Austritt „setzte aller- nes nun so angegriffenen Gesundheitszu- dings eine sehr feste politische oder weltanschau- standes auf eigenen Antrag vorzeitig in den liche Überzeugung voraus…“. Buchheim belegte Ruhestand.224 Amtschef Sturm versüßte ihm Schreieders Irrtümer bei den Rangangleichun- den wenig ehrenvollen Abgang, indem er ge- gen, hielt das Eintrittsdatum vom 1.5.1933 für genüber dem Staatsministerium des Innern plausibel und erklärte Schreieders Werdegang die von Schreieder erbetene Anrechnung der mit all seinen Beförderungen für die typische bei der Bayerischen Politischen Polizei und Karriere eines in den SD und die Allgemeine SS der früheren Geheimen Staatspolizei abgeleis- eingetretenen Sicherheitspolizisten. teten Dienstzeiten befürwortete, da sie „nach

95 Die SS-Vergangenheit - ein falsches Erinnerungsbild? © BayHStA, MInn 84972 (PA Schreieder)

96 dem beruflichen Werdegang, der Tätigkeit und der untadeligen Haltung des Beamten während des Dritten Reiches gerechtfertigt” erscheine. Außerdem habe der Sicherheitsausschuß des Bayerischen Landtags in der Sitzung vom 17. September 1963 anhand der Personalunter- lagen keine Umstände erkennen können, die einer weiteren Verwendung beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz hätten ent- gegenstehen können.225

Was dem Bayerischen Staatsministerium des Innern bei der Durchführung der Pensionierung Ende 1966 nicht auffiel, war, dass Schreieder in der dazu herbeigezogenen Spruchkammer- akte seine Mitwirkung an der Verbringung briti- scher Agenten ins KZ Mauthausen indirekt ein- gestanden hatte.226 Oder hatte man es gelesen, deshalb vorsorglich bei der ein neues Verfah- ren durchführenden Staatsanwaltschaft Köln Grausamkeiten und Morde in den Kzs - „Davon habe ich angefragt und im Juni 1964 erleichtert die Aus- nichts gewusst“, © StAM, Spk K 1699 (Schreieder) kunft vernommen, dass es im Verfahren gegen Schulze und Streitwieser vor dem Landgericht Die Befürwortung der bevorzugten Behand- Köln wegen Mordes keinerlei Hinweise auf eine lung bei der Pensionsberechnung hat bei strafbare Handlung des Oberregierungsrates der Konstruktion des „Mannes mit blankem Schreieder gegeben habe? Schild” sein indirektes Geständnis jedenfalls unter den Tisch fallen lassen. Der Abgeordne- te, der im Herbst 1963 anlässlich der besagten Sitzung des Sicherheitsausschusses die Hand für Schreieder nicht hatte ins Feuer legen wol- len, scheint im Nachhinein über das richtige Gespür verfügt zu haben.

4. „Im gleichen Schritt und Tritt: Demokra- tie und Münchner Polizei“ (1963). Eine Broschüre und keine Folgen Im Frühsommer des Jahres 1963 sorgte eine schmale Broschüre für Aufsehen in den Reihen der Münchner Polizei. Ein zuvor noch nicht in Erscheinung getretenes „Komitee für Ordnung und Sauberkeit in der Polizei (Sektion Bay- ern)“ zeichnete als Herausgeberin der Schrift

97 „Im gleichen Schritt und Tritt – Demokratie amte in Innenministerium und Polizeibehör- und Münchner Polizei“. Der Zeitpunkt der Ver- den auf, die Angehörige von NSDAP und/oder öffentlichung war nicht zufällig. Das Thema SS gewesen waren und die bereits im „Dritten der personellen NS-Kontinuitäten in bundes- Reich“ im Polizeidienst tätig gewesen waren. deutschen Polizeibehörden war in den letzten Hierzulande wurden solche Enthüllungen als Jahren mehrfach von der DDR-Propaganda „ostzonale Propaganda“ abgetan und hatten lanciert und skandalisiert worden, auch der nur selten Konsequenzen für die Betroffenen. Inlandsgeheimdienst wurde, wie gezeigt, von Typisch war die Reaktion des in der Broschüre verschiedenen Affären erschüttert. Zudem war genannten ehemaligen Kripobeamten Ludwig erst knapp ein Jahr vergangen, seitdem die Lallinger. Lallinger (1908-1992) war nach dem sogenannten „Schwabinger Krawalle“ bundes- Krieg Mitbegründer der Bayernpartei gewesen weit für Aufsehen gesorgt hatten. Im Juni 1962 und saß für diese als Abgeordneter im Land- hatte der massive Polizeieinsatz gegen vor al- tag. Nachdem ihm die Broschüre zugesandt lem jugendliche Protestierer erhebliche Kritik worden war, leitete er sie sofort an das Lan- an dem rustikalen Vorgehen der Sicherheitsor- desamt für Verfassungsschutz weiter, um ge- gane nach sich gezogen. gen die (nie ermittelten) Autoren Strafanzeige stellen zu können. Lallinger war, gemeinsam mit dem ihm aus diesen Tagen bekannten Jo- hann Blankenbach, der ebenfalls in der Bro- schüre genannt wurde, Kriminaloberassistent bei der Kripo Karlsruhe gewesen. Nach Kriegs- ausbruch wurde er im Sommer 1940 zum „Ein- satzkommando Luxemburg“ abgeordnet, in dessen kriminalpolizeilicher Abteilung er arbei- tete. Nach eigenen Angaben hatte Lallinger die Geschäftsstelle der (deutschen) Kriminalpolizei in Luxemburg aufgebaut. Er habe, wie alle An- gehörigen des Kommandos, eine SS-Uniform getragen, sei aber nie Mitglied gewesen und habe nur rein kriminalpolizeiliche Arbeit geleis- tet – nach dem Krieg sei er interniert gewesen, doch von den Amerikanern überprüft und ent- lassen worden.227

Hans-Jochen Vogel, zu dieser Zeit Oberbürger- meister von München und damit Dienstvorge- Deckblatt der Broschüre „Demokratie und Münchner Polizei“ (1963) – die Autoren wurden nie ermittelt. © private Aufnahme setzter der damals städtischen Polizei, nahm die in der Broschüre genannten Vorwürfe ernst. Die Autoren der Broschüre zogen nun eine Er ließ umgehend alle aufgeführten Polizeibe- kausale Verbindung zwischen dem brutalen amten überprüfen. Das Ergebnis war zwiespäl- Agieren der Polizei und ihrer unbewältigten tig: Nur wenige der genannten Beamten waren NS-Vergangenheit: Minutiös listeten sie Be- tatsächlich noch als Angehörige der (städti-

98 schen) Münchner Polizei tätig. Alle Befragten ließ sich offensichtlich darauf, dass die Pub- wiesen aber die erhobenen Vorwürfe als erfun- likation genauso folgenlos bleiben würde wie den oder übertrieben dargestellt zurück – ihnen alle bisherigen Enthüllungen aus der DDR. Und wurde geglaubt, personelle Konsequenzen gab genau dies war auch der Fall: keiner der in der es nicht. Bei einigen in der Broschüre Genann- Broschüre genannten wurde für seine Tätigkeit ten stimmten Geburtsdaten nicht oder lagen während des NS-Regimes zur Rechenschaft Verwechslungen vor, die Autoren der Broschü- gezogen. re hatten offenbar schlecht recherchiert.

So löblich der Aufklärungswille zumindest an der Spitze der Münchner Stadtverwaltung zu dieser Zeit gewesen war – ein tiefgreifender Aufklärungswille war nicht vorhanden, wie die internen Recherchen der Personalverwaltung belegen. Auf einer internen Liste findet sich eine ganze Reihe von Namen mit der Bemer- kung „hier unbekannt“. Eine intensivere Re- cherche hätte ergeben, dass es sich bei den genannten durchaus um „Münchner Polizisten“ handelte, nur waren sie an anderen Polizeibe- hörden tätig. Neben dem erwähnten Lallinger wurden u.a. genannt (in Klammern alte/neue Dienstbehörde): Benedikt Berghöfer (Gesta- po München, Karlsbad/Grenzpolizei); Johann Blankenbach (Kripo Karlsruhe- Ek 1b/BLKA); Franz Regnath (Gestapo München/Landesamt Verfassungsschutz); Josef Burgmaier (Schutz- polizei München, Pol. Batl. 72/Pensionär).

Anders als in der Stadtverwaltung provozier- te die anonyme Broschüre im bayerischen In- nenministerium keine nennenswerte Reaktion, obwohl in ihr auch die NS-Vergangenheit des vormaligen Innenministers und aktuellen Baye- rischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel so- wie des Ministerialdirigenten Alexander Mayer thematisiert wurden. Beide waren Mitglieder der NSDAP gewesen und hatten auch der SA angehört. Mayer war bereits seit 1939 in der Polizeiabteilung des Ministeriums beschäftigt und mittlerweile (1963) Leiter der Abteilung für Öffentliche Sicherheit und Ordnung. Man ver-

99 Anhang

Abkürzungen Abt. Abteilung ORR Oberregierungsrat BA Bundesarchiv OT Offener Teil BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv PA Personalakte BayLfV Bayerisches Landesamt für Verfas- POI Polizei-Oberinspektor sungsschutz Pol. Dir. Polizeidirektion BDC Berlin Document Center Pol.-Batl. Polizeibataillon BfV Bundesamt für Verfassungsschutz Reg. Regierung BLKA Bayerisches Landeskriminalamt RFSS Reichsführer SS BND Bundesnachrichtendienst R(O)A Regierungs-(Ober)Amtmann BRD Bundesrepublik R(O)I Regierungs-(Ober)Inspektor BVP Bayerische Volkspartei RR Regierungsrat CIA Central Intelligence Agency RSHA Reichssicherheitshauptamt

CIC Counter Intelligence Corps RuS Akten des Rasse- und Siedlungs- CSU Christlich Soziale Union hauptamts

DDR Deutsche Demokratische Republik SA (der NSDAP)

Gestapo Geheime Staatspolizei SBZ Sowjetische Besatzungszone

GFP Geheime Feldpolizei SD Sicherheitsdienst (der SS) nachrichten- GRU Sowjetischer Militär Sg Sachgebiet dienst SPD Sozialdemokratische Partei IfZ Institut für Zeitgeschichte Deutschlands

INSCOM United States Army Intelligence Spk Spruchkammer and Security Command SS Schutzstaffeln (der NSDAP) - KdS Kommandeur der Sicherheitspoli SSO-Akte SS-Offiziersakte zei StadtAM Stadtarchiv München KPD - Kommunistische Partei Deutsch StAM Staatsarchiv München lands StMI Staatsministerium des Innern KZ Konzentrationslager SWEM Earl Gregg Swem Library, College LH Landeshauptstadt of William and Mary, Williamsburg LKA Landeskriminalamt UA Unterabteilung n MInn Ministerium des Inner VfZ Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Min. Rat Ministerialrat VZ Verzeichnis NARA National Archives (Washington) ND Nachrichtendienst NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ORG / OG Organisation Gehlen

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104 Autorin/Autor Anmerkungen 1 Vgl. Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfän- Susanne Meinl ge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, (Kap. I, II.1.2, II.1.3, III.2, III.3, IV.1, IV.2, IV.3) München 21997, S. 69-100. Historikerin, Westfälische Wilhelms-Universität 2 Vgl. die Korrespondenz in Fumys Neben-Personal- Münster. akte in: BayHStA, MInn 99335. 3 StAM, Spk K 472 (Fumy), Bl. 31 (Lebenslauf, 1947). Joachim Schröder 4 Vgl. ebd. sowie B 162/5486 (Zentrale Stelle Lud- (Kap. I, II.1.1, II.1.3, II.2, III.1, IV.4) wigsburg), Eidesstattliche Versicherungen Fumys Historiker, Fachhochschule Düsseldorf, For- (Internierungslager Moosburg), 12.1.1948; Verneh- schungsschwerpunkt Rechtsextremismus / mung Fumys und Dr. Günther Knoblochs durch Neonazismus. Präsidiumsbeauftragter Erinne- das LKA Baden-Württemberg, 24.1.1957 bzw. rungs- und Lernort „Alter Schlachthof“ an der 6.12.1956 im Vorfeld des Ulmer Einsatzgruppen- FH Düsseldorf. Kurator der Ausstellung „Die prozesses. Münchner Polizei und der Nationalsozialismus 5 Gegen Fumy liefen zwischen 1963 und 1972 ins- (1919-1963)“ gesamt 8 (Vor-)Ermittlungsverfahren, die sämt- lich aus Mangel an Beweisen eingestellt wurden. Vgl. Bodo Hechelhammer (Hg.): Mitteilungen der Impressum Forschungs- und Arbeitsgruppe „Geschichte des Herausgeber und V.i.S.d.P. BND“. Sonderausgabe (22.12.2011): Kassationen Bündnis 90 / Die Grünen im Bayerischen Landtag von Personalakten im Bestand des BND-Archivs, Maximilianeum Berlin 2011, S. 9 f. Fumys Personalakte beim BND, 81627 München für den er seit 1953 arbeitete, wurde zwischen 1996 und 2007 (wie 252 weitere Personalakten) AnsprechpartnerInnen: vernichtet. 6 Central Intelligence Agency (Ausland) – Counter Dr. Sepp Dürr, MdL Intelligence Corps (Heer). Die Kooperation mit Sprecher für Strategien gegen Rechtsextre- anderen alliierten oder auswärtigen Nachrichten- mismus diensten kann in dieser Studie nicht thematisiert [email protected] werden. 7 Vgl. aus der Fülle zumeist journalistischer oder Susanna Tausendfreund, MdL autobiografischer Natur zum Verfassungsschutz: Innenpolitische Sprecherin Thomas Walde: ND-Report – Die Rolle der Ge- susanna.tausendfreund@gruene-fraktion- heimen Nachrichtendienste im Regierungssystem bayern.de der Bundesrepublik Deutschland, München 1971; Wolfgang Buschfort: Geheime Hüter der Verfas- Florian Hiermeier sung. Von der Düsseldorfer Informationsstelle zum Referent für Strategien gegen Rechtsextremis- ersten Verfassungsschutz der Bundesrepublik mus, für Kultur, Religion und Forschung (1947-1961), Paderborn 2004; ders./Fritz Tejessy: [email protected] Verfassungsschützer aus demokratischer Über- zeugung. In: Dieter Krüger/Armin Wagner (Hg.): Konspiration als Beruf. Deutsche Geheimdienst-

105 chefs im Kalten Krieg, Berlin 2003, S. 111-131; S. 74 f. Zeitzeugenberichte wie Günther Nollau: Das Amt. 12 Diese Studien beschäftigten sich mit der kurzle- 50 Jahre Zeuge der Geschichte, München 1978; bigen nachrichtendienstlichen Konkurrenz zur Hendrik van Bergh: Köln 4713. Geschichten des Organisation Gehlen im Bundeskanzleramt, dem Bundesamtes für Verfassungsschutz, Würzburg nach seinem Leiter genannten „Friedrich-Wilhelm- 1981; DDR-Sicht: Albrecht Charisius/Julius Ma- Heinz-Dienst“ vgl. Susanne Meinl: Dieter Krüger: der: Nicht länger geheim. Entwicklung, System Friedrich Wilhelm Heinz, Vom Freikorpskämpfer und Arbeitsweise des imperialistischen deutschen zum Leiter des Nachrichtendienstes im Bundes- Geheimdienstes, Berlin 1969, S. 355-409 sowie P. kanzleramt. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Köhler (Leiter Autorenkollektiv): Polizei der BRD: 42 (1994), H. 1, S. 39-69; dies.: Im Mahlstrom des Polizei der Monopole, Berlin 1972. Kalten Krieges. Friedrich Wilhelm Heinz und die 8 In Ansätzen, aber keinesfalls systematisch: Busch- Anfänge der westdeutschen Nachrichtendienste fort, Geheime Hüter, S. 76-83. 1945-1955. In: Wolfgang Krieger/Jürgen Weber 9 Zu nennen sind hier vor allem: Ausschuss für (Hg.): Spionage für den Frieden. München, Lands- Deutsche Einheit: Gestapo- und SS-Führer kom- berg a. L. 1997, S. 247-266. Für 2015 ist nach mandieren die westdeutsche Polizei. Eine Do- Öffnung des BND-Archivs und neu zugänglicher kumentation, Berlin (Ost) 1961 sowie das vom CIA-Akten eine Publikation geplant, die auch die „Nationalrat der Nationalen Front des demokrati- nachrichtendienstlichen Verbindungen nach Bay- schen Deutschland“ herausgegebene Braunbuch. ern und Österreich thematisieren wird. Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik, 13 „Nazis im BND: Neuer Dienst und alte Kameraden“ Berlin (Ost) 21965. Der Wahrheitsgehalt der darin (ARTE/HR, Deutschland 2013), Ein Film von Chris- enthaltenen Informationen ist bis heute nicht sys- tine Rütten (Erstausstrahlung ARTE 9.7.2013). tematisch geprüft worden; Stichproben deuten auf 14 Anfrage der Grünen und Presseerklärung zur eine weit überwiegende Korrektheit – neben allem Antwort der Bayerischen Staatsregierung: http:// propagandistischem Impetus. www.gruene-fraktion-bayern.de/themen/oeffentli- 10 Forschungsprojekte laufen derzeit zur Geschichte cher-dienst/nazis-der-staatsregierung-regierung- des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie verweigert-aufklaerung (Zugriff am 2.7.2013). Es des BND. Ein größeres Projekt über das Bundes- ist sehr zu hoffen, dass diese Akten der Forschung kriminalamt wurde bereits abgeschlossen: Imanu- bald zur Verfügung stehen. Die bisher abgege- el Baumann u.a.: Schatten der Vergangenheit. Das benen, nicht sehr zahlreichen Personalakten des BKA und seine Gründungsgeneration in der frühen Landesamtes sind im Hauptstaatsarchiv nicht Bundesrepublik, Köln 2011. gesondert verzeichnet sondern Bestandteil des 11 Die Ausstellung wurde vom Arbeitskreis „Die umfassenden Bestandes Ministerium des Innern Münchner Polizei und der Nationalsozialismus“ (MInn). Personalakten des Landeskriminalamtes aus Angehörigen des Polizeipräsidiums München und der Grenzpolizei liegen in größerem Umfang und des NS-Dokumentationszentrums erarbei- vor, doch wurden noch 2010 eine ganze Reihe tet. Der unter gleichem Titel erscheinende Aus- von LKA-Personalakten – in Absprache mit dem stellungskatalog ist derzeit im Druck (erscheint Hauptstaatsarchiv und offensichtlich in Unkennt- September 2013). Einige der auch in der Studie nis ihrer Bedeutung – „kassiert“, d.h. vernichtet, vorkommenden Beamten wurden bereits erwähnt darunter die Personalakte von Josef Eichberger, in Joachim Schröder: Die Braune Kontinuität. In: der als Angehöriger der „Reichszentrale zur Be- MUH – Bayerische Aspekte, Nr. 9 (Frühling 2013), kämpfung des Zigeunerunwesens“ im Reichskri-

106 minalpolizeiamt die Deportation der deutschen ern (1946-2011), München 2011, S. 65, 80. Sinti und Roma nach Auschwitz organisiert hatte. 22 Vgl. die behördeneigene Darstellung: Ge- 15 Vgl. BayHStA, MJu 26645. Schreiben Kurz an das schichte der Bayerischen Bereitschaftspolizei Justizministerium, 31.10.1945. 1951-2011 (http://www.polizei.bayern.de/con- 16 Vgl. grundlegend Patrick Wagner: Volksgemein- tent/8/2/0/20121122_wefr.pdf, abgerufen am schaft ohne Verbrecher. Konzeptionen und Praxis 4.7.2013). der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Repu- 23 Vgl. 65 Jahre Polizei in Bayern (1946-2011), Mün- blik und des Nationalsozialismus, Hamburg 1996; chen 2011, S. 15 f. ders.: Hitlers Kriminalisten. Die deutsche Krimi- 24 Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes nalpolizei und der Nationalsozialismus zwischen für Verfassungsschutz, abgedruckt in: Bayeri- 1920 und 1960, München 2002; zu den Kontinui- sches Gesetz- und Verordnungsblatt 1950 (Nr. 28, täten im BKA: Dieter Schenk: Die braunen Wurzeln S. 224-225). des BKA, Köln 2001, sowie zuletzt Baumann u.a.: 25 50 Jahre Bayerisches Landesamt für Verfassungs- Schatten der Vergangenheit (2011). schutz, 1. Kapitel: Geschichtlicher Rückblick 17 Es wurde noch im selben Jahr umbenannt in: Zen- http://www.verfassungsschutz.bayern.de/service/ tralamt für Kriminalidentifizierung, Polizeistatis- mitteilungen/01573/index.php (aufgerufen am tik und Polizeinachrichtenwesen im Bayerischen 29.6.2013). Staatsministerium des Innern, 1949 in Zentralamt 26 Vgl. BayHStA, MInn 83926 (Hollweck). Schreiben für Kriminalidentifizierung und Polizeistatistik des LfV, Kurz an SdI, Min. Dir. Dr. Wreschner, 18.9.1951. Landes Bayern. Vgl. Fritz Dillinger: Das Bayerische 27 Begründung Ehards für den Gesetzentwurf zur Er- Landeskriminalamt im Spiegel der Zeit (1946- richtung eines LfV, Drucksache 1/4423 (13.10.1950). 1996), München 1996 (Eigen-Druck BLKA). (http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_ 18 Über Weiterbenutzung und Verbleib der sogenann- WP01/Drucksachen/0000004000/01-04423.pdf, ten „Zigeunerkartei“ des BLKA vgl. Karola Fings/ Zugriff am 4.7.2013) Frank Sparing: Vertuscht, verleugnet, versteckt. 28 Vgl. 50 Jahre Bayerisches Landesamt für Verfas- Akten zur NS-Verfolgung von Sinti und Roma. In: sungsschutz. Die Zahl der Mitarbeiter stieg weiter Christoph Dieckmann (Hg.): Besatzung und Bünd- auf 212 (1971), 387 (1980), Anfang der 1980er gar nis. Deutsche Herrschaftsstrategien in Ost- und auf 460 – und erreichte damit nach eigenen Anga- Südosteuropa, Berlin/Göttingen 1995 (Beiträge ben seinen bis heute größten personellen Bestand. zur nationalsozialistischen Gesundheits- und So- 29 50 Jahre Bayerisches Landesamt für Verfassungs- zialpolitik; 12), S. 181-201. schutz. 19 Vgl. BayHStA, MInn 86368. Schreiben Innenminis- 30 Zur Geschichte der Gestapo allgemein vgl. Cars- terium (IC) an Zentralamt für Kriminalidentifizierung ten Dams/Michael Stolle: Die Gestapo. Herrschaft und Polizeistatistik des Landes Bayern und an das und Terror im Dritten Reich, München 2008; für Präsidium der Landpolizei, 10.5.1950. Auf der Lis- München nach wie vor: Shlomo Aronson: Reinhard te findet sich u.a. der oben erwähnte Josef Eich- Heydrich und die Frühgeschichte von SA und SD, berger (vgl. Anm. 14). Stuttgart 1971; Martin Faatz: Vom Staatsschutz 20 Vgl. die Übersicht über den Personalbestand des zum Gestapo-Terror. Politische Polizei in Bayern BLKA in den 1950er Jahren in: BayHStA, MInn in der Endphase der Weimarer Republik und der 86368. Anfangsphase der nationalsozialistischen Diktatur, 21 Vgl. das vom Staatsministerium des Innern her- Würzburg 1995. ausgegebene Sonderheft: 65 Jahre Polizei in Bay- 31 Begründung für den Gesetzentwurf über die Bil-

107 dung des Landesamtes, 13.10.1950 (wie Anm 27). StAM, Spk K 157 (Blümlhuber), K 615 (Halmanse- 32 Vgl. seine Eidesstattliche Erklärung für seinen ger), K 1388 (Regnath) – hier auch die Information, ehemaligen Untergebenen, Josef Schreieder, dass R. Angehöriger der Grenzpolizei war. Siehe 15.6.1948, StAM, Spk K 1699 (Schreieder). auch ihre im NARA in Washington überlieferten 33 Vgl. seine Personalakte BayHStA, MInn 84499, so- Personendossiers im Bestand RG 263. wie seine Spruchkammerakte, StAM, Spk K 1257 41 Vgl. BA-BDC, SSO-Akte Brunner. Brunner, der (Noeth). 1939 beim Einmarsch in Polen ein Einsatzkom- 34 Vgl. BayHStA, MInn 84499. Schreiben Dr. Kurz an mando leitete und nachher Inspekteur der Sicher- Ministerialrat Dr. Wreschner, 20.3.1952. heitspolizei und des SD in Salzburg sowie SS- und 35 Personalakte: BayHStA, MInn 83926; Spruchkam- Polizeiführer in Bozen wurde, trat 1956 wieder in merakte StAM, Spk K 756. den bayerischen Staatsdienst, nachdem er zu- 36 Eingesetzt war bei der Abwehr von Sabotageakten vor für die Organisation Gehlen gearbeitet hatte. bei heereseigenen Betrieben. Sein ehemaliger Kol- Er wurde Regierungsrat im Landratsamt Pfaffen- lege bei der Abwehrstelle, Dr. Roderich Mayr aus hofen. Vgl. BayHStA, MInn 83272. München (4.2.1947), sagte aus, dass er Hollweck 42 StAM, Spk K 1388 (Regnath), Bl. 61 ff. Erwiderung anfangs sehr misstraut und ihn für einen Aufpasser Regnaths auf die Anklageschrift der Lager-Spruch- der Gestapo gehalten habe, diese Meinung habe kammer des Interniertenlagers Dachau, 20.3.1948. er aber schnell aufgegeben: Hollweck sei ein an- 43 Alle drei bestritten nach dem Krieg, der Allgemei- ständiger Mensch und Gegner der Gestapo gewe- nen SS angehört zu haben und behaupteten, als sen, der ihre Zugriffsversuche auf die Abwehrstelle Angehörige der Sicherheitspolizei nur „rangange- stets zu unterbunden verstanden hätte. Vgl. StAM, glichen“ worden zu sein. Die Offizierspersonalak- Spk K 756 (Hollweck). ten im BDC beweisen allerdings in allen drei Fällen 37 Vgl. BA-BDC, Parteikorrespondenz (Hollweck). das Gegenteil. Zum Problem der „Dienstrangan- Auskunft über politische Zuverlässigkeit Holl- gleichung“ vgl. grundlegend Wagner, Hitlers Krimi- wecks, 23.4.1937. nalisten, S. 82. 38 StAM, Spk K 756 (Hollweck). Spruchkammerent- 44 BA-BDC, Parteikorrespondenz (Blümlhuber). scheidung vom 30.1.1948. 45 Vgl. BA-BDC, SSO-Akte (Halmanseger). 39 Von 1934 bis 1944 hatte er im Reichsinnenminis- 46 StAM, Spk K 1388 (Regnath). Abschrift des Ge- terium, ebenfalls in der Polizeiabteilung gearbeitet ständnisses von Max Troll vom 21.7.1947 im In- (Leiter der Abteilung Verwaltung und Recht); er ternierungslager Regensburg; Schreiben des öf- war bis 1939 förderndes Mitglied der SS gewesen fentlichen Klägers an den Vorsitzenden der Lager- und angeblich 1944 nach München „strafversetzt“ spruchkammer Dachau, 28.5.1948. worden. In Berlin soll er bestrebt gewesen sein, 47 Vgl. Marion Detjen: „Zum Staatsfeind ernannt“. Wi- dass „Eindringen des SS-Geistes in das Hauptamt derstand, Resistenz und Verweigerung gegen das Ordnungspolizei“ zu verhindern und „weiteres Un- NS-Regime in München, München 1998, S. 82-89. glück zu verhüten“. StAM, Spk K 822 (Kääb). Er- Dort auch eine Liste mit Namen von 150 kommu- klärung des Rechtsanwalts Dr. Grieger, 14.10.1946 nistischen Aktivisten. (Grieger war ein ehemaliger Untergebener aus dem 48 StAM, Spk K 615 (Halmanseger). Schreiben Hal- Reichsinnenministerium). mansegers an die Spruchkammer Starnberg, 40 Die Personalakte von Halmanseger ist zugänglich 17.7.1948. In der Erklärung nennt er als Zeugen, (BayHStA, MInn 99663), die anderen beiden nicht; die beweisen sollen, dass Troll freiwillig für die Ge- Spruchkammerakten existieren von allen dreien. stapo gearbeitet habe und geltungsbedürftig ge-

108 wesen sei, u.a. seine beiden Kameraden, Regnath Personalausgaben, 625.000 DM auf die Nachrich- und Blümlhuber. tenbeschaffung, der Rest auf Sachausgaben. Der 49 StAM, Spk K 1208 (Müller). Erklärung Halmanse- Personalstand im Jahr 1960 betrug 61 Beamte, 64 ger vom 25.2.1958. Die folgenden Zitate ebenda Angestellte, 7 Arbeiter, insgesamt 132 Mitarbeiter. (Panzingers Erklärung ohne Datum, vermutlich Sie waren teilweise berechtigt Schusswaffen zu 1958). Panzinger arbeitete für den BND, war aber, tragen und einen Decknamen zu führen, BayHStA, wie dann erkannt wurde, Doppelagent. Nach Be- MInn 97149. Bayerisches LfV an Dr. Ziegler, Bay- ginn von Ermittlungen gegen ihn wegen schwerer erisches Ministerium des Innern, Betreff: Befug- Besatzungsverbrechen in der Sowjetunion (als Lei- nis zum Führen dienstlich gelieferter und privater ter der Einsatzgruppe A) nahm er sich in Untersu- Schusswaffen durch Dienstkräfte des Landesamts chungshaft das Leben. für Verfassungsschutz, 14.10.1965. Die Tatsache 50 BayHStA, MInn 84499 (PA Noeth) (überliefert auch der Decknamen geht aus der CIA-Akte Schreieder in den Personalakten der übrigen genannten Be- hervor, NARA, RG 263, Joseph Schreieder Name amten). File. Zwischen 1950 und 1959 war das Landesamt 51 BayHStA, MInn 84291 (PA Löhr); StadtAM, Abg. in der Königinstr. 17 und der Neuhauserstrasse 51 VZ 20/101, Nr. 2054 (PA Löhr). untergebracht. 52 Ebd., Schreiben des Betriebsratsvorsitzenden 61 http://www.verfassungsschutz.bayern.de/service/ vom 11.6.1948. mitteilungen/01573/index.php 53 BayHStA, MInn 84291. Beurteilung Löhrs durch 62 BayHStA, MInn 84972 (PA Schreieder). Dr. Kanein, Präsident Riedmayr, 14.8.1956. betreff: Landesamt für Verfassungsschutz/Perso- 54 INSCOM, Fort George G. Meade, File Waldemar nalverhältnisse, 30.3.1955. Pabst. Region IV, 66th CIC Group, Ferdinand Prinz 63 StaM, Pol.Dr. Nr. 17421. zu Schönaich-Carolath, Überwachungsbericht 64 BayHStA, MInn 97149. (24.2.1954). 65 NARA, RG 263, Joseph Schreieder Name File. 55 Vgl. BayHStA, MInn 86370. Haushaltsplan für Munich Operation Base an Chief Sr. Through Chief 1960. EE, Operational Redwood Liaison, Briefing of LfV/ 56 BayHStA, MInn 99663 (PA Halmanseger). , 15. Dezember 1964. 57 Vgl. BayHStA, MInn 99663 (PA Halmanseger). Ab- 66 Leider enthalten die offenen Akten zur Arbeit des schrift Amt des Amerikanischen Hohen Kommis- Amtes fast nur Fälle aus den Bereichen östlicher sars, Landeskommissar Shuster an Innenminister Spionage und Bekämpfung kommunistischer oder Hoegner, 11.9.1951. Genannt werden: M. Joerg, als kommunistisch eingestufter Personen und Or- Elisabeth Haberl, Maria Link, Hugo Stein, M. Ham- ganisationen. Die Ausnahme im Bereich Rechts- mer. extremismus ist eine Panne bei der Überwachung 58 Vgl. die Bewerbung Steins (1.4.1950), die zunächst der HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit abwiegelnde Antwort Dr. Riedls (21.6.1950), in: der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V.), BayHStA, MInn 85129 (PA Stein). deren Angehörige über ihre Überprüfung durch das 59 BayHStA, MInn 85129 (PA Stein). BayLfV in Kenntnis gesetzt wurden, vgl. BayHStA, 60 http://www.verfassungsschutz.bayern.de/service/ MInn 97149, Oberregierungsrat Schachinger an mitteilungen/01573/index.php und StAM, Pol. Bayerisches Ministerium des Innern, Betreff: Rou- Dr. Nr. 17421. Die Ausgaben betrugen laut der tinemäßige Ergänzung von Personalien, 24.5.1957. Behörden-Homepage im Jahr 1960 insgesamt 67 Zu Schellemann vgl. Lore D. Rolle, Seine Waffe war 2.147.400 DM. Davon entfielen 1.310.000 DM auf die Kunst, Passauer Neue Presse vom 28.5.2010.

109 68 BayHStA, MInn 97149. Carlo Schellemann an Al- 75 Problematisch war vor allem seine 4. Ehe mit Jo- fons Goppel, 21.5.1962. Alle weiteren Informatio- hanna L., die Halbjüdin war und von der er sich nen zu diesem Vorfall ebenda. 1940 hatte scheiden lassen. L’s Mutter, Franziska 69 Für die bundesrepublikanischen Sicherheitsbehör- B., hatte daraufhin Riedmayr beim Höheren SS- den galten alle drei Organisationen als kommunis- und Polizeiführer Freiherr von Eberstein und sogar tisch unterwandert oder von der DDR gelenkt. Ins- bei Heinrich Himmler als Sympathisant des Wider- besondere die Deutsche Friedensunion, die für die stands denunziert, allerdings ohne Folgen für Ried- Bundestagswahlen 1961 kandidierte, wurde vom mayr, der erklärte, Franziska B. sei „geisteskrank“. Verfassungsschutz als Ersatz für die 1956 verbo- Das Sorgerecht des gemeinsamen Kindes sprach tene KPD eingestuft. Vgl. Dirk Mellies: Trojanische das Gericht Riedmayr zu, nicht der „Halbjüdin“ Jo- Pferde der DDR? Das neutralistisch-pazifistische hanna L. Vgl. StAM, Spk K 1428 (Riedmayr). Netzwerk der frühen Bundesrepublik und die 76 Ebd. Deutsche Volkszeitung, 1953–1973, Frankfurt am 77 Kurzlebige bayerische Splitterpartei um den Arzt Main/Berlin 2006, insbes. S. 51-63. Max Lebsche. 70 BayHStA, MJu 26645 (PA Kurz). Auskunft Karl 78 „Sein Steckenpferd heißt Verfassungsschutz: Mar- Kurz, Staatsanwaltschaft München II an das tin Riedmayr - der neue Wächter über die Staatssi- Staatsministerium der Justiz. cherheit“, Süddeutsche Zeitung Nr. 257 vom 6./7. 71 Vgl. BayHStA, MJu 26645 (PA Kurz). Vormerkung 11.1954. Hoegner, 3.7.1951. 79 Archiv BND Pullach, Personenakte Martin Ried- 72 BayHStA, MInn 84717. Schreiben Rösch an Hoeg- mayr (24854_OT). Vgl. ausführlich Kap. III.2. ner, 2.10.1954. 80 Ebd., Bl. 107. 73 Vgl. StAM, Spk 1428 (Riedmayr). Die Informatio- 81 Archiv BND Pullach, Personenakte Martin Ried- nen über den einflussreichen Zirkel um die Schutz- mayr (24854_OT), Streng geheimes Memo 133 an polizeioffiziere Mühe, Riedmayr und Hösl verdanke 88, Stellung des Präsidenten des LfV, 18.7.1955. ich Marcus Schreiner-Bozic aus dem Arbeitskreis 82 Vgl. Kap. IV.I. „Polizeigeschichte“ am Münchner Polizeipräsidi- 83 Bundesanwalt Dubois war in einen Verratsfall bei um – siehe den Ausstellungskatalog: Die Münch- der Schweizer Bundespolizei verstrickt und beging ner Polizei und der Nationalszialismus (Kap. 2.3). im März 1957 Selbstmord, vgl. Reto Patrick Mül- 74 Vgl. seine Abordnung vom 22.9.1941 in: BayHS- ler: Innere Sicherheit Schweiz. Rechtliche und tat- tA, MInn 84717. Riedmayr begründete seinen Un- sächliche Entwicklungen im Bund seit 1848, Egg willen damit, dass das von ihm geführte Polizei- bei Einsiedeln 2009,S. 343f. kommando – wie die bereits dort stationierten – zu 84 Archiv BND Pullach, Personenakte Martin Ried- Judenerschießungen herangezogen werden soll- mayr (24854_OT), Victor (= Harald Mors), Schreiben te. Hieran konnte oder wollte sich allerdings von an L 50, Betr.: Bundesanwalt Dubois, 10.2.1957. Bomhardt, der zentrale Organisator des Auswär- 85 Vgl. „Sein Steckenpferd heißt Verfassungsschutz“, tigen Einsatzes der Ordnungspolizei und spätere Süddeutsche Zeitung, Nr. 257 vom 6./.11. 1954. Bürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Prien/ 86 BayHStA, MInn 84717. Chiemsee, später nicht erinnern. Vgl. BA 162/3337 87 Archiv BND Pullach, Personenakte Martin Ried- (Ermittlungen gegen Bach-Zelewski). Aussa- mayr (24854_OT). dpa-Meldung vom 23.9.1960, ge Riedmayr (der von Bach als Zeuge genannt Bl. 121. worden war), 29.1.1959; Aussage von Bomhard, 88 Ebd., 48, Betr. Mühlhaus, Vermerk 29.10.1968. 11.2.1959. 89 „Verfassungsschutz-Präsident geht“, Münchner

110 Merkur vom 26./27.3.1960. S. 89-92. 90 BayHStA, MInn 97149, Bayerisches Ministerium 104 In der Regel bemühten sich die Gestapobeamten des Innern an Landesamt für Verfassungsschutz, um eine Rückkehr in den Staatsdienst. Wie vielen 28.8.1958. eine Rückkehr gelang, ist vollkommen unbekannt 91 Alle Angaben nach der Spruchkammerakte von und bisher nie untersucht worden. Einige, die nicht Karl Sturm, StAM, Spk K 1811. in den Staatsdienst zurückkehrte, fanden Arbeit in 92 Bislang konnte nicht eruiert werden, ob der Vor- privaten Sicherheitsdiensten, auch im Werkschutz, mund Karl Sturm, Jg. 1891, identisch ist mit dem auch höhere Beamte fanden Stellen in der Privat- Richter am Sondergericht München, Dr. Karl wirtschaft. Sturm. 105 Vgl. BayHStA, MInn 99335 (Fumy). Dr. Kääb an 93 Dieser Vorgang ist angesichts der Aufnahmesperre Innenministerium, 8.9.1965; Oberamtsrat August für neue Mitglieder im Jahr 1938 bemerkenswert. Streck an Innenminsterium (IC3), 23.9.1965. Die Umstände seines Parteieintrittes und weitere 106 Sein im Bayerischen Hauptstaatsarchiv überliefer- mögliche Mitgliedschaften können heute jedoch ter Personalakt unterliegt noch einer Schutzfrist. nicht mehr überprüft werden, da Karl Sturms Par- 107 BA-BDC, SSO-Akte Vollmer. teieintrittsunterlagen im Bestand des früheren 108 BayHStA, LKA 798 (PA Blankenbach), sowie BDC offenbar nicht mehr vorhanden sind. ebd., MInn 86037. Geschäftsverteilungsplan LKA 94 BayHStA, MInn 97149. Presseerklärung des Baye- (20.6.1961). rischen Staatsministerium des Innern, 29.7.1960. 109 Ebd. Beurteilung vom 31.3.1958. 95 http://www.verfassungsschutz.bayern.de/service/ 110 Ebd. Einstellungsverfügung der Staatsanwalt- mitteilungen/01573/index.php; Frank P. Heigl, Jür- schaft München, 23.2.1962. gen Saupe: Operation EVA. Die Affäre Langemann. 111 Vgl. StAM, Pol. Dir. 10300. Tätigkeitsberichte LKA Eine Dokumentation, Hamburg 1982, S. 170f. für das Jahr 1964 (Beilage zum Bayer. Landeskri- 96 Vgl. StAM, Pol. Dir. 10300. minalblatt Nr. 14 vom 9.4.1965. Diese Beobach- 97 Zu Entstehung und Bedeutung der „Sicherungs- tung trifft auch für andere Berichte zu (1962, 1963). gruppe“, ihrer Traditionen und ihrem anfangs zu 112 BayHStA, MInn 86368. Übersicht über die bei den großen Teilen NS-belasteten Personal vgl. Dieter LKÄ des Bundesgebietes vorhandenen Dienst- Schenk: „Die Sicherungsgruppe“ (http://www. und Planstellen. Zum Vergleich die Zahlen der ent- dieter-schenk.info/Anhang/Publikationen/vort- sprechenden Abteilungen in Baden-Württemberg raege/Die%20Sicherungsgruppe.pdf, Zugriff am (16), Rheinland-Pfalz (7), NRW (17), Niedersachsen 4.7.2013). (7), Schleswig-Holstein (8) und Hessen (12) – wo- 98 BayHStA, MInn 86368. Abschrift der Ministeriellen bei die unterschiedliche Größe der Bundesländer Entschließung Hoegners vom 21.12.1953. berücksichtigt werden muss. 99 Ebenda. 113 BayHStA, MInn 86370. Schreiben Meinerts vom 100 BayHStA, MInn 99335 (Fumy). Oberamtsrat Au- 30.7.1956. gust Streck an Innenminsterium (IC3), 23.9.1965. 114 Ebd. Vormerkung des Ministerialrats von Leuckart 101 Vgl. näheres zu Schreieder in Kapitel IV.3. sowie (Innenministerium, Abt. IC4), 15.1.1957. seine Spruchkammerakte (StAM, Spk K 1699), sei- 115 Vgl. die einschlägige Korrespondenz in BAyHStA, ne SSO-Akte (BDC-BA) sowie seine Personalakte MInn 86368 sowie 86370. Die Behörde war mit (BayHStA, MInn 84972). Abstand das größte LKA der Bundesrepublik und 102 Vgl. BDC, SSO-Akte Alfred Schuhmann. schnell von 240 (1952) auf 380 (1956) Mitarbei- 103 Vgl. Detjen, „Zum Staatsfeind ernannt“ (1998), ter angewachsen (Übersicht in Minn 86368). Die

111 nächstgrößere Behörde war das LKA Niedersach- Spruchkammerakte (ebenda). Dass Mahler 1941 sen (149 Mitarbeiter). ein halbes Jahr Angehöriger der Einsatzgruppe D 116 BayHStA, MInn 86368. ORR Schmidt an Sachge- gewesen war, die in diesem Zeitraum in der Sowje- biet IC1, 14.10.1958. tunion mehr als 45.000 Juden ermordet hatte, war 117 BayHStA, MInn 86370. Schreiben Dr. Mayer an nicht Gegenstand des Verfahrens. Vgl. Breitman/ das Innenministerium, 4.11.1958. in dem 20 Sei- Goda, Hitler’s Shadow, S. 47. ten (!) umfassenden Bericht, mit dem Mayer den 126 Breitman/Gade, Hitler’s Shadow, S. 44. Ein Ermitt- hohen Personalstand des LKA verteidigte, führte lungsverfahren der Münchner Staatsanwaltschaft er auch die erfolgreiche Tätigkeit der „Landfahrer- gegen Barbie (in Abwesenheit), der bereits 1947, zentrale“ ins Feld – der ehemaligen „Zigeunerpo- 1952 und 1954 in Frankreich in Abwesenheit zu lizei“ – die u.a. Gutachten in anhängigen Entschä- m Tode verurteilt worden war, wurde noch 1971 digungsverfahren „wegen zu Unrecht erlittener Kz- eingestellt; bei seiner nächsten Verurteilung, nach Haft“ erstellte: „Im Jahre 1957 z.B. konnten in 48 seiner Auslieferung nach Frankreich, erhielt der Fällen unbegründete Haftentschädigungsansprü- ehemalige CIC- und BND-Mitarbeiter Barbie le- che nachgewiesen werden. Dieser gutachterlichen benslänglich – er starb 1991 in Gefängnishaft. Tätigkeit muß in der Regel ein Personenfeststel- 127 Breitman/Gade, Hitler’s Shadow, S. 48. lungsverfahren vorausgehen, das bei dem in Be- 128 StAM, Spk 416 (Fischer). Erwiderung Fischers auf tracht kommenden Personenkreis sich oft recht die Anklage der Hauptkammer München, 7.3.1952. schwierig und zeitraubend erweist.“ Viel Personal 129 Vgl. hierzu Joseph A. Brodski: Die Lebenden und Zeit wurde also darauf verwendet, Sinti und kämpfen. Die illegale Organisation Brüderlicher Roma die ihnen eigentlich zustehende Entschädi- Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen (BSW), gung vorzuenthalten. Berlin-Ost 1968; Jürgen Zarusky: Die „Russen“ 118 BayHStA, MInn 86037. im KZ Dachau. Bürger der Sowjetunion als Opfer 119 StAM, Spk K 1427 (Riedl). Vgl. etwa die Eides- des NS-Regimes. In: Wolfgang Benz (Hg.): Nati- stattliche Erklärung von Rechtsanwalt A. Mößlang onalitäten im KZ, Dachau 2007 (Dachauer Hefte, (18.1.1948). Bd. 23), S. 105-139; ders.: Kriegsgefangenenlager 120 Vgl. BDC-BA, SSO-/RuS-Akte (Konle); BayHStA, Schwanseestraße. In: Winfried Nerdinger (Hg.): Ort Präsidium Grenzpolizei, Nr. 1469. und Erinnerung. Nationalsozialismus in München, 121 BayHStA, Präsidium Grenzpolizei, Nr. 1498. Le- Salzburg 2006, S. 177; zu Hartwimmer-Olschews- benslauf Straubs vom 15.4.1952. ki vgl. u.a. Hartmut Mehringer: Die KPD in Bayern 122 Vgl. zu diesem Komplex die erhaltene Spruchkam- 1919-1945. Vorgeschichte, Verfolgung und Wider- merakte Fischers, StAM, Spk K 416, sowie seine stand. In: Bayern in der NS-Zeit, Bd. V, München CIC-Akte, NARA (Washington), RG 319 (Dossiers 1983, S. 270-280. Fischer und Mahler). Wesentliche Aspekte des 130 StAM, Spk 416 (Fischer). Erwiderung Fischers auf Falls Fischer/Mahler werden bereits erörtert in: Ri- die Anklage der Hauptkammer München, 7.3.1952. chard Breitman/Norman J.W. Goda: Hitler’s Sha- 131 Ebd. Dr. Hoffmeister (Vorsitzender der Spruchkam- dow. Nazi war Criminals, U.S. Intelligence, and the mer München) an Fischer, 25.9.1952. Cold War, Washington o.J. [ca. 2010], S. 43-52. 132 Friedrich Victor Risse: So zersetzt Moskau den 123 Vgl. BA-BDC, SSO-Akte Eugen Fischer. Westen, München 1954, bes. S. 35-44. 124 Vgl. StAM, Spk K 416 (Fischer). Fischer an Staats- 133 StAM, Spk K 416 (Fischer). Gnadengesuch Fi- kanzlei, 27.6.1954. schers vom 27.6.1954. 125 Vgl. die zahlreichen Schilderungen in seiner 134 StAM, Spk K 416 (Fischer). Antrag auf Wiederauf-

112 nahme des Spruchkammerverfahrens, 31.7.1954. mich bei Paul Brown für die Überlassung von zu- 135 Zur Gründungsgeschichte der Organisation Geh- sätzlichen Informationen zum GFP-Netzwerk. len vgl. derzeit aus der Fülle der einschlägigen 141 Zur Rekonstruktion der so genannten „Dresden- Literatur Heinz Höhne/Hermann Zolling: Pullach Connection“, die hier nicht weiter ausgeführt intern. General Gehlen und die Geschichte des werden kann, vgl. Archiv des BND Pullach, u.a. Bundesnachrichtendienstes, Hamburg 1971; Mary Personenakten Hans Clemens, Heinz Felfe, Wil- Ellen Reese: General Reinhard Gehlen. The CIA helm Krichbaum, Max Noeth, Carl Schütz; NARA, Connection, Fairfax 1990; Peter F. Müller/Michael RG 263, Name Files Hans Clemens, Heinz Felfe, Müller: Gegen Freund und Feind. Der BND: Gehei- Wilhelm Krichbaum; CIA Subject Files, Second me Politik und schmutzige Geschäfte, Hamburg Release, Box 1: David E. Murphy, Heinz FELFE 2002; Jens Wegener: Die Organisation Gehlen und Damage Assessment, 7.2.1963; StAM, Spruch- die USA. Deutsch-amerikanische Geheimdienst- kammerakten (u.a. Dr. Karl Kernert, Wilhelm Krich- beziehungen, 1945-1949, Münster u.a. 2008, so- baum, Max Noeth). Vgl. auch Kap. IV.1. wie autobiografischen Darstellungen von Reinhard 142 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Leonhard Gehlen: Der Dienst. Erinnerungen 1942-1971, Halmanseger in den Verdacht geriet, im Frühjahr Mainz/Wiesbaden 1971; James Critchfield: Auf- 1945 vom sowjetischen Nachrichtendienst an- trag Pullach. Die Organisation Gehlen 1948-1956, geworben worden zu sein, vgl. Peter-Ferdinand Hamburg/Berlin 2005.Für die hier diskutierte Fra- Koch: Enttarnt. Doppelagenten: Namen, Fakten, gestellung ist jedoch das im Nachlass von James Beweise, Salzburg 2011, S. 118ff. Critchfield inzwischen auszugsweise zugängliche 143 Vgl. ausführlich Susanne Meinl: Nationalsozialisten Tagebuch des Gehlen-Vertrauten Heinz Danko gegen Hitler, Die nationalrevolutionäre Opposition Herre aufschlussreicher als die geglättete Memoi- um Friedrich Wilhelm Heinz, Berlin 2000. renliteratur der beteiligten Nachrichtendienstler, 144 Bayerisches Staatsarchiv Coburg, Spruchkammer- vgl. Earl Gregg Swem Library, College of William akte Franz Groschek, Spk Co-Stadt, G 185. Eides- and Mary, Williamsburg, German Collection James stattliche Erklärungen Ludwig Albert, 10.5.1946, H. Critchfield [SWEM]. und Max Noeth, 20.10.1946. 136 Im Tagebuch von Heinz Danko Herre taucht Ried- 145 Vgl. Bundesarchiv Koblenz, B 206 (= Bestand mayr auch als Riedinger auf. Als solcher sei er Bundesnachrichtendienst), Nr. 1977, Personenak- sogar zeitweise als Leiter der Auswertung in ei- te Ludwig Albert. Betr. Besprechung mit MA Leidl, nem zukünftigen Bundesnachrichtendienst im 21.7.1964. Gespräch gewesen, vgl. SWEM, Tagebuch Heinz 146 Archiv des BND Pullach, Nr. 24853_OT, Personen- Danko Herre. Eintrag vom 6.7.1950. akte Max Noeth. Memo D 2543, 1.4.1952. Mit Lehr 137 SWEM, Tagebuch Heinz Danko Herre. Eintrag vom war möglicherweise Löhr gemeint. 6.7.1950. 147 BayHStA, MInn 84499 (PA Noeth). Personalbogen. 138 Ebd. Eintrag vom 13.3.1951. 148 Ebd. Regierungsdirektor Kurz an Bayerisches Mi- 139 Ebd. Eintrag vom 30.3.1951. nisterium des Innern, Betreff: Regierungsamtmann 140 Zu Krichbaum vgl. Paul Brown: From Forester to Max Noeth, 20.3.1952. Feldpolizeichef. The Life and Counter-intelligence 149 Zum Englandspiel/Operation Nordpol vgl. Hans Career of Wilhelm Krichbaum, Masterarbeit 1999, Schafranek: Unternehmen ‚Nordpol’. Das Eng- und mit Fehlern Robert Winter: Täter im Geheimen. landspiel der deutschen militärischen Abwehr in Wilhelm Krichbaum zwischen NS-Feldpolizei und den Jahren 1942 - 1944, in: Hans Schafranek/Jo- Organisation Gehlen, Leipzig 2010. Ich bedanke hannes Tuchel (Hrsg.): Krieg im Äther. Widerstand

113 und Spionage im Zweiten Weltkrieg, Wien 2004, Februar 1958, 5.3.1958. S.247 - 291. Aus dem Bereich der Memoirenli- 161 Ebd. Chief, Munich Base, Subject: CART/CABOLT/ teratur: Hermann Giskes: Abwehr III F. De Duitse Operations, 8.5.1958. contraspionnage in Nederland, Amsterdam 1949 162 BayHStA, MInn 97149. Bayerisches Landesamt (Deutsch: London ruft Nordpol. Das erfolgreiche für Verfassungsschutz, Regierungsdirektor Fritz Funkspiel der deutschen militärischen Abwehr, Schachinger an Das Bayerische Ministerium des Bergisch-Gladbach 1982); Josef Schreieder: Das Innern – VfS, 16.8.1963. war das Englandspiel, München 1950. Illustriert: 163 Beispielsweise: Ausschuß für deutsche Einheit, Janusz Piekalkiewicz, Spione, Agenten, Solda- Globke und die Ausrottung der Juden, Berlin (-Ost) ten. Geheime Kommandos im Zweiten Weltkrieg, 1960; Weißbuch der VVN, In Sachen Demokratie, München 1988, Kapitel „Aber gut untergebracht“, Herausgegeben von der VVN 1960, Neu herausge- S. 280-295. geben von der Vereinigung der Verfolgten des Na- 150 NARA, RG 263, Schreieder Name File. Robinson ziregimes –Bund der Antifaschisten 2003, mit einer Opt., Army Interrogation Pool Detachment, Inter- Einleitung von Ulrich Sander, Renchen 2003/2005; rogation Report, 21.6.1945. Reinhard Strecker, Hans Globke, Aktenauszüge, 151 BayHStA, MInn 84972 (PA Schreieder). Bayeri- Dokumente, Hamburg 1961; vgl. dazu die Hin- sches Ministerium des Innern, Betreff: Vollzug des tergrundberichte der CIA, NARA, Records of the Art. 208, Abs. 3 des BayBG, 16.12.1966. Central Intelligence Agency (Record Group 263), 152 Da seine Personenalakte der Organisation Gehlen CIA Name Files Hans Globke, 2nd Release, Entry im BND-Archiv derzeit nicht auffindbar ist, ist noch ZZ-18. unbekannt, wer ihn getippt hat. 164 BayHStA, MInn 97149. Bayerisches Landesamt 153 Vgl. Hans Schafranek: Unternehmen Nordpol, für Verfassungsschutz, Regierungsdirektor Fritz S. 289f. Schachinger an Das Bayerische Ministerium des 154 NARA, RG 263. Research Aid: Cryptonyms and Innern - VfS, 16.8.1963, und Strafanzeige beim KD Terms in Declassified CIA Files Nazi War Crimes 2 des Polizeipräsidiums München, vgl. auch die and Japanese Imperial Government Records Dis- beigefügten Abbildungen. Die „Rote Hand“ war closure Acts (http://www.archives.gov/iwg/declas- wohl eine reine Mystifikation, Schröder bezog sich sified-records/rg-263-cia-Rekords/). auf den amtierenden Bundesminister des Innern, 155 NARA, RG 263, Schreieder Name File. Memo, 3. Gerhard Schröder (CDU). August 1953. 165 Ebd. KD 2, Ermittlungsbericht vom 27.7.1959. 156 BayHStA, MInn 84972 (PA Schreieder). Bemer- 166 Zu den baulichen Gegebenheiten der heutigen kung Dr. Zimmermann, Sachgebiet I C 3, 1.4.1954. Gebäude Neuhauserstr. 8 und 10 vgl. http://www. 157 Ebd. (PA Schreieder). BayLfV an Bayrisches ris-muenchen.de/RII2/RII/DOK/SITZUNGSVOR- Staatsministerium des Innern, Betreff: Beamten- LAGE/783453.pdf. stand des LfV, 3.10.1962. 167 BayHStA, MInn 97149. Bayerisches Landesamt 158 NARA, RG 263, Schreieder Name File. Chief, Mu- für Verfassungsschutz, Regierungsdirektor Fritz nich Base, SUBJECT: CART/CABOLT/Operations, Schachinger an Das Bayerische Ministerium des Meeting of 12 March 1955, 3.4.1958. Innern – VfS, 16.8.1963. 159 Ebd. Chief of Base Pullach, Interview with Joseph 168 Ebd. Martin Riedmayr an Bayerisches Ministerium Schreieder, 24.7.1955. des Innern, 18.8.1959. 160 Ebd. Chief Munich Base, Subject: Operational/ 169 Norbert Frei, „Auf immer verbieten“, Vor der CART/Liaison/CABOLT, Progress Report, 1.-28. ‚Spiegel‚-Affäre geriet der ‚Stern‘ unter Beschuss:

114 Die junge Bundesrepublik musste sich ihre Pres- pdf, http://www.zeit.de/1955/47/politik-nur-fuer- sefreiheit mühsam erkämpfen, Die Zeit vom herren/seite-2 http://www.zeit.de/1959/33/in-mu- 12.10.2012. enchen-rien-ne-va-plus und Der Spiegel, verlinkt 170 Mainhardt Graf Nayhauß, Wer schützt uns vor im Wikipedia-Eintrag zur Spielbankenaffäre. Der dem Verfassungsschutz? Der Stern Nr. 8 vom diesbezügliche interessante Aktenbestand im Ins- 21.2.1959. titut für Zeitgeschichte, ED 317, Spielbankenaffäre 171 Mainhardt Graf Nayhauß, Verfassungsschutz: Eine Bayern, ist leider noch bis 2030 gesperrt. Frau schrie, Der Spiegel Nr. 11 vom 12.3.1958, 176 Vgl. AFFÄREN: Drei kleine Zettel. Meineidprozesse ders, Dummes Zeug nach zehn, und Rudolf Aug- der bayrischen Spielbankenaffäre in den fünfziger stein, Liebe Spiegelleser, Der Spiegel Nr. 31 vom Jahren will jetzt ein Münchner Anwalt durchleuch- 30.7.1958. ten. Doch die Affäre dauert fort: Vermeintliches Be- 172 Mainhardt Graf Nayhauß, Verfassungsschutz: Eine weismaterial ist verschwunden, Der Spiegel Nr. 17 Frau schrie, Der Spiegel Nr. 11 vom 12.3.1958. Vgl. vom 22.4.1974. zur umstrittenen Personalie Odewald auch das 177 BayHStA, MInn 97149. Landesamt für Verfas- Weißbuch der VVN, In Sachen Demokratie, S. 98f. sungsschutz, Karl Sturm, an das Bayerische Mi- 173 Vgl. Hauke Janssen, Eine Prügelei unter Verfas- nistrium des Innern, Pressekommentare zum sungsschützern und was sie auslöste, Spiegel- Spielbankenprozeß, 4.9.1959. blog (20.11.2012) (http://www.spiegel.de/spiegel/ 178 Ebd. Martin Riedmayr an den Staatsminister der spiegelblog/wie-die-pressefreiheit-in-deutsch- Justiz Albrecht Haas (mit Kopie an den Staatsmi- land-erkaempft-wurde-a-868287.html), und Erich nister des Innern, Alfons Goppel), 11.2.1961. Schmidt-Eenboom, Der Feind im eigenen Haus - 179 „Wechsel im Verfassungsschutz“, Münchner Mer- BND contra BfV, in: Geheimdienst, Politik und Me- kur Nr. 174 vom 21.7.1960. dien, Meinungsmache Undercover, Berlin 2004, 180 Vgl. Schenk, Die braunen Wurzeln, insbes. S. 261- S. 194ff. Nayhauß sei laut Schmidt-Eenboom ab 270; Timothy Naftali: The CIA and Eichmann’s 1970 Sonderverbindung des Bundesnachrichten- Associates, in: Richard Breitman/Norman J. W. dienstes gewesen. Goda/Timothy Naftali, Robert Wolfe (Hg.): U.S. In- 174 Mainhardt Graf Nayhauß, Wer schützt uns vor telligence and the Nazis, Cambridge 2005, S. 354- dem Verfassungsschutz?, Der Stern Nr. 8 vom 359; Baumann, u.a. Schatten der Vergangenheit, 21.2.1959, zitiert nach Patrik Wagner, Ehemalige insbesondere S. 219-240. SS-Männer, S. 177. Die diesbezüglichen Artikel 181 Vgl. Peter Krause: Der Eichmann-Prozess in der von Zeit und Spiegel sind heute erfreulicherweise deutschen Presse, Frankfurt am Main, New York online abrufbar. 2002; Breitman/Goda, Hitler‘s Shadow; Bettina 175 Die komplizierte Geschichte der bayerischen Stangneth, Eichmann vor Jerusalem. Das unbe- Spielbankenaffäre kann hier nur holzschnittartig helligte Leben eines Massenmörders, Hamburg, skizziert werden. Sie ist bis heute nicht wissen- 2011. schaftlich aufgearbeitet worden. Vgl. außer Hein- 182 Vgl. Georg Hafner/Esther Schapira: Die Akte Alois rich Senfft, Glück ist machbar. Der bayerische Brunner, Frankfurt am Main, New York 2000; Breit- Spielbankenprozeß, die CSU und der unaufhalt- man/Goda, Hitler‘s Shadow, S. 22-33. same Aufstieg des Doktor . 183 Vgl. den Artikel „Zur Person“ des Portals „Pro- Ein politisches Lehrstück, Köln 1988 vor allem die test in München seit 1945“ http://protest-muen- Berichterstattung von Zeit, beispielsweise http:// chen.sub-bavaria.de/artikel/1611, und den Artikel pdfarchiv.zeit.de/1955/49/huebsch-langsam. der Zeit, 24.2.1961, Ausstellung am roten Faden

115 (http://pdfarchiv.zeit.de/1961/09/ausstellung-am- 193 Der Stern, Nr. 35 vom 27. Juni 1963, zitiert nach roten-faden.pdf). „Sagte Höcherl die Wahrheit ? - Der Verfassungs- 184 Vgl. an neuerer Literatur einstweilen Müller/Mül- schutz bricht seit Jahren das Postgeheimnis“ von ler, Gegen Freund und Feind, S. 243-260; Timo- Peter Stähle, Die Zeit Nr. 36, 6.9.1963; Patrick thy Naftali, Reinhard Gehlen and the United Sta- Wagner, Ehemalige SS-Männer am „Schilderhäus- tes, in: Breitman/Goda, U.S. Intelligence and the chen der Demokratie“? Die Affäre um das Bundes- Nazis, S. 375-418. Als biografische Quellen mit amt für Verfassungsschutz 1963/64, in: Gerhard entsprechender Vorsicht: Heinz Felfe: Im Dienst Fürmetz/Herbert Reinke/Klaus Weinhauer (Hg.): des Gegners, 10 Jahre Moskaus Mann im BND, Sicherheit in Ost- und Westdeutschland 1945- Hamburg, Zürich 1986. Auf eine Analyse des Ver- 1969, Hamburg 2001, S. 169-198, hier S. 178-181. ratskomplexes Felfe im Hinblick auf die Arbeit der 194 Erich Wenger war Mitglied der SS seit März 1933, Verfassungsschutzämter durch die Unabhängige stieß 1935 zur Berliner Gestapo und im Zweiten Historikerkommission und die AG Geschichte des Weltkrieg in Frankreich u.a. bei der Bekämpfung BND darf mit Spannung gewartet werden. des Widerstandes eingesetzt. Wenger überstand 185 NARA, RG 263, Personal Files Heinz Felfe, Hans mit falscher Identität die französische Kriegsge- Max Clemens, Carl Schütz; Archiv des BND Pull- fangenschaft und britische Internierung und ge- ach: Personalakten Hans Clemens (P000272), langte mit dem falschen Namen 1950 zum Kölner Heinz Felfe (P006628), Wilhelm Krichbaum Bundesamt, vgl. Patrick Wagner, Ehemalige SS- (P000020 ), Carl Schütz (P00288_1); Sachakte Männer am „Schilderhäuschen der Demokratie“, zum Verratsfall Heinz Felfe (005308_OT). S. 172. 186 David E. Murphy, Heinz FELFE Damage Assess- 195 Archiv BND, Pullach: Fall Fadenkreuz, 101823_OT. ment, 7.2.1963, NARA, RG 263, CIA Subject Files, 196 Vgl. ausführlich Josef Foschepoth: Überwachtes Second Release, Box 1. Vgl. auch die im Netz zu- Deutschland, Post- und Telefonüberwachung in gänglichen Auszüge von Norman J. W. Goda, CIA der alten Bundesrepublik. Göttingen 2012, S. 120f. Files Relating to Heinz Felfe, SS officer and KGB 197 Biografie Höcherl nach Haus der deutschen Ge- Spy (http://www.fas.org/sgp/eprint/goda.pdf). schichte, Bonn, http://www.hdg.de/lemo/html/ 187 Vgl. Kap. III.2. biografien/HoecherlHermann/index.html, abgeru- 188 Peter Ferdinand Koch berichtet basierend auf In- fen am 30.6.2013. formationen von Horst Kopkow, dass Leonhard 198 So bezeichnete Hermann Höcherl die von Franz Halmanseger im Frühjahr 1945 vom sowjetischen Josef Strauß initiierte Verhaftung von Spiegel-Re- Geheimdienst GRU angeworben worden sei, vgl. dakteur Conrad Ahlers in Spanien. Enttarnt, Doppelagenten: Namen, Fakten, Bewei- 199 Richard Gerken, Leiter der Spionageabwehr im se, Salzburg 2011, S. 118ff. Bundesamt für Verfassungsschutz, kam im Ge- 189 Die nach dem Fall Felfe zur Überprüfung des NS- gensatz den anderen meist genannten NS-Be- belasteten Personenkreises im BND eingerichtete lasteten aus dem Amt Ausland-Abwehr. Vgl. auch Arbeitsgruppe um Hans-Henning Crome, die Or- den Spiegel-Artikel über Gerken und Wenger „Zu ganisationseinheit 85. Onkel Richard konnte jeder kommen“ – Spiegel- 190 Frankfurter Rundschau, 18.7.1963, zitiert nach Reporter Gerhard Mauz über den Pätsch-Prozeß Müller/Müller, Gegen Freund und Feind, S. 256. und ehemalige SS-Männer im Verfassungsschutz, 191 Die Welt, 18.7.1963, zitiert nach ebd. Heft 44 vom 27.10.1965 (http://www.spiegel.de/ 192 FELFE: Umarmt und geküßt, Der Spiegel Nr. 30 spiegel/print/d-46274628.html) sowie Patrick vom 24.7.1963. Wagner, Ehemalige SS-Männer am „Schilderhäus-

116 chen der Demokratie“? Die Affäre um das Bundes- schen Diensten. amt für Verfassungsschutz 1963/64, in: Sicherheit 206 Dies hatte Verfassungsschutzpräsident Sturm in Ost- und Westdeutschland 1945-1969, heraus- bereits 1960 bei seiner Ernennung in der Presse gegeben von Gerhard Fürmetz, Herbert Reinke verlautbaren lassen, vgl. Presseerklärung vom und Klaus Weinhauer, Hamburg 2001, S. 169-198, 29.7.1970 und Schweinfurter Volkszeitung vom hier S. 177. 1.8.1960, BayHStA, MInn 97149. 200 „Sagte Höcherl die Wahrheit ? - Der Verfassungs- 207 Es handelt sich vermutlich um den am 25.3.1906 schutz bricht seit Jahren das Postgeheimnis“, geborenen Georg Schinner, Bundesarchiv Berlin, Die Zeit Nr. 36, 6.9.1963 und „Das Abhören war SS-Akten Georg Schinner. Schinner war ab 1943 leicht gemacht“, Die Zeit Nr. 4, 24.1.1964, beide Angehöriger der Feldgendarmerie der 10. SS-Pan- von Peter Stähle. Diese Artikel sind wie der wei- zerdivision „Frundsberg“. Diese war in Frankreich, ter unten zitierte Artikel von Theo Sommer, „Nur Galizien und bei der Schlacht um Arnheim einge- Abhör-Amtshilfe?“, Die Zeit Nr. 37, 13.9.1963 on- setzt. line über http://www.zeit.de abrufbar. Auf längere 208 50 Jahre Bayerisches Landesamt für Verfassungs- Zitate wird deswegen verzichtet. schutz, 1. Kapitel: Geschichtlicher Rückblick 201 Zitiert nach Patrick Wagner, Ehemalige SS-Männer http://www.verfassungsschutz.bayern.de/service/ am „Schilderhäuschen der Demokratie“, S. 169. mitteilungen/01573/index.php (aufgerufen am 202 Vgl. die Pressemitteilung in der „Bayerischen 30.6.2013). Staatszeitung“ Nr. 38 vom 20. 9.1963, „Arbeits- 209 Vgl. http://www.tenhumbergreinhard.de/05aaff9c6 methoden und Personalpolitik des Landesam- f0a4030c/05aaff9d691098b01/index.html tes für Verfassungsschutz“, Quelle: http://www. 210 BayHStA, MInn 84972 (Personalakte Schreieder verfassungsschutz.bayern.de/service/mitteilun- des BayLfV), Beschuldigten-Vernehmung Josef gen/01573/index.php, abgerufen am 30.6.2013. Schreieder, 18.8.1965. Falls nicht anders ausge- Dem Ausschuß gehörten unter Vorsitz von Walde- wiesen, entstammen alle Informationen seiner Per- mar von Knöringen (SPD) laut Personendatenbank sonalakte. des Hauses der Bayerischen Geschichte (http:// 211 BayHStA, MInn 84972. www.hdbg.de/parlament/content/index.html) in 212 Alfred W. Spieß war leitender Staatsanwalt in den der 5. Legislaturperiode u.a. an: Dr. Karl Brenta- Treblinka-Prozessen und später Leiter der Staats- no-Hommeyer (Bayernpartei/parteilos), Dr. Hans anwalt von Düsseldorf. Der Nachlaß im Stadtarchiv Eisenmann (CSU), Andreas Haisch (CSU), Dr. Wil- Düsseldorf ist leider noch nicht zugänglich. Der Do- helm Högner (SPD), Dr. Hermann Stiefvater (SPD) kumentarfilm „Shoah“ von Claude Lanzmann ent- und Dr. Rudolf Widmann (FDP). hält zahlreiche Aussagen von Spieß zu Treblinka. 203 Ich bedanke mich beim Archiv des Bayerischen 213 Bundesarchiv Berlin, SSO und Rasse- und Sied- Landtags für die Einsichtnahme in das Protokoll lungshauptamtsakten Joseph Schreieder (früherer der nichtöffentlichen Sitzung vom 17. September Bestand BDC). 1963. Für die hier vorliegende Broschüre mussten 214 BayHStA, MInn 84972. Beschuldigten-Verneh- die teilnehmenden Personen anonymisiert werden. mung Josef Schreieder, 18.8.1965. 204 Aufgrund der Regularien des Landtagsarchivs 215 Auch in seinem Buch „Das Englandspiel“ hatte kann der Inhalt der Sitzung nur auszugsweise wie- Schreieder seine Zugehörigkeit zum SD unerwähnt dergegeben werden. gelassen. 205 Das Protokoll spricht ausdrücklich nur von den 216 BayHStA, MInn 84972. Vernehmung Franz Mei- „Amerikanern“ und nicht einzelnen US-amerikani- nert, Präsident des LKA Bayern a.D., 10.9.1965.

117 Zum Wechel Schreieders in das LfV siehe Kapitel München, 20.8.1963. Der gesamte Recherchevor- II.2.1. gang der Personalverwaltung befindet sich in die- 217 BayHStA, MInn 84972: Dr. Hermann Schützinger ser Akte. an Dr. Wilhelm Högner, 18.3.1955 (siehe auch bei- gefügtes Dokument). 218 Joseph Schreieder, Die Geheime Staatspolizei, o. Dt. [vor April 1953], NARA, RG 263, Joseph Schrei- eder Name File. Vgl. auch die hier angefügten Aus- züge. 219 Spieß an den Ministerialdirigent Brunner, Bayeri- sches Ministerium des Innern, 5.10,1965. 220 Meinerts Aussage wirkte insofern besonders be- lastend, als dass damit Schreieders SD- und SS- Zugehörigkeit bewiesen war. An die Details von dessen Einstellung könne er sich jetzt auch nicht mehr innern, nur dass Dr. Hoegner dies mit dem Regierungsdirektor Dr. Zimmermann vom Innenmi- nisterium verhandelt hätten. 221 Hans Buchheim/Martin Broszat/Hans Adolf Jacob- sen/Helmut Krausnick: Anatomie des SS-Staates, 2 Bände, Olten/Freiburg im Breisgau 1965. Vgl. auch Irmtrud Wojak: Herrschaft der Sachverstän- digen? Zum ersten Frankfurter Auschwitz-Prozeß, in: Kritische Justiz, H. 4, 1999, S. 605-617; dies.: 1903-1968, Eine Biographie, München 2009, S. 329ff. 222 Dr. Hans Buchheim, Gutachtliche Äußerung, 22.12.1965. 223 So musste Schreieder wie alle anderen SS-Ange- hörigen auch beim Rasse- und Siedlungshaupt- amt seine Heiratsunterlagen zur Genehmigung einreichen. 224 BayHStA, MInn 84972. Betreff: Vollzug des Art.208, Abs. 3, BayBg, 16.12.1966. 225 Ebd. Sturm an das bayerische Staatsministerium des Innern.17.8.1966. 226 Bayerisches Staatsarchiv München, Spruchkam- merakte Joseph Schreieder, Spk K 1699. Sch- reiben Schreieders an Rechtsanwalt Dr. Bandorf, 18.5.1948. 227 Vgl. StadtAM, Personalakte 12588 (Kobras). Sch- reiben Lallingers an das Personalreferat der LH

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