Das Bundeskriminalamt Stellt Sich Seiner Geschichte
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„Nur durch die Auseinandersetzung Bundeskriminalamt (Hg.) mit unserer eigenen Vergangenheit können wir unsere Zukunft verantwortlich gestalten.“ (Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes) Zur Identität einer Institution gehört immer das Erinnern. Genauso wichtig ist aber auch, aus der Erinnerung heraus die Gegenwart und die Zukunft verantwortlich zu gestalten. Für das Bundeskriminalamt heißt das, sich die Rolle der Polizei in der NS-Zeit bewusst zu machen und Fragen nach Auswirkungen dieser Zeit auf die Entstehung des Bundeskriminalamtes nachzugehen. Daraus ergibt sich auch die Verpflichtung, die Aufgaben- wahrnehmung des Bundeskriminalamtes stets an der Werteordnung unseres Grundgesetzes auszurichten. Grundlage hierfür ist ein aufgeklärtes, Das Bundeskriminalamt berufsethisches Bewusstsein des Polizeibeamten, diese Werteordnung tagtäglich in der Praxis zu leben. stellt sich seiner Das Buch „Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte – Dokumentation einer Kolloquienreihe“ dokumentiert die Beiträge der drei Geschichte Veranstaltungstage, die im August, September und Oktober 2007 im Bundeskriminalamt stattfanden. Dokumentation einer Kolloquienreihe Bundeskriminalamt (Hg.) Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte ISBN: 978-3-472-07465-6 www.luchterhand-fachverlag.de Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte Sonderband der Reihe Polizei + Forschung herausgegeben vom Bundeskriminalamt (BKA) Bundeskriminalamt (Hg.) Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte Dokumentation einer Kolloquienreihe Luchterhand Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Wissenschaftlicher Berater: Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin Redaktion: Sonja Kock Bundeskriminalamt Alle Rechte vorbehalten © 2008 Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln. Luchterhand – eine Marke von Wolters Kluwer Deutschland. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: arttec grafik simon & wagner, St. Goar Satz: Satzoffizin Hümmer, Waldbüttelbrunn Druck: Wilco, Amersfoort Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem und chlorfreiem Papier {luchterh_neu}20080266_BKA_Bundeskriminalamt/Titelei.3D 5 02.10.2008 S. 5 Vorwort „ . dass die geistige Bewltigung der nationalsozialistischen Erfahrung nicht in einmaliger Aufklrung, sondern in bestndiger Auseinandersetzung mit denUrsachen undWirkungsmechanismender faschistischen Herrschaft liegen. Nicht bloße Aufklrung, sondern partizipatorische Aktivierung muss das gemeinsame Ziel sein.“ (Hans Mommsen, Die Last der Vergangenheit) Welche Bedeutung hatte die Zeit des Nationalsozialismus fr das am 8. Mrz 1951 gegrndete Bundeskriminalamt und seine sptere Entwicklung? Inwieweit trifft auf das Bundeskriminalamt die von dem jdischen Publizisten Ralph Gior- dano so benannte „zweite Schuld“ zu, derzufolge die Deutschen ihre „erste Schuld“ – die unter Hitler begangenen Verbrechen – verdrngten und zahlreiche Naziverbrecher nahezu lckenlos in die Nachkriegsgesellschaft integrierten? Um diesen Fragen nachzugehen, lud das Bundeskriminalamt Wissenschaftler, Publi- zisten, die Presse, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter zahlrei- che Ehemalige, im Herbst 2007 zu insgesamt drei Kolloquien ein. Der vorlie- gende Sammelband bildet die Rede- und Diskussionsbeitrge ab, darunter den von Ralph Giordano selbst, der den Holocaust nur knapp berlebte, und den des Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose. Ziel der Kolloquienreihe war zum einen, den bestehenden Erkenntnisstand zur Ent- wicklungsgeschichte des Bundeskriminalamts aus unterschiedlichen Perspekti- ven zusammenzutragen. Darauf aufbauend sollte festgestellt werden, ob es offene Fragen gibt, die aus heutiger Sicht einer tiefer gehenden Aufarbeitung bedrfen und im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht werden sollten. Gerade in den letzten Jahren haben zahlreiche Institutionen in Deutschland damit begonnen, die eigene Geschichte mit Blick auf die NS-Zeit aufzuarbeiten, darun- ter Banken, Sportvereine oder Berufsgruppen wie rzte und Juristen. Auch auf polizeilicher Ebene gab es bereits mehrere solcher Initiativen. Die Polizei war whrend des Nationalsozialismus eine entscheidende Sttze des Regimes. Sie hat als solche schwere Schuld auf sich geladen. Zahlreiche wissenschaftliche Un- tersuchungen belegen, dass die Polizei in der Zeit von 1933 bis 1945 aktiv an der Verfolgung der Juden, politisch Andersdenkender und gesellschaftlicher Minder- heiten wie Homosexuelle, Sinti und Roma bis hin zu als „asozial“ Diffamierten teilnahm. Da das Bundeskriminalamt erst nach dem Krieg gegrndet wurde, lag der Schwerpunkt der Kolloquienreihe auf mçglichen Nachwirkungen des National- sozialismus. Im Mittelpunkt stand die Frage, inwieweit die polizeilichen Behçr- denstrukturen des NS-Regimes das Bundeskriminalamt im Sinne personeller, organisatorischer und kriminologischer Kontinuitten geprgt haben – und mit welchen Konsequenzen. Wirkten nationalsozialistisches Gedankengut und damit V {luchterh_neu}20080266_BKA_Bundeskriminalamt/Titelei.3D 5 02.10.2008 S. 6 verbunden bestimmte Einstellungen und Verhaltensmuster im Bundeskriminal- amt fort? Die Kolloquienreihe verdeutlichte, dass die Entwicklung des Bundeskriminal- amts von Kontinuitten, aber auch von Brchen geprgt ist. Trotz der unter Hitler begangenen Verbrechen fanden viele Reprsentanten des NS-Vernichtungsappa- rates in der neu gegrndeten Bundesrepublik wieder eine Anstellung, auch in der Polizei. Im Bundeskriminalamt waren bis in die 70er Jahre hinein zahlreiche Mit- arbeiter, die bereits in der NS-Zeit verantwortliche Positionen in der Polizei und anderen Sicherheitsbehçrden bekleidet hatten, in leitenden Funktionen ttig. Die Veranstaltungsreihe hat gezeigt: Der Vorwurf,in der Polizei und auch im Bundes- kriminalamt seien in der Grndungsphase, aber auch in spteren Jahren, systema- tisch rassistische und fremdenfeindliche Einstellungen und Denkmuster weiter- gefhrt worden, ist nicht haltbar. Das Bundeskriminalamt hat sich vielmehr trotz der beschriebenen Kontinuitten vor allem in den Grndungsjahren zu einer mo- dernen, demokratisch gefestigten, professionellen und international ausgerichte- ten Polizeibehçrde entwickelt. Die Bereitschaft des Bundeskriminalamts, sich mit der eigenen Geschichte aus- einanderzusetzen, fand nicht nur bei den Vertretern von Opferorganisationen gro- ßen Anklang, sondern stieß unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in der Presse und der ffentlichkeit insgesamt auf große Resonanz. Auch zahlreiche ehemalige Mitarbeiter ergriffen die Gelegenheit, an den Diskussionen teilzuneh- men, ihre Kritik vorzutragen und persçnlich Stellung zu beziehen. Die zum Teil sehr kontroversen Stellungnahmen zeigten, wie komplex und emotionsgeladen das Thema auch ber 60 Jahre nach Beendigung der NS-Gewaltherrschaft noch ist und dass das Thema Nationalsozialismus und Polizei nichts von seiner Aktua- litt verloren hat. Ganz bewusst hatte sich das Bundeskriminalamt dafr entschieden, den Blick in die eigene Vergangenheit çffentlich mit Untersttzung renommierter Fachleute und Publizisten vorzunehmen. Zum einen geht es um einen kritischen, ehrlichen Umgang mit der eigenen Geschichte: Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll ein vollstndiges Bild der historischen Wurzeln und Entwicklungen des Bundes- kriminalamts zur Verfgung stehen. Zum anderen gilt auch heute, dass keine In- stitution staatliche Macht so unmittelbar und sprbar fr die Brgerinnen und Brger reprsentiert wie die Polizei mit ihren umfangreichen Eingriffsermchti- gungen. Die Polizei bewegt sich im Spannungsfeld der aus den Grundrechten ab- geleiteten Abwehrrechte der Brgerinnen und Brger einerseits und der Schutz- pflichten des Staates andererseits. Nur durch einen offenen Umgang mit politi- schen Institutionen, den Medien und der ffentlichkeit kann die Polizei Vertrauen in rechtsstaatliche, den Grundrechten verpflichtete Polizeiarbeit schaffen und berzeugend um die Akzeptanz der Polizei als Garant von Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Gesellschaft werben. Eine kritische, çffentliche und trans- parente Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist daher nicht nur VI {luchterh_neu}20080266_BKA_Bundeskriminalamt/Titelei.3D 5 02.10.2008 S. 7 eine gesellschaftliche Verpflichtung, sondern im ureigensten Interesse des Bun- deskriminalamts und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Akzeptanzarbeit ist ein Dauerauftrag – jede Generation muss sich Vertrauen aktiv bewahren und neu erarbeiten. Dazu gehçrt auch zu zeigen, dass wir uns unserer Geschichte bewusst sind und ihr gemß sensibel zu handeln vermçgen. Es geht darum, welche Lehren im Hinblick auf das polizeiliche Berufsverstndnis aus der NS-Zeit gezogen werden mssen. Diese Frage stellt sich insbesondere in Be- zug auf die organisatorischen Rahmenbedingungen, die Fhrungsgrundstze und die Aus- und Fortbildung. Sind die Berufsanfnger heute gengend sensibilisiert fr die rechtsstaatlichen Grundlagen und Schranken polizeilichen Handelns? Setzt sich die Polizei heute ausreichend fr den Schutz von Minderheiten ein? Die