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1939 So01.01.:FRKHitlererläßteinenNeujahrsaufrufandiePg.s: „DieersteAufgabeistundbleibtwieinderVergangenheitimmer wiederdieErziehungunseresVolkeszurns.Gemeinschaft. DiezweiteAufgabeliegtimAusbauundinderVerstärkungunserer WeM. DiedritteAufgabesehenwirinderDurchführungdesVJP,inderLö sung des Problems unseres Arbeitermangels und besonders in der wirtschaftlichenAngliederungderneuenReichsgebiete.“ Mo02.01.: Die deutschbritischen Flottengespräche finden „in sehr freundschaftlichem Geist“ ihren Abschluß. Die Vereinbarungen be dürfennochderZustimmungderRRg,d.h.FRKHitlers. Der Postsparkassendienst wird bei allen 80000 Postämtern und amtsstelleninGroßdeutschlandeingeführt. Di03.01.: In beginnt der Prozeß gegen den Sozialisten Ernst Niekisch(„Hitler,eindeutschesVerhängnis“,1931)wegenHochver rats und Fortführung einer verbotenen Partei. Niekisch wird zu le benslangemZuchthausverurteilt. ErichEbermayer,AsconaMonteVerità,Tgb.v.03.01.: „Wird man je dieses freie Land, das geliebte Tessin, den ‘Berg der Wahrheit’wiedersehen,wenndasüberunshereinbricht,wasichinder Silvesternacht mit fast körperlichem Schmerz auf uns Deutsche zu kommenfühlte?“ Mi04.01.:DiedeutscheVolksgruppeprotestiertgegendieslowakische Volkszählung,dieinderAbsichtdurchgeführtwerde,demKarpaten deutschtumzuschaden. U„Steinhagen“StaatstheaterKasselBOttoErnstHesse[18911946] ErichEbermayer,Rapallo,Tgb.v.04.01.: „DasWiedersehenmit‘der[Elisabeth]Jungmann’,wiesienuneinmal seitvielenJahrenimHausundbeidenFreundenheißt,warerfreulich und bewegend zugleich. Diese immer noch schöne Jüdin, nun in TrauerumRudolfG.Binding,dessenGefährtinsieindenletztenJah ren seines Lebens war, dessen Autorität als Dichter und Präs. der DichterakademiesievorVerfolgungundVerunglimpfung,wennauch 2

nicht vor manch peinlicher Situation schützte, ist nun mit einem SchlagvereinsamtundjederRacheundRankünederNaziHierarchie wehrlospreisgegeben.NachDeutschlandkannundwillsieunterdie senUmständenselbstverständlichnichtzurück.Siewirdvonhieraus nachgehen.DaRudolfG.Bindingunbegreiflicherweiseohne Testament starb, ist sie so gut wie mittellos. Sogar den Wagen, den Binding ihr geschenkt, hat man ihr sofort weggenommen, da er ja nicht auf ihren ‘nichtarischen’ Namen hatte zugelassen werden kön nen.“ Do05.01.: FRK Hitler empfängt auf dem Obersalzberg in Anwe- senheit RAM Ribbentrops den polnischen AM Oberst Józef Beck. Es kommt zu Mißhelligkeiten wegen Hitlers Forderung nach einem Anschluß Danzigs sowie exterritorialer Auto- und Eisenbahnen durch den Korridor. Dann könne Deutschland den Nichtangriffspakt von 1934 auch um 10 Jahre bis 1954 verlän- gern. Hitler kündigt die baldige Lösung der Memelfrage im deutschen Sinne an. Zum Thema Juden sagt Hitler, wenn die westlichen Demokratien ein besseres Verständnis für seine Ko- lonialziele gehabt hätten, hätte er ein afrikanisches Territorium zur Ansiedlung der Juden bestimmt. Fr06.01.: Deutschland unterbreitet Polen das Angebot dem Antiko minternpaktgegendieUdSSRbeizutreten(GesprächebisDo26.01.). FRKHitlerempfängtaufdemObersalzbergRFSSHimmlerzum10. JahrestagseinerAmtsberufung.

Sa07.01.: Rbk-Präs. Hjalmar Schacht und einige Direktoren der Rbk kritisieren in einer Denkschrift die Überbeanspruchung der Staatsfinanzen durch die Aufrüstung. So08.01.:FelixLützkendorfliestimReichssenderLeipzigausseinem Riman„Märzwind“. ErichEbermayer,Rapallo,Tgb.v.08.01.: „Einfacheristes,sichmitdemFrisörunteninderStadtpolitischzu verständigen. Er meinte heute, als er mir die Haare schnitt: ‘Vostro 3

Fritz...enostroamico(worunterderDucezuverstehenist)sonotutti matti.’... IchlesejedefreieMinute,oftunterOpferungdesSchlafes,dennvor1 entläßtunsHauptmannselten,dasBuchvonRauschning‘DieRevolu tion des Nihilismus’. Großartig! Endlich eineobjektiveundzugleich hinreißende Darstellung Hitlers und seiner Diktatur von einem, der ihm nahegestanden, der an ihn geglaubt hatte. Es fällt einem, auch wennmandieseJahreinwacherOppositionmiterlebthat,wieSchup penvondenAugen.ManmöchtediesenMann,derdasschrieb,ganz naivistdieserWunsch,sprechen,ihmdanken...“ Mo09.01.: FRK Hitler eröffnet nach neun Monaten Bauzeit in Ge genwart von 8000 Arbeitern die von Albert Speer entworfene, 422 MeterlangeNeueReichskanzleianderVoßstraßeinBerlin.U.a.gibt eseineLangeHallemiteinerGrundflächevon146x12Meter. Di10.01.: RIM Frick richtet auf Initiative von BVJP+GFM Gö- ring ein vertrauliches Rundschreiben an die RM, RSth, RKom und andere Behörden im Reich zu „Judenfrage und Denunzian- tentum“: Anläßlich einer Besprechung mit GFM Göring über die Notwendigkeit der Ausschaltung der Juden aus der deut- schen Wirtschaft und des Einsatzes ihres Vermögens für die Zwecke des VJP hat der GFM davon gesprochen, „wie in letzter Zeit beobachtet worden sei, daß deutsche Volksgenossen um deswillen denunziert wurden, weil sie früher einmal in jüdischen Geschäften gekauft, bei Juden gewohnt oder sonst mit Juden in geschäftlicher Beziehung gestanden haben“. Der GFM sieht dies als einen sehr unerfreulichen Mißstand an, der seiner An- sicht nach die Verwirklichung des VJP beeinträchtigen kann. „Der Herr GFM wünscht daher, daß diesem Unwesen nach Kräften Einhalt getan wird.“ JüdischeLiteraturdarfnurnochüberdenVerlagdesJüdischenKul turbundesbestelltwerden. ErnstNiekischwirdzulebenslangZuchthausverurteilt(s.03.01.). DieRLFrank,LeyundSchiracheröffneninMünchendieReichsta gungdesSozialenAmtesderReichsjugendführung. ErichEbermayer,Rapallo,Tgb.v.10.01.: 4

„HeutereisenwirzurücknachBerlin,zurückinunsereGefängniszel len,mögensieauchleidlichkomfortabeleingerichtetseindieGitter stäbebleiben!...WaswirdineinemJahrumdieseZeitsein?Reisebe schränkung? Reiseverbot? Schon diesmal habe ich nur mit größten Schwierigkeiten über meinenitalienischenVerleger,beidem‘Kampf umOdilienberg’erschienenist,dienötigenDevisenbekommen.Oder wirddannKriegsein?WirdEuropainFlammenstehen?WirdM.in irgendeinemSchützengrabenliegen?Odernichtmehrsein?“ Mi11.01.:DieUSRg.weistdieRRgnochmalsdaraufhin,daßdieUS Verfassung keine Rassen und Glaubensunterschiede kenne, daß die RechteamerikanischerJudendeshalbauchinDeutschlandzurespek tierenseien. AufdemBahnhofvonRomempfangenMussoliniundAMCianoden britischenPMChamberlainundAMLordHalifax. DieDAFruftalleArbeiterauf,ihre„Arbeitsergiebigkeit“zusteigern. WalterFrankpräsentiertimReichsrundfunkden1.TeilderSendung „Deutsche Wissenschaft im Kampf gegen das Weltjudentum“: „Das JudentumisteinesdergroßennegativenPrinzipienderWeltgeschich te,esistalsonurdenkbaralsderParasitimpositivenGegenprinzip... seineEinordnungindieGesamtheiteinesgeschichtlichenProzesses, in dem Gott und der Satan, Schöpfung und Zersetzung, in ewigem Ringkampfliegen.“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.11.01.: „ImAugenblicksiehtesnichtnachKriegaus.Vielleichtbinichdurch dieLektürederSchweizerZeitungen,dreiWochenlang,dochzune gativ beeinflußt. Die großen Schweizer Blätter hatten in ihren Neu jahrsartikeln die Lage schwarz in schwarz gemalt und für diese Jahr mit Sicherheit einen militärischen Konflikt vorausgesagt. Entweder mitderTschechoslowakeiodermitPolenodermitbeiden. MitPolenstehenwirimAugenblickbesseralsseitlangem.Derpolni sche AM Beck, mit dem Hitler es offenbargut‘kann’,waraufdem Berghof,sprachsich‘freundschaftlich’mitHitlerausundfuhrdann zuRibbentropnachMünchen.SoweitesdieCommuniquéserkennen lassen,gingesumdie‘Bereinigung’derDanzigundKorridorfrage. Das Schwierige für uns Regimegegner ist, daß auch in dieser Frage, ähnlichwiebeiDeutschÖsterreich,etwaswenigerähnlichwiebeiden 5

Sudeten, die Vernunft für Hitlers Forderungen spricht. Die Abtren nungDanzigsvomReich,dermitdemLinealgezogene‘Korridor’ist undbleibteinUnding.WereinmalmitdemWagendurchdiesenKor ridor gefahren ist, wer diesen Versailler Widersinn erlebt hat, kann verstehen,daßeinwiedererstarktesDeutschlanddaeineBereinigung wünscht. Hitlers Forderung: Danzig deutsch, exterritoriale Verbin dungalsoohneVisaundZolldurchdenKorridornachOstpreußen erscheintnichtunberechtigt,unddiePolenunterdesklugenBecks Fürhungsindoffenbarüberzeugt,daßsicheinKonfliktmitDeutsch landumdessentwillennichtlohnt. HeutekommenChamberlainundLordHalifaxnachRom,umschwe bendeFragenmitMussoliniundCianozubesprechen.Esscheintim wesentlicheneinHöflichkeitsbesuchzusein.“ WilliamShirer,Rom,Tgb.v.11.01.: „Esheißt,ChamberlainwarsehrangerührtvonderWärmedesEmp fanges,denmanihmaufdenBahnhöfenentlangderStreckebisRom bereitethat.Sollteertatsächlichnichtwissen,wiesoetwasinszeniert wird?“ Do12.01.:FRKHitlerhältinderNeuenRKNeujahrsempfangum11 UhrmitdenWeMSpitzenundChDPHimmlerundum12Uhr(Mo saiksaal)mitdemDiplomatischenKorps. DeutschlandprotestiertbeidenNiederlandenwegen„deutschfeindli cher“AnschlägeinAmsterdamundimHaag. Laut‘PariserTageszeitung’lebeninderCSRderzeit3000jüdischeund 2000 politische Emigranten aus Deutschland und Österreich. Berlin verlangeihreAuslieferung:„5000MenscheninderFalle!Entschließen sichdiedemokratischenLändernichtindenallernächstenTagen,sie wenigstensvorläufigaufzunehmen,sowirddieFallezuschnappen.“ Fr13.01.:Ungarnerklärtsichbereit,demAntikominternpaktbeizutre ten. StvFHeßleiteteinBerlindieTagungderNSDAPFührerschaft. WalterFrankpräsentiertimReichsrundfunkden2.TeilderSendung „DeutscheWissenschaftimKampfgegendasWeltjudentum“. 6

Sa14.01.:FRKHitlerhältinderNeuenRKeineRedevordenRL,GL undderenStellvertretern. Karl Schué, Lebensmittelhändler, Frankfurt/M., Beschwerde an den OrtsgruppenleiterFrankfurtDornbuschv.14.01.: DiePgn.SagelhatmichwegendesVerkaufsvonButteraneinenJu den, den einzigen, „der noch bei mir seine Butteranmeldung laufen hat“, zur Rede gestellt und mir mitgeteilt, daß ich deswegen beider Ortsgruppe angezeigt worden bin...(Hinweis auf Schués wirtschaftli cheSchwierigkeiten)...„VielleichtklärenSieauchdiePgn.Sagelauf, daßichkeinUniformträgerbin,dasiemirerklärte,daßichmeineUni formausziehensoll.Esistwirklichtraurig,daßheutenochinGroß DeutschlandderartigeZwischenfälleauftreten,anstatteinemkämpfe rischen Geschäftsmann auf die Beine zu helfen und seiner Familie ernsteAufregungenzuersparen.“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.14.01.: „Dr.Goebbelssoll‘krank’sein.Manmunkelt,seineEhekriseseiauf demHöhepunkt,erwollesichvonMagdascheidenlassenundLida Baarovaheiraten.Anderebehaupten,erwerdealsMinisterzurücktre tenundirgendwoBotsch.werden,damitsi...[?]...dieEheaffäreverges senwerde.WermitdemFilmzutunhat,wirddasAusscheidendes ‘Doktors’ bedauern. Unter den gegebenen politischen Verhältnissen istersichernichtderschlechteste.Werliebtschonsoleidenschaftlich, fast pathologisch, den Film und erkennt seine ungeheure Macht als Massenmedium?Eswäreungerechtzubehaupten,daßGoebbelsdiese Macht mißbraucht [?]. Etwa 90 Prozent aller Filme, die bei uns ge machtwerden,habenmitPolitikoderNSWeltanschauungnichtszu tun.“ Mo16.01.:FRKHitlerempfängtamNachmittagdenungarischenAM StefanGrafCsákyvonKörösszeghundAdorjan.Hitlererwähntdie Möglichkeit,diejüdischeAuswanderungmittelseinesinternationalen Finanzplansvoranzutreiben. Di17.01.: 8.VO/RBürgerG: Allgemeines Berufsverbot für jüdische Zahnärzte, Zahntechniker, Tierärzte, Apotheker, Heilpraktiker und Krankenpfleger. 7

Auf Druck des RMVP beschließt der UfaVorstand, amerikanische FilmenichtmehrindeutschenErstaufführungenherauszubringen.

Mi18.01.:FRKHitlerempfängtinderMosaikhallederNeuenRKdie LeutnantedesOffiziersjahrgangs1938.

Do19.01.: FRK Hitler entläßt Rbk-Präs. Hjalmar Schacht und löst ihn durch RWiM Funk ab. Die Rbk untersteht damit direkt dem Befehl FRK Hitlers. Schacht soll als RMBesAufg weiter der RRg angehören, die übrigen Autoren der Denkschrift v. 07.01. (VPr Dreyse, Dir Hülle) werden als Direktoren der Rbk entlas- sen. Der Leiter SD-Judenabt. II 112 Herbert Hagen legt dem Leiter von II 1 Franz Alfred Six eine Denkschrift über „Das internatio- nale Judentum“ vor, die dieser für einen Vortrag bei der Tagung der SS-Führung in Oldenburg angefordert hat. FRK Hitler benennt per Erlaß das SASportabzeichen in SA Wehrabzeichenum. WilliamShirer,Genf,Tgb.v.19.01.: „DerVölkerbundinseinenletztenAtemzügenbotwährendderver gangenen4TageeintraurigesBild.BonnetundHalifaxsindpersön lich hergekommen, um sich zu überzeugen, daß ja nichts geschieht, was Francos Sieg hinauszögern könnte. Gestern hielt [Spaniens AM Alvarez]delVayoeinebewegendeRedevordemRat.Mittendriner hobsichHaliofaxundverließostentativdenRaum.Sokonntejeder sehen, auf welcher Seite er steht. Hatte heute abend ein langes ge sprächmitdelVayo.Erwarniedergeschlagen,entmutigt;obgleicher esnichtaussprach,nehmeichan,dieRepublikistamEnde.Franco stehtvordenTorenvonBarcelona,unterstütztvonseinenDeutschen undItalienern.“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.19.01.: „InSpaniengehteslangsamzuEnde.DaßFrancosiegtunddie‘Ro ten’verlieren,stehtjaseitlängeremfest.DaßFrancoohnediemilitäri scheHilfeHitlersundMussolinisnichtgesiegthätte,stehtwohlauch fest. Eines Tages werden dieDiktatorenihrenLohnkassieren.Viel leichtGibraltar?Oder‘nur’einMilitärbündnis? 8

Schachtscheintnunendgültigausgebootetzusein.RWiMFunk,of fenbarseitlangemseinRivale,istzumPräs.desRbkDirektoriumser nannt.“ Fr20.01.:DieUSAundDeutschlandeinigensichüberdieBegleichung derösterreichischenAuslandsschuldenbeidenUSA. Sa21.01.: FRK Hitler empfängt in Berlin den tschechoslowaki- schen AM Frantisek Chvalkovsky: Die CSR müsse die deutsche Militäroberhoheit anerkennen, fordert Hitler. „Die Juden wür- den bei uns vernichtet“, der 09.11.18 gerächt, die Juden sollten an einen fernen Ort verfrachtet werden, sagt Hitler zu Chval- kovsky: Wenn die angelsächsischen Länder beim Abtransport und der Versorgung der Juden nicht kooperierten, hätten sie de- ren Tod auf dem Gewissen. HitlerernenntStSRWiMBrinkmannzumVPrdesRbkDirektoriums. Mo23.01.: RJF Schirach spricht auf der 1. Reichsveranstaltung des BdMWerks„GlaubeundSchönheit“. Hoffmann&CampeedierendieBiographieJoaquínArraras:Franco.

Di24.01.: BVJP Göring teilt RIM Frick mit, daß er LSipo+SD beauftragt hat, „die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen“. Das RIM errichtet die Reichszentrale für jüdische Auswanderung, für die allein Heydrich die operative Verantwortung trägt. Heyd- rich ernennt LGestapo SS-StdF Heinrich Müller zum Leiter der Reichszentrale. Ferner bezeichnet Heydrich in diesen Tagen in einer Rede in Oldenburg vor der SS-Führung die Juden als „un- termenschlich“ und sagt, daß die Austreibung eine Methode sei, die das Judenproblem nicht löse. RAM Ribbentrop tritt einen Polen-Besuch an (bis 27.01.), der zu keiner Einigung in den Streitfragen führt. DeutschlandundItalienschließeneinAbkommen,wonachindiesem Jahr 37000 italienische Landarbeiter zur „Erzeugungsschlacht“ nach Deutschlandgeschicktwerden. 9

Das RVkM benennt den Mittellandkanal in EmsWeserElbeKanal um. Mi25.01.: GL Streicher greift im Berliner Sportpalast „politisie- rende Geistliche und versteckte Judenfreunde“ an. Der italieni- sche StM Farinacci kritisiert am selben Ort die Haltung der ka- tholischen Kirche zur Judenfrage, meint offenbar die Pläne Pius XI. für eine Enzyklika gegen den NS-Rassismus und - Antisemitismus. RAM Ribbentrop beginnt seinen Besuch in Warschau. Deutsch- land fordert Polens Beitritt zum Antikominternpakt und stellt eine polnisch-deutsche Expansion in der Ukraine und eine Ver- längerung des deutsch-polnischen Abkommens auf 25 Jahre in Aussicht. Das AA gibt den Runderlaß „Die Judenfrage als Faktor der Au- ßenpolitik“ heraus. Er erklärt den Missionen die Austreibungs- politik des Reichs gegenüber den Juden. Auf keinen Fall dürfe jedoch die Errichtung eines Judenstaats in Palästina gefördert werden. Das deutsche Ziel sei die weitere Zersplitterung des „Weltjudentums“ auf die „Länder der Zerstreuung“ und die Verschärfung des Antisemitismus in den Ländern, in die die verarmten Juden strömten. Die USA seien die Zentrale jüdischer internationaler Aktivitäten und der bekanntermaßen von Juden umgebene Präs. Roosevelt versuche, internationalen Druck auf Deutschland allgemein politisch und zur Wiedergewinnung jü- dischen Vermögens durch die Auswanderer auszuüben.

Fr27.01.:FRKHitlergratuliertFrancozurEroberungBarcelonas. RBauernFDarréeröffnetinBerlindieGrüneWoche. DerPräs.derIHKEssen,WilhelmTengelmann,betontinderPresse, dieFörderungderAusfuhrseidasdringendsteGebotderStunde. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.27.01.: „PolitischhabenwirjetzteineBesuchswelle.Dasistimmergut.So langemansichbesucht,wirdnichtgeschossen.GrafCsaky,derunga rische AM, war einige Tage in Berlin. Man betont ostentativ die deutschungarischeFreundschaft.Aberauchdertschechoslowakische AM, Dr. Chvalkovsky, machte dieser Tage Hitler seine Aufwartung. 10

UnserLiebesgetändelmitPolengehterfreulicherweiseweiter.Herrv. RibbentroperwidertedenBesuchBecksinWarschauundbliebgleich dreiTage. WenigangenehmwirdHitlerdieRededesfranzösischenAMBonnet indenOhrenklingen,diediesergesterninderKammergehaltenhat. Bonnet erklärte, nachdem er die engen Bande zwischen Frankreich undEnglandgepriesen: ‘Unsere beiden Demokratien haben den gleichen Friedenswillen. Sie fordernvonniemandemetwas,abersiebeabsichtigen,ihrErbteilun versehrtzubewahren...ImVerlaufunsererBesprechungenin undinhabenwiralleAspektederfranzösischenglischenSolida rität auf moralischem, geistigem und wirtschaftlichem Gebiet einge hendinBetrachtgezogen.WirhabensiesogarfürdeneinenFallin Betracht ziehen müssen, den wir von ganzem Herzen zu vermeiden wünschen: den Fall eines Krieges, in den unsere beiden Länder hi neingezogenwerdenkönnten.AlleStreitkräfteGroßbritannienswür denunsindiesemFallezurVerfügungstehen,ebensowiealleStreit kräfteFrankreichszurVerfügungGroßbritanneinsstehenwürden.Es ist deshlab nur natürlich, daß Frankreich wünscht, daß die britische NationihreMilitärmachtbiszuMaximalgrenzeerhöht,ebensowiees der Wunsch Großbritanniens ist, Frankreichs Militärmacht bis zur Maximalgenzeerhöhtzusehen.’ DasklingtnichterbaulichundwirdHitlereinenwillkommenenAnlaß geben,auchseineMilitärmacht‘biszuMaximalgrenze’zuerhöhen wasernatürlichohnehintut.“ Sa28.01.:CSRAMFrantisekChvalkovskyführtinPragVerhandlun genmitdemFührerderdeutschenVolksgruppeinderCSR. RWiMFunkverbietetJuden,aufMärktenzuverkaufen. BerlinerPresseball.

So29.01.: ErichEbermayer,Berlin,Tagebuchv.29.01.: „Gestern Presseball!... Das Erlebnis des Abends aber bleibt: Dr. Jo sephGoebbelsmitFrauMagda.ErerschiengegenMitternacht,saßin derLogeunsgegenüberundbliebetwaeineStunde.Alleserstarrteso zusagen, als das Ehepaar, gefolgt von dem Adjutanten Prinz zu 11

SchaumburgLippe,denSaalbetrat.Diedreinahmeninderreservier tenLogePlatz.Dr.GoebbelsundMagdavornanderBrüstung.Der Prinzzwischenihnen.Goebbels’GesichtstarrwieeineMaske,Mag dasGesichtstarrwieeineMaske.JederindenSälenwußteja,wasda loswarundsiewußten,daßdieandereneswußten.Fürmichversank allesinGleichgültigkeit,ichbeobachtetenurnochdastragischumwit tertePaar. Maria [Andergast] tanzte mit Brückner, dem Adjutanten Hitlers. Als sie zurückkam, verriet sie, was Brückner ihr ‘getratscht’ hatte:Hitler hatvonGoebbelsverlangt,daßerdenPresseballmitseinerFraube sucht, um alle Gerüchte zum Schweigen zu bringen, was natürlich dummundprimitivistundgarnichtshilft,imGegenteil.Magdawoll teoderkonntesichnichtweigern,machteaberzurBedingung,daßsie keinWortwährendihresAuftrittsmitdemEhebrecherredenwerde. Dieswurdeeiserneingehalten. Eswaramüsant,nachdemichvondemPaktKenntnishatte,diedrei inderLogezubeobachten.DerPrinzfungiertealsDolmetscher.Da man ja nicht ewig schweigen konnte, wandte er sich zuerst an Dr. Goebbels und ‘übersetzte’, was dieser vonsichgab,dannzuMagda hinüberundumgekehrt.DerjungegutaussehendePrinzmachtedas höchstcharmant,wasderSacheabernichtdiePeinlichkeitnahm.Die Pressefotografen und die Wochenschau umringten indes die Loge, und Magda zwang sich zu einem gefrorenen Lächeln, während sich derGattenichteinmaldazuaufraffte.Kurznach1brachendiedrei auf. Wieder erstarrte alles und trat zur Seite. Grüßend humpelte GoebbelseinigeSchrittehinterPrinzzuSchaumburgLippeundFrau MagdadurchdasMenschenspaliereinSpießrutenlaufenbesonderer Art. MariaAndergast,diegerademitSeppDietrich,ichglaube,derbruta leBurscheistjetztGenderWaffenSS,tanzte,erzähltenachher,sie habeSepp‘gefrozzelt’,warumerdenndenMinister,derdichtbeiihm vorbeikam,nichtgrüßte,woraufervollVerachtunggutbayerischer klärte: ‘Zwengdemnolangnet!’ Oherrlicheiniges,nachaußenfestgeschlossenesFührerkorps!“

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Mo30.01.: Morgens. Die WeM bringt FRK Hitler zum 6. Jah- restag der Machtergreifung in der RK ein Ständchen. 11 Uhr. Hitler empfängt in der RK die Träger des Deutschen Nationalpreises 1938: Heinkel, Messerschmitt, Porsche und Todt. Ferner ernennt Hitler RTVPräs. Hermann Esser zum StSRMVP. 20.15 Uhr. Vor dem Großdeutschen RT „prophezeit“ FRK Hitler in einer 2½- stündigen Rede die „Vernichtung der jüdischen Rasse“ für den Fall eines künftigen „Weltkriegs“: „Ich glaube, daßdiesesProblem[derJuden]jeeherumsobessergelöstwird.Denn EuropakannnichtmehrzurRuhekommen,bevornichtdiejüdische Frageausgeräumtist...DieWelthatSiedlungsraumgenügend,esmuß aberendgültigmitderMeinunggebrochenwerden,alsseidasjüdische Volk vom lieben Gott eben dazubestimmt,ineinemgewissenPro zentsatzNutznießeramKörperundanderproduktivenArbeitande rerVölkerzusein...Undeinesmöchteichandiesemvielleichtnicht nurfürunsDeutschedenkwürdigenTagenunaussprechen:Ichbinin meinemLebensehroftProphetgewesenundwurdemeistensausge lacht.InderZeitmeinesKampfesumdieMachtwaresinersterLinie dasjüdischeVolk,dasnurmitGelächtermeineProphezeiungenhin nahm,ichwürdeeinmalinDeutschlanddieFührungdesStaatesüber nehmenunddannuntervielenanderenauchdasjüdischeProblemzur Lösungbringen.Ichglaube,daßdiesesdamaligeschallendeGelächter demJudentuminDeutschlandunterdeswohlschoninderKehleer sticktist. Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem in- ternationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelin- gen sollte, die Völker der Welt noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa .“ Zugleich droht Hitler die Produktion antisemitischer Filme an, als Vergeltung gegen das angebliche Vorhaben amerikanischer Gesell schaften, antideutsche Filme zu drehen. Das RMVP bereitet bereits „DieRothschilds“,„JudSüß“und„DerewigeJude“vor.Weitersagt Hitler: „Es gibt Menschen, denen selbst die größten und erschüt terndstenEreignissekeinerleiinnereNachdenklichkeitodergarBewe gungabzuzwingenvermögen.Diesesinddafürauchpersönlichinner 13

lich tot und damit für eine Gemeinschaft wertlos... In ihrer Be schränktheitoderinihrerblasiertenDekadenzsindsieeineunbrauch bareAusschußwarederNatur... DerdanneintretendeZustandistnuraufzweiWegenzuüberwinden: 1. Durch eine zusätzliche Einfuhr von Lebensmitteln, d.h. einestei gende Ausfuhr deutscher Erzeugnisse, wobei zu berücksichtigen bleibt,daßfürdieseErzeugnissezumTeilselbstRohstoffeausdem Auslandeinzuführensind,sodaßnureinTeilderHandelsergebnisse fürdenLebensmitteleinkaufübrigbleibt,oder 2.dieAusweitungdesLebensraumesunseresVolkes,umdamitimin neren Kreislauf unserer Wirtschaft das Problem der Ernährung Deutschlandssicherzustellen. Dadie2.Lösungaugenblicklich[!]infolgederanhaltendenVerblen dung der einstigen Siegermächte noch [!] nicht gegeben ist, sind wir gezwungen,unsmitder1.zubefassen,d.h.wirmüssenexportieren, um Lebensmittel kaufen zu können...Eine endgültige Lösung dieses Problems, und zwar im vernünftigen Sinn, wird allerdings erst dann eintreten, wenn über die Habgier einzelner Völker die allgemeine menschliche Vernunft siegt, d.h. wenn man einsehen gelernt haben wird,daßdasBeharrenaufeinemUnrecht[!]nichtnurpolitisch,son dernauchwirtschaftlichnutzlos,jawahnsinnig[!]ist... Wenn wir uns nun gegen solche Kriegsapostel wie Herrn [Alfred] Duff Cooper, Mr [Anthony] Eden, [Winston] Churchill oder Mr [193346 USIM Harold] Ickes [18741952] usw. zur Wehr setzen, dann wird dies als Eingriff in die heiligen Rechte der Demokratien hingestellt...Ichhalteesdaherfürnotwendig,daßvonjetztabinun sererPropagandaundinunsererPressedieAngriffestetsbeantwortet undvorallemdemdeutschenVolkzurKenntnisgebrachtwerden.Es muß wissen, wer die Männer sind, die unter allen Umständen einen KriegvomZaunebrechenwollen...Dasns.Deutschlandunddasfa schistischeItaliensindstarkgenug,umgegenjedermanndenFrieden zu sichern oder einen von unverantwortlichen Kräften leichtfertig vomZaungebrochenenKonfliktentschlossenunderfolgreichzube enden!...Deutschlandistglücklich,heuteimWesten,SüdenundNor den[derOstenfehlt!]befriedeteGrenzenbesitzenzudürfen.“ Danach verlängert der RT einstimmigdasErmächtigungsGbiszum 10.05.43.FernerläßtHitlerdurchGesetzdieWahlperiodedesRTbis 14

zum30.01.43verlängern.UndHitlerlöstdenWienerGLOdiloGlo bocnikdurchdenbis01.05.39amtierendenRKomWievggÖstDtRJo sefBürckel[30.03.95Lingenfeld09.44Selbsterschießungb.Metz]ab. Di31.01.: Das Berliner Tageblatt erscheint zum letzten Mal. U„DasunsterblicheHerz“NürnbergRVeitHarlan Mi01.02.: RMVP Goebbels ernennt Fritz Hippler zum Leiter der DeutschenWochenschauzentralebeimRMVP. FRKHitlerbesuchtdas19.InternationaleReitundFahrturnierinder BerlinerDeutschlandhalle. FRKHitlerverfügtdieErrichtungderSchackGaleriederdeutschen Meisterdes19.JahrhundertsinMünchen. ImFebruarschreibtderDirektordesZentralbürosfürdieAnsiedlung deutscher Juden in Palästina an seinen Jerusalemer Kollegen Arthur RuppinüberdieLagederJudeninBerlin:„Esverdienennurnochdie Beamten der jüdischen Organisationen und einige Zimmervermieter und Mittagstische... Im Berliner Westen kann man überhaupt nur nochimWartesaaldesBahnhofZooKaffeetrinkenundinchinesi schen oder anderen fremdländischen Restaurants essen. Da Juden ständigWohnungeninHäusern‘mitgemischterBevölkerung’gekün digtwerden,soziehensieimmermehrzusammenundbrütenüberihr Schicksal.Vielehabensichvom10.Novembernochnichterholtund sindnochheuteaufderFluchtinDeutschlandoderverbergensichin Wohnungen.DieReisegesellschaften,insbesondereinParis,knüpfen VerbindungenmitkorrumpierbarenKonsulatendiesgiltbesonders für mittel und südamerikanische Republiken an und besorgen für hohe Preise undriesigeKommissionenVisainausländischeLänder. SchonhäufigwaresderFall,daßKonsulnaufeinmalmehrerehun dert Visen ausgegeben und die Gebühr eingesteckt haben und dann vonihrenRg.enabgesetztwordensind.DieJudenhabendannnoch langekeineEinreisemöglichkeitindieseLänder.IndenReisebüroser scheinendieJudenmorgensfrüh,steheninlangenReihenanundfra gen,wasfürVisamanheutebekommenkann.“ 15

Do02.02.:ZwischenHelmutWohlthat(DeutscheBVJPBehörde)[der den abgesetzten RbkPräs. Schacht als Verhandlungsführer ersetzte] und Direktor George Rublee (ÉvianKomitee) wird eineGrundsatz übereinkunftgeschlossen:200000JudenimAltervonüber45dürfen inDeutschlandbleiben,125000jüngereJuden,vorallemMännersol leneinschließlichihrerAngehörigeninnerhalbvon3bis5Jahrenin nochfestzulegendeLänderundGebieteauswandern.DieAuswande rungsolldurcheineAnleihefinanziertwerden,diebeidenJudeninal lerWeltaufgenommenunddurchdasverbliebeneVermögenderJu deninDeutschland(5MrdRM)abgesichertwerdensoll.DerExport bestimmter deutscher Waren gegen Devisen soll garantiert werden. Als Immigrationsländer sind Angola, Äthiopien, Haiti, Britisch /Französisch/NiederländischGuayana, Madagaskar usw. im Ge spräch. Sa04.02.: FRK Hitler entbindet die RbkDirektoren Wilhelm Vocke, CarlEhrhardtundKarlBlessingihrerÄmter.ZuNachfolgernernennt er:FriedrichWilhelm,MRRWiMKurtLangeundMRRFMWalter BayrhofferunterBelassungihrerbisherigenÄmter. Der Wiener GL Josef Bürckel geht bei seiner ersten Kundgebung scharf mitKorruption,DenunziantentumundGerüchtemachereiins Gericht.Manmüssedie„SauberkeitderRevolution“unbefleckterhal ten. Mo06.02.:DielöstdenkatholischenJungmännerverbandauf. In Düsseldorf besetzen allein 140 GestapoBeamte das Jugendhaus. DieAngestelltenwerdenfristlosentlassen. SOPADEBerichtüberdieLageanderdeutschfranzösischenGrenze v.06.02.: Es kommt zu Gejohle und Beleidigungen, die von der Jugend und „einigen hysterischen Frauen“ ausgehen. „Aber die meisten älteren Leute,diezufälligdazukamen,konntensichnichtenthalten,ihreAb neigungoderEntrüstunggegenüberdiesemSchauspielzumAusdruck zubringen.EsgabanallenStellenAuseinandersetzungenmitsolchen, diedasVorgehengegendieJudenverteidigenwollten.DieLeutesag ten: ‘Sie [die Juden] sind nicht schlechter als andere Geschäftsleute, unddiejenigen,dieihreGeschäfteübernommenhaben,sindvielteu 16

rerundhabenschlechtereWaren.’DieErregungwaroffensichtlichso stark, daß gegen die Opponenten nichts unternommen wurde. Ein großer Teil der damals [nach Frankreich] Abtransportierten ist jetzt wiederda,undmankannüberallsehen,wiesievonderBevölkerung freundlich gegrüßt werden. Man fragt sie teilnahmsvoll, ob sie denn keineMöglichkeithaben,insAuslandzugehen.Manchesagen,daßsie sichnochbemühen,mancheverweisenaufdiegroßenSchwierigkei ten.Eskommtallerdingsauchjetztnochvor,daßdieKindersieanre den:‘Jud,gibmirGeld.’ManchegebenundmachendenEindruck,als seiensiekindischgeworden.“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.06.02.: „ImenglischenUnterhausfragtederLabourAbg.Hendersongestern denPM,obdiekürzlichabgegebeneErklärungdesfranzösischenAM überdieStreitkräfteGroßbritanniensundFrankreichsimFalleeines KriegesmitdenAnsichtenderRg.Sr.MajestätinEinklangstehe.Der PMerklärtedarauf:‘DasstehtimvölligenEinklangmitdenAnsichten derRg.Sr.Majestät.Esistunmöglich,allesichvielleichtergebenden hypothetischenFälleimeinzelnenzuprüfen,aberichfühlemichver pflichtet klarzustellen, daß die Solidarität der Interessen, die Frank reich mit unserem Land verbindet, von der Art ist, daß jede woher auch immer kommende Bedrohung der lebenswichtigen Interessen Franreichs den sofortigen Beistand dieses Landes (Englands) nach sichziehenwürde.“ Fr10.02.: Papst Pius XI. stirbt am frühen Morgen 81jährig im Va- tikan. FRK Hitler kondoliert und läßt auf den Dienstgebäuden des Reichs in Berlin halbmast flaggen. Der General des Jesui- tenordens in Rom, der polnische Antikommunist Wladimir Le- dóchowski, hatte durch die Weitergabe des Humani generis uni- tas -Entwurfs an den Herausgeber der antisemitischen Jesuiten- zeitschrift Civiltà cattolica die Weiterleitung des Enzyklikatexts an Pius XI. bis wenige Tage vor dessen Tod verzögert. Unter dem NS-freundlichen Papst Pius XII. wird das Vorhaben einer Enzyklika gegen NS-Rassismus und NS-Antisemitismus nicht weiterverfolgt. 17

Der Direktor des Internationalen Komitees der ÉvianKonferenz, GeorgeRublee,führtinBerlinmitBVJPVertreterHelmutWohlthat VerhandlungenwegenderAuswanderungdeutscherJuden. Die Evangelische Kirche von Thüringen verbietet getauften Ju- den den Zutritt zu den Gotteshäusern. DiedeutscheKfzIndustrieverzeichneteinenTrendzumKleinwagen mitniedrigenBetriebskosten. Sa11.02.:FRKHitlersprichtinderKrollopervordenGruppenkom mandeurendesHeeresüber„AufgabenundPflichtendesOffiziersim NSStaat“.Anschließendempfängterdiekommanduereinderneuen RK. So12.02.: FRK Hitler nimmt im Ehrenhof der neuen RK an einem Gemeinschaftseintopf von 1400 Pg.s, NSV und WHWMitgliedern teil. Acht Feldküchen schenken Erbsen mit Spreck aus. Ein Spiel mannszug der Leibstandarte SS Adolf Hitler spielt auf. Hitler, SA OGFBrückner,RLBormannundStSHankewerdenmit„Siegheil!“ Rufen begrüßt. Auch die Prominenz spendet in die Büchsen der WHWSammler. FRKHitlerempfängtinderRKdenslowakischenPolitikerAdalbert Tuka und sagt diesem,daßerslowakischemUnabhängigkeitsstreben gewogensei. Mo13.02.:DasObersteParteigerichtderNSDAPentscheidetintern, daßuntergeordneteNationalsozialistenfüram09.und10.11.verübte Morde an Juden nicht zur Verantwortung gezogen werden können. DerBerichtdesGerichtssagtu.a.:Am10.11.um2Uhrnachtswurde RLGoebbelsvondererstenErmordung,dereinespolnischenJuden, verständigt. Dem RL wurde gesagt, es müsse etwas unternommen werden, um eine Entwicklung zu stoppen, die gefährlich werden könnte. Der RL hat sinngemäß geantwortet, „der Melder solle sich wegeneinestotenJudennichtaufregen.IndiesemZeitpunkthätten sich die meisten Tötungen durch eine ergänzende Anordnung noch verhindernlassen.Wenndiesnichtgeschah,somußausdieserTatsa chewieausderÄußerungansichschonderSchlußgezogenwerden, daßderschließlicheErfolggewollt,mindestensaberalsmöglichund 18

erwünschtinRechnunggestelltwurde.DannhataberdereinzelneTä ternichtnurdenvermeintlichen,sonderndenzwarunklarzumAus druck gebrachten, aber richtig erkannten Willen der Führung in die Tatumgesetzt.Dafürkannernichtbestraftwerden.“ Die niederländische Rg. errichtet für jüdische Flüchtlinge aus DeutschlandeinLagerinWesterbork. FRKHitlerlegtamGrabBismarcksinFriedrichsruheinenKranznie derundkommtabendsimHamburgerHotelAtlantican. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.13.02.: PapstPiusXI.isttot... Es rumort im Hintergrund des staatlichen Filmbetriebs.Dersympa thischeundtüchtigeChefderTobis,FranzVogel,mitdemichbeson dersgutstand,istzurückgetreten,vermutlichweilernichtlinientreu genug war, und durch den bisherigen RFDram Ewald v. Deman dowskyersetzt.ErsollalterKämpfer,abernichtunsympathischund nichtpenetrantsein.Corell,derlangjährigeChefderUfa,mitdemich nie Kontakt hatte, ist mit Krach gestürzt. Ich bin überzeugt, daß GoebbelsnuraufeinenakutenAnlaßgewartethat,umdiesenbulligen ‘Reaktionär’loszuwerden. Statt Corell hat nun Greven die Führung der Ufaübernommen,ein kluger, liebenswürdiger und kultivierter Mann, dem niemand ausge sprochene NSGesinnung nachsagen kann. Auch bei der Terra, der drittengroßenstaatlichenFilmproduktion,isteinepersonelleVerän derungimGange.WährendsolcherUmgruppierungensindnatürlich ersteinmalalleProjekteaufEisgelegt.“ Di14.02.: In Prag erklärt der SprecherderdeutschenParlamentarier, ErnstKundt,dieRechtsstellungderdeutschenVolksgruppehabesich seitletztemOktoberkeineswegsgebessert. Der Direktor des Internationalen ÉvianKomitees, George Rublee, erklärt in London nach der Rückkehr aus Berlin seinen Rücktritt. Nachfolger wird Sir Herbert Emerson, der auch Völkerbund KommissarfürFlüchtlingeausDeutschlandist. ChSipo Heydrich äußert sich in der 1. Arbeitssitzung der neuen Reichszentrale für jüdische Auswanderung zu den jüdischen Flücht lingen:„Er[Heydrich]führteaus,daßansichzwargrundsätzlichge gen jede illegale Asuwanderung Stellung genommen werden müßte. 19

BeiPalästinalägendieDingejedochso,daßdorthinbereitsz.Zt.aus vielen anderen europäischen Ländern [Jugoslawien, Donau, rumäni scherHafenConstanta],dieselbstnurDurchgangsländerwären,ille gale Transporte gingen und unter diesen Umständen auch von Deutschland, allerdings ohne jede amtliche Beteiligung, diese Gele genheit wahrgenommen werden könnte. Herr VortLR Hinrichs und Ges.EisenlohrvomAAhattenhiergegenkeineBedenkenundvertra ten den Standpunkt, daß jede Möglichkeit, durch die ein Jude aus Deutschlandgebrachtwerdenkönnte,ausgenutztwerdensollte.“ RMWEVRustverkündetdieEntscheidung[Hitlers],daßNamenjüdi scherGefallenenaufaltenGedenktafelnnichtgetilgtwerden,aufneu enGedenktafelnaberkeineNamenvonJudenmehrerscheinendür fen. 12.15 Uhr. Stapellauf des 35000tSchlachtschiffs „Bismarck“ in der Hamburger Werft Blohm & Voss in Anwesenheit von FRK Hitler, dereineRedehält,inderervorallemBismarckwürdigt:„AufSchritt undTritterhebensichdieNullenvordemeinzigenGeniusderZeit. Es ist ein Riesenkampf, den vielleicht nur derjenige ermessen kann, derselbsteinersolchenWeltvonWiderständenentgegenzutretenge zwungen war... Er hat durch seine innere Entwicklung vom preußi schenPolitikerzumdeutschenReichsschmiednichtnurdasReichge schaffen, sondern die Voraussetzungen gegeben für die Errichtung des heutigen Großdeutschlands. Er hat aber damit trotz allen Hem mungenauchdenGrundsteingelegtfürdenns.Einheitsstaat,denner schufdenAnfangdersichdannzwangsläufigfortsetzendenÜberwin dung der psychologischen Stammes und Ländervorurteile und interessen.“OBKmGenAdmRaedersagt:„..wirgelobenheuteIhnen, mein Führer, daß die Besatzung dieses Schiffes, daß die ganze Kriegsmarine dieser hohen Verpflichtung und Verantwortung sich stetsbewußtseinwirdbiszumletztenAtemzug.“ Mi15.02.: NSDAP, WeM, RAD und SD untersagen es ihren Funktionsträgern, Vierteljuden (Mischlinge 2. Grades) zu heira- ten. BeimJahresessenderDeutschEnglischenGesellschaftsprechensich dessen Präs. Carl Eduard Herzog von CoburgGotha,undderbriti 20

sche Botsch. Sir Nevil Henderson dafür aus, daß Deutschland und GroßbritanniendurchihreZusammenarbeitdenFriedenerhalten. UmgarnsMPBelaImredy[29.12.9128.02.46Hinr.]wirdzumRück tritt gezwungen, weil ihm eine jüdische Urgroßmutter nachgewiesen wird.ImredyhattealsFreunddesNSinUngarneinJudengesetznach NürnbergerVorbilddurchgesetzt. AnordnungvonRMVPGoebbels:DieVerleihungvonKunstpreisen bedarfseinerZustimmung. Do16.02.:DieKdFUrlaubsfahrtennehmendieRivieraunddenGar daseeinihrProgrammauf.

Fr17.02.:DieÄnderungdesEStGschaffteinigeVergünstigungenab: Pauschbeträge für Sonderausgaben und Werbungskosten, Absetzung der Kosten für Hausgehilfen. Die Est für Unverheiratete wird auf 12,5%erhöht. FRKHitlereröffnetinBerlindieInternationaleAutomobilundMo torradausstellung. Angesichts der angestrebten Benzinersparnis und von7000Totenund3040000VerletztenjährlichimStraßenverkehr sagt Hitler: Die Reichsautobahnen sind nicht, wie viele zu denken glauben,für120oder140KilometerSpitzenschnelligkeitgebaut,son dernfürsagenwir80KilometerDurchschnitt...Grundsätzlichaber istesüberhauptunnationalsozialistisch,seinenanderenVolksgenossen gegenüber rücksichtslos zusein...Davonabgesehenistesauchvom StandpunktunserernationalenRohstoffwirtschaftsinnlos,miteinem Tempozufahren,daszumdoppelten,jadreiundvierfachenReifen konsumführtundselbstverständlichauchdenBrennstoffnurunge nügendausnützenläßt.“ FRK Hitler ordnet Baumaßnahmen in den Gauhauptstädten Augs burg,Bayreuth,Breslau,Dresden,Graz,HamburgundWürzburgan.

Sa18.02.: Nach Angaben Harlans schließt die Terra- Filmproduktion mit Ludwig Metzger den Vertrag über ein erstes Filmtreatment für „Jud Süß“. FRK Hitler nimmt an der Trauerfeier für den Kärntner GL Hubert Klausnerteil. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.18.02.: 21

„GesterngroßesDinerbeiRLBouhler.ZumerstenMalbinichoffi ziellzugezogen.BisherwarichimmernurzumTeeoderAbendessen imkleinstenFamilienkreisgeladen. Natürlichschwankteich,obichüberhauptzusagensollte.Darfman sichgesellschaftlichmitderherrschendenSchichtaneinenTischset zen,wennmandasRegimealssolches,denDiktatoransichunddie NSDiktatur im besonderen ablehnt und für ein deutsches Unglück hält?Ichglaube,mansollestrotzdemtun.DerSchriftstelleristnicht nur Träumer, Erdichter, Verdichter, in dieser Zeit, sondern immer auchderChronistderZeit.Undwiekannmanauchnurversuchen, dieChronikdieserTagezuschreiben,wennmannichtjedeGelegen heitnutzt,dieTrägerderaugenblicklichenMachtkennenzulernen,sie zubeobachtenund,soweitdiesmöglich,zuerkennen. Derart moralisch gerüstet warf ich mich in den Smokingundinein TaxiundfuhrindieOrtelsburgerAllee... Das auf Hitlers WunschundzuHeliBouhlersKummererneutver größerteundumgebauteHauserstrahlteinfestlichemGlanz.VielPo lizeiaufderAnfahrtstraße,aberkeinerleiKontrolle.Attentäterhätten esnichtschwergehabt.VielgalonierteDiener.Heli,dieschönsteFrau der RRg, wie man von ihr sagt, in diskreter Pariser Robe, Philipp Bouhler,nichtinParteiuniform,sondernimSmoking.DerAufmarsch derGäste:Botsch.[?RMoG]v.Neurath,derfrühereRAM;derpolni scheBotsch.Lipski;RMRust;RKiMKerrlmitFrauundzweihüb schenTöchtern;RLLeymitseinerjungenFrau(dieeinstamLeipziger SchauspielhausihreerstenSchritteaufderBühnetatundnochgenau soschönlangweiligleeristwievorsechsJahren);StSDr.OttoMeiß ner, der ‘Diener dreier Herren’ (EbertHindenburgHitler); RPrCh Dietrich.SoweitdieOffiziellen!VomTheater:KätheDorsch,Angela Salloker, Fita Benkhoff, Paul Hartmann und die Sportfliegerin Elly Beinhorn. MeineTischdame:BaroninMichel,dieGattinvonBouhlersAdjutan ten; auch mit dem Ehepaar Michel verbinden mich sozusagen ver wandtschaftliche Beziehungen, was zum Glück einigen, wenn auch magerenGesprächsstoffergibt:derOnkelvonBaronMichelinBam berg ist mein Patenonkel, Besitzer u.a. der ZubanZigaretten und RaulinoTabakfabriken, der mich als Jüngling mit Rauchwaren ver sorgte,bisichzubesserenMarkenüberging.Linksnebenmirhabeich 22

diereizende,stilleAngelaSalloker,mitderessichnatürlichgutüber TheaterundFilmplaudernläßt.DasDineristvonHorchergeliefert, beginntmitrussischemKaviarundfranzösischemrotenChampagner undendetmitderobligatenEisbombeundweißemChampagner...“ Mo20.02.: Die RRg beschließt gesetzliche Födermaßnahmen (Bau kostenzuschuß,Darlehen)fürdenBauvonHJHeimen. RMVPGoebbelsweistdiePressean,keineAngriffemehrgegenden verstorbenenPapstPiusXI.zurichten. Di21.02.:JudenmüssenSchmuckundEdelmetalleabliefern. RFSS+ChDPHeinrichHimmlerbesuchtWarschau. FrancoveranstaltetinBarcelonaeineTruppenparade. Großbritanniens HM Oliver Stanley würdigt den Abschluß derVer handlungen der britischen und deutschen Kohleindustrie als hoff nungsvollesZeichenfürVerständigungundFrieden. U„Belami“RWilliForst Mi22.02.: Auch die Evangelische Kirche von Sachsen verbietet getauften Juden den Zutritt zu den Gotteshäusern (s.10.02.). Die Evangelischen Kirchen von Anhalt, Mecklenburg und Lübeck werden folgen. BeieinerRedeinBlackburnsiehtderbritischePMChamberlaininder RTRedeHitlersv.30.01.„einederwichtigstenUrsachenfürdieEnt spannungundBelebungderbritischenWirtschaft“. FührerscheineundKfzScheinevonJudensindnachlautAnweisung desRVkMeinzuziehen.AusgenommensindAusländerundBehinder te. Do23.02.:DerRVkMordnetan,daßJudenSchlafundSpeisewagen derReichsbahnnichtmehrbenutzendürfen. Fr24.02.:UngarnunddieMandschureischließensichdemAntikomin ternpaktan. FRK Hitler hält am frühen Abend zum 19. Jahrestag der NSDAP GründungeineRedeimMünchnerHofbräuhausfestsaal.Danachgibt 23

er einen Empfang im Führerbau, für die GL und höheren NS Chargen. Sa25.02.: FRK Hitler verfügt, daß der 09.11. als „Gedenktagfürdie GefallenenderBewegung“künftigStaatsfeiertagistundderHelden gedenktag künftig als „Jahrestag der Wiedereinführung der allgemei nenWehrpflicht“am16.03.bzw.demSonntagdavorbegangenwer densoll. BeimBesuchdesitalienischenAMGrafCianoinWarschaukommtes zu deutschfeindlichen Demonstrationen vor der deutschen Botsch.: „NiedermitHitler!NiedermitderdeutschfreundlichenPolitik!Esle bedaspolnischeDanzig!“DiedeutschePresseberichtetdarüberwe gendesVorrangsdesTschecheiProblemsnicht. Mo27.02.: In Berlin beginnen die im Oktober 1938 vereinbarten deutschtschechoslowakischenVerhandlungeneinerRg.Kommission. Polen entschudligt sich bei der Rrg für die in den letzten Tagen in polnischen Städten abgelaufenen deutschfeindlichen Kundgebungen, u.a. Zusammenstößen an der TH Danzig zwischen deutschen und polnischenStudenten. GroßbritannienundFrankreicherkennendieimBürgerkriegsiegrei che nationalspanische Rg. unter Gen Franco an. Französischer Botsch.inSpanienwirdMarschallPhilippePétain. Di28.02.: Das RArbM meldet für das Altreich 197000, für die Ost mark121000undfürdenSudetengau138000Arbeitslose. DieschwebeSchulddesReichsstehtbei5,914MrdRM. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.28.02.: „Großbritannien hat die FrancoRg. anerkannt. Nun werden schnell dieanderenDemokratienfolgen.WasaberwirdFrankreichtun,das biszuletztauf‘Rot’gesetzthatte?... InRomtrittmorgendasKonklavezusammen,umdenneuenPapst zu wählen. Wann wird der weiße Rauch aufsteigen? Und wird der neue Herr der katholischen Christenheit, wer er auch sein mag, die KraftunddenWillenhaben,denDiktatoren,vorallemaberdemun seren,Einhaltzugebieten?“ 24

Mi01.03.:OBLGöringsprichtüberRundfunkzum„TagderLuftwaf fe1939“.ErwirbtumdieJugend,„derenElitederstolzestenWaffe angehörensoll“. InZaragozaparadiertdieLegionCondorvorihremBHGenFhr.von Richthofen. FRKHitlerempfängtinderneuenRKdasDiplomatischeKorpszu einemEssen. DieNSFrauenschafthatimAltreich2294677Mitglieder. RMVP Goebbels läßt sich vom Präs. RThK Zusatzinformationen über jüdische und „jüdisch versippte“ Bühnenkünstler geben, um möglichstwenigedavonindasDeutscheBühnenjahrbuch1939auf nehmenzumüssen. Die Gesamtzahl der Rundfunkteilnehmer im Großdeutschen Reich wirdmit11,9Mioangegeben. Do02.03.: Das Konklave im Vatikan wählt KardStS Eugenio Pacelli zum Papst Pius XII: Die RRgbegrüßtdieWahlwegenderbekannt deutschfreundlichenHaltungPacellis. Abend.FRKHitlergibtinderneuenRKeinenEmpfangfürdiefüh rendenPersönlichkeitenderWirtschaft. Fr03.03.:RLfMGöringtritteinenmehrwöchigenUrlaubinItalienan. Sa04.03.: Die CSRRg. verzichtet darauf, daß Deutsche und ihre Nachkommen,dieerstseit1910zugezogensind,dieCSRbis10.07.39 verlassenmüssen,wieesderVertragvom20.11.38vorsieht.Fürdie OptionserklärungenwirddieAbgabefristbis30.06.39verlängert. FRKHitlergibtamAbendinderneuenRKeinenEmpfangfürdie führendenPersönlichkeitendesdeutschenKunstlebens. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.04.03.: „KardStSPacelli,derfrühereNuntiusinBerlin,istzumPapstgewählt worden.ErwirddenNamenPiusXII.führen.IchhabevonPacelli währendseinerBerlinerNuntiusZeitvieldurchmeinenFreund,den damaligenPrKMDr.BeckergehörtundihnbeieinemEmpfangim Ministerium Unter den Linden auch einmal, natürlich nur flüchtig, kennengelernt. Seine unerhörte Klugheit, seine umfassende Bildung, seingroßerCharmewarenimBerlinder20erJahrebekannt.“ 25

So05.03.: Die deutschtschechoslowakische Kommission vereinbart dieRückgabedeutschenEigentums:sogehenmedzinischtechnische Einrichtungen und Kunstschätze des Landesmuseums Troppau wie derindeutscheHand,dieCSRerhältBaumaschinenundMaterialien ihrerFirmenzurück. Mo06.03.: Wegen der separatistischen Bestrebungen der karpato ukrainischenLrgVoloschinsetztPragdortdenGenLeoPrchalaals LIMein,wasVoloschinabernichtanerkennt.Eskommtangeblichzu UnruheninderkarpatoukrainischenHauptstadtChust. Di07.03.: Juden werden von der Ableistung von Wehr- oder Ar- beitsdienst ausgeschlossen. Ferner entscheidet StvF Heß, daß Deutsche nach den Rassegesetzen, die „jüdisches Blut“ haben, nicht mehr im Staatsdienst beschäftigt werden dürfen. FRKHitlerempfängtinderneuenRKdieOBunddieKommandie renGenundAdmmitGattinnenzumAbendessen. U „Ein hoffnungsloser Fall“ Stettin R Erich Engel M HansOtto Borgmann D Jenny Jugo Hannes Stelzer KarlLudwig Diehl Hans RichterEricOde Mi08.03.: Im Auftrag von FRK Hitler errreicht StSAA SS-GF Wilhelm Keppler bei Geheimgesprächen in Preßburg, daß die slowakischen Politiker Prager Verhandlungen boykottieren und die Separation einleiten. Eingeschleuste Saboteure des SD pro- vozieren durch Bombenattentate. Der letzte Evakuierungstrans- port mit deutschen Emigranten verläßt heute die CSR Richtung Polen, Schweden und Großbritannien. PM Chamberlain erklärt vor der Presse in London, die politische Lage gebe jetz weniger Anlaß zur Sorge. FRKHitlerempfängtinderneuenRKdieführendenPersönlichkei tenvonStaatundParteizueinerGala. Do09.03.: CSR-StP Emil Hacha verhängt den Ausnahmezustand über die Slowakei und setzt die rebellierende slowakische Rg. 26

mit MP Prälat Josef Tiso, Ferdinand Durcansky und FM Niko- laus Prucinsky ab. WilliamShirer,Rom,Tgb.v.09.03.: „WasvonderarmenTschechoslowakeiübrigist,wehteinSturmhin weg. Der schwache kleine StP Dr. Hacha Nachfolger des großen MasarykunddesbefähigtenBeneshatüberdieSlowakeidenAus nahmezustandverhängtundPaterTisosamtdemslowakischenKabi nettentlassen.AberTisoistMann,dasweißich.“ Fr10.03.: CSR-StP Hacha ernennt Minister Karl Sidor zum slo- wakischen MP. Die deutsche Presse eröffnet ihre Kampagne zur Anheizung der Tschechei-Krise mit Meldungen über Unruhen in der Karpato-Ukraine. DieVOüberdenArbeitsplatzwechselschränktdasKündigungsrecht ein. In Betrieben der Land und Forstwirtschaft, des Bergbaus mit AusnahmeSteinkohle,derchemischenIndustrie,derBaustoffherrstel lung und der Eisen und Metallbranche dürfen Betriebsführer eine Kündigungerstaussprechen,wenndasArbeitsamtzugestimmthat. DersowjetischeDiktatorJosefStalinwendetsichzurEröffnungdes 18. Kongresses der KPdSU (bis Mi22.03.) in einer Rede gegen die Westmächte. RAMRibbentropundRWiMFunkempfangeninBerlindennieder ländischenWiM. WilliMünzenberggreiftinseinerZeitschrift‘DieZukunft’dieKPD Leitung wegen ihrer „EinparteiDiktatur“ an. Er trenne sich nur schwervoneinerOrganisation,dieermitbegründetundinderer25 JahrenichtohneErfolgtätiggewesensei. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.10.03.: „InderTschechoslowakeischeinteswiederzukriseln.Oderblästdes ‘Führer’ Wind in das schwelende Feuer? März ist immer seine gute Zeit! Der tschechoslowakische StP hat die karpatoukrainische LRg abgesetzt.DieslowakischeRg.unterTisohateineNoteandieRrgge richtet,indersieHilfegegendieTschechenfordert.Dasklingtsehr nachBestellunglautüblichenRezepts.TschechischesMilitärhatheute in Preßburg eingegriffen. In der ganzen Slowakei Demonstrationen fürdieslowakischeUnabhängigkeit.“ 27

Sa11.03.: StSAA Wilhelm Keppler [1882-1960] und GL Josef Bür- ckel drängen in Preßburg den slowakischen Nationalistenführer Josef Tiso zum Abfall von Prag. Andernfalls werde die Slowakei Ungarn zum Einmarsch überlassen. Bürckel und Keppler for- dern Tiso auf, zu Hitler nach Berlin zu kommen. Der abgesetzte LM Durcansky wirbt vom Reichssender Wien aus für die Unab- hängigkeit der Slowakei. Die deutsche Presse berichtet über „haarsträubende“ Zustände in der Slowakei. So12.03.(Heldengedenktag): FRK Hitler nimmt am Staatsakt in der Staatsoperteil.DieAnsprachehältGenAdmRaederalsdienstältester Offizier: „Deutschland ist der Schirmherr aller Deutschen diesseits undjenseitsderGrenzen!DieSchüssevonAlmeríasindhierfürBe weis.Deutschlandtrifftschnellundhart!“ Mo13.03.:DiedeutschePresseberichtetimmerdramatischerüberan geblichen „Terror“ tschechischer Militärs gegen Reichsdeutsche und Slowaken. Vormittag.JosefTisokommtaufVermittlungdesFührersderVolks deutscheninderSlowakei,StSKarmasin,miteinemdeutschenFlug zeug aus Preßburg nach Wien und wird sofort nach Berlin zu FRK Hitlerweitergeleitet. Nachmittag. FRK Hitler, RAM Ribbentrop, ChOKW Keitel und StMRK Meißner empfangen Tiso und Durcansky in der neuen RK. HitlerstauchtdiebeidenSlowakenzusammen:Erhabegeglaubt,die SlowakeiwolledieUnabhängigkeit,wasnunalso?WenndieSlowaken zögerten,werdeersieihremSchicksal(gemeint:Ungarn)überlassen. Es trifft eine „Meldung“ über angebliche Truppenbewegungen Un garnsanderslowakischenGrenzeein.TisoundDurcanskyversichern zum Abschied, die Slowaken würdensichHitlersVertrauenswürdig erweisen. StP Hacha ersucht in Prag vergebens den weisungsgemäß nicht an sprechbarendeutschenGeschäftsträgerumeinenTermin. DanacherteiltHitlerdenBefehl,daßCSRStPHachaundAMChval kovskymorgennachBerlinkommen,undläßtauchGöringausSan Remozurückrufen. PapstPiusXII.wirdimPetersdomgekrönt. 28

DiejapanischeRg.lehntesab,JudenunterSonderrechtzustellen. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.13.03.: „HeutekommtTisozuHitler.UngarischeTruppensindinderKarpa toUkraineeingerückt.DieTschechoslowakeizerfälltendgültigwieein StückZuckerinderheißenTasseTee.DenTeehatHitlerrechtge schickt gekocht. Ungarische Truppen rücken heute in die Karpato Ukraineein.DieIdendesMärzsindda.Hitlerscheintzueinemneuen Schlagauszuholen.“ Di14.03.: Die deutsche Presse berichtet von angeblichen „tschechi schenGreueltaten“:MoskauhabeseineHandimSpiel,dieroteUn terwelt werde bewaffnet, es gebe 50 Verletzte in Iglau und schwere ZwischenfälleinBrünn. Prälat Josef Tiso verliest im Preßburger Parlament die Unab- hängigkeitserklärung der Slowakei. 18Uhr.GöringtrifftinBerlinein. Abend. StP Hacha und AM Chvalkovsky treffen auf dem Anhal- ter Bahnhof ein, werden von FRK Hitler aber erst einmal zu stundenlangem Warten auf einen Empfang genötigt. Der Ein- marsch der 8. deutschen Armee und der Leibstandarte SS „“ in die CSR beginnt mit der Besetzung des Knotenpunk- tes Mährisch-Ostrau. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.14.03.: „Die Slowakei hat sich selbständig gemacht. Offenbar das Sofort ErgebnisdergestrigenBesprechungTisosmitHitler. DerslowakischeLThatheuteeinGesetzbeschlossen,indessen§1es heißt: ‘Das Land Slowakei erklärt sich als selbständiger und unabhängiger slowakischerStaat.’ Nachts WievonausländischenSendernzuhörenist,istdertschechoslowaki scheStPDr.HachaheuteabendinBerlineingetroffenundwirdvon Hitlerempfangen.DietschechischeArmeesollmobilgemachthaben. Der deutsche ‘Aufmarsch’ an der gesamten deutschtschechischen GrenzeistseitlangemeinoffenesGeheimnis. AlsodochKrieg?UndebenschiendieWeltnochsofriedlich!Merk würdigerweiseglaubeichpersönlichdiesmalnichtdaran.“ 29

Mi15.03. :1Uhrfrüh.FRKHitlerläßtStPEmilHachaundAMFran tisek Chvalkovsky in sein Arbeitszimmer. In Gegenwart von RLfM Göring, RAM Ribbentrop und ChOKW Keitel fällt Hitler mit fast einstündigenwüstenBeschimpfungenüberdiebeidenStaatsgästeher. DannsagtHitler:„DerEinmarschderdeutschenTruppenistunab wendbar. Wenn Sie Blutvergießen verhindern wollen, dann telepho nieren Sie am besten sofort mit Prag und geben Weisung an Ihren KrM,daßkeinWiderstandvondentschechischenTruppengeleistet wird.“ HachaundChvalkovskymüssenHitlersArbeitszimmerverlassen,und OBLGöringundRAMRibbentropnehmendiebeidenStaatsgäste„in Behandlung“.StPHachaerleidet,alsGöringmitderBombardierung Pragsdroht(wo40000Deutschstämmigeleben),einenSchwächean fallundwirdvonHitlersLeibarztDr.TheodorMorellmiteinerSprit ze behandelt. Hacha und Chvalkovsky telefonieren mit ihren Prager Kabinettskollegen und teilen mit, daß Widerstand zwecklos sei. 3.55 Uhr. Die tschechischen Staatsgäste kehren nach 1½ Stunden „Be handlung“ in Hitlers Arbeitszimmer zurück, und sind nun mit einer Unterwerfungserklärungeinverstanden: „...AufbeidenSeitenistübereinstimmenddieÜberzeugungzumAus druckgebrachtworden,daßdasZielallerBemühungendieSicherung von Ruhe, OrdnungundFriedenindiesemTeileMitteleuropassein müsse. DertschechoslowakischeStPhaterklärt,daßer,umdiesemZielezu dienenundumeineendgültigeBefriedungzuerreiche,dasSchicksal destschechischenVolkesundLandesvertrauensvollindieHändedes FührersdesDeutschenReicheslegt...AdolfHitlerv.RibbentropDr. E.HachaChvalkovsky.“ 6 Uhr. RMVP Goebbels veröffentlicht das „Abkommen über den Schutz des tschechischen Volkes durch das Deutsche Reich“, während Hitler das Volk mit einer Proklamation über den Ein- marsch deutscher Truppen in der Tschechei unterrichtet. Kurz nach 9 Uhr. Die 8. deutsche Armee erreicht Prag. 12 Uhr. Nach Olmütz und Pilsen besetzen die Deutschen Brünn. Mit dem Einmarsch in die Tschechei sind weitere 118000 Juden unter deutscher Herrschaft. Franz Stahlecker wird von Wien 30

nach Prag versetzt und dort InspSipo+SD des Reichsprotekto- rats. folgt bald und richtet in Prag eine Zentral- stelle für jüdische Auswanderung ein. AufBefehldesCSRVtMbleibendietschechoslowakischenSoldaten indenKasernen,währenddieBevölkerungerbittertdiedeutscheBe setzungverfolgt.HitlerüberträgtdievollziehendeGewaltinBöhmen aufdenOBHG3GenInfBlaskowitzundinMährenaufdenOBHG5 GenInf List, wobei in zivilenFragenfürBöhmenRKom+GLHen lein, für Mähren RKom+GL Bürckel beigegeben werden. Die Luft waffengeschwader stehen unter Führung von GenFl Kesselring und GenFlSperrlesowievonGltLöhr. 15Uhr.HitlertrifftmitdemSonderzugausBerlininBöhmischLeipa einundläßtsichvonGltErichHoepner[188608.08.1944hinger.]be richten. Nachmittag. Botsch. Henderson erkundigt sich auf Weisung seines AMinBerlinnachdendeutschenAbsichteninderCSRundkündigt eineVerschiebungdesBesuchsvonHMStanleyan.PMChamberlain sagt im Unterhaus,daßdieGeschehnissetrotzderZustimmungder CSRRg.unvereinbarmitdemGeistdesMünchnerAbkommenssei en,daßaberinfolgedesAuseinanderbrechensderCSReineGarantie verpflichtungnichtmehrbestehe.DerfranzösischeBotsch.Francois PonceterhältvonAMBonnetdenAuftrag,beiderRRgvorstelligzu werden.ImAuswärtigenAusschußderAbg.Kammerstelltmandas Scheitern des Münchner Abkommens fest und betont die enge Zu sammenarbeitmitGroßbritannienundderUdSSR. 18 Uhr. Hitler erreicht im MercedesGeländewagen die deutsch tschechoslowakischeGrenzebeiLiboch. Kurznach19Uhr.HitlererreichtdiePragerStadtgrenze. 20Uhr.HitlerbetrittdenHradschin,woervonKeitel,List,Blasko witz, Himmler, Daluege,Wolff(SS),Ribbentrop,Bormann,Dietrich undPragerNationalsozialistenerwartetwird.Alservondenausblei bendenReaktionenGroßbritanniens,FrankreichsundderUdSSRer fährt,sagter:„Ichhabeesgewußt!In14TagensprichtkeinMensch mehrdarüber.“ Um Ungarn zuvorzukommen, erklärt der karpatoukrainische LT in Chust die Unabhängigkeit und bittet Deutschland und Italien um 31

SchutzundHilfefürdie„souveräneRepublik“unterStPMsgr.Au gustinVoloschinundMPJulianReyay. InderCSRkommen6000FlüchtlingeausDeutschlandund27000aus dem Sudetengau, darunter 20000 Juden, in Gefahr. RFSS Himmler ordnetperErlaßan,daßeine„ungesetzlicheAuswanderung“verhin dertwerdensoll. GeorgeF.Kennan,Prag,Tgb.v.15.03.: „AlsichzumFrühstücknachHausekam,stellteichfest,daßauchich einen Flüchtling beherbergte, einen jüdischen Bekannten, der viele Jahre für die Amerikaner gearbeitet hatte. Ich sagteihm,ichkönnte ihmkeinAsylgewähren,abersolangeernichtvondenBehördenge suchtwürde,seieralsGastwillkommenundkönnebleiben,solange er wolle. 24 Stunden geisterte er in meinem Haus umher, ein von Furcht und Verzweiflung gezeichneter bemitleidenswerter Mensch. UnruhiggingerimWohnzimmeraufundab,rauchteeineZigarette nachderanderenundwarzuaufgeregt,umzuessenoderanirgend etwasandereszudenkenalsanseineverzweifelteLage.SeinBruder undseineSchwägerinhattensichnachdemAbschlußdesMünchner AbkommensdasLebengenommen,underschiendieAbsichtzuha ben, ihnen zu folgen. Annelise versuchte es ihm im Verlauf dieser Stunden auszureden, diesenAuswegzuwählen,undzwarnichtweil sieoderichimHinblickaufseinkünftigesSchicksalsehroptimistisch waren,sondernzumTeilausunserergrundsätzlichenangelsächsischen EinstellungherausundzumTeil,umunseinederartigeUnannhem lichkeitzuersparen.“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.15.03.: „HachahatimLaufederNachtkapituliert.WasdainderRKvorsich gegangenist,wirdmanerstnachundnacherfahren.Jedenfallsginges diesmal schneller und glatter als bei den Sudeten, fast lautlos. Und keinermischtesichein... SeitheutemorgenmarschierendeutscheTruppen‘friedlich’überalle GrenzenindieTschechoslowakeiein. Esistentsetzlich:seitJahrenmacheichmirdenSpaß,Hitlerzuimitie ren,wasichsogutkann,daßinVeronaeinmal,alsichvomHotelfens ter aus in eine schmale, akustisch überaus günstige Gasse hinab, ‘sprach’, das Volk sich unten sammelte im Glauben, Hitler spräche persönlich.NatürlichbraucheichdazufingierteReden.Einermeiner 32

HitlerSätzewar,daßichingutturalemBrusttontiefsterÜberzeugung sprach:‘DeutscheundDeutschinnen!Ichhabenochniiemalseinem meiner Nachbarn irrgend etwas anderes garrandiert, alswasichihm nachher friedlich weggenommen habe!’ Mein schönster HitlerSatz aberwarimmereinvölligutopischer:‘TruppenallerdeutschenStäm mehaben,ohnedaßeinSchußfiel,heuteimMorgengrauendieGren zen der Tschechoslowakei überschritten und wärrden gegen Middag diedeutscheStadtPragerreichen.’ Nunistessoweit.Genausogeschahes.Fastgenausodröhntesaus demRadio. Nachmittags HitlersWagenkolonnehat,nochvorderdeutschenPanzerspitze,Prag erreicht.HitlerhataufdemHradschinWohnunggenommen. Abends DieWelttobt.Dasheißt:sieisteigentlichwieerstarrt.Manhatdies malmitniemandemverhandelt.Manhatniemandengefragt.Manhat niemandemZeitgelassen,zuintervenieren.Manhateinfachvollende te Tatsachen geschaffen, mit denen sich die andern nun abfinden müssen,wennsienichtdenZweitenWeltkrieghabenwollen. ‘Rechtlich’gingdassehreinfach.Hachahat,wieesinderamtlichen Erklärung heißt, ‘um eine endgültige Befriedung zu erreichen, das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll (!) in dieHändedesFührersdesGroßdeutschenReichesgelegt’.‘DerFüh rer’,soheißtesweiter,‘hatdieseErklärungangenommen(!)undsei nemEntschlußAusdruckgegeben,daßerdastschechischeVolkunter denSchutzdesDeutschenReichesnehmenundihmeineseinerEi genart gemäße autonome Entwicklung seines völkischen Lebens ge währleistet.“ WilliamShirer,Paris,Tgb.v.15.03.: „Esscheintschonbeinahebanal,seinen[Hitlers]Brucheinesweiteren abgeschlossenen Vertrages zu registrieren. Da ich jedoch selbst in Münchenanwesendwar,kommeichnichtumhin,daranzuerinnern, wieChamberlaindavonsprach,manhabenichtnurdenFrieden,son dernauchdieTschechoslowakeigerettet. Totale Apathie heute abend in Paris angesichts von Hitlers letztem Coup.FrankreichwirdkeinenFingerrühren.InderTathatBonnet heute dem Auswärtigen Ausschuß der Kammer mitgeteilt, die 33

MünchnerGarantiesei‘nochnichtinKraftgetreten’,dahersehesich Frankreichnichtverpflichtet,etwaszuunternehmen.EdMurrowbe richteteamTelefonvondergleichenReaktioninLondonChamber laingingheutenachmittagimUnterhaussogarsoweit,davonzuspre chen,erverurteilestriktjeglicheVorwürfeeinesVertrauensbruchssei tensHitlers... BonnethateineRundfunkzensur[!!]angeordnet,undichkämpftebis langenachMitternachtmitseinenKreaturenummeinManuskript.“ Do16.03 .: 12Uhr.OBHvonBrauchitschtrifftimHradschinein. 12.39Uhr.FRKHitlergrüßtvomBalkondesHradschinsauseinpaar TausendDeutsche. 14.30 Uhr. StP Hacha und AM Chvalkovsky müssen im Hrad- schin der Schaffung des vom „Großdeutschen Reich “ (neue Amtsbezeichnung Deutschlands) annektierten „Protektorats Böhmen und Mähren “ zustimmen ,dasFRKHitlernacheinerBe ratungmitRIMFrickundStSRIMStuckartvonderPragerBurgaus und RAM Ribbentrop im deutschen Rundfunk proklamiert – für GroßbritannienbedeutetdiesdasEndederAppeasementPolitik. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.16.03.: „HitlerhatheutenachteineProklamationandasdeutscheVolkerlas sen, die sich in der Morgenpresse findet. Sie ist erstaunlich unge schicktundschwach,soalshabediesmalniemandrechtZeitgehabt, gutundüberzeugendzulügen. Wieder wird von dem ‘unerträglichen terroristischen Regime der Tschechoslowakei gegen die dort lebenden Volksgenossen’ gespro chen, von ‘Angriffen gegen Freiheit und Leben der Volksgenossen’, unddannheißteswörtlich:‘AlsReaktionaufdieseerneutenAngriffe habensichdiese(!)nunmehrvonPraglosgelöst(?!).DieTschecho slowakeihataufgehört,zuexistieren.(DaseinzigwahreWortderPro klamation!)UmdieseFriedensbedrohungnunmehrendgültigzubesei tigen und die Voraussetzungen für die erforderliche Neuordnung in diesemLebensraumzuschaffen,habeichmichentschlossen,mitdem heutigenTagedeutscheTruppennachBöhmenundMähreneinmar schierenzulassen.SiewerdendieterrorisierendenBandenunddiesie deckendentschechischenStreitkräfteentwaffnen.’ 34

Kein Wort, daßHachaselbst,dasStaatsoberhauptderTschechoslo wakei,inderNachtvorherkapitulierthat,wennauchwohlunterer presserischenDrohungen.Mirscheint,dieswäredochHitlersbestes ArgumentfürdenEinmarschgewesen.Daraufverzichteter,offenbar bewußt aber warum? Muß er fürchten, daß der entmachtete, sich selbstentmachtendeHachadenFreundeninderWelteineGeschichte erzählt,wiemannichtmehrPräs.bleibt?Kramter,weilHachasUm fallnichtmitrechtenDingenzuging,diealteagbeleierteMärvonden ‘wilden Exzessen’ gegen die Volksgenossen hervor, die doch keiner mehr,außerdendeutschenNormallesern,glaubt? DerslowakischeMPTisohatanHitlerdasfolgendeTelegrammge richtet: ‘ImstarkenVertrauenaufSie,denFRKdesGroßdeutschenReiches, unterstelltsichderslowakischeStaatIhremSchutze.Derslowakische StaatbittetSie,diesenSchutzzuübernehmen.Tiso.’ DerFührerhatdaraufgeantwortet: ‘Ich bestätige den Empfang Ihres gestrigen Telegramms und über nehmehiermitdenSchutzdesslowakischenStaates.AdolfHitler.’ DazukannmanwohlnureinWortsagen:Affentheater!Wieabgekar tetdiesesSpielist,istdiesmalallzudeutlich.Mangibtsichgarkeine Mühemehr,daserstlangundbreitzuverhüllen. PragistvondeutschenTruppenbesetzt.EsisttatsächlichkeinSchuß gefallen.DabeiwardieserStaatbisandieZähnebewaffnet.Eintief gegliederter Festungs und Fortgürtel, eine Art MaginotLinie, sollte angeblichjedemAnsturmgewachsensein.Allesumsonst!Allessinn los! WasmagdieWeltdazusagen?WasistmitdenGarantien?Vorläufig knirscht sie nur hörbar mit den Zähnen. Auf Protestnoten scheint man,vonihrerabsolutenSinnlosigkeitüberzeugt,diesmalzuverzich ten.“ Fr17.03 .: FRKHitlerbesuchtOlmützundBrünnundfährtdannnach Wienweiter. Großbritanniens Botsch. Henderson legt bei StSAA von Weizsä- cker heftigen Protest gegen Deutschlands Vorgehen gegen die CSR ein. Jedermann frage sich: „What next?“ Am Vorabend sei- nes 70. Geburtstags begibt sich PM Chamberlain in seine Hei- 35

matstadt , um in einer totalen persönlichen Kehrt- wende mit der Politik Hitlers abzurechnen :„WasistausderEr klärung‘KeineweiterenterritorialenBestrebungen’,wasausderVersi cherung ‘Wir wollen keine Tschechen im Reich haben’ geworden? WelcheAchtungistdemGrundsatzderSelbstbestimmungzuteilge worden, über den sich Herr Hitler so leidenschaftlich mit mir in Berchtesgadenstritt...IstesderletzteAngriffaufeinenkleinenStaat oderwerdenihmweiterefolgen?IstdiestatsächlicheinSchrittinder Richtung, die Welt durch Gewalt beherrschenzu wollen?... Ich fühle mich verpflichtet zu erklären... daß kein größerer Irrtum begangen werden könnte, als anzunehmen, daß unser Volk, weil es den Krieg füreinesinnloseundgrausameAngelegenheithält,sovielvonseinem Selbstbewußtseineingebüßthabe,umnichtallesinseinerKraftSte hendezutun,einesolcheHerausforderung,solltesiejemalserfolgen, zurückzuweisen.“ Frankreich unterbricht die Berliner Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland,DelegationschefAlphandkehrtnachPariszurück. DerEssenerOBDillgardtwirdzumWehrwirtschaftsführerernannt. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.17.03.: „Hitlers Mühlen mahlen schnell. Gestern bereits ein Erlaß über die künftige Gestaltung des böhmischmährischen Raumes. Hier wird, reichlich kühn, behauptet, die böhmischmährischen Länder hätten ‘einJahrtausendlangzumLebensraumdesdeutschenVolkes’gehört. Unddannheißtesweiter: ‘Gewalt und Unverstand haben sie aus ihrer alten historischen Ent wicklungwillkürlichgerissenundschließlichdurchihreEinführungin daskünstlicheGebildederTschechoslowakeidenHerdeinerständi genUnruhegeschaffen.DasDeutscheReichaberkannindiesenfür seine eigenen Ruhe und Sicherheit sowohl als für das allgemeine WohlergehenunddenallgemeinenFriedensoentscheidendwichtigen Gebieten keine andauernden Störungen dulden... Erfüllt von dem Wunsche,denwahrenInteressenderindiesemLebensraumwohnen den Völker zu dienen, das nationale Eigenleben des deutschen und tschechischen Volkes sicherzustellen, dem Frieden und der sozialen Wohlfahrt aller zu nützen, ordne ich daher namens des Deutschen ReichesalsGrundlagefürdaskünftigeZusammenlebenderBewohner diesesGebietesdasFolgendean.’ 36

Nachdieserverlogenen,schwülstigenPräambel,diefastwiebewußter Hohnklingt,folgen,nundeutlicherundbrutaler,13Artikel,dereners terlautet: ‘DievondendeutschenTruppenimMärz1939besetztenLandesteile derehemaligenTschechoslowakischenRepublikgehörenvonjetztab zum Gebiet des Großdeutschen Reiches und trteten als‘Protektorat BöhmenundMähren’unterdeutschenSchutz.’ Weiter wird bestimmt, daß alle ‘volksdeutschen’ Bewohner des Pro tektoratsdeutscheStaatsangehörigewerden.‘Fürsiegeltendaherauch dieBestimmungenzumSchutzedesdeutschenBlutesundderdeut schenEhre.SieunterstehendeutscherGerichtsbarkeit,’ Dasbedeutetfürtausendundabertausendjüdischerundjüdisch‘ver sippter’ Bewohner der einstigen Tschechoslowakei Elend, Tod, Ge fangenschaft. Die Himmlerschen Heerscharen werden wohl schon heutedortzuwütenbeginnen. Gnädig wird dem Protektorat eine eigene Rg. zugebilligt. Aber der Pferdefußfolgtsogleich:‘AlsWahrerderReichsinteressenernenntder FRKeinen‘ReichsprotektorfürBöhmenundMähren’.SeinAmtssitz ist Prag... Die Mitglieder der Rg. des Protektorats werden vom Reichsprotektor bestätigt. Die Bestätigung kann zurückgezogen wer den.’ Also:einereineMarionettenregierungdarfPragbehalten... Umganzdeutlichzusein,erklärtArt.7: ‘DasReichgewährt(!)demProtektoratdenmilitärischenSchutz.In AusübungdiesesSchutzesunterhältdasReichimProtektoratGarni sonenundmilitärischeAnlagen.’ Klarergeht’swohlkaum!WenndasderWeltnichtendlichdieAugen öffnet,dannweißmannicht,waseigentlichnochallespassierensoll, damitwaspassiert...“ Sa18.03.: FRK Hitler ernennt RM Konstantin von Neurath zum ReichsprotektorvonBöhmenundMähren.DerslowakischePräsident PrälatJozefTisoschließtmitDeutschlandeinen„Schutzvertrag“. DieUSAverurteilendasVorgehenDeutschlandsgegendieCSR. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.18.03.: „Man ist noch wie vor den Kopf geschlagen. Das private Leben ist durchdieskandalösenundungeheuerlichenVorgängederletztenTa 37

ge so gut wie stillgelegt. Konnte man bei Österreich noch durchaus zweifeln,obdie‘HeimkehrinsReich’nichtdocheinegewisseBerech tigung hatte, konnte man bei den Sudeten allenfalls noch verstehen, daßdieWeltwegenTurnlehrerHenleinundseinerdeutschenMannen keinen Weltkrieg haben wollte, so ist diesmal der kalte, nackte Rechtsbruchdochwohldeutlich.VorsechsMonatendröhnteHitler, dieSudetenseienseine‘letzteterritorialeForderunginEuropa’.Die Weltglaubteihm,leider.Jetztwirdsieeinsehen,daßmanHitlernicht glaubenkannunddaßmanmitihmauchnichtmehrverhandelnkann. Mankannkünftignurnochkuschenoderkämpfen. ÜberRadioBeromünsterhöreichamAbendAuszügeausderRede, die der englische PM Chamberlain gestern in Birmingham gehalten hat.AlsokeineamtlicheenglischeRg.Erklärung.Chamberlainhatof fenbardieerstesichbietendeGelegenheitbenutzt,umsichnachdem SchockzudemEinmarschHitlersindieTschechoslowakeizuäußern. Seine Rede flammt von Empörung, Verbitterung, Enttäuschung. So kühlwiedieEngländerinStundenderNotundGefahrzuseinpfle gendiesmalschlägtwirklichdieFlammederWutunddesHassesge gendenMann,derihn,denallzugutgläubigenGentleman,soprimitiv, sobrutalbetrogen,ausdenWortendesenglischenRg.Chefs.“ So19.03.:DasAAweistdieProtesteGroßbritanniensundFrankreichs gegendendeutschenCSREinmarschwegendes„Fehlensjederpoliti schen,rechtlichenundmoralischenGrundlage“zurück.DieAktionin „BöhmenundMähren“dienenurderBefriedungMitteleuropas. Großbritannien und Frankreich berufen ihre Botsch. aus Berlin ab. Der USBotsch. war bereits nach dem Reichspogrom im November abberufen worden. Erstmals seit dem Weltkrieg sind alle drei West mächte nicht mehr in Berlin durch Spitzendiplomaten präsent. Als Reaktion beruft Deutschland Botsch. Graf Welczek (Paris) und von Dirksen(London)ab. Botsch. Graf von der Schulenburg überreicht in Moskau eine Note, dieüberdendeutschenEinmarschunddiepolitischenVeränderungen inPraginformiert.DieUdSSRnimmtDeutschlandsEinmarschinder CSRhin. Das DNB Bukarest dementiert die Meldung, Deutschland habe Ru mänien mit einem Ultimatum zu einem Wirtschaftsabkommen ge 38

zwungen. Die britische und französische Presse äußert sich besorgt überdiepolitischeStabilitätSOEuropas.DiebritischeRg.arbeitetan einer ViermächteErklärung von Großbritannien, Frankreich, Polen undderUdSSRzugunstenRumäniens. Um 19.30 Uhr kehrt FRK Hitlers Sonderzug auf dem in Berlin GörlitzerBhfzurück,woBVJPGöringdasEmpfangskomiteeleitet: „Denn es ist unmöglich, daßhintereinemsoheldenhaftenSoldaten einnichtheldenhaftesVolksteht.“FlakscheinwerferbildenUnterden LindeneinenLichttunnel. Mo20.03.: Der litauische AM ist bei RAM Ribbentrop, um die deutsche Forderung nach Abtretung des Memelgebiets entge- genzunehmen. Die Berliner AvusistnichtmehrselbständigeStrecke,sondernwird alsZubringerzuReichsautobahnausgebaut. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.20.03.: „DieWeltscheinttatsächlichzuerwachen.DasMaßistwohlvoll.Aus demWaldschalltesjetztzurück,wiemanhineinrief.Auchdieimmer zurückhaltendenSchwezerRadiosprecher,meinallabendlicherTrost spruch,sindüberzeugt,daßnunnurnochRüstungund‘Einkreisung deswildenTieres’dieForderungderStundeseinkann. AberweristgerüstetaußerHitlerDeutschland?AnKriegkanndie freieWeltvorläufignichtdenken.EnglandhatnureinekleineArmee vonBerufssoldaten.FrankreichhatsowiesokeineLust,zukämpfen, und fühlt sichsicherhinterseinerMaginotLinie,ohnescheinbarzu bedenken,daßesfürGöringskeineMaginotLiniegibt,und daßderHimmelkeinDachhat.UndRußland?VielleichtwillStalin den Krieg zwischen Deutschland und den Westmächten? Vielleicht will er, daß sie sich zerfleischen, damit er dann der lachende Dritte seinkann? Sodarfalso‘daswildeTier’weiterwüten,undmanhatsichnurzu fragen,werdasnächsteOpferseinwird.“

Di21.03.: RAM Ribbentrop verlangt vom polnischen Botsch. Lipski die Rückgabe Danzigs und des Korridors. Deutschland begeht damit die ersten politischen Schritte unmittelbar hin zum Zweiten Weltkrieg. 39

Mi22.03.: Litauen tritt Deutschland zwangsweise das Memelge- biet ab . RFSS Himmler trifft dort mit SS-Kommandos ein. WilliamShirer,Paris,Tgb.v.22.03.: „Jemanderzähltemirgestern...dieseltsameGeschichtevonChamber lainsplötzlicherundtotalerWendeseinerPosition,dieerletztenFrei tagwährendeinerRedeinBirminghamvornahm.NochzweiTagezu vor hatte er im Unterhaus erklärt, er würde Hitler keinesfalls eines Vertrauensbruchs bezichtigen. In Birmingham nun klagte er Hitler ernsthaftdes‘Vertragsbruchs’an.Pertinaxsagt,daßSirHoraceWil son, der kleine dunkle Mann hinter der Szene von Godesberg und München,dieRedefürdenPMbereitsausgearbeitethatteganzim Sinne der ‘AppeasementLinie’ seiner Ausführungen im Unterhaus. Alssiedavonhörten,seiendieHälftederKabinettsmitgliederunddie meisten der führenden Londoner Zeitungsredakteure so aufgebracht gewesen,daßsichChamberlainplötzlichgenötigtsah,seinegesamte PolitikzuändernundgroßeTeilederredeimZugnachBirmingham neuzuschreiben. WietristParisindenletzten10Jahrengewordenist!...DasLandhat einiges von dem verloren, was es ausmachte, als ich vor 14 Jahren herkam:seinenGeschmack,einenTeilseinerSeeleunddasGefühlfür seinehistorischeMission.Korruptionüberall,EgoismusderKlassen partout undvölligepolitischeVerwirrrung...DiesführtzujenerArtei nes defätistischen, anarchistischen ‘ Je m’en fous ’ismus, wie ihn ein SchriftstelleràlaCélineverbreitet.“ Do23.03.: Deutscher Einmarsch ins litauische Memelgebiet mit Anschluß an Deutschland , inklusive eines Flottenbesuchs von FRK Hitler. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.23.03.: „GesterngroßerBallbeimRMKiAngKerrl.Sowenigesmichgerade nachdenjüngstenEreignissenlockt,mitdenMächtigenzusammenzu kommen,dieNeugierde,Dingezuerfahren,diehinterdenKulissen spielen, trieb mich doch hin. Außerdem sind die Kerrls harmlose Menschen,gläubig,schlichtundahnungslos. Eswarendiesmal130Personen!EinBallmitkaltemBufett,alsokein steifesEssen.DieGesellschaftwarangenehmgemischt,nichtnurRg. 40

undPartei,vielLeutevomTheater.AußerPhilippundHeliBouhler, diesichnettundoffenfreuen,daßich,sechsJahrenachderMachter greifung,nunbeisolchenGesellschaftenauftauche,‘sahman’,wiees indenZeitungenheißt:SAChefLutzeundFrau,RLDr.RobertLey und Frau, StS Dr. Meißner und Frau, eine Frau Göring, aber nicht Emmy,diemichinteressierthätte,sonderndieFraueinesBrudersvon Hermann, den ungarischen Ges., den bulgarischen Ges., Fürst Bis marck,denEnkeldesReichsgründers,FrauBodenschatz,ihrMannist wohl Görings rechte Hand, Wilhelm Furtwängler, Jenny Jugo, Peter Voß,MaxSchmelingundAnniOndra. DiesdieListederer,dieichsprach... Interesantistjaimmerwieder,daßdiewirklichwichtigenLeute,vor allemjene,diemitHitlerdurchdieerstenschwerenJahrederKampf zeit gegangen sind, wie etwa Bouhler, nichts weniger schätzen, als wennMenschen,dieentwederüberhauptnichtsmitderParteizutun haben(wieich)odererstnachderMachtergreifungumpersönlicher Vorteile willen dazugestoßen sind, nun sich in HeilHitlerGegrüße überbieten.EineinzigesMal,alsichBouhlerinseinemDienstzimmer in der Reichskanzlei besuchte, schien es mir am Platz, beim Eintritt einenflüchtigendeutschenGrußzumarkieren.Erlächelteundmein te:‘Dasbrauchstdubeimirnicht!’Icherwiderte:‘Dabinichdirsehr dankbar.’ Nun also wiegte ich mich hier mit der blaublonden hübschen Frau Lutze,diewieichbesondersgernWalzertanzt.Dabeifielendannfol gendeDialogfetzenab,diedochbewahrtseinsollten: ‘WissenSie,HerrDoktor,wirhabenjanocheinGut.Wenn’smalaus istmitderPolitik.’ Oder: ‘Den dritten Wagen für uns hat mein Mann ganz leicht beim Führerdurchgesetzt.DasgingwieButter.’ Oder:‘AlsFrauLutzeHitlerwarnte,ersollenichtnachPraggehen, ehe die Gestapo dort alles ‘hübsch gesäubert’ habe, sagte er zu ihr: ‘LassenSienur!MeineKugelistnochnichtgegossen!’ Oder:‘WirwarenheuteschonmitderDienstmaschineinHannover. UnserJungebrauchteneueKnickerbocker.WirkaufengerninHan noverein.MeinMannwarjadortGL.Dakenntunsjeder.Aberdaist meinManneigen:wirkönntendochinHannoverdieWagendesGL nehmen.Nein!DaswillmeinMannnicht.DafahrenunsereWagen 41

schonfrühum5nachHannovervorausunderwartenunsamFlug platz.’ SoplaudertedieGute,einstangeblichKinderpflegerininHalle,mun tervorsichhin.AllesinhallensischemSächsisch. Alsichsieabgesetzt,kamBouhlerbeimirvorbei:‘Nahastdudich gutunterhaltenmitdem enfant terrible derdeutschenRRg...?’ AlswirHerrenspäterimRauchzimmerbeiPilsnerzusammensitzen, wirdüberdiepolitischenEreignissederletzten10Tagegesprochen. EinerderHerren,ichwarihmzwarvorgestellt,hatteaberdenNamen nichtverstanden,meinteetwasunvorsichtig,dertschechischeMinis terpräsident [StP!] Dr. Hacha habeinderNachtderVerhandlungen mitHitlervonProfessorMorelleineSpritzebekommen,dannerst habeerdieKapitulationsurkundeunterschrieben. EsentstandeinepeinlicheStille.Ichbemühtemich,einvölliguninte ressiertgelangweiltes Gesicht zu machen, aber in meinen Lackschu henverkrampftensichdieZehen.BouhlersAugenhinterdenBrillen gläsernblitztenböse.Ersagtesehrscharf: ‘Das ist völliger Unsinn. Ich war selbst dabei. Hacha ist ein schwer herzkranker Mann. Schon seit längerem. Er erlitt während der Ver handlungen einen SchwächeanfallundbekamtatsächlichvonMorell eineSpritze.AberdashatmitseinerBereitschaft,seinLandunterden SchutzdesReicheszustellen,nichtszutun.Wennihnetwasbewogen hat,eszutununddasDokumentzuunterschreiben,daswirihmvor gelegthaben,danndieÄußerungGörings,derineinemgutgespielten WutundKraftanfallbrüllte:‘WollenSie,HerrPräs.,daßichaufeinen Knopf drücke, und es fallen in einer Stunde 1000 Bomben auf Ihr schönesPrag?’ LustigeralsdiesermakabreDialogbeiPilsnerwareineÄußerungder reizendenJennyJugo.Sieerzählte,daßinjenerkritischenNachtsich der Führer ihren Film ‘Ein hoffnungsloser Fall’ ansah und während der ganzen Laufzeit den bereits in der Reichskanzlei eingetroffenen Dr.Hachaseelenruhigwartenließ.AlsHitlerdannmitJennyJugoden Vorführraumverließ,umHachazuempfangen,sagteerlächelndmit einerKopfbewegungzurTür,hinterderDr.Hachawartete:‘Auchein hoffnungsloserFall!’“ 42

Fr24.03.:FRKHitlerkehrtvomFlottenbesuchinMemelnachBerlin zurück. ZurDeckungdesaußergewöhnlichenFinanzbedarfsfürdieRüstung des Reichs sieht ein neuer Finanzierungsplan den grundsätzlichen VerzichtaufneueAnleihenundstattdessendieAusgabeunverzinster Steuergutscheinevor. RKiMKerrlweistdiejüdischenKultusgemeindenan,dievomNazi pöbelhinterlassenenRuinenderSynagogenzubeseitigen.DenWie deraufbauuntersagter. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.24.03.: „DerWestenwirdlebendig.Dascheintsichtatsächlichseit‘Prag’al lerhandzutun!ZuerstChamberlainsRedeinBirmingham!Dannmel det die Schweiz, eine britische Kommission habe sich nach Moskau begebenzumilitärischenundpoltischenVerhandlungenmitdenSow jets.Seit3TagenistderfranzösischeStPAlbertLebruninLondon. Das Memelland ist nun durch ‘Staatsvertrag’ mit dem Deutschen Reichvereinigt.DasMemellandwirdvonlitauischenMilitärundPo lizeistreifen geräumt. Memel wird Freihafen.WirsindsovielSchlim meresundRechtsberecherischeresgewohnt,daßdieseRückgliederung eines durch den Versailler Vertrag abgetrennten Landes niemanden mehraufregt.“ Sa25.03.:VerpflichtungallerJugendlichenvon10bis18Jahrenzum DienstinderHJ.

So26.03.: Der polnische Botsch. Lipski überreicht RAM Ribben- trop eine Memorandum zu den deutschen Wünschen für den Transitverkehr und zu Danzig. Warschau schlägt Verhandlun- gen vor. Eine Exterritorialität der Durchgangswege lehnt Polen, ermutigt durch die Chamberlain-Rede vom 17.03., aber ab. Po- len schlägt eine deutsch-polnische Garantie für die Freie Stadt Danzig vor. Die RRg sieht „keine Basis für eine deutsch- polnische Lösung“. Ribbentrop fordert von Lipski kategorisch die Wiederveinigung Danzigs mit Deutschland und exterritoria- le Auto- und Bahnverbindungen zwischen dem Reich und Ost- preußen. Lipski antwortet, daß eine Weiterverfolgung dieser 43

Pläne, vor allem eine Rückkehr Danzigs zum Reich, den Krieg mit Polen bedeute. Mo27.03.:DerspanischeStaatschefGenFrancovollziehtfeierlichden BeitrittzumAntikominternpakt. Im Protektorat Böhmen und Mähren werden Deutsch und Tsche chischalsAmtssprachenzugelassen. Di28.03. :MitderEroberungMadridsgehtderSpanischeBürgerkrieg zuEnde.FRKHitlergratuliertFrancotelegraphisch. Bei einer Unterredung mit dem deutschen Botsch. von Moltke erklärt Polens AM Beck in Warschau, nach den Ereignissen in Prag und Memel befürchte er eine Wende in den deutsch- polnischen Beziehungen . ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.28.03.: „DerBürgerkrieginSpanienistzuEnde.DerAusgangwarjaseitlan gemnichtmehrzweifelhaft.Sokannmannurfrohsein,daßdieWaf fendortendlichschweigen.MadridistvonFrancobesetzt,dasganze LandistinseinerHand,derRestder‘Roten’nachFrankreichüberge treten.SiehabenwahrhaftheroischgekämpftundsindnichtFrancos Truppen,sonderndenenHitlersundMussolinisunterlegen. Spanien unter Franco ist dem Antikominternpakt beigetreten. Eine wohl selbstverständliche Dankespflicht. Wirhabenalsojetztdreifa schistischeDiktatoreninEuropa.“

Mi29.03 .:ImbritischenUnterhausdrängennachdenzögerndenÄu ßerungenPMChamberlainsKonservativeunterderFührungEdens, DuffCoopersundChurchillssowieLabouraufeineverstärkteVertei digung und eine bessere Information des Parlaments. Die britische Rg. beschließt daraufhin die Verdoppelung der Territorialarmee auf 26 Divisionen . HeinrichBrüning,?,Notizv.29.03.: „EuropaisteinTollhaus.NachdemZusammenbruchderCSRveröf fentlichte die ‘Agence Havas’ [die 1835 in Paris gegründete älteste NachrichtenagenturderWelt]einenArtikel,derPolenundRumänien riet,sichdenNazisanzuschließen,daFrankreichihnenineinemKrieg nichthelfenkönne.“[FrankreichsRg.verbietetseinenZeitungendie 44

VerbreitungdesArtikels,UngarnhattevoreinerWochedenHavas KorrespondentenwegentendenziöserBerichterstattungausgewiesen.] WilliamShirer,Genf,Tgb.v.29.03.: „Gestern hat sich Madrid ergeben, heute das übrige republikanische Spanien...FrancosSchlächtereiwirdfurchtbarsein.“

Do30.03.:FRKHitlerbesichtigtinAugsburgdenUmbaudesStadt theatersunddenNeubaudesApollotheaters. FRKHitlerschreibtperErlaßfürdieoberstenReichsundLandesb hördenverbindlichdasTrageneinerBeamtenuniformbeiöffentlichen Veranstaltungenvor. FRKHitlerverleihtRGPräs.ErwinBumkezum10jährigenDienstju biläumdieGoethemedaille.

Fr31.03.: Britisch-französische Garantie für Polen, das die deut- sche Forderung vom 21.03. ablehnt. PM Chamberlain erklärt vor dem Unterhaus, Großbritannien werde sich jedem neuen Angriff seitens Deutschlands mit Gewalt widersetzen . Chamberlain im Unterhaus: „Die britische Rg. besitzt keinerlei amtliche Bestätigung für die Gerüchte irgendeines geplanten Angriffs auf Polen. Es darf dahernichtangenommenwerden,daßdieRg.dieGerüchtefürwahr hält... Nach Ansicht der Rg. sollte es keine Fragen geben, die nicht durchfriedlicheMittelzulösenwären,undsiewürdedaherkeinerlei Rechtfertigungdafürfinden,daßGewaltoderDrohungmitGewaltan die Stelle der Methoden der Verhandlung gesetzt werden. Wie dem Hause bekannt ist, finden z.Z. Konsultationen mit anderen Rg.en statt.UmdieHaltungderbritischenRg.inderZwischenzeitklarzu stellen..., fühle ich mich veranlaßt, dem Hause mitzuteilen, daß.. für den Fall irgendeiner Aktion, die klarerweise die polnische Unabhän gigkeitbedrohtunddiediepolnischeRg.daherfürsolebenswichtig ansieht,daßsieihrmitnationalenStreitkräftenWiderstandleistet,die britischeRg.sichverpflichtetfühlenwürde,derpolnischenRg.allein ihrerMachtstehendeHilfesofortzugewähren.Siehatderpolnischen Rg.einederartigeZusicherunggegeben.Ichkannhinzufügen,daßdie französische Rg. michautorisierthat,darzulegen,daßsiediegleiche HaltungindiesemFalleeinnimmtwiediebritischeRg.“ 45

Sa01.04.: Von den 39532 Betrieben von vor einem Jahr sind 14803 „arisiert“und5976liquidiert. DieUSAerkennendiespanischeRg.Francoan. Mittags. FRK Hitler nimmt in Wilhelmshaven am Stapellauf des 41700-t-Schlachtschiffs „Tirpitz“ teil, bei der er eine kurze Rede hält, deren Übertragung am Nachmittag von der RRG kurzzei- tig gestoppt wird. Hitler befördert GenAdm Erich Raeder zum ersten GrAdm. Danach hält Hitler sich mit den führenden Mili- tärs mehrere Stunden (bis 17 Uhr) auf dem Schlachtschiff „Scharnhorst“ auf und gibt die Anweisung zum „Fall Weiß“ (Überfall auf Polen). Als erster Mobilmachungstag wird der 23.08. festgelegt. 19 Uhr. Hitler hält eine Massenkundgebung auf dem Rathaus- platz ab, in der er vor allem Großbritannien attackiert: „Wir wis- sen heute aus den Akten der Geschichte, wie die damalige [vor 1914] Einkreisungspolitik planmäßig von England aus betrieben worden war... Das deutsche Volk wurde von der Vorsehung nicht geschaffen, um ein Gesetz, das Engländern oder Franzo- sen paßt, gehorsam zu befolgen, sondern um sein Lebensrecht zu vertreten...Wenn heute ein englischer Staatsmann meint, man könne und müsse alle Probleme durch freimütige Besprechun- gen und Verhandlungen lösen, dann möchte ich diesem Staats- mann nur sagen: Dazu war vor unserer Zeit 15 Jahre lang Gele- genheit!... 300 Jahre lang hat dieses England nur als untugend- hafte Nation gehandelt, um jetzt im Alter [!] von Tugend zu re- den!... Wenn die Alliierten einst ohne Rücksicht auf Zweckmäßigkeit, auf Recht, auf Tradition oder auch nur Ver- nunft die Landkarte Europas änderten, so hatten wir nicht die Macht, es zu verhindern. Wenn sie aber vom heutigen Deutsch- land erwarten, daß es Trabantenstaaten [gemeint sind die CSR, Polen, Litauen usw.], deren einzige Aufgabe es ist, gegen Deutschland angesetzt zu werden, geduldig gewähren läßt bis zu dem Tag, an dem dieser Einsatz sich vollziehen soll, dann verwechselt man das heutige Deutschland mit dem Deutschland der Vorkriegszeit! Wer sich schon bereit erklärt, für diese Groß- mächte die Kastanien aus dem Feuer zu holen, muß gewärtig sein, daß er sich dabei die Finger verbrennt...Ich habe einst ein 46

Abkommen mit England abgeschlossen, das Flottenabkommen. Es basiert auf dem heißen Wunsch, den wir alle besitzen, nie in einen Krieg gegen England ziehen zu müssen... Wenn in Eng- land dieser Wunsch nicht mehr besteht, dann ist die praktische Voraussetzung für dieses Abkommen damit beseitigt... Sie mö- gen Pakte schließen, Erklärungen abgeben, soviel sie wollen: Ich vertraue nicht auf Papiere, sondern ich vertraue auf euch, meine Volksgenossen!“ 20 Uhr. FRK Hitler und DAF-Leiter Ley starten zur dreitägigen Nordseejungfernfahrt auf dem KdF-Flaggschiff „Robert Ley“ (bis 04.04., 12 Uhr, Hamburg). Hitler besucht dabei Helgoland. Die „Scharnhorst“ mit GrAdm Raeder an Bord schießt beim Passieren Salut. DieersteSABerufsschuleOstlandinContienenbeiKönigsbergwird eröffnet. Es werden die SABerufsschulen Nordmark in Lockstedt/Holstein,NordwehinWesterstedt/Oldb.undWeichselin SchulithbeiBrombergfolgen.

Im April hebt Papst Pius XII. den Bann gegen die rechtsextrem- antisemitische Action Française von Charles Maurras auf. Im April kommt es zu einer Übereinkunft zwischen RKiM und der von den DC beherrschten Evangelischen Kirchenführerkonferenz überdieBeziehungenzwischenStaatundKirche. Im April wird die Godesberger Erklärung der evangelischen Kir- che herausgegeben: „Wie ist das Verhältnis von Judentum und Christentum? Ist das Christentum aus dem Judentum hervorge- gangen und also seine Weiterführung und Vollendung, oder steht das Christentum im Gegensatz zum Judentum? Auf diese Frage antworten wir: Der christliche Glaube ist der unüber- brückbare religiöse Gegensatz zum Judentum .“

So02.04.:Nachmittag.InWarschaukanndiepolnischeLuftwaffebei einer Parade fast nur schwerfällige, langsame Bomber und veraltete DoppeldeckerJäger vorführen. Lediglich 6 moderne Jagdflugzeuge könnenpräsentiertwerden. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.02.04.: 47

„ChamberlainhatimUnterhauseinebedeutendeRedegehalten,inder manerstaunlichdeutlichdenneuenWindrauschenhört,obwohlder PMsichernichtallessagt,washinterdenKulissenderDiplomatievor sichgeht.U.a.sagteer:... Nunisteinemschonwohler.ZumerstenMalseit1933habenEng landundFrankreichdeutlichundverbindlicherklärt:bishierherund nichtweiter!DieTschecheiwardasletzte,wassiegeschluckthaben. EinAngriffHitlersaufPolenwürdedenZweitenWeltkriegauslösen. Darüber sind sich alle vernünftigenMenschen klar. Aber offenbar nichtHitler.ErläßtdurchseinegenaugelenktePresseheuteerklären, die englischfranzösische Garantie für Polen sei nichts als ein Bluff, denzubeachtensichüberhauptnichtlohne.Natürlichhabemannicht dieAbsicht,Polenanzugreifen,mitdemmanjaebenfreundschaftli che Verträge abgeschlossen und sachlichfriedlich über Danzig und den Korridor verhandele, die alberne Drohung des Westens bleibe hierortsaberohnejedenEindruck.“

Mo03.04.: ChOKW Keitel fertigt die Weisung FRK Hitlers an die WeM zur Vorbereitung des Angriffskriegs gegen Polen aus (Fall Weiß). Bei politischen Gesprächen in London äußert der polnische AM Oberst Beck starke Bedenken gegen das auf Drängen Churchills nun von Großbritannien favorisierte Zusammengehen mit der UdSSR. Polen befürchtet, in den Machtbereich der UdSSR zu geraten. BeginnvonErnstJüngers Strahlungen Tagebuch. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.03.04.: „Gestern[02.04.mittags]hatteicheinenrechtaufregendenLunchmit [Eduard] Baronv.d.HeydtausAscona.Erriefmorgensanundlud michzuTischindenKaiserhof.Wirspeistenundplaudertenangeregt. AlsderBaronsichzurblauenForelleKartoffelnnahm,sahermichan und sagte nebenbei, ob ich Kartoffeln besäße. Ich verstand nicht recht. Natürlich, im Keller hätten wir gewiß einen kleinen Vorrat. Nein,meintev.d.Heydtlächelnd,nichtimKeller,obichLandhätte, Erde,aufderKartoffelnwüchsen? ‘AußerinmeinemGartenimGrunewaldnicht.’ 48

‘KaufenSieLand,lieberFreund!’rietdergroßeBankier,Vermögens verwalter des früheren deutschen Kaisers in Doorn und finanzieller BeraterHermannGörings,beidemergestern[01.04.spätabends]in Carinhallgespeisthatte.‘Land!KeinePapiere!Land!Erde!Irgendwo! Aber bald!’ sagte er. Ich hätte gern mehr gewußt, aber der Baron wechseltedasThema. AmAbendbrachteichihnzumAnhalterBahnhof,zumSchlafwagen nachZürich.WirgingenplauderndnocheinpaarMinutenaufundab. Ichwarteteimmer,daßerseinenRatvomMittagnäherbegründen werde. Aber das tat er nicht. Der Zug wurdeabgerufen.Wirverab schiedetenuns.Ersagtelächelnd:‘DenkenSieandieKartoffeln!’Ich würde es nicht vergessen und sofort mich bemühen, erwiderte ich. Undplötzlich,alsderMannmitderrotenMützeschondenSignalstab hob, beugte sich v.d. Heydt aus dem Fenster tief zu mir herab und sagtedieseWorte: ‘23.August.ErsterMobilmachungstag.’ ErhobdieFingerandieLippen,grüßte,zogschnelldieFensterhoch. DerZugentschwandindieNacht. IchfuhrlangsamnachdemWestenzurück.Überdenlichterglänzen den Kurfürstendamm mit den Tausenden heiterer, unbeschwerter Menschen. Über die HalenseeBrücke, unter der hellerleuchtete S Bahnzüge hinglitten. Und immer hörte ich die letzten Worte des SchweizerBarons:23.August.ErsterMobilmachungstag...“ Di04.04.:DerfrüherePMLloydGeorgeerklärtimUnterhaus,beiei nemdeutscheEinmarschinPolenwürdenGroßbritannienundFrank reichmarschieren.ErbefürworteteinMilitärbündnismitderUdSSR. DiedeutschePressebeschimpftLloydGeorgeals„senil“. DasneueHaushaltsführungsGermächtigtdieRRgzur„Gestaltung“ ihres Etats. Der Haushaltsplan 1939 werde trotz außergewöhnlicher BelastungdesReichsausgeglichensein,heißtes. InInnsbruckbeginnenzweitägigeBeratungenzwischenChOKWKei telunddemitalienischenGStChPariani. U„DerFlorentinerHut“MagdeburgRWolfgangLiebeneinerMMi chaelJaryDHeinzRühmannHertiKirchnerChristlMardynHansge orgLaubenthalPaulHenckels ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.04.04.: 49

„DerpolnischeAMBeckistinLondon.Offenbarwerdendortent scheidende militärische Besprechungen für den Fall eines Angriffs HitlersgegenPolengeführt.ZumAusgleichistGObKeitelmitdem italienischenGStChParianiinInnsbruckzueinemGesprächzusam mengetroffen.DieFrontenwerdenalsoimmerklarer.“ Mi05.04.: Der slowakische MP Tiso und sein AM besuchen RAM RibbentropinBerlin.

Do06.04.: Abend. Großbritannien und Polen schließen zum Ab- schluß des Beck-Besuchs in London einen Beistandspakt. Polen zieht vorsichtshalber an der Grenze zu Danzig Truppen zusam- men, will sich aber nicht von Großbritannien auf eine Unterstüt- zung Rumäniens festlegen lassen. WilliamShirer, Warschau,Tgb.v.06.04.: „Der polnischeAMBeck,derseinLandübervieleJahreeineranti französischen und ProNaziPolitik verpflichtet hat, war in London. Ein britischpolnisches Kommuniqué von heute abend kündigt an, daß die beiden Länder eine gegenseitige Beistandsvereinbarung für denFalldesAngriffseinerdrittenMachtschließenwerden.Ichdenke, daswirdHitlerfürdenAugenblickzumHaltenbringen,dennGewalt istetwas,daserverstehtundrespektiert.UndnacheinerWochehier habeichkeineZweifel,daßdiePolenkämpfenwerden.Wenndann Großbritannien und Frankreich gleichfalls eingreifen, ist er in der Klemme.AllerdingsmachenmirdreiDingeSorge:Polensunglückli chestrategischeLage,seitDeutschland(mitPolensHilfeundErmuti gung!)seineWeMindasProtektoratundindieSlowakei[!]verlegthat unddamitdenSüdenPolensflankiert(imNordenbildetOstpreußen bereits eine Flanke); der Westwall, der nach seiner Fertigstellung im kommendenWinterGroßbritannienundFrankreicheinenAngriffauf DeutschlandvomWestenher,zurUnterstützungPolens,erheblicher schwerenwird;undschließlichRußland.IchhabedieseWochemitei nemDutzendPolenausdemAM,derArmeeunddenaltenPilsuds kiKämpfern,diejetztPolskieRadioleitengegessenundgetrunken. Sie sind nicht in der Lage, zu begreifen, daß man sich den Luxus gleichzeitigerFeindschaftmitRußlandundDeutschlandnichtleisten kann,daßsiesichjetztentscheidenmüssenunddaßsiegerettetsind, 50

wenn sie Rußland an die Seite von Frankreich und Großbritannien bringen. Sie... erläutern mir die Gefahren einer Unterstützung durch Rußland. Natürlich besteht eine solche gefahr. Die Gefahr, daß die RoteArmee,einmalaufpolnischenBodengelangt,diesennichtmehr verlassenunddaslandmitihrerPropagandabolschewisierenwird(es ist von den Obristen so miserabel regiert worden, daß zweifellos fruchtbarerBodenfürdieBolschewistenvorhandenist).Dasistwahr. ‘AlsomachenSieIhrenFriedenmitdenNazis.ÜberlassenSieihnen DanzigunddenKorridor.’‘Niemals!’istdieAntwort.“

Fr07.04.(Karfreitag): Italien besetzt Albanien: die Adria wird zu Italiens „eigenem Meer“. Frankreich ist über Italiens Mittel- meerpolitik sehr beunruhigt, Großbritannien bleibt eher gelas- sen. Frankreich knüpft engere Kontakte zur UdSSR, da es einen Dreifrontenkrieg gegen Deutschland, Italien und Spanien fürch- tet.

Sa08.04.: RAM Ribbentrop beglückwünscht Spanien zum Beitritt in denAntikominternpakt. ErichEbermayer,Bellagio/LagodiComo,Tgb.v.08.04.: „WirsindaufHotelGutscheine,diemaninDeutschlandimReisebü roerhältundbezahlteineneueEinrichtung,umDevisenzusparen! imPrunkhotelGrandBritanniagutuntergebracht.DasHotelhatstatt 280nur12Gäste.“

So09.04.(Ostern): Der französische Dampfer ‘Flandre’ beginnt mit 102jüdischenFlüchtlingenseineFahrtnachKuba.NachzweiMona tenkehrterzurück,keinzentralmerikanischeLandwarzurAufnahme bereit. FRK Hitler erläßt eine Verfügung, die kirchliche Morgenfeiern im Rundfunk untersagt. Die Verfügung bliebt trotz breiter Proteste in Kraft.

Mo10.04.: Italien gibt eine Garantieerklärung für die Integrität Griechenlands ab.

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Di11.04.: FRK Hitler erläßt die „Weisung für die einheitliche Kriegsvorbereitung der WeM für 1939/40“ („Fall Weiß“). Französische Generäle drängen in Paris den britischen Militärat- taché zu einem Militärabkommen mit der UdSSR. AM Lord Ha- lifax läßt in Moskau wegen einer gemeinsamen Unterstützung Rumäniens nachfragen. Ungarn tritt aus dem Völkerbund aus.

Mi12.04.: Albanien kapituliert gegenüber Italien.

Do13.04.: Im Unterhaus gibt PM Chamberlain als Folge der deutschen und italienischen Aggressionen eine Garantieerklä- rung für die Unabhängigkeit Griechenlands und Rumäniens ab. Eine fast gleichlautende Erklärung gibt PM Daladier am 15.04. in der französischen Abg.-Kammer ab. HeinrichBrüninghältdiebritischePolitikfürverfehlt,weilesdieBal kanländer,vorallemJugoslawien,sowiedieUdSSRnichtindasDe fensivbündnismitPoleneinbezieht. Louis P. Lochner, AP Berlin, Bericht über die Premiere von J.B. Priestleys Menschen auf See imKulturbundTheaterinderKommandan tenstraßev.13.04.: „Da..derbritischeDramatikeraufalleAnsprücheaufTantiemenvon deutschenJudenverzichtethat,konntederjüdischeKulturbundheute abendeinewunderschönedeutschsprachigePremierevonMenschen aufSeepräsentieren.DieÜbersetzungstammtevonLeoHirsch,das Bühnenbild hatte Fritz Wisten entworfen. Fast 500 aufmerksame, kunstliebende Juden wohnten der Vorstellung bei und spendeten reichlichenBeifall.AlleanderenüberragendinderTiefeihresemotio nalenSpielswarJennyBernsteinalsDianaLissmore.MitseinerInter pretationderRollevonProfessorPawleternteteauchAlfredBerliner, dersogeschminktwar,daßergroßeÄhnlichkeitmitAlbertEinstein hatte, erheblichen Beifall. Wehmütig nickte das Publikum, als sich FritzGrünnealsCarloVelburgimmerwiederdarüberbeklagte,daßer keinenPaßhabe.FürdiekommendenWochensind39Aufführungen desPriestleyStücksgeplant.“ ErichEbermayer,Venedig,Tgb.v.13.04.: „ItalienhatAlbanienüberfallen. 52

Esgingallesganzschnell,imDiktatorentempo.VorsechsTagenlan detenitalienischeTruppeninAlbanien.GroßesJubelgeschreiimgan zenLand.Der‘Krieg’währtenurwenigeTage.GesternhatAlbanien kapituliert.Heutefindetsichin Popolo d’Italia bereitsder‘Beschlußder albanischenNationalRg.’vomgestrigenTage,worinesheißt: ‘DasbisherigealbanischeRegimeistabgeschafft.DievondieserRg. eingeführte Verfassung ist aufgehoben. Die albanische Nationalver sammlungbietet...inFormeinerPersonaluniondieKroneAlbaniens Sr. Majestät ViktorEmanuelIII.,KönigvonItalienundKaiservon Äthiopien,fürSe.MajestätundSe.KöniglichenNachfolgeran.’ Mussolini hat also gut bei Hitler studiert, wie man so etwas macht. GanzItalienistberauschtvonSiegestaumel.“

Fr14.04.: US-Präsident Roosevelt richtet an Deutschland und Italien den Appell, 30 namentlich genannten Staaten Europas und Vorderasiens Nichtangriffsgarantien zu geben. ErichEbermayer,Venedig,Tgb.v.14.04.: „WirlebenherrlichundinFreudenaufunsereGutscheineimschönen Hotel Danieli... Auch dieses haus ist trotz Osterzeit fast leer. Die Deutschenfehlen.DiemeistenscheinendieSachemitdenHotelgut scheinennichtzuwissen. Der Große Rat des Faschismus hat heute den Beschluß der albani schen Nationalversammlung ‘mit stürmischer Freude’ begrüßt und ‘dem Duce, dem Begründer des Imperiums, den Dank des italieni schenVolkes’ausgesprochen. GleichzeitigwirdeinGesetzveröffentlicht,dessenArt.1lautet: ‘Der König von Italien nimmt nach der Annahme der Krone Alba niens für sich und seine Nachkommen den Titel ‘König von Italien undAlbanien,KaiservonÄthiopien’an.’“

Sa15.04.: Frankreichs AM Bonnet übergibt dem sowjetischen Botsch. in Paris Vorschläge zu einem Beistandsschutz für Polen, Rumänien und Griechenland. AM Lord Halifax empfängt in London den sowjetischen Botsch., und auch der britische Botsch. in Moskau spricht bei AM Litvinov vor. Ziel: Garantie- erklärungen der UdSSR für Polen und Rumänien sowie ein bri- tisch-sowjetischer Beistandpakt. 53

VeitHarlanundKristinaSöderbaumheirateninBerlin. So16.04.: Die sowjetische Rg. mit AM Litvinov unterbreitet den Rg.en Großbritannniens und Frankreichs ein geheimes Angebot zu einem Dreibund, der nach Möglichkeit zu einem Vierbund mit Polen erweitert werden soll. Die Allianz soll die Grenzen der Länder Mittel- und Osteuropas garantieren, die von Deutsch- land bedroht werden. Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen sol- len die an die UdSSR grenzenden Länder Finnland, die drei bal- tischen Staaten, Polen und Rumänien im Ernstfall der Sowjet- armee ein Durchmarschrecht geben. Reichsprotektor Neurath übernimmt aus den Händen von OB Gen ListdievollziehendeGewalt.FRKHitlerbefördertListzumGOb. RLfMGöringführtinRomGesprächemitDuceMussoliniundAM Ciano. ErichEbermayer,Venedig,Tgb.v.16.04.: „DerWestenhatnatürlichauchAlbaniensFallundEndesozusagen verschlafen und mußte Mussolinis Osterei zähneknirschend schlu cken. Nun aberregtsichwiederMrChamberlain!ImUnterhauser klärteer:[RumänienundGriechenlandGarantie] EinefastgleichlautendeErklärunghatDaladiergesterninderfranzö sischen Kammer abgegeben. Außerdem betont Daladier die ‘unver züglicheundunmittelbareGarantiegegenjedeunmittelbareodermit telbareBedrohung’gegenüberPolen. EineWellevonEnergieundEntschlossenheitscheintnachPragdie freieWeltzuerfassen.EinserseitsTrostundGewährtdafür,daßähn licheRechtsbrücheundGewalttateninZukunftHitlernichtmehrab genommen werden. Andererseits aber rückt damit die Gefahr eines bewaffnetenKonfliktsunaufhaltsamnäherundnäher.“ ErnstJünger,Kirchhorst,Tgb.v.16.04.: „Bei dieser Arbeit [an den ‘Marmorklippen’] aus dem Fenster bli ckend,sahichaufderStraßeGeschützeaufGeschützenachOstenei len,fastwieimKriegevoreinergroßenSchlacht.IndiesenWochen rücktendieDeutscheninBöhmen,Mähren,MemelunddieItaliener inAlbanienein.AlleZeichendeutenaufKrieginkurzerZeit...“ 54

Mo17.04.:DNBkündigtfürden28.04.imRTeineAntwortFRKHit lers auf den RooseveltAppell an. Hitler inspiziert Truppen in der „Ostmark“. Di18.04.:InoffenemWiderspruchzumReichskonkordatwerdendie katholischen Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen umgewan delt. SoBotsch.FranzvonPapen(vorm.Wien)wirdnachAnkaraversetzt. Von Hamburg aus tritt das KdFFlaggschiff „Robert Ley“ mit1700 UrlaubernseineersteNormalfahrtan,nachSpanien,Portugal,zuden AzorenundnachTeneriffa. Mi19.04.:RumäniensAMGafencukommtzueinemzweitägigenBe suchnachBerlinundwirdvonFRKHitlerinderneuenReichskanzlei empfangen. Hitler gedenkt Gafencu als Boten inLondonzunutzen undsagt:„Nungut,wennEnglanddenKriegwill,sollesihnhaben. AberdaswirdkeinleichterKriegsein,wieessichihnvorstellt,noch ein Krieg alter Art... Und es wird ein Zerstörungskrieg werden, wie keinePhantasieihnsichausmalenkann.“ 17Uhr.DieFeiernzuHitlersmorgigem50.Geburtstagbeginnenmit einer Vorstellung der SSJunkerschule Braunschweig im Mosaiksaal derReichskanzlei. 21Uhr.FRKHitlerfährtüberdieneue7kmlangeOstWestAchsein Berlin. 21.15Uhr.GenBauInspSpeermeldetHitleramGroßenSterndieFer tigstellungderOstWestAchse. Do20.04.: 8Uhr.InderRKsingtdieLeibstandarteSS„AdolfHitler“ zum50.GeburtstagHitlerseinStändchen. 11 Uhr. FRK Hitler nimmt auf der Ehrentribüne vor der TH Ber- lin eine vierstündige, auf Einschüchterung bedachte WeM- Parade auf der Ost-West-Achse ab. ErrichtungdesSSHAVerwaltungundWirtschaftunterOswaldPohl. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.20.04.: „Heute hat Adolf Hitler 50. Geburtstag. Das bekannte Flaggenmeer wogt. Und überall Truppenparaden. Auch nicht mehr der Jüngste... denktmanunwillkürlich.Imallgemeinenstelltmanihnsicheigentlich 55

‘alterslos’ vor. Ein Roboter ohne vegetative Eigenschaften. Ihn sich mit60oder70vorzustellen,gelingtüberhauptnicht.Dermildeweise alteHerraufdemBerghof,der pater patriae detisnichdrinn,sagtder Berliner.“ So23.04.:DerbritischeBotsch.SirNevilHendersonkehrtaufseinen BerlinerPostenzurück. WilliamShirer,London,Tgb.v.23.04.: „SendungmitLordStrabolgi[Oberhaus];meinHauptaspektwar,daß dasgesamteLebeninDeutschlandzwaraufdenKriegausgerichtetist, daß es aber Anzeichen für einen wirtschaftlichen Zusammenbruch gibt.Eisenistsoknapp,daßbereitsdieGrenzzäunedesReichsverrot ten.DieNervendesdeutschenVolkessindangespannt,unddieLeute wolleninkeinenKriegziehen.“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.23.04.: „WiedereinmaleinPresseangriffgegenmich!Eswarjaauchzulange Ruhe. Diesmal aber bin ich wenigstens in Gesellschaft, und zwar in ganzguter. In Westermanns Monatsheften , einst eine gutbürgerliche, etwas spießige, umBildungbeflisseneMonatszeitschrift,diesichjetztoffenbarstark gleichgeschaltet hat, werden Frank Thieß, Hans Fallada, Walter von Hollanderundichheftigbeschimpft.Einer,vermutlichausderGrup pe Dr. PayrHagemeyer, wahrscheinlich Payr selbst, wofür seine be sondersgenaueKenntnismeinerProduktionspricht,regtsichdarüber auf,daßwirAuotrenausder‘Systemzeit’,dienichtzudenneuenKul turträgern gehören, unentwegt im Film arbeiten oder mit unseren WerkenvomFilmverarbeitetwerden.Unerhört,meintderSchreiber, daßbraveNSDichter,dieinderKampfzeit‘ihreHautzuMarktetru genunddiesesReicherkämpfthaben’,hungernundaufihrenSachen sitzenbleiben, während diese ‘Systemdichter’ hochbezahlte Drehbü cher am laufenden Band schreiben oder ihre Urheberrechte an die staatlichenFilmproduktionenverkaufen. DasGequatschewäreganznebensächlich,wennnichtdieGefahrbe stünde, daß doch einige NSFunktionäre bei den Filmproduktionen kopfscheuwerden.WirvierAngegriffenenhabennunbrieflichundte lefonisch vereinbart, gar nichts gegen den Artikel zu unternehmen, 56

sondernweitermöglichstguteFilmefürmöglichsthoheHonorarezu schreiben.“ Di25.04.: PM Chamberlain äußert die Absicht, in Großbritannien die allgemeine Wehrpflicht einzuführen. ErnstJünger,Kirchhorst,Tgb.v.25.04.: „BeiderPostmeinWehrpaß,dendasBezirkskommandoCellesendet undausdemichersehe,daßderStaatmichindemRangeeinesLeut nantsz.V.inseinenListenführt.DiePolitikindiesenWochenerin nertandieZeitdichtvordemWeltkriege.“ Mi26.04.: RAM Ribbentrop verweigert den Empfang des zurückge kehrten britischen Botsch. Henderson, und so muß dieser StSAA Weizsäcker die geplante Einführung der Wehrpflicht in Großbritan nienerläutern:DieDemonstrationderStärkedienederErhaltungdes Friedens. FRKHitlerhateineUnterredungmitdemjugoslawischenAMMar kovic. Do27.04.: Ober- und Unterhaus billigen die Erhöhung der Soll- stärke der Armee und die Einführung der Wehrpflicht. Beson- ders Churchill verteidigt die Wehrpflicht gegen die ablehnende Labour-Opposition. ImReichsproektoratinPragernenntPräs.EmilHachaeineRg.aus Fachleuten.DieRessortsAMundVtMsindabgeschafft.Derfrühere AMChvalkovskywirdGes.inBerlin[!]. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.27.04.: „GroßestutsichinGroßbritannien!ChamberlainhatgesterndieEin führung der allgemeinen Wehrpflicht für England angekündigt. Sie sollam26.05.,alsoinvierWochenGesetzwerden. Siewerdenjetztwirklichwach,dieBriten!DasOpferderallgemeinen Wehrpflicht auf der Insel ist ein echtes Opfer, denn dort wird man nichtgernundfreiwilligSoldatwiebeiuns.DaßdieEngländerbereit sind,ihrerFreiheitundihremIndividualkultdiesesOpferzubringen, isteininteressantesSymptom.Sovielichweiß,hatEnglandnochnie inseinerGeschichtedieallgemeineWehrpflichtgekannt.“

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Fr28.04.: 12 Uhr. FRK Hitler erklärt in einer 2½-stündigen Rede vor dem RT die Kündigung des Nichtangriffspakts mit Polen und des Flottenabkommens mit Großbritannien - wegen der an- geblichen „Einkreisungspolitik“ dieser beiden Staaten gegen Deutschland. Zugleich tut Hitler den Appell von US-Präsident Roosevelt v. 14.04. zu einer Nichtangriffsgarantie Deutschlands und Italiens gegenüber 30 Staaten Europas und Vorderasiens ab: „Sie können daher Zeit und Muße finden, bestimmt durch die Größe Ihrer ganzen Verhältnisse, sich mit universalen Prob- lemen zu beschäftigen... meine Welt, Herr Präsident, ist die, in die mich die Vorsehung gesetzt hat, und für die ich daher zu ar- beiten verpflichtet bin. Sie ist räumlich viel enger. Sie umfaßt nur mein Volk.“ Hitler fordert von Polen die Rückgabe Danzigs und die Schaffung eines exterritorialen Zugangs nach Ostpreu- ßen. Großbritannien erklärt seine Bereitschaft zu einer Nichtangriffs- vereinbarung mit Deutschland, damit dieses sich nicht bedroht oder eingekreist fühlen müsse. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.28.04.: „HitlerhatheuteimRT...inBeantwortungvonRooseveltsAppelldie Versicherung abgegeben, daßerdieübrigenunabhängigenNationen inEuropanichtangreifenwerde.EineäußerstclevereAntwortanden Präs.,wieichdenke,dennsiezieltgenauaufdieSympathienderAp peasementAnhängerundNewDealGegnerzuHausesowiederjeni gen in Großbritannien und Frankreich...Und: ‘Es ist offenbar der Aufmerksamkeit von Herrn Roosevelt entgangen, daß Palästina zur ZeitnichtvondeutschenTruppenbesetztist,sondernvonbritischen.’ UndsoweiterinseinersarkastischenArt,dieermitmeisterlicherAtti tüde HitlerwarheutewiedereingroßartigerSchauspielerbiszur letztenironischenNuanceausspielte...ErgabeinglänzendesBeispiel seiner Technik,verwickelteFragenderLächerlichkeitpreiszugeben... UnterdenEingeweihtenhiernochimmererheblicheZweifel,obHit lerwegenDanzigeinenWeltkriegbeginnenwird.“(S160161) Sa29.04.:IndenUSAmehrensichnachderAusstrahlungderHit lerRedeimRundfunkdiekritischenStimmengegen„Ungenauigkei 58

ten“inderBotschaftvonPräs.Rooseveltundgegeneine„Hysterie“ gegenüberHitlersowiefüreineIsolationspolitikWashingtons. So30.04.: Ein Gesetz erlaubt die fristlose Kündigung jüdischer Mieter aus ihren Wohnungen . Vor der Kündigung eines jüdi- schen Mieters muß der Vermieter der Ortsbehörde nur die Be- scheinigung einer Wohnung in einem „Judenhaus“ vorlegen. Die Ortsbehörden können Juden mit gebührenpflichtigen Zwangsverträgen in freie Zimmer der „Judenhäuser“ einweisen. Juden können ferner zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Mo01.05.:AufhebungderAufnahmesperrederNSDAP. RJFSchirach,RMVPGoebbelsundFRKHitlersprechenzumnatio nalenFeiertagvorüber100000HitlerjungenimOlympiastadion. RMVPGoebbelshältbeiderFestsitzungderReichskulturkammerim DeutschenOpernhausinBerlindieFestredezurZwangsvereinigung der deutschsprachigen Kultur in Altreich, „Ostmark“ und Sudeten land. Di02.05.: Die ersten Steuergutscheine nach dem neuen Finanzplan werdenausgegeben.SiegeltenalsZahlungsmitteldesReicheszurspä teren Verrechnung. Mit 50 Mio RM will die RRg ein Aufbaupro gramm im Memelland fördern. Memel soll zur zweitgrößten Stadt Ostpreußensausgebautwerden. Die Reichsautobahn BreslauBrünnWien und die Fernstraße Prag BrünnwerdeninAngriffgenommen. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.02.05.: „WährendmeinessinnlosenTripsnachMünchenhatsichpolitischei nigesereignet.HitlerhatimRTeinegroßeaußenpolitischeRedege halten,diesmalnichtungeschickt,abernatürlichwiederdiealteLeier abspielend.WarumernachPraggehenmußte,natürlichumEuropa zubefrieden.DaßermitEnglandgutFreundseinmöchte,wasjadas Flottenabkommenbewiesenhabe.DaßerFrankreichdasElsaßgaran tierthabe,auchdasumdesliebenFriedenswillen,unddaßerPolenja immerwiederFriedenundFreundschaftangebotenhabe. AberschonamnächstenTagwurdeeinlangatmigesMemoranduman Polenveröffentlicht,dessenGeschwätzigkeitmananmerkt,daßHitler 59

derAutoristundausdemdieganzeWutHitlerserkennbaristüber denBeistandspaktEnglandsundFrankreichsanPolenfürdenFallei nes Angriffs seitens des Reiches. Das scheint Hitler einen dicken Strich durch seine Rechnung gemacht zu haben, damit hatte er, zu mindestindieserfeindlichenDeutlichkeit,wohlnichtgerechnet. Nachdem das Memorandum die glänzenden Beziehungen zwischen HitlerundPolenindenletztenfünfJahrendargelegt,heißtes: ‘MitdieserfeierlichenErklärungstehtdiejetztvonderpolnischenRg. mit der britischen Rg. abgeschlossene Vereinbarung in einem soof fenkundigenWiderspruch,daßdiedeutscheRg.voneinersoplötzli chen und radikalen Schwenkung der polnischen Politik nur mit Er staunenundBefremdenKenntnisnehmenkann.’ UndnundrehtHitlermitnaiverUnbekümmertheiteinfachdenSpieß um:nichtPolensollsoderPaktmitEngland!voreinemeventuel lendeutschenAngriffdurchdenBeistandEnglandsgeschütztwerden. Nein: ‘AusdervonderpolnischenRg.jetztübernommenenVerpflichtung ergibt sich, daß Polen in einem etwaigen deutschenglischen Kon flikt...gegebenenfallsauchdanneinzugreifenbeabsichtigt,wenndieser KonfliktPolenundseineInteressenüberhauptnichtberührt.Dasist ein direkter und flagranter Verstoß gegen den in der Erklärung von 1934vereinbartenVerzichtaufjedeAnwendungvonGewalt.’ HitlerunterstelltalsonurdenFall,daßDeutschlandvonEnglandan gegriffenwird,wasbeiGottunwahrscheinlichist,unddaßdannPolen denarmenDeutschenindenRückenfallenwürde.Weiterheißtesin demMemorandum: ‘MitdiesemneuenBündnishatsichdiepolnischeRg.einervonande rerSeiteinauguriertenPolitikdienstbargemacht,diedasZielderEin kreisungDeutschlandsverfolgt...DiepolnischeRg.hatdamitdieEr klärung vom 26.01.1934 (Nichtangriffspakt) willkürlich und einseitig außerKraftgesetzt.’ ZumSchlußwiederholtHitlerseinealtenForderungenundVorschlä geanPolen: a)RückkehrDanzigszumReich. b) Exterritoriale Eisenbahn und Autoverbindung zwischen Ostpreu ßenunddemReich. 60

c)AnerkennungdesganzenpolnischenKorridorsunddergesamten polnischenWestgrenzendurchDeutschland. d)AbschlußeinesNichtangriffspaktsfür25Jahre. Die Forderungen und Vorschläge sind weder unvernünftig noch, glaubeich,seitensPolenunerfüllbar.Siekorrigierentatsächlichaufdie DauerunhaltbareBestimmungendesVersaillerVertrages.Fragenur: IstHitlersVorschlagehrlichgemeint?WillermitPolentatsächlichzu einer friedlichen Regelung kommen? Oder plant er in Wirklichkeit schondenKrieggegenPolenundwillsichnureinAlibiverschaffen?“ Mi03.05.: Stalin löst AKom Maxim Litvinov, ein Jude und seit 1928 amtierender Exponent einer Politik der kollektiven Sicher- heit mit dem Westen, durch Vjatscheslav Molotov ab, der das Amt als Rg.-Chef mitwahrnimmt. Nach dem Schweigen Groß- britanniens und Frankreichs auf das Litvinov-Bündnisangebot vom 16.04. sind die Würfel zu einer deutschfreundlichen sowjeti- schen Außenpolitik gefallen. Molotov ist seit dem Münchner Abkommen von der mangelnden Kampfbereitschaft der West- mächte gegen Deutschland überzeugt. Do04.05.:DieAblösungdesjüdischeAKomMaximLitvinov(urspr. Meir Wallach) durch Vjatscheslav Molotov abgelöst trifft die West mächteunerwartet.DieRRgsiehtnundieMöglichkeiteinerAnnähe rungDeutschlandsandieUdSSR. InDanzigbegehtdiepolnischeVolksgruppedenNationalfeiertagPo lensmiteinerKundgebung,aufderfürPolensfreienOstseeZugang unddieRechtederDanzigerPolendemonstriertwird. ImwürttembergischenKönigsbronnItzelberglässtderSchreinerGe orgElsereinenSteinaufseinenFußfallen,umnichtmehrimStein bruchvonGeorgVollmerarbeitenzumüssen.Elsergibtgegenüber Vollmeran,ermüsseeineArbeitinMünchensuchen.IneinemGes tapoProtokoll vom November1939werdenangeblichbeiElserge fundene Sprengkapseln dem Inventar der Steinbruchfirma Vollmers zugeordnet. Fr05.05.:RMVPGoebbelsweistdiePressean,„absofortdiePolemik gegendieSowjetunionunddenBolschewismus“einzustellen. 61

Sa06.05.: AM Graf Ciano übergibt in Mailand RAM Ribbentrop ein Memorandum,dasdieNotwendigkeitunterstreicht,wenigstensinden nächstendreiJahreneinenKriegzuverhindern.OffiziellerAnlaßder Konferenzistdie„Einkreisungspolitik“derWestmächte,dieDeutsch landbedrohe. DiedeutschenBotsch.inLondonundParis,vonDirksenundGraf Welczek,kehrenaufihrePostenzurück. Mo08.05.: Im Unterhaus erklärt PM Chamberlain, daß die britische Rg.einefreundschaftlicheRegelungüberDanzigvorziehe.Einepoli tischeÄnderungdesStatusderFreienStadtDanzigseiSachePolens und Deutschlands. Diese Einstellung Großbritanniens sei der polni schenRg.bewußt. Jüdische Reisebüros dürfen nur noch die Auswanderung von Juden organisieren. GenInsp/DtStrwTodtnimmtdenerstenSpatenstichderReichsauto bahnSalzburgvor. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.08.05.: „InRußlandeinewohlbedeutsameVeränderung:anStellevonLitvi nov ist der Vors. des Rats der Volkskommission, Molotov, AM ge worden. Der polnische AM Beck hat auf das deutsche Memorandum geant wortet.UnsereZeitungenveröffentlichennurAuszügeausderRede. ManbezeichnetdieAntwortbeiunsalsausweichendundhinhaltend. Wassiewohlauchistundseinsoll.BeckhatnunalleGarantiendes WestensundkanndenDingeninRuheentgegensehen.Erscheintes für ausgeschlossen zu halten, daß nach den Verträgen mit England undFrankreichHitlernocheinenAngriffaufPolenwagenwird,der den Zweiten Weltkrieg auslösen müßte. Mir erscheint das leider gar nichtsoausgeschlossen.Eskannsein,unddieswäreeinVerhängnis, daß Hitler, etwa beeinflußt von dem törichten Ribbentrop am ge fährlichsten sind in der Politik wohl dumme Männer, noch gefährli cheralsHysteriker!dieenglischfranzösischeGarantieanPolenfür Bluffhält.DaswäredannderKrieg. Gestern haben sich nunRibbentropundGrafCianoinMailandge troffenunddort‘diegegenwärtigeLageeinersorgfältigenPrüfungun 62

terzogen’,wieesindemnichtssagendenKommuniquéheißt.Diebei den Aristokraten haben beschlossen, ‘der engen Verbundenheit der beidenVölkerdurcheinenumfassendenpolitischenundmilitärischen PaktAusdruckzugeben...umdamitinwirksamerWeisezumSiegdes FriedensinEuropabeizutragen’. Wassolldas?...Glaubtman,damitdemWestenimponierenodergar ihninAngstundSchreckenversetzenzukönnen? Spanien ist heute aus dem Völkerbund ausgetreten. Auch das, nach FrancosSieg,eineSelbstverständlichkeit.“ Di09.05.: Als Reaktion auf die britischen Avancen an die UdSSR schlagen in Tokio Japans AM und KrM ein Militärbündnis mit Deutschland,ItalienundSpanienvor. Mi10.05.:InLondonversuchtAMLordHalifaxineinerUnterredung mitdemsowjetischenBotsch.dieUdSSRzueinemmilitärischenBei standspaktmitPolenundRumänienzugewinnen.Halifaxistzuder vonMoskaugewünschtenZusagebereit,daßGroßbritannienimFall der Bedrohung der beiden Länder zuerst militärische Hilfe leisten würde. Do11.05.:PMChamberlainsagtinderLondonerAlbertHall,esgebe keine britische Absicht, Deutschland zu isolieren oder einzukreisen. EshabesichaberderVerdachtverstärkt,daßDeutschlandmitderEr richtungdesPragerReichsprotektoratseineaggressivePolitikzurBe herrschung der Welt begonnen hat. Großbritannien und Rumänien schließeneinWirtschaftsabkommen. FRKHitlersetztStSRWiM+RbkDirRudolfBrinkmannab. USPräs. Roosevelt empfängt nach Ende des Weltschriftstellerkon gressesKlausMann,ErnstToller,AlfredDöblin,ArnoldZweig,Fer dinandBruckner,AnnetteKolb,HubertusPrinzzuLöwensteinund RaoulAuernheimerimWeißenHaus. USGeschäftsträgerAlexanderKirk,Berlin,BerichtandasUSAMv. 11.05.: Das neue Mietrecht gestattet es den Gemeindebehörden, „jüdische Hausbesitzer oder jüdische Mieter in einem in jüdischem Besitz be findlichenHausdazuzuzwingen,leereZimmeroderRäumlichkeiten, 63

diesiefürihreneigenenBedarfnichtzubenötigenschienen,beiihnen anzumelden.LetzterekönnendannauchgegenihrenWillendazuge zwungenwerden,dieseRäumeanandereJudenzuvermieten,dieaus ‘arischen’Häusernvertriebenwerdensollen.DieörtlichenBehörden könnendieBedingungendieserunfreiwilligenVerträgefestsetzenund fürdiesenDiensteineGebührerheben.“ Fr12.05.:GroßbritanniengibtderTürkeieinvorläufigesBeistandsver sprechen.GeplantisteinVerteidigungspakt„zurKonsolidierungdes Friedens“aufdemBalkanundimMittelmeerraum.DieRRgzähltdie Türkeinunzuden„Einkreisungsmächten“. PMChamberlainberichtetimUnterhausvomPlaneinerAnsiedlung mitteleuropäischerFlüchtlingeinBritischGuayana. Derns.SenatvonDanzigverbieteteinepolnischeKundgebungzum TodestagvonMrschallPilsudskiundweisteinendagegengerichteten ProtestderpolnischenRg.zurück.Zugleichmeldeter„provokative“ ÜbergriffepolnischerSoldatenundZollinspektoren.EinPolitikerder deutschenVolksgruppeprotestiertinWarschaugegendieangebliche AussiedlungvonDeutschenausdemdeutschpolnischenGrenzgebiet. DeutscheunditalienischeTruppennehmeninMadridanderSieges paradevonFrancosLuftwaffeteil. Sa13.05.: Der Leiter der Deutschen Evangelischen Kirchenkanz- lei ordnet an, daß das Deutsche BeamtenG v. 26.01.37, das alle Mischlinge aus dem Staatsdienst ausschließt, auf Geistliche und Kirchenbeamte angewandt wird, getaufte Juden und Mischlinge also von Berufen in der Kirche ausgeschlossen werden. FrankreichsAMBonnettrifftzuzweitägigenVerhandlungeninLon donein. InHamburgtrittderHapagLuxusdampfer„St.Louis“mitfast1000 JudenanBordeineIrrfahrtan,dieLandunginKubawirdverwehrt, die Fahrt endet am 18.06. in Antwerpen. Großbritannien nimmt knapp 300 Juden auf, etwa 600 von Frankreich, Belegien und den Niederlanden aufgenommene werden bis 1945 in deutschen Lagern ermordet. Bei der Eröffnung des Hauses des Deutschen Rechts in München kündigtRLHansFrankdieSchaffungeinesDtVolksGBan. 64

ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.13.05.: „Ich denke dauernd anBaronv.d.HeydtsRatundWarnung.Wenn tatsächlichder23.08.alsersterMobilmachungstagfeststeht,mußich michverdammtbeeilen.Kaibitzbisdahinbewohnbarzumachen... InAnkaraundLondonistheuteeinbritischtürkischerBeistandspakt bekanntgegebenworden.ChamberlainsprachimUnterhaus.Diepoli tischeAktivitätder‘Anderen’istseitPragundAlbanienwirklichfrap pant.KeinZögernmehr,keineVerschlafenheit!Allesfolgtsozusagen SchlagaufSchlag.WieübereiligmaninLondonvorgeht,umkeinen Tagzuverlieren,istdarausersichtlich,daßderVertragmitdenTürken nochgarnichtfixiertundoffenbarnochgarnichtzuEndeberatenist. EsheißtinderErklärungChamberlains: ‘Eswirdvereinbart,daßdiebeidenLändereinengenauabgegrenzten langfristigenVertragimInteresseihrernationalenSicherheitabschlie ßenwollen...EswirdvonbeidenRg.enanerkannt,daßgewisseDinge (!)einegenauerePrüfungerfordern,ehederendgültigeVertragfestge legtwerdenkann.’ OffensichtlichwillmanumjedenPreisersteinmalHitlerundMusso liniklarmachen,wasimMittelmeerundimBalkanpassiert,wenndie Achsenmächte angreifen sollten. Ich habe das dunkle Gefühl, daß auch Herrn Chamberlains Geheimdienst der 23.08. nicht unbekannt ist.Sowassprichtsichherum.“ Mo15.05.:DieSSerrichtetdasKZRavensbrückzurInternierungvon Frauen(Vorläufer:dieKZMoringenbzw.Lichtenburg). DieGeheimeStaatspolizeiGeheimesStaatspolizeiamtinderPrinz AlbrechtStraße 8 (Fernsprecher: 120040) lädt Erich Ebermayer für den 19.05. 11 Uhr „zu einer Besprechung“ ins Dienstgebäude Wil helmstraße101,Zimmer54. ImMailebenlautVolkszählungnoch213000VolljudenimReich. Di16.05.:DiebritischeRg.läßtAKomMolotovneueVorschlägezur gemeinsamenpolitischenAbwehreinerAggressionundfüreinMili tärbündniszwischenGroßbritannien,FrankreichundderUdSSRzu gehen.DermiliträischeBeistandsollPolen,Rumänien,dieTürkeiund diebaltischenStaaten[!]sichern. 65

NachBesichtigungeninderEifelundanderMoselsetztFRKHitler seineWestwallInspektionenfort.GemeinsammitRLsundGLsläßt ersichvonOBHvonBrauchitschunterrichten. EsfindetdieersteZiehungderDeutschenReichslotteriestatt. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.16.05.: „...einebensounverständlicheswieerschreckendesSchreibenderGes tapo... DerstarhlendeFrühlingstagverdunkeltsich.Waskanndawiederlos sein? Ich fahre sofort zu Freund Külz ins Büro. Er läßt mich nicht warten,daichihmschonamTelefonsagte,wasgeschehenist.Derer fahreneAnwaltmachteinbedenklichesGesicht,nachdemerdieVor ladung genau gelesen. PrinzAlbrechtStraße klingt nicht gut. In der PrinzAlbrechtStraßesinddieberüchtigtenKeller,indenengefoltert wird, das weiß ganz Berlin. Die PrinzAlbrechtStraße ist sozusagen die höhere Stufe zum Alexanderplatz. Bisher bin ich ja zweimal [!?] durchdasGitterderKorridoreamAlexanderplatzwiederunbeschä digtherausgekommen. Aberdiesmal? DasPbeimGeschäftszeichendeutetdaraufhin,daßessichumeine UntersuchungodereinVerfahrenhandelt,dasdurcheinePerson,de renNamemitPbeginnt,ausgelöstwurde,daßein‘P’alsoderAnzei generstatterist.Dabraucheichfreilichnichtlangezugrübeln.Natür lich handelt es sich um meinen alten Feind und einstigen Jugend freundDr.BernhardPayr...EsdürftesichalsoumirgendeineAngele genheit des ‘Schrifttums’ handeln. Vielleicht will man eines meiner neuenBücherodereinesderStückeverbieten? Einigermaßen beruhigt verlasse ich Freund Külz.Errätmir,wieje desmalvoreinemGangzurGestapo,damitzurechnen,daßichnicht gleichwiederkommenwerde.Besseristbesser!Ichbitteihn,wennes nötig werden sollte, sich an Bouhler, Winifred Wagner in Bayreuth oder Emmy Göring zu wenden. Mit Bouhler stehe ich jetzt ja viel freundschaftlicheralsvorJahren.DiebeidenFrauenhabeninThea ter, Film und Schriftstellerkreisen den Ruf großer Hilfsbereitschaft underreichenauchgelegentlichetwasgegendieWillkürderGestapo. Freilichnichtimmer!“ 66

Mi17.05.:GroßbritannienbegrenztweiterdieEinwanderungvonJu deninsMandatsgebietPalästinaauf75000indennächstenfünfJah ren. Volks und Berufszählung: Im Altreich leben 69,32 Mio Einwohner (Berlin:4,34Mio),imGroßdeutschenReich(inkl.Reichsprotektorat) 89,94 Mio. Es gibt insgesamt 4469011 Betriebe. Ihrer Dienstpflicht kommenderzeit1,3MioSoldaten,ArbeitsmännerundArbeitsmaiden nach.48,6%sindevangelisch,45,7%katholisch,3,1%„gottgläubig“, 330500 Juden. „Jüdische Mischlinge 1. Grades“ 71100, „2. Grades“ 41500.

Do18.05.(Himmelfahrt):Norwegen,SchwedenundFinnlanderklären, daßsiesichnichtvonDeutschlandbedrohtfühlen.Nichtangriffsab kommenmitDeutschlandseiendeshalbnichterforderlich.Dänemark istzumAbschlußeinesNichtangriffspaktsbereitundimKonfliktfall zustrikterNeutralität. ErichEbermayer,Bayreuth,Tgb.v.18.05.: „Heutefrühnatürlichsofortwiedernach‘meinem’Kaibitz...Imande renWagen,obwohlHimmelfahrt,kommendieChefsderFirmenaus Bayreuthheraus,diedieMaurer,dieElektro,dieMalerarbeitenaus führensollen...Allesindnuretwaserstaunt,als‘derDoktorausBerlin’ immer wieder erklärt, am 23.08.müßtensämtlicheArbeitenbeendet sein...“ Fr19.05.:FRKHitlerbeendetseineWestwallFahrtmiteinerInspekti on zwischen Kehl und Lörrach. Er dankt besonders dem OBHG2, GenvonWitzleben,undGenBauInspTodt. RMVPGoebbelssagtbeieinerKundgebungindenKölnerMessehal len:„DerFührer...willwirkichdenFrieden.DieWahlliegtbeidenan deren,nichtbeiuns.WirsindbewaffnetbisandieZähneundvertrau enblindaufdenMann,derDeutschlandausseinemtiefstenFallvon 1919zurHöhevon1939emporführte.“ InLeipzigeröffnetderTagdesdeutschenRechtesmitRedenvonRL Bouhler,RJMGürtnerundRFNSRB+RMFrank. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.19.05.: „UmeinigeErfahrungenreicher!Wiedersteheicheigentlichvorder Frage,zuemigrieren,wiedamalsimMai1933nachdemVerbotmei 67

ner Bücher, wie ein Jahr später nach dem schweren Angriff im ‘SchwarzenKorps’gegenmich,indemeshieß‘FürErichEbermayer istkeinPlatzmehrimdeutschenSchrifttum’. Merkwürdig!DiesmalgingicheigentlichohneAngstzurVernehmung durchdieGestapo.IchhatteeinsoreinesGewissen!Aberwerkann sichheutzutageaufeinreinesGewissenverlassen?Ichfühltemichso sicher.ZumalmirVerboteoderUnterdrückungmeinerArbeitenall mählichziemlichgleichgültiggewordensind. ZunächstließsichdieSacheauchganzharmlosan.Mangehtinder PrinzAlbrechtStraße nicht durch ein Gitter, man braucht keinen Schein auszufüllen, der dann vom Vernehmer unterschrieben wird und ohne dessen Unterschrift man automatisch zum Gefangenen wird.HierempfingmichineinemnormalenBüroeineleidlichhöfli cheSekretärin,meldetemichbeimHerrnRRanundbat,zuwarten. Daichvergessenhatte,miretwaszulesenmitzunehmen,nutzteich dieZeitundmachteendlicheinmalinmeinerzustarkauftragenden BrieftascheOrdnung.IchzerrißunwichtigesZeugs,alteRechnungen, überholteAdressen,undwarfdieSchnitzelindenAschenbecher,der aufdemTischstand.NacheinerWeilenahmdieleidlichhöflicheSek retärin den Aschenbecher und trug ihn ins Nebenzimmer zu ihrem Chef.WieblinddochderMenschimAugenblickseinerGefahrist! DannwurdeichindasBürodesRRDr.Altenlohgerufen.Ichzeleb riertedendeutschenGrußundnahmaufeinenWinkdesRRzwischen zweiHerrenPlatz.MeineBlindheithieltnochimmeran,dennichver suchte,michdenbeidenHerren,dierechtsundlinksziemlichnahbei mirsaßen,vorzustellen.AnihrensturenregungslosenGesichterner kannteich,daßesGestapoleuteniederenGradeswaren.Jetzterstbeg riff ich, daß sie dazu neben mir postiert waren, um mich auf einen WinkihresChefshinfestzunehmenundabzuführen. Seltsam, daß ich...keine Angst bekam. Im Gegenteil... nur eine kalte Wutstieginmiraufundeswarmirklar,daßderjungeMannhinter demSchreibtischnuraufeineUnbeherrschtheitvonmirwartete,um michzuverhaften. Erbrülltebereits...derrichtigeTon,umseineOpferersteinmaleinzu schüchtern. Der Anlaß zu meiner GestapoVernehmung war lächer lich...VoreinigenMonatenwarindervonDr.PayrundDr.Hage meyerhg.Zs. Bücherkunde einbesondersdummerundniveauloserAn 68

griffgegenmicherschienen,dernocheinmalalldenUnsinnwieder holteichseiein‘Judenknecht’,Angestellter(!)einesjüdischenVer lags,meineBücherseien‘pazifistisch’und‘amoralisch’allesalso,was PayrschonvorfünfJahrenim Schwarzen Korps vonsichgegebenund woraufDr.Goebbelsverfügthat,esbestündenseitensdesMinisteri umskeinerleiBedenkengegenmeinliterarischesWirken... NunalsogabderscharfeHerrmirgegenüberzu,daßdieBeschwerde gegenmichbeiderGestapovonDr.Payrerstattetsei.Ichhätteinei nemBriefandieRedaktionder Bücherkunde infrecher,unverschämter undironischerWeisemichsowohlgegenDr.Payralsauchgegendie Zs.ansichgeäußert.DieZs.aberwerdevoneinemRM,einemMit gliedderRRg,nämlichDr.Rosenberg,herausgegeben,somithätteich dieRRgbeleidigt... ErschlugdenAktzu. ‘Ich erteile Ihnen hiermit eine staatspolitische Verwarnung. ImWie derholungsfallhabenSiemitstaatspolizeilichenMaßnahmenzurech nen.HeilHitler!’ ‘HeilHitler’ ErstdraußenaufderStraßeließdieNervenanspannungnach.Ichsaß lange in meinem Wagen, ehe ich losfuhr, rauchte und fühlte mich elend. Abends ...ErstjetztsagtmirKülz,daßerdasSchlimmstebefürchtethabe.Al tenloh sei einer der Schlimmsten und verhafte am laufenden Band. Natürlich hätte er, Külz, mich wieder aus dem KZ herausgebracht, aber weiß Gott, wann. Sein Ehrgeiz wäregewesen,stattmeinerden Dr.Payrhineinzubringen,wasdurchausimBereichdesMöglichenge legenhätte.Aberebennurdann,wennmanmichihnetatsächlichen Grundverhaftethätte,wennmandannandere‘Mächtige’fürmichin teressiert und den ganzen Skandal dieses rein persönlichen Jugend freundHassesaufgerollthätte. ...telefoniere mit den Freunden. Ich höre kein Knacken im Telefon, aber vielleicht haben sie jetzt eine Technik erfunden, daß man die Überwachungnichtmehrerkennt.Dassollmichnichtstören.Trotz demhatM.,demdaseinSportist,füralleFälleebengeäußert,daß ‘unsergeliebterFührereinesolcheUngerechtigkeitnie,niezugelassen 69

hätte’, und ich gab ihm recht. ‘Schließlich leben wir ja in einem Rechtsstaat’,meinteich.FürsProtokoll. ErnsterwareinGesprächmitBouhler.Icherzählteihmalles,erwollte es ganz genau wissen... Ich beschwerte mich weniger über Payrs dummeGehässigkeit,dieichjaschonkenne,alsüberdenrüdenTon diesesRRAltenloh.BouhlerließsichdenNamenbuchstabieren. Ichbintodmüdeundtrinkekräftig,umzuvergessen.Eigentlichhabe ich wieder einmal genug von diesem Deutschland. Aber man muß durchhalten.Manmußdurchhalten!“ So21.05.(Muttertag): Zum erstenmal wird im Reich das Ehrenkreuz derDeutschenMutterverliehen. Nachmittag.FRKHitlerempfängtinderNeuenRKAMGrafCiano zueinerlängerenAussprache.

Mo22.05.: Offensives Militär- und Rüstungsbündnis Deutsch- land-Italien („Stahlpakt“) zur Eroberung von „Lebensraum“ an- läßlich des Berlin-Besuchs von AM Graf Ciano. Artikel IV: „Wenn es entgegen den Wünschen und Hoffnungen der Ver- tragsschließenden dazu kommen sollte, daß einer von ihnen in kriegerische Verwicklungen mit einer anderen Macht gerät, wird ihm der andere Vertragsschließende sofort als Bundesgenosse zur Seite treten und ihn mit allen seinen militärischen Kräften zu Lande, zur See und in der Luft unterstützen.“ Artikel V: „Die Vertragsschließenden verpflichten sich schon jetzt, im Falle ei- nes gemeinsam geführten Krieges Waffenstillstand und Frieden nur in vollem Einverständnis miteinander abzuschließen.“ FRK Hitler deutet aus Gründen seiner Geheimhaltungstaktik Ciano gegenüber an, daß er erst 1943 oder 1944 mit einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Westmächten rechne. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.22.05: „DeutschlandundItalienhabennun,wasvölligunnötigist,einenof fiziellen‘FreundschaftsundBündnispakt’abgeschlossen...Immerhin heißtesinArtikelIVrechthübschdeutlich:...“

Di23.05.: Mittags. Für den verstorbenen Gen/Kav und SSOGF Friedrich Graf von der Schulenburg (seit 1930 NSDAP) findet im 70

Potsdamer Lustgarten das Staatsbegräbnis statt. Brauchitsch hält die Gedenkrede. Nachmittag. FRK Hitler erläutert im Arbeitszimmer der Neuen Reichskanzlei ChOKW GOb Wilhelm Keitel, OBH GOb von Brauchitsch, OBL GFM Hermann Göring, OBM GrAdm Erich Raeder, StSRLfM Gen Erhard Milch, GStCh/H Gen Franz Hal- der und 7 weiteren GSt-Offizieren seine Angriffspläne gegen Po- len. Er verpflichtet sie zur Geheimhaltung auch gegenüber den Verbündeten Italien und Japan. ChAjtW/F Ostlt dG Rudolf Schmundt, „Bericht über die Bespre chungam23.05.1939“: „Ort:ArbeitszimmerdesF,NeueReichskanzlei DiensttuenderAdjutant:OstltdGSchmundt Beteiligte:DerF,FMGöring,GrAdmRaeder,GObv.Brauchitsch, GObKeitel,GObMilch,GenArtHalder,GenBodenschatz,KtrAdm Schniewindt, Ob iG Jeschonneck, Ob dG Warlimont, Ostlt dG Schmundt,HptEngel,KorKptAlbrecht,Hptv.Below. Gegenstand:UnterrichtungüberdieLageundZielederPolitik... Esheißtvielmehr,dieUmständedenForderungenanzupassen.Ohne Einbruch in fremde Staaten oder Angreifen fremden Eigentums ist diesnichtmöglich... NationalpolitischeEinigungderDeutschenisterfolgtaußergeringen Ausnahmen.WeitereErfolgekönnenohneBluteinsatznichtmehrer rungenwerden... DanzigistnichtdasObjekt,umdasesgeht.Eshandeltsichfüruns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung derErnährung,sowiedieLösungdesBaltikumProblems... PolensiehtineinemSiegeDeutschlandsüberdenWesteneineGefahr undwirdunsdenSiegzunehmenversuchen.EsentfälltalsodieFra ge,Polenzuschonen,undbleibtderEntschluß,beiersterpassender GelegenheitPolenanzugreifen. An eine Wiederholung der Tschechei ist nicht zu glauben. Es wird zumKampfkommen.Aufgabeistes,Polenzuisolieren... Es darf nicht zu einer gleichzeitigen Auseinandersetzung mit dem Westen(Frankreichu.England)kommen. 71

Ist esnichtsicher,daßimZugeeinerdeutschpolnischenAuseinan dersetzungeinKriegmitdemWestenausgeschlossenbleibt,danngilt derKampfinersterLinieEnglandundFrankreich... EinBündnisFrankreichEnglandRußlandgegenDeutschlandItalien Japan würde mich veranlassen, mit einigen vernichtenden Schlägen EnglandundFrankreichanzugreifen... DieholländischenundbelgischenLuftstützpunktemüssenmilitärisch besetzt werden. Auf NeutralitätsErklärungen kann nichts gegeben werden... Belgien und Holland werden, wenn auch protestierend, dem Druck nachgeben... JedeWeMbzw.StaatsführunghatdenkurzenKrieganzustreben.Die StaatsführunghatsichdagegenjedochauchaufdenKriegvon10bis 15jährigerDauereinzurichten... Gelingt es, Holland und Belgien zu besetzen und zu sichern sowie Frankreich zu schlagen, dann ist die Basis für einen erfolgreichen KrieggegenEnglandgeschaffen. DieLuftwaffekanndannvonWestfrankreichausdieengereBlockade Englands,dieFlottemitdenUBootendieweitereübernehmen. Folgen: EnglandkannaufdemKontinentnichtkämpfen,dietäglichenAngrif fe der Luftwaffe und Kriegsmarine zerschneiden sämtliche Lebens adern.DieZeitentscheidetgegenEngland... AusdemWeltkriegergebensichdiefolgendenverpflichtendenRück schlüssefürdieKriegführung: 1. Bei einer stärkeren Kriegsmarine zu Beginn des Weltkrieges oder einesAbdrehensdesHeeresaufdieKanalhäfenhättederKriegeinen anderenAusganggenommen. 2.EinLandistdurchdieLuftwaffenichtniederzuzwingen... 3.WichtigistderrücksichtsloseEinsatzallerMittel. 4.HatersteinmaldasHeerimZusammenwirkenmitderLuftwaffe undKriegsmarinediewichtigstenPositionengenommen,dannfließt die industrielle Produktion nicht mehr in das DanaidenFaß der SchlachtendesHeeres,sondernkommtderLuftwaffeundKriegsma rinezugute. ...JedeWaffeträgtdieschlachtentscheidendeWirkungnursolangein sich,alssiederFeindnichtbesitzt. 72

DasgiltfürGas,UBooteunddieLuftwaffe.Fürdieletzteretrafdas zu, solange z.B. bei der englischen Flotte keine Abwehr vorhanden war,daswird1940und1941nichtmehrzutreffen.GegenPolenz.B. wird dieTankwaffewirksamsein,daderpolnischenArmeedieAb wehrfehlt... ...3.ZumStudiumderschwachenStellendesGegners. DieseStudiendürfennichtdenGeneralstäbenüberlassenwerden.Die Geheimhaltungistdannnichtmehrgewährleistet. Der F hat sich daher entschlossen, einen kleinen Studienstab beim OKW zu befehlen, der Vertreter der 3 WeMTeile enthält und von FallzuFalldie3OBbzw.GStCheinbezieht. DerStabhatdenFaufdemlaufendenzuhaltenundzuunterrichten. Der Studienstab übernimmt die geistige Vorbereitung der Operatio nenimhöchstenGradeunddiesichzwangsläufigdarausergebenden VorbereitungenintechnischerundorganisatorischerBeziehung. DerZweckbestimmterAnordnunggehtaußerhalbdesStabeskeinen etwasan... Wir werden nicht ineinenKrieghineingezwungenwerden,aberum ihnherumkommenwirnicht. DieGeheimhaltungistdieentscheidendeVoraussetzungfürdenEr folg.AuchItalienundJapangegenübermußdieZielsetzunggeheim bleiben... AufAnfragedesFMGöringbestimmtderF,daß a)dieWeMTeilebestimmen,wasgebautwird; b)andemSchiffsbauprogrammnichtsgeändertwird; c)dieRüstungsprogrammesindauf1943bzw.1944abzustellen.“ Mi24.05.: Die britische Rg. kommt dem Wunsch des sowjetischen AKomMolotovsnacheinemförmlichenDreimächtepaktunterEin schluß Frankreichs entgegen. PM Chamberlain hatte sich dem Vor schlagvonAMLordHalifaxnachdessenUnterredungeninParisund Genfnurwiderwilliggefügt. Do25.05.:RMVPGoebbelskonsultiertFRKHitlerwegenderWeiter beschäftigungjüdischerund„versippter“Schauspielerundläßtnotie ren, daß hinsichtlich der „Weiterbeschäftigung von 21 nicht vollari schen oder jüdisch versippten Schauspielern bzw. Filmschauspie 73

lern...AufGrundderEntscheidungdesFührerssindsou.a.derHalb judeHenckels,dermiteinerJüdinverheiratetist,undderArier[und WagnerStartenor]MaxLorenz,dermiteinerJüdinverheiratetist,zu vollgültigenMitgliedernderReichskulturkammerbestätigtworden.Es wurde in diesem Zusammenhang bekannt, daß den jüdischen Ehe fraueninBezugaufdenBesuchvonTheatern,Hotelsusw.dieRechte arischerPersoneneingeräumtwurden.“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.25.05.: „InPolenhäufensichjetztdie‘Zwischenfälle’.Diealte,inÖsterreich, denSudetenundinderTschecheibewährteRegie!Gesternwurdean geblicheinDanzigerBürgerdurchdieInsasseneinespolnischen‘Dip lomatenautos’inKalthoferschossen.HeutesollenpolnischeBeamte einenElbingerKraftwagenführerbeschossenhaben. Manheizterstlangsaman.“ Di30.05.:MussoliniteiltHitlerineinemBriefmit,daßItalienkeines fallsvorEnde1942füreinenKriegmitdenWestmächtengerüstetsei. Mi31.05.:RMVPGoebbelsweistdiePressean,dieUdSSRnichtan zugreifen.AuchinBerichtenüberdenSpanischenBürgerkriegdürfe nur der Bolschewismus im allgemeinen, nicht aber die UdSSR atta ckiertwerden. Vor dem Obersten Sowjet erläutert AKom Molotov den Stand der VerhandlungenmitGroßbritannienundFrankreich,dienochzukei nem Ergebnis geführt hätten, weil die Vorschläge der Westmächte nicht die Gleichheit der UdSSR in einem effektiven Militärpakt zur AbwehrvonAggressioneninMittelundOsteuropaberücksichtigten. Die UdSSR wolle auch nicht auf Beziehungen zu Deutschland und Italien verzichten. Molotov deutet die Wiederaufnahme deutsch sowjetischerWirtschaftsverhandlungenan. Bisheutesindetwa100000der190000österreichischenJudenausge wandert. Deutschland und Dänemark schließen inBerlineinenNichtangriffs vertrag,derdenFriedenzwischenbeidenLändern„unterallenUm ständen“bewahrensoll. FRKHitlerbesichtigtdasBerlinerSchloßBellevue,dasunterLeitung ProfessorBaumgartenszumReichsgästehausumgestaltetwordenist. 74

RLfMGöringempfängtimHamburgerHafendieaufKdFSchiffen ausSpanienzurückkommendenAngehörigenderLegionCondorun terGMajvonRichthofen. Do01.06.:DerbritischeDiplomatA.W.G.RandallerklärtzurAnsied lungvonJudenaufZypern:„DievorgeschlagenevorübergehendeLö sungZypernist,wieichhöre,vomGouverneurentschiedenabgelehnt worden;esistundenkbar,daßeinevermischteScharvonJudeninir gendeinenanderenTeildes Empire hineingelassenwerdenkönnte.“ DieSSerrichtetdieHÄerSSGerichtundSSPersonalHA. FRKHitlerbegrüßtdenjugoslawischenPrinzregentenPaulsamtAM zueinemfünftägigenStaatsbesuch.DieGästesinddieerstenNutzer imReichsgästehausSchloßBellevue. Fr02.06.:AKomMolotovübermitteltdenWestmächtendieAntwort zu deren Entwurf für einen Beistandspakt, der Garantien für Finn land,EstlandundLettlandfordert.DifferenzenbesteheninderFrage einervondenWestmächtengefordertenGarantiefürdieSchweizund dieNiederlande,dadiesedieUdSSRnichtanerkennen.Dersowjeti scheKrKomMarschallVoroschilovlehnteineEinladungzudenbriti schenHerbstmanövernab. Große2stündigeMilitärparadevorderTHBerlinzum2.Tagdesju goslwaischenStaatsbesuchs. So04.06.:FRKHitlernimmtinKasselandemseitgesternlaufenden 1.GroßdeutschenReichskriegertagehemaligerSoldatenvonRWeund WeMteil.HitleräußertineinerRededieErwartung,daßgeradedieal tenSoldatendieStärkungderdeutschenAbwehrkraft„aufdasfana tischste“unterstützen.DazubedürfeesnebeneinerheroischenFüh rungeinersoldatischerzogenenNation.Hitlerwörtlich:„AlsFührer derdeutschenNationkannichdaheralsehemaligerKämpferinkei nerSekundezugeben,daßirgendjemandindenReihenunsererwest lichen Gegner das Recht haben könnte, sich als etwas Besseres zu dünkenoderanzusehen,alswirDeutscheessind!Ichleidedaherauch nichtimgeringstenunterirgendeinemMinderwertigkeitskomplex...Es imponierenmirdaherDrohungenvongarkeinerSeite...Wennschon diebritischeEinkreisungspolitikdiegleichegebliebenistwievordem 75

Krieg,dannhatsichaberdafürdiedeutscheAbwehrpolitikgründlich geändert!“ ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.04.06.: „...ein anregender Abend bei dem früheren StS Zweigert ein Licht blick.EswarennurpolitischGleichgesinntegebeten,undmankonnte reden,wasmanwollte.DiesalleinschoneineWohltat! Bei Zweigert wie bei Külz, deren Häuser seit Jahrzehnten freund schaftlichverbundensind,suchtmanvordenFinsternissenderZeitin derMusikZuflucht.NachdemEssensangGüntherBaumRilkelieder, die der Hausherr, obwohl Jurist, komponiert hatte. Zweigert erwies sicherstaunlicherweisedabeialseinweitüberjedenDilettantismushi nausgewachsenerKomponist.ZudenGästengehörtenunteranderen dervonFrickentlasseneORRDr.vonOlshausen.“ Di06.06.:12.30Uhr.GroßeParadederLegionCondorundfeierlicher StaatsaktmiteinerRedevonFRKHitlerimBerlinerLustgarten. Mi07.06.: Deutschland unterzeichnet in Berlin Nichtangriffspak- te mit Estland und Lettland. FRK Hitler empfängt deren beide AM Karl Selter und Vilhelms Munters und verleiht ihnen das Großkreuz vom Deutschen Adler. DiebritischeRg.ernenntWilliamStrangzumSoBevfürdieVerhand lungenmitderUdSSR.StrangsolldenbritschenBotsch.inMoskau unterstützen. PM Chamberlain ist zuversichtlich, daß die wenigen noch bestehenden Probleme des geplanten Dreierpakts bald gelöst werden. USPräs.RooseveltempfängtinWashingtondasbritischeKönigspaar. FRKHitlererläßteineAmnestiefürpolitischeVergehenimSudeten gau und im Reichsprotektorat und einen Erlaß über Städtebaumaß nahmeninDüsseldorf,KölnundWeimar. FRKHitlerläßtsichimVolkswagenwerkbeiFallerslebenvonDAF RF Robert Ley und Ferdinand PorscheüberdielaufendenArbeiten informieren. Deutschland nutzt sein Kontingent am rumänischen Erdöl voll aus. Die Käufe der Achsenmächte stützen den hohen Preis des rumäni schenErdöls. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.07.06.: 76

„EinneuerpolitischerSchlaggegenmich!Auchhierscheintsichdas GesetzderSeriezubewähren.Inden‘Schulungsbriefen’,einerZs.der SA,dieu.a.jederSAMannhaltenmußunddieeineMioAuflagehat, isteingroßesFotomeinesVaterserschienenmitderUnterschrift:Der Jude ORA Dr. Ebermayer, der das deutsche Strafrecht reformieren sollteundsicheinRittergutergaunerte. Zwecklos,inWehklagenauszubrechen!AberdieVerleumdungmeines Vaters trifft mich härter als jeder Angriff auf mich selbst oder auf meine Arbeiten. Das Tollste ist dabei nicht einmal die Unterschrift, sonderndasBildselbst.EsistnämlichgarnichtmeinVater,jedenfalls siehtderGettoJude,derdaimAutositztundeinenZylinderaufhat, meinem Vater nur noch sehr entfernt ähnlich. Das Bild ist ‘retu schiert’.Esistgefälscht.Nichtungeschickthatmanausdem‘arischen’ KopfdesORAeine‘Judenfratze’gemacht,wiesieim‘Stürmer’allwö chentlichzusehensind. Wastun?IchredemitFreundKülz.Erlachtnur.Erfreutsichgera dezu,jetztmalrichtiglosschlagenzukönnen.DabeiistdieLagefür michjaso,daßichebenersteine‘staatspolizeilicheVerwarnung’er haltenhabe,KZAndrohungalso,weilichmichgegeneinePressever leumdungzurWehrgesetzthabe.Nein,daessichummeinentoten Vaterhandelt,seheicherstrechtrotundbinnichtgewillt,zuschwei gen. WirdiktierengleichimBürovonKülzeinhalbesDutzendBriefe:Er schrieb,ebensoscharfwiejuristischklar(dieRechtslageistjawahrhaf tigklargenugindiesemFall!)andieSchriftleitungder‘Schulungsbrie fe’inMünchenundverlangteBerichtigung.Ichschrieb,vonKülzan geleitet,andiebeidenVettern,BouhlerundTodt,die,wenndieBe hauptung der ‘Schulungsbriefe’ stimmen würde, ja ‘jüdisch versippt’ wären,waslustigeKonsequenzenhätte.FernerandenRJMDr.Gürt ner,derja,wenndieBehauptungstimmte,amSargeinesJudenden Kranz der RRg mit der Hakenkreuzflagge niedergelegt hätte. Ferner an Dr. Ley, den offiziellen Hg. der ‘Schulungsbriefe’, sowie an RM Kerrl,dermirundmeinemVater!jabesondersgewogen.“ Fr09.06.:FrankreichsAMBonnetverwahrtsichvordemAuswAussh desSenatsgegendiedeutschen„Einkreisungsvorwürfe“. 77

DieTechnischeNothilfewirdRIMFrickunterstelltundsollalswich tigste Aufgabe bei Luftangriffen zerstörte Einrichtungen wiederher stellen. RLMartinBormanndrängtbeidenInstanzenderNSDAPerneutauf eine beschleunigte Beseitigung kirchlicher Erziehungseinrichtungen wieOrdensschulen,Internate,Waisenhäuser,KonvikteundPensiona te. Lediglich Kindergärten und Fürsorgeheime könnten wegen des fehlendenstaaltichenPersonalsfüreineWeilenochdenKirchenbe lassenwerden. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.09.06.: „Hitlerredetundredet.RuhelosrasterdurchdieLande.Voreinpaar TageninKasselaufderReichskriegertagungverbreiteteersichüber die‘EinkreisungspolitikderFeinde’.Soprimitivsiehterdasodertut wenigstenssovordenMassen.WenigstensscheinterdenErnstder Lagebegriffenzuhaben.Dasberuhigt.Undvielleichtdämpftdassei nenUnternehmungsdurst. Abends SoebenriefmichBouhlerwegenderSachemitden‘Schulugsbriefen’ an.EswareinpeinlichesTelefonat.Wennicherwartethatte,erwerde ebensoempörtwieichseinüberdieVerleumdungundVerfälschung, daessichjaschließlichumseineneigenenOnkelhandelt,denMann derSchwesterseinesVaters,dannhatteichmichgründlichgetäuscht. ErbagatellisiertdasGanze.Esseijadumm,daßsoeine‘Panne’pas siere,abersowaskönnejanunmalvorkommen.Unbegreiflichund unverantwortlichaberseiderBriefvonRAKülzandie‘Schulungs briefe’,zumalichdochgeradeerstdieSchwierigkeitenmitderGesta pogehabthätte.‘SokannmandochnichtandieParteischreiben!’rief erinechterEmpörung.Die‘Partei’istfürihnebendasHöchste.Da unterscheiden sich die führenden Nazis in keiner Weise von den Kommunisten.Icherkläre,nachmeinerAuffassungseiesdocheine klareöffentlicheverleumderischeBeleidigung,dieunterallenUmstän denihreSühnefindenmüsse,nochdazu,dasiesichgegeneinenTo tenrichte,dersichwohleinigeVerdiensteumDeutschlanderworben habe. ‘UmwelchesDeutschland?’fragtBouhler,wasmichbeinahezueiner scharfen Antwort verleitet hätte. Aber ich beherrsche mich gerade noch.‘OnkelLudwigistnuneinmal’,fuhrerfort,‘fürvieleinderPar 78

tei der Exponent derSystemjustiz,dieunsNationalsozialistenjahre langverfolgtundeingekerkerthat.’ EsgabeinlangesHinundHer.IcherklärtedenKülzBrieffürrelativ mäßig... Mein Einwand, daß das Bild, was er sicher bereits bemerkt habe,verfälschtsein,wirdvonBouhlerübergangen. ZumSchlußwirdBouhlerwiederruhiger.SeineimGrundegutmütige undanständigeNaturkommtwiederdurch.Erverspricht,daermor genohnehinnachMünchenfahre,beidenentscheidendenLeutenim Braunen Haus sich für mich zu verwendenundumVerständnisfür meinebegreiflicheErregungundfürdasUngeschickmeinesAnwalts zubitten,damitmirnichtallzuvielpassiert.Allerdingsmüsseeroffen sagen,daßerselbstdenBriefmißbillige.Erhoffe,daßdieSachedann fürmichkeineKonsequenzenmehrhabenwerde. Also so ist das: ich muß noch um Entschuldigung bitten, daß man meinen Vater in einem Millionenblatt verleumdet! ... Es ist grotesk! EbensaßichlangimSesselundstarrtedasTelefonan.“ So11.06.: GenBauInsp Todt lobt bei einer Kundgebung vor 10000 ArbeiterninTrierdenBaudesWestwallsals„großeGemeinschafts leistungdesganzendeutschenVolkes“. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.11.06.: „NachdemTiefschlag,denichdurchBouhlererhalten,isteinAnruf des StS Freisler aus dem RJM geradezu eine Wohltat. Der Minister, erklärtFreisler,habeihnbeauftragt,dieAngelegenheitinOrdnungzu bringen. Um der Schriftleitung der ‘Schulungsbriefe’ wirksam entge gentretenzukönnen,müsseallerdingsersteinmalauthentischfestge stelltwerden,daßdieBehauptungder‘Schulungsbriefe’,ORAEber mayerseiJudegewesen,unwahrsei.Erselbstzweifledarannicht,daß es eine unwahre Behauptung sei. Aber er brauche Dokumente. Zu diesemZweckhabeereinenseinerMitarbeiterbeauftragt,sichmitmir inVerbindungzusetzen. EinehalbeStundespäteristwiederdasRJMamAppaart.Esistein Staatsanwalt,dessenNamenichnichtverstehe.DerStShabeihnmit der Untersuchung des Falles beauftragt. Er möchte allerdings schon jetzt seinerEmpörungüberdieseVerleumdungAusdruckgeben.Er bätemich,ihmalleUnterlagen(Geburtsurkunden,Taufscheineetc.), diemeineväterlichenVorfahrenbetreffen,umgehendeinzuschicken. 79

Das RJM werde nach Prüfung dann von sich aus gegen die ‘Schu lungsbriefe’vorgehen.“ Mo12.06.: AM Lord Halifax lehnt eine Einladung Akom Molotovs nach Moskau wegen Unabkömmlichkeit in London ab. Die Sowjets sindüberdieEntsendungdesuntergeordnetenSoBevWilliamStrang verärgert.ÜberdentürkischenBotsch.inLondongebensiediesspä terzuerkennen.AuchFrankreichundderfrühereAMEden,dersich selbst als SoBev anbot, drängen Halifax, dem Moskauer Prestige wunschentgegenzukommen.AndererMeinungistderUSBotsch.in London:MandürfedenRussennichthinterherlaufen. Di13.06.:DerbritischeBotsch.HendersonbietetderRRgVerhand lungen über eine Begrenzung des Rüstungswettlaufs, über die deut schenKolonialforderungenundeinenWarenaustauschan. InDanzigeröffnetGLAlbertForsterdieGaukulturwoche,diealsbe geistertes Bekenntnis der Zugehörigkeit zu Deutschland inszeniert wird. Mi14.06.: Der Langen/Müller Verlag, München, eröffnet die Sub skriptionfürE.G.Kolbenheyer:GesammelteWerke. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.14.06.: „GLAlbertForstererklärteinDanzigunterdemJubelZehntausen der: ‘DanzigistdeutschundDanzigwillzuDeutschland!’ Dr.FritzTodt,‘GenInsp/DtStrb’,GattemeinerCousineElsbeth,re agierteaufmeinenBriefinderAngelegenheit‘Schulungsbriefe’dem einDurchschlagdesBriefesvonKülzandieRedaktionbeilagsehr kühl.Erteiltemirmit,daßmeineAnnahme,erseimitmeinemVater überseineFrau‘blutsverwandt’,alsovondereventuellenRichtigkeit der Behauptung der ‘Schulungsbriefe’ persönlich betroffen, irrig sei. Seine Frau sei zwar meine Base, aber die Enkelin eines Stief bruders meinesVaters.Angenommenalso,meineGroßmuttersei‘nichtarisch’, meinVaterdamitalso‘Halbjude’,dannseier,daseineFraujaeinean dereGroßmutterhabealsich,davonkeineswegsbetroffen. Kein Wort der Empörung findet Todt über die Verleumdung! Kein WortdesBedauernsodergardesMitgefühls.NureineeinzigeAngst: 80

Wenn da was nicht stimmt, dann darf ich jedenfalls nicht betroffen sein... Schade.Menschlichschade.Obwohlichdenspät,erstinzweiterEhe geheiratetenMannmeinerklugenundsympathischenCousineElsbeth kaumkenne,habeichmireineandereReaktiongeradevonihm,den ichniefüreinen‘verbohrtenNazi’gehalten,erwartet.“ Do15.06.:FRKHitlerunterzeichnetdasGüberdieDeutscheReichs bank,dasderRRgunbegrenztenKrediteinräumt. DerfrüherebritischeAMEdensagtinParis:„DerschwersteIrrtum, dendasAuslandbegehenkönnte,wäre,diefesteEntschlossenheitdes britischenVolkeszuunterschätzen.“ Der britische SoBotsch. William Strang beginnt in Moskau seine GrsprächeüberdengeplantenDreierpaktmitAKomMolotov. Fr16.06.:AKomMolotovlehntdenEntwurfderWestmächtefürden Dreierpakt ab, solange die Garantie für die Baltenstaaten nicht Be standteilwerde. Sa17.06.: RMVP Goebbels greift bei seiner Rede zur Danziger NSDAPKulturwoche Polen und Großbritannien scharf an. Danzig seideutschundwollezuDeutschland,derFührerstehezuihnenund spreche„keineleerenWorte“. Mo19.06.:DeutschlandunddieSlowakeiweisenbritischeMeldungen überstarkeTruppenkonzentrationeninReichsprotektoratundSlowa keianderGrenzezuPolenzurück. Mi21.06.:RMVPGoebbelssagtinseinerFeuerredezurSonnwendfei erimOlympiastadion,Großbritannien,FrankreichundPolenbagatel lisierten die „natürlichen Lebensansprüche“ Deutschlands: „Vor Er pessungenhabenwirnochniemalskapituliert!“ Do22.06.:FRKHitlergibtergänzendeWeisungenfürdengeplanten WeMÜberfallaufPolen(FallWeiß),derspätestensam01.09.anlau fen soll. Die Reservisten sollen ohne öffentliche Mobilmachung zu 81

„Herbstübungen“ eingezogen und Fahrzeuge und Pferde requiriert werden. StS Weizsäcker beruhigt die ausländischen Diplomaten, sie könnten beruhigtUrlaubnehmen:„DasistsomeinePflicht.OhneKriseaber wirdesindiesemAugustoderSeptemberschwerlichabgehen.“ GenBauInspTodtbeschwertsichbeimRArbMüberdenArbeitsein satzvonJudenaufdenBaustellenderReichsautobahnen:„DerEin satzvonJudenbeidenAutobahnenistm.E.mitdemAnsehen,das denReichsautobahnenalsden‘StraßendesFührers’zukommt,nicht in Einklang zu bringen.“ Juden sollten nur noch in indirektem Zu sammenhang mit dem Autobahnbau, z.B. in Steinbrüchen und der gleichen,eingesetztwerden. Fr23.06.:AMLordHalifaxfragtinLondonbeimsowjetischenBotsch. an,obdieUdSSRüberhauptaneinemBündnisinteressiertsei.Akom MolotovhatteauchdenerweitertenVorschlagGroßbritanniensabge lehnt,weildieserdiebaltischenStaatennichtausdrücklichbenannte. DieUdSSRäußertdieBefürchtung,diesekönntenimErnstfalldem DruckDeutschlandsnachgebenundsichunterdessen„Schutz“zwin genlassen. GroßbritannienübersendetDeutschlandeinMemorandumzurdeut schen Kündigung des Flottenabkommens von 1935. EineÄnderung des Abkommens sei nur durch gegenseitige Konsultationenundmit „ZustimmungbeiderParteien“möglich. WeMAbwChCanarisundseinStvbesuchendasBaltikumundFinn land. NachGroßbritanniengibtauchFrankreichderTürkeieineBeistands erklärung.EinAbkommenübermilitärischenBeistandwirdzwischen dendreiStaatenmitZieldatumOktobererarbeitet. RJM Gürtner erteilt den OLGPräs. eine Weisung zur Behandlung von Juden vor Gericht: „Die Ausschaltung der Juden aus der deut schen Wirtschaft soll auf Grund der bestehenden Vorschriften... planmäßigundstufenweisevollendetwerden.DienochimEigentum von Juden befindlichenGewerbebetriebeundsonstigenVermögens werte,diewirtschaftlicheEinflußmöglichkeiteneröffnen,werdenauf demdanachvorgesehenenWegeindeutschenBesitzüberführt... 82

Es soll... vermieden werden, darüber hinaus durch Maßnahmen, die einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage entbehren, in die wirt schaftliche Stellung der Juden einzugreifen. Es soll daher den Juden nichtunmöglichgemachtwerden,dieausihrerTätigkeiterwachsen denAnsprüchevordenGerichtengeltendzumachenunddieetwazu ihrenGunstenergangenenUrteileimWegederZwangsvollstreckung durchzusetzen... Schon aus fürsorgerechtlichen Gründen istesuner wünscht,dieJudenvollständigverarmenzulassen.“ Sa24.06.:FRKHitlererteiltderWeMdieAnweisungzur„Vorberei tung der unversehrten Besitznahme der Brücken über die untere Weichsel“,alsozwischenDanzigunddemKorridor.Hitleristüber zeugt,DanzigohneeinenKriegmitPolennehmenzukönnen. PM Chamberlain bestreitet in einer Rede in , Großbritannine betreibeeine„Einkreisungspolitik“gegenDeutschland. DeutschlandundDänemarktauschendieRatifikationsurkundenihres Nichtangriffsvertragsaus. Auf Einladung von RLfM Göring kommt der italieinische StSLfM Gen Valle für mehrere Tage zu einem hochoffiziellen Besuch nach Berlin.Esverlautet,daßdiebeidenLuftwaffeninFragendesEinsat zes,derOrganisation,AusbildungundTechnikengabgestimmtwer densollen. DieNiederlandeundDeutschlandschließendasReichsprotektoratbe treffendeinWarenundZahlungsabkommen. So25.06.: Im ganzen Reich Tag des deutschen Volkstums: Auf der ReichskundgebungdesVolksbundesfürdasDeutschtumimAusland in Eger sprechen dessen Vors., der Münchner GeopolitikProfessor KarlHaushofer,StvFHeßundGLKonradHenlein. 17Uhr.FRKHitlerempfängtimMünchnerFührerbaudenPräs.des iatalienischenFrontkämpferverbandes,DelcroixundhälteineAnspra che:„SiebesuchendasDeutscheReichineinemAugenblick,indem wir, die ns. und die faschistische Revolution, gemeinsam einer Welt vonGegnernundNeidern,vonHassernundFeindengegenüberste hen...IchbinderfestenÜberzeugung,daßjederVersuchderDemo kratien und kapitalistischen Plutokratien [keine Nennung des Bol schewismus!],unsdasSchicksalzubereiten,dassievielleichtfüruns 83

vorgesehenhaben,scheiternwirdandergemeinsamenKraftunserer beiden Nationen und Revolutionen, an der Kraft unserer gemeinsa menIdeale,unseresMutesundunsererentschlossenheit.LetztenEn desgehörtdasLebendenVölkern,diebereitsind,fürihrDaseinund ihreZukunft,wennnotwendig,auchdasLetzteeinzusetzen.“ Mo26.06.: Bei einem mehrtägigen Besuch in Reval trifft GStCh/H Franz Halder mit führenden Militärs und dem StP von Estland zu sammen. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.26.06.: „Immerhinseinotiert,daßnunauchFrankreichmitderTürkei,nach demMusterEnglands,einen‘Beistandspakt’abgeschlossenhat.Wo mitdie‘Einkreisungstheorie’HitlersneueNahrungerhält.Hitlerselbst schweigtseiteinigerZeit.DieRuheistetwasunheimlich.“ Do29.06.:GStCh/HHalderistinFinnlandeingetroffen. Auf Initiative des StvL des Reichsverbandes der Zeitungsverleger gründen etwa 70 Verleger dieArbeitsgemeinschaftderprivateigenen Zeitungen,mitBerlinerGeschäftsstelle,dievom‘BerlinerBörsenzei tung’VerlagsleiterFritzSchmidtgeleitetwird.ReinhardtwilldiePro vinzzeitungen vor den NSDAPGauverlagen schützen, was bis 1944 bei600kleinenundmittlerenBlätterngelingt. ErichEbermayer,BerlinHotelamZoo,Tgb.v.29.06.: „SeitWochenlagbereitseineEinladungvonStChLutzeundGemah lin zu einem Gartenfest für den 28.06. vor... Die gute Frau Lutze meinte[amTelefon],ein‘lebendigerDichter’seibeieinemGartenfest ‘schmückend’. ...warfmichindenSmokingundfuhrindenGrunewald.Diesmalwar dieKontrollederPolizeisehrgenau.SchonStraßenvorherwaralles abgesperrt, man verlangte Einladung und Personalausweis zu sehen. DasdeuteteaufinteressanteGäste. ...ImweitenPark,aufderTerrasseundimHausselbstwimmeltees vonMenschen....FastdasganzediplomatischeKorpswarerschienen: die Botsch. Frankreichs [Robert Coulondre], Englands [Henderson], Hollands, Polens [Lipski] sah und sprach ich, aber es waren sicher nochvielmehr.AlleshattesichankleinenTischenindemParkver teilt...ÜberallindenBüschenleuchtetenpausenlosundetwaszuin 84

tensivroteundgrüneLeuchtfeuerauf,diederhübsche14jährigeLut zeSohn entzündete. DaskalteBuffetwargrandios,derSektfloßin Strömen... Die interessanteste und erfreulichste Begegnung in dieser langen NachtwardiemitRJMDr.Gürtner.IchhabeihnzuletztbeiderBei setzungmeinesVatersam03.07.1933gesehen,aberauchdanatürlich nurkurzundoffiziell.Nunsprachermichostentativanundbrachte dasGesprächsofortaufdenFallder‘Schulungsbriefe’.SeineEmpö rungdarüberwarerstaunlichoffen. ‘IhrVaterwarmeinFreund’,sagteer.‘Ichkannteihnüber40Jahre. SeitunsererStudienzeitaufdemMaximilianeuminMünchen...Erwar eingroßerJuristundeinerderlauterstenMänner,dieichgekanntha be.DarumbinichauchdamalsselbstnachLeipziggefahrenundhabe anseinemSarggesprochen.Daswarichihmschuldig..’... ‘Diese dumme und infame Verleumdung ist ein Skandal. Man kann gegenLebendepolitischkämpfen.Totezuverleumden,istniedrig.Ich werdeallestun,wasinmeinerMachtsteht,umdieSacheinOrdnung zubringen.SieundIhrAnwalthabenrechtgetan,mitshcarfemGe schützzuschießen.SiehabenjedenfallsmeinevolleUnterstützung!’ IchstammelteeinpaarDankesworte.DatratRMLammerszuuns. ‘LieberHerrLammers’,sagteGürtner,sichzuihmwendend.‘Dasist derSohndesfrüherenORA.ErhatÄrgermitden‘Schulungsbriefen’, diebehaupten,deralteEbermayer,dieserknorrigeFrankeundPfar rerssohn,meinJugendfreund,seiJudegewesenundhabeinseineei geneTaschegewirtschaftet.Groteskunddumm!Aberwirwerdendas regeln.Diemüssenöffentlichrevozieren!’ Lammers sah den erregten Kollegen fast erstaunt an. Er sagte eine Weilenichts.Dannabersagteeretwas,wasmichausseinemMunde erstaunte. ‘EsgibtnichtsDümmeres,alswenneinepolitischePartei,diegesiegt hat,diegroßenMänner,dievorihrdawaren,auchwennsienichtzu ihrgehören,indenSchmutzzieht.’“ Fr30.06.: Das USRepräsentantenhaus lehnt Präs. Roosevelts Ände rungsvorlage zum NeutralitätsG, eine Aufhebung der Waffensperre, mitknapperMehrheitab. 85

RFSS Himmler hat eine geheime Übersicht „Erfassung führender MännerderSystemzeit“zusammengestelltmitAngabenüberTätigkeit undEinstellung:17Wissenschaftler,73Rechtsoppositionelle,76Kon fessionelle, 47 Schriftsteller undJournalisten,18Künstler,48Öster reicher. DieRRgläßtinLuzernBilder„entarteter“Künstlerversteigern. In diesem SommerformierensichintellektuelleOppositionsgruppen umHarroSchulzeBoysenundArvidHarnackzurRotenKapelle,die fürdieUdSSRspioniertundWiderstandimReichleistet. Sa01.07.: Die Verhandlungsdelegationen von Großbritannien und FrankreichüberreicheninMoskauAKomMolotovneueVorschläge füreinenDreierbeistandspakt,diedenSowjetsentgegenkommen:Die wechselseitige militärischeHilfesollimAngriffsfallautomatischsein und auch im Fall eines Angriffs auf die Niederlande, Belgien, die SchweizunddiebaltischenStaatengelten. InParisteiltAMBonnetBotsch.GrafvonWelczekmit,Großbritan nienundFrankreichwürdeneineÄnderungdesStatusquoinDanzig undimpolnischenKorridordurchäußereGewaltodereinseitigeAk tionenvoninnenherausnichtdulden. Der5.schwereKreuzer„Lützow“läuftinBremenvomStapel. HeinzRühmannundHerthaFeilerheirateninBerlinWannsee. So02.07.:BeimssarpfälzischenGPTinKaiserslauternbezeichnetRu dolf Heß das Weltjudentum und die Freimaurerei als die schärfsten FeindeDeutschlands. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.02.07.: „Noch nachzutragen wäre, was Frau Lutze, die Gute, Schwatzhafte mirverriet:MitteSeptemberkommensienachNürnbergzumPTund dannwillsiemichhierinKaibitzbesuchen.ObichauchaufdemPT seinwürde?wolltesiewissen.Ersollkeinerweißesbisjetztnoch ‘PTdesFriedens’heißen.Undsograndiossollerwerdenwienoch keinervorher.‘DannistderQuatschmitPolenschonzuEnde’,mein tesie.‘Dasgehtschnell.’ PlötzlichfielihrinihrermütterlichnettenArtein,daßichjaZigarren raucher sei. Warum mir die Diener denn keine Zigarren angeboten 86

hätten? Sie nahm mich unter den Arm und führte mich ins Haus. ‘NunzeigeichIhnenwas,wasnichtjederzusehenkriegt.DenZigar renschrankmeinesMannes!DawerdenSiestaunen!’Ichstauntewirk lich.IndieWandeingelasseneinSchrank,indengutzweikräftigeSA Männerhineingepaßthätten.RingsandendreiWändenvonuntenbis zurDeckeHundertevonZigarrenkisten,dieobersteinjedemStapel geöffnet. ‘Und wissen Sie, was der Trick ist?’ erklärte Frau Lutze. ‘HinterdenWändenläuftdauerndWasser.SobleibtdasZeug,aufdas ihrMännersoscharfseid,immerschönfeucht.NunnehmenSiemal, Doktor.DierhierfürdreiEmmchensindnichtganzschlecht,denke ich.’ Soweit also Frau Lutze. Ob ich sie nach dem ‘PT des Friedens’ im Septemberwiedersehenwerde?“ Mo03.07.: Im Unterhaus kritisiert PM Chamberlain die Verstärkung der Danziger Polizei durch den ns. Senat der Stadt als „extensive MaßnahmemilitärischenCharakters“.SeineRg.stehedeshalbmitPo lenundFrankreichinKontakt. DieNiederlandegebenbekannt,daßsiesichwegenihrerNeutralität nichtanirgendwelchenPaktsystemoderGarantieerklärungenbeteili gen könnten. Auch Estland und Lettland zeigen sich verärgert und wünschen,neutralzubleiben,sichselbstzuverteidigenundkeine GarantieAbmachungenmitirgendeinerSeite. WilliamShirer,Washington,Tgb.v.03.07.: „Man ist sich hier oder in New York der europäischen Krise kaum bewußt,undTessmeint,ichmachemichmitmeinerpessimistischen Sicht der Dinge äußerst unbeliebt. Die Crux ist, daß hier jeder alle Antworten kennt. Sie wissen , daß es keinen Krieg geben wird... Der Kongreß hier in einem hoffnungslosen Durcheinander. Beherrscht vonLeutenwieHamFish,BorahundHiramJohnsondieüberkein außenpolitischesKonzeptverfügen,bestehterimmernochaufdem Festhalten an der Politik eines absoluten Waffenembargos, als wäre dieskeinwichtigerBeitragunseresLandes,umeinenKriegzwischen den westlichen Demokratien und den Achsenmächten entscheidend zu beeinflussen. Roosevelts Hände absolut durch den Kongreß ge bundeneineLagewiewiezuBeginnvonLincolnsersterAmtszeit, nurdaßdieseretwasdagegenunternommenhat,währendRoosevelt 87

(wiemanhiermeint)entmutigtistundnichtstunwird.Erschätztdie LageinEuroparichtigein,dochweilerdastut,weilerdieGefahrer kannthat,bezeichnenihndieBorahsundFishsalseinenKriegshet zer.“ Di04.07.: Die 10.VO/RBürgerG wandelt die Reichsvertretung der deutschen Juden in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland um und unterstellt sie direkt der Reichszentrale für jüdische Auswanderung der Gestapo. In der Reichsvereinigung müssen sich alle Juden und jüdischen Vereinigungen zwangs- weise zusammenschließen. Sie ist pflichtzuständig für jüdische Wohlfahrtspflege und Schulwesen und wird ab Oktober 1941 von der Gestapo zur Durchführung der Deportationen in die Mord- lager mißbraucht, bis RFSS+ChDP Himmler sie im Juni 1943 auflöst und ihr Vermögen einzieht. Der ungarische GStCh besucht Berlin und reist in den kommenden TagenzumWestwallzwischenSaarbrückenundBergzabern. WilliamShirer,NewYork,Tgb.v.04.07.: „Alarmierende Nachrichten aus Danzig, und das Büro besorgt, ich könntenichtrechtzeitigdortsein.“ Mi05.07.:FRKHitlerempfängtinderRKdenbulgarischenMP+AM Georgij Kjosseivanov, der später zu BVJP Göring nach Carinhall fährt. Polens Botsch. Lipski zeigt sich in Berlin gegenüber dem französi schenBotsch.Coulondreüberzeugt,daßdieRRgsichwegenDanzigs nichtineinenallgemeinenKriegstürzenwerde. DieSchweizgibteineähnlicheNeutralitätserklärungabwiedienieder ländischeam03.07. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.05.07.: „Göring hat mit dem italienischen ArmGen Valle mehrere Bespre chungen über die ‘Zusammenarbeit’ der deutschen und der italieni schenLuftwaffe.Sowaswirdgarnichtmehrgeheimgehalten.ImGe genteil!“ So09.07.: WilliamShirer,AnBordder„QueenMary“,Tgb.v.09.07.: 88

„IchhabevieleSowjetdiplomatengekannt,allesindsieindenvergan genen Jahren liquidiert worden. [Der Washingtoner UdSSRBotsch. Konstantin]Umanskijglaubt,daßdieSowjetsgemeinsammitGroß britannienundFrankreicheinedemokratischeFrontgegendiefaschis tische Aggression bilden könnten, wenn Paris und London es ernst meinenundnichtnurversuchen,Rußlandineinenalleinigen(oderal leinmitPolen)KrieggegenDeutschlandzumanövrieren.Ersagt,bis jetzthättendieBritenundFranzosennichtsgetan,außerdieVerhand lungenmitdemKremlzuverzögern.“ Mo10.07.:ImUnterhausläßtPMChamberlainkeinenZweifelander militärischenHilfefürPolen,wenndessenLebensinteressenbedroht würden.DazugehöreaucheineVeränderungdesStatusvonDanzig, der Wasserweg über die Weichsel zur Ostsee und der Zugang zum Ostseehafen. DieNSDAPteiltmit,daßderRPTvom02.11.09.inNürnbergstatt findensoll. Di11.07.:DerAuswärtigeAusschußdesUSSenatsvertagtdieDebatte überdieÄnderungdesNeutralitätsGbisJanuar1940. DieTerraschließtmitLudwigMetzgerdenDrehbuchvertragfür Jud Süß ab. Do13.07.:FRKHitlerempfängtaufdemObersalzbergdenDanziger GLForster. Fr14.07.:MiteinergemeinsamengroßenParadebegeheninParisdie StreikräfteGroßbritanniensundFrankreichsdenfranzösischenNati onalfeiertag. So16.07.:EinefranzösischeMilitärdelegationtrifftinIstanbulein. Mo17.07.: AKom Molotov fordert von Großbritannien und Frank reichultimativdengleichzeitigenAbschlußdespolitischenundmilitä rischenBündnisses. 89

Di18.07.: MDir Wohlthat (Reichsamt für den VJP) führt in London auf der Walfangkonferenz Wirtschaftsgespräche mit dem britischen UStSWaley. Konrad Himmel: Erster Großfilm über jüdische Weltgefahr, „Licht BildBühne“v.18.07.:DerProduktionschefderTerra,Dr.PeterPaul Brauer,äußertsichüberseinePläne,indemFilm„JudSüß“Regiezu führen:BrauervergleichtSüßmitdembiblischenJosephvonÄgyp ten, der seine Stammesgenossen in ein kultiviertes Land gegen den WillendesägyptischenVolkeseingeschleppthabe.Erdeklariertsein Projektalseinen„Tendenzfilm“,durchden„dieGefahrendesWelt judentums schonungslos aufgedeckt“ würden. Süß sei als „einer der schlimmstenVerbrecherallerZeitenzubezeichnen“undkönne„als eingeradezuklassischerVertreterfürdasganzeJudentumgelten“. Mi19.07.: OBH von Brauchitsch hält am Ehrenmal Tannenberg vor Offiziersschülern eine antipolnische Rede: „Wir suchen den Kampf nicht,wirfürchtenihnabernochvielweniger!“ Do20.07.:GroßbritannienundFrankreichverhandelnwegendersow jetischenForderungenzueinemDreipaktv.17.07. DerfranzösischeKons.inHamburgmeldetnachParis,starkedeut sche Truppenverbände verließen nachts heimlich Hamburg in Rich tungPommern. ROrgL Ley empfängt in und ausländische Presse zur 5. KdF ReichstagunganBordder„RobertLey“imHamburgerHafen. Fr21.07.:InMoskauwerdendieDreimächteverhandlungenmitGroß britannienundFrankreichergebnislosfortgesetzt. DasRMVPerklärtinBerlinvorderAuslandspresse,dieEinverleibung DanzigsindasReichseiunvermeidlich. StSAAWeizsäckerrätvondemgeplantenFlottenbesuchvon20deut schenSchiffeninDanzigab,dadieserPolenprovozierenmüsseund nichtmitItalienabgesprochensei. Die Terra schließt den Vertrag über die Weltverfilmungsrechte für „JudSüß“ab. 90

Sa22.07.:InderbritischenPressewirddasKreditangebotüber1Mrd Pfund von HM Hudson an Mdir Wohltthat verbreitet. Chamberlain kannseinenHMnurmühsamöffentlichdecken. So23.07.: Die Westmächte stimmendervonderUdSSRgeforderten Aufnahme militärischer Konsultationen zu. AKom Molotov zögert eineFestlegungdesBegriffsder„indirektenAggression“nacheinem britischenVorschlaghinaus. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.23.07.: „DerenglischeGenSirEdmondIronsideistseiteinigenTagenzuBe sprechungeninPolen.DiesmeldeteRadioBeromünster.Hinterden Kulissen scheint sich also einiges zu tun. In Deutschland selbst ist sommerlicheFerienstille.KeineReden,keineNoten.... DawährendderSudetenkrise,wasichjetztersterfuhr,hierimSaalan den fünf Fenstern Maschinengewehre postiert waren, hatte der 200 JahrealteBoden...“ Mo24.07.: In Moskau sind die Verhandlungen über den geplanten DreierbeistandspaktnacherfolgreichenMilitärabsprachenabgeschlos sen:BeidirekteroderindirekterAggressiongegenFinnland,diebalti schen Staaten, Polen, Rumänien, Griechenland, die Türkei und Bel giensollderBeistandsfalleintreten.DochdieUdSSRgewinntvorei ner Unterschrift zunächst Zeit für ihre Geheimgespräche mit Deutschland. Die britische Militärmission verzögert ihre Anreise auf demSchiffswegundtriffterstMitteAugustinMoskauein. Derns.SenatvonDanzigbeschwertsichüber„einDutzend“polni scheGrenzverletzungenseitApril.AuchinPolenkommeeszudau ernde Übergriffen, deren Opfer Hunderte deutscher Geschäfte und BetriebesowiezweiSportvereineseien. DeutschlandtauschtinBerlindieRatifikationsurkundenderNichtan griffspaktemitEstlandundLettland. Mi26.07.:AdolfEichmannwirdLeiterderAuswanderungszentralein Prag.

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Do27.07.: Das AA erteilt dem Moskauer Botsch. Friedrich Graf von der Schulenburg die Weisung, AM Molotovs Forderungen hinsichtlich Ostpolens und des Baltikums anzuerkennen. FRK Hitler erteilt der WeM eine Anweisung zur „Besetzung des deutschen Freistaates Danzig“. Fr28.07.: WilliamShirer,Genf,Tgb.v.28.07.: „Fodor,eingelernterIngenieur,hatteeineMengekonkreteInformati onen über den Mangel an Stahl in Deutschland. Und er sagt, man kannEisenerznichtlangelagern.“ Di01.08.: In Moskau beginnen britischfranzösischsowjetische Mili tärverhandlungen.

Mi02.08.: RAM Ribbentrop erklärt dem sowjetischen Geschäfts- träger Astachov, Deutschland werde Polen innerhalb einer Wo- che überrennen. Deutschland stimme mit den Vorstellungen der UdSSR hinsichtlich Polens überein, Do03.08.:AmComerSeeberatendiejapanischenBotsch.ausBerlin undRomüberdenBeitrittJapanszumdeutschitalienischenStahlpakt v. 22.05. In Tokio beraten zur selben Frage Führer der japanischen Armee,darunterKrMGenItagakiundGStChPrinzKanin. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.03.08.: „Amerika hat den Handelsvertrag mit Japan zum 26.01.1940 gekün digt.DieNotedesAMCordellHullistziemlichscharf.DieBeziehun gen der beiden Länder, heißt es, bedürften ‘einer Überprüfung’. So gruppierensichdieBlöckefürdenFalleinerkünftigengroßenAusei nandersetzungimmerdeutlicher.HierAmerika,England,Frankreich, RußlanddortDeutschland,Italien,Japan. SeiteinigenTagenkommtBewegungindiePolitik.MitderSommer flautescheinteszuEndezusein.DieNSPressetobtüberangebliche wirtschaftliche ‘Druckmaßnahmen’ Polens gegen Danzig. Heute hat Polen ein Ultiamtum an Danzig wegen angeblicher Dienstberhinde rungpolnischerZollbeamtergestellt.OffenbarwerdendiePolennun 92

dochnervös.SonstwärediesescharfeSprachewegeneinerLappalie nichtrechtverständlich.“ Fr04.08.:EinfürheuteangesetztesTreffenvonHitlerMussoliniwird abgesagt. DasDNBmeldetfasttäglichangeblicheZwischenfälleinDanzig,im OlsaGebietundinOberschlesien. DasvonLordWintertongeleiteteInternationaleKomiteefürFlücht linge aus Deutschland und Österreich meldet, daß seit der Évian Konferenz150000JudenausDeutschlandausgewandertsind,davon je40000indieUSAundnachGroßbritannien.BrasilienseizurAuf nahmevon80000Flüchtlingenbereit. So06.08.:FRKHitlererklärtsichbereit,derUdSSRimBaltikumund inFinnlandfreieHandzugeben.StSWeizsäckernotierthierzu:„Wir werdeninMoskaudringlicher.“ Mo07.08.: Im Auftrag von FRK Hitler trifft sich RM Göring insge heim mitdemschwedischenKaufmannBirgerDahlerus.Diesersoll GroßbritannienvoneinermilitärischenHilfefürPolenabbringen. UlrichvonHassell,Diplomat,Tagebuchv.07.08.: VondenGeneralen(Keitel,vonBrauchitsch)istnichtszuerwarten. „NureinpaarhabenklarenKopfbehalten:Halder,Canaris,[Georg] Thomas[ChefderKriegsrüstungRKrM].“ ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.07.08.: „DerpolnischeMarschallRydzSmiglyerklärtheute,Polenkönneun ter keinen Umständen auf Danzig verzichten. Danzig sei‘dieLunge des polnischen Wirtschaftsorganismus’. Gestützt auf den englisch französischenBeistandspaktwirddieSprachederPolenschonkräfti ger.“ Di08.08.:FRKHitlerempfängtaufdemObersalzbergdenDanziger GLAlbertForsterundgibtihmAnweisungenfürseineBrandredeam 10.08. 93

Mi09.08.:GroßbritannieneröffnetinderNordseeundimMittelmeer See und Luftmanöver mit 1300 Flugzeugen, 1400 FlakGeschützen und60000Mann. ChDP Himmler erteilt den polizeilichen Meldebehörden die Anwei sung,dieWehrpässeundMusterungsausweisederJudeneinzuziehen. FRK Hitler besucht bei den SalzburgerFestspieleneineAufführung vonMozarts‘DonGiovanni’. ErichEbermayer,Berlin,Tgb.v.09.08.: „WenmaninBerlinauchsprichtniemandglaubtaneineernsteKri seindiesemHerbstodergarandieMöglichkeiteinesKrieges.Ichhal te,sogutichkann,denMund.Aberesistseltsam,wiesehrselbstklu ge Leute mit Blindheit geschlagen sind. Man will keine Krise also kommt keine. Man will keinen Krieg also kommt keiner. Warum auch?Esistdochallessoschön!Überallgeht’saufwärts.Alleverdie nenbestens.DasWetteristgut.WarumsichalsoSorgenmachen?“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.08.: „Heute morgen beim Frühstück im Hotel Adlon fragte ich, ob es möglichsei,einGlasOrangensaftzubekommen. ‘SelbstverständlichhabenwirOrangen’,meintederKellnerinhoch mütigem Ton. Doch als er dann das Frühstück brachte, fehlte der Orangensaft. ‘Im ganzen Haus keiner aufzutreiben’, gab er kleinlaut zu. Diskussion heute mit Hpt D. Während derMünchnerKrisewarer, OffizierdesWeltkriegsundausgewiesenerPatriot,gegeneinenKrieg; dochnachdem28.04.,alsHitlerdieAbkommenmitdenPolenund denBritenkündigte,haterseineMeinunggeändert,wieichfeststellte. Bei der bloßen Erwähnung von Polen und Großbritannien geriet er heuteinWut.Erdonnerte:‘WarummischensichdieEngländerinder DanzigFrageeinunddrohenmitKriegwegenderRückholungeiner deutschenStadt?WarumprovozierenunsdiePolen?Habenwirnicht dasRechtaufeinedeutscheStadtwieDanzig?’ ‘HabenSieauchdasRechtaufeinetschechischeStadtwiePrag?’frag te ich ihn. Schweigen. Keine Antwort. Der übliche starre Blick,den manbeidenDeutschenfeststellt. ‘Warum haben die PolendasgroßzügigeAngebotdesFührersnicht angenommen?’fingerwiederan. ‘Weilsieeinzweitesfürchteten,HerrHauptmann.’ 94

‘Siemeinen,daßsiedemFührernichttrauen?’ ‘Seitdem15.Märzwohlkaumnoch’,sagteichundblicktemichvor sichtigumnacheventuellenZuhörern,eheichsolcheGotteslästerung aussprach.ErneutderstarreBlick.“ Do10.08.:DieUdSSRerklärtsichzuumfassendenVerhandlungenmit Deutschlandbereit. In Danzig verkündet GL Albert ForsterbeieinergroßenProtestde monstrationaufdemLangenMarkt,DanzigbekennesichzumDeut schenReichundseinemFührer,aufdiegegenalleKriegshetzeund drohungjederzeitVerlaßsei. FRKHitlerlädtdenDanzigerVölkerbundHKomCarlJacobBurck hardtzueinerUnterredungaufdenObersalzbergein. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.10.08.: „‘ Polen? Achtung! ’ warnt die Schlagzeile der BZ und fügt hinzu: ‘Antwort an Polen, den Amokläufer gegen Frieden und Recht in Europa! ’ OderdieSchlagzeilederKarlsruherTageszeitung Der Führer ,dieich imZug[vonBaselnachBerlingestern]kaufte:‘ Warschau droht mit Bombardierung von Danzig - Unglaubliches Schüren des polni- schen Größenwahns! ’ FürdieperverseVerdrehungderWahrheitistdasgeraderecht.Man fragt: Aber das deutsche Volk kann doch unmöglich solchen Lügen Glaubenschenken?Dannsprechemanmitihnen.Nurzuvieletunes. ... Die Position der Nazis, offen ausgesprochen in Parteikreisen, be sagt,daßsichDeutschlandeinestarkeMilitärmachtanseinerOstgren zenichtleistenkannunddaßdaherPoleninseinerjetzigenGestaltli quidiert werden muß. Das bedeutet nicht nur die Übernahme von Danzig,sondernauchdieForderungnachdemKorridor,nachPosen und Oberschlesien. Danach verbleibt Polen als ein Rumpfstaat, als VasallDeutschlands.WenndannUngarn,RumänienundJugoslawien in gleicher Weise ‘reduziert’ sind..., verfügt Deutschland über wirt schaftliche und landwirtschaftliche Unabhängigkeit und muß nicht längereinebritischfranzösischeBlockadefürchten,wiesiedenletzten KriegentschiedundimAugenblickhöchstwahrscheinlichdennächs tenentscheidenwürde.UnddannkannsichDeutschlanddemWesten zuwendenundihnwahrscheinlichbesiegen. 95

WiederüberraschtvonderHäßlichkeitderdeutschenFrauen,aufden StraßenwieinRestaurantsundCafés.InihrerArtsindsiesicheram unattraktivsteninganzEuropa.SiehabenkeineKnöchel.Sielaufen schlecht.SiekleidensichschlimmeralsdieEngländerinnen.“ Fr11.08.: WilliamShirer,Danzig,Tgb.v.11.08.: „Wie die Menschen in Berlin glauben auch die hiesigen Einwohner nicht,daßeszumKriegkommenwird.SiehabenblindesVertrauenin Hitler und gehen davon aus, daß er ihre Heimkehr ins Reich ohne Kriegerreichenwird.DieFreieStadtstehtimBegriffrapiderMilitari sierung,deutscheWeMFahrzeugemitDanzigerNummernschildern! rollen durch die Straßen. Mein Hotel, der Danziger Hof, voll mit deutschenOffizieren.DieStraßenverbindungennachPolenamOrts ausgangmitPanzersperrenundHolzverhauenblockiert...Diebeiden strategischwichtigenErhebungen,BischofsbergundHagelberg,sind zu Festungen ausgebaut worden. Und im Schutz der Nacht werden großeWaffenlieferungenausOstpreußenüberdenFlußNogatindie Stadtgebracht.HauptsächlichMaschinengewehre,PanzerundLuft abwehrgeschützesowieleichteArtillerie...DiemeistenWaffenstam menaustschechischerProduktion. Die Stadt total nazifiziert... Die Leute wollen den Anschluß an Deutschland.JedochnichtaufKosteneinesKriegesoderdesVerlus tesderPositionvonDanzigalseinesUmschlagplatzesfürdenpolni schen Handel. Obwohl diese Position seit dem Bau des rein polni schenHafensinGdynia...etwasgeschwächtist,müßteDanzigdoch ohnesieerheblichewirtschaftlicheVerlustehinnehmenesseidenn, DeutschlanderobertPolen.WiealleDeutschenmöchtensiegernbei des.“ Sa12.08.: FRK Hitler empfängt auf dem Obersalzberg den italie- nischen AM Graf Ciano zu einer „Konferenz“ in Gegenwart RAM Ribbentrops. Hitler will Italien zur Kriegsteilnahme auf seiten Deutschlands gegen Polen und Frankreich bewegen, doch Ciano lehnt ab und schlägt eine Konferenz über Danzig vor. 96

Beginn britischsowjetischer Verhandlungen über eine Militärallianz gegenDeutschland. Protokoll der Konferenz zwischen dem Führer und dem italienischen Außenminis- ter, Graf Ciano, in Gegenwart des Reichsaußenministers, auf dem Obersalzberg am 12. August 1939 : „ZuBeginnderKonferenzerläutertederFRKmitHilfevonKarten Graf Ciano die gegenwärtige Situation Deutschlands, vom militäri schen Standpunkt aus gesehen. Er unterstrich besonders die Stärke der deutschen Befestigungsanlagen im Westen...so daß ein erneuter Durchbruch[FrankreichsnachDeutschland]unmöglichscheint... Eine weitere Möglichkeit zum Angriff aufDeutschlandisteineBlo ckadedurchdiebritischeMarine.Manmußaberberücksichtigen,daß diezurBlockadebenutztenSchiffevonDeutschlandausderLuftan gegriffen würden, da sich England insgesamt im Angriffsradius der deutschenLuftwaffebefindet,infolgedergroßenReichweitederneu esten deutschen Bombenflugzeuge. WeitereMöglichkeiteneinesAn griffsaufDeutschlandbestehennicht.DienordischenLänderwerden ohneZweifelneutralbleibenundsindsichervorLuftangriffenjegli cher Seite, da die Okkupation solch großer Gebiete wie Norwegen undSchwedenwohlkaumangestrebtwird.EbensowirddieSchweiz mitSicherheitihreNeutralitätgegenjeglicheInvasionbiszumletzten verteidigen. Ebenso starke Befestigungen hat Deutschland im Osten errichtet... DiedeutscheHauptstadtallerdingskannZielvonLuftangriffensein, dennsieliegtnur150KilometervonderpolnischenGrenzeentfernt... ... Obwohl die Briten einigen Fortschritt bei der [Militär ]Flugzeugproduktion gemacht haben, ist die Luftabwehr noch ziem lichrückständig.Hinzukommt,daßLondonundanderegroßeStädte wieIndustriezentrendengleichenNachteilhaben,derdieLageBerlins bezüglichpolnischerLuftangriffekennzeichnet.AusgroßerHöhe,au ßerhalbderReichweitedervorhandenen,nochausdemKriegstam menden britischen AALuftabwehrgeschütze, kann die Bombardie rungmitabsoluterSicherheiterfolgen,unddieZielgebietekönnener folgreichgetroffenwerden. GegenwärtigistkeinAnwachsenderbritischenSeemachtzuverzeich nen.BiszumEinsatzneuer,aufStapelgelegterSchiffewirdnocheini geZeitvergehen.WasdasHeerbetrifft,sosindnachEinführungder 97

allgemeinen Wehrpflicht bis jetzt 60000 Mann einberufen worden. Wenn England die notwendigen Truppen zu seiner Verteidigungim Landebehält,sokannesFrankreichlediglich2InfanterieDiv.und1 PanzerDiv. zur Verfügung stellen, außerdem einige Bomberstaffeln, jedoch kaum Jagdflugzeuge, da die deutsche Luftwaffe unmittelbar nachAusbruchdesKriegesEnglandangreifenwürdeundmandaher die englischen Jäger dringend zur Verteidigung des eigenen Landes benötigt. ZurSituationFrankreichssagtederFRK,ineinemallgemeinenKon fliktnachdem in Kürze zu erwartenden Angriff auf Polen würde DeutschlandinderLagesein,amWestwall100Div.einzusetzen,was Frankreichzwingenwürde,alleverfügbarenKräfteausdenKolonien, vonderitalienischenGrenzeundvonanderswoandieMaginotLinie zuverlegenfürdendannbeginnendenKampfaufLebenundTod. Weiter ist der FRK der Meinung, daß die Franzosen dieitalienische GrenzeebensowenigüberrennenkönnenwiedenWestwall. AndieserStellezeigteGrafCianoAnzeichenstarkenZweifels. Der FRK fuhr fort: Die polnische Armee hat sehr unterschiedliche Stärke. Neben einigen ausgezeichneten Div. gibt es eine große Zahl äußerstschwacherEinheiten.DieLuftundPanzerabwehristäußerst schwach. Frankreich und Großbritannien können gegenwärtig keine Hilfe leisten. Wenn jedoch Polen eine bestimmte Zeit vom Westen wirtschaftlich unterstützt wird, kann es diese Waffen erwerben, was die deutsche Übermacht schwächen würde. Den Fanatikern in War schau undKrakaustehtdieunentschlossenebäuerlicheBevölkerung derländlichenGegendengegenüber.UnterBerücksichtigungallerdie serUmstände wird Deutschland Polen in kürzester Zeit erobern . ... Im allgemeinen wäre es das beste, die pseudoneutralen Län- der eins nach dem anderen zu beseitigen .Daskannziemlichleicht geschehen, indem der eine Achsenpartner dem anderen Rückende ckunggibt,währenddiesergerademiteinemderschwankendenneut ralenLänderSchlußmacht,undumgekehrt... UnterdenBalkanländernkannsichdieAchsevollaufBulgarienver lassen, das in gewissem Sinne natürlicher Verbündeter Italiens und Deutschlands ist. Deshalb auch hat Deutschland Bulgarien so stark wie möglich mit Waffenlieferungen unterstützt und wird dies auch weiterhin tun. Jugoslawien wird nur so lange neutral bleiben, wie es 98

gefährlich ist, offen die Seite der westlichen Demokratien zu bezie hen...RumänienfürchtetUngarn,istmilitärischäußerstschwachund imInnerenkorrupt.KönigKarlwirdohneZweifelseineNeutralität nicht aufgeben, wenn es nicht absolut nötig ist. Ungarn verhältsich freundlich, die Slowakei ist unter deutschem Einfluß, dort gibt es sogarineinigenLandesteilen deutsche Garnisonen . Indem er sich der DanzigFrage zuwandte, erläuterte der FRK Graf Ciano,esseiunmöglich,indiesemPunktZugeständnissezumachen... Danach antwortete Graf Ciano auf die Erläuterungen des FRK. Er drücktezunächstdiegroßeÜberraschungderItalienerangesichtsdes absolut unerwarteten Ernstes der Situation aus. Weder bei den Ge sprächeninMailand[06.05.]nochwährendseinesBesuchesinBerlin [21.22.05.] habe es seitens der Deutschen irgendwelche Anzeichen dafürgegeben,daßdieSituationbezüglichPolensoernstsei.ImGe genteil,derRAMhabeihmerklärt,daßdieDanzigFrageseinermei nung nach im Laufe der Zeit gelöst werden würde. Auf Grundlage diesesStandsderDingehatsichderDucegetreuseinerÜberzeugung, daßeinKonfliktmitdenwestlichenDemokratienunvermeidlichist, dazuentschlossen,alleVorbereitungenfürdiesenFallzutreffen,und hatseinePlänefüreinenZeitraumvon2bis3Jahren[19411942]ge macht.WenneinKonfliktschonjetztunvermeidlichist,wirdItalien natürlich an der Seite Deutschlands stehen, wie der Duce eben erst wiedervorderAbreiseGrafCianosunterstrichenhabe,dochausver schiedenenGründenwürdeItalieneineVerschiebungdesallgemeinen Konfliktsbegrüßen. ...Italienglaubt,sosagteer,daßeinKonfliktmitPolennichtaufdieses Land beschränkt bleiben, sondern einen generellen europäischen Kriegauslösenwürde. Der FRK bemerkte, daß die Meinungen zu diesemPunktauseinan dergehen.Erpersönlich ist fest davon überzeugt, daß die westli- chen Demokratien am Ende vor dem Sturz in einen allgemeinen Krieg zurückschrecken werden . Graf Ciano erwiderte,erhoffe,daßderFRKdamitrechthabe,aber dasglaubeernicht... Italien lebtseitdemAbessinienKonfliktinei nem konstanten Kriegszustand und braucht dringend eine Atem- pause .MitZahlenbelegteGrafCiano,wiehochderitalienischeMa 99

terialeinsatz,besondersimspanischenKonflikt,bisjetztgewesenist. Italiens Vorrat an Rohstoffen ist nun erschöpft ... AuchmußItalienseineRüstungsindustrie,diesichzurZeitanexpo niertenOrtenbefindet,indenSüdenverlegen...DieArtillerie,speziell die Luftabwehr, braucht dringend eine Modernisierung. Die langen Küstenlinien und andere exponierte Orte sind unzureichend ge schützt. AuchdieStärkederMarineistunzureichend.ImMomentkannItalien 12vereintenbritischenundfranzösischenSchiffennur2entgegenset zen, während bereits in einigenJahren8zurVerfügungstehenwer den. AndieserStellebemerktederFRK,daßnatürlichauchEnglandund FrankreichihreMarineaufstockenwerden,umetwa40000BRT. GrafCianoverwiesnocheinmalaufdielangeitalienischeKüstenlinie, die schwer zu verteidigen ist, sowie auf die vielen den Briten und FranzosenzurVerfügungstehendenStützpunkte,vorallemingriechi schenHäfen. BesondersverwundbarsindimMomentdieitalienischenKolonien... AußerdemistAbessinienimFalleinessolchenKonfliktsvölligvom Mutterlandabgeschnitten,womitdasSchicksalder200000Italienerim Landesehrungewißseinwürde... AußerdemmißtderDucederWeltausstellungvon1942großeBedeu tungzu,fürdieItalienbereitsumfangreicheVorbereitungengetroffen hatundvonderersichguteErgebnisseaufwirtschaftlichemGebiet verspricht, besonders, was das Hereinfließen ausländischer Währung betrifft... Außerdem ist der Duce davon überzeugt, daßdergegenwärtigeEn thusiasmus in England und Frankreich [gegen die Achsenmächte] nichtvonlangerDauerseinwird.Sehrbaldwird,besondersinFrank reich, die union sacrée wieder von Uneinigkeit der Parteien abgelöst werden,vorausgesetzt,daßdieAchsefüreineZeitstillhält... AußerdemwirdnachdeminetwazweiJahrenzuerwartendenEnde deschinesischenKonfliktsJapanineinerwesentlichstärkerenPositi onsein,währendRosseveltsPositioninAmerikadurcheinePeriode der Ruhe auf demFeldderAußenpolitikerheblichgeschwächtwird undernichtzumdrittenMalalsPräs.wiedergewähltwerdendürfte, 100

waszweifellosderFallwäre,wenninKürzeeinallgemeinerKonflikt ausbricht. Auch Spanien, wo eben eine achsenfreundliche Rg. angetreten ist, braucht nach dem Bürgerkrieg Frieden, würde aber in zwei bis drei JahrenalsnichtzunegierendeKraftanderSeitederAchsestehen... Aus diesen Gründen besteht der Duce darauf, daß die Achsen- mächte eine Geste zeigen sollten, die erneut den Friedenswillen Italiens und Deutschlands unterstreicht ... Im Zusammenhang mit diesem beabsichtigten Kommuniqué sagte Graf Ciano, der Duce habe zunächst an einen Vorschlag für eine Konferenzgedacht,imBewußtseinderBesorgnisdesFRKaberma che er jetzt einen anderen, abgemilderten Vorschlag, an dessen An nahmeersehrinteressiertsei. ZudemPlaneinerKonferenzerklärtederFRK,beikünftigenTreffen der Mächte wird ein Ausschluß Rußlands nicht länger möglich sein. DieRussenhabenindendeutschrussischenGesprächen,mitBezug aufMünchenundandereGelegenheiten,vondenensieausgeschlos senwaren,klargemacht,daßsiediesnichtweitertolerierenwerden... GrafCianoerwiderte,derDuceseiderMeinung,daßderjenigeSieger bei einer Konferenz ist, der die Bereitschaft zeigt, diese Konferenz wennnötigauchscheiternzulassenundKriegalsdasmöglicheResul tatzuakzeptieren... Der FRK antwortete, daß bei der Lösung des polnischen Problems keineZeitzuverlierenist.JeweiterwirindenHerbstkommen,desto schwierigerwerdenmilitärischeOperationenimOsten. GrafCianofragte,inwelchemZeitraumnachMeinungdesFRKdie DanzigFragegelöstwerdenmuß.Darauf antwortete der FRK, diese Frage muß so oder so bis Ende August gelöst sein ...Deshalbist derFRKentschlossen,dieGelegenheitdernächstenpolitischenPro vokation(brutaleMißhandlungvonDeutschen,einVersuchderAus hungerungDanzigsoderähnliches)zunutzen,Poleninnerhalbvon48 Stunden anzugreifen und damit das Problem auf diese Weise zu lö sen... GrafCianofragte,wanneinsolchesUnternehmengegenPolenzuer wartensei,dennItalienmüssesichselbstverständlichaufalleEventua litätenvorbereiten.DerFRKantwortete,daßunterdengegenwärtigen UmständeneinAngriffaufPolenjedenMomentzuerwartensei. 101

WährenddesMeinugsaustauschswurdendemFührereinTelegramm ausMoskauundeinesausTokioausgehändigt...DieRussenstimmten derEtnsendungeinesdeutschenpolitischenUnterhändlersnachMos kauzu.DerRAMfügtehinzu,daßdieRussenüberDeutschlandsAb sichtenbezüglichPolenvollständiginformiertsind.Erselbsthatauf BefehldesFRKdenrussischenGeschäftsträgerunterrichtet. DerFRKbemerkte,nachseinerMeinungsinddieRussennichtbereit, fürdieWestmächtedieKastanienausdemFeuerzuholen.Ammeis tenistRußlandanderAusweitungseinesZugriffsaufdasBaltikumin teressiert.DeutschlandhatdagegenkeineEinwände.Außerdemwird Rußland kaum an die Seite Polens treten, das es im Grunde seines Herzens haßt. Die Entsendung britischfranzösischer Militärunter händlernachMoskauverfolgtlediglichdenZweck,denkatastropha lenStandderpolitischenVerhandlungenzuverschleiern. NacheinerweiterenDiskussionüberdasvonGrafCianovorgeschla geneKommuniquésagtederFRK,erwollediesenVorschlag...über denken,undschlugdeshalbvor,dasGesprächamnächstenTagfort zusetzen.“ So13.08.: Beim 2. Treffen auf dem Obersalzberg kündigt FRK Hitler AM Graf Ciano an, Deutschlans Polen-Überfall werde „Ende August“ stattfinden. Dies werde der Anfang einer größe- ren strategischen Operation sein, die die Besetzung des gesam- ten Ostens und die Zerschlagung des Westens zum Ziel habe, also die Eroberung Europas. Italien könne die Stützpunkte der Briten im Mittelmeer einnehmen. Protokoll des 2. Treffens von FRK Hitler und AM Graf Ciano auf demObersalzbergv.13.08.: „Der FRK erklärt, nach dem gestrigen Gespräch hat er die Lage gründlichdurchdachtundistzuzweidefinitenEntschlüssengelangt: 1.ImFallejeglicherweitererProvokationwirderPolenunverzüglich angreifen.2.WennPolenseinepolitischenAbsichtennichtklarund offenerklärt,somußesdazugezwungenwerden.. ...WiedieDingejetztstehen,werdenDeutschlandundItalienkünftig infolgeMangelsanRauminderWeltnichtlängerbestehenkönnen, dochdervorhandeneRaumistvollständigblockiertdurchseinejetzi genBesitzer.SiesitzendortwieGeizhälseaufihrenBergenvonGold 102

underfreuensichihrerReichtümer.DiewestlichenDemokratiensind beherrschtvonihremWunsch,dieWeltzuregieren,undbetrachten DeutschlandundItaliennichtalsebenbürtigePartner.Amschlimms tenaufihrerSeitewirktdaspsychologischeMomentderVerachtung... DasProblemkannnurdurcheinenKampfaufLebenundTodgelöst werden... Der Mittelmeerraum ist eindeutig die älteste Domäne, auf dieItalieneinAnspruchsrechtbesitzt... Andererseits,sosagtederFRK,mußDeutschlandseinenaltendeut schenWegnachOsteneinschlagen... DerFRKerklärte,Polenmußsoniedergeworfenwerden,daßesfür 50JahrenichtmehrinderLageistzukämpfen.Wenndasderfallist, könnendanndieDingeimWestengeregeltwerden. CianodanktedemFRKfürseineäußerstklareDarstellungderSitua tion.ErhabeseinerseitsnichtshinuzzufügenundwerdedenDucein allenEinzelheiteninformieren... ... Er, Ciano, frage deshalb: Bis zu welchem Zeitpunkt muß Polen DeutschlandeinezufriedenstellendeErklärungseinerpolitischenHal tunggeben?... DerFRKantwortete,dieEntscheidungbezüglichPolenmußbisspä testensEndeAugustklarsein.DerHauptteildermilitärischenOpera tionkanninnerhalbvon14Tagenerledigtsein,weitere4Wochensind nötigbiszurendgültigenLiquidierung[!].DasGanzekannEndeSep temberoderAnfangOktoberbeendetsein...“ WilliamShirer,ZugGdyniaWarschau,Tgb.v.13.08.: „Hitleristoffenbarnochnichtbereit,seineKartenaufzudecken.Sonst hättederDanzigerSenatvoreinerWochewohlkaumeinenRückzie hergemacht,alsaufdieMitteilunggegenüberPolen,daßdessenZoll beamteinDanzigihreTätigkeiteinzustellenhätten,prompteinulti mativerProtestPolensfolgte,denDanzigakzeptierteundworaufhin dieAnweisungaufgehobenwurde.“ Mo14.08.: FRK Hitler hält auf dem Obersalzberg eine Rede zu den WeMOB (Tagebuch GOb Halder):„Angriff[Frankreichs]zwischen BaselundSaarbrückenaussichtslos...In68WochenmitPolenfertig, auchwennEnglandeingreift...DaherÜberzeugung,daßEnglandviel leicht noch sehr laute Töne machen wird, vielleicht Ges. abberufen, 103

vielleichtHandelsverkehrganzdrosseln,abernichtbewaffnetinden Konflikteingreifenwird.“ DerLeiterderösterreichischenVermögensverkehrsstelle,StKomWal terRafelsberger,teiltRFSSHimmlermit,daßdieArisierungjüdischen Vermögens in der Ostmark praktisch abgeschlossen ist: 7000 der 33000 jüdischen Unternehmen waren schon vor der Errichtung der Stelle Mitte Mai 1938 liquidiert worden. „Von den restlichen etwa 26000Betriebenwurdenungefähr5000derArisierung,dierestlichen 21000einergeordnetenLiquidationzugeführt.“ Di15.08.:StSRLfMGenMilchgibtdieAnordnungfürdenLuftangriff aufPolen. BeidenDreierverhandlungeninMoskaubestehtKrKomVoroschilov aufdemDurchmarschrechtderUdSSRdurchPolenfürdenFalleines Kriegs mit Deutschland, was die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs nicht zugestehen können. Die UdSSR verlangt vor Ab schlußeinesDreierpaktseineKlärungdieserFrage.AMBonnetver sucht,denpolnischenBotsch.füreineZustimmungPolenszugewin nen. WeMAbwChCanarisinformiertdenitalienischenGeheimdienstchef RoattaüberdenunmittelbarbevorstehendenKrieggegenPolen,was diesersofortinRommeldet. AnderGrenzePolenDanzigwirdeinpolnischerSoldaterschossen. Mi16.08.: Polen verfügt als Reaktion auf den Grenzmord an einem Soldaten,daßaufjedenGrenzverletzeranderDanzigerGrenzeohne Anrufzuschießenist. Do17.08.: ChOKW Keitel erfährt von ChAAusl/Abw Canaris, daß ItaliennichtgegenPolenmitkämpfenwolle.Canarisäußerstsichbe sorgtübereinenKrieggegendieWestmächte,dochKeiteläußertdie Ansicht,GroßbritannienwerdenichtindenKriegeintreten.Canaris widersprichtundweistaufdiebesondereGefahreinerbritischenBlo ckadehin.Keitelzeigtsichungerührt. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.17.08.: „DieKriseschwelt.Niemandweißgenau,waseigentlichvorsichgeht. OffenbarauchnichtdasAusland,beidemwirunsjaallabendlichori 104

entieren. Es ist, als ob keiner den schlafenden Hund wecken wolle. Aberschläfterwirklich,derHund? VoreinerWochehatDeutschlandsichineinerscharfenkurzenNote alleultimativenForderungenPolensanDanzig‘verbeten’.Eshatalso dieNotePolensvom04.08.garkeinerAntwortgewürdigt.Offenbar eineneueFormdiplomatischenVerkehrs. Graf Ciano, der italienische AM, ist mit Ribbentrop in Salzburg zu sammengetroffen. Was die Herren sich da erzählt haben, weiß nie mand.HoffentlichnurGutes. SeitfünfTagenhältsicheinebritischeundeinefranzösischeMilitär missioninMoskauaufoffenbardochwohl,umdasMilitärbündnis zwischen den Westmächten und Rußland noch enger zu schmieden undHitlersUnternehmungslustdurchdreigeballteFäustezuzähmen. DerDanzigerOberkommissarProfessorCarlBurckhardt,einuntade liger Mann, der zweifellos jeden militärischen Konflikt vermeiden möchte,istbeiHitleraufdemObersalzberg.Niemandweißauchda, wasverhandeltwird. NochsechsTagebiszum23.08.,dersodrohendvormirsteht.War Baron v.d. Heydt doch falsch informiert? Ich möchte es hoffen. Je denfallshatseinegutgemeinteWarnungmirsehrgeholfen.Ohnedie ses bedrohliche Datum hätte ich vielleicht Kaibitz nicht gekauft, je denfallsnichtsointensivausgebaut... GesterntrafdieSchwestermeinerMutter,TanteLauramanmüßte denNamenfürsieerfinden,wennsieihnnichtseit70Jahrentrüge! hierein... IchhabesieseitdemTodmeinerMutter,seitdermakabrenMünch nerBestattung,nichtmehrgesehen.Nunwarichdochüberrascht,wie auchdieZeitanihrnichtspurlosvorübergegangenist.Sieistjetzteine besessene,jaaggressive‘Nazisse’.Sohalbundhalbwarsieschonim mer der ‘Bewegung’ verfallen, das hatte oft Streit und Tränen zwi schendenSchwesterngegeben.AberjetztistTanteLauraeineganz Überzeugte.WoherkommtdieserZauber,dendergöttliche‘Führer’ aufFrauen,vorallemaufältereDamen,ausübt?DieserGlaubeund diese Hingabe grenzen ans Religiöse und sind mit Vernunftgründen nichtzuerklären.“ 105

Fr18.08.: Ärzte und Hebammen erhalten auf Initiative von L K/F Bouhler die Anweisung, sämtliche Kinder zu melden, die mit Defekten geboren wurden. Die Liste der Defekte ist von einem dreiköpfigen Komitee des Reichsausschusses für Erbgesund- heitsfragen zusammengestellt worden. FRK Hitler will diese Kinder ermorden lassen. Sa19.08.: Ewald von KleistSchmenzin [22.03.90 Gut Dubberow 09.04.45Berlin]trifftinLondonmitWinstonChurchillzusammen.

So20.08.: FRK Hitler ernennt RLfM Göring zum Vors. des Mi- nisterrats für die Reichsverteidigung (VorsMR/RV). Die RRg kündigt den Abschluß eines Handelsabkommens zwi- schen Deutschland und der UdSSR an. WilliamShirer,Warschau,Tgb.v.20.08.: „DiePolensindallesinallemruhigundzuversichtlich,derHohnaus BerlinundGoebbels’bösartigePressekampagnevollerLügenunder fundenerZwischenfällelassensiekalt.Abersiesindzuromantisch,zu zuversichtlich... Rußland zählt für sie nicht. Aber es sollte das tun... Unser Militärattaché glaubt, daß sich die Polen sechs Monate ohne fremde Hilfe gegen Deutschland halten können... Maj Eliot ist hier. Bescheinigt der polnischen Armee guten Geist, aber unzureichende BewaffnungundungenügendeEinschätzungihrerverheerendenstra tegischenLage.“ Mo21.08.: DiebritischsowjetischenVerhandlungenscheiternander sowjetischenForderungeinesRechtsaufDurchmarschdurchPolen. RAM Ribbentrop fliegt zu Verhandlungen über den Abschluß eines Pakts mit der UdSSR nach Moskau. 23 Uhr. Der Reichsrundfunk meldet: Deutschland und die UdSSR sind übereingekommen, einen Nichtangriffspakt zu schließen. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.21.08.: „DieKriseumPolenwirdweitermunterangeheizt.DieAuslandsen der,diewirnunvieleStundenamTagundamAbendabhören,mun keln etwas von geheimen deutschrussischen Verhandlungen. Bot schafterv.d.SchulenburgsolltäglichmehrmalsvonStalinempfangen 106

werden.Veröffentlichtwurdebeiunsgesternnureinrelativharmloses deutschrussisches Kreditabkommen. Ist es der Vorläufer von We sentlicherem? Die HitlerGläubigen, so der Baron [Lindenfels] und TanteLaura,haltenesfürabsolutmöglich,daßHitlersichübermehr alsKreditundWarenmitdem‘VerbrecherundUntermenschen’Sta lin (so Hitler bei jeder passenden Gelegenheit!) einigen werde. Ich kannmirdasnichtvorstellen... Ichversuche,amRomanzuarbeiten,aberesgehtnursehrmühsam... DasGefühlderSinnlosigkeitdeseigenenSchaffensnimmttäglichzu, im gleichen Maß wie das Gefühl, daß nun bald etwas passiert. Der Druck ist kaum noch auszuhalten; man ersehnt eine Explosion und fürchtetsiezugleichähnlichwieindenTagenvor‘München’.“

Di22.08.: Der Angriff von heute schreibt über den angestrebten Pakt zwischen Deutschland und der UdSSR: „Die Welt sieht sich einer gewaltigen Tatsache gegenüber: zwei Völker, die in einer Periode langer und traditioneller Freundschaft die Grund- lagen für gegenseitiges Einverständnis aufgebaut haben, haben sich auf eine gemeinsame Außenpolitik geeinigt.“ Karl Silex nennt den angestrebten Pakt im DAZ -Leitartikel eine „natürli- che Partnerschaft“. 12 Uhr. Auf dem Obersalzberg erläutert FRK Hitler den OB der WeM in einer Rede, daß der Krieg nun, noch zu seinen Lebzei- ten, stattfinden müsse, da „wohl niemand wieder so wie ich das Vertrauen des ganzen deutschen Volkes hat“. Auch der persön- liche Faktor der Unterstützung durch Mussolini und Francos „wohlwollende Neutralität“ sei vergänglich: „Unsere wirtschaft- liche Lage ist infolge unserer Einschränkungen so, daß wir nur noch wenige Jahre durchhalten können. Göring kann das bestä- tigen. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen handeln... Die Gründung Großdeutschlands war politisch eine große Leis- tung, militärisch war sie bedenklich, da sie erreicht wurde durch einen Bluff der politischen Leitung. Es ist notwendig, das Mili- tär zu erproben. Wenn irgend möglich, nicht in einer Generalab- rechnung, sondern bei der Lösung einzelner Aufgaben... Eng- land und Frankreich haben sich verpflichtet [zum Beistand für Polen], beide sind nicht in der Lage dazu... Sehr hat es gescha- 107

det, daß viele Deutsche, die ablehnend waren, nach der Lösung der tschechischen Frage Engländern gesagt und geschrieben haben: Der F hat Recht behalten, weil Ihr die Nerven verloren habt, weil Ihr zu früh kapituliert habt. Dadurch erklärt sich der jetzige Propagandakrieg... Die englische Luftwaffe hat z.Zt. nur 130000 Mann, Frankreich 72000 Mann, Polen 15000 Mann... Un- sere Gegner sind kleine Würmchen. Ich sah sie in München... Ich war überzeugt, daß Stalin nie auf das englische Angebot eingehen würde... Litvinovs Ablösung war ausschlaggebend. Ich habe die Umstellung Rußland gegenüber allmählich durchge- führt. In Zusammenhang mit dem Handelsvertrag sind wir in das politische Gespräch gekommen. Vorschlag eines Nichtan- griffspaktes. Dann kam ein universaler Vorschlag von Rußland [!]. Vor 4 Tagen [18.08.] habe ich einen besonderen Schritt ge- tan, der dazu führte, daß Rußland gestern antwortete, es sei zum Abschluß bereit. Die persönliche Verbindung mit Stalin ist her- gestellt. Von Ribbentrop wird übermorgen den Vertrag schlie- ßen. Nun ist Polen in der Lage, in der ich es haben wollte... Ich habe nur Angst, daß mir noch im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt... Die heutige Veröffentlichung des Nichtangriffspaktes mit Rußland hat ein- geschlagen wie eine Granate... Die Einwirkung auf Polen wird ungeheuer sein.“ Nach dem gemeinsamen Mittagessen hält FRK Hitler eine 2. Rede zu den Oberbefehlshabern: „Unsere Stärke liegt in unserer Schnelligkeit und Grausamkeit... Ich habe den Befehl gegeben und werde jeden erschießen lassen, der auch nur ein Wort der Kritik daran äußert, daß das Ziel des Krieges nicht in der Ge- winnung bestimmter Gebiete besteht, sondern in der physischen Vernichtung des Gegners. So werde ich also meine ‘Totenkopf’- Einheiten mit dem Befehl einsetzen, alle Männer, Frauen und Kinder polnischer Rasse oder Sprache ohne Mitleid und Gnade zu töten. Nur auf diese Weise werden wir den dringend benötig- ten Lebensraum gewinnen... Ich werde propagandistischen An- laß zur Auslösung des Krieges geben, gleichgültig ob glaubhaft. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Bei Beginn und Führung des Krieges 108

kommt es nicht auf das Recht an, sondern auf den Sieg... Auslö- sung wird noch befohlen, wahrscheinlich Samstag morgen [26.08.].“ PM Chamberlain erklärt in einem Brief an FRK Hitler unmiß- verständlich, daß ein deutscher Angriff auf Polen Krieg bedeu- ten würde. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.22.08.: „RAMv.RibbentropistnachMoskauabgeflogen,ummitdemVors. des Rats der VKom, AKom Molotov, einen deutschrussischen NichtangriffsundKonsultationspaktzuunterzeichnen. DieNachrichtschlägtnichtnurbeiunsimHaus,sondernindergan zenWeltwieeineBombeein.NochistdieenglischfranzösischeMili tärmission in Moskau und verhandelt täglich mit den Russen Ver handlungen, die offensichtlich von russischer Seite seit Wochen nur hinhaltend und zum Schein geführt worden sind, während unsere Botsch. insgeheim den deutschrussischen Vertrag ausgehandelt ha ben.DieWeltistwievordenKopfgeschlagen.Damithatniemand gerechnet.EsisteinüberwältigenderSiegderdeutschenDiplomatie, alsoHitlers.ErbeweistebensoseineSkrupellosigkeitwieseinenpoli tischen Instinkt wie auch seine undv.d.Schulenburgsdiplomatische Kunst, den Pakt mit dem Teufel still und heimlich unter Dach und Fachgebrachtzuhaben. Wären es nicht gerade die Nazis, die das Bündnis mit Rußland ge schaffthaben,sowürdeichesnochlebhafterbegrüßenalsohnehin schon.Ichhabeimmergeglaubt,daßeseinstarkesundsicherinsich ruhendesDeutschland,einbefriedetesEuropa,nurbeiengerFreund schaftmitRußlandgebenkann,wienuneinmaldiegeographischeLa geinEuropaist.DahatsichseitBismarcksZeitennichtvielgeändert, unddasUnheilkamüberhaupterstüberEuropa,alsnachBismarcks EntlassungKaiserWilhelmII.undseineKanzlerdienachOstenori entierteBismarckscheKonzeptionaufgaben.SoschloßsichderRing imDeutschlandundlöste1914denWeltkriegaus,dersofurchtbarfür unsendete.HitlerhatnundiesenRinggesprengtundzurBismarck schenPolitikzurückgefunden.Leichtwirdesihmnichtwerden,seinen AnhängerndieseSchwenkungum180Gradplausibelzumachen.A berDr.Goebbelswirdauchdasschaffen. 109

WaswillHitlernunmitdiesemBündnis,sofragtsichdieWelt,sofra genwiruns.EsgibtnureineAntwort:erwillfreieHandhaben,um Polenzuüberfallenundauszulöschen.DieeinzigeHemmung,diefür ihnwohlnochbestand,denKriegmitPolenauszulösen:dieGefahr, daß Rußland von der anderen Seite Polens auf ihn losmarschieren würdesieistnunbeseitigt.VorEnglandundFrankreichfürchteter sichnicht.Diesindweit.ImGrundesindsie,danichtNachbarndes Opfers,someintjedenfallsHitler,uninteressiert,unddasganzeBei standsversprechen wird sich als Bluff des Westens herausstellen, so baldHitler‘vollendeteTatsachen’geschaffenhat.“

Mi23.08.: 13 Uhr. Auf dem Obersalzberg empfängt FRK Hitler in Anwesenheit von StS Weizsäcker Botsch. Henderson und droht mit der deutschen Generalmobilmachung, falls Großbritannien oder Frankreich militärische Maßnahmen ergreifen. In einer 2. Unterredung sagt Hitler zu Henderson, wenn schon ein Krieg kommen müsse, dann sei es besser, er führe ihn jetzt mit 50 als mit 55 oder 60: „Die Fragen Danzigs und des Korridors werden liquidiert, so oder so.“ Kurz vor Mitternacht. Deutschland und die UdSSR schließen anläßlich des überraschenden Moskau-Besuchs von RAM Rib- bentrop - und wegen Unsicherheiten über Moskaus Ansprüche auf Libau und Windau erst nach einer längeren Verhandlungs- runde - einen Nichtangriffspakt (Hitler-Stalin-Pakt ) mit Ge- heimprotokoll über die Aufteilung Osteuropas in Interessenge- biete. DiedeutschenKommunisteninUntergrundundExilreagierenratlos undpassiv. DeutschlandUdSSR, Geheimes Zusatzprotokoll zum Nichtangriffs vertragv.23.08.: „1. Für den Fall einer territorialpolitischen Umgestaltung in den zu den baltischenStaaten(Finnland,Estland,LettlandundLitauen)ge hörendenGebietenbildetdienördlicheGrenzeLitauenszugleichdie Grenze der Interessensphäre Deutschlands und der UdSSR. Hierbei wirddasInteresseLitauensamWilnaerGebietbeiderseitsanerkannt. 2.FürdenFalleinerterritorialpolitischenUmgestaltungderzumpol nischen Staat gehörenden Gebiete werden die Interessensphären 110

DeutschlandsundderUdSSRungefährdurchdieLiniederFlüssePis sa,Narew,WeichselundSanabgegrenzt.DieFrage,obdiebeidersei tigenInteressendieErhaltungeinesunabhängigenpolnischenStaates erwünscht scheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wäre, kannendgültigerstimLaufederweiterenpolitischenEntwicklungge klärtwerden.InjedemFallewerdenbeideRegierungendieseFrageim WegeeinerfreundschaftlichenVerständigunglösen. 3.HinsichtlichdesSüdostensEuropaswirdvonsowjetischerSeitedas InteresseanBessarabienbetont.VondeutscherSeitewirddasvöllige DesinteressementandiesenGebietenerklärt. 4. DiesesProtokollwirdvonbeidenSeitenstrenggeheimbehandelt werden. Moskau,den23.August1939. FürdieDeutscheReichsregierung:v.Ribbentrop InVollmachtderRegierungderUdSSR:V.Molotov.“ ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.23.08.: „GegenMittag[?]werdenzweiPaktegeschlossen:inMoskauderzwi schenDeutschlandundRußland,unterzeichnetvonRibbentropund MolotovinAnwesenheitStalins;inKaibitzderüberdenVerzichtauf dasVorkaufsrecht... ‘Hitler und Stalin haben Freundschaft geschlossen’ verkünden die deutschenZeitungen.DerbritischePMhateinsehrkühlesSchreiben anHitlergerichtet,indemererklärt,derPaktDeutschlandsmitder UdSSRwerdeanderbritischenBeistandsverpflichtunggegenüberPo lennichtsändern.EineschöneKavaliershaltungderBriten,dieman erwartendurfte.Aberwäreesnichtzweckmäßigergewesen,wennes derenDiplomatengelungenwäre,den‘PaktmitdemTeufel’zuver hindern?“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.23.08.: „GroßeAufregungheutenachtinderKneipe.Gegen2Uhrmorgens [24.08.]erhieltenwirdenTextdesrussischdeutschenPakts.Ergeht vielweiter,alsirgendjemandträumenkonnte.ErstelltinWriklichkeit einBündnisdar,undentsprechenddengetroffenenFestlegungenent hält er die Einladung Stalins, des angeblichen Erzfeindes des Nazis musundjederAggression,anDeutschland,inPoleneinzumarschieren und dort aufzuräumen. Die Anhänger der Bolschewisten sind kons terniert.VerschiedenedeutscheRedakteureHalfeld,Kriegk,Silex, 111

dienochvorgesternhysterischüberdieroteGefahrgeschriebenha ben,kommennunherein,bestellenChampagnerundbezeichnensich alsalteFreundederSowjets!...WirsetzenunszudendeutschenRe dakteuren.SiesindvollhämischerFreude,prahlenundredendavon, daßGroßbritannienesnunnichtmehrwagenkönnezukämpfensie verleugnenalles,wasihreNazigöttersieindenvergangenen6Jahren zuschreibenangewiesenhaben.WirsagenesihneninsGesicht.Die Antwortensindunflätig.“

Do24.08.: Morgens. FRK Hitler empfängt StS Weizsäcker zu ei- ner Unterredung, zeigt sich optimistisch über seine gestrigen Gespräche mit Botsch. Henderson. US-Präs. Roosevelt richtet an Deutschland ein vermittelndes Verhandlungsangebot, erhält aber keine Antwort. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.24.08.: „Heutemorgengegen4UhrerwachteichdurchLärmimDorf.An einigenTürenderHäuserwurdegepochtundgehämmert.Halblaute Rufe.HierunddortLichtschein.IchdrehtemichaufdieandereSeite. Als man mir das Frühstück bringt, erfahre ich, was los war: Allen Wehrpflichtigen wurden heute nacht Mobilmachungsbefehle zuge stellt. DieWeltlageverschlechtertsichvonStundezuStunde.Ribbentropist aus Moskau zurück. Überall in Deutschland großer Jubel. Herrlich, dieseFreundschaftmitRußland!AlswennmanniegegenKommunis tengekämpft,sieniezuHundertengetötet,zuTausendenindieKZ Lager gesperrt hätte! Warum sollten denn die beiden Ssyteme sich nichtgroßartigvertragen?BeideDiktaturen!Beidevoneinemgenialen Führerautoritärgeführt! HitlerhatdasSchreibendesbritischenAMvonvorgesternkühlund kurzbeantwortet:dieRrgwerdesichdurchdieStellungnahmederbri tischenRg.nichthindernlassen,ihreInteressenwahrzunehmen. Der Pakt ist nun veröffentlicht... Und dann der springende Punkt: ‘Falls einer der vertragschließenden Teile Gegenstand kriegerischer HandlungseitenseinerdrittenMachtwerdensollte,wirdderandere vertragschließende Teil in keiner Form diese dritte Macht unterstüt zen.’ 112

DasistderBlankoscheckfürPolen.NunwirdkeineMachtderErde Hitlermehrzurückhaltenkönnen.JedeStundekannerlosschlagen.... Gegen Abend HollandhatsoebendieMobilmachungangeordnet.Pariswirdvonder Zivilbevölkerung geräumt. England betont in den Radiosendungen seineunbedingteBündnistreuezuPolen. WirsitzenallevordemRadio,gleichgültigobNazioderAntinazi,und sinderschüttert.Obwohlwireskommensahen!Fälltdennniemand diesemWahnsinnigenindenArm?MüssenwiederMillionensterben, MillionenzuKrüppelnwerden?MüssenunsereStädteinSchuttund Aschefallen?Esistnichtzuverstehen.EsistzumVerrücktwerden.... Mitternacht EineBotschaftdesPapsteswirddurchgegeben.Wortevermögenhier, wodieMachtversagt,nichts.DaswirdHitlerwenigerschüttern. MinutenspätereineBotschaftdesamerikanischenPräs.Rooseveltan den König von Italien. Der König also Mussolini! soll in letzter StundevermittelnzwischenDeutschlandundPolen. WenigspätereineneueBotschaft:diesmalistesLeopold,derKönig der Belgier. Er spricht im Namen der ‘kleinen Nationen’ und rät in letzterStundezurVernunftundzueinerKompromißlösung.Dasläßt sichhören.Anscheinendwissendieanderen,daßHitlerheutenacht losschlagen will. Wir in Deutschland wissen das nicht. Außer dem Pakt mit Rußland, der überall gefeiert und breitgetreten wird, hört mannichts.KeinWortüberdiepolnischeKrise.“

Fr25.08.: Morgen. FRK Hitler schickt einen Brief an Mussolini ab, in dem er um Verständnis für den deutsch-sowjetischen Pakt bittet. RAMRibbentropstelltdemführendenUSAbg.HamFisheinFlug zeug zur Verfügung, damit dieser an einem interparlamentarischen TreffeninSkandinavienteilnehmenkann. 13.30 Uhr. Einstündige telefonische Unterredung Hitlers mit Botsch. Henderson, in der er Großbritannien die Unterstützung Deutschlands und zweiseitige Verständigung in Kolonialfragen anbietet, wenn London sich in der Polen-Frage nicht auf die Sei- te Warschaus stelle. 113

Kurz nach 15 Uhr. Hitler wiederholt gegenüber OKW-Chef Kei- tel den Befehl, morgen früh 4.30 Uhr Polen anzugreifen. Danach empfängt Hitler den italienischen Botsch. Attolico und zeigt sich irritiert, daß von Mussolini noch keine Antwort eingetroffen auf den morgendlichen Brief eingetroffen ist. Nachmittag. Deutschland unterbricht alle Telefon- und Telex- verbindungen mit dem Ausland. Großbritannien teilt mit, es werde den Beistandspakt mit Polen vom 06.04.39 noch am selben Tag ratifizieren (Ratifikation 17.35 Uhr), und läßt dies Hitler durch Henderson telefonisch übermit- teln. 17.30 Uhr. Der von Hendersons Mitteilung erschütterte Hitler empfängt den französischen Botsch. Coulondre. Dieser gibt Hit- ler sein Offiziersehrenwort, daß Frankreich im Fall eines deut- schen Überfalls auf Polen kämpfen werde. Kurz nach 18 Uhr. Botsch. Attolico überbringt in der RK die Antwort Mussolinis: Italien erklärt sich aus Verärgerung über den Hitler-Stalin-Pakt und die terminliche Irreführung seitens Hitlers (Krieg „nach 1942“) als nicht kriegsbereit und schlägt ei- ne Friedenskonferenz vor. FRK Hitler verschiebt den für Sa26.08. geplanten Angriff auf Po- len, um, wie er Göring sagt, „zu sehen, ob wir eine britische In- tervention ausschließen können“. US-Präs. Roosevelt wiederholt Deutschland gegenüber sein Vermittlungsangebot und erhält erneut keine Antwort. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.25.08.: „IndenMorgennachrichtennichtsüberPolen.HatHitlereinenetwa für heute geplanten Angriff verschoben? Vermittelt da jemand? Kommt doch noch ein neues ‘München’? Ein wenig Hoffnung lebt wiederaufundzugleichdieAngst,daßdieendgültigeEntscheidung wiederverschobenwird,daßderSchreckenohneEndewiederweiter gehenwird,stattdaßendlichdasEndemitSchreckenkommt... InderMorgenpressefindetsicheineErklärungdesRAMv.Ribben trop,inderesheißt: ‘Deutschland und Rußland ist es früher immer schlecht gegangen, wennsieFeindewaren...Manhatversucht,DeutschlandundRußland einzukreisen,undgeradeausdieserEinkreisungistnundiedeutsch 114

russische Verständigung entstanden... Ich bin überzeugt, daß dieser Vertrag für die russischjapanischen Beziehungen wie auch für die deutschjapanischeFreundschaftsichgutauswirkenwird.’ DieSpracheRibbentropsistrelativgemäßigtundvorsichtig,wasauf fällt,angesichtsseinersonstüblichenHochfahrenheit. Hitlerhat,wiedieSchweizmeldet,denenglischenBotsch.Henderson zusichkommenlassen. Heute marschieren die ‘Reservisten’, die gestern nacht ihre Gestel lungsbefehle erhalten hatten, zu ihren Einberufungsplätzen aus dem Dorf ab. Die Stimmung ist nicht gerade hochgemut. Von Kriegsbe geisterungkeineRede.Daßesnunmöglicherweiseernstwird,scheint niemandemzupassen.Damithatmannichtgerechnet!Wassolldas plötzlich?BisherhatdochderFühreralles,waserhabenwollte,ohne Kriegbekommen?... AbendswiederstundenlangamRadio.WiedieWeltsichmüht,ihren eigenen Wahnsinn in letzter Minute zu stoppen! Es ist, als ob man jetztdocherschreckevordem,wassichfastautomatischzuentfesseln droht.“

Sa26.08.: Die deutsche Presse titelt: „ Totales Chaos in Polen - Deutsche Familien auf der Flucht - Polnische Soldaten rücken bis unmittelbar vor die deutsche Grenze!“ (BZ ) „Spiel mit dem Feuer geht zu weit - Drei deutsche Passagierflugzeuge von Po- len beschossen - Zahlreiche deutsche Bauernhöfe im Korridor stehen in Flammen!“ (12-Uhr-Blatt ) Frühmorgens.DerbritischeBotsch.HendersonfliegtvonBerlinnach London. Der französische PM Daladier erklärt in einem Schreiben an die RRg unmißverständlich, daß ein Angriff auf Polen Krieg bedeu- ten würde. Es gebe keine Frage, die nicht friedlich gelöst werde könne. Polen sei eine souveräne Nation, und Frankreich werde seine Verpflichtungen gegenüber Polen erfüllen. Und zum Schluß: „Wenn jetzt, wie vor 25 Jahren, französisches und deut- sches Blut vergossen werden sollte..., dann werden beide Völker im Vertrauen auf ihren Sieg kämpfen. Die wahren Sieger aber werden Vernichtung und Barbarei sein.“ 115

Kurz vor Mitternacht. Deutschland ordnet mit Wirkung vom 28.08. die Bewirtschaftung lebenswichtiger Güter durch Bezugskarten an fürLebensmittel,Seife,Schuhe,TextilienundKohle. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.26.08.: „Abends DerNeffeMarieRothers,einjungerStudentausErlangen,istuner wartet zu Besuch gekommen. Er bringt schlechte Nachrichten. Ab morgen,27.08.abends,hörtallerZugverkehrfürZivilistenimganzen Reichauf.SeitheutemittagistBenzinsperre.DamitistmeinWagen stillgelegt,sobaldderletzteSpritverfahrenist,unddieFreizügigkeitist zuEnde. DieMobilmachungrolltalsoimgroßenStil. Nachts DeutscheVerkehrsflugzeugesinddurchpolnischeGeschütze,somel dendeutscheSender,beschossenworden. Der englische Botsch. in Berlin, Henderson, ist nach London geflo gen,umdortdie‘Forderungen’HitlersanPolenzuübergeben.Diese Meldungklingtnichtschlecht.WünschtHitleralsodochdieVermitt lung Englands? Will er doch ohne KriegDanzigunddenKorridor durchgang?Wennessoist,dannkannderDruckEnglandsaufPolen tatsächlichnochdenKriegverhindernunddasRezeptvon‘München’ würdesichwiederholen.VielLustzumWeltkriegscheintjaEngland nichtzuhaben,dasistwohlHitlersSpekulation.Zumindestscheintes dort,auchimKabinett,eineGruppezugeben,diesichsagt,warum sollen wir Krieg machen, bloß um eine an sich nicht unberechtigte Forderung Deutschlands an Polen nämlich Danzig und den freien DurchgangdurchdeKorridorzuvereiteln?SollendafürunsereBoys sterben?DasistindieserStundenocheineChance,setztfreilichvor aus,daßHitlersichtatsächlichmitseinenbisherigenForderungenan Polenbegnügt. AuchDaladier,derfranzösischeMP,hateinenpersönlichenBriefan Hitlergerichtet.SowächstHitlersAutographensammlung.“ ErnstJünger,Kirchhorst,Tgb.v.26.08.: „Um9Uhrmorgens,alsichimBettebehaglichimHerodotstudierte, brachte Louise den Mobilmachungsbefehl herauf, der mich zum 30. August nach Celle einberuft und den ich ohne große Überraschung empfing...“ 116

So27.08.:Morgen.DiedeutschePressefordertoffendieRückgabeal ler 1918/19 verlorenen Gebiete durch Polen. Der VB titelt: „ Ganz Polen im Kriegsfieber! 1500000 Mann unter Waffen! Pausenlose Truppentransporte zur Grenze! Chaos in Oberschlesien! “ In der Antwort an PM Daladier schreibt FRK Hitler, er bedaure, daß Frankreich für die „Aufrechterhaltung eines Unrechts“ kämpfen wolle. Danzig und der gesamte Korridor müßten an Deutschland zurückgegeben werden. Er, Hitler, sei sich der Folgen eines Kriegs vollkommen bewußt, doch Polen werde da- bei am meisten zu leiden haben. AlsBezugsrationenwerdenproPersonfestgesetzt:ProWoche700g Fleisch,280gZucker,110gMarmelade,62,5gKaffee/KaffeeErsatz. Pro4Wochen125gSeife. Nachmittag.FRKHitlerrichtetinderReichskanzleieineGeheimrede andieRTAbg.lautDNBüberden„ErnstderLage“. Abend.Derfür02.09.angesetzteRPTinNürnbergwirdabgesagt. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.27.08.: „Sonntag!IstesderletzteFriedenssonntag? BeromünstersiehtdieLagejetztruhiger.Esscheint,daßEngland Polen aufgeben wird. Die Antikriegspartei in London ist doch wohl stärker,alsanzunehmenwar.Chamberlainmußnachgeben,umnicht gestürztzuwerden.Hitler,someintmaninderSchweiz,wirdEnor mes fordern, aber auch einiges anbieten: ein neues Kontinental EuropaunterseinerFührung,abervölligeFreiheitfürEngland,sein Weltreich ohne EinmischungDeutschlandszuverwaltenundauszu bauenabgesehenvoneinigenfrüherendeutschenKolonien,diewir ‘brauchen’unddiesowiesonichtzumenglischenMachtbereichgehö ren. Dafür Bündnisverträge, Rüstungsbeschränkung, Freundschaft. Daß Hitler Freundschaft mit England will, ist nach wie vor außer Zweifel. Wer wird nun in England in diesen entscheidenden Stunden siegen: jene,diewieChurchillundEdenüberzeugtsind,daßeskeinBündnis undkeinenFriedenmitdiesemWortbrüchigengebenkannoderje ne,die,umdenKriegzuvermeiden,bereitsind,PolenimStichzulas sen,wiemanÖsterreichundzweimaldieTschechoslowakeiimStich ließ? That’s the question . 117

Mittags Kaumhatmanetwasaufgeatmet,kommteineNachricht,dieeigent lich Bände spricht. Ab morgen früh Lebensmittelkarten in ganz Deutschland!Damithabeich,offengestanden,nichtgerechnet!Wie muß das vorbereitet sein, seit Monaten, wenn morgen zur gleichen StundeanjedenDeutschenimganzenReichLebensmittelkartenaus gegeben werden! Und warum überhaupt? Wir sind doch so herrlich ‘autark’!Daßwir,dievon1914bis1920aufLebensmittelkartenleben mußten,dasnocheinmalerlebenmüssen,istgrotesk!NuninKaibitz wirdesnichtsoheißgegessen.UnsereBettimitdenlangenZöpfen lachtnurhellauf.‘DiesepreußischenSittenwollenwirhiergarnicht ersteinführen!’meintsie.Auchichbinfestentschlossen,fürdenFüh rer nicht zu hungern. Diesmal nicht! Aber wie mag diese Nachricht aufdieBegeistertGläubigenimganzenLandwirken? DiedeutschenSenderzuhören,istjetzteinekörperlicheQual.Nicht nur,daßsieallesbestreitenundalleswirklichInteressanteverschwei gen, sie füttern uns ausschließlich mit geradezu kindischen Greuel meldungenausPolen.EsmußdendeutschenHörerndochallmählich aufdieNervengehen!Wasinteressiertes,obeindeutscherEisenbah nerinDanzigverprügeltodereindeutscherZöllnerirgendwoangeb lich in den Hintern getreten wurde? Was ist mit Dr. Goebbels los? Warumversagterplötzlich?Eskommtmirvor,alsmüsseersozusa genein‘Zwischenprogramm’senden,daderBeginnderVorstellung vomHerrnDirektorverschobenwurde.Erhattewohldochmitdem AngriffschonvorzweiTagengerechnet... Abends Hitlerzögertnochimmer.Warum?WillerdenFrieden?Oderistder Aufmarsch noch nicht beendet? In England den ganzen Tag über, trotzdesdortgeheiligtenSonntags,Kabinettssitzungen.Vorträgeder Minister beim König, Menschenansammlungen vor Downing Street 10.SiebrüteninLondonoffenbarüberdieAntwortaufHitlersBrief. WirddochnochinletzterStundewiedereinermitdemRegenschirm überdenKanalangeflogenkommen,umallesinOrdnungzubringen, sprich:umzukapitulieren? EineseltsameNachrichtzuspäterStunde:Hitlerhatdenin derReichskanzleiempfangenundihnüberunsereLageunterrichtet. MalwasNeues!Man‘empfängt’denRTmanberuftihnnichtein. 118

Undmanempfängtihnnichtdort,woer,wennauchselten,zutagen pflegt,inderKrollOper,sondernaufdemParkettderNeuenReichs kanzlei,anscheinendbeiCocktailundSandwiches.InderVerlautba rungdesdeutschenRundfunksheißtes:‘DerRTbereitetedemFRK eineOvation.’Dannkannjanichtsschiefgehen. Bei mir nimmt der Galgenhumor zu, je düsterer die Weltlage wird. Hier im Dorf wurde heute trotz des Sonntags alles eingezogen, was einziehbarist.AllePferde.FastalleAutos.Wasmagmitdemmeinen werden?NachihmhatsicherheuteeinerinBerlingefahndet,woerja angemeldetist.FürhierexistiertderWagenaugenblicklichnicht.Aber wasnützteinWagenohneBenzin?UndBenzingibteskeinesmehr. NichteinenTropfen.WirwollenmorgenmitdemRestimTanknach Bayreuth,umeinigeseinzukaufen,wasnochnichtrationiertist. Mitternacht Hitler hat dem französischen MP auf dessen Schreiben von gestern geantwortet. Die alten Argumente, die alten Phrasen! Wirwünschen FriedenundFreundschaftmitFrankreich.PolengeheFrankreichei gentlichnichtsan.UnsereForderungenanPolenseiennurrechtund billig. Dr. Tiso erklärt, die Slowakei werde ‘Schulter an Schulter mit Deutschland’ marschieren. Offenbar wollen die sich auch ein Stück vonPolenabschneiden.“ Mo28.08.:DeutschlandversichertBelgien,denNiederlanden,Luxem burgundderSchweizdieRespektierungihrerNeutralitätimKriegs fall. 20.30Uhr.BeginndesVersuchsGroßbritanniens,zwischenPolenund DeutschlandinderDanzigFragezuvermitteln(bisDi29.08.):Botsch. Henderson kommt aus London mit Verhandlungsvorschlägen PM ChamberlainsnachBerlinzurück. 500BerlinerstehengrimmigundschweigendvorderRK. 22.30Uhr.Botsch.HendersontrifftzueinemeinstündigenGespräch mitFRKHitlerinderReichskanzleizusammen. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.28.08.: „DieenglischeAntwortaufHitlersForderungensollheuteüberreicht werden. Die ersten englischen Truppen sind während der Nacht in 119

Frankreich gelandet. Halten die Herren Hitler und Ribbentrop auch dasfürBluff?VermutlichfürSuperbluff. NachAnsichtfranzösischerKreise,dieBeromünsterübermittelt,ver schlechtert sich Deutschlands strategische Lage stündlich. Das ist nichtuninteressant,daranhabeichnochgarnichtgedacht.DerBlitz und Überraschungssieg sei durch das lange Hin und Her verhindert und die militärische Position Frankreichs, Englands und Polens ge stärkt. Die Schweiz meldet weiter, die englische Antwort verzögere sich deshalbsolangeundwerdeinimmerneuenKabinettssitzungenim merwiederumredigiert,weildieseAntwortendgültigseiundfürdie GeschichtedieAlleinschuldDeutschlandsaneinemneuenKriegfest legt. Das wäre vernünftig! Auf ein paar Stunden kommt es da auch nichtmehran.Dawartenwirgern. Ich habe mir eine komplette neue Fahrradbereifung gekauft, bevor, wiederHändlervoraussieht,eineBeschlagnahme[ von Ebermayers Auto ] kommt.EswirdeinesehrgesundeZeitwerden,wennmannurnoch Radfährt. DieStimmungindemKreisstädtchenKemnathistplötzlichsehrflau. AllediesePg.sichglaube,anderegibtesaußerdemPfarrerhiergar nicht!lassendieOhrengeradezusichtlichhängen.DerFahrradhänd ler und seine Frausindrestlosdeprimiert.Esist,alsobdieseeinfa chen Menschen, die sich nie um Politik gekümmert haben unser Führermachtdasschonallesrichtig!plötzlichauseinemTaumelder großenSchlagworteerwachtenunddieWirklichkeitvorAugensehen. ArmesVolk!... Abends PolenverbreitetdieNachricht,dieunsBBCausLondonübermittelt, fürgesternseieinPutschinBerlingeplantgewesen,deshalbdieVer legungdesRTinletzterStundeindieReichskanzlei.KreisederRWe, junge SSLeute und einige RTAbg. hätten den Führer durch ein Bombenattentatbeseitigenoderin‘Ehrenhaft’nehmenundeineneue Rg.bildenwollen,umdenKriegzuverhindern.DieGestapohatdie PutschpläneimletztenAugenblickentdeckt,woraufinderNachtvon SonnabendzuSonntagzahlreicheVerhaftungenerfolgtseien.DieGe rüchte sind natürlich nicht nachkontrollierbar. Aber es besteht eine gewisseWahrscheinlichkeitdafür. 120

Soeben gibt London bekannt: Botsch. Henderson sei um 17 Uhr in LondonmitEnglandsAntwortanHitlernachBerlinabgeflogen. 22 Uhr Hendersonistum20Uhr30inBerlingelandetundhattesoforteine BesprechungmitdemfranzösischenBotsch. Mitternacht Hendersonwurdeum22Uhr45vonHitlerempfangen.“ Di29.08.:RMVPGoebbelsweistdieUfaDirektionan,„HalloJanine“ und einige andere Neuproduktionen mit polnischen Untertiteln zu versehen. 19.15Uhr.FRKHitlerantwortetPMChamberlaininderReichskanz leiüberBotsch.Henderson,ererwartefürden30.08.einenentschei dungsberechtigten polnischen SoBev. Ohne die UdSSR könne erje doch keine Garantien geben. Henderson entgegnet,diesklingenach einem Ultimatum, was Hitler zurückweist. Henderson brüllt in dem GesprächnochlauteralsHitler.ErübermitteltseinerRg.,Hitlerver steheoffenbarnurHärte.DasinTempelhofbereitgestellteFlugzeug nachLondonlehntHendersonab. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.29.08.: „Der Durchschnittsdeutsche macht heute einen entmutigten Ein druck.ErkanndenSchlagderRationierungnichtverwinden,diefür ihnnachKriegschmeckt.“ ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.29.08.: „Über das heute nacht Hitler übergebene Memorandum hört man bisher nur vom Ausland, das Memorandum rege direkte deutsch polnischeVerhandlungenanundEnglandstellesichzurVermittlung zurVerfügung.Klingtnichtganzschlecht... InBayreuthvielBesorgungen:Wein,Zigarren,Schnäpsemanmuß für ‘stille Abende’ vorsorgen! Überall ist festzustellen, daß die laute Begeisterung der Bayreuther plötzlich in sich zusammengefallen ist. ManhatdiesenMenschenimmererzählt:‘DieEngländerundFranzo sen machen ja doch nicht mit! Alles Bluff!’ Nun fassen sie es noch nicht,daßesandersseinkönnte. Ein gewaltiges Gewitter, seit Stunden sich zusammenbrauend, über raschtunsundzersprengtunserekleineGruppe...EinalterMannne ben mir unter dem Torbogen der Einfahrt meint, indenRegenbli 121

ckend:‘DawerdensichdiePolenschönärgern!Könnendochnicht schießen!Wird’sPulverindenGewehrennaß!’Ichseheihnan,obes vielleichteingeistreicherScherzseinsoll.Aberermeintesvölligernst. EinejungeMittelstandsfrauhintermirzuranderen:‘Dassindjaalles nur die Weltjuden! Die hetzen und hetzen, bis in Deutschland kein Steinmehraufdemanderenbleibt.’... Nachts ... AuchdieserTaghatkeineEntscheidunggebracht.Hitlerhatdas britischeMemorandumsehrschnellund,wiemirscheint,sachlichbe antwortet.Ererklärtsich,demVorschlagEnglandsentsprechend,mit direkten Verhandlungen mit Polen einverstanden, wenn Polen ‘bis zum30.08.1939abendseinenBeauftragtenderpolnischenRg.schickt, unterderVoraussetzung,daßdieserauchwirklichbevollmächtigtist, nichtnurzudiskutieren,sondernVerhandlungenzuführenundabzu schließen’.... Die Antwort ist erstaunlich entgegenkommend. Man hat leider das Gefühl,daßdiebeidenKontrahenten,sowohlEnglandwieDeutsch land, bestrebt sind, für den Fall des Kriegsausbruchs die historische Schulddarandemanderenzuzuschieben. JapanhataufunserenPaktmitStalinrechtsauerreagiert.DieRg.in Tokioistzurückgetreten.EineneueRg.,someintdasneutraleAus land in seinen Rundfunkkommentaren, wird wahrscheinlich ein BündnismitEnglandundFrankreichschließen. Spanien hat heute erklärt, es bleibe bei einem eventuellen Konflikt neutral. Franco scheint doch ein Staatsmann zu sein. Aber ob er durchhält? Holland und die Schweiz haben, wie um Mitternacht be kanntwird,mobilgemacht.“ Mi30.08.:14.30Uhr.PolenordnetauchoffizielldieGeneralmobilma chungan. Abend.DiedeutschePressebetont,daßdieUdSSRihre300000Sol datenanderGrenzezuPolennochverstärkthabe. Botsch.HendersonübermitteltRAMRibbentropdieAntwortseiner Rg.aufFRKHitlersgestrigesUltimatum. Mitternacht. Deutschland bildet einen sechsköpfigen Ministerrat für die Reichsverteidigung (Reichsverteidigungsrat) unter Vorsitz von BVJP Göring. Ihm gehören an: Rudolf Heß (Parteikanzlei), Hans 122

Heinrich Lammers (Reichskanzlei), Wilhelm Keitel (OKW), Walter Funk (GenBevWirtschaft, soweit sie nicht BVJP Göring untersteht), WilhelmFrick(GenBevRVerw).DerRaterringtwenigpraktischeBe deutung,zumalFRKHitlersichdieAußenundMilitärpolitikselbst vorbehält.Inden18ReichsverteidigungsdistriktenwerdenReichsver teidigungskommissareernannt. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.30.08.: „Die Antwort Hitlers an England ist dort sehr kühl aufgenommen worden,obwohlsienachmeinerAnsicht,undsoweitwirdasvonhier ausübersehenkönnen,‘befriedigend’ist.EnglandsRundfunksprecher erklärtklippundklar,manhabe‘diesenFriedennunsatt,deralleVier teljahredurchneueErpressungenundDrohungenbedrohtwird’... Mitternacht Die Frist ist um. Der polnische Unterhändler ist nicht erschienen. SchlägtHitlernunimMorgengrauenlos?“ Do31.08.: FRK Hitler gibt den endgültigen Befehl zum Angriff auf Polen. Die UdSSR ratifiziert den Hitler-Stalin-Pakt. Der Film-Kurier teiltmit,dassdiejedenDonnerstagerscheinendeWo chenschauausnahmsweiseerstamSonntag,03.09.,dafüraberaktuell, erscheinenwerde. Abend.RAMRibbentropliestBotsch.Henderson16deutscheFrie densbedingungenvor,ohneihmdaszugrundeliegendePapierzuüber reichen.DieBedingungenseieninnerhalb24Stundenvoneinempol nischenSoBev.zuakzeptieren. AlleWeMEinheitenwerdeninBereitschaftversetzt. Seit Jahresanfang sind 17000 jüdische Flüchtlinge illegal in Palästina eingewandert. ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.31.08.: „DerpolnischeBotsch.Lipski...hatgesterneine‘Demarche’imAuf tragseinerRg.beiHitlerundRibbentropunternommen.Diedeutsche RRghabeaber,sounsereMeldung,festgestellt,‘daßauchdiesernicht bevollmächtigt sei, in irgendeine Diskussion einzutreten oder gar zu verhandeln’. Seltsam! Wozu hat ein Land eigentlich einen akkreditierten Botsch., wennernachAnsichtderRg.,beidererakkreditiertist,nichtbevoll 123

mächtigtistzudiskutierenodergarzuverhandeln.DiesedeutscheEr klärungistsodummundenthüllend,daßesnunwohlklarist:Hitler willdiesenKrieg.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.31.08.: „AllegegendenKrieg.DieLeutesprechenoffendarüber.Wiekann ein Land einen entscheidenden Krieg mit einer so kriegsmüden Be völkerung beginnen? Die Menschen auch aufgebracht darüber, daß mansiesoimdunkelnläßt.GesternabendsagtemireinDeutscher. ‘Wirwissennichts.Warumsagtmanunsnicht,wasvorgeht?’“

Fr01.09.: ZWEITER WELTKRIEG BEGINNT : Morgengrauen. Deutschland überfällt nach einem von RFSS Himmler inszenier- ten Zwischenfall im Sender Gleiwitz (SS-Männer erschießen KZ- Häftlinge, die in polnische Uniformen gesteckt wurden) ohne Kriegserklärung Polen. Deutschland annektiert Danzig und überträgt die Steuerung der Zivilverwaltung im Wehrkreis den Reichsverteidigungskommissaren. Die Freizügigkeit für Arbei- ter und Angestellte wird aufgehoben, das Abhören ausländischer Rundfunksender unter Strafe gestellt. An der Polen-Invasion be- teiligen sich auch Einheiten der SS-Verfügungstruppe (8000 bis 9000 Mann) und der SS-Totenkopf-Verbände (6500 Mann) als , die in feldgrauer SS-Uniform „zur Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente rückwärts der kämpfenden Truppe“ agieren. Die SS errichtet das KZ Stutthof/Danzig,zunächstals„Zivilgefangenenlager“,späterals„SS Sonderlager“. 10Uhr.KriegsanspracheFRKHitlervordemRTinderKrolloper. Abend. Großbritannien und Frankreich fordern ultimativ den deut schenRückzughinterdieReichsgrenze. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.01.09.: „Ein grauer Morgen mit tiefhängenden Wolken. Die Leute auf der Straßewarenapathisch,alsichzumeinererstenSendungum¼9früh in den Rundfunk fuhr... Entlang der OstWestAchse brachte die Luftwaffe5großeLuftabwehrgeschützeinStellung,umHitlerbeisei ner Ansprache im RT um 10 Uhr zu schützen... Irgendwie klang er wenigüberzeugend,undesgabauchvielwenigerHochrufeimRTals beifrüheren,wenigerwichtigenGelegenheiten...Erklangmutlos,als 124

erdemRTverkündete,daßItaliensichandemKriegnichtbeteiligen werde,weil‘wirnichtgewilltsind,fürdiesenKampfausländischeHil feinAnspruchzunehmen.WirwerdendieseAufgabeselbsterfüllen’. Später. 2.30 Uhr früh . Haben unsere erste Verdunkelung beinahe überstanden.DieStadtisttotalfinster.Manmußsicherstallmählich damit vertraut machen. Man tastet sich zunächst die pechschwarzen Straßenentlang,dochbaldgewöhnensichdieAugendaran.Mankann die reingewaschenen Bordsteine ausmachen. Der erste Fliegeralarm begann abends um 7... Die Lichter gingen aus, sämtliche deutschen Angestellten[imRundfunk]griffennachihrenGasmaskenundeilten, kein bißchen verängstigt, in den Luftschutzkeller... Keine Flugzeuge tauchtenauf...dieCafés,RestaurantsundBierlokalewarenüberfüllt. DieLeutenurwenigbeunruhigtnachdemFliegeralarm,wieichfühl te...Seltsam,daßkeineinzigerpolnischerBomberheutenachtdurch gekommenist.“ ErichEbermayer,Kaibitz,Tgb.v.01.09.: „Wirversuchen,einigeAuslandssenderzubekommen,dieaberstark gestörtwerden. Nachmittags Um2bekommenwirEnglandundbalddaraufFrankreichindenAp parat.ZumerstenmalsprichtEnglandvondem‘sogenannten’Führer, dasgabesbishernicht.“ Anfang September findet in Den Haag ein erstes Treffen zwi- schen dem Leiter der niederländischen Niederlassung des Bri- tish Intelligence Service, Cpt Payne Best, und dem als Tarnung im niederländischen Exil lebenden SD-Ausland-Agenten Dr. Franz Fischer alias „Dr. Franz“ statt. „Dr. Franz“ bietet den Kontakt zu einem „Major Solms“ an, der beste Verbindungen zu einer Widerstandsgruppe des Heeres gegen Hitler besitze. Als Treffpunkt komme ein kleines Hotel in der niederländischen Grenzstadt Venlo in Frage. Sa02.09.:FRKHitlertelegrafiertanUSPräs.Roosevelt,daßerinPo len keine offenen Städte bombardieren werde, wenn Polen ebenso verfahre. 125

EinSchiffderRoyalNavygibtvorTelAvivSchüsseaufdie Tiger Hill ab,aufdersich1400jüdischeFlüchtlingebefinden.ZweiFlüchtlinge werdengetötet. DieSSinstalliertinStutthofbeiDanzigeinneuesKonzentrationsla ger. Abend.DiePresseberichtetüberdenraschenVormarschderWeM TruppeninPolenundüberdieZerstörungderpolnischenLuftwaffe. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.02.09.: „Der deutsche Überfall auf Polen läuft nun seit zwei Tagen, doch Großbritannien und Frankreich haben bis jetzt ihre Ver- pflichtungen nicht erfüllt. Kann es sein, daß [PM] Chamberlain und [AM] Bonnet sich heraushalten wollen? ...KeinFliegeralarm heuteabend.WosinddiePolen?“ So03.09.: 9 Uhr. Botsch. Henderson und Botsch. Coulondre überreichen RAM Ribbentrop Noten, die Deutschland bis 11 Uhr (Großbritannien)/ 17 Uhr (Frankreich) zur Annahme der Rückzugsforderung auffordern. Kurz nach 11 Uhr. Botsch. Henderson überreicht im AA eine weitere Note: Großbritannien erklärt Deutschland den Krieg. Nachmittag. Die DAZ Extraausgabe titelt: „ Britisches Ultimatum zurückgewiesen England erklärt Kriegszustand mit Deutsch- land Britische Note fordert Rückzug unserer Truppen im Os- ten Der Führer fährt noch heute an die Front Deutsches Me- morandum beweist Englands Schuld “ 17 Uhr. Frankreichs Ultimatum für einen deutschen Rückzug aus Polen läuft ab. Frankreich erklärt Deutschland den Krieg. Abend. Das OKW gibt bekannt, daß Deutschland an der West- front nicht als erstes das Feuer gegen Frankreich eröffnen wer- de. ChSipo Reinhard Heydrich gibt den Geheimerlaß über die „Grundsätze der inneren Staatssicherheit während des Krieges“ aus: Die Gestapo darf politische Gegner und Saboteure ohne Ge- richtsurteil ermorden. Es soll „rücksichtslos“ jeder Versuch un- terdrückt werden, „die Geschlossenheit und den Kampfeswillen des deutschen Volkes zu zersetzen“. Jede Person soll festge- nommen werden, „die in ihren Äußerungen am Sieg des deut- 126

schen Volkes zweifelt oder das Recht des Krieges in Frage stellt“. „Gegebenenfalls“ werde „auf höhere Weisung brutale Liquidierung solcher Elemente“ erfolgen. Dies gelte besonders gegen Verdächtige, in deren Fällen eine „propagandistische Auswertung“ ungünstig wäre, und zwar bei Sabotageversuchen, „marxistischer Betätigung“ sowie „Zersetzung von Heeresan- gehörigen oder eines größeren Personenkreises, Hamsterei in großen Mengen“. Solche Personen müßten „ohne Ansehen der Person durch rücksichtsloses Vorgehen ausgemerzt“ werden („Sonderbehandlung“ ). FRKAdolfHitler,AufrufandieNSDAPvom03.09.:„Unserjüdisch demokratischerWeltfeindhatesfertiggebracht,dasenglischeVolkin denKriegszustandgegenDeutschlandzustellen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.03.09.: „IchstandamWilhelmplatz,alsdieLautsprechergegenMittagplötz lich verkündeten, daß England Deutschland den Krieg erklärt habe. Etwa250MenschenhattensichinderSonneversammelt.Siehörten gespanntzu.NachBeendigungderDurchsagegabesnichteinmalein Murmeln.Siestandenunverändertdort.Betäubt.DieLeutekönnenes nichtfassen,daßHitlersieineinenWeltkrieggeführthat... EswareinlieblicherSeptembertagheute...IchliefdurchdieStra ßen.IndenGesichternderMenschenErstaunen,Depression...Ges tern abend hörte ich Deutsche davon sprechen, daß die ‘polnische Angelegenheit’höchstenseinpaarWochendauernwerde,maximalei nige Monate. Nur wenige glaubten, daß Großbritannien und Frank reicheingreifenkönnten.Ribbentropwarsichdessenebenfallssicher und hatte es dem Führer versichert, der ihm glaubte... Nicht einmal HaßaufFranzosenundBritenimGegensatzzuHitlersmehrfachen ProklamationenandasVolk,diePartei,dieHeeresgruppeOstunddie HeeresgruppeWest,indenenerdie‘englischenKriegstreiberundka pitalistischenJuden’anklagt,siehättendiesenKriegbegonnen.Alsich amNachmittagandenBotschaftenGroßbritanniensundFrankreichs vorbeikam,warendieBürgersteigevordenGebäudenmenschenleer. Später ....DritteNachtmitVerdunkelung. Keine Bomben, obwohl wir die Briten und Franzosen erwartet haben. In den Zeitungen wird das Verbot des Abhörens ausländischer Sender weiter gefeiert. Wovorfürchtensiesich?“ 127

Mo04.09.:DieMitarbeiterderbritischenundderfranzösischenBot schaftreisenausBerlinab. Abend. Scharfe StrafVOen gegen Kriegswirtschaftsvergehen und Kriegskriminalität.ZudemverfügtdieRKrWirtschVOeinenZuschlag zur Einkommensteuer in Höhe von 50%, eine drastische Erhöhung der Alkohol und Tabaksteuern, einen umfassendes Einfrieren von Löhnen und Preisen sowie den weitgehenden Abbau des Arbeits schutzrechts. Später Abend. Erste britische Bombenangriffe auf Wilhelmsha- ven und Cuxhaven – die Briten greifen mit 25 Bombern an. Eswirdbekannt,daßimAtlantikgesterndermit1400Passagierenbe setzte amerikanische CunardDampfer Athenia versenkt wurde, nach Angaben durch deutsche UBootTorpedos, was die RRg bestreitet.InderTatwurdeesvonderdeutschenU30versenkt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.04.09.: „Schon nach Mitternacht, und kein Fliegeralarm, obwohl die Briten und Franzosen in den Krieg eingetreten sind... Die Men- schen hier atmen bereits auf. Sie haben wenig geschlafen in den ersten Nächten... DieGesichterderDeutschen,alsheuteamspätenAbenddieMeldung von den ersten britischen Bombenangriffen auf Cuxhaven und Wil helmshaven eintraf! Dies brachte den Krieg ganz nah, und keiner schiensonderlicherfreutzusein.“ ImVerlaufdesPolenfeldzugskommtesbereitszuPogromenge genJuden,andenenauchWeMSoldatenteilnehmen. Di05.09.: Während die deutschen Truppen in Polen rasch vor- stoßen, die Festung Graudenz erobern und damit den Korridor durchstoßen sowie Krakau im Süden einschließen, fällt an der deutsch-französischen Front noch immer kein Schuß („Sitz- krieg“). VOgegenVolksschädlinge(VVO):TodesstrafegegenPlünderer„im freigemachtenGebiet“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.05.09.: 128

„Die Vorgänge an der Westfront sehr seltsam. Heute versicherte uns die Wilhelmstraße, daß bisher dort kein einziger Schuß ab- gegeben worden sei. Tatsächlich erzählte mir ein [AA-]Beamter - obwohl ich das bezweifle -, die deutschen Truppen würden an der französischen Grenze per Lautsprecher und auf französisch den poilus [frz. „Landser“] versichern: ‘Wir werden nicht schie- ßen, wenn ihr auch nicht schießt.’ Der selbe Informant berich- tet, daß die Franzosen per Ballon ein großes Spruchband mit dem gleichen Inhalt aufgelassen haben.“ Mi06.09.:Nachmittag.DasdeutscheHeernimmtKrakauein,Polens zweitgrößteStadt.AuchKielce(160kmsüdl.v.Warschau)wirdvon derWeMerobert. Der deutsche Dampfer „Bremen“ umfährt auf der Rückfahrt von NewYorkdiebritischeBlockadeundläuftimsowjetischenNordha fenMurmanskein. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.06.09.: „EssiehtallesnacheinerwildenFluchtderPolenaus... Nachtsum1inmeinemZimmermitJoeBarnesdieLageerörtert.Wir glauben, daß Großbritannien und Frankreich kein Blutvergießen an derWestfrontwollen,stattdesseneineeiserneBlockadeunddasWar tenaufdendeutschenZusammenbruch.Polenwirdnatürlichinzwi schenüberranntsein.“ Do07.09.: Die deutschen Truppen sind bis 30 km vor Warschau vorgerückt. Die RRg erläßt die KriegssonderstrafrechtsVO (KSSVO): Sie droht jedem mit der Todesstrafe, der „die Wehrkraft des deut- schen Volkes“ gefährdet (§ 5 Zersetzung der Wehrkraft) . Ein weiteresGesetzverpflichtetArbeitnehmerzuAnnahmeniedrigerbe zahlterandererTätigkeiten. Fr08.09.: Nachmittag. Die deutschen Truppen erreichen die Warschauer Stadtgrenze. Rundfunk und Presse teilen mit: Der Dessauer Arbeiter Johann Heinen wurde heute gemäß § 5 KSSVO zum Tode verurteilt und 129

sofort erschossen, „wegen Verweigerung der Teilnahme an Ver- teidigungsarbeiten“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.09.: „IndenStraßenBerlinsgabesamAbendjedochkeinewildenFreu densausbrüche.IchbemerkteaufdemWegzumStudioinderUBahn [Wilhelmplatz –AdolfHitlerPlatz] eine seltsame Gleichgültigkeit der Menschen angesichts der großen Nachrichten. Und während Polen überranntwird,nochimmerkeineinzigerSchußanderWestfront...“ Sa09.09.:BVJPGöringsagtbeieinerRedeineinerMunitionsfabrik, dieskönneeinlangerKriegwerden.Deutschlandwerdeschreckliche Racheüben,fallsBritenundFranzosendeutschesGebietbombardier ten.70deutscheDivisioneninPolenkönnteninnerhalbeinerWoche „überallhin“verlegtwerden. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.09.: „Heutefrühum4derzweiteLuftalarmdesKrieges...Heutemittager zähltemirO.W.,dergeradevonderFrontzurückgekehrtist,erhabe schrecklichzugerichteteLeichenvonDeutschengesehen,diediePo lenermordethätten.Gleichzeitigschilderteer,wiedieDeutschenpol nischeZivilistenzusammentriebenMänner,Frauen,Kinderundin ein Gebäude führten. Dort fand ein Kriegsgerichtsschnellverfahren statt;danachwurdendieLeuteimHofandieWandgestelltundvon einem deutschen Kommando erschossen... aus allem, was O.W. er zählt, muß ich bezweifeln, daß dieses Kriegsgericht große Anstren gungenunternahm,tatsächlichePartisanenvondenMenschenzuun terscheiden,dereneinzigeSchulddarinbesteht,Polenzusein... AnderWestfronthabenGroßbritannienundFrankreichnichtsunter nommen,umdenenormenDruckaufPolenzuentlasten.Esbeginnt danachauszusehen,alshättenwirmitHitlereinenneuenNapoleon, derganzEuropaüberrennenundbesiegenkann.“ So10.09.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.10.09.: „EineWochenachderenglischfranzösischenErklärungdesKriegs zustandsbeginntsichderdurchschnittlicheDeutschezufragen,obes denntatsächlicheinWeltkriegist.UndersiehtdieDingeso:England und Frankreich erfüllen formell ihre Verpflichtungen gegenüber Po 130

len... ‘Aber war das der Krieg?’ fragen sie. Die Briten haben mit 25 Bombern Wilhelmshaven angegriffen das ist wahr. Aber wenn es Krieg ist, warum dann nur mit 25? Und wenn es Krieg ist, warum dann nur ein paar Flugblätter über dem Rheinland? Das industrielle Herz Deutschlands erstreckt sich entlang des Rheins, ganz nahe bei Frankreich.VondortkommtdasGrosjenerMunition,diePolenmit sotödlicherWirkungvernichtet.DochnichteineBombeistbisherauf einerheinischeFabrikgefallen... DasLebenhieristimmernochziemlichnormal.Opernhäuser,Thea ter,Kinossindsämtlichgeöffnetundüberfüllt...DieAbendblätterbe richtenvon200Fußballspielen,dieamheutigenTageinDeutschland stattfanden.“ Mo11.09.: Frankreichs Artillerie feuert erstmals auf die deutsche Westfront. Die deutschen Truppen umschließen Warschau von Südosten her. Die Prager ProtektoratsRg. kündigt an, daß auf polnischer Seite kämpfendeTschechenalsVerräterhingerichtetwerden. Abend. Die DAZ titelt: „ Polen bombardieren Warschau! “ Ferner behauptetdiedeutschePresse,zweiSecretServiceAgentenhättenin BrombergeinMassakeranDeutschenorganisiert. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.09.: „Auf meinem Weg zum Rundfunk hörte ich heute in der UBahn ziemlicheUnmutsäußerungenüberdenKrieg.BesondersdieFrauen schienenentmutigt.Andererseitsjedoch:aufderRückfahrtnachder SendungstiegamUBahnhofDeutschesOpernhauseinegroßeMen geMenschenzu,inderMehrzahlFrauen.SiekamenausderOperund schienenvölligvergessenzuhaben,daßdaeinKriegimGangewar, daßdeutscheBombenundGranatenaufFrauenundKinderinWar schaufielen... ...wäreeswohlmöglich,daßdieMassedesdeutschenVolkes,wenn sich Briten und Franzosen für einenlangenZermürbungskriegsent scheiden, ihre Abneigung gegen das Regime vergißt und es als ihre Pflicht ansieht, das vaterland zu verteidigen? Einiges, was ich heute vonDeutschengehörthabe,läßtmichfastsodenken.“ 131

Di12.09.: In einem Sonderzug vor Warschau beschließen FRK Hitler, OBL Göring, ChOKW Keitel, ChWeMFSt Jodl, RFSS Himmler und RAM Ribbentrop die Bombardierung und Ver- nichtung Warschaus, obwohl militärisch hierzu keine Notwen- digkeit besteht. Ferner wird die Ausrottung der polnischen Intel- ligenz, des polnischen Adels und Klerus und der polnischen Ju- den beschlossen. Mi13.09.: Das OKW gibt bekannt, daß es Luftbombardements und schwerenArtilleriebeschußgegenpolnischeStädteeinsetzt,indenen „Zivilisten“Widerstandleisten,umdiesen„dieSinnlosigkeitihresWi derstandes“zudemonstrieren. Do14.09.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.14.09.: „D.undH.undW.,diedieseWochefürdreiTageanderFrontwa ren,berichten,daßnahezujedeStadtundjedesDorfinPolen,dassie gesehen haben, entweder teilweise oder vollständig durch Bomben undArtilleriezerstörtwaren. Wir alle hier sind immer noch verwirrt wegen der Untätigkeit Großbritanniens und Frankreichs . Aus den Sendungen von Ed [Murrow]undTomausLondonundParisgehthervor,daßdieAlliier tenihreAktionenanderWestfrontverstärken.DieDeutschenhinge genbehaupten,eshabedortbisherlediglichGeplänkelgegeben;und siehebenhervor,daßdieFranzosenbeiihren‘Angriffen’nichteinmal Flugzeugeeinsetzen... HeuteabenderschiendasZimmermädchen[HotelAdlon]beimirund erzählte,wieschlimmdochderKriegsei. ‘WarumführendieFranzosenKrieggegenuns?’fragtesie. ‘WarumführtihrKrieggegenPolen?’sagteich. ‘Nunja’,meintesiemitausdruckslosemGesicht.‘AberdieFranzosen, dassinddochMenschen’,sagtesieschließlich. ‘VielleichtsinddochauchdiePolenMenschen’,gabichzubedenken. ‘Nunja’,sagtesie,wiederausdruckslos.“ Fr15.09.: Die Berliner Börsenzeitung titelt: „ Senator Borah warnt vor Befürwortern eines Krieges in den USA “. 132

Die deutschen Truppen stehen vor Brest-Litovsk, sie haben 100000 polnische Soldaten gefangengenommen. Eine deutsche Armee marschiert auf Lemberg zu. Das eingekesselte polnische Armeekorps in Kutno, 110 km westlich von Warschau, und War- schau selbst halten noch stand. Die WeM hat damit begonnen, Divisionen im Eilmarsch an die Westfront zu verlegen. Der be- vorstehende Einmarsch sowjetischer Truppen in Ostpolen wird von der RRg nicht dementiert. AtlantikfliegerObCharlesLindberghwarntindenUSAineinerRa dioredevoreinemKriegseintrittgegenDeutschland. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.15.09.: „Inwiefern beeinträchtigt die alliierte Blockade Deutschland? Sie schneidetdasLandvonetwa50ProzentseinernormalenEinfuhren ab.HauptsächlichangewiesenistDeutschlandaufBaumwolle,Zinn, Nickel,ErdölundKautschuk.EtwasBaumwollekönnteRußlandlie fern, doch seine Gesamtausfuhr im letzten Jahr betrug lediglich 2,5 Prozent des deutschen Jahresbedarfs. Andererseits könnte Rußland wahrscheinlichdengesamtendeutschenBedarfanManganundBau holzdeckenundzusammenmitRumänienwenigstensdenErdöl bedarffürmilitärischeZwecke.Eisen?ImletztenJahrbezogDeutsch landetwa45ProzentseinesEisenerzesausFrankreich,Marokkound anderenLändern,vondenenesjetztabgeschnittenist.DochSchwe den, Norwegen und Luxemburg lieferten gleichfalls 11 Mio t. Und diese Bezugsquellen sind noch offen. Alles in allem ist Deutschland durchdenVerlustvonannähernd50ProzentseinerEinfuhrmöglich keitensicherhartgetroffen.DochmitdennachwievorlaufendenBe zügenausSkandinavien,demBalkanundRußlandsiehtdieLagenicht annäherndsoschlechtauswieetwa1914.“ Sa16.09.: Die Berliner Börsenzeitung titelt: „ Lindbergh warnt vor der Agitation der Westmächte “. Abend. Das OKW kündigt eine Verschärfung der Bombenan- griffe und des Artilleriefeuers auf Warschau an, falls die Stadt sich nicht binnen 12 Stunden ergibt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.16.09.: „EinemirbekannteAmerikanerinkaufteheuteeineBüchseÖlsardi nen.DerLadenbesitzerbestanddarauf,daßdieBüchsebereitsimGe 133

schäft geöffnet werden mußte. Der Grund: Büchsennahrung könnte sonstgehortetwerden.“

So17.09.: 6 Uhr (Moskau-Zeit). Die UdSSR marschiert zum mit Deutschland vereinbarten Zeitpunkt in Ostpolen ein - unter Ver- stoß gegen den sowjetisch-polnischen Nichtangriffspakt. Nachts.InBerlinexplodierenvordemRLfMunddemEingangdes PolPräsamAlexanderplatzzweiBomben.DieTatbleibtinPresseund Rundfunk unerwähnt, die Täter können angeblich in der Verdunke lungentkommen. Mo18.09.: Die polnische Armee ist weitestgehend besiegt. Die deutschen Truppen nehmen in der Schlacht von Kutno allein heute 50000 Polen gefangen. WilliamShirer,Zopotb.Danzig,Tgb.v.18.09.: „IndenWälderndesKorridorsderÜbelkeiterregendesüßeGeruch toter Pferde und der noch süßere toter Männer. Hier kämpfte nach deutschemBerichteineDivisionpolnischerKavalleriegegenHunder tevondeutschenPanzernundwurdevollständigvernichtet.VomPier des hiesigen Sommerkurorts aus beobachteten wir heute abend die Schlacht, die um Gdynia tobt... Jetzt konnte man sehen, wie der HimmelweitüberderSeeaufleuchtete,wenndiegroßenGeschütze abgefeuertwurden.“ Di19.09.: In dem Saarort Ottweiler wird der französische ArmeeLt Louis Dechanel, Sohn eines früheren französischen Präs., mit allen militärischenEhrenundAbspielenderMarseillaisebeigesetzt.Goeb bels’auchinderWochenschauverbreiteterPropagandacoupmitdem am Westwall gefallenen Truppführer soll den Franzosenzeigen,daß mannichtsgegensiehat. Nachmittag. FRK Hitler ,derinBegleitungvonChOKWKeitelund RFSSHimmlererscheint,hälteineRedevordemDanzigerRathaus: „Polen wird niemals wieder auferstehen. Dafür garantiert ja letzten EndesnichtnurDeutschland,sonderndafürgarantiertjaauchRuß land.“DeutschlandhegekeineKriegsabsichtengegenGroßbritannien undFrankreich,werdeaberkämpfen,wenndiesedenKriegfortsetz ten:„ Wir werden niemals kapitulieren! “Hitleristwütend,weiler 134

über3TagevordemsichnichtergebendenWarschauausgeharrthat, woereigentlichdieRedehaltenwollte. Die deutschen Truppen nehmen in der Schlacht von Kutno heu- te 105000 Polen gefangen. Der WeM-Bericht spricht über „eine der vernichtendsten Schlachten aller Zeiten“. WilliamShirer,Danzig,Tgb.v.19.09.: „Heute bekam ich einen Eindruck von einer tasächlichen Schlacht, einerderletztenimPolenkrieg.Sievollzogsich2Meilennördlichvon Gdynia auf einer Nehrung, die sich auf 7 Meilen Länge ins Meer streckt... Um 6 Uhr früh bebten die Fenster in meinem [Hotel]Zimmer [in Zopot].DasdeutscheSchlachtschiffSchleswigHolstein,dasinDan zigankert,feuerteausseinenschwerenGeschützenGranatenab,die überunsereKöpfeflogen.Undnunkonntenwirsehen,daßdieDeut schendiePolenvondreiSeiteneingekesselthatten,währenddieSee, vonwoausdeutscheZerstörersiebeschossen,ihnendievierteSeite abschnitt. Die Deutschen setzten alle Arten von Waffen ein, große und kleine Geschütze, Panzer und Flugzeuge. Die Polen besaßen nichtsaußerMaschinengewehren,KarabinernundzweiFlugabwehr geschützen, die sie verzweifelt als Artillerie gegen deutsche MG NesterundPanzereinzusetzenversuchten...“(S203207) Mi20.09.: JudenmüssenihreRadiosabliefern. DiedeutschePresseschreibtvomFrieden,u.a.die Frankfurter Zeitung : „WarumsolltenEnglandundFrankreichihrBlutunnützgegenunse renWestwallvergießen?DaderpolnischeStaatnichtlängerexistiert, haben auch die mit ihm abgeschlossenen Beistandsverträge keinen Sinnmehr.“ Abend. ChOKH von Brauchitsch erklärt in einem Tagesbefehl die Operationen gegen Polen für abgeschlossen. Warschau ist allerdings noch nicht erobert. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.20.09.: „AlleDeutschen,mitdenenichheutesprach,gehenfelsenfestdavon aus,daßwirinnerhalbeinesMonatsFriedenhabenwerden.Siesindin Hochstimmung.Alsicheinigenvonihnengegenüberäußerte,diebes teZeit,denFriedenzuwünschen,seivordreiWochengewesen,be vorHitlerPolenüberfiel,unddaßvielleichtdieBritenundFranzosen 135

jetztkeinenFriedenschließenwürden,sahensiemichan,alsseiich verrückt... DaspolnischeOberkommandoscheintinderTatkeineAhnungge habtzuhaben,gegenwenesdaantrat.UndwarumesseinebesteAr meezuAnfangbeiPosenkonzentrierte,nichtzuredenvondanach, als die Deutschen bereits hinter Warschau standen, bleibt selbst für einenAmateurstrategeneinRätsel.HättensichdiePoleninderersten WochedesKriegeshinterdieWeichselzurückgezogen,vielleichthät tensiebiszumWinteraushaltenkönnen,wennSchlammundSchnee dieDeutschenohnehinzumHaltengezwungenhätten... WenndieserKriegweitergeht,sofrageichmich,obnichtdieMasse derBevölkerungsichhinterdasRegimestellenwird.DieMenschen, allesehrpatriotischdenkendundeinemwahrenSperrfeuerderPropa ganda über die Alleinschuld Englands am Krieg ausgesetzt, könnten zudergenerellenMeinunggelangen,siemüßten‘dasVaterlandvertei digen’.IchmußdenDeutschenerstnochfindenselbstunterdenen, diedasRegimenichtmögen,derirgendetwasschlechtfindetander ZerstörungPolensdurchDeutschland.UndallemoralischenAppelle derübrigenWeltbezüglichderAggressiongegenPolenfindenunter derBevölkerunghierkaumeinEcho.SeitzweiWochenversammeln sichMenschenallerSchichtenvordenSchaufensterninBerlin,Frauen ebensowieMänner,undstarrenanerkennenddieLandkartenan,auf denenkleineNadelnmitrotenKöpfendensiegreichenVormarschder deutschenTruppeninPolenmarkieren.SolangedieDeutschenerfolg reichbleibenundnichtzuvielVerlusteerleiden,wirddieskeinunpo pulärerKriegsein.“

Do21.09.: ChSipo Heydrich erläßt Richtlinien an die Führer der „Einsatzgruppen“ in Polen: Die Juden werden in Ghettos der größeren polnischen Städte deportiert und konzentriert. Sie müssen dort zur Kollaboration verpflichtete Ältestenräte bilden und sich zählen sowie alle wirtschaftlich wichtigen Betriebe be- hördlich erfassen lassen. Schon Ende September kommt es bei Aktionen der SS-Einsatzgruppen zu ersten Massenerschießun- gen - „auf der Flucht erschossen“. Heydrich bezeichnet die Ghettoisierung als „Vorausnahme“ für das „streng geheim“ zu haltende „Endziel, welches längere Fristen beansprucht“. 136

USPräs.RooseveltersuchtdenKongreßaufeinerSondersitzung,das Neutralitätsgesetzaufzuhebenundzugestatten,CashandcarryGüter (gegen Bezahlung abholbare Waren) an zahlungsfähige Länder wie FrankreichundGroßbritannienzuliefern.DieRRgbeschuldigtRoo sevelt,sichnichtmehrneutralzuverhalten. Abend.Die BZ setztihreHoffnungaufeine„FrontderVernunft“in Amerika, auf die Senatoren Borah und Clark, Ob Lindbergh und FatherCoughlin. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.21.09.: „Ich habe im letzten Sommer herauszufinden versucht, ob Amerika überhaupt in den Kalkulationen der Nazis eine Rolle spielt. Damals konnteichkeinenBelegdafürfinden,daßsiesichimgeringstenfür unsinteressierten.19141917waresgenauso.Dochjetztscheinensie anzufangen,unsernstzunehmen. GroßeHoffnungenhier,daßRußlandDeutschlandHilfeleistenwird beimÜberstehenderBlockade.“ IndieserZeitwirdderPlanhoherdeutscherOffiziereumKurtvon HammersteinEquord u.a., Hitler während eines Besuchs der West frontfestzunehmen,nichtausgeführt. Fr22.09.:Deram04.02.38abgesetzteOBHGObFhr.v.Fritschstirbt untermysteriösenUmständenaufeinerStraßeinWarschauaneiner Schußverletzung. Angeblich befehligte er eine Kompanie. Eine Er mordungdurchdieGestapoistmöglich,ebensowiedieausHeeres kreisenverbreiteteVersion,FritschhabedenTod„gesucht“undseine Schußverletzungnichtbehandelnlassen. Abend.Die DAZ schreibt:„AmerikaistnichtRoosevelt,undRoose veltmußmitdemamerikanischenVolkrechnen.’ Sa23.09.: Die Beschlagnahme aller Rundfunkgeräte von Juden wird angeordnet. Für die Zeit ab 25.09. werden neue Lebensmittelrationen festgelegt: ProWochegibtes500gFleisch,2,5kgBrot,375gFette,375gZu cker und 500 g KaffeeErsatz aus gerösteter Gerste. Schwerarbeiter bekommendiedoppelteRation. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.23.09.: 137

„GeneralvonFritsch,derMann,derdasmodernedeutscheHeerauf gebaut hat und dann unmittelbar vor dem ‘Anschluß’ wegen Mei nungsverschiedenheiten mit Hitler über den von ihm abgelehnten Einmarsch in Österreich von seinem Posten zurücktrat, ist bei den Kämpfen vor Warschau gefallen. Ein wenig seltsam. Er führte kein Kommando,kämpfteabermitdemRegiment,dessenOberstehren halbererwar.“ So24.09.: Laut WeMBericht wurden 450000 polnische Soldaten ge fangengenommen, 1200 Geschütze erbeutet und 800 Flugzeuge zer störtodererbeutet. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.24.09.: „InseinerEinschätzungdesPolenfeldzugssprichtdasOKWdavon, daßdasSchicksalPolensinnerhalbvonnur8Tagenentschiedenwor densei.ZudieserZeithattedasdeutscheHeerseinwichtigstesstrate gischesZielbereitserreicht:dieEinkesselungdesHauptteilsderpol nischenStreitkräfteimgroßenBogenderWeichsel.“ Di26.09.: Presse und Rundfunk beginnenmiteinerPropagandakam pagnefüreinenFrieden,denFrankreichundGroßbritannienmitdem Reichschließensollen. GObvonFritschwirdinBerlinbeigesetzt.ProminenteVertreterdes Regimessindnichtanwesend. DerBezugvonStofffürKleidungwirdeingeschränkt,Schuhedürfen wegen Ledermangels nicht mehr neu besohlt werden. Männer be kommennurnoch1Stückrasierseifebzw.1TubeRasiercremefür4 Monate. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.26.09.: „Wir[dieKorrespondenten]stimmtendarinüberein,daßer[Fritsch] entweder auf Befehl seines Todfeindes Himmler erschossen worden istodersoangewidertwarvomLebenunddemZustand,indenHitler Deutschland geführt hat..., daß er freiwillig den Tod suchte... Was... hatte ein General seines Ranges an der unmittelbaren Frontlinie au ßerhalb Warschaus zu suchen, wo polnische Scharfschützen bereits alarmierendvieledeutscheSoldatengetötethaben?... DieZeitungenvollvonKleinanzeigen,offizielleTodesnachrichtenaus deutschenFamilien.MehralsdieHälftedavonverzichtetaufdieFlos 138

kel‘GestorbenfürdenFührer’undschreibtlediglich‘Gestorbenfür dasVaterland’... NachdemesnunPolenzerstörthat,würdeDeutschlandgernmitdem WestenFriedenschließen.EinegroßeOffensivedazubegannheute... ...7MitarbeiterdesamerikanischenKonsulatsinWarschauhiereinge troffen... Sie berichteten schreckliche Einzelheiten vom Bombarde mentderStadtundvomGemetzelunterderZivilbevölkerung.“

Mi27.09.: Morgen. Der letzte polnische Widerstand in Warschau bricht zusammen. Der polnische Stadtkommandant erklärt die Übergabe der Stadt. Mit dieser Kapitulation ist die Niederlage Polens besiegelt. DieWeMmeldeteinerstesSeegefechtmitGroßbritannien,beider MarineundLuftwaffedenbritischenFlugzeugträger„ArcRoyal“zer störtundeinSchlachtschiffschwerbeschädigthabensollen.Die„Arc Royal“wurdenurleichtbeschädigt. RFSS+ChDP Himmler vereint per Erlaß das HA Sipo (Gestapo- Amt [jetzt: Amt IV Gegnerforschung und –bekämpfung - L Heinrich Müller] und Reichskriminalpolizeiamt [jetzt: Amt V Verbrechensbekämpfung - L ]) und das Sicher- heitshauptamt (mit SD) der SS zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Es ist damit die neue Zentrale des NS-Terrors unter seinem L (offiziell: ChSipoSD) Reinhard Heydrich und wich- tigstes Organ im Machtbereich Himmlers. Auch die SD-Ämter für Gegnerforschung (jetzt: Amt VII Weltanschauliche For- schung und Auswertung - L StdF Prof. Franz Six) und für „Deutsche Lebensgebiete“ (jetzt: Amt III Deutsche Lebensge- biete - L OstbF ) sowie der Auslandsnachrich- tendienst (jetzt: Amt VI Ausland - L ) des SD werden durch den Erlaß in das RSHA eingegliedert. RAMRibbentropfliegtzupolitischenUnterredungennachMoskau.

Do28.09.: Von den 1,139 Mio Juden des Generalgouvernements fliehen 250000 nach Osten in die sowjetisch-annektierten polni- schen Gebiete bzw. die UdSSR selbst, 20000 Juden fliehen Rich- tung Süden nach Ungarn und Rumänien. In Przemysl haben die 139

Deutschen vom 14.09. bis zur heutigen Übergabe der Stadt an die UdSSR 500 Juden ermordet. Der letzte polnische Widerstand in Modlin bricht zusammen. Später Abend. Grenz- und Freundschaftsvertrag Deutschland- UdSSR: Die UdSSR erhält die Verfügungsgewalt über Litauen gegen Gebiete an der Buglinie und den Suwalkizipfel. Die UdSSR unterstützt Deutschlands Friedensappell an Frankreich und Großbritannien. Für den Fall der Fortsetzung des Kriegs sind deutschsowjetische „Konsultationen über notwendige Maßnahmen“ vorgesehen. Fr29.09.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.29.09.: „DieselbenNazikreise,dieimAugustderMeinungwaren,Großbri tannien und Frankreich würden nach dem ersten Abkommen zwi schenNazisundSowjetsdenKampfnichtbeginnen,warensichheute nachtsicher,daßdiebeidenDemokratieneinerBeendigungdesKrie geszustimmenwürden.“ Ende September trifft sich der Leiter der niederländischen Au- ßenstelle des British Intelligence Service, Cpt Payne Best, zwei- mal in Venlo mit dem im niederländischen Exil lebenden SD- Ausland-Agenten Dr. Franz Fischer alias „Dr. Franz“ und dem Abwehr-Maj Johannes Travaglio alias „Major Solms“. Die bei- den Deutschen behaupten, dem Briten Kontakt zu einer angeb- lichen Widerstandsgruppe gegen Hitler im GSt des deutschen Heeres verschaffen zu können. Sa30.09.: Der VB schreibt: „Ganz Europa wartet auf das Wort des FriedensausLondon.Wehedenen,dieesverweigern.Siewerdenei nesTagesvonihremeigenenVolkgesteinigtwerden.“ DeritalienischeAMGrafCianotrifftinBerlinein. InLondonwirddiepolnischeExilRg.unterWladyslawSikorskige bildet. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.30.09.: 140

„GerüchteübereinenFriedenbeherrschenhierallesandereamheuti genTag.DieDeutschensindsichdessensicher,undeinSekretärder sowjetischenBotsch.sagtemirheute,Moskauseiesgleichermaßen.“ So01.10.: RFSS Himmler bildet die SSVerfügungsdivision „Das Reich“unddieSSTotenkopfDivision. FRKHitlerempfängtinBerlindenitalienischenAMGrafCiano. Abend. Der Abg. Winston Churchill spricht sich in einer Radioan sprachegegeneinenFriedensschlußmitDeutschlandaus. Mo02.10.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.02.10.: „AmSamstagschneiteA.herein,inBegleitungeinesamerikanischen Mädchens,daserinWarschaukennengelernthat.Diebeidensinddrei Wochen lang zu Fuß im unzugänglichen östlichen Polen unterwegs gewesenzwischendendeutschenundrussischenTruppen.Tagelang sindsievonDorfzuDorfgewandert...A.,derdiePolenniemochte undehereinNazifreundist,berichtete,daßganzeDörferinOstpolen weit entfernt vom Kampfgebiet, von Eisenbahnlinien und Haupt straßen, Dörfer also ohne jegliche militärische Bedeutung von der deutschen Luftwaffe zerstört worden sind. Gründe dafür kann er nichtsehen.Ererzählt,daßdeutscheFlugzeugenichtnureinmaldie BauersfrauenaufihrenFeldernimTiefflugmitMGFeuerundBom benbelegthaben.ErhatdieLeichengesehen... Whitey, zurück aus Polen, berichtet, wie er am Samstag Warschau überflogen hat und die Stadt in Flammen sah. Die wenigen nicht brennendenGebäudeimStadtzentrum,dieerausmachenkonnte,la genbereitsinTrümmern.Erglaubt,daßZehntausendevonZivilisten inderStadtumgekommensind.“ Im Oktober werden von den 1800 Cholmer Juden, die nach Os- ten fliehen, 1400 von den Deutschen auf dem Marsch angehalten und erschossen. Mi04.10.: Das 12-Uhr-Blatt titelt: „ Englands Verantwortung - Für die schändliche Anstiftung Warschaus, sich zu verteidigen “.Die Nachtausgabe schreibt:Amerikaistnichtannäherndsowilddarauf,in 141

denKriegeinzutreten,„wieHerrRooseveltundseinejüdischeKama rilla“. Do05.10.:FRKHitlernimmtinWarschaudiedeutscheSiegesparade abundhälteineAnspracheandieSoldaten. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.05.10.: „HitlerholtingroßerEilealleDeutschenausdenbaltischenStaaten zurück, wo die meisten von ihnen seit Jahrhunderten gelebt haben. EstlandhatvorMoskaukapituliertundsichmitderErrichtungvon sowjetischenLuftundMarinestützpunktenaufseinemGebieteinver standenerklärt.DieAMvonLettlandundLitauenpendelnzwischen ihrenHauptstädtenundMoskauhinundher,umzuretten,wasnoch zurettenist.UndwennerstdieSowjetseinenKeilindiesebaltischen Staatentreiben,wielangewirdesdauern,bissiebolschewistischsind? Bald,bald.“ Fr06.10.: Mittag . FRK Hitler hält eine Rede vor dem RT: „Frie- densvorschläge“ an Frankreich und Großbritannien auf der Ba- sis der neugeschaffenen Lage: Frieden im Westen bei Anerken- nung des deutschen Rechts auf „Lebensraum“ im Osten. Polen werde niemals mehr deutsche Interessen gefährden können . Ferner verkündet Hitler den Plan, die Juden im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten zu isolieren. Der SD-Agent „Dr. Franz“ übergibt in Den Haag dem BIS- Niederlassungschef Cpt Payne Best einen angeblich von Gen von Wietersheim stammenden Brief, in dem dieser anscheinend Interesse an einer Kontaktaufnahme bekundet. Als Zeichen sei- ner Verhandlungsmacht soll Payne Best dafür sorgen, dass eine Codebotschaft im German News Bulletin der BBC verlesen wird. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.06.10.: „Und obwohl es das fünfte Malwar,obwohleskaumUnterschiede gab, obwohl [von Hitler] wieder Aufrichtigkeit geheuchelt wurde sind doch die meisten Deutschen, mit denen ich seither sprechen konnte, entsetzt, wenn man ihnen vorhält, daß das Ausland diesen Vorschlägen nach den gemachten bitteren Erfahrungen wohl nicht mehrVertrauenentgegenbringenwirdalsdenvorangegangenen... 142

AufjedenFallistRußlandbisjetztderGewinnerdesKrieges... UnterdenJasagernimRTgabesvielErgebenheit,aber wenig Be- geisterung, mit Ausnahme der Stellen, wo er [Hitler] die deut- sche Stärke rühmte. Solche Prahlereien begeistern jeden Deut- schen .“

Sa07.10.: Der VB titelt:„ Deutschlands Wille zum Frieden - Keine Kriegsabsichten gegen Frankreich und England - Keine Forde- rungen auf Grenzrevisionen, mit Ausnahme der Kolonien - Ein- schränkung der Rüstung - Zusammenarbeit mit allen Nationen Europas - Vorschlag für eine Konferenz “. FRK Hitler ernennt RFSS Himmler per Erlaß zum Reichskom- missar für die Festigung des deutschen Volkstums (RKF) . Auf- gaben: Durchsetzung von Umsiedlungen im Osten , Rückfüh- rung und Umsiedlung von Volksdeutschen ins Reich, „Aus- schaltung von volksfremden Bevölkerungsteilen , die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten“. Die RKF-Dienststelle untersteht als SS-HA (StabsHA mit zahl- reichen Abt.) über Himmler FRK Hitler unmittelbar und ist WeM und Zivilverwaltung übergeordnet. Himmler bestellt OGF Ulrich Greifelt zum Organisator der RKF-Dienststelle. Das RKF übernimmt später das Zentralbodenamt im RSHA, das seit 1938 die Beschlagnahme jüdischen und „staatsfeindlichen“ Bodens in besetzten Gebieten leitet. Zum RKF gehört eine SS- Gesellschaft für enteignetes Siedlungsland. FRKHitler,VMRRVtGFMGöring,RM+ChRKLammers,ChOKW Keitel,ErlaßdesFRKzurFestigungdeutschenVolkstumsv.07.10.: „Die Folgen von Versailles in Europa sind beseitigt. Damit hat das GroßdeutscheReichdieMöglichkeit,deutscheMenschen,diebisher inderFremdelebenmußten,inseinemRaumaufzunehmenundan zusiedelnundinnerhalbseinerInteressengrenzendieSiedlungder[vor allem nichtdeutschen!] Volksgruppen so zu gestalten, daß bessere Trennungslinien zwischen ihnen erreichtwerden.DieDurchführung dieser Aufgabe übertrage ich [!] dem RFSS nach folgenden Bestim mungen. I DemRFSSobliegtnachmeinenRichtlinien: 143

1. Die Zurückführung der für die endgültige Heimkehr in das Reich in Betracht kommenden Reichs- und Volksdeutschen im Ausland, 2.dieAusschaltungdesschädigendenEinflussesvonsolchenfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaftbedeuten, 3.dieGestaltungneuerdeutscherSiedlungsgebietedurchUmsiedlung, imbesonderendurchSeßhaftmachungderausdemAuslandheimkeh rendenReichsundVolksdeutschen. ... ZurErfüllungderihminAbsatzINr.2gestelltenAufgabenkannder RFSS den in Frage stehenden Bevölkerungsteilen bestimmte Wohn gebietezuweisen....“ So08.10.: Deutschland annektiert durch Erlaß von FRK Hitler die westpolnischen Gebiete als Reichsgaue Danzig- Westpreußen (RSth+GL Albert Forster) und Posen (später War- theland, RSth+GL ). Der Regierungsbe- zirk/Provinz Ostoberschlesien (Kattowitz) wird Schlesien, der „südpreußische“ Regierungsbezirk Zichenau (Ciechanów) Ost- preußen eingegliedert (amtliche Bezeichnung für die bisher pol- nischen Gebiete, die zum Großdeutschen Reich gehören: „ein- gegliederte Ostgebiete“).

Mo09.10.:FRKHitlererteiltderWeMdieWeisungNr.6:erwill zum frühestmöglichen Zeitpunkt „durch den luxemburgisch belgischenundholländischenRaum“Frankreichangreifen.Vorläufi gerTermindesÜberfalls:So12.11. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.10./09.10.: „BeimFührer:...DerFührerbeurteiltdieallgemeineLage[inEuropa] sehrpositiv.Manmußnurwartenkönnenkönnenunddarfnichtdie Ruhe und nicht die Nerven verlieren. Zu Hause Berge von Arbeit. Abericharbeitegern,wennmansolcheZiele[!]vorAugenhat.Der Nachmittagistdannbesondersschön:dakannichmichmitFragen und Problemen des Krieges [!] beschäftigen, die [der] Ruhe und Sammlungbedürfen.“ 144

Di10.10.: Frühmorgens.Die[möglicherweisevombritischenGeheim dienst]überLangwelleverbreiteteFalschmeldungvoneinemRücktritt derbritischenRg.,desbritischenKönigs[„Nachfolger:PrinzvonWa les“] und des französischen PM Daladier [„Nachfolger: François Poncet“] sowie einen unmittelbar bevorstehenden Waffenstillstand führtinBerlinundimganzenReichzugroßenFreudenszenen:Ge müsefrauen werfen ihre Kohlköpfe in die Luft und gehen in die nächsteKneipe,umeinenSchnapsaufdenFriedenzutrinken.Ähnli cheSzenenereignensichinBetrieben,Ministerienundandernorts. Vormittag. FRK Hitler empfängt in der Reichskanzlei die WeM- Spitze und unterichtet sie über seine Denkschrift zur Militärof- fensive im Westen noch vor Anbruch des Winters. Mittag.DerBerlinerLWSenderwiderruftdieFriedensmeldung. Später Nachmittag. RMVP Goebbels und FRK Hitler halten im Berliner Sportpalast Reden zur Eröffnung des ersten Kriegswinter hilfswerks.HitlerbietetGroßbritannienundFrankreich„einallerletz tesMal“an,mitDeutschlandFriedenzuschließen. Abend. PM Daladier weist im französischen Rundfunk FRK Hitlers „Friedensangebot“ vom 06.10. zurück: „Frankreich wird die gerechte Sache bis zum Ende verteidigen. “ WilliamShirer,Genf,Tgb.v.10.10.: „VonKarlsruhenachBaselfuhrenwirheutemorgenandie100Mei len am Rhein die französische Grenze entlang. Keinerlei Anzeichen einesKrieges.DerSchaffnererzählte,daßseitBeginndesKriegesan dieserFrontnochkeineinzigerSchußgefallensei.WoderZugunmit telbaramFlußuferfuhr,konntenwirdiefranzösischenBunkersehen undgroßeFlächendahinter,aufdenendieFranzosenBefestigungen errichteten...SiebautendieBefestigungeninvollerSichtundReich weitedesGegners... EineseltsameArt,Kriegzuführen.“ Mi11.10.:Der VB greifteinevonGeorgeBernardShawgesterninei nemArtikelfür The Statesman and Nation gestellteFrageineinemArti kel unter Überschrift „Warum nicht zuerst den Churchillismus ver nichten?“auf. DieBBCsendetzweimaldieam06.10.von„GenvonWietersheim“ verlangte Codenachricht, um die Verhandlungsmacht des britischen 145

Agenten Payne Best zu untermauern. Payne Best erhält in Den Haag eine angeblich von „Major Solms“ stammende Nachricht, dass dieser wegen einer Beobachtung durch die „Gestapo“ für eine Weile keinen Kontakt mehr zu Payne Best unterhalten kön- ne. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.12./11.10.: „Es steht nun fest, daß die Alarmgerüchte vom Tage vorher aus Londonlanciertwurden,umdiedeutscheStimmungzuerkunden.Ich veranlasseeineganzscharfeUntersuchung,auchalterFällevonTele phonmystifikationen und werde die Schuldigen ins KZ sperren las sen.“ Do12.10.: Nachmittag. PM Chamberlain weist im Unterhaus in London FRK Hitlers „Friedensangebot“ vom 06.10. zurück . FRKHitlergibtden„ErlaßdesFRKüberdieVerwaltungderbe setztenpolnischenGebiete“heraus:Errichtungdes„Generalgouver nements“ (bis 31.07.1940: „für die besetzten polnischen Gebiete“). HitlerernenntRLHansFrankzumihmunmittelbarunterstelltenGe neralgouverneurfürdasbesetztePolen(Generalgouvernement)–mit AmtssitzinKrakau. Erste Deportation von Juden aus Österreich in das Generalgou- vernement. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.13./12.10.: „BeimFührer.EristsehrzufriedenmitunserenAngriffengegenEng land. Legt nochmal [!] unsere militärische Position dar. Wir stehen glänzend da und unsere Gegner werden kaum einen Angriff wagen. Was werdensichChamberlainundDaladierdenken?...IhrWaffen materialistveraltetundzumAufbaueinerneuen[Wehr]Industriebe nötigen sie sehr lange Zeit. Unsere Chancen sind also denkbar gut. Wennwirsieunsnichtselbstverpatzen,werdenwirsiegen.“

Sa14.10.: In der Nacht zu heute ist erstmals seit Kriegsbeginn in Berlin lautes Luftabwehrfeuer zu hören. Das RMVP behauptet, ein deutsches Flugzeug habe die Orientierung verloren und sei abgeschossen worden. FRK Hitler erteilt RJM Gürtner auf dessen Beschwerde hin den Bescheid, auf Exekutionen durch die Sipo (in Polen) könne im 146

Einzelfall nicht verzichtet werden, „weil die Gerichte (Militär und Zivil) sich den besonderen Verhältnissen des Krieges nicht gewachsen zeigen“. EinführungderReichskleiderkarte. So15.10.: Die deutsche Presse titelt: „ Deutsches U-Boot versenkt das britische Schlachtschiff ‘Royal Oak’ “.DieU47(KptlGünther Prien)hattedasSchlachtschiffgesternimgrößtenbritischenMarine stützpunktScapaFlowaufdenOrkneyInselngetroffen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.15.10.: „DerSchweizerZugvollerSoldaten...EsistnichtihrKrieg.Abersie sindbereitzumKampffürdieVerteidigungihrerArtzuleben... Am frühen Abend den Rhein entlang wieder dieselbe unwirkliche Front.SoldatenaufbeidenSeiten,Ausschauhaltend,abernichtschie ßend.DerverdunkelteBahnhofvonFrankfurtamMaineinwenigwie ein Alptraum. Hunderte von Menschen, viele von ihnen Soldaten, kämpftenaufdemstockdunklenBahnsteigdarum,indenZugzuge langen,stolpertenüberGepäckstückeundranntenineinander.“ Um die Mitte Oktober schließt Deutschland Verträge mit den baltischen Republiken über die Rücksiedlung Volksdeutscher in das Reich, die sofort umgesetzt werden. Um die Mitte Oktober nimmt in Den Haag ein SD- Auslandsagent (Gruppe VI D Westen. Englisch-amerikanisches Einflußgebiet) Kontakt zu den beiden Geheimdienstagenten der dortigen britischen Botschaft, Maj R.H. Stevens und Cpt S. Pay- ne Best, auf. Der SD-Mann bietet den Briten an, den Kontakt zu einem angeblichen Vertreter des Anti-Hitler-Widerstands der WeM zu vermitteln. Mo16.10.:BVJPGöringernenntMaxWinklerzumLeiterderHaupt treuhandstelleOst(HTO). JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.17./16.10.: „HipplermitvielMaterialfürGhettofilm[ Der ewige Jude ,1940]ausPo lenzurück.“ 147

Di17.10.: Erste Deportation von Juden aus dem Reichsprotekto- rat in das Generalgouvernement. Einführung der Sondergerichtsbarkeit für SS- und Polizeiange- hörige. Mi18.10.: Deutschland beginnt mit der Umsiedlung der Volksdeut schenausdendreibaltischenLändernindie„eingegliedertenOstge biete“(ReichsgaueDanzigWestpreußenundPosen/Wartheland;Re gierungsbezirkeZichenauundKattowitz). RPrCh Dietrich präsentiert auf einer Pressekonferenz den „Royal Oak“Versenker,den30jährigenns.UBootKommandantenKapitän Prien. InDenHaagwendensichdiebritischenGeheimdienstoffzierePayne Best und Stevens an Chef des Niederländischen Militärnachrichten dienstesGenMajJ.W.vanOorschotmitderBitteumUnterstützung beim Betreten des Militärkordons an der niederländischdeutschen Grenze.VanOorschotstelltLtDirkKlopfürdieAufgabeab. Do19.10.:DasOKHgibtdieVerlusteanderWestfrontbis17.10.mit 196Toten,114Vermißtenund356Verwundetenan. Die Türkei gewinnt den Sandschak südlich von Iskenderun (Ale xandrette)zurückundschließtmitGroßbritannienundFrankreichei nenBeistandspaktbleibtaberimKriegneutral. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.19.10.: „Nichtsgehedortvor,heißtes[imOKHBerichtüberdieWestfront], undichneigedazu,daszuglauben,wiewohlParisseitWochenAme rikamitwildenGeschichtenübereinegroßartigeOffensivegegenden Westwallüberschwemmt.“ Fr20.10.: 8.00 Uhr. Die britischen Geheimdienstoffiziere PayneBest und Stevens warten in einem Café in Zutphen auf den angeblichen Putschgeneral. 13.00Uhr.Stattdessenbringt„Dr.Franz“„HptvonSeidlitz“(=StBF vonSalisch,SDAusland)und„LtGrosch“(=HStFBernhardChris tensen, SD Ausland) mit, die aus dem Grenzdorf Dinxparlo zum TreffpunktinArnheimkommen. 148

Sa21.10 .:AbkommenmitItalienüberdieUmsiedlungVolksdeutscher insReich. OKWChef Keitel erstattet FRK Hitler den Planungsvortrag zur Westoffensive. Abend. FRK Hitler stimmt in der Reichskanzlei die RL und GL auf den kommenden Krieg im Westen ein. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.21.10.: „DieWilhelmstraßewütendaufdieTürkeiwegenderUnterzeichnung eines gegenseitigen Beistandspakts mit den Briten vorgestern. [So]Botsch.Papen,soberichtenmeineSpione,wurdeeiligherbeibe ordertundvonseinemMeisterzueinerGardinenpredigtempfangen.“ Im Spätherbst beginntDeutschlandmitderPraxis,polnischeJuden zurneuensowjetischpolnischenGrenzezubringenundaufsowjeti schesGebietzutreiben.DerNKWDschicktdieJudeninsGeneral gouvernementzurück. So22.10.:Eintopfsonntag. 20.15Uhr.RMVPGoebbelshältimRundfunkeinePropagandarede gegenGroßbritannien,daserderVersenkungder„Athenia“am03.09. beschuldigt:„IhreunverschämtenLügen,HerrChurchill!Ihreinferna lischenLügen!“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.22.10.: „DieserSonntagist‘Eintopfsonntag’.Wasbedeutet:alles,wasmanzu Mittag bekommen kann, ist billiges Kochfleisch und Gemüse. Aber manbezahltdenPreiseineranständigenMahlzeitdafür,dieDifferenz gehtandasWinterhilfswerk,wenigstensheißtesso.Tatsächlichgeht dasGeldindieKriegskasse.“ Di24.10.: ChSipoSD Heydrich erteilt Weisung: „Entlassungen von Häftlingen aus der Schutzhaft finden während des Krieges im allge meinennichtstatt.“ PresseundRundfunkteilenmit,daßdreiJugendliche,dieinHanno verwährendderVerdunkelungeinerFraudieHandtaschegeraubtha ben,zumTodeverurteiltwurden. Abend. RAM Ribbentrop sagt in einer Rede in Danzig, der Krieg mit Frankreich und Großbritannien müsse nun entgegen 149

den Hoffnungen auf baldigen Frieden bis zur endgültigen Ent- scheidung ausgekämpft werden. Mi25.10.: FRK Hitler erörtert mit den Generälen den OKH Details dergeplantenWestoffensive. E.F.: Jud Süß unmaskiert [s.18.11.!] vorderKamera, Licht-Bild-Bühne (LBB )v.25.10.: Der neue Dialogregisseur von Jud Süß , Eberhard Wolfgang Möller: „Auchwirhabenversucht,objektivzusein...,aberunsereObjektivität isteineanderealsdiederVergangenheit,dieallesverstehenundalles verzeihen wollte. Wir lassen die Geschichte sprechen. Und sie zeigt nicht,daß‘derJudeaucheinMensch’ist,nein,siestelltklar,daß der Jude ein ganz anderer Mensch [Hervorheb.i.O.]istalswir,unddaßihmdie uns angeborene sittliche Kontrolle über sein Handeln überhaupt fehlt...KeinenbösenDämonwolltenwirdarstellen,aber den Abgrund zwischen der jüdischen und der arischen Haltung ,dieselbstderHerzognoch besitzt,wolltenwirdartun.“AufAnregungMetzgerswurdedasGanze darum„indenRahmeneinerChronik“gefaßt.Möllerweiter:„Künst lerischeGesetzemachteneszumZweckederVerdeutlichungdesras sischenProblemsallerdingsnotwendig,dieHandlungüberdiehisto rischüberliefertenTatsachenhinausnachrückwärtsauszuweitenund denSüßinseinenAnfängenzuzeigen,imGhettoundalsdenarmen Schacherer,dersichunterUmgehungdesJudenbannesunerkanntin das Land einschmuggelt, allmählich immer dreister und mächtiger wirdundnachundnachinSprache,GebarenundKleidungdasJüdi schezuretuschierensucht.EineReiheandererjüdischerTypenhabe ichihmbeigegeben,RabbisundSchacherer,umdasBildzuvervoll ständigen.DieFarbensinddiemeines[?]Rothschilds,dennichglau be,daßesfürunsheutekeinenanderenWeggibt,denjüdischenCha rakterkünstlerischzugestalten.“ Do26.10.:GenGouvFrankführtfüralleJudenvon14bis60Jahren dieZwangsarbeitzugunstenderdeutschenBesatzungsmachtein. Fr27.10.: Nach einer offiziellen Ritterkreuz-Verleihung an 14 ho- he Generäle in Berlin konferiert FRK Hitler mit diesen und er- teilt die geheime Weisung, daß der deutsche Überfall im Westen 150

am 12.11. stattfindet . Das von OBH von Brauchitsch vorgeschla- gene Datum 26.11. liege „viel zu spät“, sagt Hitler. Sa28.10.: Bei der Planung der Westoffensive fällt die Entscheidung, daßderSchwerpunktdesAngriffsdermotorisiertenundPanzerver bändeüberbelgischesGebietgeführtwerdensoll. RFSS+ChDPHimmlersagtineinerRedezu,dieSSwerdediePaten schaftüberalleehelichenundillegitimenKinderarischenBlutesüber nehmen,derenVäteranderFrontfallen.FernerforderterdieDeut schen zu stärkerer Geburtenfreudigkeit auf: „Jenseits der Grenzen vielleicht notwendiger bürgerlicher Gesetze, Sitten und Ansichten wird es jetzt für die deutschen Frauen und Mädchen reinen Blutes selbstaußerhalbehelicherBindungenzurgroßenAufgabe,Mütterder KinderjenerSoldatenzuwerden,dieindenKriegziehen.Nichtauf frivoleWeise,sondernmittiefemmoralischemErnst...FürdieMän ner und Frauen, denen der Staat einen Platz in der Heimatanweist, erwächstindieserZeitmehrdennjedieheiligePflicht,erneutVäter undMüttervonKindernzuwerden.“ In Wloclawek im Reichsgau Posen wird erstmals der gelbe Fleck zur Identifizierung von Juden angeordnet. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.28.10.: „Aus Geschäftskreisen höre ich, daß ab nächsten Monat einschnei dendeRationierungenbeiKleidungeinsetzenwerden.Dieswirdwohl bedeuten,daDeutschlandüberkeineBaumwolleundfastkeineWolle verfügt, daß die Menschen bis zum Ende desKriegesmitdemaus kommenmüssen,wassieanKleidungbesitzen.“ So29.10.:FRKHitlererläßtdieAufmarschanweisungfürdieWestof fensive im Sinne des gestern beschlossenen Angriffsschwerpunkts Belgien. Ein Angriff auf die Niederlande istmitAusnahmedeslim burgischenSüdzipfelsumMasstrichtnichtmehrvorgesehen.DerAn griffsstoßsollüberBelgienbishinzumfranzösischenAbbévilleander Somme und damit an die Kanalküste geführt werden. Beginn des Überfallssollder12.11.sein. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.29.10.: „Ichhabemirangesehen,wasdieDeutschenindiesendunklenTagen lesen.DiedreiRomanBestsellersind:[MargaretMitchell:]‘Gonewith 151

thewind’[1936],hierunterdemTitel‘VomWindeverweht’[1937]; [Des Schotten Archibald] Cronins ‘[Die] Zitadelle’ [1937, dt. 1938] undvondemjungennorwegischenAutorTrygveGulbranssen‘Und ewig singen die Wälder’[1933,dt.1935].Manbeachte,daßalledrei BüchervonausländischenAutorenstammen,daruntersogareinEng länder. BeidenSachbüchernsiehtdieListesoaus:1.‘DieFarbigeFront’,eine anonymeStudieüberdenKonfliktzwischenWeißenundNegern;2. ‘SchlagnachEngland’,einPropagandabuchüberEngland;3.‘Derto taleKrieg’,LudendorffsberühmtesBuchausdemErstenWeltkrieg vongroßerAktualitätdieserTage;4.‘FünfzigJahreDeutschland’von SvenHedin,demschwedischenForscherundHitlerFreund;5.‘Das istPolen’,einBuchmitFaktenundZahlenüberPolen,daserstmals 1928erschien. Auchsagtmanmir,daßentgegenoffiziellenAnweisungennachdem AugustPakt,dieantisowjetischebzw.antibolschewistischePropagan da einzustellen, drei antisowjetische Bücher noch immer Verkaufs schlagersind... Die Theater hiermacheneinBombengeschäft...Unddaseinzigeer folgreiche zeitgenössische deutsche Stück ist Gerhart Hauptmanns neues Drama ‘Die Tochter der Kathedrale’ [1939]. Armer alter Hauptmann. Der einstige feurige Sozialist und große Dramatiker ist nunzumNazigewordenundzueinemäußerstsenilenMann. DerzeitigerKinohitistClarkGablein‘AbenteuerinChina’...Erzieht die Leute schon die 4. Woche ins Marmorhaus. Ein deutscher Film kannschonvonGlückreden,wennereineWochelangläuft...“(S228 229) Mo30.10.: Gen Erich von Manstein legt der Heeresführung in einer DenkschrifteinenerstenEntwurfeinesstrategischen„Sichelschnitts“ fürdieWestoffensivevor.FRKHitleristhierübernichtinformiert. BVJPGöringerläßtdie„VOzurEinführungdesVJPindenOstge bieten“. Die RRg teilt mit, daß nur etwa 5 Prozent der Bevölkerung diesen WintereineGenehmigungzumKaufneuerGummistiefeloderÜber schuhe erhalten. Die Bestände sind vorrangig für Briefträger, Zei tungsverkäuferundStraßenkehrerreserviert. 152

InVenlotreffensichnacheinemfürden25.10.angesetztenunddann verschobenen Treffen die beiden britischen Geheimdienstagenten Stevens und PayneBest das erste Mal mit dem deutschen „Wider standsoffizierHptSchämmel“,dervonSDAgentWalterSchellenberg gespieltwirdundinBegleitungvon„OberstMartini“(=ProfMaxde Crinis,DirPsycholAbt/CharitéundSDAgent),„LeutnantGrosch“ (=HStFChristensen).SchellenbergberichtetvonangeblichenPlänen deutscherGenerälezurEntführungHitlers. Di31.10.: Die Gestapo teiltmit,daßsiegesternzweiMännerwegen „WiderstandesgegenihreVerhaftung“erschossenhat.Einerderbei denhabeArbeiterineinemRüstungsbetriebzurArbeitsniederlegung anzustiftenversucht. AKomMolotovsagtvordemOberstenSowjetinMoskau:„Wirste hen für eine gewissenhafte ErfüllungabgeschlossenerVerträge..und wirerklären,daßderverbreiteteUnsinnübereineSowjetisierungder baltischenLänderlediglichdenInteressenunserergemeinsamenFein desowieallerantisowjetischenProvokateuredienensoll.“ Mi01.11.:DiedeutscheMarinebringtdasamerikanischeSchiff„City ofFlint“auf. Do02.11.:Das 12-Uhr-Blatt titelt:„ Entrüstung wegen ‘City of Flint’ unangebracht - [US]General [Hugh] Johnson gegen offensichtli- che Agitation “. NorwegenstopptdieWeiterfahrtdervondenDeutschenaufgebrach ten „City of Flint“ zueinemdeutschenOstseehafen.DasAAdroht NorwegenmiternstenKonsequenzen. U„DieReisenachTilsit“RVeitHarlan WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.02.11.: „DiehiesigeAntiKominternWelleistgestopptworden.Wieichhöre, hat man das Antikominternmuseum der Nazis... klammheimlich ge schlossen. Ebenfalls diese Woche richtete der Naziherausgeber von ‘ContraKomintern’einSchreibenanalleAbonnenten,indemersich fürdasNichterscheinenderSeptemberNummerentschuldigtunder klärt, die Zs. werde demnächst unter einem neuen Titel fortgeführt werden.Erteiltmit,dieHerausgeberseienzudemSchlußgekommen, 153

daßDeutschlandstatsächlicheFeindenichtdieBolschewiken,sondern dieJudenseien.‘HinterallenGegnerneinerdeutschenÜberlegenheit [!]’,soschreibter,‘stehenjene,dieunsereEinkreisungfordern;dieäl testenFeindedesdeutschenVolkesundallergesunden,aufstrebenden NationendieJuden.’“ So05.11.:OBHvonBrauchitschversuchteinweiteresMal,FRKHit ler vom Beginn der Westoffensive am 12.11. abzubringen. Der Zu standderTruppeneinheitenimWestenseihierfürnichtausreichend. Hitleristwütendundkündigtan,diesen„Geist“unterdenTruppen führernzubeseitigen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.05.11.: „CBSmöchtevonmireinenBerichtüberHitlersArbeitsgewohnhei tenunterdenBedingungendesKrieges...“(S231233) Di07.11.: FRK Hitler verschiebt die für den 12.11. angesetzte Großoffensive im Westen kurzfristig wegen „Berichten über die meteorologische und die Eisenbahntransportlage“ um drei Tage - auf den 15.11. Die niederländische Königin und der belgische König bieten in einer gemeinsamen Erklärung ihre Vermittlung zwischen Deutschland und den Westmächten an. Deutschland reagiert auf das Angebot kühl. DiebritischenGeheimdienstlerR.H.StevensundS.PayneBesttref fensichineinemGrenzortbeiVenlodaszweiteMalmitdemdeut schen „Widerstandsoffizier Schämmel“ alias SDAgent Schellenberg. DieBritengeben„Schämmel“einevorsichtigeBotschaftandenan geblichenWeMWiderstandmit.„Schämmel“schlägtvor,diebeiden amnächstenTagmiteinemderführendenGeneräledesWiderstands zusammenzubringen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.07.11.: „VieleGerüchtehier,daßdieDeutschenHollandüberrollenkönnten. DieswürdenichtnurdieMaginotlinieaufdenKopfstellen,sondern DeutschlandauchLuftstützpunktenuretwa100Meilenentferntvon derenglischenKüsteeinbringen.“ 154

Mi08.11.: Nachmittag. Drittes Treffen zwischen Payne Best, Ste- vens und „Hpt Schämmel“ in dem Café des Grenzortes bei Ven- lo. „Schämmel“ vertröstet die Engländer erneut, diesmal auf morgen 16.00 Uhr. 20 Uhr. In einer Rede zum 16. Jahrestag seines Putsches sagt FRK Hitler im Münchner Bürgerbräukeller, die Deutschen müßten sich auf einen langen Krieg einstellen. Er habe BVJP Göring am 03.09. Befehl gegeben, alle Vorbereitungen für einen Krieg von 5 Jahren zu treffen. Im Bürgerbräukeller sind anders als in den Vorjahren Göring und RFSS Himmler nicht anwe- send. 20.57 Uhr. Hitler, RMVP Goebbels und alle anderen hohen NSDAP-Politiker verlassen den Bürgerbräukeller vorzeitig, um mit dem Zug [ Warum nicht mit dem Flugzeug, wenn die Rückreise eilt? – A.B. ] nach Berlin zu fahren. Eine Erklärung für dieses von frü- heren Putschjahrestagen abweichende Verhalten der NS-Spitze wird niemals gegeben werden. 21.09 Uhr. Bombenexplosion im Münchner Bürgerbräukeller. Nach NS-offiziellen Angaben werden 8 Pg.s getötet und 63 ver- letzt. Nach späteren NS-offiziellen Angaben wurde die Explosi- on als Anschlag auf Hitler vom Tischler Georg Elser geplant und ausgeführt. Elser wurde nach seinen späteren Aussagen in der KZ-Haft gegenüber seinem Bewacher SS-USchF Walter Usslepp und gegenüber dem Dachau-Häftling Dr. Lothar Roh- de im Spätherbst 1938 von der SS als geheimes Mitglied gewor- ben und ab Mai 1939 zielgerichtet auf die bautechnische Aus- höhlung des Stützpfeilers im Bürgerbräukeller vorbereitet. Später Abend. RFSS Himmler erteilt dem SDAgenten Walter SchellenbergtelephonischdenvonFRKHitlergegebenenBefehl,am nächstenTagbeidemimniederländischenGrenzortVenlogeplanten Treffen mit Hilfe eines 16köpfigen SDKommandos die britischen AgentenStevensundPayneBestnachDeutschlandzuentführen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.11.: „OhnevorherigeAnkündigung[!]hatHitlerheuteimMünchnerBür gerbräukelleramJahrestagseinesBierkellerputschsvon1923eineRe degehalten.WederimRadionochinderPressewarbekanntgegeben worden, daß er heute abend spricht. Selbst die BeamteninderWil 155

helmstraße erfuhren davon erst eine halbe Stunde vor dem Auftritt. AlledeutschenSenderübertrugendieRede,dochunswurdesienicht zurÜbertragungnachAmerikaangeboten.“ Joseph,Goebbels,Berlin,Tgb.v.09./08.11.: „Flug[!]nachMünchen.UnterwegsManuskriptzudemFilm‚JudSüß’ gelesen.Die...Musterausgezeichnetgeworden.Dererstewirklichan tisemitischeFilm... AbendsimBürgerbräukeller.DiealtenKameraden!...Gleichnachder Rede mit dem Führer nach Berlin zurückgefahren... In Nürnberg kommt eine Hiobsbotschaft, ich muß dem Führer ein Telegramm überreichen,nachdemkurznachunseremVerlassendesBürgerbräus dort eine Explosion stattfand. 8 Tote und 60 Verletzte. Das ganze Gewölbeheruntergestürzt.Dasistungeheuerlich.DerFührerhältdie NachrichtzuerstfüreineMystifikation.AberichfrageinBerlinnach, allesstimmt.Manhatteschonzweimalversucht,denZug[!]anzuhal ten,aberohneErfolg.DerUmfangdesSchadensistriesengroß.Ein Attentat,zweifellosinLondonerdachtundwahrscheinlichvonbayeri schen Legitimisten durchgeführt... WirhaltendasVolkvorläufigzu rück,biswirwissen,auswelcherRichtungderAnschlagkommt.“ Do09.11. : Morgen. Der VB behauptet ohne jedes Indiz, der briti- sche Geheimdienst stecke hinter dem gestrigen Münchner „At- tentat“ auf FRK Hitler. Alle anderen deutschen Zeitungen be- richten nicht über den „Anschlag“ . Gegen 16.30 Uhr. Der SD-Agent Schellenberg entführt mit ei- nem 16-Mann-Kommando des SD aus einem ca. 150 Meter von der Grenze entfernten Café in Venlo die britischen Agenten Ste- vens und Payne Best nach Deutschland. Bei der Aktion wird der niederländische Polizeileutnant Klop von den Deutschen ange- schossen und tödlich verletzt. FRK Hitler verschiebt die für den 15.11. angesetzte deutsche Großoffensive im Westen zum 2. Mal, diesmal auf den 19.11. Die Stadt Lodz wird dem Reichsgau Wartheland zugeschlagen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.11.: „9 Minuten nach 9 gestern abend, 12 Minuten nachdem Hitler und sämtlicheanderenParteigrößendenBürgerbräukellerinMünchenver lassen hatten, erschütterte eine Bombenexplosion den Saal, 7 Men 156

schenwurdengetötet,63verletzt.DieBombewaraneinerSäuledi rekthinterderTribüneangebracht,vonderausHitlergesprochenhat te.Wäreer12Minutenund1Sekundelängergeblieben,sohättedas sicherseinenTodbedeutet.DerPlatz,vondemausersprach,warmit einerdickenTrümmerschichtbedeckt. Bisjetztweißniemand,werderTäterwar.DieNazipresseheult,daß dieEngländer,derbritischeGeheimdienstdahinterstecken.Siemacht sogar Chamberlain für die Tat verantwortlich. Die meisten von uns sindderMeinung,daßesnacheinemneuenReichstagsbrandriecht.In denJahrenzuvorsindHitlerunddieübrigengroßenTierenachder Ansprachestetsnochdageblieben,ummitihrenKumpanendesPut schesüberalteZeitenzuredenundBierzutrinken.Gesternhabensie dasGebäudeeiligverlassen,unddieGefolgsleutemußtenihrBieral leintrinken.Dieversuchte‘Ermordung’wirdzweifellosdieöffentliche Meinung für Hitler beeinflussen unddenHaßaufEnglandschüren. Seltsamerweisewarder Völkische Beobachter ...heutemorgendieeinzige Zeitung, die über den Vorfall berichtete. Ein Freund hatte mir die Nachricht gestern kurz nach Mitternacht [!] am Telefon übermittelt, als ich gerade meine Sendung beendet hatte. Doch sämtliche anwe senden Mitarbeiter des deutschen Rundfunks und die Zensoren de mentierten[!].Siesagten,eshandlesichumeindummesGerücht.“ Fr10.11.:... Sa11.11.:InMünchenStaatsbegräbnisfürdieOpferderBürgerbräu explosion.StvFHeßsagtinGegenwartvonFRKHitler:„DiesesAt tentathatunsgelehrtzuhassen.“ So12.11.: In den „eingegliederten Ostgebieten“ beginnen die Deut schenmitderDeportationvonJudenindasGeneralgouvernement. Die RRg gibt bekannt, daß der polnische Bürgermeister von Brom bergnacheinem„Kriegsgerichtsurteil“erschossenwurde,weiler„an derErmordungvonDeutschenundamDiebstahlstädtischerGelder beteiligt“gewesensei. Mo13.11.: FRK Hitler verschiebt die für den 19.11. angesetzte deutsche Großoffensive im Westen zum 3. Mal, diesmal auf den 157

22.11. Es folgen im Winter 1939/40 weitere Verschiebungen je- weils fünf oder sechs Tage vor dem geplanten Überfalltermin, meist mit der Wetterlage begründet. DieKleiderbezugsscheinewerdenunterschiedlichfürMänner,Frau en, Jungen, Mädchen, Babys mit 100 Punkten für die Zeit von 01.12.1939 bis 31.03.1940 ausgegeben. Bei Männern zählen Socken und Strümpfe 5 Punkte (maximal 5 Paar/Jahr), ein Schlafanzug 30 Punkte,einNachthemd25,einManteloderAnzugje60. Di14.11.: Die RgPräs. in den Reichsgauen DanzigWestpreußenund Wartheland führen für Juden per VO die Kennzeichnungspflicht durch„judengelbe“Armbindeein.GeschäftevonJudenmüssenbe reitsmitdemDavidsterngekennzeichnetsein. RgPräs.Uebelhoer,Kalisch,VOv.14.11.1939: „Erhebliche durch die Juden verursachte Mißstände im öffentli chenLebendesVerwaltungsbereichsdesRgPräs.zuKalischveranlas senmich,fürdenVerwaltungsbereichdesRgPräs.zuKalischfolgen deszubestimmen: §1AlsbesonderesKennzeichentragenJudenohneRücksichtauf Alter und Geschlecht am rechten Oberarm unmittelbar unter der Achselhöhleeine10cmbreiteArmbindeinjudengelberFarbe. §2JudendürfenimVerwaltungsbereichdesRegierungspräsiden tenzuKalischinderZeitvon178UhrihreWohnungohnemeine besondereGenehmigungnichtverlassen. §3ZuwiderhandlungengegendieseVerordnungwerdenmitdem Todebestraft.BeiVorliegenmildernderUmständekannaufGeldstra feinunbeschränkterHöheoderGefängnis,alleinoderinVerbindung miteinander,erkanntwerden. §4DieseVerordnungtrittbisaufdieBestimmungin§1sofort,§ 1vom18.November1939abinKraft. Lodz,den14.November1939. DerRegierungspräsidentzuKalisch Uebelhoer“ Do16.11.: JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.17./16.11.: 158

„DieHintergründedesMünchenerAttentatsliegennunziemlichklar: dereigentlicheAttentäteristeineKreaturvonOttoStrasser.Derwar währendderentscheidendenTageinderSchweiz[!].NachdemAt tentat ist er gleich nach England, alsooffenbarzuseinenBrotund Auftraggebernabgekratzt.DasWerkdessecretservice.Wirhaltenal les noch geheim, um die Hintermänner nicht argwöhnisch zu ma chen.“ Fr17.11.: Ein deutsches Exekutionskommando erschießt in Prag 12 Tschechen, darunter 9 Studenten und 2 Polizisten. Den Studenten wirdvorgeworfen,siehättenvom23.10.bis15.11.inPragantideut sche Demonstrationen organisiert. „In Kriegszeiten hört der Spaß auf“,kommentierteinSprecherderRRg. InDeutschlandwerdendreiJugendlichewegen„Verrats“hingerichtet, in Augsburg zwei 19jährige Männer wegen Diebstahls in der Woh nungeinesSoldatenzumTodeverurteilt. Sa18.11.:Der New York Herald Tribune KorrespondentBeachConger mußBerlinwegeneineskritischenBerichtsverlassen. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.19./18.11.: „BeimFührer:...DieAttentatsfragevonMünchenwirdweiterunter sucht.[ unleserlich]...auf.OttoStrasserstehtmitdemsecretservicehin terallem.IchprotestierebeimFührerdagegen,daßdieJudenbeider LebensmittelzuteilunggeradesobehandeltwerdenwiedieDeutschen. Wirdgleichabgeschafft.IcherzähltedemFührervonunseremJuden film.ErgibtdazueinigeAnregungen.ÜberhauptistderFilmaugen blicklichfürunseinsehrwertvollesPropagandamittel.“ Dr.W.:JudSüßohneMaske[s.25.10.!], Hamburger Tageblatt v.18.11.: DasDrehbuchzu‘JudSüß’ist„inersterLinieaufGrundeinesgenau enProzeßaktenstudiumsimWürttembergischenStaatsarchiventstan den“.DerInterviewerfragtdenalsRegisseurvorgesehenenPeterPaul Brauer,obesdenDarstellerdesJudSüß„nichtallerhandpersönliche Überwindung“ kosten werde, „dieser Figur Lebensechtheit und Glaubwürdigkeit zu geben“. Brauer antwortet, Goebbels wolle dem Titeldarstellereine„öffentlicheErklärung“mitgeben,umihmfürdie Übernahmeder„unangenehmenAufgabe“eine„besondereAnerken nung“ auszusprechen. Marian wird als Darsteller des Jud Süß ge 159

nannt... nennt noch Carl Kuhlmann, den Nathan aus „Die Roth schilds“fürdieRollevonHerzogKarlAlexander. So19.11.: Presse und Rundfunk melden: GenGouv ordnet an, daß das jüdische Getto von Warschau mit Barrikaden abgeriegelt und unter scharfe Kontrolle der deutschen Polizei gestellt wird. Frank sagt zur Begründung, die Juden seien „Trä- ger und Verbreiter von Krankheiten und Bazillen“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.19.11.: „FastzweiMonatelanggabeskeinerleimilitärischeAktionzuLand, zuSeeundinderLuft. Jedoch bin ich nach Gesprächen mit deut- schen Militärkreisen überzeugt, daß es ein Fehler wäre zu glau- ben, Deutschland akzeptiere die alliierte Herausforderung, die- sen Krieg hauptsächlich an der wirtschaftlichen Front zu führen. Dies wäre genau jene Art von Krieg, die das Reich im Hinter- treffen sähe. Das ist einer der Gründe, weshalb die meisten Leu- te hier sehr bald neue militärische Unternehmen erwarten. ...EinamerikanischerFreund,dergeradeausWarschauzurückge kommenist,erzähltemirheuteabend,daßdieNazipolizeiesdarauf anlegt,diepolnischenJudeneinfachauszurotten.Mantreibtsiemas senweiseinOstpolenzusammen,zwingtsie,inungeheiztenLehmhüt tenzuvegetierenundberaubtsiejeglicherMöglichkeit,einenLebens unterhaltzuverdienen.Ersagt,manhabeauchbereitsmehrere1000 JudenausdemReichnachOstpolenindenTodgeschickt.“ Mo20.11.:DieWeisungfürdenFallGelb,dieWestoffensive,wirdauf Drängen von OBL Göring nochmals geändert (Weisung Nr. 8). Da Göring bei einer ausschließlichen Besatzung des niederländischen SüdlimburgsdieÜberlassungderMilitärflugplätzeDenHaagundRot terdamandiebritischeRAFbefürchtet,sollennundochdieNieder landevollständigbesetztwerden. Abend. SAOGF Prinz August Wilhelm von Hohenzollern, der 4. Sohn Wilhelms II., dementiert auf einerAuslandspressekonferenzin BerlindasGerücht,FRKHitlerhabeirgendeinemMitgliedseinerFa milieeinLeidangetan. 160

Di21.11.: RFSS+ChDP Himmler gibt bekannt, man habe den Mann gefunden, der am 08.11. im Münchner Bürgerbräukeller die Bombe für ein Attentat auf FRK Hitler installiert habe: den 36jährigen Arbeiter Georg Elser. Hinter diesem stünden der bri- tische Intelligence Service und der in Frankreich lebende frühere SA-Führer Otto Strasser. FernerteiltHimmlermit,dieGestapoha be am 09.11. den „Sektionschef Westeuropa“ des britischen Intelli gence Service, Payne Best [Cpt], und dessen „Mitarbeiter“ Stevens [Maj] an der deutschniederländischen Grenze festgenommen. Nach niederländischenQuellengeschahdiesinVenloaufniederländischem Gebiet. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.21.11.: „Himmlers Angaben zum Verlauf von Elsers Aktion klingen in der Tathöchstfaul.OderwiemireinDeutscherheutenachderLektüre des[Himmler]Berichtssagte:‘Jetztbinichsicher,daßHimmlerdiese Bombeinstallierthat.’ ... Was Himmler und seine Bande offenbar beabsichtigen, ist, das leichtgläubige deutsche Volk davon zu überzeugen, daß Großbritan niendenKriegdurchdieErmordungHitlersundseinerHaupthelfer zugewinnenversucht.DerZensorhatmirheuteimManuskriptsämt liche Bezüge zum Reichstagsbrand gestrichen.“ [Anm. : Monatelang stellen nun die Auslandskorrespondenten auf beinahe jeder Presse konferenz der RRg die Frage, wann der Prozeß gegen Georg Elser stattfindenwird.Zunächstwirdgeantwortet,ElserwerdevordemRG in Leipzig angeklagt werden – ebenso wie 1933 die „Täter“ des Reichstagsbrandes.NacheinigenWochenprovoziertdietäglicheAus landskorrespondentenfrage „Wann wirdElserderProzeßgemacht?“ beidenanderenKorrespondentenkaumverhohlenesGelächter,hin gegenwächstdieVerärgerungbeiDr.Böhmer,AuslPrChdesRMVP, Dr.Schmidt,PrChdesAA,undFhr.vonStumm,StvPrChdesAA. Schließlich geben die deutschen Rg.Vertreter den Auslandskorres pondentenzuverstehen,daßdieFragenichtlängeralslustigempfun den werde, und nach einigen Monaten unterlassen die Auslandskor respondentendieFrage.ElserlebtbiskurzvorKriegsendeunterpri vilegiertenHaftbedingungen.1945gefundeneUnterlagenbelegen,daß dieSSElserdieFreilassungbeiKriegsendesowie40.000RMfürseine KooperationinAussichtgestellthat.ElserwirdkurzvorKriegsende 161

vonSSMännernermordet.OffiziellläßtdieSSverlauten,Elserseibei einem„TerrorangriffderAlliierten“aufdasKZDachaugetötetwor den .] Mi22.11.: Der VB schreibt nach einem Gefängnisbesuch seines Re portersüberGeorgElser:NachdemmanElsergesehenhabe,„kann manbeinahevergessen,daßmansichinderGegenwarteinessatani schenMonstersbefindet.SeineAugensindintelligentunddasGesicht ziemlichsanft.“ Do23.11.: FRK Hitler erläutert in Zossen in einer Rede an die 180 Generäle und hohen Offziere der WeM-Führung seine weiteren Kriegspläne: „Wir können Rußland nur entgegentreten, wenn wir im Westen frei sind. Ferner strebt Rußland Stärkung seines Einflusses auf dem Balkan an und strebt nach dem Persischen Golf. Das ist auch das Ziel unserer Außenpolitik... Alles geht da- rauf hinaus, daß jetzt [!] der Moment [ zumLosschlagenimWes ten ] günstig ist, in 6 Monaten [ Mai1940–A.B. ] kann es aber viel- leicht nicht mehr so sein. Als letzten Faktor muß ich in aller Be- scheidenheit meine eigene Person nennen: unersetzbar... Die Attentatsversuche können sich wiederholen... Mich bedrückt das immer stärkere Inerscheinungtreten der Engländer [ in Frank reich ]. Der Engländer ist ein zäher Gegner. Vor allem als Vertei- diger. Es besteht kein Zweifel, daß England spätestens in 6 bis 8 Monaten [ MaibisJuli1940 ] mit einem Mehrfachen in Frankreich steht... Ich werde Frankreich und England angreifen zum güns- tigsten und schnellsten Zeitpunkt. Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos [!– ÄnderungderPosi tionHitlersvonAnfangNovember1939,A.B. ] ...“ GenGouvFrankführtdieKennzeichnungspflichtallerJudenmitwei ßerArmbindeundblauemDavidsternein. PresseundRundfunkgebenbekannt,daßab01.12.fürPferde,Kühe undSchweineaußerhalbregulärerBauernhöfeFutterkarteneingeführt werden. Di28.11.:GenGouvFrankbefiehltdieBildungvonJudenräten. 162

Do30.11.: Die UdSSR beginnt trotz mehrerer entgegenstehender Verträge den Überfall auf Finnland : Bomber der sowjetischen Luftwaffe attackieren Helsinki; 75 Zivilisten werden getötet, Hunderte verletzt. Der finnische Präs. Kallio und AM Erkko bit- ten das Ausland über Rundfunk um Hilfe. Fr01.12.: WilliamShirer,Genf,Tgb.v.01.12.: „RiefAmsterdamanundversuchtedieHolländerdazuzubewegen, mireinenSender[fürdieÜbertragungenausHelsinkiundStockholm indieUSA]zugebensiefürchtetenjedochzusehrumihreNeutrali tät,welchenatürlichwederRußlandnochDeutschlandauchnureinen Tagachtenwerden,wennesihnennützenkann.“ Im Dezember (01.-17.12.) erste Massendeportation von rund 87000 Juden und Polen aus dem Wartheland ins Generalgouver- nement. Alle jüdischen Gemeinden mit weniger als 500 Einwoh- nern werden gewaltsam aufgelöst, die Bewohner in die Ghettos der größeren Städte des Generalgouvernement und der „einge- gliederten Ostgebiete“ deportiert. Di05.12.:DieRRgerklärtjüdischesVermögeninden„eingegliederten Ostgebieten“undimGeneralgouvernementzugunstendesdeutschen Staatsfürbeschlagnahmt. Mi06.12.: Diktator Stalin muß den für heute geplanten Überfall der UdSSRaufBessarabienverschieben,weildieimsowjetischfinnischen KriegfesteingeplanteEroberungHelsinkisnichtabzusehenist. FRK Hitler erörtert ein weiteres Mal mit der WeMFührung diege planteWestoffensiveundsiehtseinePläneweiterdurchdieHeeres führung„sabotiert“. Di12.12.: OBM GrAdm Erich Raeder übermittelt FRK Hitler ein Memorandum zur Besetzung Norwegens mit Hilfe des norwe- gischen Faschistenführers Vidkun Quisling, der einen Staats- streich in Oslo inszenieren und dann die „Hilfe“ der deutschen Rg. herbeirufen soll. 163

Mi13.12.:DiePressetituliertWinstonChurchillals„Lügenlord“,wäh rendsiesonstimmervon„W.C.“schrieb. DasAAgibtdasWeißbuch„DokumenteüberdieUrsachendesKrie ges“heraus.Essollzeigen,daßalleindieWestmächteamAusbruch desKriegesschuldsind.Großbritannienhabesichimmerjedemdeut schenVersuchwidersetzt,sichmitfriedlichenMittelnvondenFesseln desVersaillerVertragszubefreien. DerDampfer„Bremen“hatdiebritischeBlockadedurchbrochenund istentlangderKüsteNorwegensausMurmansknachDeutschlandzu rückgekehrt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.13.12.: „Die Weihnachtsbäume sind eingetroffen und werden wie wild ver kauft.Wieherzlos,rohoderheidnischeinDeutscherauchimmersein mag,erhatdocheinekindlicheVorliebefürWeihnachtsbäume.Die Leuteversuchentapfer,diesesWeihnachtsfestaussehenzulassenwie früher, in Friedenszeiten. Ich machte heute ein paar Weihnachtsein käufe, doch es sah traurig aus. Zwar stehen viele hübsche Dinge in denSchaufenstern,aufAnordnungderBehörde,dochnuralsAusstel lungsstücke,nichtzumVerkauf.GewöhnlichschenkensichdieDeut schenzuWeihnachtenKleidung,Seife,ParfumundSüßigkeiten,doch diesesJahr,daallesrationiertist,müssensieaufandereDingeauswei chen. IndenüberfülltenGeschäftenheutekauftensiehauptsächlich Bücher,Radios,Grammophone,SchallplattenundSchmuck.Ichwoll tefürdieSekretärinnenbeimRundfunk,diestetshilfreichundfreund lichsind,einpaarSchallplattenkaufen,mußteaberfeststellen,daßsie nurbeigleichzeitigerAblieferungalterPlattenerhältlichsind.Daich solchenichtbesitze,hatteichPech.DieRg.hatzuWeihnachtendie Rationeneinwenigerhöht.Jederbekommtzusätzlich¼PfundButter und100gFleischundinderWeihnachtswochevierEierstatteines.“ Do14.12.: Der Völkerbund schließt die UdSSR aus. Abend.DiedeutschePressefeierteinenangeblichenSeesiegdesPan zerschiffs Graf Spee gegen drei britische Kreuzer vor Montevideo trotzdesangeblichenEinsatzesvonSenfgasgranatendurchdieBriten. Die Graf Spee (zusehenaufFunkfotos)habenurunbedeutendeSchä 164

dendavongetragen,allebritischenMeldungenvonschwerenTreffern seienreineLügen.LondondagegensprichtvoneinembritischenSieg. Fr15.12.:Die Graf Spee sinkt,vonbritischenKreuzerngetroffen,vor Montevideo. Sa16.12.: FRK Hitler empfängt auf Initiative von RL Alfred Rosen berg und GrAdm Erich Raeder den norwegischen Faschistenführer Vidkun Quisling zu einem geheimen Gespräch inderReichskanzlei. Hitler sagt Quisling Finanzhilfe zu. Quisling drängt auf eine rasche deutsche Besetzung Norwegens, da Großbritannien das gleiche mit UnterstützungdernorwegischenRg.beabsichtige.Hitleristnochzu rückhaltend,daerzunächstdenKrieganderWestfrontführenwill. So17.12.: Nachmittag. Der Reichsrundfunk gesteht ein, daß die Graf Spee vorMontevideogesunkenist. Mo18.12.: General von Manstein legt dem GenSt des Heeres einen ausgearbeiteten Plan für die Westoffensive mit der Sichelschnitt Stratgievor. InderReichskanzleiempfängtFRKHitlerdennorwegischenFaschis tenführerQuislingzueinemweiterenGeheimtreffen. Abend. Der Reichsrundfunk feiert einen angeblichen Sieg deutscher Flugzeuge,dieheutenachmittagnördlichvonHelgoland34Bomber auseinerbritischenStaffelvon44Maschinenabgeschossenhätten. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.18.12.: „Dann verlas er [AuslPrCh Böhmer], immer noch außer Atem, das Kommuniqué über die 34 abgeschossenen britischen Bomber. Ich vermute,esistreinePropaganda.“ Di19.12.:Der VB veröffentlichteineLandkarte,diedarstellensoll,wie DeutschlandnacheinemfranzösischbritischenSiegaussähe.DieKar te sei bereits von Zeitungen in alliierten Ländern gedruckt worden: DanachgehtdasRheinlandanFrankreich,OstdeutschlandanPolen, SchleswigHolstein an Dänemark, Sachsen an die Tschechoslowakei, der größte Teil Süddeutschlands an ein erneuertes Habsburgerreich. DerRestDeutschlandswerde„besetztesTerritorium“. 165

Do21.12.:PresseundRundfunkgeben11Hinrichtungenausdenletz tenzweiTagenbekannt,wegen„Spionage“bzw.„VerletzungderIn teressen des Volkes in Kriegszeiten“. 10derHinrichtungenberuhen auf Todesurteilen des nicht öffentlich tagenden VolksGH, ein VolksGHUrteil zu 15 Jahren Gefängnis wurde von RFSS+ChDP Himmler in eine Erschießung „umgewandelt“. „Erschossen wegen WiderstandesgegendieStaatsgewalt“. Presse und Rundfunk geben eine Warnung aus: „Gegenüber jenen verrückten Kriminellen, die weiter den Lügen des Feindes zuhören, wirdkeineGnadewalten.“ DerVormarschderUdSSRinFinnlandistzumStehengekommen.Es gibtaufsowjetischerSeitebereitsfast100000ToteundVerwundete. Die Lazarette in Karelien und Leningrad sind überfüllt. Tausende LeichtverwundeteerfrierenimFreien. FRK Hitler übermittelt Josef Stalin telegrafische Weihnachtsgrüße: „BesteWünschefürIhrpersönlichesWohlergehenebensowiefürdie gedeihlicheZukunftderVölkerderbefreundetenSowjetunion“. FRK Hitler fährt über Weihnachten zu den Soldaten der West front. Zweites Abkommen mit Italien über die Umsiedlung Volksdeut- scher aus Südtirol ins Reich. DasOKMgibtbekannt:„DerKommandantder Graf Spee ,KptHans Langsdorff, wollte beim Sinken seines Schiffes nicht überleben. Ge treuderaltenSeetraditionundimGeistederErziehungdesOffiziers korps,demer30Jahrelangangehörthatte,traferseineEntscheidung. NachdemerseineBesatzunginSicherheitgebrachthatte,betrachtete er seine Pflicht als erfüllt und folgte seinem Schiff.DieMarinever stehtundehrtdiesenSchritt.KptLangsdorffhataufdieseWeisedie ErwartungenseinesFührers[!],desdeutschenVolkesundderMarine wieeinKämpferundHelderfüllt.“InWahrheitbegingLangsdorffin einemHotelzimmerinBuenosAiresaufBefehldesvorWutrasenden FRK Hitler Selbstmord, indem er sich mit einem Revolver in den Kopfschoß. AdolfEichmannwirdLeiterdes„Judenreferats“IVB4imRSHA. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.21.12.: 166

„Icherinneremichdaran,wasmirderRechtsberaterdersowjetischen Botsch.inBerlinwenigeTagevordemBeginndesKriegessagte:‘In dreiTagenwirdallesvorbeisein’,brüsteteersich... ...DabeierscheintHeinrichHimmler,wennmanmitihmspricht,wie einsanfterkleinerMannunderinnertmitseinemKneiferusw.an einenDorfschullehrer,waserjaaucheinmalwar... Langjährige Gefängnisstrafen werden gegen Deutsche verhängt, die ausländischeSenderhören.UnddochbleibenvieleweiterandenAp paraten...GesternverbrachteichdenNachmittagbeieinerdeutschen Familie,Mutter,zweiTöchterundeinSohn.MitallenVorsichtsmaß nahmen wurden die 6UhrNachrichten der BBC eingeschaltet. Die Mutter erzählte, daß neben dem Portier, der im Haus als offizieller Nazispitzelbekanntist,jetztaucheinjüdischerMitbewohnerzumIn formantengewordensei.DeshalbdiegroßeVorsicht.DerManner hältfürseineDiensteKleiderkarten(JudenbekommenzwarLebens mittelkarten, aber keinerlei Textilbezugsscheine). Das Radio war so leisegestellt,daßichdieMeldungenkaumverstehenkonnte,undeine derTöchterhieltanderWohnungstürWache.“ Fr22.12.: Josef Stalin erwidert die telegrafischen Weihnachtsgrüße FRKHitlers:„DieFreundschaftzwischendenVölkernDeutschlands undderSowjetunion,zementiertdurchBlut,hatalleAussicht,dauer haftundfestzuwerden.“ So24.12.: Hans Hömberg: Ein Dichter kommt zum Film, VB vom 24./25./26.12.: Interview mit Mirko Jelusich über seine Arbeit am Drehbuchfür Die Rothschilds . WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.24.12.: „HeiligerAbend.Esregnetdraußen...diesesWeihnachtenistfreudlos, mitspärlichenGeschenken,spartanischemEssen,verdunkeltenStra ßen,zugezogenenFensterlädenundVorhängenentsprechendderpo lizeilichenAnordnungundmitFamilien,derenMännernichtdaheim sind... Heute nacht spüren die Deutschen den Unterschied. Sie sind mürrisch,depressiv,traurig.“ 167

Mo25.12.:DAFLeiterLeyhälteineWeihnachtsansprache:„DerFüh rerhatimmerrecht.GehorchtdemFührer...HöchsterAusdruckder Fraulichkeit ist die Mutter. Höchster Ausdruck von Männlichkeit ist derSoldat...GottstraftunsnichtmitdiesemKrieg,ergibtunsGele genheitzubeweisen,daßwirunsererFreiheitwertsind.“ Mi27.12.:ChDPHimmlerwiderruftdieGenehmigungfürGaststätten, inderSilvesternachtbiszumfrühenMorgenoffenbleibenzudürfen. DieLokalemüssenum1Uhrschließen.FernerwarntHimmlervor unkontrolliertemAlkoholgenuß. WilliamShirer,Kiel,Tgb.v.27.12.: „UnsereBarkassemachteschließlichaneinemriesigenTrockendock [inKiel]fest.Darinlageinesder26000tSchlachtschiffe,die‘Gneise nau’. Meine Gastgeber baten mich zu einem Rundgang auf das Schiff... Ich war... beeindrucktvondemGeistderKameraderiezwi schendenOffizierenundderBesatzung.VieroderfünfOffizierebe gleiteten mich, und wenn wir eine der Mannschaftskajüten betraten, gab es kein Aufspringen, keinHackenzusammenschlagen,wieiches erwartethatte.DerKapitänmußteunserErstaunenbemerkthaben. ‘DasistderneueGeistinunsererMarine’,sagteerstolz.Underer klärte auch, daß in diesem Krieg die unteren Mannschaftsgrade die gleicheNahrungunddiegleichenRationenerhaltenwiedieOffiziere. DieswarimletztenKriegnichtso,underzitierteeinheutigesMari nesprichtwort, welches besagt, daß gleiches Essen für Offiziere und MannschaftendieUnzufriedenheitbeendetunddenKrieggewinnen hilft... An unserem Tisch schienen Offiziere und Matrosen völlig gleichrangigzusein,undesgefielihnenoffenbar.“ So31.12.:Esleben190000„Volljuden“imReich. FRKHitlerhälteineSilvesteransprache:„DasdeutscheVolkwilldie senKriegnicht.IchhabebiszurletztenMinuteversucht,denFrieden mitEnglandzuerhalten.AberdiejüdischenundreaktionärenKriegs treiberhabenaufdieseMinutegewartet,umihrePlänezurVernich tungDeutschlandsauszuführen...GeschlosseninnerhalbdesLandes, wirtschaftlichvorbereitetundmilitärischbiszumÄußerstengerüstet, gehenwirindiesesentscheidendsteJahrderdeutschenGeschichte... 168

MögedasJahr1940dieEntscheidungbringen.Unddiesbedeutet,was immerauchgeschieht,unserenSieg.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.31.12.: „Kalt, und es herrscht Kohlenknappheit. Heute abend meldete der Bürogehilfe,daßunsereKohleausgegangenistundkeineneuezuha bensei.“ 169

1940 Mo01.01.: OBL Göring schreibt im VB zum neuen Jahr: „Bis jetzt habensichdiedeutschenFlugzeugedamitbegnügt,einscharfesAuge aufEnglandsKriegsmaßnahmenzuwerfen.Aberesbedarfnureines Wortes des Führers, um anstelle der jetzigen leichten Ladung von Kameras die vernichtende Ladung von Bomben hinüberzutragen. KeinLandderErdeistsogeeignetfürLuftangriffewiediebritischen Inseln...WenndiedeutscheLuftwaffewirklicheingreift,sowirddas einen Angriff ergeben, wie ihn die Weltgeschichte noch nie erlebt hat.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.01.01.: „WaswirddiesesJahrbringen?DieEntscheidung,wieHitlergestern prahlte? Ich habe jedenfalls noch keinen Deutschen getroffen, der diese Überzeugung nicht teilt .Sicherist,daßdieserScheinkrieg nichtmehrlangeandauernkann.Hitlermußvoranschreitenzuneuen Siegen,oderseinSystembrichtzusammen. Gestern nacht am Kurfürstendamm mehr Betrunkenheit, als ich je mals in Berlin gesehen habe. Himmler hatte Tausende Polizisten in der Stadt zusammengezogen, die scharf darauf achteten, daß keiner seinAutobenutzteunddaßdieLokalepünktlichum1schlossen.“ Im Januar wird für die bewaffneten SSVerbände (ehemals SS Totenkopfverbände und SSVerfügungstruppe) die Bezeichnung „WaffenSS“eingeführt. Mi03.01.: Die Presse polemisiert gegen „Großbritanniens aggressive PläneinSkandinavien“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.03.01.: „Wie wir hören, hatHitlerHeer,MarineundLuftwaffeangewiesen, eiligPläneauszuarbeitenfüreinAbdrängenderAlliierteninSkandina vien,solltensiedorteintreffen,umFinnlandgegenRußlandbeizuste hen.HeerundMarinesindzwarprofinnischeingestellt,miristjedoch klar,daßsieihreHandelswegezudenschwedischenEisenerzfeldern sichernmüssen.WennDeutschlanddieseverliert,bedeutetdasseinen Untergang.“ Do04.01.: 170

JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.05./04.01.: „Mit[Ferdinand]MarianüberdenJudSüßStoffgesprochen.Erwill nichtrechtheran,denJudenzuspielen.Aberichbringeihnmiteini gemNachhelfendochdazu.“ Mo08.01.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.01.: „MachteheuteabendeinInterviewmitGenErnstUdet...“ Di09.01.:DAFLeiterLeyschreibtim Angriff :„Wirwissen,daßdieser KriegeinideologischerKampfgegendasWeltjudentumist.England hat sich mit den Juden gegen Deutschland verbündet... England ist geistig,politischundwirtschaftlicheinsmitdenJuden...Fürunsblei benEnglandunddieJudendergemeinsameFeind.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.01.: „HeutewareinerderkältestenTage,dieichin14JahreninEuropaer lebt habe. Zehntausende Wohnungen und viele Büros stehen ohne Kohleda.WirklichesLeidfürvieleMenschen.DadieFlüsseundKa näle,aufdeneneinGroßteilderKohletransporteverläuft,zugefroren sind, können die Deutschen keinen nachschub heranbringen. Höre, daßkürzlichineinemKriegsgefangenenlager18Polengetötetund30 verwundet worden sind. Die SS [!] hier spricht von einer ‘Revolte’. DasHeerhatbeiHitlergegendiesinnlosenBrutalitätenderGestapo inPolenprotestiert,ichbezweiflejedoch,daßsichdadurchetwasän dernwird.“ Mi10.01.:FRKHitlerundBVJPGöringversammelndieIndustriellen in der Reichskanzlei und werfen ihnen in massiver Weise zu große Zögerlichkeit bei der Ankurbelung der kriegswichtigen Produktion vor. Danach berät Hitler mit OBL Göring und der übrigen WeM GeneralitätinderReichskanzleiüberdieKriegsplanungfürdasFrüh jahr. Do11.01.:FRKHitler,OBLGöringunddieWeMGeneralitätsetzen ihreBeratungenüberdieKriegsplanunginderReichskanzleifort.Das OKHerteiltdenAngriffsbefehlfürden17.01. 171

AbsofortmüssenLehrerindenSchulendenUnterrichtstagmitdem Gruß„GottstrafeEngland!“beginnen.DieSchülermüssenantwor ten:„Erwird.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.01.: „Kalt.15°unterNulldraußenanmeinemFenster.DiehalbeBevöl kerungfriertinihrenWohnungen,BürosundFabriken,weileskeine Kohlegibt.Eswarmitleiderregend,indenStraßengesternzusehen, wiedieMenscheninKinderwagenoderaufihrenSchulterneinenSack Kohleheimschleppten.Esüberraschtmich,daßdieNazisdieLageso ernstwerdenlassen.Jedermannmurrt.EsgibtnichtsBesseresalsan haltendeKälte,umdieMoralzuschwächen. ...Wieesheißt,saßendiegroßenHerren[derIndustrie],dieesmitih remGeldHitlererstermöglichthaben,andieMachtzugelangen,mit rotenKöpfendaundwagtenkeinenMucks...WerdendieDeutschen versuchen, durch Holland zu marschieren, wie viele annehmen? Sie wollen die Luftstützpunkte an der holländischen Küste für den An griffaufEngland.FantastischeGerüchtehierübereinebevorstehende Invasion in Großbritannien und einen Einmarsch in Schweden, um die Eisenerzlieferungen von dort sicherzustellen. Als Rechtfertigung einessolchenSchrittessolldienen,daßdieSchwedenimBegriffsind, alliierten Truppen für den Kampf in Finnland Durchgang durch ihr Landzugestatten. HörteheutevoneinemMann,dergeradeausPragzurückist,daßdie HerstellervonButter,MehlundandereninderSlowakeiundinBöh menihrefürDeutschlandbestimmtenProduktemit‘MadeinRussia’ zeichnen.DiesgeschiehtaufAnordnungausBerlinundsolldendeut schenKäufernzeigen,wieviel‘Hilfe’dieSowjetsbereitsleisten. Ein Beamter der Wilhelmstraße berichtete mir heute, daß die Deut schenZwangsarbeitfüralleJuden[imAltervon14bis60Jahren]in Polenangeordnethaben.Ermeinte,diesgelte‘nurfürzweiJahre’.“ Mo15.01.:BVJPGFMGöringerläßtdieVOüberdieSicherstellung desVermögensdesehemaligenpolnischenStaates. Di16.01.: GenBev/RglgBauWi Fritz Todt verordnet für das Reich: „Bauvorhaben, die auf der Baustelle noch nicht in Angriff 172

genommen sind, dürfen grundsätzlich nicht mehr begonnen werden.“ DerAngriffsbefehlfürden17.01.wirdwegenderAlarmbereitschaft derbelgischenundniederländischenStreitkräfteaufdasFrühjahrver schoben. Do18.01.: WilliamShirer,Amsterdam,Tgb.v.18.01.: „DieHolländerlebennochihrgutesLeben...Undsiesindblindach soblindgegenüberdenGefahren,dieaufsiezukommen...IhreKö nigin,sosagensie,verweigertstarrköpfigdieZustimmungzuGesprä chenmitdenAlliierten,jasogarmitdenBelgiern.InderZwischen zeit,daskonnteichbeobachten,ziehendieDeutschenihreTruppen undAusrüstungenanderholländischenGrenzezusammen... Ed[Murrow]einwenigalarmierendmitseinenBerichtenvomDurch einander in Großbritannien und vom dort herrschenden bequemen Glauben,dieAlliiertenwürdendenKriegohnegrößereVerlusteund Kämpfealleindadurchgewinnen,daßsiedieBlockadestriktdurchhal tenundaufdenZusammenbruchDeutschlandswarten.“ Sa20.01.: ej.:Der„Film“sprachmitVeitHarlan/JudSüßundseinSchicksalim Film, Der Film v.20.01.: Harlan teilt mit, daß nun er (statt Brauer) Jud Süß drehen wird, und daß der (ursprünglich auf November, dann Dezember, dann Januar gelegte)DrehbeginnMitteFebruarseinwerde.Harlanerzählt,daßer nachPolenreiste,„woerindenGhettoseinigerStädteseineStudien machte“. Harlan: „Der Film hält sich auch bei der Verurteilung des JudSüßgenauandieGeschichte.DieseVerurteilunghattebekannt lichihreSchwierigkeiten,dennSüßOppenheimerwarselbstJuristund hatte alle seine Geschäfte, mit denen er das Volk an den Bettelstab brachte,sogeschicktundverzwicktangelegt,daßmanzunächstkeine rechtliche Handhabe gegen ihn hatte. Schließlich wurde er auf Grund eines uralten Gesetzes verurteilt, das besagt: ‘So ein Jude sich mit einer Christin vermenget, ist er des Todes schuldig.’ Wir sehen hier eine interessante Parallele zu den Nürnberger Gesetzen. Tatsächlich wurde Süß bereits vor 200 Jahren wegen 173

Rassenschande zum Tode verurteilt.“ ...e.j.:„JudSüß“ist„zuden größtenFilmvorhabendiesesJahresinDeutschlandzuzählen“.Har lan: „Im Mittelpunkt des Films wird eine Schilderung des Purim Festes[beimDreheninSabbatFeiergeändert,weilHipplers‘Ewiger Jude’diesbehandelnsollte]stehen,einesSiegesfestes,dasvondenJu den als das Fest der Rache an den Gojims, den Christen, ausgelegt wird. Hier zeige ich das Urjudentum, wie es damals warundwiees sichheutenochganzreinindemeinstigenPolenerhaltenhat.ImGe gensatzzudiesemUrjudentumstehtnunderJudSüß,dereleganteFi nanzberater[!]desHofes,derschlauePolitiker,kurz:dergetarnteJu de.“ Die Besetzung der Hauptrolle [Ferdinand Marian] steht vier Wochen vor Drehbeginn noch nicht fest. Werner Krauß hat sich aberschonbereiterklärt,(gegeneinPauschalhonorarvon50000RM) fünf Judenrollen zu übernehmen. Harlan: „Es ist aber keineswegs meineAbsicht,hiernuneineBravourleistungeinesgroßenSchauspie lers aufzuzeigen; vielmehr hat diese Besetzung, die übrigens von Kraußselbstvorgeschlagenwurde,einentieferenSinn.Essollgezeigt werden,wiedieseverschiedenartigenTemperamenteundCharaktere, der gläubiges Patriarch, der gerissene Betrüger, der schachernde Kaufmannusw.letztenEndes aus einer Wurzel kommen.“ Mo22.01.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.22.01.: „GesternbekamicheinenEindruckdavon,wiesehrderstrengeWin ter und die Anforderungen des Heeres den deutschen Verkehr, zu mindestdenderEisenbahn,lahmlegen.AufdemRückwegvonAms terdam... Solche Unmutsäußerungen von Deutschen wie auf dieser Fahrthabeichnochnichtgehört,seitderKriegbegann.“(S266267) Di23.01.:JudenwirddieReichskleiderkarteverweigert. Mi24.01.: Die Reichszentrale für jüdische Auswanderung wird dem RSHAunterstellt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.24.01.: „Ichglaube,PercivalW.,einpensionierteramerikanischerGeschäfts manndeutscherAbstammung...hatmiretwasklargemacht...Eindeut scher Freund hatte zu ihm gesagt: ‘Ist es nicht schrecklich, was die 174

FinnengegenüberRußlandtun?Esistwirklichschlimm.’AlsMrW. protestierendeinwandte,daßdochdieFinnenschließlichnurtun,was manvonallenanständigenDeutschenindergleichenLageerwarten würdenämlichihreFreiheitundUnabhängigkeitgegeneinevorsätz licheAggressionzuverteidigen,gabseinFreundzurück:‘AberRuß landistDeutschlandsFreund... Das erklärt wahrscheinlich den völligen Mangel an Aufmerksamkeit odergarSympathieseitensderDeutschenfürdieschlimmeLageder PolenoderderTschechen.WasdieDeutschendiesenVölkernantun zuvörderstsiehinmorden,istrichtig,weilDeutscheestun,undweil dieOpferausdeutscherSichteineniedereRassesind,habensiealles gutzuheißen,wasdieDeutschenihnenantun.WieesDr.Leyausge drückthat:‘Rechtist,wasderFührertut.’AlldasbestätigteineEin stellung,dieichschonvorJahrenhatte:daßnämlichdiedeutscheAuf fassungvon‘Ehre’,überdiediesesVolkunaufhörlichredet,Unsinn ist.“ MrW...sagt,diegegenwärtigenRationierungenundEinschränkungen sindetwadiegleichen,wiesieDeutschland[erst]im3.Jahrdes[Ers ten]Weltkriegserlebthat.Eristsichsicher,daßessowiejetztnicht weitergehen kann, mit absoluter Ruhe an der Front und nichts wie NotimLandeselbst...‘WasdieDeutschenjetztbrauchen’,sagteer..., ‘isteineReiherascherSiege.’ JoeHarschtauchtegesternauf.Ererzählte,inseinerWohnungseies so kalt, daß er zum Schreiben seiner Meldungen eine Schüssel mit warmemWasser(aufdemKüchenofenerhitzt)benötigt.Alle5Minu tenmußerseineFingerhineintauchen,damiterdierichtigenBuch stabenaufderSchreibmaschinetrifft.HeutehatderBürgermeisterder Bevölkerung untersagt, Gas zum Heizen der Wohnungen oder zur Warmwasserbereitung zu verwenden. Warmes Wasser, selbst wenn man noch Kohlen besitzt, darf nur am Samstag bereitet werden. So lasseichmirnuneinenneuenBartwachsen.“ Do25.01.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.25.01.: „Allein bei Habel zu Abend gegessen... Ich wollte gerade gehen, als sicheinweißhaarigerAlteranmeinenTischsetzte.DaihmdieFett 175

marken für das bestellte Essen fehlten, bot ichihmwelchevonmir an...“ Fr26.01.: ZDv.26.01.,AnweisungNr.1705: IndenBerichtenüber Jud Süß darfdie„Tatsache,daß120Judenaus denGhettosdesehemaligenPolennachDeutschlandgeholtworden sind, um als Statisten in... Jud Süß mitzuwirken“,nichterwähntwer den. Sa27.01.: Auf Befehl von FRK Hitler macht sich ChOKW Keitel an die Ausarbeitung der Studie „N“ (Norwegen), der Überfall auf Dänemark und Norwegen bekommt den Codenamen „We- ser-Übung“. Presse und Rundfunk geben bekannt: GenGouv Frank ordnet die Todesstrafe gegen Polen an, die Waren horten oder diese nicht zu „angemessenen“ Preisen verkaufen. Ein deutsches Ge- richt hat 8 Polen wegen der „Mißhandlung deutscher Flieger“ zum Tode verurteilt. Etwa 135000 Deutsche aus dem sowjetisch- besetzten Ostpolen und 100000 Deutsche aus den baltischen Staaten sind in den von Deutschland annektierten Teil Polens („eingegliederte Ostgebiete“) umgesiedelt worden. Im Gegen- zug werden dort Polen aus ihren Häusern und Bauernhöfen ver- trieben und in das Generalgouvernement verbracht. AnderWestfrontsetzendieDeutschenMaschinengewehrfeuergegen französische Lautsprecher ein. Die Franzosen spielten Schallplatten mitBeleidigungengegendenFührerab,heißtesbeiDNB.InWahr heit spielen die Franzosen HitlerReden mit Tiraden gegen Bolsche wismusunddieSowjetsab.AnsonstengibteskeineKampfhandlun gen. MitderHerausgabeeinerTaschenbuchausgabevon Mein Kampf fürdie SoldatenhatdessenGesamtauflage5,95MioExemplareerreicht. So28.01.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.28.01.: „AndiesemSabbatinBerlinfielesschwer,zuglauben,daßeingroßer Krieg im Gange ist. Straßen und Parks sind mit tiefem Schnee be 176

deckt, und imTiergartenliefenamNachmittagTausendeMenschen Schlittschuh auf den Teichen und Kanälen. HunderteKinderhatten ihreSchlittenmitgebrachtundrodelten.“ Mo29.01.:DerReichsgauPosenwirdin„Wartheland“umbenannt. Di30.01.: FRK Hitler beschließt die „Umsiedlung“ der Juden in die Gettos des Generalgouvernements. Auch die 30000 Zigeuner im Reich sollen ins GenGouv umgesiedelt werden. ChSipoSD Heydrich gibt diese Beschlüsse bei einer SS-Führerkonferenz bekannt. Abend.FRKHitlerhälteineRedeimBerlinerSportpalast. Sa03.02.:AuchfürBabyswerdenKleiderkarteneingeführt. So04.02.: HitlerAdjutant Schmundt bespricht anlässlich von Kriegs planungeninKoblenzmitdenGenerälenMansteinundRundstedtdie ProblemedesAngriffsplansfürdieWestoffensive.Schmundtistvon den Überlegungen zu einem Sichelschnitt auf der Linie Sedan Abbévilleangetan. WilliamShirer,ZugMünchenLausanne,Tgb.v.04.02.: „KürzlicherhieltdieMuttereinesdeutschenFliegersvonderLuftwaf fe die Nachricht, daß ihr Sohn vermißt sei und sie mit seinem Tod rechnenmüsse.EinigeTagedanachmeldetedieBBC,diewöchentlich dieNamenslistedergefangengenommenenDeutschenverliest,seinen Namen unter den Gefangenen. Am folgenden Tag erhielt die Frau acht[?]BriefevonFreundenundBekannten,dieihrsämtlichmitteil ten,siehättenamRadiogehört,daßderSohnamLebenundalsGe fangenerinEnglandsichersei...DieMutterdenunziertealleacht[? vielleichteineSDGreuelgeschichte?!]beiderPolizeiwegenAbhörens englischerSender,undsiewurdenverhaftet... Die Eltern eines UBootOffiziers erhielten die offizielle Mitteilung vomTodihresSohnes.DasBootwarlangeüberfälligundschließlich vonderdeutschenAdmiralitätaufgegebenworden.DieElternbereite teneinekirchlicheTotenfeiervor.AmMorgendesTrauergottesdiens tes... trafen... Freunde und Bekannte ein. Sie alle hatten in der BBC gehört,daßderSohnmitdergesamtenBesatzungdesUBootsgefan 177

gengenommenwordenwarundlebte.AberwiedieTrauerfeierabsa gen,ohnedaßdieBehördenerfuhren,daßimBekanntenkreisderFa milie ausländische Sender gehört wurden? Wenn die Eltern es nicht meldeten,würdensievielleichtselbstverhaftetwerden.Manhieltei nenFamilienratabundbeschloß,dieFeierstattfindenzulassen.Als sie vorüber war, versammelte sich die Trauergemeinde im Haus der Eltern;werdieWahrheitnochnichtkannte,erfuhrsienun,undalle feiertenmitChampagner.“ Mo05.02.:DerWeMSonderstab„WeserÜbung“tagtüberdenÜber fallaufNorwegen,wirdabervonGöringsLuftwaffeboykottiert. Sa10.02.:GesRFhr.vonBibraverlangtbeiderSchweizerRg.inBern dasVerbotdesgeradeimZüricherEuropaVerlagerschienenenBu ches von Hermann Rauschning: Gespräche mit Hitler . Darin legt der frühereDanzigerSenPrundNs.Rauschningdiemaßlosenexpansio nistischenundrassenideologischenZieleHitlersunverblümtdar. So11.02.: Deutschland und die UdSSR schließen in Moskau ein Wirtschaftsabkommen: es sichert Deutschland umfangreiche Lieferungen von Erdöl, Edelmetall und Getreide und macht die britische Blockade weitgehend wirkungslos. Die UdSSR hat Deutschland für dieses Jahr zugesagt: 1 Mio t Futtergetreide, ½ Mio t Ölfrüchte, ½ Mio t Sojabohnen, 900000 t Erdöl, 150000 t Baumwolle, Leder und Felle im Wert von 3 Mio Goldmark. Un- ter strenger Geheimhaltung bekommen die Sowjets von den Deutschen als Gegenleistung den Kreuzer Lützow , die Pläne für das Schlachtschiff Bismarck , schwere Seekanonen und 30 Flug- zeuge, darunter die neuesten Kampfflugzeuge Me-109, Me-110 und den Sturzkampfbomber Ju-88, ferner Maschinen für die Öl- und die Elektroindustrie, Lokomotiven, Turbinen, Generatoren, Dieselmaschinen, Schiffe, Werkzeugmaschinen und Muster von Artillerie, Panzern, Sprengstoffen und Ausrüstung für chemische Kriegführung.

Mo12.02.: Beginn der ersten Deportation (bis Di13.02.) von Ju- den aus dem Reich (160 aus Schneidemühl, 1000 aus Stettin, 200 178

aus Stralsund) ins Generalgouvernement – mit der Bahn über Warschau nach Lublin. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.13./12.02.: „DergemeinstePropagandistaufderGegenseiteistRauschning.Sein Buch‚GesprächemitHitler’istaußerordentlichgeschicktgeschrieben undstelltfürunseineRiesengefahrdar.Ichlassedagegenarbeiten.“ Mitte Februar beginnen die Dreharbeiten zu „Jud Süß“. Sie werden 120Drehtagedauern,alsobisEndeJuni/AnfangJuli. Fr16.02.: Die Schweizer Rg. verbietet auf Verlangen der deut- schen RRg (s. 10.02.) das Buch von Hermann Rauschning: Ge- spräche mit Hitler . Sa17.02.: Auf Vermittlung von HitlerAdjutant Schmundt unterhält sichFRKHitlermitGeneralvonMansteinüberdiestrategischePla nungderWestoffensive. So18.02.: Bei einem Gespräch FRK Hitlers mit der OKHFührung werdendiePlänefürdieWestoffensiveentsprechenddenVorschlägen Mansteinsgeändert. Do22.02.:AmRheinfrontabschnittGreffernkommtesinderNacht zuheutezueinemFeuerwechselzwischenFranzosenundDeutschen. EindeutscherSoldatwirddurcheineSchußwundeamKopfschwer verletzt. HptErnstJünger,SchilfhüttebeiGreffern,Tgb.v.22.02.: „Gestern,inderNachtvorderAblösung,lagdasersteFeueraufdem Abschnitt.IchhörteimHalbschlafzunächstvereinzelteSchüsseund Feuerstöße,diemirverdächtignaherschienen,erfuhrdannaberauf AnrufbeidenZugführern,daßessichumStörfeuerimGreffernbo genhandelte. Gleich darauf meldete mir der Führer des großen Werkes ‘Elefant’, daßerbeschossenwerde,undbatumFeuererleubnis,dieicherteilte undauf100Schußfestsetzte.DamitgingdasKonzertimganzenAb schnittlos,dasicherstträumendunddannimmerwacherverfolgte, bisesmiranderZeitschien,ausdemPyjamazuschlüpfenundvom 179

warmenLageraufzustehen.Kaumwarichangezogen,alsdasTelefon vonneuemklingelteundvomlinkenZugegemeldetwurde,daßder SchützeWalterimStand3adurchKopfschußverwundetsei. Eilig machte ich mich mit dem Kompanietruppführer und einem KrankenträgeraufdenWeg.DieNachtwarmondhellunddieweithin überschwemmte Niederung mit weißem, gangbaren Eis überfroren, dashellimLichtelag.VornamHochwasserdammsahichdieMün dungsfeuerderWerkeflackernundhörteauchvondrübendenschar fenAbschußknall.Vorallemerstauntemich,daßeineGarbevonganz rechtsdenDammflankierteundmitLeuchtspurbahneninderNähe des[deutschen]Werkes‘Alkazar’niederging.Ichsahdaraus,daßdie FranzosendenAbschnittsehrgutstudierthatten... ImZugbunker‘Limburg’trafichdenVerletzten,derschonverbunden war,aufeinerPritscheliegendan.DerVerbandwardurchgeschlagen undderFeldrockblutüberschwemmt.VomArmzogsicheinzweiter BlutstrombiszudenStiefelnhin.Solager,wieausderFärberrötege zogen,alsSchreckensbild,stillandieWandgekehrt.Ichließihnnicht stören,bisderKrankenwagenkam.AmMorgenhörteichdannvon demArzt,derihnverbundenhatte,daßAussichtaufHeilungist.Der großeBlutverlustkamdaher,daßdieTemporalisdurchschlagenwar. IchließdieStelle,vonderausderSchutzeverwundetwordenwar,mit FeuerbelegenundgingdanndieWerkeab,indenenichdieMann schaftrechtbravanihrenWaffensitzensah.“ Fr23.02.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.23.02.: „Unangenehme Erfahrungen gestern an der Schweizer Grenze: die Eidgenossen nahmen mir sämtliche Lebensmittel weg Schokolade, Konserven,KaffeeundeineFlascheWhisky,dieWinantmirmitgege benhatte.IchkannihreHaltungverstehen.Siesindvonderübrigen Weltabgeschnittenundmöchtenbehalten,wassiehaben,stattesin dieHändederDeutschenfallenzulassen... HierbeiderAnkunftheutemorgen(Freitag)mußteichzurKenntnis nehmen, daß ‘fleischloser Tag’ ist. Das Essen ist scheußlich. Auf GrundderKältekeinFisch.SelbstimAdlonkonnteichlediglichKar toffelnundeinpaaraufgewärmteGemüsekonservenbekommen,und meineFreundemeinten,dahätteichschonGlückgehabt,dennmeh 180

rereTagelanggabesnichteinmalKartoffeln,derstrengeFrosthat die Belieferung der Stadt lahmgelegt... Nach dem schlimmen Winter istzwarihre[derDeutschen]Moraletwasgesunken,dochsiescheinen unverändert in ihrer kälbergleichen Haltung zu verharren. Es ist schwerzusagen,wassienochallesaushaltenwerden,eheeineGrenze erreichtist. VielGemunkelhierüberdieFrühjahrsoffensive.Aberwo?“ Sa24.02.:DieWeisungdesOKHfürdieWestoffensivewirdmitdem AngriffsschwerpunktanderMaasnördlichNamurundbeiSedange ändert. FrankMaraun:Vorbericht Der ewige Jude , Der Film v.24.02.: „WerhierOchsenundKühemitaufgeschnittenerKehle,langsamihr Blut verströmend, minutenlang am Boden sich winden und in Zu ckungen das Haupt emporwerfen sieht, wer sie im Todeskampf schreien,stöhnen,brüllenhört,derweißeinfürallemal,waservon dembauernfängerischenBluffjenerwissenschaftlichenGutachtenzu haltenhat.DieseSchächtszenensindfürZuschauer,FrauwieMann, eine harte Nervenprobe. Siesindesbesondersfürdentierliebenden germanischenMenschen.Aberesistnotwendig,dieseOrgiederTier quälerei zu zeigen, weil sie typisch ist für die Artung der jüdischen Rassenseele.“ So25.02.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.25.02.: „X.erzähltemirheuteeinephantastischeGeschichte.Erbehauptet,es seienPläneimGange,SSSturmtruppen,indenLaderäumenzahlrei cherFrachterversteckt,nachHäfeninSkandinavien,BelgienundAf rikazutransportierenunddanndieStädteeinzunehmen.Dasverstehe ichnicht.SelbstwennsieindieHäfengelangen,waszweifelhaftist, wiesolltensiediesehaltenkönnen?Ichvermute,dieganzeGeschichte isteinSchwindel,unddieNazismöchtengern,daßwirsiealsTeilih resNervenkriegsverbreiten.DenGefallenwerdeichihnennichttun.“ Mo26.02.: FRK Hitler erörtert mit der WeMFührung, ob zuerst im WestenoderimNordenangegriffenwerdensoll. 181

Di27.02.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.27.02.: „Sie [Marvin Breckinridge] besuchte eine der neun Nazi Bräuteschulen,wodieFrauenbzw.künftigenFrauenvonSSMännern zuguten‘Hausfrauen’undfruchtbarenErzeugerinnenvonKanonen futterfürdennächstenKriegerzogenwerden.Manbringtihnenauch bei,wiedieNazizeitungenzulesensindunddasRadiozuhörenist. Im Schlafraum der Mädchen fand Marvin ganze zwei Bücher, Der Glaube an den nordischen Staat und Männer ... DieeingeschränktenMöglichkeitendesWäschewaschensnachderRa tionierungvonSeifenzwingenimmermehrBüroangestelltezumTra gen von Papierkragen. Diese kosten 50 Pf, werden zwei Tage lang beidseitigangezogenunddannweggeworfen... WegendesKohlemangelssindvieleöffentlicheGebäudeklammheim lichgeschlossenworden,darunterdasIngenieurtechnischeInstitutder Universität,dieStaatsbibliothekunddiemeistenSchulen.DieKirchen dürfenbisaufweiteresnichtgeheiztwerden.AlsMarvinkürzlicheine älteredeutscheDamebesuchte,trugdiesezweiPullover,einenPelz mantel und Überschuhe. Die Temparatur in ihrem Salon betrug 7° Celsius... Auf dem amerikanischen Konsulat fand Marvin eine Warteliste von 248000Menschenvor,dienachAmerikaauswandernwollen.Diege genwärtige Quote für die Einwanderung beläuft sich indes nur auf 27000.99Prozent[wohletwasüberhöht?]derWartendensindJuden, dasistdieHälfte[eswäredieGesamtheit]dernochinDeutschland lebendenjüdischenBevölkerung.“ Mi28.02.:AufVorschlagvonChWeMFStJodlwerdendieAngriffeim NordenundWestenunabhängigvoneinandergeplant. Do29.02.: ImFebruarundMärzerörtertdersechsköpfigeRVertRunterVorsitz vonBVJPGöringdieFrage,wiedasAufkommeneinespolnischen

WiderstandesvonBeginnanunterdrücktwerdenkann.DerRVertR 182

bevollmächtigtGenGouvFrank,nachSammlungderentsprechenden

InformationenundbeigünstigerGelegenheitineinemZugedurchei neumfassendeMordaktiondiefüreineneventuellenWiderstandin

FragekommendenAngehörigenderpolnischenIntelligenz(Lehrer,

Priesterusw.)auszurotten(„AußerordentlicheBefriedungsaktion“,

ABAktion;s.16.05.).

Fr01.03.: FRK Hitler unterzeichnet die Weisung für das „Unter- nehmen Weser-Übung“, den Überfall auf Dänemark und Nor- wegen. RAMRibbentropundStSvonWeizsäckerempfangendennachBerlin gekommenen stv. USAM Sumner Welles, der auch andere europäi scheHauptstädtebesucht. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.01.03.: „HeutefrühistSumnerWellesinderStadtangekommen...Manmun kelt in der Stadt, die Nazis würden ihn hereinlegen und einen Frie densvorschlagmachen,dersichgut anhört .Möglich,abernichtwahr scheinlich. Denn die Offensive scheint unmittelbar bevorzustehen. Jeden Tag fahrenTruppentransportedurchdieStadt,inRichtungWesten.Viele Männersindkürzlicheingezogenworden.AlleLuftschutzwartehaben dieAnweisungerhalten,ab15.Märzunbedingteinsatzbereitzusein. Manhörtwissen kannmanhierniemalsvongroßenTruppenkon zentrationen nahe Holland. Nach dem, was ich dort gesehen habe, werdendieNiederlandeeineleichteBeutefürdieDeutschensein.Ihre Armeeisterbärmlich.UndihreberühmteWasserverteidigungslinieist von zweifelhaftem Wert. Die Schweiz dürfte schwerer zu knacken sein,undichbezweifle,obdieDeutschendasversuchenwerden. NachdemLunchempfingunsWellesinderBotschaft...Ausdemwe nigen,dasdannfolgte,entnahmich,daßeraneinemTreffenmitGö 183

ring interessiert ist. Denkt er amEnde,GöringkönnteFührereiner konservativenRg.werden?“ Sa02.03.: FRK Hitler empfängt in der Reichskanzlei den stv. US- AM Sumner Welles, der in Sachen Frieden sondiert. Hitler er- klärt jedoch, es gebe derzeit keine Chance für einen Verhand- lungsfrieden: 1. Der Krieg müsse bis zum Ende ausgefochten werden, Deutschland sei sich des Sieges gewiß. 2. Deutschland müsse freie Hand erhalten bei der Sicherung von „Lebensraum “ in Osteuropa, es werde die Tschechoslowakei, Polen und Öster- reich niemals zurückgeben. 3. Großbritannien müsse seine Vor- herrschaft auf den Meeren aufgeben , seine Marine abrüsten und seine Stützpunkte Gibraltar, Malta und Singapur auflösen. So03.03.: FRK Hitler drängt die WeM zu einem schnellen Vor- gehen gegen Dänemark und Norwegen. Dies müsse mit einem Abstand von wenigen Tagen vor dem Überfall im Westen ge- schehen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.03.03.: „Ichbezweifle,obsolchgroßsprecherischesGehabe[Hitlers]Welles beeindruckthat,denichalsziemlichenZynikereinschätze...MeineIn formantenberichten,daßHitlerdieserTageinzuversichtlicherStim mungistundglaubt,erkönnedenKriegdirektundraschgewinnen. DienaiveHoffnungderDeutschenberührtmich,daßWelles’Besuch denWegzumFriedenhätteebnenkönnen.MehrereBesucherschau tenheutebeimirhereinunderkundigtensich,obdenn‘WellesGlück gehabthat’.“ Mo04.03.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.04.03.: „DietäglicheSendungabends18.45UhrNewYorkerZeitbedeutet, daßichhier0.45UhrdesfolgendenMorgensspreche.WennichBen zinfürmeinAutobekäme,könnteichin12MinutenzumStudiofah ren.DadiesnichtderFallist,laufeichzunächst10Minutendievöllig verdunkelte Wilhelmstraße hinab zur UBahn [Station Wilhelmplatz, heute Mohrenstraße]. Kaum eine Nacht vergeht, da ich nicht gegen einenLaternenpfahl,einenHydrantenodereinevorstehendeTreppe 184

renneoderderLängenachineinenSchneehaufenstürze.Endlichsi cherinderUBahn,habeicheinehalbstündigeFahrtzumFunkhaus vormir.DadiehalbeStreckeoberirdischverläuft,istderZugfür15 MinuteninabsoluteFinsternisgetaucht...Endlichangekommen,gehe ichinmeinBüroundschreibemeinManuskript...EinehalbeStunde vorderSendungmußmeinManuskriptindenHändenderZensoren sein.EsfolgteinhalbstündigerKampfmitihnen...mußichdanach, umStudioundMikrofonzuerreichen,durchwindigeFluredesFunk hauses rasen, viele Treppen hinab. Dann geht es über einen stock dunklen Hof... Im Verlauf dieser Hofüberquerung muß ich mindes tensdreiSSWachenmitStahlhelmenpassieren,dieichinderDun kelheitnichtsehenkann,vondenenichaberweiß,daßsieentsicherte automatischeGewehretragenundBefehlhaben,jedenzuerschießen, der auf ihren Anruf nicht sofort stehenbleibt. Sie müssen meinen Ausweissehen...“ Di05.03.:BeieinerBesprechungderdreiOBderTeilstreitkräfteüber dieKriegsplanungimNordenundWestengerätOBLGöringinRage, weilerüberdasVorziehendesUnternehmensWeserÜbungnichtin formiertwar. Fr08.03.: Ein Gesetz verpflichtet jedermann, der Altmetall oder Schrottbesitzt,zurAbgabedieserGüterandenStaat. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.03.: „In Diplomatenkreisen munkelt man über ein geheimes Friedensge sprächinStockholmzurBeendigungdesrussischfinnischenKrieges... MangelanEisenkönnteDeutschlanddenKriegverlierenlassen.“ So10.03.(Heldengedenktag):DieNSMachthaberrufendieDeutschen auf, nicht zu sehr der Toten des [Ersten] Weltkriegs zu gedenken, sondernmehrderjenigen,dieindiesemKrieggefallensindundnoch fallenwerden.DerLeitartikelim Berliner Lokalanzeiger verkündet:„Dies istnichtdieZeit,umsentimentalzusein.DasSchicksaldeseinzelnen ist jetzt unbedeutend. Niemand fragt nach dem Warum, wenn einer fälltoderverletztist.“GenvonRundstedt,einerderKommandieren dendesPolenFeldzugs,schreibtim VB unterderSchlagzeile„ Vor- 185

wärts über Gräber “:„Heldengedenktag1940Gewißgedenkenwir mitgroßemErnstderToten,dochwirtrauernnicht.“ FRKHitlerhältimHofdesZeughauseseineRede:DasEndedesjet zigenKriegeswerdeDeutschlanddengrößtenmilitärischenTriumph seinerGeschichtebringen. RAMRibbentropreistnachRomzuGesprächenmitMussoliniund PapstPiusXII. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.10.03.: „WenndieDeutschennachdemWarum[desKrieges]fragenwürden, dannwäredieBlüteihrerJugendnichtfürimmerdazuverdammt,auf dem Schlachtfeld geopfert zu werden... Seine [Hitlers] Stimme war voller Haß; wenigstens am Heldengedenktag hätte man von ihm er wartet,daßerihnunterdrückenwürde.KenntderMannkeinanderes Gefühl?... MansprichtvoneinemneuenKonkordat.SeitWochenerstattetMgr Cesare Orsenigo, der päpstliche Nuntius, der Wilhelmstraße [AA] heimliche Besuche ab. Das letzte Konkordat wird von Deutschland nichteingehaltenunddieKirchedrangsaliert,wannimmeresgerade rechtkommt.AbereinneuesDokumentwirdmansicherunterzeich nen.EsbedeutetPrestigefürHitler,daheimwieimAusland. AlleDeutschen,mitdenenichsprach,befürchten,daßdiesenMonat dieHöllelosbrechenwird.“ Mo11.03.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.03.: „HeuteeinGesprächmitGenvonSchell,einemZauberer,derfürÖl undAutomobilezuständigist.Ersagte,daßerübergenügendÖlfür einenKriegvonzehnJahrenverfüge.UndseineFabrikenwürdennur noch20TypenvonLkwherstellen,imGegensatzzu120imletzten Jahr. ... Die 17 und 18jährigen erhalten [in der HJ] eine vormilitärische Ausbildung.“ Di12.03.: Später Abend. Friede von Moskau zwischen der UdSSR und Finnland: Finnland tritt die karelische Landenge und Teile Ostkareliens ab und verpachtet Hangö an die UdSSR, die auch 186

Transitrechte im Petsamogebiet erhält. Finnland verliert seine wichtigsten Befestigungsanlagen. Mi13.03.:Abend.DerInderMohammedSinghAzaderschießtbeiei nem Attentat in London den ehemaligen britischen GenGouv von Pandschab,SirMichaelO’Dwyer,der1919beimMassakervonAmrit sar1500Inderniederschießenließ. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.13.03.: „FürFinnlandistdaseinsehrharterFrieden...Berlindagegenistent zückt...: 1. Der Frieden entlastet Rußland von den Aufwendungen für den Krieg,sodaßesjetztinderLageseinkönnte,demReicheinigeder dringendbenötigtenRohstoffezuliefern. 2.ErenthebtDeutschlandderGefahr,Krieganeinerlangennördli chenFrontführenzumüssen,dienurüberdasMeerzuversorgenwä reunddiemilitärischenKräftegeteilthätte,diejetztfürdenentschei dendenSchlagimWestenkonzentriertsind,derjedenTagbeginnen kann. Ichglaube,NorwegenundSchwedenwerdenamEndefürihreWei gerung, alliierte Truppen zur Unterstützung Finnlands passieren zu lassen,zahlenmüssen...Fhr.vonStummvomAAberichtetemirheu te, Hitler habe sowohl Oslo als auch Stockholm angekündigt, Deutschlandwerdesoforteinmarschieren,wenndieAlliiertenSkandi navien betreten, und ihnen den Weg abschneiden. Das Problem ist, daß100JahreFriedendieSkandinaviersanftgemachthabenunddaß sie heute Vertreter des ‘Friedens um jeden Preis’ sind... Allein der schwedischeAMSandlerscheintdieLagerichtigeingeschätztzuha ben,worauferzumRücktrittgezwungenwurde. FinnlandistnunvonderGnadeRußlandsabhängig...dadieFinnen ihresämtlichenBefestigungenaufgebenmüssen... MitdemFriedeninFinnlandverstärkensichhierdieRedenvonder deutschenOffensive.X.,einDeutscher,erzähltmir,eswerdefurcht barsein,Giftgas,Bakterienusw.WiealleDeutschenglaubter,daßdie großeGrausamkeitdesAngriffszueinemraschenSiegseinesLandes führenwerdeersollteeseigentlichbesserwissen.Eskommtihmgar nichtindenSinn,daßderGegnergleichfallsüberGiftgas,Bakterien usw.verfügt.“ 187

Do14.03.:OBMGrAdmErichRaederäußertBedenken,obderÜber fall im Westen nicht doch vorgezogen werden solle, da sonst eine schnelleLandungderBriteninNarvikdrohe. BVJP Göring ordnet an, daß jedermann sämtliche Gegenstände aus Kupfer, Bronze, Messing, Zinn, Blei und Nickel beim Staatabzulie fernhat. PresseundRundfunkberichten:ZweiDeutschenwerdenwegen„Ver letzungderBelangedesVolkes“enthauptet,eindritterdeswegenan geklagt. DiedeutschePropagandanutztdasgestrigeLondonerAttentatgegen O’Dwyer. Die Nachtausgabe titelt: „ Die Tat eines indischen Frei- heitskämpfers - Schüsse gegen den Unterdrücker “. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.14.03.: „[ZurO’DwyerBericherstattung:]UnddasvondenDeutschen,diein BöhmenundPolenMassenmordeverüben...HeutemußteichimAd lon1$bezahlenfüreinTellerchengedünsteteMöhren... ...WiekannDeutschlandeinenlangenKriegdurchstehenangesichts derartiger Mängel? 1938 wurden aus dem Ausland nahezu 1 Mio t Kupfer,200000tBlei,18000tZinnund4000tNickeleingeführt.“ Fr15.03.:Dertschechische„Präs.“EmilHachaschicktzumeinjähri genBestehendesReichsprotektoratsein„Glückwunsch“Telegramm an FRK Hitler und wünscht ihm einen Sieg indiesemKrieg.RProt vonNeurathdanktHitlertelegrafischfürseine„historischeTat“und beteuert die „unverbrüchliche Loyalität von Böhmen und Mähren“. NeurathsagtineinemInterviewmitderdeutschenPresse:DieTsche chen sind mit ihrem Los zufrieden, mit Ausnahme „einiger weniger IntellektuellerundjenerunruhestiftendenElemente,dieineinerWeise zurRäsongebrachtwordensind,derenSchärfewohlunmißverständ lichwar“.HitlerantwortetHacha,ersei„tiefbewegt“:„Deutschland hatnichtdieAbsicht,dienationaleExistenzderTschechenzubedro hen.“ ZarahLeanderfeiertihren33.Geburtstag,erstmalsinderMaxEyth Straße12A. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.15.03.: 188

„HitlersZynismus[gegenüberdenTschechen]istnichtzuüberbieten, doch Millionen von Deutschen glauben, daß der heutige Tele grammaustauschvollständigernstgemeintist... MeinguterFreundZ.,MarinekapitänimOKM,wardieganzeWoche nichtinUniformzusehen.Heuteerzählteermir,warum.‘Ichhabe keine weißen Hemden mehr. Seit acht Wochen bekomme ich keine Wäschemehrgewaschen.IchhabeauchkeineSeife,umdieHemden selbstzuwaschen,esgehtmirwiederWäscherei.Ichhabenurnur nochbunteHemden.AlsotrageichZivilkleidung.’“ So17.03.(Palmso.): FRK Hitler ernennt GenInspDtStrwsn Fritz Todt zum RM für Bewaffnung und Munition (RMBM - Pariser Platz 3): Aufbau einer neuen Rüstungsorganisation im engen Einvernehmen mit der Wirtschaft. Das OKW teilt mit, die Luftwaffe habe vergangene Nacht in Scapa Flow drei britische Schlachtschiffe getroffen und schwer beschädigt, zudem die Luftstützpunkte Stromness und Kirkwall angegriffen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.17.03.: „ZumerstenmalindiesemhalbherzigenKrieghateineSeitemitvoller AbsichtBombenüberdemLandderanderenabgeworfen...Redakteur [Rudolf]Kirchervonder Frankfurter Zeitung versuchtinderheutigen MorgenausgabeeineFragezubeantworten,dieneutraleMilitärbeob achterschonlangeZeitbewegt.WarumhabendieDeutschenihrean erkannteLuftüberlegenheitgegenüberdenAlliiertennichtausgenutzt? Warumwartensieab,währenddieAlliiertenmitamerikanischerHilfe aufrüsten?KirchersAntwortlautet:DieAlliiertenhabenDeutschlands relative Luftüberlegenheit nicht aufholen können, sieseivielmehrin denletztensiebenMonatenbedeutendangewachsen. EndlichkündigtsichderFrühlingan...nachdemschlimmstenWinter, an den sie [die Deutschen] sich erinnern können. In den meisten Wohnungen gab es heute aus unerklärlichen Gründen kein warmes Wasser. Verschiedene Freunde erschienen daher bei mir [im Hotel Adlon],umeinBadzunehmen.“ Mo18.03.:Morgen.FRKHitlerundMussolinikonferierenamBrenner zweieinhalbStundenlang. 189

Abend.DasAAgibtbekannt,MussolinihabeHitlersVorschlageines Dreierpakts DeutschlandUdSSRItalien zugestimmt, um „eine neue OrdnunginEuropa“zuschaffen. Di19.03.:PMChamberlainhälteineRedeimUnterhaus. Später Abend und Nacht zu morgen. Die Royal Air Force bombar diert fast 7 Stunden lang im Tiefflug die Wasserflugzeugstützpunkte aufSylt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.19.03.: „John Chapman... ist Auslandsredakteur von Business Week und kam geradevomBalkanundItalienzurück.ErhatteeinigeguteNachrich ten.Erbezweifelt,daßItalienindenKriegeintretenwird.Ichauch. Italienkanntasächlichblockiertwerden.Johnsagt,erhabeeineAb nahmederfanatischenBegeisterungfürdenFaschismusbeobachtet. DieMenschensindruhigergeworden.IlDucetreibtsienichtmehrso hartan.Erwirdälter,einwenigfettundverbringtdiemeisteZeitmit seinerjugendlichenblondenGeliebten,mitdererwiemanJohnin RomzuflüstertegeradeeinKindhatte.InMadridsahJohnPétain. DeralteMannsagte:‘Ichbetedarum,daßdieDeutschendenVersuch unternehmen,dieMaginotliniezudurchbrechen.Sieistüberwindbar dochmiteinemsehrhohenPreis.Aberlaßtsiedurchdringen.Dann wäreichgernOBderalliiertenArmee.’ HeutenachmittagtelefonierteichmitMajX.vonderXBotsch.hier... DenPaktmitRußlandbezeichneteralsHitlersGeniestreich,wenn gleicherauchvomdeutschenGStdazugedrängtwurde,dergerade herausdieMeinungvertrat,einKriegmitdemWestenseiunmöglich, wenn Rußland sich den Alliierten anschlösse oder auch nur strikt neutralbliebeunddamitunfreundlichgegenüberDeutschland.“ Mi20.03.: Die Presse titelt über das britische SyltBombardement: „Briten bombardieren Dänemark! “Das 12-Uhr-Blatt titelt:„ Lügen- fest im Unterhaus - Die Piraten geben Verbrechen gegen neutra- les Land zu! “ Do21.03.: Presse und Rundfunk melden: Im GenGouv werden drei Polen zum TodeverurteiltwegeneinesangeblichenMordesanei nemDeutschen. 190

DerPressewirdnurderwenigbeschädigteSylterStützpunktHörnum gezeigt. Fr22.03.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.22.03.: „HeuteistKarfreitag.DieBürgersteigevollerMenschen.InihrenGe sichtern keine besondere Osterfreude sichtbar. Lange Schlangen vor denSüßwarengeschäftenindenletztenTagen.WiegeduldigdieDeut schen stundenlangimRegenanstehenfüreinewinzigeRationfeier täglicherSüßigkeiten!LetzteWochegabeszusätzlichzurRationzwei Eier,dieseWocheeins.“ Sa23.03.:PresseundRundfunkkündigenan,daßalleKirchenglocken aus Bronze demnächst entfernt und zu Kanonen umgeschmolzen werden.FernersollenkommendeWochereichsweitinallenHaushal tenGegenständejederGrößeausZinn,Nickel,Kupfer,Bronzeund anderenäußerstknappenBuntmetallengesammeltwerden.AlleAuto halter, deren Fahrzeug kriegsbedingt stillgelegt ist (90 Prozent aller Autos),müssenihreBatterienandieWeMabgeben.DieBevölkerung wirdaufgefordert,überOsternzuHausezubleibenunddieüblichen Reisen zuunterlassen,dakeinezusätzlichenZügeeingesetztwerden könnten.FürPrivatautosbestehtuneingeschränktesFahrverbot. So24.03.(Ostern): BVJP Göring stellt die Juden-Deportationen ins GenGouv ein, weil es dort zu großen Organisationsproble- men gekommen ist. Die US-Hilfsorganisation American Society of Friends hatte sich bei GenGouv Frank über die 230 Todesfälle beim Marsch Stettiner Juden ins GenGouv beschwert. OBMRaedererteiltdenGeheimbefehl,beimÜberfallaufNorwegen solangewiemöglichunterbritischerBeflaggungzufahren. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.24.03.: „IchsagtemeineVerabredungenzumMittagessenundzumTeebei deutschenFreundenab.KonnteheutekeinenDeutschensehen,ob wohlmeineGastgeberkeineHitlerfreundesind...StandgegenMittag aufundhörteeineÜbertragungausWien.DiePhilharmonikermitei nemhübschenkleinenStückvonHaydn. 191

Am Nachmittag ein Spaziergang. Unter den Linden viele Menschen unterwegs.SichersinddieDeutschendieamhäßlichstenaussehenden LeutevonganzEuropa.DieganzenLindenentlangnichteineanstän digaussehendeFrau.DiearmseligeKleidungträgtsicherzusolchen Eindrücken bei. Verhältnismäßig wenig Soldaten auf den Straßen. WenigUrlaubsgenehmigungen?Wasbedeutetdas?BaldigeOffensive? IchwarüberraschtvomschäbigenZustanddeskaiserlichenSchlosses amEndederLinden.ÜberallherabgefallenerPutz.Sehrherunterge kommen.DassteinerneGeländerdesBalkons,vondemausWilhelm II. 1914 inseinerberühmtenRededembegeistertenVolkzuseinen FüßendenAusbruchdesKriegesmitgeteilthatte,istinStückegebors ten.Nun,vorHitlersBalkongabeskeineBegeisterungsstürme,alsder gegenwärtigeKriegbegann. Ich versuchte in den Gesichtern der vielen Menschen zu erkennen, wassieandiesemOstertagbewegt.AberdieGesichterwarenleer.Of fensichtlichmögensiedenKriegnicht,dochsiewerdentun,wasman ihnensagt.ZumBeispielsterben.“ Mo25.03.:DasDNBmeldet:„AmOberrheinkamesOstersonntagan einigenOrtenderfranzösischenFrontseitezuDemonstrationengegen denKriegderEngländer.Dieszeigteindeutig,wieunsinnigdiefran zösischenTruppenesfinden,daßDeutschlandundFrankreichimRe sultatderbritischenBegünstigungzuFeindengewordensind.“ Do28.03.: FRK Hitler besteht darauf, daß die Marine sich auf eine längereBesetzungvonNarvik,TrondheimundOsloeinrichtet.OBM Raedermeint,erbrauchedieKräftefürdenAngriffaufdieBenelux Staaten,FrankreichundGroßbritannien. DasDNBmeldet,vergangeneWochehabeeinGeschwadervonwe nigstens 9 britischen Zerstörern vor der Küste Norwegens Stellung bezogenundinmehrerenFällendeutscheEisenerzfrachtermitWarn schüssenbelegt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.28.03.: „Ohne die Fortsetzung der schwedischen Eisenerzlieferungen kann Deutschland den Krieg nicht weiterführen. Der Hauptteil wird vom norwegischen Hafen Narvik aus auf deutschen Frachtschiffen trans portiert,diederBlockadeentgehen,indemsieinnerhalbderDreimei 192

lenzoneentlangdernorwegischenKüstefahrenundsovorderbriti schenMarinesichersind...DieWilhelmstraßesagt,siewerdealleseine [First Lord of Admiralty {FLA} Winston Churchills] Schritte scharf beobachten...X.versichertmir,wennbritischeZerstörerindienor wegischen Territorialgewässer eindringen, werde Deutschland han deln.Wiedasaussehenkönnte,istnochnichtklar.DiedeutscheMa rineistkeinernsthafterGegnerfürdieBriten. ... heute abend in meinem Sendemanuskript: ‘Einige Leute hier sind der Meinung, daß sich der Krieg auch auf Skandinavien ausdehnen könnte...’ ...derMilitärzensor...hattekeineEinwände,wasichinteressantfinde.“ Fr29.03.: OBM Raeder wendet sich gegen eine Besetzung des weit nördlichgelegenennorwegischenHafensNarvik. HptErnstJünger,AuwaldhüttebeiIffezheim,Tgb.v.29.03.: „AmMorgendieses45.GeburtstagesschiendieSonnesehrschön... DieDingelagenso,daßkurznachMittageinWachtmeisterundGe freitervondernahenArtilleriebeobachtunggekommenwaren,beide Neulinge am Ort. Der Wachtmeister äußerte den Wunsch, die von Geschoßeinschlägen besäte Wand des Bunkers zu photographieren, undohneaufdieWarnungendesUnteroffizierszuhören,stieger,ge folgtvondemGefreiten,überdenhohenAufwurfdesWerkeszum Rheinufer hinab. Im gleichen Augenblick begann von drüben, aus dem[französischen]Panzerwerke‘RoterRhein’,indemrabiateBur schenhausen,einMaschinengewehrzuspielen,unddiebeidenArtille ristenblieben[verwundetbzw.tot]aufdergrünenBöschungliegen, die weithin sichtbar ist... Unmittelbar tödlich aber mußte ein über schwererTrefferamHinterkopf[desGefreiten]gewesensein;erhatte die Schädeldecke durch eine lange, fast spannentiefe Furche aufge pflügt. Wiederum,wieschonsomanchesMalansolchemOrt,bemerkteich deutlich die gereizte Stimmung, die um den Hingestreckten waltete. Sieäußertesichbeidenen,dieihnentkleidetenundseineSachenver wahrten,dochauchbeidenen,dieihnbetrachteten.Dasisteintiefer Zug,indemsicheinverborgenesSchuldverhältnisoffenbart.“(S116 120) 193

Sa30.03.:DasAAveröffentlichteinWeißbuchmit16„Dokumenten“ ausdempolnischenAM,diebelegensollen,daßdieUSBotsch.Ken nedy,BullittundBiddlemitRückendeckungvonUSPräs.Roosevelt DeutschlanddenKriegaufgezwungenhätten.RAMRibbentropver sprichtsichdavoneineentscheidendeSchwächungRooseveltsbeider Präsidentschaftswahlam05.11. USAM Hull dementiert die Anschuldigungen in dem deutschen Weißbuch. Die DNB macht daraus die Meldung: „Hull desavouiert USABotschafter!“ Abend. Die deutsche Presse behauptet, die Veröffentlichung des Weißbuchsmitdenpolnischen„Dokumenten“habeinAmerika„wie eineBombeeingeschlagen“.Präs.Roosevelthabeeinenvernichtenden Schlagerhalten. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.30.03.: „DaseinzigÄrgerlichedaranist,daßLeutewieHamFishundSenator RushHoltderartigeNazipropagandaalsHilfeinihrerKampagnege genRooseveltbenutzenkönnen.BeiDNBheißtesklar,daßSenator Holt‘mitdemdeutschenWeißbuchübereinstimmt’.“ So31.03.:FRKHitlerzögertgegenüberderWeMmitdemBefehlzum ÜberfallimNorden,weilsichkeinVorwandzurBegründungfindet. Mo01.04.: RMVP Goebbels veröffentlicht die Probenummer seiner Wochenzeitung Das Reich , mit der vor allem das Bildungsbürgertum imSinnedesNS.beeinflußtwerdensoll. Anfang April versucht ChGSt/H Gen Franz Halder vergeblich, OBH Gen Walther von Brauchitsch für einen auch diplomatisch bei den Westmächten abgesicherten Putschplan (ein Anführer: Hans von Dohnanyi) gegen FRK Hitler zu gewinnen. AnfangAprilgibtRMVPGoebbelsineinerRedevordenFilmschaf fenden neue „Richtlinien für die Arbeit am deutschen Film“ aus, nimmt dabei den heiteren Film in Schutz, doch läßt er ein paar zu leichteFilmeausdemProgrammnehmen. 194

ImFrühjahrermordetdersowjetischeNKWDbeiKatynnaheSmo lensk4143polnischeOffiziere,waserstam13.04.43vondenDeut schenentdecktwird. Di02.04.: FRK Hitler befiehlt den Überfall auf Dänemark und Norwegenfürden09.04. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.02.04.: „HeutenachtsagteichamMikrofon:‘Deutschlandwartetnunab,was dieAlliiertentunwerden,umdenTransportschwedischenEisenerzes entlangdernorwegischenKüsteinsReichanzuhalten.Hiergehtman davonaus,daßdieBritenindieschwedischenTerritorialgewässerein laufenwerden,umdieLieferungenaufzuhalten.Alsebensosichergilt, daß die Deutschen dann reagieren werden...Deutschlandführtjähr lich 10 Mio t schwedisches Eisenerz ein. Es kannsichnichtleisten, kampflosdaraufzuverzichten.’ Aberwie?S.teiltmirflüsterndmit,daßindenOstseehäfenNazitrup penkonzentriertwerden.DochwaskannDeutschlandgegendiebriti scheMarineausrichten?“

Mi03.04.: Der Leiter der AAusl/AbwAbt. I, Piepenbrock, trifft in Kopenhagen mit Quisling letzte Vorbereitungen zum Überfall auf Norwegen.

Sa06.04.: Im Kopenhagener Hafen laufen mehrere deutsche Kohleschiffe ein, in deren Unterdecks sich Heerestruppen be- reithalten. Mitternacht.DiedeutscheBotsch.inKopenhagenläßtbeieinerreprä sentativen Vorführung vor führenden dänischen Politikern und Mit gliederndesKönigshausesdenFilm Feuertaufe überdiedeutscheFlä chenbombardierunginPolenvorführen.DieVorführungsolldendä nischen Widerstandswillen gegen die insgeheim bereits angelaufene InvasionDeutschlandsimKeimersticken.

So07.04.: Der VB schreibt:„Deutschlandistbereit.AchtzigMillionen AugenpaaresindaufdenFührergerichtet.“ Die deutschen Landeschiffe samt Geschützen und Ausrüstun- gen sind nach Norwegen unterwegs, getarnt als Frachtschiffe in 195

der norwegischen Dreimeilenzone und unter der Kontrolle nor- wegischer Marineschnellboote.

Mo08.04.: In Deutschland wird behauptet, Großbritannien habe mitgeteilt, daß seine Marine am 07.04. die norwegischen Territo- rialgewässer vermint hat, um die deutschen Eisenerzschiffe auf ihrem Weg von Narvik nach Süden zu stoppen. Zu diesem Zeit- punkt waren die deutsche Landeschiffe für Norwegen schon auf See. Bei einem deutsch-britischen Seegefecht wird der britischer Zerstörer „Glowworm“ versenkt, der den deutschen Kreuzer „Admiral Hipper“ vor der norwegischen Küste aufgespürt hat. Abend. Der dänische König Christian X. bestellt den deutschen Ges. von Renthe-Fink zu sich und fragt nach Sicherheitsgaran- tien für sein Land. Renthe-Fink versichert, Deutschland habe keinerlei Absichten, in Dänemark einzumarschieren. Die wilden Gerüchte des Tages seien „alliierte Lügen“. Er weiß, daß zur selben Zeit im Kopenhagener Hafen die deutschen Kohleschiffe mit Heerestruppen entladen werden. Nacht zu morgen. Die deutschen Truppen in Kopenhagen ver- lassen die Kohleschiffe und marschieren auf Schloß Christians- borg zu. Bei dessen Besetzung werden etwa ein Dutzend zufäl- lig vorbeifahrender dänischer Zivilisten ermordet. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.04.: „EsgibtGerüchteheuteabend,aberwirkönnenkeinesbestätigen.1. Die deutsche Marine sei in das Kattegat ausgelaufen, nördlich von Dänemark, westlich vonSchwedenundsüdlichvonNorwegen,und sieseinunaufdemWegzumSkagerrak.2.IndenOstseehäfenwerde einedeutscheExpeditionstruppeaufgestellt,DutzendePassagierschif fewürdeneiligzusammengezogen,umsienachSkandinavienzubrin gen.“

Di09.04.: Morgengrauen. Deutscher Überfall auf Dänemark und Norwegen (ohne Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden bri- tischen Norwegen-Aktion). Innerhalb weniger Stunden über- rennt die WeM Dänemark vollständig und besetzt alle wichtigen strategischen Punkte (Narvik, Trondheim, Bergen, Stavanger) in Norwegen, das Widerstand leistet. Kopenhagen wird um 8 196

Uhr früh, Oslo am Nachmittag und Kristiansand am Abend voll- ständig eingenommen. Am Morgen werden der Kreuzer „Blü- cher“ im Oslofjord und der Kreuzer Karlsruhe“ vor Kristiansand von norwegischen Küstenbatterien versenkt. Das AA übermittelt am frühen Morgen Norwegen und Dänemark ein Memoran- dum: Sie würden lediglich von Deutschland „geschützt“, jegli- cher Widerstand könne „nur zu nutzlosem Blutvergießen füh- ren“. „Daher erwartet die RRg von der norwegischen Rg. und vom norwegischen Volk, daß es volles Verständnis für Deutsch- lands Maßnahmen aufbringt und sich in keiner Weise wider- setzt.“ 11 Uhr. RAM Ribbentrop behauptet vor der Presse, Großbritan- nien habe Norwegen, Dänemark und Schweden besetzen wol- len. Abend. Der Angriff schreibt: „Die junge deutsche WeM hat neuen RuhmanihreFahnengeheftet...DiesisteinesderbrillantestenKunst stücke aller Zeiten.“ Die Berliner Börsenzeitung schreibt: „England schreitetkaltblütigüberdieLeichenkleinerVölker.Deutschlandbe schütztdieseschwachenStaatenvordenbritischenStraßenräubern... Norwegen sollte dieRechtmäßigkeitderdeutschenAktioneinsehen, diedochnurunternommenwurde,umdieFreiheitdesnorwegischen Volkeszubewahren.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.04.: „Wie die Nazis unter den Augen der britischen Marine dorthin [Norwegen]gelangtsind,isteinvölligesRätsel.OffenbarwardieAk tionvonlangerHandvorbereitetundgeplant,undsiestartetesicher lichschon,ehedieBritenvorgesterndienorwegischenTerritorialge wässerverminthaben.VondeutschenStützpunktenausNarvikzuer reichen braucht wenigstens drei Tage [WesermündeNarvik ca. 2000 km]. ...Um11UhrkamRibbentropsteif[zurPressekonferenz]hereinge schritten... Ichstelltefest,daßdieLeuteindenStraßendieNeuigkeitenoffenbar ruhigaufnahmen.NurwenigekauftendieExtraausgaben,diedieZei tungsjungenebenauszurufenbegannen...OffenbarhabendieDänen keinerleiWiderstandgeleistet.DiestatenanscheinenddieNorweger, obwohldieDeutschensicherwaren,ihnbiszumEinbruchderNacht 197

zu brechen... Es gibt Berichte über Verluste der Marine [in Norwe gen],aberdieAdmiralitätschweigt...“ Mi10.04.:Morgen.Der VB titeltinrotenLettern:„ Deutschland ret- tet Skandinavien! “ EineMitteilungderRRgverkündet:„DergestrigeTagbedeutetledig lichdenAnfangeineskühnenUnternehmens.MitalliiertenGegenre aktionenmußimmernochgerechnetwerden.“ NachderBesetzungDänemarksBildungeines„Kabinettsdernationa len Sammlung“ unter Thorvald Stauning (†1942); der deutsche Ges. CecilvonRentheFinkwirdReichsbevollmächtigterfürdiebesetzten dänischenGebiete. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.10.04.: „Tatsächlich gewann man in Heeres und Marinekreisen den Ein druck, daß Deutschland wenn die Briten ihre Marine zum Einsatz bringen und dies mit starken Landetruppen unterstützen sich viel größeren Kampfhandlungen gegenüber sieht, als man ursprünglich dachte. Deutschlands Schwachpunkt ist die Marine. Die Garnisonen indenwestnorwegischenHafenstädtenkönnenausschließlichvonSee hermitNachschubbeliefertwerden.Außerdemgibtesnördlichvon StavangerkeinebrauchbarenFlugplätze.“ Do11.04.: London meldet, alliierte Truppen hätten Bergen und Trondheimerobert.DasOKWwiderspricht. Die Berliner Börsenzeitung kritisiertdas„unverständlicheVerhalten“des norwegischenKönigsHaakon:„MitseinerunbeweglichenHaltunghat ersichalsschlechtberatenerwiesen.Damitisterkeinesfallsderwahre VertreterderInteressenseinesVolkes.“ AufBefehlvonFRKHitlerwirddieindenannektiertenpolnischen GebietenliegendeStadtLodzinLitzmannstadtumbenannt. Abend.FLAChurchillsagtvordemUnterhaus,derdeutscheÜberfall aufNorwegenseiein„ernsterstrategischerFehlerHitlers“.Diebriti scheMarinewerdedienorwegischeKüsteeinnehmenundsämtliche deutschenSchiffeimSkagerrakundKattegatversenken. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.04.: „Erfahre, daß Hitler Schweden vor den schrecklichen Folgen einer nichtneutralenHaltungindergegenwärtigenkritischenLagegewarnt 198

hat... Schlimm ist es, wie es diese kleinen Nationen vorziehen, eine nachderanderenvonHitlergeschlucktzuwerden. Ein Sprecher des AA teilte uns heute mit, der norwegische Parla mentspräs. Hambro sei ‘ein unsauberer Zeitgenosse und Jude’. Wie sich herausstellt, verfügte Vidkun Quisling, der Mann der Nazis in NorwegenundfrühereKrM,übereineziemlichstarkeFünfteKolon ne.“ Fr12.04.: AlbertSchneider:...aufdaßihnenvielLeiderspartbleibe!, Filmwelt v. 12.04.: „VeitHarlan...willmitderfastreportagehaftenTatsachenschilderung dieWahrheitzeigen,denUnterschiedimUrgrunddesDenkens,Emp findensundHandelns,derniemalseineBrückeschlagenläßtzwischen AriertumundJudentum,dersiezuFeindenvonAnbeginnangemacht hat,sowiederLichtgottBaldur,trotzdemihnzunächstHödursmör derischerPfeiltraf,dochamEndeüberdenblutlosenFinsterlingsieg te.“...EinGesetz...,„dasvorJahrhundertenalsDammzumSchutzdes rassereinenAriertumsgegendenschänderischenEinbruchdesJuden tums errichtet wurde und das nach einer Zeit der Denkfaulheit und desNiedergangsindenNürnbergerGesetzenseineleuchtendeWie dergeburterlebte...Eswäreleichtgewesen,denJudSüßalsschmieri gen, ekelerregenden Dreckjungen zu schildern. Harlan zeichnet eine Erscheinung, ausgestattet mit allem Scharm (!) der satanischen Ver führungskünste, zwar einen Teufel, aber einen Teufel als Don Juan. DieserJudSüßistgewißundzuallerersteingroßerVerbrecher,aberer istzugleicheineErscheinung,inderdieGefährlichkeitdesjüdischen Charakters, seine Amoralität, seine Bedenken und Skrupellosigkeit, seine Hemmungslosigkeit zusammengefaßt sind und zum Ausdruck kommen.SowirdseinAufstiegverständlich.SoglaubtmanseineEr folge,dieererringt,weilihndieGierbeiTagerfülltundnachtsnicht schlafenläßt,weilderverzehrendeDurstnachMachtundGeldjedes Mittel zur Vernichtung [erlaubt?] und Zerstörung die einzige, jedes Gesetz und jedeSchrankebrechendeTriebkraftseinesHandelnsist. EristauchdemHerzognichttreu,sondernerdientnurseineneige nenInteressen,hatnursieimAuge.ErgehtüberLeichen.Undvoral lemsuchtertäglichundstündlichnachderBefriedigungeinerschran 199

kenundschamlosenerotischenGier.NichtseinemateriellenVerfeh lungen, nicht sein Wucher, seine Unterschlagungen, sein politisches Ränkespiel bilden die Grundlage des Urteils, sondern sein Frevel an den heiligen Gesetzen der Rasse ... In der Gegenüberstellung des JudSüßalsdesJudenunddesLandschaftskonsulentenSturmalsdes deutschenMenschenzeigtHarlanaufdereinenSeitedasgeschwinde, aberunsolideDenkenundHandelndesJuden,beidemGedankeund Handlungoftvorschnellsichüberstürzen,dernichtklugist,sondern nur schlau, und auf der anderen Seite die langsame, aber sozusagen wertbeständigeArtdesdeutschenElements,daserstdannzumHan delnschreitet,wenndieGedankenarbeitzumAbschlußgebrachtist, dasaberdafürauchmitseinenHandlungenindieEwigkeitbaut,wäh rend der Jude morgen das widerruft, was er heute gesagt und getan hat.“ Anweisung Nr. 2190, ZDv.12.04.:DieBerichterstattungüber„Jud Süß“istvorläufigverboten.„DerGrundistnichtetwaeineAbsetzung desFilms.EssollenbeidemschwierigenStoffnurbesondereErwar tungenvermiedenwerden,vondenennochnichtfeststeht,obsievoll erfülltwerdenkönnen.“ Sa13.04.:SiebendeutscheZerstörerwerdenvonderbritischenMarine vorderKüstevonNarvikvertrieben,dieDeutschenhaltenNarvikal lerdingsaufdemLande. So14.04.: Österreich wird in sieben Gaue aufgeteilt, die übernehmenalsRSthdieBefugnissederösterreichischenLandesregie rung:Wien(OdiloGlobocnik),Niederdonau(HugoJury),Oberdonau (August Eigruber), Tirol (Franz Hofer), Salzburg (Friedrich Rainer), Steiermark(SiegfriedUiberreither),Kärnten(FranzKutschera). WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.14.04.: „Ichhabejetztherausgefunden,wiedieDeutschenohneeinegleich wertige Marine entlang einer Küstenlinievon1000Meilendiewich tigsten norwegischen Häfen eingenommen haben, unter den Augen derbritischenSeestreitkräfte.DiedeutschenTruppenwurdenmitsamt ihren Geschützen und Ausrüstungen in Frachtschiffen zu den Be stimmungsortengebracht,dievorgeblichnachNarvikfuhren,umdort schwedischesErzzuladen.WieschonseitBeginndesKriegesfuhren 200

diese Frachter innerhalb der norwegischen Dreimeilenzone und ent gingensoderEntdeckungdurchdiebritischeMarine.Ironischerweise wurden sie von norwegischen Schnellbooten an ihr Ziel geleitet,die denBefehlhatten,sievordenBritenzubeschützen! Dieserklärtallerdingsnochnicht,wiedieHälftederdeutschenFlot tenstreitmacht7Zerstörer,1schwererKreuzerund1Schlachtschiff unbeobachtetvondenBritendiegesamtenorwegischeKüstehoch fahrenkonnte... Höre,daßGenvonFalkenhorstinOslodiefolgendeErklärungver breitenließ:‘DienorwegischeRg.hatmehrereAngebotezurZusam menarbeitzurückgewiesen.JetztmußdasnorwegischeVolküberdie ZukunftseinesVaterlandesentscheiden.WenndieseErklärungange nommenwird,wiedasmitgroßemVerständnisinDänemarkderFall war,dannwerdenNorwegendieSchreckeneinesKriegeserspartblei ben.WennjedochweiterWiderstandgeleistetunddieinfreundlicher AbsichtausgestreckteHandzurückgewiesenwird,dannsiehtsichdas deutscheOberkommandogezwungen,unterEinsatzschärfsterMittel denWiderstandzubrechen.’“ Mo15.04.: Morgen. Die Presse titelt: „ Schwerer britischer Angriff auf Narvik zurückgeschlagen “. DasRSHAgibteinenRunderlaßheraus,wonachdiePolizeiausdem „Gesamtsauftrag...,derderpolitischenPolizeiimallgemeinenundder GeheimenStaatspolizeiimbesonderenimZugedesNeuaufbausdes ns.Staateserteiltwordenist“herauszuhandelnhat.Einegesetzliche Legitimierung sei für staatpolizeiliche Handlungen im Grundsatz „überflüssig“. „Lediglich in den Fällen, in denen es erwünscht er scheint, daß staatspolizeiliche Anordnungen unter strafrechtlichen Schutzgestelltwerden,istdieVOv.28.02.33heranzuziehen.“ MitteAprilbeginnenunterderRegievonErichWaschneckdieDreh arbeitenzu Die Rothschilds . Mi17.04.:PresseundRundfunkattackierendieNiederlandeundver breiten eineErklärungdesAA:„ImGegensatzzuDeutschlandver folgendieAlliiertenkeineswegsdieAbsicht,dieBeneluxStaatenda vorzuschützen,indenKriegeinbezogenzuwerden.“ 201

FRKHitlerübermitteltderdänischenKönigsfamilieseineGlückwün schezurgestrigenGeburtvonPrinzessinMargarete,derTochterder Kronprinzessin. Do18.04.:DasOKMbittetdieBevölkerung,GeduldundDisziplinzu zeigenundvonNachfragennachdemSchicksalvonAngehörigenab zusehen.ManwerdedieFamilienvonGefallenenumgehendbenach richtigen. Die Gestapo untersagt aber den Familien Gefallener jede TodesanzeigeinderPresse. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.18.04.: „VerwundeteMatrosenundSoldaten,diesichvonder‘Blücher’retten konnten,treffenmitschrecklichenBrandverletzungenanGesichtund Halsein.Esscheint,daßderKreuzerbeimSinkeneinenbrennenden Ölteppicherzeugthat.Viele,diesichdurcheinenSprunginsWasser gerettethatten,starbennunindenFlammen... Kein Wort über all das in der Presse... Ich bezweifle auch, daß die Menschen in ihrer gegenwärtigen Verfassung überhaupt in der Lage wären,eineMasseschlechterNachrichtenauszuhalten.“ Fr19.04.: Das AA erläßt ein mit Quisling abgestimmtes Kommu- niqué zu Norwegen: „Angesichts der feindlichen Haltung des norwegischen Königs [Haakon VII.] und der früheren [!?] nor- wegischen Rg. sind der norwegische Botsch. und das Personal seiner Vertretung aufgefordert worden, noch heute das Territo- rium Deutschlands zu verlassen.“ Abend.RMVPGoebbelshältamVorabenddes51.Geburtstagsvon FRK Hitler eine Rundfunkansprache: „Das deutsche Volk sieht im Führer die Verkörperung seiner Stärke und den hervorragendsten AusdruckseinernationalenZiele.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.19.04.: „AlsichamAbendanderReichskanzleivorbeikam,wartetenetwa75 Leutedarauf,denFührerzusehen.InfrüherenJahrenwarenesam VorabendseinesGeburtstagsmehrereTausend.“ Sa20.04.:FRKHitlerbegehtseinen51.Geburtstag. 202

So21.04.:DeutschlandbesetztdasnorwegischeLillehammer,300km südlichvonTrondheim.DasOKWgibtbekannt,diedeutschenLan detruppen seien bei dem Überfall am 08/09.04. bei Namsos und Àndalsnes gelandet, zwei Kopfbahnhöfen nördlich und südlich von Trondheim. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.21.04.: „EinFreundausdemOKWmeint,daßderAusgangderSchlachtum TrondheimentscheidendseifürdiegesamtenorwegischeOperation... WenndiedeutschenStreitkräfte,dieentlangderbeidenEisenbahnli nienvonOslonachNordenvorrücken,alsersteamOrt[Trondheim] eintreffen, dann müssen sich die Briten zurückziehen... Was sie [die Deutschen] am meisten fürchten, ist meiner Meinung nach, daß die britische Marine in den Trondheimer Fjord einläuft und die kleine deutsche Garnison von Trondheim aus der Stadt jagt, noch ehe die NazitruppenausRichtungOsloherangeführtwerdenkönnen.“ Mo22.04.:Abend.DasOKWsprichtvon„erbittertenKämpfen“der vonLillehammernachTrondheimvorstoßendendeutschenTruppen. Die Luftwaffe fliegt schwere Einsätze gegen britische Brückenköpfe beiNamsosundaufderStraßeÀndalsnesDombàs. Di23.04.: FRK Hitler ernennt denEssenerGLJosefTerbovenzum fürdiebesetztennorwegischenGebiete. Mo29.04.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.29.04.: „HeutefrühausderSchweizzurückgekommen.DieschwereSchlacht um Trondheim wird wahrscheinlich diese Woche stattfinden. Ich merke,dieDeutschensindjetztvielzuversichtlicheralsvoreinerWo che,daichabgereistbin.OffenbaristdiebritischeExpeditionstruppe nichtsostark,wiesieangenommenhaben.Ausallem,wasichinder Schweizundheutehiergehörthabe,gehthervor,daßdieerstenbriti schenTruppen,dievoreinerWocheindieKämpfebeiLillehammer geschickt wurden,zahlenmäßigbeiweitemunterlegenundmiserabel ausgerüstetwarenkeinePanzer,keineArtillerie,nurwenigPanzer abwehrwaffen. 203

...WasdiebritischeArmeeundMarinealsojetztbrauchen,sindein oderzweiNiederlagen.Dannwerdensievielleichternsthaftzukämp fenbeginnen. Undjetzthöreichgerade,daßdieursprünglichinMittelnorwegenge landetebritischeStreitmachtverringertwordenist.“ Di30.04.: Deutschland richtet in Litzmannstadt (Lodz) ein zwei- tes Großgetto für Juden ein. FRK HitlerläßtdenösterreichischungarischenOperettenkomponis tenFranzLehárzudessen70.GeburtstagmitderGoetheMedaillefür KunstundWissenschaftehren,nachdemLehárRMVPGoebbelsper sönlichversicherthat,„seineEhefraukünftigimAuslandlebenzulas sen“.DieRMKnotiertineinemSchreibenandasRMVP,dieEhrung seigeboten,„weilbekanntlichderFührerseinemSchaffeneinbeson derespersönlichesInteresseentgegenbringt...DaLehár,derselbstari scherAbstammung,abermiteinerJüdinverheiratetist,vonIhnenei neSondergenehmigungbesitzt,wirdaufdiedortvorhandenenperso nellen Unterlagen verwiesen.“ Das RMVP äußert zur selben Zeit schriftlichdieAbsicht,eineEhrenbürgerschaftderungarischenStadt ÖdenburgfürLehárzuverhindern,denn„wirsindesunsundunse remVolkeschuldig,einenKomponistenwieLehar[!],dersichzum Deutschtumbekennt,unddessenOperettenvomFühreraußerordent lich geschätzt werden, nicht kampflos in die Hände minderwertiger Magyarenabgehenzulassen“.ZumDankwidmetLehárHitlerParti turenundSchallplatten. Abend.DasOKWgibtbekannt,daßsichdiedeutschenTruppensüd lichvonTrondheimvereinigthaben. Mi01.05.: Vormittag. StvF Heß hält die offizielle MaiAnsprache in den KruppRüstungswerken in Essen. Er beschimpft den norwegi schenMPHambrosals„dieserJude,HerrHamburger“. InBerlinwerden300der1600TaxisausBenzinmangelstillgelegt.Ein ViertelallernocherlaubtenPrivatautosundlastwagenerhaltenFahr verbot. Nachmittag. FRK Hitler gibt zum erfolgreichen Ausgang der Schlacht um Trondheim einen Tagesbefehl an seine Truppen: „Die Absicht der Alliierten, uns mit einer verspäteten Besetzung 204

in Norwegen auf die Knie zu zwingen, ist fehlgeschlagen.“ Hit- ler hält zum erstenmal am 1. Mai keine Rede und zeigt sich auch nicht in der Öffentlichkeit. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.01.05.: „VorzweiTagenbinichzumviertenoderfünftenMalseitKriegsbe ginnaufderReisevonBaselnachFrankfurtdenRheinentlanggefah ren...DerFlußtrenntzweigroßeArmeen.Dennochwarallesruhig. Auf einer Dorfwiese, es war Sonntag, spielten deutsche Kinder in SichtweiteeinigerfranzösischerSoldaten,dieamanderenFlußuferhe rumliefen.AufeineranderenWiese,keine200mvomRheinentfernt undinvollerSichteinerfranzösischenBefestigung,spieltendeutsche Soldaten Fußball. Auf beiden Seiten Güterzüge, einige beladen mit ebenjenemGerät,dasseinetödlicheWirkungenderzeitinNorwegen erweist.DieZügepassierenohnejedeStörung...KeineinzigesFlug zeugwaramHimmelzusehen... Esistklar,daßdieDeutschenmitallihrennördlichenStützpunkten überdievollständigeLuftüberlegenheitinNorwegenverfügen.Wird dasausreiche,umsiegreichnachTrondheimvorzurücken?Ichfürch te,ja...WiesollmansonstdasMißlingendesbritischenAngriffsauf TrondheimzurSeeerklären,währendsiemitdemgleichenAngriffin NarvikErfolghatten,wasaußerhalbderReichweitedermeistendeut schenFlugzeugeliegt?... Später ...Sie[dieAlliierten]hatten[inTrondheim]einewunderbareGe legenheit,Hitlerzustoppen,undsiehabensievergeben... AusdemAnblickderbravenBürger,dieheuteimTiergartenspazie rengingen,kannmanschließen,daßsienureinenWunschimHerzen haben:Frieden,undzumTeufelmitallenSiegen.Dennochwirdder TriumphinNorwegendieMoralstärken,nachdemschlimmenWin ter.S.,einVeteranunterdenhiesigenKorrespondenten,galubt,daßin diesemLandjederMann,jedeFrauundjedesKindvonNaturausein geborenerKillerist.Dasmagvielleichtsosein.Aberheutesahichim TiergartenvielevonihnendieEichhörnchenundEntenfütternmit ihremrationiertenBrot.“ Do02.05.:Nachmittag.PMChamberlainräumtimUnterhausdiebriti sche Niederlage in Norwegen ein: Die britischen Truppen sind bei Trondheim geschlagen und aus Àndalsnes vertrieben worden. Die 205

deutscheLuftwaffehabeverhindert,daßdieBritenPanzerundArtil lerienachÀndalsnesbringenkonnten. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.02.05.: „GewißmußmandieLeistungderdeutschenWeMhocheinschätzen: mehrals200MeilenvonOslonachTrondheimnördlichvorzustoßen, durchdieTälervonOsterdalundGudbrandsdal;undzurselbenZeit Trondheim mit einer kleinen Garnison gegen die alliierten Angriffe vonNordenwieSüdenzuhalten...ImVerlaufvondreiWochensind dieBritentrotzallihrerÜbermachtaufSeenichteinmalinderLage gewesen,Narvikeinzunehmen. Chamberlaintönte,daßdieAlliiertenimErgebnisderteilweisenVer nichtungderdeutschenFlotteinderLagewaren,ihreMarinekräfteim Mittelmeerzuverstärken.AlsohatderalteMannMussolinisBluff,er könntemitHitlersRückendeckungindenKriegeintreten,tatsächlich ernstgenommen...Unsallenhierkommtesnochimmerunfaßbarvor, daßGroßbritannienseineSeestreitkräftedieesindieLageversetzt hätten, Trondheim einzunehmen und damit Hitler in Norwegen zu besiegenabgezogenhabenkönnte,umseinePositiongegenüberder scheinbarenMachtItaliensimMittelmeerraumzustärken.“ Sa04.05.:DiebritischenTruppenziehensichvonihremletztennor wegischenBrückenkopfNamsoszurück. DiedeutschePresseklagtGroßbritannienan,eswollenun„denKrieg ausweiten“, und zwar nach dem Mittelmeerraum, dem Balkan oder „irgendwoanders“. EinGesetzordnetdieweitereReduzierungdesBenzinverbrauchsan: Viele Privatautos und lastwagen werden aus dem Verkehr gezogen. ManhabenochgenügendVorräte,heißtesandererseits. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.04.05.: „WowardiebritischeMarine...?IchsahheuteeinedeutscheWochen schau.Siezeigte,wiedieDeutschenPanzerundschwereGeschützein Oslo an Land bringen. Mit Ausnahme des Einsatzes von UBooten (offenbar nur wenigen) haben die Alliierten keinerlei ernsthafte An strengungen unternommen, die Schiffe mit Ausrüstung und Nach schub am Erreichen Norwegens via Osloer Hafen zu hindern. Man hatnichteinmalriskiert,ZerstörerinsKattegatundSkagerrakzuent senden,geschweigedennKreuzeroderSchlachtschiffe. 206

...191418wäreeindeutscherAngriff,wieerebenstattgefundenhat, undenkbargewesen.WeilaberdieLuftwaffenunFlugplätzeinDäne markundNorwegenzurVerfügunghatte,istdiealliierteMarinenicht nurnichtinsKattegateingelaufen(umdiedeutscheVerbindungvon GerätundSoldatennachOslozustoppen),sondernhatnichteinmal versucht, Trondheim, Bergen oderStavangeranzugreifenmitAus nahmeeiner80minütigenBeschießungdesFlugplatzesvonStavanger in der ersten Woche des Krieges. Jetzt brüsten sich die Deutschen damit,daßdieLuftmachtihreÜberlegenheitgegenüberderSeemacht deutlichdemonstrierthabe. ...DurchununterbrocheneBombardierungderalliiertenHeimathäfen haben sie [Görings Flugzeuge] es den Briten nahezu unmöglich ge macht,schwereArtillerieundPanzerRichtungNorwegenzuentsen den... Ich sprach heute mit einem befreundeten Polizisten. Er glaubt, daß der Krieg in einigen Wochen eskalieren wird, mit Bombenangriffen aufdiegroßenStädteundsogarGiftgaseinsätzen.Ichstimmeihmzu. Hitler will den Krieg in diesem Sommer beenden, wenn er kann. Wennesihmnichtgelingt,dannisterwahrscheinlichverloren,unge achtetallerdeutschenSiegebisher.“ So05.05.: In London bildet sich die norwegische ExilRg.Nygaards vold. Mo06.05.: RMWEV Rust sagt in einer Rundfunksendung für die Schulen:„GotthatdieWelterschaffenalseineStättefürArbeitund Kampf. Und wer die Regeln des Lebenskampfes nicht versteht, der wirdausgezähltwieimBoxring.AllegutenDingeaufdieserErdesind wieSiegestrophäen.DerStarkegewinntsie,derSchwacheverliertsie... DasdeutscheVolkunterHitlerhatnichtzudenWaffengegriffen,um infremdeLändereinzufallenundandereVölkerzuunterwerfen.Es wurdezudenWaffengezwungendurchStaaten,dieihmseinenWeg zuBrotundEinheitverwehren.“ AlleSchülerinnenwerdenaufgefordert,ihrHaarabschneidenzulas senunddieLockenzurHerstellungvonFilzabzuliefern. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.06.05.: 207

„Das brennendste Problem in Europa, ich komme langsam zu der Meinung, ist nichtderKommunismusoderderFaschismus,istkein gesellschaftlichesProblem.EsistdasProblemdesDeutschtums,jener Geisteshaltung,dieRustsoklarerläuterthat.Solangeesnichtgelöst ist,wirdeskeinenFriedeninEuropageben.“ Di07.05.:DiePressesetztihreKampagnefort,dieAlliiertenwürden an anderer Stelle in Europa als „Aggressoren“ auftreten. Sie titelt: „Chamberlain, der Aggressor “und„ Alliierte Pläne für neue Ag- gression! “. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.07.05.: „Wo marschiert Deutschland als nächstes ein? Ich vermute, in Hol land, auch weil dies das einzige Land ist, das in der gegenwärtigen Propagandawellenichtnamentlicherwähntwird... ...WenndiedeutschenMenschennichtsosiegestrunkenwären,oder so dumm, dann könnten sie den unfreiwilligen Humor [aus den Schlagzeilen]herauslesen. Was ich vermute: in den nächsten Wochen wird sich der Krieg auf ganzEuropaausdehnen.UndauchunterEinsatzallerWaffen:Bom bardierungoffenerStädte,Gasusw.“ Mi08.05.: AufeinemBahngleisbeiClaphamJunctioninLondonwird dererfahreneStarkorrespondentundUPEuropachefWebbMillertot aufgefunden.MillersollauseinemZuggestürzt(worden)sein. Abend. AP meldet, daß sich zwei deutsche Armeen, eine von Bremen aus, die andere von Düsseldorf, auf die niederländische Grenze zubewegen. DasAAreagiertverärgertaufdieMeldung. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.05.: „Konnte nicht umhin, heute in der Wilhelmstraße ein Gefühl der Spannung festzustellen. Irgendetwas ist los, wir wissen nur nicht, was...Ichhöre,dieHolländerundBelgierseiennervös.Ichhoffees. Siesolltenessein... GesternabendfuhrichineinenAußenbezirk,umdenFilmvonden Verwüstungenzusehen,diediedeutscheLuftwaffeinPolenangerich tethat.Erheißt Feuertaufe [mitNorbertSchultzesLied Bomben auf En- gelland ].DieungeheureZerstörungpolnischerStädteundDörfer,vor 208

allemvonWarschau,wirdnacktgezeigt.DasdeutschePublikumver folgtdenFilmmittiefemSchweigen.“ Do09.05.: FRK Hitler befiehlt die Freilassung einiger norwegischer Kriegsgefangener. DiedeutschePressebehauptet,WebbMillerseivombritischenGe heimdienstermordetworden. Abend.DiePressetitelt:„ England sinnt auf Ausweitung des Krie- ges “. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.05.: „DiedeutschePresseheutevollmitabsurdenGeschichten...(Wasge schiehtwohlmitderseelischenVerfassungeinesVolkes,wennestäg lichmitLügenwiediesergefüttertwird?) ...DasallesführtemichinderheutigenSendungzufolgendenWorten: ‘...Und es kann gut sein, wie viele Menschen hier glauben, daß der Kriegausgekämpftwird,nochbevorderSommervorüberist.Irgend wie haben die Menschen das Gefühl, die Pfingstfeiertage am kom menden Wochenende werden die letzten Feiertage sein, die Europa fürgeraumeZeiterlebt.’“

Fr10.05.: 4.30 Uhr. Deutschland beginnt den Überfall auf die Niederlande, Belgien und Luxemburg sowie den Luftkrieg ge- gen Frankreich. Die Luftwaffe bombardiert Flugplätze in den Niederlanden, Belgien und in Frankreich bis nach Lyon. Auf vielen dieser Flugplätze und am Strand nahe Den Haag werden deutsche Fallschirmjäger abgesetzt, die hinter den Heereslinien kämpfen. Maastricht wird rasch eingenommen und Luxemburg durchquert. FRKHitlergibteinenTagesbefehlheraus:„DieStunde derEntscheidungsschlachtüberdieZukunftderdeutschenNationist gekommen...DieSchlacht,dieheutebeginnt,wirdüberdieZukunft Deutschlandsindennächsten1000Jahrenentscheiden.“ Alle niederländischen Korrespondenten in Berlin werden im Hotel Kaiserhofinterniert. 8 Uhr. RAM Ribbentrop rechtfertigt vor der Presse den deutschen Überfall.DeutschlandfordertinMemorandenandieNiederlandeund Belgiendazuauf,dendeutschenTruppenkeinenWiderstandzuleis ten: „Sollten die deutschen Streitkräfte in Belgien oder Holland auf 209

Widerstandstoßen,sowirddiesermitallenMittelnniedergeschlagen. AlleindieRg.enBelgiensundHollandstragendieVerantwortungfür dieKonsequenzenundfürdasBlutvergießen,dasdannunvermeidlich wäre.“ Großbritannien und Frankreich seien im Begriffe gewesen, Deutschland vom Gebiet dieser beiden schwachen Staaten aus an zugreifen,umvondortauszurRuhrvorzustoßen,behauptetRibben tropweiter.Dieswerdedurchein„Dokument“desOKW„gestützt“. DasReichhabeesdeshalbfürnotwendigerachtet,eigeneTruppenzu entsenden,„umdieNeutralitätBelgiensundHollandszusichern“. NachdemderniederländischeundderbelgischeBotsch.imAAeine Protestnoteabgegebenhaben, gibt das AA eine Erklärung heraus: „Ein diensthabender Beamter des AA verweigerte, nachdem er den arroganten und dummen Text der Note zur Kenntnis ge- nommen hatte, deren Annahme und forderte die beiden Botsch. auf, sich wegen ihrer Pässe [zur Ausreise] an die zuständige Be- hörde [!] zu wenden.“ DreialliierteFlugzeugebombardierendasZentrumvonFreiburg.Da beikommennachdeutschenAngaben24ZivilistenumsLeben. Das britische Unterhaus wählt zum PM und Nachfolger Neville Chamberlains. Abend. Die deutschenTruppenstehenvorLüttich. Ein deutsches Kommuniqué droht: „Von jetzt ab wird jeder Bombenangriff des Feindes auf die deutsche Zivilbevölkerung damit beantwortet, daß fünfmal so viele deutsche Flugzeuge englische und franzö- sische Städte bombardieren werden.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.10.05.: „Esstimmtoffenbar,daßDeutschlandeinenlangenWirtschaftskrieg nicht aushalten kann. So schlug er [Hitler] los, während sein Heer nochübergenügendAusrüstungverfügteundseineLuftwaffedenAl liiertennochüberlegenwar... Ich muß sagen, die Leute in Berlin haben die Nachricht von der Schlacht...mitderüblichenRuheaufgenommen.KeineMenschenan sammlungen vor der RK, wie das sonst bei wichtigen Anlässen der Fallist.GeringesInteresseandenMittagsblättern...Ausirgendeinem GrundhatteGoebbelsExtraausgabenverboten... 210

... Berichte, nach denen deutsche Fallschirmjäger bereits einen Teil von Rotterdam erobert haben, sindnochnichtbestätigtworden.Es erscheintunfaßbar,abernachNorwegenistallesmöglich... DerKrieggegenZivilistenhatgleichfallsbegonnen.DieandereSeite berichtet, daß bereits viele von deutschen Flugzeugen aus getötet wordensind.DieDeutschenhaltendagegen,daßbeieinemBomben angriff dreier alliierter Flugzeuge auf das Zentrum von Freiburg 24 ZivilistenumsLebengekommensind... AlsheutederbelgischeundderholländischeBotsch.inderWilhelm straße...vorsprachen...DieDeutschensindübergeschnappt.“ Sa11.05.:DiePresseattackiertden„schandbarenProtest“derNieder landeundBelgiensgegendendeutschenÜberfallaufihreLänder. Deutschland erobert die Festung Fort EbenEmael bei Lüttich am ZusammenflußvonMaasundAlbertkanal. Die deutsche Propaganda ergänzt zur gestrigen Meldung über den LuftangriffaufFreiburg,13der24umsLebengekommenenZivilisten seienKindergewesen,dieaufeinemSpielplatzgespielthätten. DiedeutscheMarineversenktdasSchlachtschiff„Nelson“,dasFlagg schiffderbritischenMarine,waserstam01.06.bekanntgegebenwird. 700der1350MannBesatzungkommenumsLeben. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.05.: „Die Apathie der Menschen im Angesicht dieser entscheidenden Wendung des Krieges ist seltsam. Die meisten Deutschen, mit Aus nahmederBeamten,sinddurchdieNachrichtentiefdeprimiert.Die Frage lautet: wie viele Deutsche werden dieses letzte, verzweifelte Spielmitspielen,dasHitlerbegonnenhat?AlswirheuteimAdlonda rübersprachen,warensichdiemeistenKorrespondenteneinig:viele, viele. Und dennoch kann ich keinen einzigen Deutschen finden, der Hitlers Ausrede tatsächlich glaubt - daß er in neutrale Län- der, deren Unverletzlichkeit er garantiert hat, einmarschiert, um einen gleichen Schritt der Alliierten zu unterbinden. Selbst für einen Deutschen ist das eine offensichtliche Lüge .“ So12.05.(Pfingsten):DiedeutschenTruppenhabenganzNordosthol land östlich der Zuidersee besetzt und das östliche Ende der belgi 211

schenVerteidigungslinieentlangdesmitBunkernbefestigtenAlbert kanalsdurchbrochen. InderSchweizwerdenalleerreichbarenMännerzurArmeeeinberu fen. Abend. Der Rundfunk behauptet, in Holland sei es zu Mißhand- lungen von Deutschen gekommen, doch gebe es „reichlich Ge- legenheit zur Vergeltung bei den zahlreichen holländischen Staatsbürgern, die in Deutschland leben“. Der französische PM Reynaud kündigt an, daß alle deutschen Fall schirmjäger,dieohneUniformimfranzösichenHinterlandaufgegrif fenwerden,soforterschossenwerden. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.12.05.: „EintypischerSonntagheuteinderStadt,mitkeinerleiAnzeichenda für,daßetwadieBerlinergroßenAnteilnehmenanderSchlachtum ihre tausendjährige Existenz. Die Cafés müssen um 11 statt um 1 schließen.SokommendieMenschennochvorBeginneinesnächtli chenFliegeralarmsnachHause,obwohlesnochkeinengegebenhat bisjetzt.AuchTanzveranstaltungensindgegenwärtigverboten.“ Mo13.05.: Deutschland informiert die Rg.en der Alliierten, daß für jeden erschossenen nichtuniformierten deutschen Fall- schirmjäger 10 französische Kriegsgefangene hingerichtet wür- den. Abend.DiePressetitelt:„ Lüttich gefallen! Deutsche Heereskräfte brechen nahe Rotterdam durch und stellen Kontakt zu Luftlan- detruppen her! “und„ Das Hakenkreuz flattert über der Zitadelle von Lüttich “. PMChurchillhälteineRedezudenBriten:„ Blood, toil, tears and sweat “ sinderforderlichfürdenSiegüberDeutschland. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.13.05.: „KeinWunder,daßsogardasOKWeinwenigerstauntüberdieGe schwindigkeitist,wiemireindeutscherOffizierheutesagte. ...Diese Männer [der Luftlandetruppen] haben Rotterdam (!) einge nommen,samtseinemFlugplatz,obwohlsieüberkeinerleiArtillerie verfügten.DieHolländeralsreichesVolksolltengenügenddavonbe sessen haben!WieeinedeutscheLandstreitmachtungehindertdurch ganzSüdhollandzurKüstevorstoßenkonnte,istfürunsallehierein 212

Rätsel.EswarenmotorisierteKräfte,undinHollandgibtesmassen weise Kanäle und Flüsse auf ihrer Strecke. Man müßte doch davon ausgehen,daßdieHolländerzumindestdieBrückengesprengthaben. ...1914hatLüttich12Tagelangstandgehalten.Wennesjetztinnur4 [3!]Tagengefallenist,sosiehtdasschlimmausfürdieAllierten... ...für jeden erschossenen deutschen Fallschirmjäger [ohne Uniform] werden10französischeKriegsgefangenehingerichtet!Netteundan genehmeLeute,dieDeutschen.DaserinnertanGepflogenheitenvor 1000oder2000Jahren... Ich verbrachte heute einige Zeit in der [US]Botschaft. Jedermann niedergeschlagenangesichtsderMeldungen,diemeistendenkenam 4.TagderOffensive!,daßesvorbeiistmitdenAlliierten.“ Di14.05.: Während der bereits laufenden deutschniederländischen Kapitulationsverhandlungen greift das LuftwaffenKampfgeschwader 54Rotterdaman.NachAngabenderdeutschenPropagandakönnen noch43der100deutschenBomberdurchLeuchtsignalezumAbdre henveranlaßtwerden,dieübrigenlegendieStadtmit97tBombenin SchuttundAsche,900Rotterdamersterben.AlledeutschenFlugzeuge sindjedochüberFunkmitihremStützpunktverbunden. Abend. Die Niederlande kapitulieren durch ihren OB Gen Win- kelmann. DiedeutschenTruppendurchbrechendie2.belgischeVerteidigungs liniebeiNamurundstehenvorBrüssel. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.14.05.: „Die holländische Armee hat kapituliert... Was ist mit ihren über ½ MioSoldaten? ...UndwardenndiegesamteStadt[Rotterdam]mitihrenannähernd 500000EinwohnerneinmilitärischesZiel,dasmanzuvernichtenhat te? ...WiesträflichvondenBritenundFranzosen,ihreLuftwaffesolange vernachlässigtzuhaben! Die Art und Weise, wie der deutsche RundfunkjedenneuenErfolg ankündigt, ist ein wenig ermüdend. Das Programm wird unterbro chen,Fanfarenerklingen,dannwirddasKommuniquéverlesen,und zum Schluß singt ein Chor den gegenwärtigen Schlager ‘Wir fahren 213

genEngelland’.BeidengroßenSiegenfolgendannnochdiebeiden Nationalhymnen.“ Mi15.05.:DeutscheTruppendurchbrechenbeiSedandieMaginotlinie und überqueren an zwei Stellen die Meuse, bei Sedan undzwischen Namur und Givet. Es beginnen heftige Panzerkämpfe westlich der Meuse. Die alliierte Frontlinie verläuft von AntwerpenLouvain NamurdieMeuseabwärtsbisSedan. Abend. Das OKW droht mit der Flächenbombardierung Brüssels, wennnichtsämtlicheTruppenbewegungenBelgiensunverzüglichein gestellt werden: „Wenn die belgische Rg. Brüssel die Schrecken des Kriegesersparenwill,somußesunverzüglichsämtlicheTruppenbe wegungeninderStadtsowiedieBefestigungsarbeitenstoppen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.15.05.: „FastallemeineFreundehabendieHoffnungaufgegeben,ichnoch nicht...UnsereMilitärsmachendaraufaufmerksam,daßdieEntschei dungsschlacht noch nicht begonnen hat, daß die Deutschen noch nichtgegendieHauptkräftederfranzösischenundbritischenArmeen angestürmtsind.UnddieBelgierhabenimmernoch½MioMänner imKampf... HeutehabensichdieGerüchteausRomverstärkt,daßItalienandie sem Wochenende in den Krieg eintreten könnte,nun,daessoaus sieht,alswürdendieDeutschensiegen... Der Grund für die gestrige Kapitulation der Holländer scheinen die schrecklichenBombardementsvonRotterdamgewesenzusein,dazu dieDrohungderDeutschen,mitUtrechtundAmsterdamingleicher Weisezuverfahren.“ Do16.05.: Der vom RVertR hierzu bevollmächtigte (s. Feb./März) GenGouv Frank gibt den Befehl zum Beginn der „Außerordentlichen Befriedungsaktion“ (AB-Aktion): Über 3500 Angehörige der polnischen Intelligenz (Lehrer, Priester u.a.) werden in Massenerschießungen von den deutschen Besatzern ermordet, ferner 3000 Polen, die von deutschen Stellen als „Kri- minelle“ eingestuft werden. (Die Aktion soll bis 15. Juni dauern, wird aber erst im Herbst beendet.) 214

Die New York Herald Tribune plädiertfüreinenKriegseintrittderUSA anderSeitederAlliierten. US-Präs. Roosevelt hält eine Ansprache im Kongreß: Die USA sollen 50000 Flugzeuge pro Jahr bauen und bestellte Flugzeuge unverzüglich an die Alliierten ausliefern. Die Alliierten verfügten derzeit über 10000 Maschinen, die Deutschen dagegen über 20000 mit steigender Tendenz. Roosevelt erhält starken Beifall. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.16.05.: „HiergibtesheuteBerichteüberverstärktedeutscheAktivitätenent langderschweizerischenGrenze... ...P.,stetsgutinformiertüberdiedeutschenPläne,glaubt,daßHitler innerhalb der nächsten 48 Stunden Paris und London konzentriert bombardierenwird. EbenhabeichaufunsererPressekonferenzimRMVPzweinochun zensierteWochenschauengesehen.BildervomVormarschdesdeut schen Heeres durch Holland und Belgien. Man zeigte einiges mehr von dem Vernichtungswerk deutscher Bomben und Granaten. Ver wüsteteStädte,herumliegendetoteSoldatenundPferde,aufspritzende ErdeundSchlammbeidenExplosionen.DazudiegellendeStimme desKommentators:‘UndsobringenwirTodundVernichtungüber unsere Feinde!’ Irgendwie symbolisierte derFilmfürmichdasdeut scheVolk. BeiSonnenuntergangunternahmenJoeHarschundicheinenSpazier gangimTiergarten.Wirstimmtenüberein:diegrausameVernichtung desGegnersdurchBombenundStahlbedeutetfürdasGermanentum dieErfüllungeineshehrenZiels,etwasWunderbaresjagtihreHäu ser,ihreFrauenundihreKinderindieLuft!WennderGegneraber umgekehrtdasselbetut,dannistereinBarbar,derdenUnschuldigen vernichtet.WirerinnertenunsaneinenBerichtausFreiburginnerhalb der Wochenschau... Der Kommentator dazu aufgebracht: ‘So bom bardieren und töten und morden unsere brutalen und skrupellosen GegnerunschuldigedeutscheKinder.’... Hörte auf Kurzwelle Roosevelt bei seiner Sonderbotschaft an den Kongreß...EingutesGefühl,daßsieendlichaufwachendaheim...Die Deutschensagen,wirkommenzuspät... 215

Wir stehen am Vorabend einer großen Schlacht, vielleicht der Ent scheidungsschlacht des Krieges... Ihr [der Deutschen] Vormarsch scheint gestern an der Meuse undweiternördlichanderDyleLinie zumHaltengebrachtwordenzusein.AberdiesistnureinAtemho len...“ Fr17.05.: 15 Uhr. Das OKW gibt bekannt, daß die deutschen Truppen die belgische Verteidigungslinie an der Dyle durchbro- chen und die NO-Flanke der Befestigungen von Namur einge- nommen haben. Auf 100 km Länge ist die Maginotlinie Frank- reichs durchbrochen worden, von Maubeuge bis Carignan süd- östlich von Sedan. Abend. Die BBC meldet Kämpfe zwischen alliierten und deutschen TruppenbeiRethel,aufhalbemWegzwischenReimsundSedan.Der deutscheRundfunksprichtvoneiner„SchlappederFranzosen“.Die DAZ schreibtinihremLeitartikel,diegroßeEntscheidungdesKriegs seinochnichtgefallen,DeutschlandhabenocheinenlangenWegvor sich. Spätabends.DasOKWgibtbekannt,daßdeutscheTruppenbeiSon nenuntergangnachdemDurchbruchderalliiertenVerteidigungslinien nördlich und südlich von Louvain Brüssel eingenommen haben [20 Uhr]. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.17.05.: „...esscheintfast,alswürdeunsereHilfezuspätkommenvorallem diedringendbenötigtenFlugzeuge,dieRooseveltgesterndenAlliier tenversprochenhat.. Eswarheutewarmundsonnig,ausdemapathischenundhöchstfau lenVerhaltenderBerliner,dieheuteimTiergartendieSonnegenos sen,kannmankaumentnehmen,daßeineentscheidende,vielleicht die entscheidendeSchlachtdesKriegesimGangeist.KeineinzigerLuft alarmhierseitBeginnderneuenOffensive,wiewohlwirhören,daß dieStädteanRheinundRuhrnachtsangegriffenwerden.“ Sa18.05.:DeutschlandannektiertdiebelgischenGebieteEupen,Mal médyundMoresnet.DiedeutschenTruppenerobernAntwerpen. Abend.Die Berliner Börsenzeitung schreibt,daßdiedeutschenTruppen, diesichvonNOParisnähern,dieHauptstadtwahrscheinlichnichtdi 216

rektnehmen,sondernnachNWzudenKanalhäfenvorstoßenwür den,umGroßbritannienvonFrankreichabzuschneiden.Einezweite deutscheArmeekönnteinderGegenrichtungdieMaginotlinievonih rerRückseiteangreifen. So19.05.: FRK Hitler ernennt RMoG Arthur SeyßInquart zum ReichskommissarfürdiebesetztenniederländischenGebiete(RKom BesNdl). WilliamShirer,AachenHotelInternational,Tgb.v.19.05.: „Das Erstaunlichste hier im Ruhrgebiet... ist die Tatsache, daß die nächtlichenbritischenLuftangriffebishernursehrgeringenSchaden angerichtethaben. Ichhattegeglaubt,dienächtlichenBombardementsaufWestdeutsch land,vonderentödlicherWirkungdieBBCseitBeginnderWestof fensive tönt, hätten die Moral derBevölkerungbeeinträchtigt.Doch wir sahen während unserer Fahrt durch das Ruhrgebiet den ganzen NachmittaglangdieMenschenbesondersFrauenaufdenBrücken überdenHauptstraßenstehenunddenTruppenzujubeln,dieinRich tungBelgienundFrankreichdurchfuhren... Das riesige Eisenbahnnetz und die Brücken rund um Essen und Duisburg, laut BBC Opfer britischer Bombardements, waren unver sehrt. Die Rheinbrücken von Köln unangetastet. Aus den Fabriken desRuhrgebietsstiegderRauchwiegewöhnlich... 3Uhrmorgens.Sie[diebritischenBomber]sindum¼3gekommen... Nach dem Geräusch ihrer Motoren und dem Feuer des Geschützes aufdemetwa100mentferntenBahnhofzuurteilen,habendieBriten denEisenbahnknotenpunktAachenangegriffen.“(S329332) Mo20.05.: Die SS errichtet das KZ Auschwitz I als Hauptlager und Zentrale des dreiteiligen Komplexes. WilliamShirer,Aachen,Tgb.v.20.05.: „KurznachdemMorgengrauenfuhrenwirvonAachenauszunächst durchdieholländischeProvinzLimburgnachMaastricht.KaumAn zeichendafür,daßdieHolländerhiervielGegenwehrgeleistethaben. Die Häuser intakt, die Fensterscheiben ganz. Gelegentlich ein von MGFeuergetroffenerkleinererholländischerUnterstand...Eineein 217

zigeBrücke,übereinenBachführend,istbeschädigtworden.Daswar alles. Bei Maastricht überquerten wir die Maas. Der Fluß ist hier schon ziemlichbreitundbildeteinenatürlicheVerteidigungslinie,obwohldie Holländersiekaumgenutzthaben.BeimSprengenderBrückengin gensieäußersthalbherzigvor.Zweimalsahich,daßvon7oder8Bö gennureinerindieLuftgejagtwordenwar.DieDeutschenmachten sieinnerhalbwenigerStundenmittelsstählernerErsatzkonstruktionen wiederpassierbar... Am Albertkanal angekommen. Mit seinen steilen Ufermauern, 10 m hoch,diedieBelgierzementierthatten,warereinevorzüglicheVer teidigungslinie,besondersgegenPanzer.NurdaßdieBelgierdieBrü ckennichtgesprengthatten... ...deutscheFallschirmjägerstürmtenausdemHinterlandaufdieBrü cken vor, erledigten die zur Bewachung eingesetzten MGPosten, überwandendieMGNesterunddurchschnittendieZündkabel... ...dieFallschirmjäger,diesichvonhintengenäherthatten,mitFlam menwerfernausgerüstetwaren,mitderenHilfesiedenBunkereinfach ausgeräucherthaben... DiemotorisiertendeutschenTruppenhattendieholländischeGrenze 20Meilenvonhierentferntum5Uhrfrühüberschritten,um10rück tensiebereitshierüberdenKanalnachBelgienvor... OffenbarwarendieBelgierausanderemHolzgeschnitztalsdieHol länder.AmAnfangkämpftensiewiedieLöwenundverteidigtenjedes einzelneHaus. ...Tongres... Ein großer Teil der Stadt... liegt in Trümmern. Sturz kampfbomber und Artillerie, erläuterte ein Offizier... Die Stadt war völligmenschenleer. ...St. Trond... an Nachschubkolonnen und vorrückenden Truppen vorbei...seltsam,nochkeineinzigesalliiertesFlugzeug... ...Louvain...Alswirum¼10indieStadtkommen,sinddiezerstörten Straßenverlassen.KeineinzigerZivilististzusehen,nureinigeSolda ten,ArbeitsdienstlerintschechischenUniformen...sowieAngehörige der Organisation Todt mit ihren gelben Armbinden und der un scheinbarenArbeitskleidung. ...lebteninLouvain41000Menschen...AusFurchtvordenNazihor den und in der Erinnerung daran, wie 1914, als die Deutschen das 218

letzteMalhiereinfielen,200BürgerderStadtalsVergeltungfüreinen angeblichen Hinterhalt als Geiseln erschossen worden waren, hatten sievorAnkunftderDeutschenihrenOrtfluchtartigverlassen. ... Brüssel... An wie vielen Tagen und Nächten bin ich diese Straße entlanggelaufen, in Friedenszeiten,... habe die Straßen voller guter Dingegenossen,diemaninDeutschlandniemalssahOrangen,Ba nanen,Butter,Kaffee,Fleisch... Wir zahlen in Mark, zumabsurdenUmtauschkursvon10bfr.für1 RM... Sie kaufen Schuhe, Hemden, Regenmäntel, Damenstrümpfe, einfachalles... Die Straßenbahnen fahren, aber privater Autoverkehr ist untersagt. Die Deutschen haben die meisten Privatfahrzeuge beschlagnahmt. DasTelefonaußerBetrieb.DieKinosgeschlossen,aufdenPlakaten sind noch die amerikanischen und französischen Filme angekündigt. Das Heer hat das Abhören ausländischer Sender verboten...“(S332 349) Di21.05.:FRKHitlererörtertmitOBMRaederdieMöglichkeiteiner InvasioninGroßbritannien.Raedervergewissertsich,daßimFalleei nesInvasionsentschlussesZeitfüreinedetaillierteVorbereitungblie be.Hitlersagt,er„wissedieaußerordentlichenSchwierigkeiteneines solchenUnternehmensvollzuwürdigen“. DeutscheundalliierteTruppenliefernsichnaheLeuzeundRenaixan derbelgischenScheldeeineSchlacht. WilliamShirer,Aachen,Tgb.v.21.05.: „[GenWaltervon]Reichenausagte,diebisherigendeutschenVerluste seienvergleichsweisegering,etwaeinZehntelderZahlderalliierten Kriegsgefangenen. Diese wurde zuletzt offiziell mit 110000 angege ben,ohnedie½MioHolländer,diesichergebenhaben... Infanteristen... bahnen sich in mehreren Abteilungen den Weg zum Fluß[Schelde].SchwereArtillerie,16cmGeschütze,wirdmitfast70 km/h von SpezialLkw einen Hügel hochbefördert und in Stellung gebracht...Dochesistoffensichtlich,daßdiesemotorisiertedeutsche Artillerie, die direkt hinter den mit 40 km/h vorwärts stürmenden PanzerninStellunggebrachtwird,einenentscheidendenFaktordar stellt.DieAlliiertenhabenwahrscheinlichnichteinberechnet,daßman 219

Artilleriesoschnellbewegenkann.UmunsherumfeuerndieDeut schenjetztmit15cmKanonenund105ern... Ichbemerke,daßdenganzenNachmittagüberzweibisdreideutsche BeobachtungsflugzeugeüberderFrontkreisen.Offenbardirigierensie dasArtilleriefeuer.SieziehenunbehelligtihreBahnüberdasSchlacht feld.DochestauchenkeineFlugzeugeauf,umdasArtilleriefeuerder Alliiertenzulenken,dassichausschließlichaufdievorderenStellun genderDeutschenrichtet,zukeinerZeitaufdieäußerststarkedeut scheArtillerie...TatsächlichhabenwirdenganzenTagüberkeineein zigealliierteMaschinezuGesichtbekommen.“(S349358) Mi22.05.: HptErnstJünger,Welschbillig,Tgb.v.22.05.: „Während des Marsches erfuhren wir in den Dörfern und kleinen Städten [bei Trier] durch Lautsprecher von den gewaltigen Erfolgen desAngriffs,vondenenich,demdieungemeineZähigkeitderFron tendurchhundertfacheErfahrungzueinerArtDogmagewordenist, besondersüberraschtwurde.“ Do23.05.: HptErnstJünger,Lintgen(Luxemburg),Tgb.v.23.05.: „BeiEchternachüberdieluxemburgischeGrenze,derenÜberschrei tenichmiteinem‘Ranwecke!’markierenließ.DasersteHausander Grenze war durch die Sprengung des Brückenhindernisses zerstört. VondenFensternhingendieJalousienherab.Hinterdemsehrsaube renOrtanderStraßewiedereinigeTrichter;hierhattemanwohleine Sperregesprengt.DurchAltrier.Mittagsrast... StarkerMarschnachLintgen,dortbeieinemBäckerimQuartier.Der Ort war überfüllt von Soldaten und Flüchtlingen. Auch bei meinem BäckermeistertrafichvertriebeneLuxemburgeran.Sounterhieltich michbeimAbendessenmiteiner50jährigenFrau,die,wennichden Namen recht verstand, in Düttweiler gewohnt hatte, wo der Vor marschaufdiefranzösischeGrenzegestoßenwar.Siehattesichbei denGefechten,diedortentstandenwaren,indenKellerbegebenund darineinigeTageverbracht,währendGranatenihrenGartenverwüs teten.EinevonihnenrißdenErkerihresHausesein,eineanderefäll tedenaltenApfelbaum.SplitterdurchsiebtendasDach,dieHühner 220

lagenmitabgeschlagenenKöpfenimHof,dieSchweineentliefenaus demzerstörtenStall;dasBett,dassieimKelleraufgestellthatte,wa ckelte... Übrigens hatte sie noch bleiben wollen, wir hatten indessen denOrtgeräumt. AufdemMarscherfuhrichdurchUrlauber,daßdieWerkevonMiß burg,ganznahebei[JüngersWohnort]Kirchhorst,durchBombenge troffensind.IchdachtedabeianPerpetua,dieKinder,meineSamm lungenundManuskripte,diedortunterdemDachbodenlagern...Das istinderTatdertotaleKrieg,währenddessenmananjedemPunkte derExistenzgefährdetist.“ Fr24.05.:VierFünftelvonBelgiensindunterdeutscherBesatzung,ei ne alliierte Streitmacht von 1 Mio Mann, darunter die besten briti schenundfranzösischenArmeen,istamÄrmelkanaleingeschlossen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.24.05.: „DieMoralderdeutschenTruppenaußergewöhnlichgut.Icherinnere mich an eine Kompanie von Pionieren, die gerade dabei war, zur Scheldezufahren,umdortunterfeindlichemFeuereinePontonbrü ckezuerrichten.DieMännersaßenkurzvorBeginnderOperationan einem Waldrand und lasen die neueste Ausgabe der Armee Tageszeitung Die Westfront .NiemalszuvorhabeichMänner,diedabei waren,ineineSchlachtzugehen,vondermitSicherheiteinigenicht lebendzurückkehrenwürden,solässig,jasogleichgültigerlebt.“ HptErnstJünger,Rambruch(Luxemburg),Tgb.v.24.05.: „WirmarschiertendurchdieangenehmeluxemburgischeWeideland schaftbisRambruch...“ Sa25.05.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.25.05.: „Deutsche Militärkreise hier haben heute abend ein klares Wort ge sprochen.Siesagten,dasSchicksalderinFlandernstehendenalliierten Hauptkräfteseibesiegelt.“ AndréGide,Frankreich,Tgb.v.25.05.: „...systematischeEntindividualisierung...Dadurchvorallem,scheintes mir,setztsichderHitlerismusimGegensatzzumChristentum,jener unvergleichlichenSchulederIndividualisierung,wojederkostbarerist als alle. Den individuellen Wert leugnen, sodaßjeder,indemermit 221

derMasseverschmilztundZahlwird,unbegrenztersetzbarerscheint; daß,wennFriedrichundWolfgangsichtötenlassen,Hermannoder LudwigihreSacheebensogutmachenwerden,unddaßesnichtstatt haftist,sichüberdenVerlustdeseinenoderdesanderenallzusehrzu betrüben.“ HptErnstJünger,Neufchâteau(Belgien),Tgb.v.25.05.: „Am Morgen Abmarsch über Martelange. Dort war die Brücke zer stört,auchvieleHäuser,wohlinfolgevonSprengungen.Hierunddort sahmandieBauernschonwiederaufdenFeldernarbeiten... Bolanges, Fauvillers, Vitry. Auf diesem Wege Spuren von Kämpfen zwischen Aufklärungsabteilungen, sehr übersichtlich, wie für einen taktischenSpaziergangaufgebaut.MansahHäufchenvonHülsenan denStraßenrändern,danebenGräber,dannSpurenvonPanzerwagen, die sich auf den Feldern entwickelt hatten und von denen einer im Feuergebliebenwar,undendlicheineStraßensperre,wiedermitGrä bernundbelgischenStahlhelmendarauf... InNeufchâteauschlugenwiramStadtrandZelteauf.DieStadtmacht einenanarchischenEindruck.DergrößteTeilderEinwohneristge flüchtet,dieHäuserstehenleer,derHausratistzusammengeworfen. Ich teilte Nachtstreifen zur Aufrechterhaltung der Ordnung ein und unterrichtete die Mannschaft nochmals darüber, daß kein Grad der Zerstörung Übergriffe in Dingen des Eigentums rechtfertigen kann. ZurVeranschalulichungließichdasStroh,dasichfürdieZelteausei nernahenScheunebeigetriebenhatte,vorderFrontdurchdenRech nungsführerschätzenundseinenPreisderBesitzerinsogleichbaraus zahlen... Gegen2UhrmorgensFlakfeuerimOrt,dochkeineAbwürfe.Tags über,wieimmer,nurdeutscheMaschinen.“ So26.05.:DiedeutschenTruppenerobernCalais. RMVP Goebbels veröffentlicht die Nr. 1 der Wochenzeitung Das Reich . HptErnstJünger,Givonne(naheSedan),Tgb.v.26.05.: „Um 5 Uhr Abmarsch über Bertrix und Fays-les-Veneurs. Wie- der die starken Zerstörungen. Die Einwohner scheinen in großer Eile geflohen zu sein... Die Kühe stehen mit überfüllten, ge- 222

schwollenen Eutern auf den Wiesen, von denen ihr klagendes Brüllen herübertönt... Im Walde vor FayslesVeneurs begegneten wir einer Kolonne von über 4000 Gefangenen, fast nur Farbigen, die gleich einer Kostüm und Völkerschau an uns vorbeizogen. Auch einige Europäer waren darunter,diemeistenmitWeltkriegsordenundschonweißemHaar... WährenddesganzenNachmittagsmarschiertenwirdurchausgedehn te Ardennenwälder bergauf, bergab. Über die französische Grenze daichinAbwesenheitdesKommandeursgeradedasBataillonführte, sandteicheinenMelderzurück,umSpinellidas‘Ranwecke!’aufzutra gen.AmWegewiederausgebrannteAutos,abgeschosseneFlugzeuge, Gräber,Hausgerät.DieWagenderFlüchtlingegleichenSchiffen;man siehtdasStrandgut,wosiegescheitertsind.AuchtotePferdebeiei nemganzvonFliegenbedeckten,andemwirvorbeikamen,meinteein Melder:‘Derkochtschonvoninnen’...BeieinerderRastenbesahich einkleinesWerk,das,wohlumPanzerwagenaufzuhalten,guteinge bautaneinemKnickderStraßelag.DiezierlichenGeschützelugten nochdurchdieScharten,HaufenvonHülsenwarenumsieverstreut... DurchBouillon[Belgien],daseinealteBergfestungüberragt.Inmitten derStadtzertrümmerteHäuser,niedergeworfeneStraßenzüge,beson dersringsumdiealteBrückeinihremKern.LeutekamenmitWein flaschen vorbei; ich entsandte [Jüngers Ordonnanz] Rehm mit dem Fahrrad, um die Quelle aufzuspüren; er kam mit einigen Bouteillen Burgunder zurück. Wie er erzählte, war er in einem Heeresmagazin gewesen, in dessen Keller eine stark angeheiterte Gesellschaft bei sammensaß.ÜberhauptistdieVormarschstraßevonSekt,Bordeaux undBurgunderflaschengesäumt.Ichzähltewenigestenseineaufden Schritt, abgesehen von den Lagerplätzen, die so aussahen, als ob es Flaschengeregnethätte... QuartierinGivonne,mitMassenunterkunftimSchloß.ImOrtstarke Verwüstungen;oftwarenandenStellen,andenendieHäusergestan denhatten,nurungeheure,mitgelbemWasserangefüllteTrichterzu sehen. Im Park frische Gräber deutscher Sanitätssoldaten, die dort durchBombentreffergefallensind.DasAutodesBesitzersliegt,die Rädernachoben,imSchloßteiche.“ Mo27.05.: 223

HptErnstJünger,Boulzicourt,Tgb.v.27.05.: „Um8UhrAbmarsch.ÜberalldieTotenstille,diemirbereitsinBel gienaufgefallenwar.DieLandschaftistgeräumt... NochindenMorgenstundenrücktenwirinSedanein.DieStadtwar starkzertrümmert;großeHäuserwarendurchBombentreffernieder gestampft,andereihrerFassadenberaubt,sodaßmanwieaufarchi tektonischenQuerschnittendasInnerevonZimmernundprunkvol lenSälensah,auchWendeltreppen,dieinderLuftschwebten... Wir verließen die Stadt auf der Straße nach Donchery... Mein Kü chenunteroffizier, der eine Zeitlang neben mir marschierte, erzählte mir,daßseinGroßvater1870,seinVater1914underjetzt1940durch diesenOrt[Sedan]gezogenseien. NichtfernvondemberühmtenHäuschenstandderGeneralamWe ge,begrüßtedieKompanieundfragte,währendichimVorüberreiten meldete,nachmeinemWohlergehen. ‘Danke,gut,HerrGeneral.Darfmandennhoffen,daßmannochins Feuerkommt?’ ‘Siekommen,SiekommenbeiSaintQuentin.’ Weiter durch diese erstaunlichen Landschaften... Sehr merkwürdig war,daßindenOrtenlangeReihenvonStühlendenBordsteinsäum ten,vomeinfachenKüchenschemelbiszumprunkvollenSesselinRot undGoldaberalleleer,alssäßenGeisterdarauf.Übrigensfragteich deneinzigenEinwohner,denichantraf,nachdenVorgängenerer zählte mir, daß Militär mit Lastwagen erschienen sei,zurDurchfüh rung der Räumung binnen kürzester Frist. Der Maire sei betrunken gewesen und die Unordnung außerordentlich. Das tröstete mich ein wenig,dennicherkannte,daßdieBilder,diemichbedrücken,inder NaturderSacheliegenundnichtaufunsalleinzurückzuführensind... DasGanzeisteinungeheuresFoyerdesTodes,dessenDurchschrei tungmichgewaltigerschütterte... WährenddesMarschesunterhieltichmichhinundwiedermitunse remWaffenunteroffizier...Someinteer,esseiseltsam,daßmanalle Musikinstrumentebestimmtamerstenzertrümmertträfedasistein SymbolfürdenunmusischenCharakterdesMars...DieSpiegeldage genseienmeistunbeschädigtererklärtedasdaraus,daßmansiezum Rasierenbrauche... ...IneinemWaldstückTanks,darausLeichengeruch.“ 224

Di28.05.: Morgengrauen. Belgiens König Leopold kapituliert bedingungslos. Das OKW verkündet, daß damit die Lage der britischen und französischen Armee „hoffnungslos“ geworden sei. Morgen. Der französische PM Reynaud beschuldigt König Leopold desVerratsandenAlliierten.DasbelgischeKabinetthattemitMehr heitgegendennichtmitdenAlliiertenabgestimmtenSchrittdesKö nigsvotiert.PMChurchillsagtvordemUnterhaus,erkönnezuder EntwicklungnochkeinUrteilabgeben.Esseischonbaldmiterneuten schlechtenNachrichtenzurechnen. DiedeutschePressejubeltüberdenSiegüberBelgieninnur18Ta gen. Der Rundfunk gibt erstmals aus dem Führerhauptquartier (FHQ)eineSondermeldungbekannt,die„diedeutscheNationmit StolzundFreudeerfüllenwird:AusdemFHQwirdmitgeteilt:Beein drucktvonderVernichtungskraftderdeutschenWeM,hatderKönig derBelgierentschieden,weiteremsinnlosenWiderstandeinEndezu setzenundumeinenWaffenstillstandnachzusuchen.Erhatdiedeut scheForderungnachbedingungsloserKapitulationangenommen...“ Abend. Die Presse titelt: „ Churchill und Reynaud beschimpfen König Leopold! - Die Feiglinge in London und Paris ordnen Fortsetzung des Selbstmords in Flandern an “. Der Rundfunk kommentiert: „Leopold hat gehandelt wie ein Soldat und Mensch.“ OBL Göring kündigt an, daß wegen „Meldungen über die Miß- handlung gefangener deutscher Flieger durch die Franzosen“ sämtliche französischen Flieger in Ketten gelegt worden seien. Für jeden erschossenen deutschen Flieger würden unverzüglich fünf französische Flieger liquidiert. Auf jeden beim Fallschirm- absprung erschossenen Deutschen kämen 50 erschossene Fran- zosen. Diese Erschießungsregel werde nicht auf Engländer an- gewandt, „da diese bisher keinen Anlaß zu derartiger Vergel- tung gegeben haben“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.28.05.: „B.,dervergangeneWocheinRotterdamwar,berichtet,daßdieStadt imwesentlichenerstzerstörtwurde, nachdem siesichergebenhatte... Das RMVP hat uns heute abend eine Kriegswochenschau über die KämpfeinBelgienundFrankreichvorgeführt... 225

Er [der Kommentator] hatte eine kratzende, grausame Stimme, und gegenEndedesFilmssteigerteersichinWellendesSadismushinein. ‘Schaut auf die Vernichtung, schaut auf die in Flammen stehenden Häuser’, schrie er. ‘So wird es allen ergehen, die sich Deutschlands MachtindenWegstellen!’ WirdEuropaschonbaldvonsolcheinemVolkregiertundbeherrscht werdenvonsolcheinemSadismus?“ HptErnstJünger,Doumely,Tgb.v.28.05.: „...Abmarschgegen10Uhr... Weiter über VillerssurMont, PoixTerron, Montigny sur Vence... Leere,wüsteHäuser,totePferdeundaufdenWeideneinsames,brül lendesVieh.MittagsrastinLaLobbe...“ Mi29.05.: DiePressetitelt:„ Lille, Brügge, Ostende eingenommen! Ypern gestürmt! Dünkirchen bombardiert! Schicksal der einge- schlossenen alliierten Truppen besiegelt! “ DasOKWgibtbekannt:„DasSchicksalderfranzösischenArmeebei Artois ist besiegelt. Ihr Widerstand südlich von Lille [zwischen Lille und Douai] ist zusammengebrochen. Die englische Armee, die im GebietumDixmude,Armentières,BailleulundBergueswestlichvon Dünkirchen eingeschlossen ist, steht unter unserem konzentrierten AngriffvorderVernichtung.“ Die Briten starten bei Dünkirchen eine große Operation, um ih- re British Expeditionary Forces (BEF) mit 50 Schiffen nach Großbritannien zu transportieren. Geschütze, Panzer und Aus- rüstungen müssen aber zurückgelassen werden. London meldet, Großbritannien kämpfe „in der größten Rückzugsaktion seiner Geschichte“. DeranderWestfrontgefalleneKronprinzWilhelmvonPreußenwird beieinemBegräbnisinPotsdammitmilitärischenEhrenbeerdigt. Abend. Die Luftwaffe droht mit Vergeltung für die von briti- schen Bombern in deutschen Städten angerichteten Schäden. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.29.05.: „Waskommtdennalsnächstes,wenndieBritenundFranzosen...‘in den Taschen verschwinden’, wie die Deutschen es ausdrücken? Die ersteInvasionEnglandsseitdemJahre1066?... 226

DiemeistenMenschenhierdenken,daßHitlerversuchenwird,Eng landzuerobern.Vielleicht.Ichbinmirnichtsicher.Möglichwäre,daß erzunächstFrankreicherledigenwird.“ HptErnstJünger,BucylesPierreponts,Tgb.v.29.05.: „...wireigentlich90kmmitlängererPausegeschaffthaben. DurchPorcien,Wadimont,Fraillicourt.DasistdieGegen,inderich 1915lag... GleichimerstenOrte,Adon,frischeGräberamDorfplatz,wovor gestern[27.05.]eineFeldküchebeiLichtEssenausgabunddabeiei nemFliegerGelegenheitzumAbwurfbot.32Tote.Uniformfetzenla gennochumher. DerMarschwaranstrengend;dieLeutehieltensichgut.Anderemö genimGefechtdasselbeleistendochwiesienachschweremMarsch, unausgeruht,ohneeinWortdesWiderspruches,jaselbstderEnttäu schung,denBefehlzumneuenAufbruchentgegennehmen,dasistau ßerordentlich.Schweigendundsehrbescheidenmarschierensiebisan dieGrenzenmenschlicherKraft... AmAbendkamenüber1000gefangeneFranzosendurchdenOrt.Ich unterhieltmichmiteinigen;sieerzählten,daßderKriegfürsienur10 Minutengedauerthabe,währendderensie,wieeinElsässersagte,von einemdeutschenPanzerregiment‘fertiggemacht’wurden.“ Do30.05.: Zwei deutsche Fliegerkorps bombardieren die 50 briti- schen Transportschiffe vor Dünkirchen . Die Briten setzen Hun- derte Flugzeuge ein, um die Rettungsflotte zu schützen. Die Deutschen behaupten den Abschuß von 68 britischen Maschi- nen, die Briten den Abschuß von 70 deutschen Flugzeugen. DieResteder3abgeschnittenenfranzösischenArmeen(1.,7.und9.) inFlandernundArtoisstehenvorderVernichtung. Die Briten fliegen schwereBombenangriffeaufHamburg.Siezielen vor allem auf Öltanks. Die meisten FlakGeschütze sind von Ham burg an die Front abgezogen worden. Die Hamburger reagieren er regt,dieBehördenbeorderndieFlakGeschützezurück. Der VB nennt die Franzosen „entartet, negroisiert, dekadent“. Sie quältendeutscheFliegerundwürdendafürinKürzebitterzubüßen haben.DiePresseinsgesamtfordertgegenFrankreichRevanche. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.30.05.: 227

„EindeutscherBesuchersagteheuteinmeinemBüro:‘WievieleJahre wirdwohlderKriegdauern?’ImLichtderletztenMeldungenüber raschtemichdieseFrage.NochvergangeneWochewolltendreiLeute vonderWilhelmstraßemitmirwetten,daßdieDeutschenindreiWo cheninLondonseinwürdendaswärein14Tagen. Mein Besucher erwähnte auch eine Tatsache, die mich bewegt: die deutschen Verluste und die Unruhe unter der Bevölkerung, die auf HitlersGebotnichtwissendarf,wergetötetwurdeundwiehochdie Verluste sind. (Er verbietet die Veröffentlichung von Gefallenenlis ten.)...NichteinmalderPreisderInvasioninNorwegenistbisjetzt bekannt.DieletztenZahlen,diederDeutschelesenkonnten,betrafen dieInvasioninPolen.Undselbstdawarerskeptischinbezugaufdas, wasHitlerveröffentlichenließ... VielGeredehierüberunmittelbarebevorstehendegroßeBombenan griffeHitlersaufLondonundParis.EinePresseundRadiokampag ne,umdieMenschendaraufvorzubereiten,läuftbereits... DerdeutscheBotsch.inBelgienschilderteunsaufderheutigenPres sekonferenzmitflammendenWorten,wieschlimmeraufseinerReise nachderSchweizvondenFranzosenbehandeltwordensei...Nurein weiteresBeispielfürdievorherrschendedeutscheEigenschaftderUn fähigkeit,sichauchnurfüreinenMomentdenStandpunktdesande renvorAugenzuführen.“ HptErnstJünger,Landifay,Tgb.v.30.05.: „Befehlsausgabe um Mitternacht. Bald darauf Wecken und Marsch überÉbouleau,Marle,leHérielaViéville... ToteTiere:vorallemPferde,starkaufgeschwollen... QuartierinLandifay,ineinemleerenHaus.“ Fr31.05.:FRKHitlerempfängtimFHQdenitalienischenBotsch.Al fieri,umübereinenKriegseintrittItalienszusprechen. DiedeutscheFrontinFrankreicherstrecktsichvonMontmédynach Dünkirchen. HptErnstJünger,Landifay,Tgb.v.31.05.: „RuhetaginLandifay... AmNachmittagGangdurchdietotenGehöfteunddienähereFlur... Ichbeobachtete,daßindervollkommenenEinsamkeit,entferntvon derTruppe,sichbaldeinGefühlderFurchteinstellt... 228

...InzwischenscheintbeidemewigenWettlaufvonFeuerundBewe gung [im Krieg] das Feuer wieder ins Hintertreffen geraten zu sein, undzwarderart,daßdieschnellenVerbändeoftweitvorderInfante rieoperierthaben.SomachtederMajoreinmaletwazweiTagesmär schevordereigenenInfanterieineinemSchloßQuartierunderfuhr dabeivonderSchloßherrin,diewohldiedeutschenUniformennicht kannte, daß die Zimmer schon vorbereitet seien freilich, wie sich dannherausstellte,füreinenenglischenStab...“ Sa01.06.:Die BZ am Mittag titelt:„ Katastrophe vor den Toren von Paris und London - Fünf Armeen abgeschnitten und vernichtet - Englands Expeditionskorps existiert nicht mehr - Frankreichs erste, siebente und neunte Armee ausgelöscht! “ DeutschlandwirftgroßeTruppenteileandieSommeunddieAisne, umgegendieArmeenvonGenWeygandzukämpfen. Abend.EineOKWSondermeldungbehauptet:„Restedergeschlage nenbritischenExpeditionstruppeversuchtenheuteerneut,mitkleinen BootenallerArtdieTransporterundKriegsschiffezuerrreichen,die vorDünkirchenaufSeeankern.DiedeutscheLuftwaffevereiteltedie seVersuchedurchpausenloseAngriffeaufdiebritischenSchiffe,vor allemmitJunkersStukas.NachdenbishereingegangenenMeldungen wurdendabei3Kriegsschiffeund8Transportermitinsgesamt40000 tversenkt;4Kriegsschiffeund14TransporterwurdeninBrandge schossenundschwerbeschädigt.40britischeFlugzeuge,diedieSchif feschützensollten,wurdenabgeschossen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.01.06.: „Tatsächlichhatman[dieDeutschen]großeTruppenkontingenteent langderFlüsseSommeundAisneinStellunggebracht...Entlangdie serLiniehatderfranzösischeGenWeygandzehnTagelangZeitge habt,seineArmeeninStellungzubringen.Daßersichnichtstarkge nugfühlte,nördlichderSommeeinenAngriffgegendiedortziemlich schwachendeutschenStellungenzustarteneineOperation,diebei ihrem Gelingen die französischbritischbelgischen Truppen in Flan dernhätterettenkönnen,hatdiedeutschenGeneräleendgültigda vonüberzeugt...,daßsiediefranzösischeGegenwehrziemlichleicht brechenunddannzügigbisParisundzudenHäfenderNormandie undBretagnevorstoßenkönnen. 229

VoneinemOffizierdesOKWhöreich,daßGottdenBritenschließ lich eine Atempause verschafft hat. Bei Dünkirchen herrschte zwei Tage lang dichter Nebel, so daß die Luftwaffe außerstande war, die Transportschiffezubombardieren,dieweiterhineiligbritischeTrup penaufsammeln.HeutehatdasWetteraufgeklärt,undGöringsBom ber sind zu ihrer Arbeit am Strand bei Dünkirchen zurückgekehrt... KeineErwähnung[inderOKWSondermeldung]deutscherVerluste inderLuft,ichnehmedeshalban,daßsiegrößerwarenalsdiebriti schensonsthätteGöringsieerwähnt.DerStukavomTypJunkers 87istfürdiebritischenJägereinerelativleichteBeute.“ HptErnstJünger,Gercy,Tgb.v.01.06.: „EinweitererRuhetaginLandifay... ImNachtmarscherreichtenwirGercy,wowirnurnocheinigewenige Einwohnerantrafen.WirwurdenzudrittbeieineraltenDameunter gebracht,dieunsempfing,alsobdasSchlimmstevonunszuerwarten sei.“ ImJunierreichtdieWaffenSSeineStärkevon100000Mann.

So02.06.:DasOKWmeldet:„InhartenKämpfenwurdederKüsten streifen beidseits von Dünkirchen weiter eingeengt, den die Briten auchgesternhartnäckigverteidigten.Nieuwpoortunddienordwestli cheKüstebefindensichindeutscherHand.Adinkerke,westlichvon Furnes,sowieGhyvelde,10kmöstlichvonDünkirchen,wurdenein genommen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.02.06.: „Gesternabend,kurzvorEinbruchderDunkelheit,gingichdenKur fürstendammentlang.ErwarüberfülltmitMenschen,dieinheiterer StimmungdiebreiteStraßeentlangflanierten.SiesaßenzuTausenden indenvielenCafésundschwatzteninallerRuheüberihremErsatz kaffeeodereinerPortionEis.SelbsteinigeschickangezogeneFrauen konnteichbeobachten.AmheutigenSabbat,einemwarmenundson nigen Junitag, begaben sich Zehntausende, meist mit Familie, in die WälderoderandieSeenaußerhalbderStadt.AuchderTiergartenwar sehrbevölkert.JedermanngenoßdieSonntagsluftunddasGefühlvon Müßiggang. 230

...DenletztenFliegeralarm,andenichmicherinnere,gabeshierim vergangenenSeptember.Danachgeschahweiternichts.“ HptErnstJünger,Gercy,Tgb.v.02.06.: „Gespräch mit der alten Dame, die 70 Jahre zählt.IhreKinderund Kindeskindersindgeflüchtet,ohnedaßsieweiß,wohin.Sieerzählte mir, daß bei unserer Annäherung eine Art von Panik ausgebrochen sei.IhreTochterhattesich,währendinderNähevonGercyeinklei nesGefechtentwickelte,mitdenKindernineinAutogeworfenund wardavongejagt,alsschonGeschosseumdenWagenherumsausten.“

Mo03.06:DerspanischeCaudilloFrancoerklärtsichineinemBriefan FRK Hitler grundsätzlich zum Kriegseintritt an der Seite Deutsch landsbereit. Das AA übergibt dem USGeschäftsträger Donald Heath eine Pres semitteilung,wonachderbritischeSecretServiceplane,diedreiUS Passagierdampfer„PresidentRoosevelt“,„Manhattan“und„Washing ton“imAtlantikzuversenkenunddiesdenDeutschenzuzuschieben. An alle Kommandeure deutscher Marinefahrzeuge sei Befehl ergan gen,nichtinderNähedieserdreiSchiffezufahren. Nachmittag.DiedeutscheLuftwaffebombardierterstmalsParis.Da beiwerden50Menschengetötetund150verletzt. CaudilloFranciscoFranco,SchreibenanFRKHitlerv.03.06.: „IneinemAugenblick,dadiedeutschenArmeenunterIhrerFührung diegrößteSchlachtderGeschichtezueinemsiegreichenEndebrin gen,mußichIhnennichtversichern,wiestarkmeinWunschist,Sie zuunterstützen,undwiegroßmeineBefriedigungseinwird,Ihnenje neDienstezuleisten,dieSiealsdiewertvollstenbetrachten...“ JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.04./03.06.: „Militärische Lage: es wird noch immer um Dünkirchen gekämpft. Die Schwierigkeiten des Geländes sind übermäßig groß... der Feind verteidigt sich zäh und hart... Die Engländer werden allein auf der Transportflotteca.100000MannVerlustehaben[richtig:wenigerals 50000].“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.03.06.: „DieSache[DeutscheWarnungandieUSAvonheute]mutetäußerst verdächtigan.WashindertdieDeutschen,dieseamerikanischenSchif 231

fezutorpedierenunddannlauthalszuverkünden,dieBritenhättenes getan...PeriskopevonUBootensindsehrschwerzuidentifizieren.“ HptErnstJünger,Gercy,Tgb.v.03.06.: „Ein zweiter Ruhetag in Gercy, dem vielleicht noch weitere folgen werden.NachdenOperationenimNorden[Flandern,Artois]findet wohleineneueBereitstellungderPanzertruppenstatt,zumStoßauf Paris.AuchunsereDivisionwirdihnbegleiten,dochhalteichesleider beidenneuenundunerwartetenAngriffsgeschwindigkeitenfürmög lich, daß wir Bewaffnete kaum zu Gesicht bekommen werden, falls nichtderVormarschinderMarnegegendeineStockungerfährt.Vor allembedenklichscheintesmirfürdenGegner,daßmankeinFlug zeugvonihmzusehenbekommt.“

Di04.06.: Die 18. Armee erobert die Kanal-Festung Dünkirchen. Das britische Expeditionskorps (215000 Mann) und 123000 fran- zösische Soldaten, 85% der dortigen Streitkräfte der Westmäch- te, werden von der 848 Schiffe unfassenden Rettungsflotte der aus Dünkirchen evakuiert und über den Ärmelkanal gebracht - das „Wunder von Dünkirchen“ ist der Überlegenheit der Flugabwehr der Royal Navy gegen die deutschen Bomber zu verdanken, die nur aus über 4000 m Höhe operieren können. 40000 französische Soldaten gehen in deutsche Gefangenschaft. DasOKWmeldetdie„offiziellen“ZahlenderVerlustebeiderWest offensive:10252Tote,8467Vermißte,42523Verwundete,432abge schosseneFlugzeuge.Deutschlandhabe1,2MioGefangenegemacht. DasKZNeuengammewirdvonSachsenhausenselbständig. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.04.06.: „DieseZahlensindäußerstfragwürdig.NochvordreiTagensprachen Militärkreise von der bevorstehenden Veröffentlichung und nannten etwa 35000 bis 40000 Tote sowie 150000 bis 160000 Verwundete. AberdiemeistenDeutschenwerdenalleZahlenglauben,diemanih nenbekanntgibt.“ HptErnstJünger,Tgb.v.04.06.: „NachmittagsBesprechungbeimObKöchling;esscheint,daßunse resBleibenshiernichtmehrlangeist.AbendswiederGangdurchdie verlassenenHäuser...“ 232

Mi05.06.:DiedeutschenTruppentretenzurOffensiveRichtungParis an. HptErnstJünger,Gercy,Tgb.v.05.06.: „Abends Essen beim Kommandeur. Beim Nachtisch erschien ein MeldervomRegimentmitdemBefehl,ineinerStundemarschbereit zusein.DerneueAngriffsollheutmorgenbegonnenhaben;wirhör tenhiernichtsdavon.IchschreibedieseZeilen,währendRehmbeim Packenist.“ Do06.06.:AufBefehlvonFRKHitlerläutenzurFeierdesSiegesin FlandernalleKirchenglocken,alleGebäudesindbeflaggt. In einer Proklamation an die WeM und das deutsche Volk kündigt FRK Hitler eine weitere Offensive imWestenan.Diesehatgestern begonnen.DieFrontverläuftauf200kmLängezwischenAbbeville und Soissons, mit dem größten Angriffsdruck entlang des Somme OiseKanalsundAisneOiseKanals. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.06.06.: „UnterderBevölkerungistjedochkeinewirklicheBegeisterungüber denErfolgauszumachen.KeinerleiEmotionen... Ichhabegehört,daßdieAlliiertenindenletztenNächtenMünchen undFrankfurtbombardierthaben.“ HptErnstJünger,Toulis,Tgb.v.06.06.: „MarschiertenbisToulis,wowirum4Uhrmorgensankamen.Quar tierineinemgroßenGutshof... Der Nachtmarsch führte oft an Kadavern vorbei. Zum ersten Male gingenwirgeradeaufdasFeuerlos,dasinnichtweiterEntfernungzu hörenwarmitschweren,brechendenEinschlägen.RechtsGruppen von Scheinwerfern, dazwischen gelbe, lang in der Luft schwebende, wohlenglischeLeuchtkugeln... GedankenbeimgestrigenNachtrittüberdieMaschineriedesTodes, dieBombenderSturzkampfflieger,dieFlammenwerfer,dieverschie denen Sorten der Giftgase kurzum das ganze gewaltige Vernich tungsarsenal,dasdrohendvordemMenschenzurEntfaltungkommt. AllesdasistnurTheater,reineSzenerie,diemitdenZeitenwechselt undetwaunterTitusnichtgeringerwar... Ewig dieselbe bleibt dagegen die absolute Entfernung, die uns vom Todetrennt.EinSchrittgenügt,siezudurchmessen...“ 233

Fr07.06.: Das OKW verkündet, daßdiefranzösischeWeygandLinie invollerFrontlängedurchbrochenwordensei. HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.07.06.: „ÜberNachtnochinToulis,wohlwegendesWiderstandes,dender AngriffvorunseremAbschnittgefundenhat.DerFranzoseverteidigt sichaufdenHöhenamAisneOiseKanal,undinnerhalbderNach mittagsstundendesgestrigenTagesgelangesder25.Division,indie Waldstücke südlich Sancy vorzustoßen. Unsere 96. Division bleibt vorerstinihremRaume,kannaberstündlichantreten. Gegen Mittag Abmarsch nach Laon, das weithin von seinem Berge sichtbarist.DieStadt,inderichschon1917weilte,lebtmiralsvorge schobeneromanischeKernzitadelleinderErinnerung... AmWegewiedertotePferde,davonzweiaufdemGrundwassereines riesigen Granattrichters treibend, auch zerschossene Tanks. Starke ZertrümmerungenandenOrtseingängenundindenVorstädten:Bar rikadenlandschaften. ...WährendichindieserPausemitSpinelliinbequemenRasierstühlen saß,diewirausdemLadeneinesCoiffeursaufdieStraßegeholthat ten,fuhrderGeneralvorbeiundriefmirzu,daßSoissonsheuteer obert,derAisnekanalandreiStellenüberschrittensei. QuartiereamStadtrand;ichzogmitdenbeidenOffizierenineineVil lamitgroßemGartenundgeräumigerTerrasseein.DadieKellerzum Teilnochträchtigsind,entsandteicheinFahrzeug,dasbaldmitRot weininFlaschenundFässernwiederkam...AusderEntferungeines kleinenMarsches,vomChemindesDames,töntdasSpielderArtille rien zu uns herüber: in einer langsamen Häufung von Einschlägen, stürzendenGebirgengleich.SiespinnensichinfürchterlicherUnter haltungfort.“ Sa08.06.:DasOKWteiltmit,dieOffensiveinFrankreichlaufeerfolg reich. DerReichsrundfunkentsendeteinenKorrespondentennachRom,der vombevorstehendenKriegseintrittItaliensberichtensoll. FischerediertdenErlebnisbericht„Völkerwanderung1940“vonFelix Lützkendorf. HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.08.06.: 234

„MitteninderNachterwachteichdurchBombenabwurf,derinnicht allzu weitem Umkreis niederging. Ich wollte in den Keller steigen, fandabermeineStiefelnicht.Soließich’sdennundschliefbaldwie derein.“ So09.06.:DasOKWteiltmit:DiefranzösischenTruppensindsüdlich derSommeundimDepartementOisegeschlagenworden,diedeut schenTruppenmarschierenzügigaufdieuntereSeinezu.GenWey gand beschwörtineinemTagesbefehlseineTruppen,standzuhalten. FernerhabendieDeutschenheutezwischenReimsunddenArgon neneineweitereOffensiveeröffnet. DasOKWmeldet:DasSchlachtschiff„Gneisenau“istvomStapelge laufenundinDienstgestelltworden.IhreJungfernfahrtinBegleitung desSchlachtschiffs„Scharnhorst“nachNarvikisttrotzbritischerBlo ckadegeglückt.DiebeidenSchiffehabendenbritischenFlugzeugträ ger„Glorious“,den21000tTransporter„Omaha“undeinen9100t Öltankerversenkt. Mo10.06.: Italien überfällt auf Drängen Deutschlands (RAM Ribbentrop) Frankreich. 16.30Uhr.ImRMVPwerdenderPressederbritischePropagandafilm The lion has wings undeinedeutscheWochenschaugezeigt. 19Uhr.MussolinihältaufderrömischenPiazzaVeneziaeineAnspra chezumKriegseintrittItaliens,dievonallendeutschenSenderndirekt übertragen wird. Vor der italienischen Botsch. in BerlinTiergarten verfolgenetwa2500italienischeFaschistenanLautsprechernderRe de. Botsch. Alfieri und RAM Ribbentrop halten vom Balkon kurze Ansprachen. Abend. US-Präs. Roosevelt sagt in einer Rundfunkansprache den Alliierten unverzügliche Lieferungen von Kriegsmaterial zu. Roosevelt kritisiert das Verhalten Mussolinis scharf. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.10.06.: „Danach gab es ein weiteres Beispiel der deutschen Wochenschau. UndwiederdiezerbombtenStädte,dietotenMenschenunddiever faulendenPferdekadaver.EineEinstellungzeigtedieÜberresteeines britischen Fliegers im ausgebrannten Wrack seiner Maschine. Die meisten anwesenden Deutschen schienen angesichts der Bilder des 235

Todes und der Zerstörung eine sadistische Freude zu empfinden. Nicht alle, das weiß ich. Einige reagierten noch immer wie Men schen.“ HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.10.06.: „Gestern, während die andere Bataillone des Regiments sich gegen Soissons bewegten, wurde das unsere, sehr zu unserem Leidwesen, vonderIX.ArmeefürkurzeZeitnachLaonabgestellt,umdortbis zumEintreffenandererEinheitendieOrdnungzugewährleisten.Im RahmendieserAufgabewurdemirdieSorgefürdieOberstadtundim besonderenfürdieZitadelle,dasMuseumunddieKathedraleanver traut. InderOberstadtherrschen,besondersnachts,nochanarchischeZu stände.Zwaristsiefastganzverlassen,dochbleibtansolchenOrten immereingewisserBodensatzzurück,dersichleichtmitdenschlech tenElementenvermischt,dieesinjederTruppegibt.Ichlassedaher zahlreicheRondenundStreifendurchdieengenGassengehen,dieje denfestnehmen,derohneBefugnisindenHäusernangetroffenwird, desgleichenBetrunkeneundVerdächtige,diealleindenKasematten derZitadelleeingesperrtundmittagsvonmirsortiertwerden... In das Museum, das eine bescheidene Provinzialsammlung umfaßt, legteicheineWachtgruppe...IchließeinVerzeichnisaufnehmen.Es fehltendreiGemälde;einKasten,derMünzenenthaltenhatte,warge leert. Endlich habe ich auch für die Kathedrale eine Wache eingeteilt. Sie stellteinenFliegerbeobachteraufdemTurm... Ich wohne mit meinen beiden Offizieren in der Rue du Cloître im ViertelderNotabeln,diesämtlichHalsüberKopfentflohensindund ihre luxuriösen Haushalte zurückließen. Wir treffen hier auf einen Grad des Lebensgenusses, wie er in Deutschland seit langem unbe kannt geworden ist. Wir sind wahrhaft die Sansculotten, die Sieger, wennauchnichtohneHosen,sodochmitHosenausHolzfasern,und sehenhalbmitStaunen,wasesnochinderWeltanSchätzengibt wieetwadenKellermeinesunbekanntenWirtesmiteinerSammlung vonBurgunderweinen,dieinRegalenundGestellenbishochhinauf dieMauerndeckt... 236

Nachtsschwül.WiederBombeninderNähe,GeprasselimBettele send,hörteichdenFliegerüberdieDächerschwirrenwieeingefährli chesInsekt... ZurückzuBernanos[ Nous autres Français ,Prosa1939]:erbefürchtet, daßdiemodernenStaatsgebildenichtmehrnachmenschlichenMaßen undRegelnwachsen,sondernalseineArtvonriesenhaftenInsekten auftreten.DieSorgescheintaufdenerstenBlickberechtigt,dochim Grunde handelt es sichumeinehistorischeErscheinung,dieimmer wiederkehrtunddieansichbereitsvonsekundäremRangist–inso fern sie eine tiefere Störung beantwortet und vielleicht auch kuriert. Die Menschengeschichte weicht ab, auf das Mechanische oder auch Dämonische zu, kehrt aber zu den Normen zurück, indem sich ein neues Gleichgewicht ausbildet. Das Geheimnis liegt darin, daß das Leidenhöhere,heilendeKräfteerzeugt.“ Di11.06.: Presse und Rundfunk übergehen die RooseveltRede mit Schweigen. Der US24000tPassagierdampfer „Washington“ wird auf seiner FahrtvonLissabonnachGalway(Irland)beiSonnenaufgangvonei nemdeutschenUBootgestoppt,dannwirdihmaberdieWeiterfahrt erlaubt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.06.: „DieWilhelmstraßeistderfestenÜberzeugung,daßdieamerikanische Hilfezuspätkommt.EinBeamter,dergeradebeiHitlerwar,erzählt mir, der Führer sei sicher, daß Frankreich bis zum 15. Juni erledigt seinwirddaswäreinvierTagenundGroßbritannienspätestensbis zum15.August[!].Erberichtet,Hitlerwürdeagieren,alsobihmdie ganzeWeltzuFüßenläge.EinigeGeneräleindes,obwohlhochzufrie den über die Kriegserfolge, seien etwas besorgt im Hinblick auf die Zukunft,unterFührungeinessolchwildenundfanatischenMannes.“ HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.11.06.: „Dann, schon fast im Dunkeln, um die Streifen zu kontrollieren, RundgangmitSpinelli,aufdenichdieVernichtungszoneinganzan derer Weise wirken sah... Die Läden, besonders die Fleischereien, strömten Gerüche der Verwesung aus... Wir kamen in ein Café, in dem die Gläser noch halbvoll auf den Marmortischen standen, und 237

stießenmitderQueuedieeinzigeBillardkugelan,dieaufdemgrünen Tuchgebliebenwar.DannsetztenwirAutomateninBetrieb... NachMitternachtwiederBombenaufdieStadt.“ Mi12.06.:InderNachtzuheutewirdGenfbombardiert.Dabeikom men5oder6MenschenumsLeben. DieRRgbehauptet,dasdeutscheUBoothabedie„Washington“für einengriechischenDampfergehalten. Abend.DiedeutschenTruppenstehenvordenTorenvonParis,sie sindöstlichvonParisnachChâlonsvorgestoßen.DiefranzösischeRg. erklärtPariszur„offenenStadt“,umesvorKriegsschädenzubewah ren. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.12.06.: „HinsichtlichjenerominösendeutschenWarnungvom03.06.(inder Berlinbehauptete,KenntnisvonbritischenPlänenzuhaben,die‘Wa shington’zutorpedieren)binichdavonüberzeugt,daßBerlinselbst BefehlzumVersenkendesSchiffesgab.Danachwolltemaneinerie sige Propagandakampagne starten und die Briten der Tat beschuldi gen, unter gleichzeitiger Hervorhebung der Warnung der deutschen Rg.vom03.06.andieAdresseWashingtons.Ichglaube,Ribbentrop war so naiv anzunehmen, daß er damit die englischamerikanischen Beziehungen vergiften und unsere Kriegslieferungen an Großbritan nieneinfrierenkönne.DeutscheMarineleutebestätigenmir,daßdas UBoot die ‘Washington’ genau bei Sonnenaufgang angehalten hat. Die Meldungen aus Washington besagen, daß das Schiff mit etwas Verspätung gegenüber den geplanten Fahrzeiten fuhr. Daher ist es sehrwahrscheinlich,daßderdeutscheKommandantdieTorpedierung ursprünglich für einen Zeitpunkt geplant hatte, an dem es noch zu dunkel für eine Identifizierung seines Bootes war... Es [das UBoot] waraufgetauchtunddaherleichtzuidentifizieren.“ HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.12.06.: „AmMorgenwurdenmir700GefangenezurUnterbringungundBe wachunginderZitadellezugeführt.IchtratvordieausvielenWaffen und Regimentern zusammengewürfelte Kolonne und zog einen ein zelnen,einenintelligentaussehendenFeldwebel,heraus.Ihmteilteich einenElsässeralsDolmetschzuundgabihmdenAuftrag,sechsSek tionschefszubestimmen,vondenenwiederumeinjederzehnKorpo 238

raleansichzuziehenhatte.JederderKorporaleendlichsuchtesich zehnLeuteaus.InzwischenteilteichobenmiteinemStückKreidedie Unterkünfteein. SowarineinerhalbenStundedieganzeMassegegliedertundkaser niert.Daicherfuhr,daßvieleseitlangemnichtsgegessenhatten,rief ichnochKöcheaufundsahetwaeinDutzendvortreten.Ichhießsie sogleichinderKüche,indervielVorrätegebliebenwaren,andieAr beitgehen.VorherstellteichnochdieFrage:‘Werweiß,wieeineSole à la meunière zubereitet wird?’ Es meldete sich ein kleiner pfiffiger Bursche, Arthur, der in marokkanischen KasinosalsOrdonnanzge wesen war. ‘Das ist nicht schwierig, mon Capitaine.’Außerihmtrat noch ein anderer vor, ein ruhiger, angenehmer Mensch, M. Albert. DiesenernannteichzumeinemKochundteilteihmArthuralsGehil fenzu. ImübrigenwardieReihenfolgederMaßnahmen,diesichaufdrängten, diese: Einrichtung einer Wache am Ausgang, Einteilung und Unter bringungderGefangenen,Verpflegung,BauvonLatrinenundpolizei liche Vorkehrungen. Sonst ließ ich die Leutchen ungeschoren und übermittelte ihnen meine Befehle durch ihren Führer, der gleichsam derAngelpunktdesHebelswar,mitdemsiebewegtwurden.“ Do13.06.: HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.13.06.: „Tiefeingeschlafen,wurdeichgegen1Uhr[14.06.]durcheinenstar ken Luftdruck aufgeschreckt. Feindliche Geschwader kreisten über der Stadt und warfen Bomben ab. Bald nah, bald fern krachten die KettenderEinschläge,zuweilenunterbrochendurchEinzelwürfevon fürchterlicher,weithindieNachtbeherrschenderKraft.Dannwieder schwirrtendieMaschinendichtüberdieDächerhin.DerAngriffdau ertewohlzweiStunden,währendderenichöfterseinschlief...“ Fr14.06.: Spanien besetzt den internationalen Hafen Tanger, ge- genüber der britischen Festung Gibraltar. Es arbeitet den gan- zen Sommer mit Deutschland an Plänen, Gibraltar einzuneh- men. Der VB schreibt:„PariswareineStadtderFrivolitätundKorruption, derDemokratieunddesKapitalismus,woJudenZutrittbeiHofehat 239

tenundNiggerindenSalons.DiesesPariswirdniemalswiederaufer stehen.“ Morgen. Die Deutschen besetzen die offene Stadt Paris kampf- los. 13Uhr.DerReichsrundfunkmeldetdieEinnahmevonParis. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.14.06.: „IchnahmmeinMittagessenimWintergartendesHotels[Adlon]ein. DiemeistenGästestandenamLautsprecherinderBar,umdieNeu igkeiten nicht zu verpassen. Dann kehrten sie mit zufriedenem Lä chelnanihreTischezurück;esgabjedochkeineübertriebeneBegeis terung,undalleaßenganznormalweiter. TatsächlichhatBerlindieNachrichtvonderEinnahmederfranzösi schenHauptstadtebensophlegmatischzurKenntnisgenommenwie allesBisherigeindiesemKrieg.SpäterfuhrichzumSchwimmennach Halensee,eswareinwarmerTag,undichbrauchteetwasErholung. ObwohldasBadüberfülltwar,hörteichnichteinenMenschenüber die neuesten Nachrichten sprechen. Von den etwa 500 Besuchern kauftenvielleicht3dieExtraausgabe,diedieZeitungsjungenausriefen. Dennoch wäre es falsch, würde man nicht berücksichtigen, daß die EinnahmevonParisindenHerzendermeistenDeutschenetwastief Verborgenes aufrührt. Ein langer Wunschtraum vieler Millionen ist damitWirklichkeit.Undeshilft,diebitterenErinnerungenan1918zu verdrängen,diesolange22JahreaufderdeutschenSeelegelastet haben.“ HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.14.06.: „AmVormittagdieneuenPostenbesichtigt,dieichamArsenalund ananderenOrtenausstellte.UmgestürzteFahrzeugeundtoteTierean denWegrändern.“ Sa15.06.:Abend.DiedeutschenTruppenerobernVerdun. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.16./15.06.: „Englanderklärt,denKriegevtl.auchohneFrankreichfortsetzenzu wollen.“ WilliamShirer,AutobahnraststätteEbendorfnaheMagdeburg,Tgb.v. 15.06.: „VerbringedieNachtineinerAutobahnraststätte.Sehrgutundmo dern,besseresEssenalsinBerlin.“ 240

HptErnstJünger,Laon,Tgb.v.15.06.: „VormittagsimArsenal,woichdiePostenrevidierteunddannunter Anleitung von Keunecke mit Schrot auf hochgeworfene Flaschen schoß.EslagerndortgroßeVorräte...“ So16.06.:DiedeutschenTruppenüberschreitendieLoire. WilliamShirer,Maubeuge,Tgb.v.16.06.: „ImRuhrgebietkaumAnzeichenfürnächtlichebritischeBombarde ments... Maubeuge [F; 20000 Einw. – nahe der belgischen Grenze] selbstistschwerzerstörtworden...Stukas...“ HptErnstJünger,Essommes,Tgb.v.16.06.: „Überraschend wurde ich mit der Kompanie nach ChâteauThierry kommandiert.WirfuhreninLastwagenüberSoissons... DieStraßen,dieDörferundStädte,diewirdurchquerten,lagenzer schmettertamWege,dervonverbranntenWagendichtgesäumtwar; darunter ausgeschmorte Tanks. Tote Pferde, Ruinen, Gräber. Aus dichtenWaldstückenLeichengeruch... InmittendieserTrümmerweltenhalltaufdenStraßenundwiederher gestelltenBrückendasRollenderschwerenRäderimVormarschend loserKolonnen,diewestwärtsziehen.Geschütze,Flaks,Munition,In fanterieaufGeländeschleppern,Panzer,Krankenwagen,Scheinwerfer, Entgiftungskompanien und Fahrzeuge, deren Form und Bedeutung niemandkennt... DadieStadt[Soissons]durchdieBeschießunggelittenhat,fahreich nach Essommes voraus, das etwa 20 Minuten weiter an der Marne liegt.AuchdortherrschtunbeschreiblicheVerwirrung,mitBarrikaden aufdenStraßen,dazwischenindenGärtenEinsamkeit.ImSchloß,in demichunseinquartierte,haustenvorunseremAngriffAlpenjäger– imParkstehenMöbel,undvordemEingangliegteintoterHund...In denZimmernhabensichbereitsKanincheneingenistet.“ Mo17.06.: Bildung einer kollaborierenden französischen Rg. un- ter PM Ml Henri Philippe Pétain und VtM Gen Weygand, die Deutschland um einen Waffenstillstand bittet. Die deutschen TruppenerreichenOrléansunddieSchweizerGrenze,überschreiten anweiterenOrtendieLoire. 241

Abend. PM Churchill kündigt in einer Rede an, Großbritannien werde gegen Deutschland weiterkämpfen. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.18./17.06.: „Die Engländer sind weiter frech [!] und erklären, den Krieg allein weiterführenzuwollen. Das wird sich ja finden [!].DieKapitulati onsverhandlungen [mit Frankreich] will der Führer in Compiègne stattfindenlassen.IchbinaufdastiefsteergriffenundkanndemFüh rer meine Glückwünsche kaum zum Ausdruck bringen. Große ge schichtliche Stunde!... Abends spricht Churchill.Erwillweiterkämp fenunddenganzenSiegerringen. Das wird sich ja finden .[!]“ WilliamShirer,Paris,Tgb.v.17.06.: „Erster Schock: die Straßen sind total verwaist, die Geschäfte ge schlossen, alle Rolläden heruntergelassen... das Parlament, über dem eineriesigeHakenkreuzfahneweht... Ich fragte [die Kollegen Demaree Bess und Walter Kerr] nach ver schiedenenFreunden.DiemeistenhabenParisverlassen. Demareeerzählt,diePanikinParisseiunbeschreiblichgewesen.Die meisten Menschen reagierten kopflos. Die Rg. gab keinerlei Verhal tenshinweise.DenLeutenwurdegeratenzufliehen,undwenigstens3 vonden5MioEinwohnernranntenlos,ranntenohneGepäck,rann tenbuchstäblichzuFußinRichtungSüden.DiePariserglaubtenallem Anschein nach tatsächlich, die Deutschen würden die Frauen verge waltigenunddenMännernSchlimmesantun.Siehattenphantastische Geschichten darüber gehört, was alles passiert sei, wenn die Deut scheneineStadteingenommenhatten.Diejenigen,diehiergeblieben sind,warenumsomehrerstauntüberdassehrkorrekteVerhaltender Truppenbisjetzt. DieEinwohnersindverbittertüberihreRg...Waswirhiererleben,ist nach meinem Gefühl der totale Zusammenbruch der französischen Gesellschaft–einKollapsderArmee,derRegierungundderMoral desVolkes.“ HptErnstJünger,Essommes,Tgb.v.17.06.: „...fuhrdannmitdemRadenachChâteauThierry,umBefehlevon GenSchnellbacheinzuholen,derdortimBlauenKlosterliegt.Aufder SuchenachdiesemGebäudedurchstreifteichwüsteViertel,indenen totePferdedenWegsperrten.AndenRändernderHauptstraßezog sicheinFlechtwerkineinandergefahrenerWagenentlang.“ 242

Di18.06.: FRK Hitler und der Duce Mussolini verhandeln in Mün chen über die Waffenstillstandsbedingungen für Frankreich. Hitler spricht auch den Plan an, einen Großteil der europäischen Juden nach Französisch-Madagaskar zu deportieren. Von Juni bis Au- gust plant, offenbar auf Befehl Hitlers, die Deutschlandabtei- lung des AA, 4 Mio europäische Juden auf die französische Insel zu deportieren und diese einem SS-Polizeigouverneur zu un- terstellen – als „Faustpfand für ein zukünftiges Wohlverhalten ihrer Rassegenossen in Amerika“ (Judenreferent des AA, Juni 1940, „Madagaskar-Plan“). Charles de Gaulle (Nationalkomitee der Freien Franzosen) ruft in LondonzurFortsetzungdesWiderstandsauf. WilliamShirer,Paris,Tgb.v.18.06.: „Ml Pétain hat um einen Waffenstillstand nachgesucht! Die Pariser, ohnehinvondenEreignissenwiebetäubt,könneneskaumglauben. Auch wir können es nicht. Daß die französische Armee aufgeben muß,istklar.Aberdiemeistenhabenerwartet,daßsichdieTruppen ergebenwürden(wiedieHolländerundBelgierestaten)unddaßdie Rg.wieReynaudsichgebrüstethattedannnachAfrikaausweicht, von wo aus sich Frankreich mit seiner Marine und seinen afrikani schenTruppenverbändeneinelangeZeithaltenkönnte. Die Einwohner erfuhren von Pétains Schritt über Lautsprecher, die dieDeutschengefälligerweiseüberallinderStadtaufgestellthaben... den Eiffelturm, auf dem heute eine riesige Hakenkreuzfahne weht... Siestarrten[anderPlacedelaConcorde]zuBoden,sahensichdann an. Und sagten: ‘Pétain ergibt sich! Was bedeutet das? Comment? Pourqoui?’KeineinzigerschiendenMutzueinerAntwortzuhaben... Um9beginntdieSperrstunde... IchhabeheuteeinigeMaleoffeneFraternisierungzwischendeutschen TruppenundEinheimischenbeobachtet.DiemeistenSoldatenschei nenÖsterreicherzusein,mitgutenManieren;undnichtwenigespre chenfranzösisch.SietretenwienaiveTouristenauf,dasbedeuteteine angenehmeÜberraschungfürdiePariser.Esklingtverrückt,aberje der deutsche Soldat hat eine Kamera bei sich. Ich sah sie heute zu Tausendenfotografieren...DenganzenTagversammeltensiesicham GrabmaldesunbekanntenSoldaten,wodieFlammeunterdemBogen 243

immer noch brennt. Sie nehmen ihre Mützen ab, stehen da und schauen. ZweiZeitungensindgesterninPariserschienen, La Victoire (welchei neIronie!)und Le Matin .DenHerausgeberdes Matin ,BuenoVarilla, traf ich gestern in unserer Botsch... La Victoire , geleitet von einem Sonderling,fordertdiePariserauf,dieDeutschennichtlängerals‘Bo ches’zubezeichnen.“ HptErnstJünger,Montmirail,Tgb.v.18.06.: „Wieder erstaunte mich das Verhalten der Männer beim Abmarsch. ObwohlsiedenganzenTaggearbeitethattenundnunRuheerhoff ten,verzogdochkeinereineMiene,alsderBefehlzumAufbruchkam. IhreTugendliegtimvollkommenenBegreifendesNotwendigen. ZumGlückgelangesmir,ihnendenFußmarschzuersparen,indem ichsiegruppenweiseinleereMunitionswageneinschleuste.Wirsam meltenunsinMontmirail... AmVormittagwurdeeinZugvonüber10000französischenGefan genendurchdenOrtgeführt.Erwarkaumbewacht,nurhinundwie der sah man Posten, die ihn mit aufgepflanzten Bajonetten gleich Schäferhunden begleiteten... ließ ich aus einem erbeuteten Magazin Kisten voll Zwieback und Fleischbüchsen heranschleppen und teilte sieaus.AuchließichMostausschenken,dochzogendieSchareninso breiterKolonnevorüber,daßkaumderzwanzigsteetwaserhielt. DasLeidensogroßerMassenaufengemRaumewarmirnochfremd; manfühlt,daßmandenEinzelnennichtmehrerkennenkann. Am Schluß der Kolonne, deren Vorbeimarsch fast zwei Stunden währte,sahicheineGruppevonOffizierenmitergrautenHaarenund OrdenausdemWeltkriege...ichließdasGitteröffnenundsieaufden Hofführen.HierludichsiezumEssenundzumÜbernachtenein... Als ich sie fragte, ob sie den so jähen Zusammenbruch begründen könnten,hörteich,daßsieihnaufdieAngriffederTiefundSturz kampffliegerzurückführten.AufdieseWeiseseienVerbindung,Nach schubundBefehlserteilungvonAnfangangestörtgewesen,dannsei endieArmeendurchdieschnellenWaffenwiedurchSchneidbrenner zerteiltworden.“ 244

Mi19.06.:FRKHitlerbefiehlt,denWaffenstillstandinCompiègnezu unterzeichnen, in demselben Eisenbahnwaggon von Marschall Foch wieam11.11.18. DieDeutschenerreichendieAtlantikküste. Auf Frankreichs Straßen, insbesondere südlich von Paris, sindHun terttausendeFlüchtlingeunterwegs,ohneNahrung,WasserundDach überdemKopf.ZwischenParisundBordeauxsindnachSchätzungen derPariserUSBotsch.7MioFlüchtlingeunterwegs. 18 Uhr. Deutsche Pioniertruppen reißen in Compiègne mit Preß lufthämmern eine Mauer des Museums nieder, in dem Marschall FochsPrivatwaggonseitJahrenausgestelltist.DannwirdderWaggon ausderHallegezogen. WilliamShirer,Paris,Tgb.v.19.06.: „DerWaffenstillstandwirdinCompiègneunterzeichnet!... HalbfünfamNachmittagfuhrmicheinMilitärfahrzeughinausnach Compiègne... AufderRückfahrtnachParishieltenwirgegenAbendaufderStraße an, die sich durch die bewaldeten Hügel zwischen Compiègne und Senlis schlängelt. Eine Abteilung Franzosen war hier auf der Straße angegriffenworden...AmStraßenrandstandeine[französische]75er Kanone... Ich schaute mir das Herstellungsjahr des Geschützes an. 1918! Die Franzosen hatten also die wichtigste Zufahrtsstraße nach ParismitWaffenausdemErstenWeltkriegverteidigt! EsistmirimmernocheinRätsel,wieHitlerdieseOffensivesoschnell hat gewinnen können. Zugegeben, die Franzosen kämpften in den Städten... Aber auf dem freien Lande haben sie nicht gekämpft, wie dasinallenKriegenüblichist.DasKornamRandedergroßenStra ßenwarunberührtvondenStiefelnderSoldatenundvondenTau senden motorisierter Fahrzeuge. Ich will damit nicht sagen, daß die Franzosennichttapfergekämpfthätten.Dastatensiezweifellos.Aber esgabkeineorganisierte,gutdurchdachteVerteidigungwieimletzten Krieg. Nach allem, was ich gesehen habe, ließen sich die Franzosen vondenDeutscheneineneueArtvonKriegführungaufzwingen.Die sespieltesichhauptsächlichentlangderwichtigenStraßenab;selten nur in einer Frontlinie, die abseits davon auf offenem Land verlief. UndaufdenStraßenverfügtendieDeutschenüberdenentscheiden den Vorteil, die unbeschränkte Überlegenheit an Panzern und Flug 245

zeugen,wichtigstesMomentineinemsolchenKampf.EinÖsterrei chererzähltemirgesternabend,esseiunvorstellbareinfachgewesen. SiebraustenmitihrenPanzerndieStraßenentlang,dahinterfuhrdie Artillerie. NurseltentrafensieaufernstzunehmendenWiderstand. HierunddaFeuervoneinemAusguckodereinemMGPosten.Für gewöhnlich achteten die schwerbewaffneten deutschen Panzer gar nicht darauf und fuhren weiter. Die nachfolgenden Lastwagen mit leichterArtillerieerledigtendannsolcheMGNester.Nurmanchmal, wenndieGegenwehreinwenigstärkerwar,gabensieüberFunkdie Standorte an die schwere Artillerie weiter. Und wenn die schweren GeschützedenWiderstandnichtzumVerstummenbrachten,wurden dieStukaszuHilfegerufen,diedannganzeArbeitleisteten.Soginges TagumTag,erzählteer. Ichfragtemich:wenndieFranzosensichernsthaftverteidigenwoll ten,warumhabensiedanndieHauptstraßennichtbombardiertund unpassierbar gemacht? Warum blieben so viele strategisch wichtige Brückenunangetastet?HierunddawareineArtPanzersperrezuse hen, Baumstämme, Steine, Trümmerstücke nichts Ernstes für die deutschenPanzer.KeinewirklichenPanzer fallen ,wiesiedieSchweizer zuTausendenhergestellthaben. ...Ichglaubenicht,daßdieVerlusteaufbeidenSeitensehrgroßwaren. MansiehtsowenigGräber.“ HptErnstJünger,Montmirail,Tgb.v.19.06.: „NachdemFrühstückschickteichdiegefangenenOffiziere,diesich in der Schule erholt hatten, auf einem leeren Munitionswagen nach Laon.“

Do20.06.:AufdenStraßensüdlichvonParissetztsichdasElendder HunderttausendeFlüchtlingefort. FRKHitlererörtertmitOBMRaedererneutdieMöglichkeiteinerIn vasioninGroßbritannien(s.21.05.). WilliamShirer,Paris,Tgb.v.20.06.: „Sie wälzten sich voller Furcht die Straßen entlang, schleppten ihre wenigemitgenommeneHabeaufdemRücken,aufFahrrädernoderin Kinderwagen,trugenihreKinderaufdenSchultern.Sehrbaldwaren die Straßen verstopft. Die Truppentransporte hatten Vorrang. Sehr baldkamendieDeutschenundbombardiertendieStraßen.Sehrbald 246

herrschten Tod und Sterben... Den meisten droht der Hungertod, wennnichtbaldetwasgeschieht.DasdeutscheHeerhilfteinwenig, dochnichtgenug.Siehabenselbstdamitzutun,ihreneigenenProvi ant aus Deutschland heranzubringen. Das Rote Kreuz tut, was es kann,unddasistvölligunzureichend... Mittagessen mit [USBotsch.] BullittinseinerBotschaftsresidenz.Er istimmernochverblüfftüberdieVorgängeumseinePerson.Obwohl Hitler,RibbentropundGoebbelsihnnichtwenigeralsRoosevelthas sen,habendiedeutschenMilitärbehördensichihmgegenüberhöflich verhalten... Der gesprächigste Gast beim Mittagessen war Senator HenryHaye, der Bürgermeister von Versailles [und spätere Vichy Botsch. in Washington]... Gestern, so berichtete er, war ein junger deutscherOffizierinseinVersaillerRathausgestürmtundhatteihm herrisch befohlen, sein Auto sofort reparieren zu lassen. Wenn der Wagen nicht in einer Stunde fahrbereit sei, würde M. HenryHaye verhaftetwerden... ‘Mein Herr, Sie sprechenmiteinemfranzösischenSenatorunddem BürgermeisterderStadtVersailles’,habeerdemDeutschenentgegen gehalten.‘IchwerdeIhrervorgesetztenMilitärbehördeinParisunver züglichMeldungvonIhremVerhaltenmachen.’ Woraufer,obwohlkaumnochüberBenzinverfügend,augenblicklich nachParisfuhr,umseinWortwahrzumachen. ‘Oh,lesBoches!’murmelteerununterbrochen...“ HptErnstJünger,RomillysurSeine,Tgb.v.20.06.: „FahrtüberSézanneundSaintJustSauvagenachRomilly.AmWege MassenvontotenPferdenvorMunitionswagenundFeldküchennoch imGespann.DieKadaverentsetzlichaufgedunsen,mittrompetenar tig geschwollenen Geschlechtsgliedern. Die Lippen mit einem Aus druckdesLeidenshalbaufgeworfen,sodaßdiegroßenweißenZähne sichtbarsind... DannTote...rechtsvoreinemWaldstückeinganzesLeichenfeld.Hier warwohleineMannschaftlängsderStraßeinStellunggegangenund hattedannversucht,dieDeckungdesHolzeszugewinnen;siemußte während des kurzen Sprunges durch Feuer vernichtet worden sein. Gesicht und Hände dieser Toten waren bereits gedunsen und ge schwärztunddannvomStraßenstaubmitfeinemMehlbestreut.Der 247

Anblick war sehr düster, wie aus den nächtlichen Gedanken eines GeistesvonungemeinerKraft. AuchwiederTanks,dieandenBrennpunkten,soinnerhalbderOrte, verknäueltstanden;danebenzuweilengleichdieGräber,Kappenmit BrillenaufdemKreuz.SodannzumerstenMalwährenddesVormar schesScharenvonRückwanderern.MansahzweirädrigeGefährte,die hoch mit Betten beladenwaren,aufdenenkleineKindersaßenund Hühnerkörbe schaukelten; auch fuhr ein Autobus vorüber und eine Lokomobile,dieeineReihevonLeiterwagenzog.Dazwischenkamen TruppsaufRädernundsolche,dieKarrenschoben,undwiederande rezuFuß.DaruntersahmanEhepaarevonüber70Jahrenlangsam dahinschleichen,MüttermitWickelkindernaufdemArme,Dreijähri ge,dieschonkleineKörbetragenmußten,anderHand.“ Fr21.06.: 15.30 Uhr. FRK Hitler - begleitet von Keitel, Göring, Brauchitsch, Raeder, Ribbentrop und Heß - läßt in Marschall Fochs Eisenbahnwaggon im Wäldchen von Compiègne die deutschen Waffenstillstandsbedingungen an Gen Huntziger, Luftwaffen-Gen Bergeret, VAdm Le Luc und Botsch. Noel über- reichen. Hitler sitzt in Fochs Sessel. 15.42Uhr.NachderVerlesungderPräambeldesWaffenstillstands verlassen Hitler, Göring, Brauchitsch, Raeder, Ribbentrop und Heß den Waggon und überlassen die Verhandlungen ChOKW Keitel. WährendderVerhandlungen,diebismorgendauern,führtdiefranzö sischeDelegationzahlreicheTelefonateundTelexwechselmitderRg. inBordeaux.DiefranzösischeDelegationübernachtetinParis. WilliamShirer,Paris,Tgb.v.21.06.: „DieVerhandlungenbegannenum¼4amNachmittag.Einewarme JunisonnelagüberdenhohenUlmenundFichten,alsHitlerundseine Bevollmächtigten erschienen. Er entstieg seinem Wagen direkt vor dem französischen ElsaßLothringenDenkmal, etwa 200 m von der Lichtung entfernt, wo der Waffenstillstandswaggon am selben Platz wievor22Jahrenwartete. Wie ich sah, war das Denkmal mit deutschen Kriegsflaggenverhan gen, so daß man weder die Skulptur noch die Inschrift erkennen konnte... 248

DurchmeinFernglassahich,wiederFühreranhielt,aufdasDenkmal schaute und die Reichsflaggen mit den großenHakenkreuzeninder MittezurKenntnisnahm.Dannbewegteersichlangsaminunserer RichtungaufdiekleineLichtungzu.IchbeobachteteseinGesicht.Es warernst,feierlichunddochrachedurstig.Auchwarda,ebensowiein seinemelastischenSchritt,dieHaltungdestriumphalenEroberers,des HerausforderersderganzenWelt.Nochetwasanderes,schwerzuBe schreibendeswarausseinenZügenabzulesen,eineArtspöttische,in nereGenugtuungdarüber,diesegroßeUmkehrungdesSchicksalser lebenzukönnen–eineUmkehrung,dieerselbstbewirkthatte. JetzterreichterdieLichtung.Erhältinneundsiehtsichlangsamum. EsisteinbeinahekreisrunderPlatzvonetwa200mDurchmesser,an gelegtwieeinPark.Zypressensäumenihn,dahinterdiehohenUlmen undFichtendesWaldes... Hitler steht noch immer da. Hinter ihm die Gruppe der anderen Deutschen:GöringmitseinemMarschallstabinderHand.Erträgtdie himmelblaueUniformderLuftwaffe.AlleDeutschensindinUniform, Hitler in Feldgrau, mit dem Eisernen Kreuz auf der linken Brustta sche.NebenGöringdiebeidenArmeechefs–GenKeitel[*22.09.82], ChOKW,undGenvonBrauchitsch[*04.10.81],OBH.Beidesindet wa60Jahrealt,sehenaberjüngeraus,besondersKeitel,dessenMütze etwasschiefsitzt. DanebenErichRaeder,GrAdmderMarine,inseinerblauenUniform mitdemunvermeidlichhochgestelltenKragen,wieihndiedeutschen Marineoffizieretragen.ZweiZivilistenbefindensichinHitlersBeglei tung–seinRAMJoachimvonRibbentropinderfeldgrauenUniform desAAundRudolfHeß,seinStv,ingrauerParteiuniform. Esistjetzt3Uhr18.HitlerspersönlicheStandartewirdaneinemklei nen Mast im Zentrum der Lichtung aufgezogen. Dort befindet sich aucheingroßerGranitblock,etwaeinenMeterüberderErde.Hitler, gefolgt von den anderen, geht langsam darauf zu, bleibt stehen und liestdieInschrift,diemitgroßenBuchstabenindenSteingemeißelt ist.Sielautet:‘Hiererloscham11.November1918derverbrecheri sche Hochmut des Deutschen Reiches, besiegt von den freien Völ kern,dieeszuversklavensuchte.’ Hitlerliestes.Göringliestes.Sieallelesenes,inderStillederJuni sonnestehend.IchblickenachdemAusdruckinHitlersGesicht...Ich 249

habediesesGesichtoftgesehen,ingroßenMomentenseinesLebens. Aberheute!EsistrotvorZorn,Wut,Haß,Rache,Triumph.Erwen detsichvondemDenkmalabundbringtesfertig,sogardieseGeste zueinemMeisterwerkanVerachtungzumachen.Nocheinmalblickt ersichum,geringschätzig,wütend–wütend,sofühltman,weilerdie schrecklichen, herausfordernden Worte nicht wegwischen kann mit einemTrittseinerpreußischenStiefel.Erschautsichlangsamaufder Lichtungum,undjetzt,daseineBlickedenunserenbegegnen,kann mandasganzeAusmaßseinesHasseserahnen.Dochdaistzugleich Triumph–einrachevoller,triumphierenderHaß.Plötzlich,alsobsein Gesicht allein die Gefühle nicht ausdrücken kann, bringt er seinen ganzenKörperinÜbereinstimmungmitseinenEmpfindungen.Has tiglegterseineHändeandieHüften,hebtdieSchulternundspreizt seine Beine. Es ist die großartige Geste der Herausforderung, der brennendenVerachtungfürdiesenOrtundalles,wofürerinden22 Jahrengestandenhat...“ HptErnstJünger,RomillysurSeine,Tgb.v.21.06.: „Um Näheres zu erfahren, in der Ortskommandantur, wo ich noch schrecklichenWirrwarrtraf.VoneinerSeitesprachderBürgermeister einer kleinen Gemeinde auf mich ein, wohl 70jährig, mit dem Aus druckstrengerRationalität...Erfragte,wieerdieKadavervonüber50 Pferdenbeseitigenkönne,dieseinenOrtsbereichverpesteten.Alsich zurAntwortmitdenAchselnzuckte,meinteer,dasseidochsehrge fährlich‘pourlasantépublique’.Indemichihnnochanhörte,wollte eineFrauvonmirwissen,wasgegeneinRudelvonHunden,diesich verwildertumihrHausgesammelthätten,zuunternehmensei.Und nochanderesundSchlimmeres.Ichgingdavon,daichseitlangemge lernthabe,daßmannichtallesordnenkann.ManmußdenBlickauf denBereichbegrenzen,denmanverantwortet.“

Sa22.06.:10.30Uhr.DiefranzösischeDelegationkehrtausParisnach Compiègnezurück. 18.50 Uhr. ChOKW Keitel und Gen Huntziger unterzeichnen in Compiègne den deutsch-französischen Waffenstillstand : Deut- sche Besetzung nördlich und westlich der Linie Genf-Dôle- Tours-Mont de Marsan-spanische Grenze. DieRg.Pétainerrichtet ihrenSitzinVichymitRegierungschefPierreLaval.Frankreichgaran 250

tiertDeutschlandalleMöglichkeitenzurFortsetzungdesKampfsge genGroßbritannien.DiefranzösischeArmeekommtindeutscheGe fangenschaft,diefranzösischeFlottewirdnichtausgeliefert.Vordem InkrafttretenwirdnochderAbschlußdesWaffenstillstandszwischen ItalienundFrankreichabgewartet. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.23./22.06.: „InderNacht[zum22.06.]kleinerBombenangriffaufBerlin.InBa belsbergPostundeinigePrivathäuserzerstört.DazuLazarett...Chur chillmachtwahrscheinlichdieseAngriffe,umunszuGegenangriffen zureizen,diedanndieKriegsmüdigkeitinseinemVolkewiederetwas auffrischensollen.Aberertäuschtsichauchhierwieüberallanders wo.EristeinkurzsichtigerDilettant...DerFührerruftan.Ganzvoll vonGlück.Allesistperfekt[mitFrankreich]...IchschilderedemFüh rerdasLuftbombardementaufBerlinundbitteumVorgehengegen England,dasvomganzenVolkgefordertwird.Eristsichnochnicht ganzimklarendarüber.Abernötigwirddasdochwerden.Churchill wirdhoffentlichnichtnochimletztenAugenblicknachgeben.Warten wir ab!... Die amerikanischen Zeitungen geben England größtenteils schonmilitärischauf.Daswollenwirauchmeinen[!].“ WilliamShirer,Paris,Tgb.v.22.06.: „Ichweiß,daßdieDeutschenindemVerhandlungswaggonversteckte Mikrofoneangebrachthaben.AlsosucheichnacheinemEmpfangs wagen. Keiner hält mich an, so daß ich mich heranschleichen und mithören kann. Es ist kurz vor der Unterzeichnung. Ich höre die StimmevonGenHuntziger,angestrengt,zitternd.Ichnotieremirsei ne genauen französischen Sätze. Er bringt sie langsam hervor, mit großen Anstrengungen zuweilen. Er sagt: ‘Ich erkläre, daß mich die französische Rg. angewiesen hat, die vorliegenden Waffenstillstands bedingungen zu unterzeichnen. Zuvor möchte ich eine persönliche Erklärungabgeben.DurchdasSchicksalderWaffengezwungen,den Kampfzubeenden,andemwiranderSeitederAlliiertenbeteiligtwa ren,siehtsichFrankreichaußerordentlichhartenBedingungengegen über. Frankreich hat das Recht, für die kommenden Verhandlungen zuerwarten,daßDeutschlanddabeieinenGeistandenTaglegt,der esdenbeidengroßenbenachbartenLändernerlaubt,friedlichzuleben undzuarbeiten.’“ HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.22.06.: 251

„DurchSensmitseinerschönenKathedrale,danndurchdaszerstörte Aillant und durch Toucy nach Châtillon, wo wir die große [Loire ]Brückegesprengtfanden.WirrastetendaherlängereZeitundbenutz ten einen Schiffsübergang. Ich sprach dort mit Pariser Flüchtlingen, dieinBadeortenoderaufLandsitzenvondenOperationenüberrascht wurdenundnundiegroßeStadtimFußmarschwiederanstreben... DannweiternachGiendortsahichwieaufeinemleichtverwischten BildeimHintergrundmittelalterlicheTürme,davoreineausgebrannte, nochdampfendeSzeneriemittotenMenschen,PferdenundHaustie ren...AndenStraßenundlängsderHeckenindenFeldernlagenzahl reiche Kampfwagen außer Gefecht. Bei diesem Orte müssen zwei starkePanzerverbändeaufeinandergestoßenseineineBegegnung,bei der eine mittlere Stadt zusätzlich zu Asche verbrennt. Das ruft den Eindruck einer technischen Katastrophe von unerhörten Ausmaßen hervor. DagegenwardasLandimUmkreisganzunberührt...Gefangene,fast ohne Begleitung, und dann wieder die Züge der Rückwanderer, mit vielen,kleinen,müdenKindern,dieanderHandgeführtwurden. SokamenwirbisBourges,wowirausstiegenundimerstenGutshof, aufdenwirstießen,übernachteten...“ So23.06.: WilliamShirer,Paris,Tgb.v.23.06.: „EsfolgtederMontparnasse,mitApéritifsaufderTerrassedesCafé Rotonde. Das Café du Dôme auf der anderen Straßenseite war wie früher voll mit allerhand verrückten Gestalten. Direkt vor uns ein TischmitDamenderfranzösischenBourgeoisie,allemittlerenAlters. SieschienensichbereitsvondenzurückliegendenSchreckenerholtzu habenundmokiertensichlautstarküberdieArtundWeise,inderal lerhandkleine‘Dämchen’(‚Cellessontfrançaises,aprèstout!’)mitden deutschenSoldatenanbändelten.“ HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.23.06.: „InderStadtherrschtTrubel;eshaltensich...40000Flüchtlingeinihr auf.MittagskamichzufälligamBahnhofvorbei,andemichPosten stehenhabe,undsaheinegroßeMenschenmengevordenTorenzu sammengedrängt.EshandeltesichumFlüchtlinge,diedieersteVer bindungnachOrléansundParisbenutzenwollten.ObgleichderZug 252

schon auf dem Bahnsteig wartete und reichlich Platz enthielt, brach eingefährlichesGedrängeaus.ManhörteKinderamBodenweinen, währendandereineingekeiltenKinderwagenschaukelten,dieaußer demnochmitGepäckundGasmaskenbeschwertwaren.Dazwischen Greisinnen und Mütter mit SäuglingenanderBrust.AndereFrauen warenschonindieHallevorgedrungenundschrieendortnachihren KindernimGewühl. Um Ordnung zu schaffen, ließ ich durch eine Wache zunächst ein Plätzchen räumen, stieg dann auf einen umgestürzten Karren und ordnete an, daß jeder, der sich vordrängen würde, von der Mitfahrt auszuschließen sei. Dann bezeichnete ich Familien mit Kindern, die ichdurchschleusenließ.HierbeiergabsichdieSchwierigkeit,daßsich jedesmalTraubenvonMenschenanzuhängensuchten,währendande rezuDutzendenaufmicheinredeten.Daichsah,daßdasdieMenge beruhigte, hob ich zuweilen eines der Kinder hoch, und nach zwei StundenhattenwiralleindenWagenuntergebracht.“ Mo24.06.: Der deutsch-französische Waffenstillstand tritt gleich- zeitig mit dem italienisch-französischen in Kraft. Italien erhält nach deutschem Willen nur einen minimalen Streifen an der Ri- viera hinzu, nicht aber das beanspruchte Nizza oder Korsika. Der Duce Mussolini fühlt sich durch den militärischen Mißer- folg seiner 32 Div. gegen die 6 französischen Riviera-Div. und durch das Diktat Deutschlands gedemütigt. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.25./24.06.: „ChurchillmachtseineberühmtenSchlußfehler.Ermachtsichganz Frankreich zum Feind... Die Volksstimmung bei uns geht eindeutig dahin, England restlos niederzuschlagen. Aber das ist noch nicht so ganzsicher.U.U.findensichinLondoninletzterMinutenochMän nerderVernunft.Daswäreschade,daEnglanddabeiimwesentlichen dochnochintaktbleibt,wasfürdieZukunftallesanderealserfreulich wäre... Anruf vom Führer [aus Frankreich]: er ist ganz ausgelassen glücklich... Weiß noch nicht klar, ob er gegen England gehen will. Glaubt, daß das Empire erhalten werden muß, wenn es eben geht. Dennzerreißtes,dannbekommennichtwir,sondernfremdeundgar feindlicheMächte[USA,UdSSR]es.AberwennEnglandnichtanders will,dannmußesebenniedergeworfenwerden.DerFührerwäreal 253

lerdingsmiteinemFriedeneinverstandenauffolgenderBasis:[Groß britannien]herausausEuropa,[deutsche]KolonienundMandatezu rück.Entschädigungfürdas,wasmanunsnachdemWeltkriegege raubthat.EswirdauchschonaufUmwegen,z.B.überSchweden,da rüberverhandelt.Obesgelingenwird,weißmannicht.Manmußab warten.Jedenfallswir[imRMVP]arbeitenimaltenStilweiter[gegen Großbritannien].Englanddürftejaeigentlichnichtwiedermiteinem blauenAugedavonkommen.“ HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.24.06.: „AmMorgenschleusteichwiederFrauenundKinderdurch.Ichhatte michnachderAbfahrtdesZugeserkundigt,weildieserVorgangeine Autoritätverlangt.Diesmalgingesschonbesser;auchhatteichfürdie KindereineRiesenkistevollKeksmitgebracht... Abendsbei[GStOffizier]Steinitzinder‘Bouled’Or’... Gegen 10 Uhr wurde der Abschluß des Waffenstillstandes bekannt, worauf der Burgunder vom Tisch verschwand und Champagner in großenMengenerschien.“ Di25.06.: HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.25.06.: „BeimAnblickderTotenvonMontmirailhatteichdasGefühl,daß dieseFilterfehltendasheißt,dasBildfielausdemRahmenderHis torie... DasAbsolutumkamauchdarinzumAusdruck,daßzumerstenMal imLebenmeinHungernachBilderngesättigtwar.Jamehralsdas ichhattemehrgesehen,alsichwollte;ichglichdemGastbeieinem Schauspiel, das eine unbekannte Wendung nimmt, dem Wanderer durch eine überreiche Landschaft, die hinter einem Engpaß einfach und schrecklich wird. Hier überfällt uns ein Gefühl der Ohnmacht; wirerkennen,daßunserehistorischen,philosophischen,moralischen Mittel,aufdiewirsostolzwaren,versagenunddaßwirandererWaf fenbedürftigsind.“ Mi26.06.: Deutschland unterstellt Belgien und die französischen DepartementsNordundPasdeCalaisderVerwaltungdesMBBel gienNordfrankreich, Gen Alexander von Falkenhausen, die übrigen 254

besetztenfranzösischenGebietederVerwaltungdesMBFrankreich, GenOttovonStülpnagel. RumänientrittderUdSSRaufderenUltimatumhindieNordbu kowina undBessarabienabundbittetDeutschlandumdieGarantie seinerGrenzen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.26.06.: „Unsere beiden Wagen waren vollgeladen mit Beute, gekauft zwar, abermiteinemWechselkursvon20FFfür1RM,denmandenFran zosenaufgezwungenhat.UnseredeutscheOffiziereundBeamtenhat ten Paris unsicher gemacht und Anzüge, schottischen Wollstoff, Handtaschen,Seidenstrümpfe,Parfüm,Unterwäscheundvielesmehr erstanden. Wir fuhren stundenlang herum, umeineneinsamenZoll postenzufinden...diemeistendeutschenOffizierediesichihnenin Frankreich bietende Möglichkeit so schamlos ausgenutzthätten,daß HitlerpersönlichvoreinpaarTagendemZollBefehlgegebenhabe, zurückkehrende Offiziere streng zu kontrollieren und alle bei ihnen gefundenenWareneinzuziehen... ...unserMannvomOKWwechselteeinigebestimmteWortemitdem Zöllner,undwirdurftenweiterfahrenmitunseremKram... ... Über dem Geräusch des Zuges [AachenDuisburgBerlin] konnte ichbritischeBomberimTiefflughören,siekamenimmernäherund versuchten offenbar, uns zu treffen... Schließlich entfernte sich das Motorengeräusch,undunserLokführerbrachtedenZugaufnormale Geschwindigkeit.“ HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.26.06.: „AmAbendwarvorderKathedralegroßerZapfenstreichderArmee, inderenVerbandwirunsamVormarschbeteiligten.Ichnahminmit tenderGruppederneuenTrägerdesEisernenKreuzesdaranteil.“ Do27.06.:DeutscheTruppenerreichendiespanischeGrenze. William Shirer ,Berlin,Tgb.v.27.06.: „Frankreichhatnichtgekämpft...[EsfolgteinedetaillierteAnalyseder GründefürdenschnellenSiegderDeutschenimWesten]“( S409-416 ) Fr28.06.:PapstPiusXII.richtetinvertraulichenSchreibendesVa tikansanFRKHitler,PMChurchillunddenDuceMussolinidieFra ge, ob diese seiner Vermittlung eines „gerechten und ehrenhaften 255

Friedens“Wohlwollenentgegenbringenwürden.Großbritannienlehnt dieInitiative,dieangesichtsdermilitärischpolitischenLagenureinen SiegfriedenfürDeutschlandbedeutenkann,ab.Churchillverlangtin eineraufeineentsprechendeInitiativeKönigGustavsV.vonSchwe denerteiltenAntwortvorFriedensverhandlungenMaßnahmen(„ deeds, not words “)DeutschlandszurWiederherstellungderFreiheitundUn abhängigkeitderTschechoslowakei,Polens,Norwegens,Dänemarks, derNiederlande,Belgiensund„vorallem“Frankreichs. Presse und Rundfunk loben Rumäniens Hinnahme der Abtre- tung von Bessarabien und der Nordbukowina an die UdSSR: „Rumänien hat Vernunft bewiesen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.28.06.: „Ich war schockiert davon, wie die deutsche WeM in Belgien und FrankreichdasZeichendesRotenKreuzesmißbrauchthat. 40 Meilen von Paris entfernt... Unter großen Bäumen verborgen, standendort40oder50TanklastwagendesHeeres.Mehrerevonih nenwarenmitgroßenRotkreuzZeichenbemalt...“ Sa29.06.:FRKHitlerkehrtvoneinermehrtägigenBesichtigungsfahrt nach Frankreich und Flandern in das FHQ Tannenberg (Schwarz wald)zurück. HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.29.06.: „WirsindhiernachdenStrapazenderMärscheineinlauesBadge taucht und leben als Normannen, die in ein Weinland eingedrungen sind.“ So30.06.: Im FHQ Tannenberg befaßt sich FRK Hitler mit ChWeMFSt GOb Jodls Studie „Die Fortsetzung des Krieges ge- gen England“. HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.30.06.: „Den Vormittag verbrachte ich mit einem ‘Tatbericht gegen Unbe kannt’,aucheinerArbeitpourleRoidePrusse.MitÜbergriffenmuß inallenHeerengerechnetwerden;dasistunbedeutend,wennnurdas Maß derEhrenieverlorengeht.“ Mo01.07.: 256

Di02.07.: FRK Hitler befiehlt der WeM die Ausarbeitung des Unternehmens Seelöwe , einer Invasion Großbritanniens: „Der F hat entschieden, daß unter bestimmten Voraussetzungen – von denen die wichtigste die Erlangung der Luftherrschaft ist – eine Landung in England stattfinden könnte.“ Die WeM beginnt nun, Binnenschiffe für eine Landungsflotte zu requirieren. Bis Ende August werden es 2000 sein, hinzu kommen 170 Frachter. Mit der Flotte sollen 300000 Soldaten nach England gebracht werden, davon 140000 mit der ersten Angriffswelle. Rumänien bittet Deutschland um die Entsendung einer gegen die UdSSRgerichtetenHeeresmission(s.12.10.). RSHA-Chef Reinhard Heydrich hält in einem Aktenvermerk fest: Im Polen-Feldzug ist es zu Konflikten zwischen Heer und SS-Einsatzgruppen/ Polizei gekommen. die auf „Unkenntnis der weltanschaulichen Gegnerlage“ zurückzuführen sei. Die Weisungen an die Polizei seien „außerordentlich radikal“ gewe- sen, so daß den Heeresbefehlsstellen „dieser Befehl [ gemeint ist wohl die AB-Aktion, A.B .] nicht mitgeteilt werden konnte“. Daher sei „nach außen hin das Handeln der Polizei und SS als willkür- liche, brutale Eigenmächtigkeit“ in Erscheinung getreten. Es komme hinzu, daß der „Selbstschutz [volksdeutsche Miliz unter SS-Führung] zu Anfang aus zwar verständlicher Erbitterung ge- gen die Polengreuel selbst zum Teil unmögliche, unkontrollier- bare Racheakte durchführte, die dann wieder zu Lasten von Po- lizei und SS geschrieben wurden“. Joseph Goebbels, FHQ Tannenberg (Schwarzwald), Tgb. v. 03./02.07.: „DerFührerkommtmirstrahlendentgegen...ErwillimReichstagre den und England eine letzte Chance geben. Ob es darauf eingeht? Churchillsicherlichnicht.EristeinreinerNarr.Abervielleichteinige verständige Elemente. England kann in 4 Wochen niedergerungen werden.AberderFührerwilldasEmpirenichtzerstören,daalles,was esverliert,wahrscheinlichnichtuns,sondernfremdenGroßmächten zufällt. Ein schwerer EntschlußundschwerauchvorunseremVolk zubegründen.DochderFührerwirddasschonfertigbringen.Geht Londondaraufnichtein,hatessichdieFolgenselbstzuzuschreiben. Siewerdengrauenvollsein...DieRededesFührerswirdimwesentli 257

chenaufGroßzügigkeiteingestelltsein.AufjedenFallwirdsieEng land in eine schwierige psychologische Situation bringen, vielleicht aberauchdenFriedeneinleiten...InLondonmachensichschonFrie densbestrebungen sichtbar. Wohin das führen wird, weiß noch nie mand.IchbesprechemitdemFührerseinengroßenEmpfanginBer lin.ErwirdaufSamstag15h,seine Reichstagsrede auf Montag 12 h festgelegt .“ HptErnstJünger,Bourges,Tgb.v.02.07.: „DerletzteTaginBourges... Wieichhöre,werdenwirzuFußnachZweibrückenmarschieren,um vondortam25.07.mitderBahnnachBergenzufahrenunddannfür unbestimmte Zeit auf Urlaub zu gehen. Damit wäre dieser Feldzug schnellerbeendet,alsjezuahnenwar.“ Mi03.07.: Nachdem der französische Adm Gensoul in Oran ein britischesUltimatumzurÜbergabederdortigenFlottezurückgewie senhat,versenkendieBritendreiSchlachtschiffeundweitereBegleit schiffederFlotteinOran,damitdiesenichtDeutschlandindieHände fallen. Bei dem Unternehmen sterben 1200 französische Soldaten. FrankreichbrichtdiediplomatischenBeziehungenmitGroßbritannien abundprotestiertinLondonmitdemHinweis,eshabeaufFRKHit lersVersprechenvertraut,diefranzösischeFlottenichtgegenGroß britannieneinzusetzen.PMChurchillwillmitderAktiondenUSAdie britischeKampfbereitschaftgegenDeutschlandbeweisen. HptErnstJünger,LesTallans(Hzm.Berry),Tgb.v.03.07.: „FußmarschbisindieGegendvonHenrichemont,wowirindement legenenGutshofLesTallansübernachteten.Unterwegsrittichneben Hilbrecht... ‘Alsichzumerstenmalhörte:>MitscharfenPatronenladenundsi chern<,hatteichdasGefühlwieeinKonfirmand,dervordemAltar steht.’“ Do04.07.: Der französische Generalsekretär des Völkerbundes, Ave nol,entläßtallebritischenAngestelltenundschicktsieperBusüber FrankreichinihrHeimatland. WilliamShirer,Genf,Tgb.v.04.07.: 258

„AlleLeutehierredenüberdas‘neueEuropa’,einThema,dasbeiden meistenSchaudererregt.DieSchweiz,dieproKopfderBevölkerung mehrMännermobilisierthattealsjedesandereLandderWelt,nimmt eineteilweiseDemobilisierungvor.SiebetrachtenihreLagealsziem lich hoffnungslos, umgeben von den siegreichen Totalitaristen, die manneuerdingssogarbittenmuß,denTransportvonLebensmitteln undanderenGüternzuerleichtern...DieZeitungensindvollmitRat schlägen:MachteuchaufeinschweresLebengefaßt.“ Sa06.07.:15Uhr.FRKHitlertrifftvomerfolgreichenWestfeldzugzu rückkehrendaufdemAnhalterBahnhofinBerlineinundfährtinei nerTriumphfahrtdurchjubelndeMenschenmassenzurReichskanzlei. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.07./06.07.: „AlsichmorgensamWilhelmplatzankomme,isterschonvollerMen schen. Sie warten also 6 Stunden auf den Führer. Wieder englische LuftangriffeaufunserGebiet.EsistzumPlatzen!...Manerwartet[laut SDBerichtimVolk]balddenGroßangriffaufEngland.Italienwird... unbeliebter...FahrtzumAnhalterBahnhof... Kurz noch mit Göring palavert :erfürchtetLuftangriffeaufBerlinundistfroh,wennalles vorbeiist... Von einer Führerparade in Paris will er nichts wissen. Zu leicht englischen Luftangriffen ausgesetzt .“ So07.07.: Nachmittag. FRK Hitler empfängt in Berlin den italie- nischen AM Graf Ciano zu einem Gespräch über die Aussichten eines Friedens mit Großbritannien. Ciano teilt Hitler mit, Italien beanspruche Nizza, Korsika, Britisch-Malta, Französisch- Tunesien, Ägypten mit der britischen Sueskanalzone, den Angl- o-Ägyptischen Sudan und Französisch- sowie Britisch- Somaliland. GaleazzoContedeCiano,Berlin,Tgb.v.07.07.: „Er[Hitler]istehergeneigt,denKampffortzusetzenundeinenSturm des Zorns und des Stahls auf die Engländer zu entfesseln.Aberdie endgültigeEntscheidungistnichtgetroffen,undausdiesemGrunde verzögerterseineRede[vordemRT],inderer,wieerselbstesaus drückt,jedesWortwägenwill.“ 259

Mo08.07.:Diefürheute12UhrgeplanteRTRedeFRKHitlersist wegendessenRatlosigkeitüberdasweitereVorgehenGroßbritanniens verschobenworden. DerWaggondesWaffenstillstandsvonCompiègnewirdnachBerlin gebracht. Di09.07.: VichyFrankreichs Rg.Chef Pierre Laval beruft unter der Anleitung des deutschen Verbindungsmanns Otto Abetz die beiden Kammern des Parlaments ein, die ihre Selbstauflösung beschließen sollen.DasAAMitteilungsblatt Dienst aus Deutschland schreibthierzu: „DerWechselvomfrüherenRegimezueinerautoritärenRg.Formin FrankreichwirddiepolitischeLiquidationdesLandesimgegenwärti genKrieginkeinerWeisebeeinflussen.Tatsacheist,daßDeutschland seineRechnungenmitFrankreichalsnochnichtbeglichenansieht.Sie werden später beglichen werden, mit historischem Realismus... und nichtnuraufderBasisderbeidenJahrzehnteseitVersailles,sondern unterBerücksichtigungvielfrühererhistorischerZeiträume.“ Abend.RLRosenbergsagtaufeinerPressekonferenz,Schwedenmüs sesichdemübrigenSkandinavienanschließenundunterdenwohlge meintenSchutzdesReichstreten.AuslPrCh[Prof.Dr.Karl]Bömer erklärt am Ende nach Konsultationen mit RAM Ribbentrop und RMVPGoebbels,Rosenberghabenurseinepersönlicheundnichtdie MeinungderRRgausgesprochen. AndréGide,Ginoles/Frankreich,Tgb.v.09.07.: „WürdediedeutscheHerrschaftunsdenÜberflußsichern,neunvon zehn Franzosen ließen sie sich gefallen, drei oder vier darunter lä chelnd… Diejenigen, die fähig sind, sich aufrichtig aus geistigen Gründen zu erregen, sind sehr selten; fähig, wegen nichtmaterieller Entbehrungenzuleiden.Undvielleichtistesbesser,daßessoist.Der GewaltstreichHitlersbestehtdarin,daßerdieJugendseinesLandes dahin gebracht hat, etwas anderes zu wünschen als Wohlleben. Der Geist von Eroberung und Herrschaft ist aber verhältnismäßig leicht einzublasen.“ Mi10.07.:PétainwirdChefd’ÉtatvonVichyFrankreich. HptErnstJünger,Villechétif,Tgb.v.10.07.: 260

„[VonPaisyCosdon]ÜberTroyesnachVillechétif.InTroyesgroße Zerstörungen. Die westlichen Vorstädte waren niedergebrannt und das Gemäuer nur noch gleich einem Wabenwerk erhalten, das den Bodenmusterte.“ Do11.07.: FRK Hitler empfängt auf dem Obersalzberg die Spit- zen der WeM-Generalität, um über das Vorgehen gegen Groß- britannien zu beraten. OBM GrAdm Raeder rät als Vergeltung für die britischen Luftangriffe auf die Marinebasen Wilhelmsha- ven, Kiel und Hamburg, die Luftwaffe vor dem geplanten Frie- densangebot zu einem „konzentrierten“ Bombenangriff nach Großbritannien zu schicken. Ferner legt Raeder Hitler die schwerwiegenden Gründe gegen eine Invasion Großbritanniens dar. Sa13.07.: AndréGide,Ginoles/Frankreich,Tgb.v.13.07.: „Jede Erziehung der Kinder müßte zum Ziel haben, ihr Denken über die materiellen Interessen zu erheben. Aber sprecht doch einmal mit einem Bauern vom ‘geistigen Erbe’ Frankreichs: er wird sich selbst sehr wenig als dessen Erbe fühlen. Welcher von ihnen wäre nicht gerne damit einverstanden, daß Descartes oder Watteau Deutsche wären, oder auch, daß sie nie gelebt hätten, wenn er dadurch sein Getreide um ein paar Sous teurer verkau- fen könnte.“ So14.07.: JürgenSchüddekopf,(Filmbetrachtung), Das Reich v.14.07.: „Das sensiblere Publikum... verlief sich, wenn die harten Wirklich keitsbilderderWochenschauaufdiefarbloseScheinweltdesFilmstra fen.ImmerhinwarseinefastgespenstischeLebensferneausdenSep tembertagen1939,alsderFilmerschütterndabseitsvondenHerzens bewegungenderTagestand,nichtmehrsokraßfestzustellen.“ HptErnstJünger,ClaireFontaine(HauteMarne),Tgb.v.14.07.: „DieWirtin,beiderichwohne,vermißtihrenMann... WiealleFranzosen,dieichbishersprach,fandichsiesehrunzufrie denmitderRg.undihrerPolitik.InderTatwardasMaßanVerblen 261

dung, wie es etwa in der starken Verkürzung der Arbeitswoche vor dem großen Gange zum Ausdruck kam, ja auch erstaunlich genug. Wersogutlebenwill,mußsichdenWaffenfernhalten.Merkwürdig fandichauchimmerdieFurchtvoruns,schonlangevorunsererneu enRüstung,baldnachdemWeltkrieg,beihöchstermateriellerÜberle genheit.DurchsolcheZeichenmachendieEntscheidungensichfühl bar,bevorsiegefallensind.DanebenentsprichtdieFurchtnatürlich auchdenTiefsimBarometerstande;sieziehtdieUngewitteran.“ Mo15.07.: Die Luftwaffe fliegt Bombenangriffe auf englische In- dustrie- und Rüstungszentren. Die Presse schreibt: Deutsche Truppen aller drei Waffengattun- gen sind „jetzt bereit... zum Angriff auf Großbritannien. Das Da- tum des Angriffs bestimmt allein der Führer. “

Di16.07.: Gestärkt durch neue Beutewaffen, Rohstoffe, Nah- rungsmittel und Arbeitskräfte, gibt Hitler die geheime Weisung Nr. 16 zur deutschen Landung auf den britischen Inseln und de- ren Vorbereitung (Unternehmen Seelöwe ): „Die Vorbereitungen für das gesamte Unternehmen sind bis Mitte August abzu- schließen.“ Die Luftoffensive zur Vernichtung der soll am 13.08. beginnen, die Invasion wegen der kompli- zierten Bereitstellung von Marineschiffen für die Landetruppen erst am 15.09. Die Luftwaffe soll sich nach der Vernichtung der britischen Air Force ihrer zweiten Aufgabe widmen, dem Schutz der Landungsschiffe vor dem Angriff der Royal Navy, wozu sich die deutsche Marine außerstande sieht. FRKHitler,WeisungNr.16andieWeMv.16.07.: „...DaEngland,trotzseinermilitärischaussichtslosenLage,nochkei neAnzeicheneinerVerständigungsbereitschaftzuerkennengibt,habe ichmichentschlossen,eineLandungsoperationgegenEnglandvorzu bereitenund,wennnötig,durchzuführen. ZweckdieserOperationistes,dasenglischeMutterlandalsBasisfür die Fortführung des Krieges gegen Deutschland auszuschalten und, wenneserforderlichwerdensollte,invollemUmfangzubesetzen. HierzubefehleichFolgendes: 262

1. Die Landung muß sich in Form eines überraschenden Über ganges in breiter Front etwa von Ramsgate bis in die Gegend westlich der Insel Wight vollziehen, wobei Teilen der Luftwaffe dieRollederArtillerie,TeilenderKriegsmarinedieRollederPio niere zufallen wird. Ob eszweckmäßigist,vordemallgemeinen Übergang Teilaktionen , etwa zur Besetzung der Insel Wight oder derGrafschaftCornwall,zuunternehmen,istvomStandpunktje desWeMTeilesauszuprüfen,unddasErgebnismirzumelden. DieEntscheidungbehalteichmirvor. Die Vorbereitungen für das gesamte Unternehmen sind bis Mitte August abzu- schließen . 2. Zu diesen Vorbereitungen gehört auch, daß diejenigen Vor aussetzungen geschaffen werden, die eine Landung in England möglichmachen. a. Die englische Luftflotte muß moralisch und tatsäch lich so weit niedergekämpft sein, daß sie keine nen nenswerteAngriffskraftdemdeutschenÜbergangge genübermehrzeigt. b. EsmüssenminenfreieWegegeschaffensein. c. Durch eine dichte Minensperre muß die Straße von inbeidenFlankensowiederWesteingangdes KanalsetwainderLinieAldernayPortlandabgesperrt sein. d. DurchstarkeKüstenartilleriemußdasKüstenvorfeld beherrschtundartilleristischabgeschirmtsein. e. DieFesselungderenglischenSeestreitkräftekurzvor dem Übergang sowohl in der Nordsee als auch im Mittelmeer (durch die Italiener) isterwünscht,wobei schonjetztversuchtwerdenmuß,denenglischenSee streitkräften, die sich im Mutterland befinden, durch LuftundTorpedoangriffenachKräftenAbbruchzu tun...“ Mi17.07.: U „Die Rothschilds“ R Erich Waschneck B Carl Martin Köhn und GerhardT.BuchholznacheinemSkriptvonMirkoJelusichKRobert BaberskeDErichPonto(AmschelRothschild)AlbertLippert(James 263

Rothschild)CarlKuhlmann(NathanRothschild)AlbertFlorathHu bert von Meyerinck Bernhard Minetti Hilde Weißner Gisela Uhlen UrsulaDeinert(Tänzerin) RichardBiedrzynski:Rezension Die Rothschilds , VB v.17.07.: AmschelRothschildsjüngsterSohnJamesvertritt„diejüngereLinie..., diesichbereitsmodischerundmoralischerHeucheleibefleißigt“.Die „dämonischenAntriebe,diedenNathanregierenunderklären“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.17.07.: „InBerlinhaben300SSMännerbegonnen,Suahelizulernen.Dasist dieHilfssprachederfrüherenKolonieDeutschOstafrika.“ HptErnstJünger,Gondreville,Tgb.v.17.07.: „Toul,daswirschnelldurchfuhren,warstarkzerstört.DereineTurm derKathedraleschieneinenTreffererhaltenzuhaben;erwarhalbab gestürzt.AuchwardasgroßeKirchendachverbrannt.“ Do18.07.: Nachmittag. Große Siegesparade zum Westfeldzug in Berlin. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.18.07.: „Zumerstenmalseit1871marschiertenheutewiederdeutscheTrup penineinerSiegesparadedurchdasBrandenburgerTor.Darunterbe fandsichaucheineBerlinerDivision.GeschäfteundFabrikenaufBe fehlgeschlossen,unddieganzeStadtimFreudentaumel.Nichtsfin dendieBerlinerimganzennaiveundeinfacheLeuteschönerals eine große Militärparade. Und nichts angenehmer als einen freien Nachmittag,fernvonderArbeitundvonihrentraurigenWohnungen. IchmischtemichunterdieMengeamPariserPlatz.Esherrschtetota leFeiertagsstimmung.DieMenschenmassehatteabsolutnichtsKrie gerischesansich.Manwarhergekommen,umeinpaarfroheStunden zuerleben.Ichfragtemich,obwenigstenseinigenunterihnenbewußt war,wasinEuropavorging;obsieeineentfernteAhnungdavonhat ten, daß ihre Freude, daß diese glorreiche Stechschrittparadeeinher gingenmiteinergroßenTragödiefürMillionenandereMenschen,die vondiesenTruppenundvondenFührerndiesesVolkeszuSklaven gemacht worden sind. Ich wette, nicht einmal einer unter tausend machtesichdarüberGedanken... MeinHotel[Adlon]istvollerhoherGenerale,diezuderRTSitzung angereistsind.“ 264

GerhardStarke:Rezension Die Rothschilds , DAZ v.18.07.: LeibHerschgehört„zudenwiderlichstenErscheinungen...Diesekla gendeStimmescheintimmerumEntschuldigungzubitten,dochver birgt ihr Jammern etwas Lauerndes, feige Drohendes. Die Stimme schleicht, wie ihr Besitzer.“ „Carl Kuhlmanns Nathan ist ein Stück großerSchauspielerei.BlickundGebärdeemanierendasinnersteWe senderFigur,mankommtnichtlosvonderEmpfindung,daßerdie Quintessenz des Juden, den er darstellt, geschluckt hat und ihn nun dessenbesondereArtganzdurchdringt.SospielterzumIndividuum immerauchdieganzeRassemit,dasganzesemitischeHinterlandder Person,mittausendFinessenihrerOrdinärheit.Alles,wasertut,folgt einem kategorischen Imperativ seines Charakters, gehorcht einer Notwendigkeit,dieausseinemjahrtausendealtenBluterbefließt.Trieb und Instinkt brechen so plötzlich mit schamloser Grimasse aus ihm hervor,daßdieIdentitätvonDarstellerundDargestelltemetwasUn heimlichesbekommt.SolchesrestloseAufgehenvonSeinundKön nen ist wohl das eigentlichste Phänomen aller Schauspiel kunst.“...Bronstein...sein„unnachahmlichesGrinsen,beidemdasgan zeGesichtzerrinntundauseinanderläuft“...„AlleüblenLebenssäfte, diedenTypusbestimmen,sindindiesenGestaltenzusammengebraut. WandelndePamphletewider!“ Hans Erasmus Fischer: Rezension Die Rothschilds , Berliner Lokal- Anzeiger v.18.07.: „Welcheinestickige,unsaubereLuftwehthierdurchAmschelsBüro, wie unheimlich geradezu ist hier jüdisches Gebaren festgehalten.“... „DieSaatNathansistaufgegangen.ÜberderErnteaberwerdenTod und Verderben stehen, und die apokalyptischen Reiter werden über diesesLandjagen,dasBrandmalderSchandezulöschen.“ GustavSchwark:Rezension Die Rothschilds , Filmkurier v.18.07.: „ImKaftan,mitjüdelndservilerLiebedienerei,scharwenzeltderkleine AmschelumdengroßspurigenLandgrafen,läßtsichvonihmGrob heitensagen,feilschtumeinAchtelmehroderwenigerProvision,legt leidergebendieHändeineinander,alsoberbeidemHandelzusetzte. NurhinundwiederfliegteinLächelnüberdieZügedesspekulieren denGreises,derschondieAuswertungderihmanvertrautenRiesen summevon600000Pfunderrechnet.ErichPontohatdiesPorträtmit den feinen Lichtern Rembrandtscher Graphik trefflich gezeichnet.“ 265

Leib Hersch ein „degenerierter GhettoTyp“. Nathan ist „feist, agil, brutal.DieniedrigeStirnkraushaarigüberdacht.Mitdenbeweglichen AugeneinesLuchses“.

Fr19.07.: 12Uhr.DasRMVPverbreitetwegenderFurchtvonRLfM Göring vor britischen Luftangriffen erst jetzt über Rundfunk, daß FRKHitleramAbendvordemRTeineRedehaltenwird. FRK Hitler befördert RLfM GFM Göring zum (RMl)undüberreichtihmdasGroßkreuzvomEisernenKreuz.Fer ner befördert Hitler die Heeresgeneräle Bock, Brauchitsch, Keitel, Kluge,Leeb,List,Reichenau,RundstedtundWitzlebenunddieLuft waffengeneräle Kesselring, Milch und Sperrle zu GFM (5 Sterne). ChHGStGltHalderwirdnureineStufezumGen(3Sterne)beför dert. 19 Uhr. FRK Hitler appelliert vor dem RT in einer „Sieg- und Friedensrede“ an Großbritannien, den Krieg sofort zu beenden : „IndieserStundegebietetesmirdiePflichtvordemeigenenGewis sen, noch einmal an Vernunft und gesunden Menschenverstand zu appellieren.IchkannkeinenGrunddafürsehen,warumdieserKrieg weitergehen muß. Es schmerzt mich, wenn ich andieOpferdenke, dieerfordernwird.Ichmöchtesievermeiden,auchfürmeineigenes Volk.“ In Italien fürchtet der durch das Frankreich-Fiasko gedemütigte und auf Hitler eifersüchtige Duce Mussolini, daß Großbritan- nien auf Hitlers Friedensangebot eingeht und seine Kriegspläne gegen Ägypten und Griechenland dadurch unausführbar macht. Später Abend. Nur eine Stunde nach der Rede kommt wider Hitlers Erwarten über BBC-Radio die inoffizielle Ablehnung des „Friedensangebots“ . GaleazzoContedeCiano,Berlin,Tgb.v.19.07.: „SpätamAbend,als[beimEmpfangderRRg]dieerstenkaltenengli schenReaktionenaufdieRedeankommen,breitetsicheineStimmung schlecht verhohlener Enttäuschung unter den Deutschen aus... Er [Mussolini am Telephon]... umreißt sie als ‚eine viel zu schlaue Rede’. Er fürchtet, die Engländer könnten in ihr den Vorwand finden, Verhandlungen zu beginnen. Das wäre traurig für Mus- solini, denn jetzt will er mehr denn je den Krieg .“ 266

Joseph Goebbels, Berlin, Tgb. v. 20./19.07.: „Mittags beim Führer… Wir besprechen noch vielerlei: daß man Gewohnheitsverbrecher vor dem Verbrechen und nicht danach unschädlich machen soll. Daß das unsere Juristen niemals ver- stehen werden. Daß die Juden auch dazu gehören und man mit ihnen kurzen Prozeß machen muß. Sie wirken sich sonst immer als Spaltpilze aus.“ Zeitschriftendienst [RMVP]v.19.07.: „Mit dem Film Die Rothschilds (Ufa) beginnt der Einsatz der bewußt durch die Abteilung Film im Reichsministerium fürVolksaufklärung und Propaganda geförderten Filmwerke, die in der gegenwärtigen weltanschaulichen Auseinandersetzung für den Freiheitskampf des deutschenVolkeszumEinsatzgelangensollen.Wirdürfenvondiesen Filmen,derenInhaltundGestaltungfilmkünstlerischerAusdruckder deutschenHaltungwerdensoll,jedochnichtalleinstaatspolitischeund propagandistischeWerteerwarten,sondernauchneueentscheidende SchritteaufdemWegedesdeutschenFilmszurVolkskunstimbesten Sinne.“ Die Rothschilds sollals„erstespraktischesBeispieldieserneuen Produktionslinie...einendervielenGründeunseresKampfesgegendas Weltjudentum“aufzeigen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.19.07.: „Eswirdkeinen‘Blitzkrieg’gegenGroßbritanniengeben.Wenigstens nochnicht.HitlerhatamAbendimRTFrieden‘angeboten’...Aber natürlich ist es ein Frieden, bei dem Hitler als Eroberer über dem Kontinentthront.AlsichdiephantastischeVorstellungimRTverließ der imposanteste Auftritt, den ich je dort sah , stellte ich mir die Frage,wasdieBritennuntunwerden...AlsManöver,umdieBevölke rungaufdenKrieggegenGroßbritannieneinzuschwören,wardieRT SitzungeinMeisterwerk.DenndieMenschenwerdenjetztsagen:Hit lerbietetEnglandFriedenan,ohnejedenFallstrick... ...schalteteichdasdeutscheProgrammderBBCein.Unddawardie Antwort bereits! Ein dickes Nein... Beinahe jede Äußerung Hitlers wurdespöttischkommentiert.DieimRundfunkanwesendenOffizie re des OKW und Beamten verschiedener Ministerien wollten ihren Ohrennichttrauen.Einerschriemichan:‘Istdaszufassen?Können SiediesebritischenNarrenverstehen?JetztdenFriedenabzulehnen?’ Ichgrunztebloß.‘Diesindtotalverrückt’,sagteer... 267

DerHitler,denwirheuteabendimRTerlebthaben,wardergroße Eroberer. Und er war sich dessen bewußt. Doch zugleich auch der großartigeSchauspieler,äußerstgeübtimUmgangmitderdeutschen Seele,derdievolleÜberzeugungdesEroberersaufgeschickteWeise mitjenerDemutzumischenverstand,diedenMassensoleichtein geht,wennsiedemMannanderSpitzelauschen.SeineStimmewar leiser heute abend, er brüllte nicht wie gewöhnlich und verfiel nicht eineinzigesMalinhysterischesKreischenwieichessooftvondie ser Tribüne herab erlebt hatte. Er befand sich in Hochform... Viele MalehatteichdieArtundWeisebewundert,mitdererseineetwas femininenundbeinahekünstlerischenHändeeinsetzte...Erneutstellte ichauchseineGabefest,mitdemGesicht,mitdenAugen(ihremstar renNachobenRichten)undmitDrehungenseinesKopfesironische WendungeninderRedezuverstärken.Davongabesheuteabendvie le,besonders,wennervonChurchillsprach.Ebenfallsnichtzumers tenmaldieBeobachtung,daßermitungerührtemGesichtLügenvon sichgibt.“ HptErnstJünger,Edelingen(Adelange),Tgb.v.19.07.: „[Von Salonnes bei Nancy] Über ChâteauSalins, Mörchingen [Morhange], Baronville nach Adelange, das auf den neuen Straßen schildern bereits mit seinem Namen Edelingen prunkt. Hier ist die deutsche Sprache nicht nur vorherrschend, sondern die einzige, die gesprochenwird.BeimBürgermeisterimQuartier.“ Sa20.07.: FRKHitlerempfängtinderReichskanzleiAMGrafCiano, demgegenüberersichenttäuschtvonderbritischenZurückweisung zeigt. IndenNiederlandenläufteineVerhaftungswellederGestapo. Die Demokraten nominieren in Chicago US-Präs. Roosevelt ein drittes Mal für die Präsidentenwahl (05.11.). Der DNB- Korrespondent berichtet aus Washington, das Verfahren, durch das Roosevelts Nominierung zustande kam, sei „von allen Au- genzeugen auf das schärfste verurteilt worden“. Nacht zu morgen. Britische Bomber greifen Wilhelmshaven, Hamburg, Wismar, Schwerin, Paderborn, Hagen und Bochum an. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.21./20.07.: 268

„Erste englische Reaktion: vollkommen negativ. Schärfste, fast zyni scheAblehnung.KeineoffizielleStimme,abermanmerktChurchills Regiehand.AuchausUSAsehrfrostigeReaktion.DiePlutokratieist nochnichtsoweit.SomußsichdennwohldasDramavollenden.Ich setzealleSenderundGeheimsenderan,umdieenglischeVolksmei nungzubearbeiten.Aberesziehtnochnichtsorichtig.Englandmuß offenbarzuersteinpaarschwereSchlägebekommen.Verstärkte[briti sche] Bombenangriffe auf deutsches Gebiet. Churchill sucht fertige Tatsachen zu schaffen. Man muß abwarten, wie das englische Volk sichdazustellt...BeimFührer... Der Führer will Englands Antwort im Augenblick noch nicht wahrhaben. Ergedenktnochetwasab zuwarten.ErhatjaauchandasVolkundnichtanChurchillappelliert. NiewarunseremilitärischePositionsogünstigwiejetzt.UnsereRoh stofflageistnochmalsüberprüftwordenundgänzlichgesichert.Was alsokannunspassieren?Wirkönnenesunsleisten,nocheinpaarTa gezuwarten...DiemilitärischeLageistunverändert.DasMittelmeer ist ein stilles Meer geworden. Für die Engländer kaum noch zu ge brauchen.DerFührerhatCianodieLagedargelegt.Italienwilljetzt auch mehr heran an den Feind. WirdauchhöchsteZeit...Nachmit tag... Die Stimmen aus London werden von Stunde zu Stunde un freundlicherundablehnender.SolangeChurchillamRuderist,kommt vondortkeinFrieden.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.20.07.: „Noch keine offizielle britische Reaktion auf Hitlers ‘Friedensange bot’,undGoebbelsbereitetinderheutigenAbendpressedieBevölke rungsachtedaraufvor,daßeswahrscheinlicheinesolcheauchnicht gebenwird.DieDeutschen,mitdenenichsprach,könnendaseinfach nichtverstehen.SiewollenFrieden.SiewollennichtnocheinenWin terwiedenvergangenenerleben.SiehabennichtsgegenGroßbritan nien,trotzallerHetzpropaganda.(WieeinezuoftverabreichteDroge hatsielängstihreWirkungverloren.)Siemeinen,siesinddieGrößten. Siemeinen,siekönnenauchGroßbritannienschlagen,wenneszum Kampfkommt.AbersiewürdendenFriedenvorziehen. RooseveltistinChicago...Das[RooseveltsnegativeReaktionaufdie HitlerRede]bedeuteteinenSchlagfürHitler,dendieWilhelmstraße heutekaumverbergenkonnte.GoebbelsuntersagtederBerlinerPres sejeglichenKommentar... 269

Hitlers Hoffnung wird nun sein, daß Roosevelt bei der Wahl gegen Willkieunterliegt. Hitler fürchtetnämlichRoosevelt.Er beginnt ge- rade zu begreifen, daß Roosevelts Waffenlieferungen an Groß- britannien einer der Hauptgründe dafür sind, daß die Briten seine Art von Frieden nicht annehmen .“ HansWaltherBetz,Rezension Die Rothschilds , Der Film v.20.07.: James Rothschild...“geckenhaft, liebedienernd, geschmeidig, seine dunklen Machenschaften mit der Miene des Biedermannes“ abwi ckelnd.WechselndzwischenUnterwürfigkeitunddemSelbstbewußt seindesvermögendenMannesnähertsichNathanbeieinerAuktion demOberkommissardesenglischenSchatzamtes,„dermitenglischer Bedenkenlosigkeit auch den frischgebackenen Untertan israelitischer HerkunftdemokratischgroßzügigfürseineRänkezubenutzenweiß“. Nathan...„ So ist seine Seele bloßgelegt, wenn man die spekulie- rende Gehirnmasse, das satte Befriedigungsgefühl bei jeder Art von Übervorteilung, Unredlichkeit und Betrug überhaupt Seele nennen darf. Der Londoner Rothschild ist der Prototyp des unbe denklich Geschäfte treibenden Hebräers, der zynisch, gierig, bis ins Vollkommene gewissenlos, nur der einen und alleinigen Triebfeder seinerRasselebt:Geldzumachen.EristdasdurchdieZeitenunver änderteCharakterbilddesHändlers,derseinereligiösenVorschriften durch talmudistische Dialektik zu einer für ihnselbstgeltendenUn verbindlichkeit bringt, der seine deutlich verspürte Minderwertigkeit durchfrecheBelästigungundwildeHaßausbrüchegegendieGojims kompensiertund für den kein Verbrechen zu abscheulich, keine Heimtücke zu schmierig ist, wenn sie ihn seinen Zielen nä- herbringt ...EristdermephistophelischeWürgerhinterdenKulissen derWelt,derdurchBlutundElend,durchKriegundNotreichwird.“ HptErnstJünger,Edelingen(Adelange),Tgb.v.20.07.: „WirwerdennocheineReihevonTagenindiesemNestezubringen... ZahlreicheHäusersindzerstörtundausgebrannt,undandenWegen häuftsichverlassenesKriegsmaterial.“ So21.07.: FRK Hitler empfängt in der Berliner Reichskanzlei die WeM-Spitze zu einer Besprechung, in der er seine zwiespältige Haltung zu einer Großbritannien-Invasion, sein vorrangiges In- teresse an einer Invasion der UdSSR eventuell noch im Herbst 270

[!] und seine Zweifel bezüglich der weiteren Haltung der USA darlegt. Hitler erteilt OBH GFM von Brauchitsch den Befehl, einen Operationsplan für den Feldzug gegen die UdSSR auszu- arbeiten. Hitlers Darlegungen sind orientierungslos. Sie zeugen von der Irritation angesichts der unerwartet negativen Entwick- lung (Unterstützung der USA für Großbritannien) nach dem glanzvollen Sieg über Frankreich. Die Durchführung von „See- löwe“ müsse nun aber als das wirksamste Mittel für eine schnel- le Beendigung des Krieges angesehen werden, resümiert Hitler. Für die Invasion seien 40 Heeres-Div. unerläßlich. Vorbedin- gungen seien ferner die vollständige Luftherrschaft, der Einsatz von schwerer Artillerie in der Meerenge von Dover und der Schutz des Invasionsheeres durch Seeminenfelder. Wegen des schlechten Herbstwetters müsse die Hauptlandung – und damit auch das Thema Großbritannien – bis 15.09. beendet sein. Die UdSSR annektiert die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland als Sowjetrepubliken. ChHGSt Gen Franz Halder, Berlin, Tgb. v. 21.07.: „Führer: Unklar , was in England wird . Die Vorbereitungen zur Waffenentscheidungmüssensoschnellwiemöglichgetroffenwerden. DerFwillsichdiemil.pol.InitiativenichtausderHandnehmenlas sen. Sobald Klarheit, wird pol. und diplomatische Initiative wieder aufgenommenwerden. GründefürdieFortsetzungdesKriegesdurchEngland: 1.HoffnungaufUmschwunginAmerika:( Roosevelt unsicher ,In dustrie will nicht investieren. England läuft Gefahr, die Stellung als ersteSeemachtanAmerikaabzugeben). 2.HoffnungaufRußland. Die Lage Englands ist hoffnungslos. Der Krieg ist von uns ge- wonnen, Umkehr der Erfolgsaussichten unmöglich . Übersetzen [nach England] erscheint dem F ein großes Risiko . Übersetzen daher erst, wenn kein anderer Weg offen ist, um mit England zum Schluß zu kommen... Bis Mitte September muß England erledigt sein, wenn wir zum Angriff schreiten . 271

RussischesProbleminAngriffnehmen.GedanklicheVorbereitungen treffen. a)Aufmarschdauert4bis6Wochen. b)RussischesHeerschlagenoderwenigstenssoweit russische nBo denindieHandnehmen,alsnötigist,umfeindl. Luftangriffe gegen Berlin und schlesisches Industriegebiet zuverhindern.Erwünscht, soweit vorzudringen, daß man mit unserer Luftwaffe [!] wichtigste GebieteRußlandszerschlagenkann. c)PolitischesZiel:UkrainischesReich,BaltischerStaatenbund,Weiß RußlandFinnland,BaltikumPfahlimFleisch. d)Nötig80bis100Divn.;Rußlandhat50bis75guteDivn. Wenn wir in diesem Herbst Rußland angreifen ,wirdEnglandluft mäßigentlastet. Amerika kann anEnglandundRußlandliefern.“ RudolfKircher:Kommentar, Frankfurter Zeitung v.21.07 .: „Roosevelt ist der Vater der englischen Illusionen über diesen Krieg.Eskannsein,daßRooseveltsschäbigeTaktikendenAmerika nernzumHalseraushängen;eskannsein,daßernichtwiedergewählt wird; es kann sein, daß er im Falle seiner Wiederwahl strikt auf das Nichtinterventionsprogramm seiner Partei umschwenkt. Ebenso klar aberist,daßer,auchwennernichtmitseinerFlotteoderseinerAr meeeingreift,sichweitereinmischtmitReden,mitIntrigenundmit einer mächtigen Propaganda, die er in den Dienst der Engländer stellt.“ JürgenPetersen,Rezension Die Rothschilds , Das Reich Nr.9vom21.07.: [NathanstehtamSchlußmitOberkommissarHerriesvorderLand karte und zeichnet prahlerisch die Niederlassungen seiner Brüder in Paris,Frankfurt,WienundNeapeleinundfügtJerusalemals‘Stamm haus’hinzu.]„Wenn...sichausihrenLuftlinienverbindungenscheinbar zufällig, aber gleichwohl unheimlich genau die gekreuzten Dreiecke des Judensterns ergeben, die im Schlußbild gleich dem Netz einer SpinnedieenglischenInselnumgreifen,dannistderKerndesThemas unmißverständlichsinnfälliggeworden.“ Mo22.07.:PresseundRundfunkkündigenan,daßFRKHitlerMusso lini [* 29.07.1883] zum 57. Geburtstag einen gegen Luftangriffe ge panzertenEisenbahnzugschenkenwird. 272

Abend. DerbritischeAMLordHalifaxweistHitlers„Friedensange bot“ineinerRundfunkredezurück. Di23.07.: Mittag. Auf der Pressekonferenz der RRg sagt ein Spre- cher: „LordHalifaxhatsichgeweigert,dasFriedensangebotdesFüh rerszuakzeptieren.MeineHerren, das bedeutet Krieg .“ Die USA kündigen an, als Folge aus dem europäischen Krieg die französischen und britischen Stützpunkte vor der nord- und mittelamerikanischen Küste in Besitz zu nehmen. Dahinter steht eine Abmachung mit Großbritannien: Der Royal Navy werden 50 US-Zerstörer zum Schutz gegen eine deutsche Inva- sion überlassen. Die Abmachung wird erst Anfang September in der Öffentlichkeit bekannt (s. 05.09.). Abend.DieBerlinerZeitungentiteln:„ Churchills Antwort - Feiger Mord an einer schutzlosen Bevölkerung! “UndweiterimText:Die BritenhabendenFriedensappelldesFührersmiteinerVerstärkungih rer nächtlichen Bombenangriffe beantwortet gegen hilflose Frauen und Kinder. Bombardiert wurden in den letzten Tagen Bremen, Hamburg, Paderborn [große Panzerfabrik], Hagen und Bochum. Es wurdenausschließlichFrauenundKindergetroffen. FRK Hitler besucht im Bayreuther Festspielhaus Wagners „Götter dämmerung“. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.24./23.07.: „Halifax’RedeistdochwohlschärferinderAblehnung,alsmannach dererstengekürztenWiedergabeannehmenkonnte...DerFührersieht siealsendgültigeAblehnungEnglandsan.DieWürfelsinddamitge fallen. Wir stellen die Presse und den Rundfunk auf Kampf ein... Churchill läßt in größerem Umfang Bombenangriffe auf das Reich durchführen... Die Plutokratenclique wird das sehr teuer bezahlen müssen.JetztwirdderGroßangriffaufEnglandnichtmehrlangeauf sichwartenlassen.DiedeutscheLuftwaffewirdnundasWortergrei fen.DerKriegwirdkurz,aberhartsein...DiedeutscheÖffentlichkeit istinSiedehitze...[AMCordell]HullredetvomSchutzAmerikas,und dass die USA die europäischen [französischen undbritischen]Besit zungenaufderanderenHemisphäreinihrenSchutznehmenwerden. Da melden sich also drüben die Kriegsgewinnler. Die Welt ist so schlecht,somaßlosschlecht!MankönntedasKotzenkriegen...Der 273

Krieg gegen England wird wie eine Erlösung wirken. Die Nation brenntdarauf.Churchillwirdsichwundern.UndEnglandkommterst zurVernunft,wennesPrügelbezieht.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.23.07.: „Halifax’RedehatdieoffiziellenKreiseinAufruhrversetzt.Aufder PressekonfenrenzheutemittagnurwütendeNazigesichter... Ichfürchte,dasdeutscheVolkwirdes[dieGoebbelsPropagandazu den britischen Luftangriffen] schlucken. Die Leute sind sehr ent täuschtdarüber,daßGroßbritanniennichtaufdenFriedeneingegan genist.DochjetztrichtensichdieHoffnungenaufeinenraschenSieg bisspätestenszumHerbst,sodaßihneneinweitererKriegswinterer spartbleibt.“ HptErnstJünger,Edelingen(Adelange),Tgb.v.23.07.: „WieimmernachdenKriegengibteseineReihevonUnfällendurch die überall noch lagernde Munition. So vergnügten sich vor einigen TagenfünfArbeitsmännerimWaldehinterBuschdorff[Bistroff?]mit dem Werfen von Handgranaten, die sie dort in einem verlassenen Werkeentdeckthatten.DabeimußeinSplitterineinegroßeSpreng stoffmenge, wahrscheinlich einen Stapel von Tellerminen, gefahren sein.EsgabeinenFeuerschlag,derdieBäumeinweitemUmkreisfäll te...unddieMännerzerriß. Gestern spielten im Nachbardorf drei Kinder mit dem in Täfelchen gespreßtenSchießpulver...undfülltendamiteineneisernenOfen...Als sie ihn ansteckten, schoß eine riesige Stichflamme hervor und fügte ihnentödlicheBrandwundenzu.“ Mi24.07.:FRKHitlerkehrtvondenFestspieleninBayreuthnachBer linzurück. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.25./24.07.: „DerFühreristvonBayreuthzurück.Mittagsbinichbeiihm.Erhat einegroßeWutgegenLondon.SprichtmitVerachtungüberHalifax’ Rede.IronisiertihredummenPropagandamethoden.Erwilljetztzu erst einmal mit massiven Luftangriffen antworten, die sehr bald be ginnenwerden.DakönnendieEngländeretwaserleben.“ Do25.07.:FRKHitlerernenntdendeutschenGouverneurWeyerfür die fünf Departements der Bretagne. Ferner wird ein bretonisches 274

„Nationalkomitee“ gebildet, das einen bretonischen Nationalstaat proklamieren soll. Im Elsaß sind seit heute alle französischen Orts schilderdurchdeutscheersetzt. Abend.RWiM+RbkPräs.WaltherFunksagtvorderPresseinBerlin, Zweck der „neuen Ordnung“ in Europa sei, Deutschland zu einem reicherenLandzumachen:„DeutschlandmußeinMaximumanwirt schaftlicher Sicherheit und auch ein Maximum an Verbrauchsgütern garantiert werden. Darin besteht das Ziel der neuen europäischen Wirtschaftsordnung.“ Das Gold als Basis einer neuen europäischen WährungwerdevonderRMabgelöst.AuchalsinternationalesZah lungsmittelwerdeGoldseineBedeutunggrößtenteilseinbüßen.Damit verlörendiegroßenGoldvorrätederUSAentscheidendanWert.Die RbkwerdealsClearingzentraledesneueneuropäischenWährungssys tems fungieren. Alle Handelsbeziehungen mit europäischen Ländern müßtendamitkünftigüberBerlinabgewickeltwerden.Funkkritisierte die USamerikanische „Intervention“ in den Handel zwischen DeutschlandundSüdamerika:„EntwederwirtreibendirektenHandel mitdensouveränenStaatenSüdamerikasodergarkeinen.“ZuFragen, obauchseinVorgängerSchachteinenPlanfürdieeuropäische„Neu ordnung“ ausgearbeitet habe, sagt Funk: „Davon ist mir nichts be kannt...Achja,ichhabeinderAuslandspresseeinigesdarübergelesen. JedochglaubeichnurdieHälftevondem,wasichindenZeitungen lese...DerFührerhat mich mitderAusarbeitungderWirtschaftspläne fürdieNeuordnungbeauftragt.“ Fr26.07.: GüntherSawatzki,Rezension Die Rothschilds , Filmwelt v.26.07.: NathanistfürdenOberkommissarbessernutzbar,„weilderJudein seinerSkrupellosigkeiteinbesseresWerkzeugistalsdieselbstbewußte alteHerrenschichtdesLandes“. Sa27.07.: RWiKPräs. Alfred Pietzsch teilt mit, daß die neue Wirt schaftsordnunginEuropaeineAusdehnungvon3,8Miokm²undei neBevölkerungvon320Miohabenwerde.ProJahrsollen160Miot Kartoffelnund120MiotGetreideproduziertwerden,wasdieSelbst versorgungmitLebensmittelnpraktischsichere.Dieneueeuropäische WirtschaftsordnungkönneabernichtdieSelbstversorgungmitRoh 275

stoffengarantieren.SogibteszuwenigWolleundkaumBaumwolle. EsmüssenRohstoffeimWertvon1,5Mrd$eingeführtwerden. So28.07.: 12 Uhr. Bei einem Vortrag von ChHRüst GOb Fritz Fromm auf dem Obersalzberg erteilt FRK Hitler diesem die Weisung, die deutsche Rüstung mit Blick auf einen gegen die UdSSR gerichteten Überfall im Frühjahr 1941 umzustellen. RFSS+ChDP+RKF Himmler teilt mit, ein polnischer Landar- beiter sei erhängt worden, weil er mit einer deutschen Frau Ge- schlechtsverkehr gehabt habe: Man werde keine „Verunreini- gung der Rasse“ dulden. Ende Juli sprengen deutsche Pioniertruppen alle französischen Waf fenstillstandsdenkmäler in Compiègne, außer einem, das Marschall Fochzeigt. Mo29.07.:JudenwerdendieTelefonanschlüssegekündigt. Di30.07.:DieSeekriegsleitungteiltFRKHitlermit,daßselbstbei einerdeutschenLuftüberlegenheitüberdemKanalundeinerAbsiche rungderTransportwegeder Seelöwe LandeflottedurchMineneinEin bruchderüberlegenenRoyalNavyindasOperationsgebietnichtzu verhindernsei. Seelöwe könnedeshalbdiesesJahrnichtstattfindenund müsseauf1941verschobenwerden. Mi31.07.: FRK Hitler erklärt auf dem Obersalzberg der WeM- Generalität Vorbehalte hinsichtlich seiner Entschlossenheit zur England-Landung und seinen damit zusammenhängenden Ent- schluß, die UdSSR im Frühjahr 1941 anzugreifen und so schnell wie möglich als Staat zu zerschlagen. Ziel: Eroberung des wirt- schaftlich bedeutendsten Teils der europäischen UdSSR. Hitler informiert über den Fortgang der Luftkriegs- und Landeoperati- onspläne gegen Großbritannien. Als Tag der Großbritannien- Invasion sei der 15.09. anvisiert, der Luft- und U-Bootkrieg müs- se zuvor aber entsprechend positiv verlaufen. Eventuell könne der Luft- und U-Bootkrieg auch allein den Kampf gegen Groß- 276

britannien entscheiden, dies würde dann aber ein bis zwei Jahre dauern. ChHGSt Gen Franz Halder, Berchtesgaden, Tgb. v. 31.07. : „Führer: Erschwerung [der deutschbritischen Konfrontation], wenn Sache weiterläuft. Luftkrieg setzt jetzt ein. Er wird zeigen, in welches Verhältnis wir kommen. Wenn Ergebnis des Luftkrieges nicht befriedigend, dann wird Vorbereitung [zur Invasion Groß- britanniens] angehalten. KommtEindruck,daßEngländernieder geschmettert werden und daß nach gewisser Zeit Wirkung kommt, dannAngriff... Befehl: Vorbereitungen werden weiter getroffen; Entscheidung in 8 bis10TagenübertatsächlichenAngriff. Heer: Einstellen auf Ter- min 15.09. breite Basis ... U-Bootkrieg und Luftkrieg kann [allein] entscheiden, wird aber 1-2 Jahre dauern ... Englands Hoffnung ist Rußland und Amerika. Wenn Hoffnung auf Rußlandwegfällt,fälltauchAmerikaweg,weilWegfallRußlandseine AufwertungJapansinOstasieninungeheuremMaßverfolgt. Rußland ostasiatischer Degen Englands und Amerikas gegen Japan. Hier für England unagenehmer Wind. Japaner haben ihr Programm wieRußland,dasvorKriegsendenocherledigtwerdensoll... RußlandFaktor,aufdenEnglandammeistensetzt.Irgendetwas istinLondongeschehen!DieEngländerwarenschonganzdown,nun sindsiewiederaufgerichtet.AbgehörteGespräche.Rußlandunange nehmberührtvonschnellerEntwicklungderwesteuropäischenLage. RußlandbrauchtEnglandniemehrzusagen,alsdaßesDeutschland nichtgroßhabenwill,dannhofftEnglandwieeinErtrinkender,daß insechsbisachtMonatendieSacheganzandersseinwird. IstaberRußlandzerschlagen,dannistEnglandsletzteHoffnungge tilgt.DerHerrEuropasunddesBalkansistdannDeutschland. Entschluß: Im Zuge dieser Auseinandersetzung muß Rußland erledigt werden. Frühjahr 41 . Je schneller wir Rußland zerschla- gen, um so besser. Operation hat nur Sinn, wenn wir Staat in ei- nem Zug schwer zerschlagen ...“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.31.07.: „InmeinerheutigenSendungwollteichdavonberichten,wiesehr diehiesigeBevölkerunggegenwärtigvondenLebensmittelnprofitiert 277

Gemüse, Eier, Speck , die aus Holland und Dänemark ins Land kommen.DieZensorenverbotenmir,dieseTatsachezuerwähnen.“ Do01.08.:FRKHitlererläßtdie„WeisungNr.17fürdieLuftund Seekriegsführung gegen England“, die der WeM für den 06.08. den BeginneinesverstärktenLuftundSeekriegsgegenEnglandalsVor aussetzungfüreinerfolgreichesLandungsunternehmenbefiehlt. Der Rundfunk verbreitet eine gefälschte Erklärung von US-KrM Stimson, der gesagt haben soll: „Großbritannien wird innerhalb kurzer Zeit niedergeworfen [!] und die britische Flotte unter Kontrolle des Feindes sein.“ FRK Adolf Hitler, Weisung Nr. 17 für die Luft- und Seekriegs- führung gegen England v. 01.08.: „Um die Voraussetzungen zu schaffen, die für die endgültige Eroberung Englands notwendig sind, beabsichtige ich, den Luft- und Seekrieg gegen das englische Mutterland stärker als bisher fortzuführen. Zu diesem Zweck erteile ich die folgenden Befehle: 1. Die deutsche Luftwaffe muß die britische Luftwaffe mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und so bald wie möglich niederringen... 2. Nach der Erringung zeitweiliger oder örtlicher Luftüberlegenheit muß der Luftkrieg gegen Häfen geführt werden, vor allem gegen Einrichtungen im Zusammenhang mit der Lebensmittelversorgung... Angriffe auf die Häfen der Südküste müssen im Hinblick auf unsere beabsichtigten Operationen auf geringstmöglichem Niveau unternommen wer- den ... 3. Die Luftwaffe steht in Bereitschaft für das Unter- nehmen Seelöwe. 4. Ich behalte mir die Entscheidung über Terroran- griffe als Mittel der Vergeltung vor. 5. Der verstärkte Luftkrieg kann am oder nach dem 6. August beginnen... Die Kriegsmarine ist ermäch- tigt, zum selben Zeitpunkt die geplante verstärkte Seekriegsführung zu beginnen. 278

Adolf Hitler“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.01.08.: „Alle hier warten ungeduldig darauf, daß der Beginn der Invasi- on bekanntgegeben wird. Zwei Nazis der Wilhelmstraße haben mir Wetten angeboten. Der erste, daß das Hakenkreuz bis spä- testens 15.08. über dem Trafalgar Square weht; der zweite bis 07.09. Gen Milch, Görings rechte Hand, hat das zweite Datum als absolut gewiß bezeichnet.“ LS Franz Rademacher, Gesuch um Beihilfe an die PersAbt./AA v. 01.08.: „Esistmirgelungen,unterderHanddieZusagezuerhalten,daßeine Judenwohnung durch Sondermaßnahme für mich freigemacht wird. Bedingung ist, daß ich die Kosten für die Instandsetzung der völlig verdreckten Wohnung in Höhe von 700, RM übernehme.(Desinfi zieren, Abziehen des Parkettfußbodens, Tapezieren und Malen der sechsZimmermitNebenräumen,ErsetzenderkaputtenundzumTeil ausgefallenenKachelnimBadezimmerundderKücheusw.) BeiderbekanntenWohnungsknappheitseheichsonstkeineMöglich keit,inabsehbarerZeiteinepassendeWohnungingünstigerLagezu einem gerade noch erschwingbaren Preise zu bekommen. Ich selbst binnichtinderLage,dieerforderlichen700,RMaufzubringenund bittedaher,mitRücksichtaufdenbesonderenNotstandmireineein maligeBeihilfevon700,RMzugewähren.“ Fr02.08.: Deutschland annektiert Elsaß, Lothringen und Lu- xemburg. Die Verwaltung geht auf Zivilbehörden mit RSth über, die FRK Hitler unmittelbar unterstehen [1942 Bildung der Gaue BadenElsaß, Westmark {Saarpfalz+Lothringen} und Moselland {KoblenzTrier + Luxemburg}]; Elsaß: RSth+GL/Baden Robert Wagner;Lothringen:RSth+GL/SaarpfalzJosefBürckel;Luxemburg: RSth+GL/KoblenzTrierGustavSimon. DieSSerrichtetdasKZGroßRosen(Schlesien),zunächstalsKom mandovonSachsenhausen. IlseWehner,Rezension Die Rothschilds , Der Deutsche Film v.02.08.: „Es ist stets sehr gewagt, eine negative Figur in den Mittelpunkt zu stellen.“ 279

Sa03.08.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.03.08.: „DieNazishabengroßenÄrgermitSirLancelotOliphant,dembriti schenBotsch.inBelgien,derineinerGestaposchulezwischenBerlin undPotsdamgefangengehaltenwird.GesterngabesdorteinenFlie geralarm,woraufersagte,erwürdedenTeufeltunundkeinesfallsin den Keller gehen, wenn seine eigenen Leute herüberkommen und Bombenabwerfen.DieSSWachenschlepptenihngewaltsaminden Luftschutzkeller.“ So04.08.:OBLRMlGöringschreibtunterdemPseudonym„Armini us“im VB ,dieersteAufgabederLuftwaffebestehebeieinemVorge hengegenGroßbritanniendarin,dietotaleLuftüberlegenheitzuerrei chen, indem die Flugzeuge, Rollfelder, Hangars, Benzinlager und Luftabwehrnester des Gegners vernichtet werden. Danach, in der zweitenPhase,könnedieLuftwaffeihreHauptkraftdaraufkonzent rieren,dieLandstreitkräftezuunterstützen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.04.08.: „Gestern bin ich mit einem alten Transportflugzeug nach Hamburg geflogen... ... bald nach derAnkunftinHamburgwarauchklar,daßdieDeut schennichtdarandachten,mir‘alles’zuzeigen,wasichsehenwollte... Tanklager, eine Flugzeugfabrik, die Schiffswerften und einen gehei menFlugplatz... WoraufsieunsimBusmit50km/hdurchdieHafenanlagenfuhren. Die Docks waren absolut nicht pulverisiert, wir konnten jedoch bei demTemponichtausmachen,obnichtdaunddortBombeneinge schlagenwaren.DanachbestiegenwirdenTurmderMichaeliskirche, vonwowiraus100mHöhedenHafenüberblickenkonnten.Selbst mitdemFernglaswarnichtsGenauesauszumachen.DieÖltankswa ren zu weit entfernt... Die Docks und eine nahegelegene Werft von Blohm&Vossschienenjedochunversehrtzusein.AneinerStelledes FlusseswareineAnzahlkleinerSchiffegesunken,ihreMastenragten nochausdemWasser...NachzweiMonatenfastallnächtlicherBom bardements[inNorddeutschland]hatteicherwartet,daßdieRAFviel mehr Wirkung erzielt haben würde... Und die beiden so wichtigen ElbbrückenimZentrumdesHafenswarennichteinmalgestreiftwor 280

dendienächsteBombewaretwa200mentferntinsWassergefallen. Die beiden größten deutschen Passagierschiffe, „Bremen“ und „Eu ropa“,hattenoffenbarunversehrtbeiFinkenwerderangelegt.Mehrere Transportzüge der Eisenbahn luden im Hafen Soldaten aus, wie ich annahm, Teil der Invasionskräfte gegen Großbritannien. Man sagte, daßsieaufdiebeidengroßenDampfergebrachtwerdensollen... DieHauptklagederHamburger,mitdenenichsprechenkonnte,wa rennichtdieeingetretenenZerstörungen,sondern,daßsiedurchdie britischenAngriffeständigausdemSchlafgerissenwerden. Streifte heute nachmittag bei herrlichem Sonnenschein durch den Tiergarten.AnsechsverschiedenenStellenhattensichkleinereGrup penvonMenschenversammelt,umdasFütternderEichhörnchenzu beobachten.UnddieseEichhörnchenfreundesinddiegleichenMen schen, die durch ganz Norwegen bis Narvik vorgestürmt sind; und durchHolland,BelgienundFrankreichbiszumAtlantik.“ Mo05.08.: Abend. FRK Hitler trifft sich in der Reichskanzlei mit ChOKW Keitel, ChWeMFSt Jodl, OBH Brauchitsch, OBL Gö- ring, OBM Raeder und weiteren hohen WeM-Generälen zu einer geheimen Konferenz. Der geplante große Luft- und Seekrieg gegen Großbritannien und das Für und Wider der Invasion wer- den erörtert. Hitler hält die Invasionsdrohung aufrecht, weil er Großbritannien für einen Friedensschluß mürbe zu machen hofft. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.05.08.: „TrotzallerGerüchteübereineindennächstenTagenbevorstehende InvasionGroßbritannienssagenmirhiesigeMilitärs,daßdieLuftwaffe nochvielArbeitvorsichhabe,eheandenVersucheinerLandeopera tionzudenkensei... WarumhatdanndieLuftwaffeGroßbritanniennichtvielkonzentrier terangegriffen?WeilHitlerimmernochhofft,ChurchillzurAnnahme desFriedenszwingenzukönnen?OderweildieGeneräledesHeeres dieInvasionnochnichtwagenwollen?OderweildieRoyalAirForce zustarkist...? Die französischen Kohlegruben fördern wieder. Diesmal haben die Franzosensienichtzerstörtwie1914.EinZeitungsfotozeigtfranzösi sche Bergarbeiter beim Verladen von Kohle. Sie werden von einem 281

deutschen Soldaten mit Stahlhelm und Bajonett bewacht. Ihre von MoskaugelenkteKPundihreGewerkschaftenhabensie,alsFrank reichnochfreiwar,aufgefordert,nichtzuarbeitenundnicht[gegen dieDeutschen]zukämpfen...“ HermannWanderscheck,Vorbericht Jud Süß , Film-Kurier v.05.08.: Musikkomponist Wolfgang Zeller unterstreicht „Harlans schöpferi sche Phantasie für den dramatischen Wirkungsgrad der Musik im Film“.„ZellerhatdasLied‘AllmeineGedanken,dieichhab,diesind bei dir’ leitmotivisch durch den Film geführt.ErhatesimAndante tragisch abgewandeltunddurchdieorchestraleKlangfarbeverdunkelt. Dannklingtdas Schicksalsmotiv gleichimVorspannauf,einMotiv,das in seiner wuchtigen Härte und kraftvollen Schwere bezeichnend für denCharakterdesFilmsist.DasSchicksalsmotivwirdbeimFinaledes FilmsineineninteressantenkontrapunktischenGegensatzzuheiteren Motivengebracht.FürdieCharakterisierungdesJudentumshatZeller manche entscheidende musikalische Vorbereitung, in Übereinstim mungmitHarlan,getroffen.Einmalerscheinteinedas Zeremonial sin gendeJudenstimmeoriginalimFilm.Beim Judeneinzug inStuttgarthat Zeller dann mit eigenartigen orientalischen Klangfarben die typisch jüdischeMusikgetroffen.DieSzeneinder Sternwarte erfährt,wieZel ler sich ausdrückt, die typische ‘Beätherung’ durch eine glitzernde, monotonsalbungsvolle, auch orientalisch schattierte Musik... Zeller meint:eskommtgarnichtdaraufan,...den ganzen FilmmitMusikzu versehen, um die gleichzeitige Doppelwirkung von filmischer Stim mung und musikalischem Ausdruck zu erreichen. Es können auch wenige, aber charakteristischeStellensein,wodieMusikinErschei nungtrittwiebei‘JudSüß’unddochkönnensie viel mehr vomWe seneinerFilmmusikaussagen...“ Di06.08.: Joseph Goebbels, Berlin, Tgb. v. 07./06.08. : „Wetter wunderbar. Es kann also [mit dem großen Luftkrieg gegen Großbritannien] losgehen.BritischeLuftangriffeaufunserGebietin großemUmfang.Wirhaltennochzurück.Aber der Führer kann je- den Augenblick das Signal zum Angriff geben ... Roosevelt läßt durch[AMCordell]Hulleinezwarversteckte,abermassiveAttacke gegen uns reiten. Da wimmelt es nur so von Beleidigungen... Der 282

GroßangriffgegenEnglandistfürsofortgeplant.MitLuftwaffeund Ferngeschützen.EineersteKostprobefürLondon.Wirprüfendabei, wiestarkEnglandsLuftflottenochistodersichfühlt.IhreJagdwaffe sollnochziemlichintaktsein.SinddieVerluste,diewirerleiden,nor mal, dann geht die Aktion weiter. Wenn nicht, werden neue Wege [gemeint:ÜberfallaufdieUdSSRimFrühjahr1941beigleichzeitigem ZermürbungskriegzuWasserundinderLuftgegenEngland–A.B.] versucht. Invasion nicht geplant [gemeint: wenn im Luftkrieg die deutschen Verluste zu hoch und die britischen zu niedrig sind – A.B.] .AberwirwerdeninderPropagandaverstecktdavonsprechen, um die Gegenseite zu verwirren... Beim Führer: Italien bereitet den Angriff auf Ägypten vor. Mit ziemlich großen Truppenmassen. Es kanndabeikaumetwaspassieren. Der Führer hat den Angriff auf England noch nicht befohlen. Er zögert noch etwas. Es ist auch ein verdammt schwerer Entschluß .“ Mi07.08.: ChGSt GOb Halder und OBM GrAdm Raeder sprechen überdieBedingungendesgeplantenUnternehmens„Seelöwe“.Rae dererklärtsichaußerstande,dievonHaldergefordertenLandungswel lenaufbreiterFrontvonzuerst100000unddann160000Heeressol datenabzusichern.Halder:„IchlehnedieVorschlägederMarinemit aller Entschiedenheit ab. Vom Standpunkt des Heeres aus betrachte ich sie als reinen Selbstmord. Ich könnte die gelandeten Truppen ebensogutdurchdenFleischwolfdrehen.“

Do08.08.: Spaniens AM Juan Beigbeder y Atienza erklärt gegen- über Botsch. Eberhard von Stohrer die Bereitschaft zum Kriegs- eintritt an der Seite Deutschlands (s.03.06.), stellt aber zwei Be- dingungen: 1. Spanien muß Gibraltar, Französisch-Marokko und Westalgerien bis Oran erhalten sowie die Zustimmung zur Ver- größerung seines Kolonialgebiets (Rio Muni, Fernando Poo) am Golf von Guinea; 2. deutsche Rüstungs- und Wirtschaftshilfe für Spaniens Kriegführung . DieRRgteiltmit,DeutschlandlehnejedeVerantwortungfüreven tuell auftretende Nahrungsmittelknappheit in den deutsch besetzten Gebietenab. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.09./08.08.: 283

„Wetter sehr gut. Der Führer kann jeden Augenblick den ersten Großeinsatz gegen England befehlen... [OKWVbOfz/RMVP Ostl HansLeo] Martin beklagt sich über die IndolenzdesGeneralstabes. Der bremst, statt anzufeuern. Und danach ist auch seine Erziehung desNachwuchses...EinigeLuftangriffehübenunddrüben.Aberkeine voranschreitendenAktionen...MittagsbeimFührer:leideristdasWet terüberEnglandnichtgut.Wirmüssenaufbessereswarten.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.08.: „DieDeutschenhoffenwohl,daßAmerikadieBevölkerungderbe setzten Länderernährenwird.Siewürdenesgernsehen,wenn[Ex Präs.Herbert]HooverdieseAufgabeübernimmt.“ Sa10.08.:DasAAteiltmit,DeutschlandwerdefranzösischeSeeleute, die sich der ExilRg. von Charles de Gaulle unterstellen, als Piraten behandeln, die bei der Gefangennahme „keine Gnade“ zu erwarten hätten. So11.08.: Die deutsche Luftwaffe beginnt den „verschärften Luftkrieg gegen Großbritannien“ („Adlertag“): Die Luftflotten 2 (GFM Kesselring) und 3 (GFM Sperrle) haben hierzu 875 Bom- ber, 316 Stukas, 45 Fernaufklärer, 702 Jäger und 227 Zerstörungs- flugzeuge bereitgestellt. Das OKW meldet den Abschuß von 89 britischen und 17 deutschen Maschinen. Zwischendurch waren von der OKW-Propaganda gar 111 britische Flugzeuge als abge- schossen gemeldet worden. DieErrichtungneuerTribünenaufdemPariserPlatzinBerlinwird heutemiteinemFarbanstrich,derInstallationzweierriesigergoldener AdlerundzweierNachbildungendesEisernenKreuzesandenTribü nenendenabgeschlossen.FRKHitlerhatdieFertigstellungvorEnde Augustangeordnet,fürdieParadenacheinemendgültigenSiegüber Großbritannien. Morgen. RWiM Funk dankt bei einer Rede in Königsberg Charles LindberghfürdessenBemerkung:‘WenndieReichenzureichwerden unddieArmenzuarmdannistesZeit,daßetwasgeschieht.’ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.08.: 284

„Die englische Küste hat heute die bisher größte Luftschlacht des Kriegesgesehen...DieLuftwaffelügtsoschnell,daßsiedabeisogar ihreeigenenZahlendurcheinanderbringt.“

Mo12.08.: Das OKW meldet in der Luftschlacht um England den Abschuß von 71 britischen und 17 deutschen Maschinen. Die Zahlen aus London sind in etwa umgekehrt.

Di13.08.: Nach einer Lagebesprechung mit OBM GrAdm Rae- der wächst FRK Hitlers Skepsis gegenüber dem Unternehmen Seelöwe. Am 3. Tag der Luftschlacht über England meldet das OKW den Abschuß von 69 britischen und 13 deutschen Maschinen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.13.08.: „Ichvermute,daßdiebritischenZahlenderWahrheitnäherkommen.“ Mi14.08.:2Uhrfrüh.NachlangerZeitersterFliegeralarminBerlin, dochestauchenkeinebritischenBomberüberderStadtauf. William Shirer, Transportflugzeug BerlinGent/Gent/Ostende, Tgb. v.14.08.: „WirstarteteninStaakenum10.45Uhr... JetzttauchtinnördlicherRichtungAnwerpenauf,undderPilotsetzt zurLandungan.EineschlimmeSchrecksekunde:ausdenWolkentau chenzweiJägeraufundnähernsichrasch.Wirglaubenschonesseien britische Spitfires... AberessindMesserschmitts,undsiedrehenab. NunversuchtderPilotseinRollfeldzufindenkeineeinfacheAufga be,denndieFlugplätzehiersindallegetarnt... DerFlugplatzselbstistnichtgroß,dochdieDeutschenarbeitenfie berhaftanseinerAusweitung.GruppenbelgischerArbeitersinddamit beschäftigt, nahegelegene Gebäude abzureißen Villen der wohlha bendeneinheimischenBevölkerung... Gentistnichtsoromantisch,wieichesmirvorgestellthatte...Viele deutscheSoldatenindenStraßen,siekaufenmitihrerPapiermarkdie letzten Waren in den Geschäften auf... Wenn die vorhandenen Be ständeausgegangensind,könnensienichtersetztwerden... BeiderEinfahrtnachOstendehieltichAusschaunachKähnenund Schiffen,diediedeutscheInvasionsarmeenachGroßbritannienbrin 285

gen könnten, doch wir sahen kaum irgendwelche Wasserfahrzeuge. KeineSchiffeimHafenundaufdenKanälenhinterderStadtnurwe nigeBarkassen... DieganzeNachtaufgeblieben...Wirwarensehrbeeindrucktvonder HoffnungderBelgier,diebritischenBombermöchtendochherüber kommen.Esschienihnennichtsauszumachen,daßsieselbstgetrof fen werden konnten, wenn nur die Royal Air Force auch die Deut schen erwischen würde. Eine belgische Frau, deren Bitterkeit mich sehranrührte,erzählte,daßdieZerstörungeninOstende(dieMehr zahlallerHäuserhatschwereTrefferabbekommen)größtenteilsauf dasKontoderdeutschenArtilleriegehen,dienochlangeZeit,nach demdieBritenbereitsabgezogenwaren,dieStadtbeschossenhatte.“ Do15.08.:DieSSerrichtetdasSSFührungsHAalsKommandozentra lederWaffenSS. WilliamShirer,Calais,Tgb.v.15.08.: „AufderFahrtentlangderKüstewarichverwundertüberdie Vertei- digungs vorkehrungenderDeutschen.EinegeschlosseneLinievonSta cheldrahtverhauen,SchützengräbenundstarkbesetztenMGNestern erstreckt sich bis Dünkirchen entlang der Sanddünen, etwa 100 m vom Wasser entfernt. Ich sah zahlreiche Luftabwehrgeschütze und, etwa eine Viertelmeile zurückgesetzt, ebenso viele Artilleriestellun gen...AnkeinemOrtdergesamtenKüstenstreckesehenwirirgendein AnzeichenfürdeutscheVorbereitungenaufeineInvasion.Keinegrö ßeren Truppenkonzentrationen, keine Panzer, keine Landungsfahr zeuge.Abersiekönnennatürlichhiersein,undwirhabensielediglich nichtzuGesichtbekommen... Dünkirchenistaufgeräumtworden...UnserBegleiterverbietetunsdas BetretenderGegendrundumdenHaupthafen,wahrscheinlichkönn tenwirdortetwasvondenInvasionstruppenmitbekommen.Inund umDünkirchenfindensichzahlreicheLkwundweiteresKriegsmate rial, das die britischen Expeditionstruppen zurückgelassen haben... VondenzerstörtenWagenwerdendieReifengeborgen,siesindvon einer in Deutschland nicht gekannten Qualität. In der Stadt stehen lange Schlangen französischer Zivilisten vor den Suppenküchen und wartenaufeineHandvollNahrung... 286

...daßmanaufentlangderganzenStreckevon20Meilenlediglichzwei Wracksvon[britischen]Frachternausmachenkann.DazudieÜber restevonzweiZerstörernundeinemTorpedoboot... Während wir noch in Calais beim Lunch sitzen, hören wir die erste WellederdeutschenBomberaufihremWegnachEngland.Siefliegen sohoch,daßmansiekaumsehenkannwenigstens4000m.Ichzähle 23 Bomber, über ihnen bewegt sich ein ganzer Schwarm Messer schmittJäger... Gegen 3 Uhr nachmittags fahren wir weiter entlang derKüstenachCapGrisNez.DortimHafenstelleichfest,daßes auchhierkeinerleiKonzentrationvonSchiffen,Landungsfahrzeugen oder selbst kleinen Torpedobooten gibt. Lediglich drei der letzteren sindaneinemKaivertäut.Kannessein,daßdieDeutschenmitihrer Invasion Großbritanniens geblufft haben? Wir fahren weiter aufder Küstenstraße.WiederbrummenüberunsdeutscheFlugzeuge,diesmal eineSchwadronvon27Bombernundetwa50Jägern.Siemachenei nenSchwenkundverschwindenüberdemoffenenMeerinRichtung Dover. Wieder fliegen sie sehr hoch... Wir suchen über dem Kanal nachbritischenFlugzeugen.KeineeinzigeSpitfiretauchtauf... EinGeschwaderHeinkelBomber...kehrtzurückausRichtungDover. DreiodervierhabenProbleme,undeineMaschine,dieschonfastau ßerKontrolleist,kanngeradenocheineNotlandungaufdemflachen LandhinterdenKlippenmachen.ÜberdenBombernkreisenmitho herGeschwindigkeitMeJäger,109erund110erdieletzterenzwei motorig...WirpassiereneinriesigesEisenbahngeschütz,dasseineSal venRichtungDoverabgefeuerthat.Esistausgezeichnetgetarnt... Gegen6[abends]tauchen60großeBomberHeinkelsundJu82, eskortiert von etwa 100 Messerschmitts, und schwenken hoch über unserenKöpfennachDoverhinüber.NachdreibisvierMinutenhö renwirsehrdeutlich,wiediebritischeLuftabwehrgegensieinAktion tritt... Nach etwa einer Stunde kommt dasselbe Bombergeschwader, wiewirzuerkennenglauben,wiederzurückgeflogen.Wirkönnennur noch18vondenursprünglich60Bombernzählen... ...Esistjetzt3Uhrnachts,unddiedeutschenFlaksfeuernpausenlos seit½12,alswirdieersteDetonationeinerbritischenBombeimHa fengebiethörten.“ Fr16.08.: 287

WilliamShirer,Boulogne/Brüssel,Tgb.v.16.08.: „UnsereBegleiterwarensorgfältigdaraufbedacht,daßwirnichtmit zurückkehrenden deutschen Fliegern sprechen konnten. Ich habe mich jedoch gestern und heute früh mit mehreren verantwortlichen MarineundHeeresleutenvondenGeschützstellungenanderKüste unterhalten.Allegingendavonaus,daßderKrieginnerhalbweniger Wochenbeendetseinwürde,wasmichüberraschte... MittagessenhierinBoulogne...IneinemParfümgeschäftkommeich mit einer mutigen kleinen französischen Verkäuferin ins Gespräch, nachdemmeinAkzentsiedavonüberzeugthat,daßichAmerikaner bin.Sieerzählt,daßdieDeutschendieStadtleergekaufthabenDa menstrümpfe, Unterwäsche, Seife, Parfüm, Kaffee, Tee, Schokolade, TabakundCognac.IhreHauptsorgeabergiltdenLebensmitteln.‘Wo werdenwirnurimWintergenügendzuessenbekommen?’fragtsie... Heute nachmittag sahen wir entlang des Weges [BoulogneSaint OmerLilleTournaiBrüssel]aufeinigenFeldernuntergroßenTarn vorrichtungen Gerät stehen, das wie Landefahrzeuge und Pontons aussah, beladen mit Artillerie und leichten Panzern. Es war mit Si cherheitnichtgenug,umdamiteineInvasiongegenEnglandzube ginnen. Erstaunlich daran war, daß unsere Begleitoffiziere uns nicht nurdaraufhinwiesen,sondernauchdurchblickenließen,dengrößeren TeilhättenwirnichtzuGesichtbekommen.Magsein.Aberichbin mißtrauisch.“

Sa17.08.: Deutschland erklärt das „Operationsgebiet“ für U- Boote um Großbritannien und verschärft den Kampf. DasOKWmeldet,am16.08.seieninderLuftschlachtüberEngland 83britischeund31deutscheFlugzeugeabgeschossenworden. In Brüssel läßt der deutsche Stadtkommandant einen Anschlag an bringen:„IndemDorfSaventhembeiBrüsselisteinSabotageaktver übtworden.Ichhabe50Geiselnfestgenommen.Bisaufweitereswird außerdemeineSperrstundeangeordnet.Siebeginntum20Uhr.Sämt licheKinosundanderenVergnügungsstättensindabsofortgeschlos sen.“ WilliamShirer,Brüssel,Tgb.v.17.08.: „IchbesuchteMmeX.,eineBelgierinrussischerHerkunft,dieichseit 12Jahrenkenne... 288

IhreHauptsorgegaltjedochPierre,ihremEhemann... Wiemanihrberichtethatte,mußPierrejetztbeiderKartoffelerntein derNähevonHamburgarbeiten. ‘AberHitlerhatdochvoreinemMonatangekündigt,daßerallebelgi schenKriegsgefangenenfreilassenwerde’,sagteich... DasErmutigendeanmeinenGesprächenmitBelgiernundFranzosen in den letzten Tagen ist die Tatsache, daß beide Völker ihre letzten verzweifelten Hoffnungen auf den Widerstand der Briten richten. Dennihnenistvölligklar,daßsieimFallevonHitlersSiegdazuver dammt sind, Sklavenvölker zu werden. Trotz der hohen Gefängnis strafen,diedieNazisfürdasAbhörenausländischerSenderangedroht haben,sitzensiealleamLondonerSender...Allehabenmichverzwei feltgefragt:‘WerdendieBritenstandhalten?HabensieeineChance? WirdAmerikahelfen?’“ So18.08.:DieBrüsselerZeitung Le Belge titeltzudenBombenangriffen britischerFlieger:„ L’ignoble crime anglais contre Bruxelles! “ WilliamShirer,MilitärmaschineBrüsselBerlin,Tgb.v.18.08.: „AmFlugplatzinBrüssel...benutzeichdieallgemeineVerwirrungund gehe hinüber zu den Hangars. Zwei von ihnen zeigen frische Bom beneinschläge, und dahinter steht eine große Zahl demolierter deut scherFlugzeuge.“ Mo19.08.: Von heute bis Do22.08. tritt in Luftschlacht umEngland wegenschlechtenWetterseinePauseein. Di20.08.: Das OKW legt FRK Hitler den ersten Entwurf für das Unternehmen Felix vor, die geplante Eroberung des britischen Hafens Gibraltar. Die Planungen werden vor allem nach der Ab- sage des Unternehmens Seelöwe (s. 17.09.) vorangetrieben, es scheitern aber Hitlers Bemühungen, den spanischen Staatschef Franco zu einer Unterstützung zu bewegen. Gibraltar wird im November 1942 Ausgangspunkt der erfolgreichen amerikanisch- britischen Truppenlandung an der marokkanisch-algerischen Mittelmeerküste, die der Grundstein für eine echte Südfront ge- gen Deutschland wird. 289

1 Uhr früh. Das 2. Mal in dieser Woche ist in Berlin Fliegeralarm. BomberattackierendenNordenderStadtmitseinenIndustriegebie ten. Do22.08.:OBLGöringinformiertdieBerliner,siebrauchtennichtbei den ersten Sirenentönen des Fliegeralarms in die Keller zu gehen, sondern erst, wenn die Schüsse der nächstgelegenen Flakstellung zu hörenseien. Fr23.08.:AbendundNacht.WegeneinesNavigationsfehlersver fehlendeutscheBomberüberLondondieanvisiertenFlugzeugfabri kenundÖltanksindenAußenbezirkenundlassendieBombenüber derInnenstadtfallen,woeinigeHäuserindieLuftfliegenundeinige Zivilistengetötetwerden.DieBritenglaubenfälschlichaneinabsicht lichesBombardement. Sa24.08.: Die deutsche Luftwaffe beginnt mit der systematischen Bombardierung des Stadtzentrums von London. Der deutsche Militärbefehlshaber in den Niederlanden, Gen Christiansen, droht für den Fall weiterer Sabotageakte harte Strafen gegenüber den betreffenden Gemeinden sowie Geisel- nahmen an. Christiansen wirft den Niederländern vor, sie unter- ließen es bewußt, „Meldung zu machen von der Landung feind- licher Flieger auf holländischem Boden... Holländer, die Feind- soldaten verbergen, werden hart bestraft, in schweren Fallen auch mit dem Tode.“ Großbritannien setzt in Nordfrankreich, Belgien und den Niederlanden nachts Agenten mit dem Fall- schirm ab, die vor allem die Vorbereitungen für das deutsche Invasionsunternehmen auskundschaften. Nach einer offiziellen deutschen Mitteilung haben die Niederlande vom15.05.bis31.07.rund75000tLebensmittelundFrischgemüsean Deutschlandgeliefert. DasAAlehnteinErsuchenderUSAab,amerikanischenSchiffenfrei esGeleitzugarantieren,dieKinderunter16JahrenausdemKriegs gebietherausbringen. 290

In Deutschland sind neue Kleiderkarten mit 150 statt 100 Punkten eingeführtworden.FüreinenMantelsindjetzt120bis150Punkteab zugeben.1Punktentspricht16gTextilien,150Punkte2,4kg. Mo26.08.: 0.20-3.23 Uhr. Erster großer Luftalarm in Berlin. Zum ersten Mal fliegen 81 britische Bomber – als Vergeltung für den London-Angriff vom 23./24.08. direkt über der Innenstadt und werfen dort und in großen Teilen der Stadt Brand- und Spreng- bomben ab. Der angerichtete Schaden ist gering. Die intensiv feuernde Flak trifft keinen einzigen Bomber. Die Briten werfen auch Flugblätter ab: „Der Krieg, den Hitler begonnen hat, wird fortgeführt; und er wird so lange dauern, wie Hitler an der Macht ist.“ Nach dem Angriff werden im Zentrum drei Straßen mit beschädigten Häusern abgeriegelt. Die Zahl der Toten und Verletzten wird geheimgehalten. IndenMittagsundAbendzeitungenstehtlediglicheineSechszeilen meldungzudemgroßenLuftangriff:FeindlicheFlugzeugehättendie Hauptstadtüberflogen,einigeBrandbombenüberzweiVorortenab geworfen und dabei eine Gartenlaube zerstört. Die Sprengbomben werdennichterwähnt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.26.08.: „DieKonzentrationdesLuftabwehrfeuerswarsostark,wieichesnie zuvorgesehenhabe.Eswareinbeeindruckender,einschaurigerAn blick.Undeserwiessichalsäußerstunwirksam... DieBerlinersindwiebetäubt.Sieglaubtennicht,daßsoetwasüber hauptgeschehenkönnte.AlsdieserKriegbegann,hatihnenGöring versichert,eswerdenichteintreten.Erbrüstetesichdamit,keinfeind lichesFlugzeugkönnejemalsdenäußerenundinnerenRingderLuft abwehr um die Hauptstadt durchbrechen. Die Berliner sind leicht gläubigeMenschen.Sievertrautenihm.IhreDesillusionierungistda herumsogrößer.ManmußihreGesichtersehen,umdasermessenzu können...DochdannbegannenletzteNachtplötzlichsämtlicheFlak stellungenderStadtzuschießen,undmanhörtedasDröhnenderbri tischenMotorendirektüberseinenKöpfen.Wasnachdenvorliegen denBerichtenfolgte,wardieangsterfüllteundüberstürzteFluchtder 5MioBerlinerinihreKeller. 291

Ich wargeradeimRundfunk,alsdieSirenenlosheultenundfastim selbenAugenblickdieFlaksihrBellenbegannen.Seltsamgenug,hatte ichnurwenigezuvoreinenStreitmiteinemZensordesRMVP,obei neBombardierungBerlinswohlmöglichseinkönnte.DennLondon warkurzzuvorbombardiertworden,sagteich,undesseidochwohl natürlich,daßdieBritendafürGegenschlägestartenwürden.Erlach te.Diesseivölligausgeschlossen,meinteer.DieLuftabwehrumBer linseiunüberwindlich. ...DasAbwehrfeuerumdenRundfunkherumwarstark,undjedes mal, wenn die Flak schoß oder eine Bombe detonierte, bebten die Fenster. Um die Verwirrung komplett zu machen, rannten Luft schutzhelferinihrenOverallsaufgeregtdurchdasGebäudeundfor dertenjedenauf,raschindenLuftschutzraumzugehen.DieHelfer hier im Rundfunk arbeiten sonst als Pförtner oder Bürogehilfen; es warihnendeutlichanzumerken,wiesehrsieihreneugewonneneAu toritätgenossen.. Alsich5Minutenvor1denPlatz[InnenhofdesRundfunks]betrat, begannendieleichtenAbwehrgeschütze,diedasRundfunkgebäudesi chernsollen,wiewildzufeuern.IndiesemMomenthörteichzusätz licheinleiseres,dochumsodrohenderesGeräusch.Esklang,alsob Hagelkörner auf ein Blechdach trommeln. Es waren die Schrapnell hülsen der Luftabwehrgeschütze. Zum ersten Mal in meinem Leben wünschteichmireinenStahlhelm... ...DerstärksteGeschützlärmkamausnördlicherRichtung,wosichdie Rüstungsfabrikenbefinden. NatürlichistderBombenangriffheutedasHauptgesprächsthemader Berliner.UmsolächerlichererscheintdieTatsache,daßGoebbelsden Zeitungenlediglichgestattethat,eineSechszeilenmeldungdarüberzu veröffentlichen...“(S458462) Di27.08.: Nach wochenlangem Tauziehen zwischen Heer und Marine (s.07.08.) erteilt ChOKW Keitel die Weisung mit dem endgültigen Operationsplan für die England-Invasion und ord- net gleichzeitig die Vorbereitung der Verschiffung der Lande- truppen in Le Havre, Rotterdam, Amsterdam und den anderen Häfen an der Kanalküste an. Die Heerestruppen sollen an vier Brückenköpfen in einem 145-km-Abschnitt der Südküste zwi- 292

schen Bognor und landen. In der ersten Angriffswel- le sollen 100000 Mann an Land gebracht werden. Insgesamt sol- len 41 Div. der 9. (Le Havre-Boulogne) und 16. (Boulogne- Rotterdam) Armee unter dem Oberbefehl von Gen Rundstedt zum Einsatz kommen. Entscheidend für das Gelingen ist nach Einschätzung der Planer, daß die Luftwaffe sowohl das An- fahrtsgebiet als auch die Landungsgebiete vollständig kontrol- liert, u.a. damit die Minenfelder gelegt werden können. Operati- ves Ziel für die erste Woche ist die Eroberung von Sussex und südlich der Linie -Gravesend (Themse), da- nach die Umschließung und Eroberung Londons. Do29.08.: Nacht zu heute. Starke Geschwader der Royal Air For- ce bombardieren erneut Berlin schwer. Die Flak trifft erneut keinen einzigen britischen Bomber. Das RMVP räumt erstmals Todesfälle ein: Offiziell sind es 10 Tote und 29 Verletzte; ein Bomber sei auf dem Weg nach Berlin, einer auf dem Rückflug abgeschossen worden, behauptet die Propaganda. Die Mittags und Abendzeitungen titeln: „ Feiger britischer Über- fall “. Dr.G.:Rezension Die Rothschilds , Der Stürmer v.29.08.: „Wer diese wohl abgewogene, überzeugende Geschichtsbetrachtung miterlebtundinsichweiterwirkenläßt,demwirdeinTeilvonjener Kraftwerden,dieinnunfastzweiJahrzehnten Der Stürmer seinerLe serschaftinallerWeltspendete:ausdemWissenerwachsenderWille und die Tat zur Zerbrechung der Judenherrschaft auf dem Erdball, zurAusmerzungallenJudengeistesausdenVölkerndesneuenEuro pa!“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.29.08.: „Inder[Kreuzberger]KottbusserStraßeRichtungTempelhof(wahr scheinlich das anvisierte Ziel der Briten) und unweit vom Görlitzer Bahnhof(ebenfallseinmöglichesZiel)sind200PfundBombenexp lodiert. Einem Luftwaffenhelfer [=Flakhelfer], der im Hauseingang stand,wurdeeinBeinabgerissen.VierMännerundzweiFrauen,die unvorsichtigerweise von einer Toreinfahrt aus das Feuerwerk beo bachtenwollten,wurdenvoneinerBombegetötet. 293

Ichglaube,dieBevölkerungBerlinsiststärkerbetroffenvonderTat sache,daßdiebritischenBombermühelosbiszumStadtzentrumvor dringenkonnten,alsvondenerstenVerlusten... ...Dazumußmanwissen,daßdieMenschenhiernochnichtsvonden mörderischenBombardierungenLondonsdurchdieLuftwaffeerfah ren haben... der kleine Doktor läßt seine Zeitungen den Menschen einhämmern,daßdiedeutschenFlugzeugeausschließlichmilitärische ZieleinGroßbritannienangriffen,währenddie‘britischenPiratenauf persönlichen Befehl Churchills’ nichtmilitärische Ziele bevorzugten. OhneZweifelwirddasdeutscheVolkauchaufdieseLügehereinfal len. Ein Blatt liefert ein besonders hübsches Beispeil von bewußter Panikmache:esschreibt,dieRAFhabedenBefehl,‘diegesamteBe völkerungBerlinszumassakrieren’.“ Fr30.08.:DieSeekriegsleitungmeldetFRKHitler,daßinfolgeder britischenAbwehrangriffegegendieInvasionsflottedieVorbereitun gennichtbiszum15.09.abgeschlossenwerdenkönnen. Zweiter Wiener Schiedsspruch der Achsenmächte schlägt einen Teil desrumänischenSiebenbürgenUngarnzuundgarantiertdieseGren ze. Sa31.08.: Nacht zu heute. Erneut bombardieren starke, tiefer als bisher fliegende RAF-Geschwader Berlin schwer. Die Zerstö- rungen sind diesmal besonders stark, getroffen werden u.a. die Siemenswerke. Die Berliner Börsenzeitung titelt:„ Luftpiraten über Berlin “. In der Luftschlacht über England sind seit 11.08. 359 britische und 467 deutsche (252 Jäger, 215 Bomber) Flugzeuge abge- schossen worden. Diese Zahlen werden in Deutschland nicht bekannt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.31.08.: „AlsdasZimmermädchengesternabendkurzvordemnächstenAn griffhereinkam,fragteichsie:‘WerdendieBritenheutenachtwieder kommen?’ ‘Ganzgewiß’,seufztesieniedergeschlagen...‘Warumtunsiedasnur?’ ‘WeileureFliegerLondonbombardieren’,sagteich. 294

‘Ja,aberwirgreifennurmilitärischeZielean,dochdieBritenbombar dierenunsereHäuser.’SiewareingutesBeispielfürdieWirkungder GoebbelsschenPropaganda. ‘VielleichtbombardiertihrauchdieHäuserderLondoner’,sagteich. ‘UnsereZeitungensagennein’,argumentiertesie.Undfügtehinzu,die DeutschenwolltenFrieden.‘WarumhabendieBritennichtdasAnge bot des Führers angenommen?’ wollte sie wissen. Diese junge Frau kommt aus einer Arbeiterfamilie. Ihr Ehemann ist Arbeiter, wahr scheinlichehemaligerKommunistoderSozialdemokrat.Unddennoch istsieeintotalesOpferderoffiziellenPropaganda.“ So01.09.: Nacht zu heute. Erneut bombardieren starke RAF Geschwader Berlin schwer. Getroffen wird u.a. der Tiergarten. Das OKWbehauptet,diebritischenFliegerseiengesternnachtdurchdie ausgezeichneteWirkungderBerlinerLuftabwehrstellungen„darange hindert worden“, ihre Bomben abzuwerfen. Es habe nur vereinzelte EinschlägeaußerhalbderStadtgrenzengegeben. Die Marine läßt seit heute noch leere Transportschiffe der Inva- sionsflotte gegen Großbritannien von deutschen Nordseehäfen aus zu den Häfen an der Kanalküste fahren, wo die Invasions- truppen des Heeres eingeschifft werden sollen. Requiriert sind bisher 168 Transportschiffe mit 700000 Tonnen, 1910 Kähne, 419 Schlepper und Fischerboote sowie 1600 Motorboote. Die RAF beobachtet die Annäherung der Schiffe auf der gesamten Küs- tenlänge zwischen Le Havre und Antwerpen. Sie zerstört in der Folge etwa 10 Prozent der Landungsflotte. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.01.09.: „AlsichindenRundfunkkam,ummeineSendungzumheutigen1. JahrestagdesKriegsausbruchsvorzubereiten,zeigtesichauchderMi litärzensor,einsehranständigerMann,verwirrtvondenwidersprüch lichendeutschenMeldungenüberdengestrigenAngriff. ‘Meine Anweisung lautet, daß Sie ein Kommuniqué des Oberkom mandosnichtkorrigierendürfen’,sagteer. ‘AberdiedeutschePressekorrigiertes’,argumentierteich.‘Ichhabe selbstdieBombenimTiergartenfallenhören,unddieBerlinerPresse bestätigtdieTatsache.’ 295

Er zeigte sich fair und ließ mich die widersprüchlichen Meldungen kommentieren. ...Einer[einDeutscher]sagtemirheute:‘IchwerdeihnenkeinWort mehrglauben.WennsieüberdieAngriffeaufanderedeutscheStädte ebensogelogenhabenwieüberdiehierinBerlin,dannmußesdort ziemlichschlimmaussehen.’ TatsächlichallerdingshabendiebritischenBombardierungenbisjetzt keinenallzutödlichenSchadenangerichtet.SiesetzenzuwenigFlug zeugeein15bis20proNacht,undsiehabeneinezuweiteFlug strecke,umgroße,wirklichwirksameBombenladungenmitzuführen. DieHauptwirkungisteinemoralische...“ Mo02.09.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.02.09.: „Heuteerfuhrich,daßdieDeutschen,diemanbeimBeseitigenvon Blindgängernbeobachtenkann,größtenteilsHäftlingeausKonzentra tionslagern sind. Überleben sie die Aktion, so verspricht man ihnen dieFreilassung.DieWahldürfteihnennichtschwerfallen.Selbstder TodscheintbesseralsdieFolterderGestapo... BeimLesenderdeutschenZahlenvondenVerlustenimLuftkampf überGroßbritannien,diemitSicherheitfalschsind,stelleichfest,daß sie fast unverändert ein Verhältnis von 4:1 zugunsten der Luftwaffe enthalten...“ Di03.09.: Auf Befehl von FRK Hitler verschiebt eine Weisung von ChOKW Keitel den „frühesten“ Termin für die Invasions- landung des Heeres in England (Unternehmen Seelöwe ) vom 15.09. auf den 21.09. Der endgültige Bestätigungsbefehl soll 10 Tage davor, also am 11.09. gegeben werden. Mi04.09.: Nachmittag. Im Berliner Sportpalast eröffnet FRK Hit- ler mit einer Rede das 2. Kriegswinterhilfswerk (Eintopfsonntage, Straßensammlungenund„freiwillige“Gehaltsabzüge) und verspricht den baldigen Überfall auf Großbritannien :Währenddiedeutsche LuftwaffeGroßbritanniennurtagsüberangreife,wagediefeigeRoyal AirForcenurbeiNachtaufzutauchen...„IchhabedreiMonateabge wartet, ohne die britischen Nachtbombardierungen zu beantworten, 296

immerinderHoffnung,siewürdendieseVerbrecheneinstellen.Herr ChurchillglaubtedarineinZeichenvonSchwächesehenzumüssen. Man wird verstehen, daß wir nun antworten, und zwar Nacht für Nacht. Und wenn die britische Luftwaffe 2, 3 oder 4000 KilogrammBombenabwirft,dannwerdenwirineinerNachtmit200 ,300oder400000Kilogrammantworten( frenetischer Beifall des haupt- sächlich aus Krankenschwestern und Helfern der NS-Volkswohlfahrt bestehenden Publikums )...Wennsieerklären,daßsieihreAngriffeaufunsereStädte verstärkenwollen,dannwerdenwir ihre StädteinSchuttundAschele gen ( frenetischer Beifall ). WirwerdendiesenLuftpiratendasHandwerk legen,sowahrunsGotthelfe( Publikum springt auf, klatscht frenetisch und bringt ‘Heil’-Rufe aus ). Die Stunde wird kommen, da eines der beiden Länderzusammenbricht.Unddaswirdnichtdasnationalsozialistische Deutschlandsein( das Publikum schreit ‘Niemals! Niemals!’ )...InEngland herrschtschongroßeNeugierde.DieLeutefragen:‘Warumkommter dennnicht?’NurruhigBlut.KeineAufregung.Erwirdkommen!Er wirdkommen!“ DieHitlerRedewirdimRundfunknichtdirekt,sondernzweiStunden zeitversetztübertragen. 23.451.45 Uhr. Erneut bombardieren Geschwader der RAF Berlin. Eine imTiergartenaufschlagendeBombetöteteinenPolizisten.Die FlaktriffterneutkeineneinzigenBomber. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.04.09.: „EbensowiederVolkswagen(einbilligesAuto,fürdasdiedeutschen Arbeiter monatlich Millionen von Mark in Ratenzahlungen leisten, obwohldasWerk,indemsiehergestelltwerdensollen,zurZeitaus schließlichMilitärfahrzeugeproduziert)erweistsichauchdie‘Winter hilfe’ als einer der großen Skandale der Nazis, wiewohl kaum ein Deutscherdaswahrnimmt.EsliegtaufderHand,daßineinemLand ohneArbeitslosigkeitnichtviel‘Winterhilfe’nötigist.Dennochpres sen die Nazis nun schonseit1936[13.09.33!]jedenWintermehrere 100MioMarkausderBevölkerungheraus,dasmeistedavonfließtin dieRüstungoderindieParteikassen. ... Er [Hitler] erklärte [im Sportpalast] nicht, warum das so ist: daß nämlich die Deutschen England bei Tag erreichen können, weil die Zielgebietenurrund20MeilenvonihrennächstenLuftstützpunkten entferntliegenunddaherdiedeutschenBomberausreichendenSchutz 297

durch Jäger haben; wohingegen Deutschland zu weit von England entferntist,alsdaßbritischeJägerdieBomberschützenkönnten... ...DieTatsache,daßdieSuchscheinwerferkaumeinFlugzeugfestma chenkönnen,hatunterderBevölkerungzudemGerüchtgeführt,die BritenhättenihreMaschinenmiteinerSpezialfarbeangestrichen,die sieunsichtbarmache.“ Do05.09.: Es wird bekannt, daß die USA Großbritannien 50 Zer- störer übergeben haben. Im Tausch erhalten die Amerikaner britische Marine- und Luftstützpunkte vor der US-Ostküste. Die Briten verfügen nunmehr allein in der Nordsee über 80 Zerstö- rer, 11 Kreuzer und 5 schwere Schlachtschiffe. Diesen stehen auf deutscher Seite 10 Zerstörer und 5 Kreuzer gegenüber. Deutsch- land kritisiert den Bruch der Neutralität durch die USA. Allein wegen der maritimen Überlegenheit der Briten ist das Unter- nehmen Seelöwe illusorisch (s. 30.07. u. 05.08.). AbkommenmitderUdSSRüberdieRücksiedlungVolksdeutscherin dasReich. U „Jud Süß“ DeutschItalienischeFilmwocheVenedigRVeitHarlan WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.05.09.: „DieBritenkommenjetztjedeNacht,wennichgeradeimRundfunk bin.WirdürfendieTatsachenichteinmalerwähnen,wennderDon nermitteninderSendunglosgeht.AlsichheuteinsFunkhauskam, stellteichfest,daßdieRRGfürunsjetztLippenmikrofoneinstalliert hat.Manmußganznahanihnensprechen,wenndieStimmedurch kommen soll. Außengeräusche, wie das Bellen der Luftabwehrge schütze,registriertdasMikrofonnicht... DieDeutschen...siewerdenjedochnichtsdagegen[USLieferungan GB]unternehmen,nichteinmaloffiziellprotestieren.Siehoffen,daß unsere Isolationisten und unsere Lindberghs uns weiterhin aus dem Krieg heraushalten, und wollen nichts tun, was deren Position schwächt.“

Der Film Die Rothschilds verschwindet im September für elf Monate aus den deutschen Kinos, offenbar um Jud Süß den Vor- tritt zu lassen.

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Fr06.09.: In der Nacht zum 07.09. beginnen laut Propaganda un- ter Görings „persönlichem Kommando“ 300 Bomber „Vergel- tungsangriffe“ auf London. Sie werfen bis 30.09. 5631 t Spreng- bomben und 7499 Brandschüttkästen ab. ErnstvonderDecken: Jud Süß inVenedig, DAZ v.06.09.: DerFilmistein„gewaltigerErfolg...Manmußdieseschauspielerische Kunstschlechthinalsgenialbezeichnen.WernerKraußstelltnichtnur einenJudendar,nein,derganzeMenschKraußvollziehtdenWandel. Erbekommtjenenbehenden,schleichendenGang,seineZungewird schwer, jiddische Laute entstehen, denn er psalmudiert [!] sogar auf hebräisch...“

Sa07.09.: Nacht zu heute. Die RAF führt den bisher schwersten Bombenangriff auf Berlin. Getroffen werden u.a. das nördliche StadtzentrummitzweigroßenFeuern,dasFrachtgebäudedesLehrter Bahnhofs sowie ein Bahnhof und eine Gummifabrik. Die Zahl der TotenundVerletztenbleibtgeheim. Die Berliner Börsenzeitung schreibt: „Während die Angriffe der deut schen Luftwaffe auf rein militärische Ziele erfolgen eine Tatsache, diesogardiebritischePresseundderRundfunkanerkennenmüssen, hat die RAF nichts Besseres zu tun, als fortgesetzt zivile Ziele in Deutschlandanzugreifen.EinperfektesBeispieldafürwarderkrimi nelleAngriffaufdieBerlinerStadtmittegesternnacht.Ausschließlich Wohnhäuserwurdengetroffen,nichteineinzigesmilitärischesZiel.“ AllemilitärischenZieleseieninDeutschlandsogutgeschützt,daßei nebritischeBombardierungausgeschlossensei. Abend.DasOKWverkündethierzu:„DerFeindhatletzteNachter neutdiedeutscheHauptstadtangegriffen.ImErgebnisderwahllosen Bombardierung nichtmilitärischer Ziele im Zentrum der Stadt sind Verluste anMenschenlebenundGebäudenzubeklagen.AlsVergel tunghatdiedeutscheLuftwaffedaherbegonnen,mitstarkenVerbän den London anzugreifen.“ Im Ergebnis dieses Vergeltungsschlages „erstreckt sich heute abend eine riesige Rauchwolke vom Zentrum LondonsbiszurMündungderThemse“. RFSS Himmler sagt vor dem SS-Führerkorps: „Es ist bedeutend leichter in vielen Fällen, mit einer Kompanie ins Gefecht zu ge- hen wie mit einer Kompanie in irgendeinem Gebiet eine wider- 299

setzliche Bevölkerung kulturell tiefstehender Art niederzuhalten, Exekutionen zu machen, Leute herauszutransportieren, heulen- de und weinende Frauen wegzubringen[!]... dieses stille Tun- müssen, die stille Tätigkeit, dieses Konsequent-sein-müssen, Kompromißlos-sein-müssen, das ist an manchen Stellen viel, viel schwerer.“ 20Uhr.DasOberkommandoderbritischenStreitkräftelöstaufgrund von Fehlinformationen die Warnstufe „Cromwell“ (Unmittelbar be vorstehendeInvasion)aus. X.(?)Antropp:Rezension Jud Süß , VB v.07.09.: „Böte der Film nichts anderes, allein Werner Krauß’ wegen müßte manihngesehenhaben...DiebestendeutschenKünstlerwareneinge setztundsiehaben,demAnrufgehorchend,ihrBestesgegeben.Es mag Ferdinand Marian nicht ganz leicht gefallen sein, sich in die schleimigkriecherische,grausamsinnliche,körperlichundgeistigwi derliche Gestalt des Juden Süß einzuleben. Trotzdem erfüllte er sie ganz.“ X.:Rezension Jud Süß , Der Film v.07.09.: ...„diegefährliche,tödlicheWühlarbeitdesherausgestelltenJuden,der nichtnurfürseinePerson,sondernfürseineRasseundfürgeschicht licheZeitläuftedieKraft,dasBlutunddasLebendesVolkesunter höhlen will... Der Rechner [Süß] scheitert an der Ehrlichkeit. Der Landschaftskonsulent weicht weder vor der Todesdrohung zurück, noch können lockende Versprechungen denAufrechtenvonseinem klarenWegeabbringen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.07.09.: „Gestern [=Heute] nacht erfolgte der bisher schwerste und folgen reichstebritischeAngriff.IndenletztenTagenhabendieDeutschen zusätzlicheLuftabwehrkräftenachBerlingebracht,dochauchdiesmal wurdekeineeinzigeMaschinegetroffen... ...GanzgewißistniemalszuvorinmodernenZeitendadiePresse und später der Rundfunk es der Masse der Bevölkerung theoretisch ermöglichthaben,zuerfahren,wassichinderWeltereigneteingro ßesVolksoindieIrregeführtundsoskrupellosbelogenwordenwie dieDeutschenunterdiesemRegime... DiedeutscheBevölkerunghatnichtdieleisesteAhnung(daNazipres seundRadionatürlichdieFaktengeflissentlichverschweigen),daßal 300

lein im August mehr als 1000englischeZivilistenbeidenAngriffen derLuftwaffeauf‘reinmilitärischeZiele’umsLebengekommensind. EineweitereLüge:DieoffizielleMeldungüberdengestrigenAngriff spricht davon, daß die ersten beiden Wellen der britischen Bomber vonderLuftabwehrzumUmdrehengezwungenwurdenunddaßnur einigeMaschinenderdrittenWelledurchkommenkonnten.Dochje derBerlinerweiß,daßvondererstenMinutedesAlarmsandieFlug zeugeüberderStadtzuhörenwaren.SiekameninmehrerenWellen, und das Motorengeräusch war deutlich wahrzunehmen. Ich fürchte jedoch,daßdieMehrheitderLeutedenoffiziellenErklärungenGlau benschenkenwird.“ So08.09.: Die Presse titelt in großer Aufmachung: „ Großer Vergel- tungsangriff auf London “. Mo09.09.:PresseundRundfunkmelden,britischeBomberhättenauf Berlinvorzustoßenversucht,seienaberzurUmkehrgezwungenwor den. Abend.EinRRGAnsagergibtbekannt,daßdasRundfunkprogramm, welches in den vergangenen zwei Wochen bereits aus „militärischen Gründen“ eingeschränkt worden sei, weiter eingeschränkt werde: „DiesistnichtdieZeit,umdieGründefürdiegetroffeneneEntschei dunglängerzuerörtern.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.09.: „DieBritensindindenbeidenletztenNächten[07./08.,08./09.]nicht aufgetaucht.OffizielleErklärungfürdasdeutscheVolk:Sieversuch ten in beiden Nächten nach Berlin durchzustoßen, wurden aber zur Umkehr gezwungen. Wie ich höre, hat Goebbels angeordnet, daß künftigfüralleNächte,indenendieBritenkeineAngriffefliegen,den Leutendennochmitgeteiltwird,daßdieBritenesversuchthätten,je dochvonderstarkenLuftabwehrumdieHauptstadtverjagtworden seien. Immer,wenndieBritenjetztnachDeutschlandfliegen,schaltendie meistendeutschenRundfunksendereiligihrenBetriebab,umdenPi lotennichtalsRichtpunktzudienen.“ 301

Di10.09.: Nachtzuheute.BritischeBombergreifenerneutBerlinan. EsgibtleichteTrefferu.a.anReichstag,AkademiederKünsteundim Diplomatenviertel. Der Berliner Lokalanzeiger schreibt:„DieFliegerIhrerbritischenMajes täthabendenherrschendenGrundregelnderFührungeinesehrlichen undmannhaftenKriegeserneuteinenschwerenSchlagversetzt.“ FRK Hitler verschiebt den Tag der Entscheidung über die Eng landInvasionvom11.09.aufden14.09.,sodaßalsfrühesterTermin fürdieLandungnunmehrerstder24.09.inFragekommt(s.03.09.). WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.10.09.: „Heute führte man uns im RMVP eine von Großbritanniens ‘Ge heimwaffen’ vor, eine neue Art Brandsatz. Das Ding sieht wie eine großeVisitenkarteausetwa10cm²undbestehtauseinerArtZellu loid.ZweisolcheZelluloidplattensindzusammengeklebt,dazwischen befindetsicheinPhosphortäfelchen.DieBritenwerfendiePlattenim feuchtenZustandab.Wennsiegetrocknetsind,nachkurzerZeitin derSonneodernach10MinutenannormalerTagesluft,entzündensie sich und entwickeln eine kleine Flamme, die 2 oder 3 Minuten brennt... Die Deutschen geben zu, daß damit bereits Getreidefelder, Heuschober und einige Wälder in Brand gesteckt worden sind. Der Einsatz begann im August, wahrscheinlich hofften die Briten, damit größere Getreideflächen vernichten zu können. Unglücklicherweise hattenwirhierabereinensehrnassenAugust,undnurwenigePlatten trocknetengenügendaus,umsichzuentzünden.“ Mi11.09.: Nacht zu heute. Britische Bomber greifen erneut Ber- lin an diesmal mit der bisher schwersten Bombenladung und ei- ner großen Zahl von Brandbomben. InBerlingibtesnachwahr scheinlichuntertriebenenamtlichenAngaben5Tote. Die Berliner Börsenzeitung titelt:„ Britisches Verbrechen an Berlin “. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.09.: „Die BBC meldet heute, der [Potsdamer] Bahnhof [in Berlin] sei schwergetroffenworden.DasisteineFalschmeldung,undwenigstens dreiDeutsche,dieesheimlichgehörthatten,sagtenmirdazu,sieseien durchdenMangelanWahrheiteinwenigdesillusioniert,wasdenbriti schenRundfunkangehe... 302

Michhätteesgesternnachtauchbeinaheerwischt.AufderRückfahrt vom Rundfunk, nach der Entwarnung, geriet ich plötzlich bei einer Geschwindigkeitvon70km/hmitdemWageninTrümmerbrocken undschafftegeradenocheineNotbremsung5mvoreinemgroßen Bombenkrater, der sich auf der OstWestAchse etwa 150 m vom BrandenburgerTorbefand.ErwarinderVerdunkelungnichtzuse hen gewesen, und die Aufräumkommandos hatten ihn noch nicht entdecktundmarkiert.EinSplitterdieserBombe,inderenKraterich beinahegerastwäre,war200mdurchdieLuftgezischtbiszurameri kanischen Botschaft, wo er die Doppelfenster im Büro des 1.BotschSekDonaldHeathdurchschlagenhatte.Errißeinhübsches LochindiebeidenScheiben,sausteweiterdirektüberDonsSchreib tischundbohrtesichzentimetertiefindiedahinterliegendeZimmer wand.“ Do12.09.: Nacht zu heute. Britische Bomber greifen im Zuge der Verschärfung des Luftkriegs Berlin, Hamburg und Bremen an. Erstmals gelingt es den RAF-Bombern, der britischen Heeresar- tillerie und der Royal Navy, die Konzentration der deutschen Landeflotte an der Kanalküste empfindlich zu unterbrechen. Das HQ der Seekriegsgruppe West schickt nach Berlin die Bot- schaft, daß Boulogne, Calais, Dünkirchen und Ostende deshalb als Nachtankerplätze der Landeflotte „nicht genutzt werden können“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.12.09.: „DasneuesteGerüchtbesagt,daßdiegroßeInvasiongegenEngland für die Nacht des 15. September geplant ist. Das Datum verspricht VollmondunddierichtigeTidenhöheimKanal.“ Fr13.09.:EineArmeeItaliensunterMlRodolfoGrazianifälltmit 100000 Mann bzw. 10 Div. über die libysche Grenze ins neutrale Ägyptenein.MitderAktionwillderDuceMussolinidasFiaskoseines FrankreichFeldzugsausbügelnunddieAblenkungderBriteninfolge derangedrohtendeutschenInvasionnutzen.DieItalienerwollenzum britisch beherrschten Sueskanal vorstoßen, kommen jedoch nur 100 km bis SidielBarrani voran. Dort werden sie von der zahlenmäßig 303

weit unterlegenen britischen Armee angehalten (s.18.09.). Die Briten besetzendefactoÄgypten. Über der Kanalküste und England gibt es wegen des schlechten Wetters kaum Luftangriffe. Dennoch gelingt es leichten Flotten- verbänden der Royal Navy, die ursprünglich als Hauptaus- gangspunkte der Invasion vorgesehenen Häfen Cherbourg, Boulogne, Calais und Ostende mit starkem Kanonenbeschuß zu belegen. Die Bomber der RAF versenken im Hafen von Ostende 80 Lastkähne der Landeflotte.

Sa14.09.: FRK Hitler führt in der Reichskanzlei mit ChHGSt Halder, OBM Raeder und ChLGSt Jeschonnek die entscheiden- de und konfus verlaufende Besprechung über die England- Invasion. Danach verschiebt er den Tag für die Entscheidung über die Invasion auf den 17.09. Frühester Invasionstermin ist damit der 27.09. Raeder gelingt es kurz vor der Besprechung, Hitler eine Denkschrift zu überreichen. Darin legt er die Ansicht der Marine dar, daß „die gegenwärtige Luftlage nicht die Vor- aussetzungen für die Ausführung des Unternehmens bietet, da das Risiko immer noch zu groß ist“. Hitler zeigt sich in der Be- sprechung in gedrückter Stimmung. Er wolle den Angriffsbefehl weder geben noch die Invasion absagen. Eine erfolgreiche Lan- dung, gefolgt von einer Besetzung Englands, würde den Krieg in kurzer Zeit beenden. England würde verhungern. Eine Lan- dung müsse andererseits aber auch nicht innerhalb einer genau bestimmten Frist ausgeführt werden. Allerdings sei ein langer Krieg nicht wünschenswert. Deutschland habe [im Westen] alles erreicht, was es brauche. Die schnellste Lösung wäre eine Lan- dung. Die Marine habe die notwendigen Voraussetzungen ge- schaffen. Allerdings habe das schlechte Wetter bisher verhindert, daß die Luftwaffe die volle Luftüberlegenheit erreichen konnte. Alle anderen Faktoren seien „in Ordnung“. Es gebe bei vier oder fünf Tagen guten Wetters „eine Chance, Großbritannien aus der Luft niederzuringen“, sagt Hitler. Abend und Nacht. Die britische Luftwaffe und Marine führen die bisher schwersten Angriffe gegen nordfranzösische, belgi- 304

sche und niederländische Häfen, wo die deutsche Transportflot- te für die England-Invasion zusammengezogen ist.

So15.09.: Abend und Nacht. Die deutsche Transportflotte erlei- det in den Häfen Nordfrankreichs, Belgiens (vor allem Antwer- pen) und der Niederlande durch die bisher schwersten briti- schen Angriffe, vor allem durch Brandbomben und torpedoge- zündetes Öl auf der Wasseroberfläche, schwerste Verluste, die eine Invasion in Großbritannien aussichtslos machen ( Day ). Über London verlieren die Deutschen heute 56 Flugzeuge, 26 britische werden abgeschossen. Deutschland hält die Niederlage in der Schlacht am Ärmelkanal geheim.

Mo16.09.:ItalienerobertdenwestägyptischenOrtSidielBarrani. WilliamShirer,Genf,Tgb.v.16.09.: „Über die nahegelegene französische Grenze kommt die Nachricht, daßdieDeutscheneineLandunginGroßbritannienversuchthätten, jedochuntergroßenVerlustenzurückgeschlagenwordenseien.Muß jedocherstweitereBestätigungabwarten.“

Di17.09.: Nach Unterredungen u.a. mit dem OKM verschiebt FRK Hitler per Weisung „bis auf weiteres“ das Invasions- Unternehmen Seelöwe, ohne einen neuen Invasionstermin in Aussicht zu stellen. Abend und Nacht. Die britische Luftwaffe nutzt die Voll- mondnacht zu äußerst schweren Angriffen auf die deutsche In- vasionsflotte auf der gesamten Länge der Kanalküste von Cher- bourg bis Den Helder. Allein in Dünkirchen werden 84 Last- kähne versenkt oder schwer beschädigt. Zudem wird ein Lager mit 500 Tonnen Munition in die Luft gesprengt, ein Vorratslager brennt aus, mehrere Dampfer und Torpedoboote werden ver- senkt. Die Verluste unter den deutschen Soldaten sind hoch. Der VorsMRRV+BVJP RMl Göring erläßt die VO über die Be handlungvonVermögenderAngehörigendesehemaligenpolnischen Staates. 305

Mi18.09.: Die britische Luftwaffe attackiert immer noch die an der nordfranzösischen, belgischen und niederländischen Küste zusammengezogene und bereits schwer getroffene deutsche Transportflotte. SpaniensIMundFrancoSchwagerRamónSerranoSuñertrifftzu einemBesuchinBerlinein.SerranoundFRKHitlerberatenüberdie EroberungGibraltars,dieGroßbritannienalsErsatzfürdiegeschei terteInvasiontreffensoll.HitlerversprichtSerranodiegewünschten Flugzeuge, Waffen und Truppenhilfe zur Einnahme Gibraltars. Zu denterritorialenKolonialforderungenSpaniensinAfrikaundzurge forderten Wirtschaftshilfe bleibt Hitler vage. Man spricht über eine AufteilungAfrikaszwischenDeutschland,Italienund(zueinemklei nerenTeil)Spanien. Bei einer geheimen Ministerkonferenz kündigt RMVP Goebbels an, er werde die Presse anweisen, „in größerer Aufmachung eine Zusammenstellung der auf beiden Seiten seit Beginn der Schlacht um London abgeschossenen Flugzeuge“ zu veröffent- lichen. Die italienische Offensive in Ägypten kommt östlich vonSidiel BarraniwegenNachschubproblemenzumStehen. Abend. RAM Ribbentrop reist zu einem Krisenbesuch nach Rom, um Mussolini von der „Verschiebung“ der Großbritan- nien-Invasion zu informieren. Nacht zu morgen. Auf Befehl von FRK Hitler bombardiert die Luftwaffe die Bodelschwinghsche Anstalt für geistig zurückge- bliebene Kinder in Bielefeld-Bethel und tötet dabei 9 Kinder, 12 werden verwundet. Die Bombardierung wird den Briten in die Schuhe geschoben. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.19./18.09.: „Wetter unbeständig. Stürme über dem Kanal. London atmet auf. TrotzdemschwereBombenangriffe[derLuftwaffe].220tabgeworfen. ImganzenjetztaufLondon3Miokg.Dashautschonhin.StarkeIn vasionsfurcht in ganzEngland.DieenglischePresseistetwasdepri miert. Wenig Einflüge ins Reich. Aber stärkere auf die Küste. Neue Pläne:evtl.AngriffaufGibraltar.MitItalienzusammen.Spanienwill indenKriegeintreten.ItalienschicktUBootezumAngriffaufEng 306

land.Andie20schondurchdieStraßevonGibraltardurch.Ribben tropnachItaliengefahren,umdieseSacheglattzumachen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.18.09.: „GesternnachtaufderRückfahrtvonBaselschriederZugschaffner irgendwoinderNähevonFrankfurt:‘Fliegeralarm!’EntfernteDeto nationenwarenzuhören,dochnichtsweitergeschah.Schließlichka menwirpünktlichamPotsdamerBahnhofan...Ichbeobachtete,wie man mehrere Leichtverwundete, zumeist Flieger, aus einem Spezial waggonauslud,deranunserenZugangehängtwordenwar.DieArt ihrerVerbändeließmichaufBrandverletzungenschließen.Dannsah ichdenlängstenRotkreuzzugmeinesLebens.ErreichtevomBahn hoffasteinehalbeMeile[800m]langnochbisüberdieBrückeam Landwehrkanal.Soldatenwarendabei,denZugzureinigen,dieVer wundetenhattemanoffenbarschonwährendderNachtausgeladen. DiesmachendieDeutschenmeistenserstinderDunkelheit,damitdie BevölkerungnichtunnötigdurcheinedertraurigerenSeitendesglor reichen Krieges beunruhigt wird. Ich fragte mich, woher die vielen Verwundetenwohlgekommenwaren,dadochdieKämpfeimWesten schon seit drei Monaten ruhten. Nach einiger Zeit des Wartens auf dem Bahnsteig kam endlich ein Eisenbahner,denichdanachfragte. ErwußteauchnichtsGenaueresundhattelediglichbeobachtet,daß diemeistenVerwundetenBrandverletzungentrugen. Kannesalsosein,daßandenGerüchten,dieichinGenfhörte,doch etwasWahresist?Dorterzähltemansich,daßdieDeutschenentwe derbeiversuchtenLuftlandeoperationeninEnglandoderbeiÜbun genmitLandefahrzeugenvorderfranzösischenKüstegroßeSchläge derBritenhinnehmenmußten.VieleSchiffeseienzerstörtworden,es habeeinegroßeZahlanTotengegeben.Auchwolltemanwissen,daß die Briten einen neuen Typ vonferngesteuertenTorpedoseinsetzen (eine Schweizer Erfindung, wie man stolz hinzufügte), der bei der Zündung Öl auf der Wasseroberfläche verbreitet und großeSchiffs brände auslöst. Die vielen Brandverletzungen, die ich heute morgen sah,scheinendieGerüchtezubestätigen. ...Das[dieAbsagederEnglandInvasion]wirdIlDuceinVerlegen heitbringen,daerbereitseineOffensivegegenÄgyptenbegonnenhat undetwa100MeilendurchdieWüstebisSidielBarranivorgedrun genist.Essiehtsoaus,alsseidieseitalienischeAttackeursprünglich 307

nurgeplantworden,umdieAufmerksamkeitvoneinerdeutschenIn vasion Großbritanniens abzulenken... Dort [am Mittelmeer] könnten dieAchsenmächteversuchen,durchdieEinnahmeÄgyptens,desSu ezkanalsundPalästinasdembritischenEmpireeinenschwerenSchlag zuversetzen... Während meiner Reise in die Schweiz nur ein [12.18.09.] nur ein Luftalarmhier,die5MioBerlinerhabenihrenSchlafwiedergefunden undihreZuversicht.Sieglaubennuntatsächlich,diebritischenFlug zeugekönntennichtdurchkommen...IchhörtevomNachlassender Arbeitsintensität in den Rüstungsbetrieben, ja sogar unter den Rg. Beamten,infolgefehlendenSchlafsundgestiegenerNervosität.“ Do19.09.: Auf Befehl von FRK Hitler stellen Marine und Heer al- le Vorbereitungen zur Einschiffung von Truppen nach Großbri- tannien ein. Die Marine löst alle Schiffskonzentrationen an der Kanalküste auf, „so daß der durch feindliche Luftangriffe verur- sachte Verlust an Schiffsraum auf ein Minimum reduziert wer- den kann“ (Eingeständnis des Scheiterns des Unternehmens Seelöwe ). RAMRibbentropführtinRomeinlangesGesprächmitMussolini, indemeru.a.diedeutschspanischenPlänezurEroberungGibraltars erläutert. Eine Beteiligung Italiens an der Aktion beabsichtigen DeutschlandundSpaniennicht. Abend.DiePressetobtüberdieangeblichvonbritischenFliegern,in WirklichkeitvonderdeutschenLuftwaffeverübteBombardierungin BielefeldBethel. Die Nachtausgabe titelt: „ Nächtliches britisches Verbrechen an 21 deutschen Kindern - Die Bluttat schreit nach Vergeltung “.Die DAZ titelt:„ Mord an den Kindern von Bethel - Ein abscheuliches Verbrechen “.Die BZ am Mittag titelt:„ Die Tö- tung durch Mörder betrachten wir nicht länger als Krieg, Herr Churchill! - Die britische Mörderinsel wird die Folgen ihrer hin- terhältigen Bombardements zu tragen haben “.Die Berliner Börsen- zeitung kommentiert: „Ihr einziger Wunsch, den Befehlen Churchills folgend,bestehtdarin,zumorden...Albionhatsichalsmordhungrige Bestie entpuppt, die durch das deutsche Schwert gerichtet werden wird, im Interesse nicht nur des deutschen Volkes, sondern der ge samtenzivilisiertenWelt...DiesadistischeBedrohungdurchdiebriti 308

schen Haßapostel wird im Rauch ihrer eigenenStädteeinEndefin den.“DeutscheBombenhättenimmerhinschonimLondonerWes tend Geschäfte und eine UBahnStation zerstört. Der vom AA he rausgegebene Diplo schreibt: „Es ist eine Tatsache, daß Deutschland mitsauberenWaffenundaufrittterlicheWeiseKriegführt.“ Protokoll über das Gespräch RAM Ribbentrops mitMussoliniv. 19.09.: „DerRAMkündigteeineErklärungdesFRKzummilitärischenTeil desspanischenProblemsan,d.h.zurEroberungvonGibraltar. Die Spanier beabsichtigten zwar, Gibraltar allein einzunehmen, doch um ein eventuelles Mißlingen auszuschließen, wird Deutschland Spanien eine Spezialtruppe zur Verfügung stellen, ausgerüstet mit speziellen Waffen, sowie einige Flugzeugstaf- feln... Nach der Rückkehr nach Berlin beabsichtige er [Ribbentrop], gemeinsam mit [IM] Serrano Suñer Spaniens Eintritt in den Krieg sowie die Lieferung von Rüstungsmaterial in einem ge- heimen Protokoll festzuschreiben... Spaniens Eintritt in den Krieg sei bereits mündlich zugesagt worden. Er soll erfolgen, wenn Franco seine Vorbereitungen abgeschlossen hat und die deutschen Spezialtruppen, Waffen und Flugzeuge an ihren Be- stimmungsorten in Spanien eingetroffen sind.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.19.09.: „MiteinweniggespartemBenzinmeinerMonatsrationvon140lfuhr ichheutezusammenmitJoeHarschundEdHartrichnachSiemens stadthinaus,umfestzustellen,obdieSiemenswerke...Bombentreffer erhalten hatten... Wir umfuhren langsam das riesige Gelände und konntenkeinerleiBeschädigungenfeststellen.DieTausendeArbeiter, dieamEndederTagesschichtdurchdieToreströmten,machtenei nen gutgenährten und zufriedenen Eindruck. Viele von ihnen sahen keineswegsärmlichausundzündetensichaufdemWegzurSBahn Zigarren an. WährendjenerzweiWochen,dadieBritenallnächtlich kamen, war ihnen die Zehnstundenschicht nach einer Nacht ohne Schlaf zunehmend schwerer gefallen, doch heute wirkten sie völlig frisch. WährendwireinigermaßenentmutigtvonunserenBeobachtungenin dieStadtzurückfuhren,bemerktenwiraufeinerBrücke[Beusselbrü 309

cke?],dieeineEisenbahstreckeüberquert,einegroßeMenschenmen ge.Zuerstdachtenwir,siewürdeneinZugunglückbeobachten.Dann abersahenwir,daßdieMenschenschweigendaufeinenlangenRot kreuzzug herabschauten, aus dem Verwundete ausgeladen wurden. Dasistinteressant.NurwährendderzweiWochenimSeptember,als Polen überrannt wurde, und während des einen Monats in diesem Frühjahr,dadieWestoffensiverollte,sahmansovieleZügemitVer wundeteninberlin.EinDiplomatsagtemiramMorgen,erhabeam BahnhofCharlottenburggesternebenfallszweilangeSanitätszügevol lerVerwundeterbeobachtet.DasmachtnunschonvierZügeinden letztenbeidenTagen,vondenenichweiß... AllerdingsmußmandabeistetsimAugehaben,daßdiehiesigenZei tungenkeineswegsdieöffentlicheMeinungrepräsentieren...“ InderFolgedesScheiternsdesUnternehmens„Seelöwe“steigertdie deutschePropaganda,mitHöhepunktimOktober,ihrewüstenDro hungengegenGroßbritannien:Londonhabenun„pausenloseVergel tungsangriffe“, das „größte Bombardement der Weltgeschichte“ zu erdulden, es habe eine „Bartholomäusnacht“ durchlitten und werde „coventriert“werdenwiedas„Rüstungszentrum“Coventry,dasdie deutschenBomber„demErdbodengleichgemacht“hätten. Fr20.09.: AnweisungNr.3216,ZDv.20.09.: ...weisthinaufdie„Verdrehungskunststücke,...diefürJudeninleiten den Stellen typisch sind“. Süß Oppenheimer hat seine Tatigkeit be nutzt,„umnichtnurfürsich,sondernauchfüralleimUmkreiswoh nendenRassegenossenVorteileherauszuschlagen“....„EsistAufgabe derZeitschriften,diesetypischejüdischeManierbesondershervorzu hebenunddenFilmzumAnlaßzunehmen,inunseremVolkeviel leichtauchdurchweitereBeispieledieMeinungzuerhärten,daßjeder Jude,auchwennernochsogroßartigeMotivevorschiebt,immernur seineigenesWohlunddasseinerRassegenossenimAugehat.“ HansErasmusFischer:Rezension Jud Süß , Filmwelt v.20.09.: „HarlanhatStoffundFilmausdemDämmerderJahrhunderteindas grelleLichtderGegenwartgerückt;unsereZeitspürtewiediedamali getausendfachundunbarmherzigdas‘Wirken’desJudentums,fürdas 310

alles Land, Mensch, Leben nur Geschäft war... Nicht jeder aber ward,wieJudSüß,gehängt...VonallenSzenendieunheimlichste,in ihrergespenstischenLebensechtheitgrausigeundabstoßendedieder GebetsstundeinderSynagoge.DasisteinwahrerTeufelssabbathda flackern die Kerzen über den schmierigen [!] Käppis und filzigen [!] HütenderbärtigenJuden,die,ineinerwiderwärtigenEkstasetrunken umhertaumelnd,ihregutturalenSinglauteausstoßen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.20.09.: „Dr.KurtSell,derNaziBotsch.inWashington,dessenAufgabeunter anderem darin besteht, Berichte über unsereSendungennachBerlin zu übermitteln, hat mehrfach negative Einschätzungen über meine Arbeitgeliefert.“ Sa21.09.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.21.09.: „HeutekamXinmeinHotelzimmerimAdlon,undnachdemwirden Telefonsteckerherausgezogenundunsüberzeugthatten,daßniemand an der Verbindungstür zum Nebenzimmer lauschte, erzählte er mir diefolgendeschlimmeGeschichte.Ersagt,dieGestaposeigegenwär tigdabei,allegeistigBehindertenundKrankenimReichsystematisch zubeseitigen.DieNazisnennendas‘Gnadentod’.Erverweistdarauf, daß vor einigen Tagen Pastor [Friedrich von] Bodelschwingh [*1877+1946]verhaftetwurde,dereingroßesHeimfürgestörteKin derinBethelleitet.DerGrund:erhattesichgeweigert,einigeseiner ernsteren Fälle der Geheimpolizei zu überlassen. Kurz danach wird seine Anstalt bombardiert. Vonden‘Briten’.MußdieserGeschichte nachgehen.“ So22.09.: Der spanische Caudillo Franco schickt einen Brief an FRKHitlermitvielenDetailsüberdengemeinsamgeplantenÜber fallaufGibraltar:„Wasunsbetrifft,sohabenwirdieOperationseit langeminsgeheimvorbereitet.“Ichversicheremeine„unveränderliche und feste Treue gegenüber Ihnen, dem deutschen Volk sowie dem Ziel,fürdasSiekämpfen“. RAMRibbentropkehrtausRomnachBerlinzurück. Nachtzumorgen.BeidemerstenFliegeralarm(2:20h)seitübereiner WochebombardierenbritischeFlugzeugewiederBerlin. 311

WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.22.09.: „Esistbekannt,daßHimmlerohneGerichtsverfahrenwenigstensei nenPolenwegensexuellerBeziehungenzueinerdeutschenFrauauf hängen ließ. Es ist gleichfalls bekannt, daß wenigestens ein halbes DutzenddeutscherFrauenzulangjährigenGefängnisstrafenverurteilt wurden, weil sie polnischenKriegsgefangenenoderZwangsarbeitern Gefälligkeitenerwiesenhaben.MehrereDeutschehabenmirvonPla katen erzählt, die in deutschen Provinzstädten an zentralen Stellen klebenunddieBevölkerungdavorwarnen,Kontaktemitpolnischen Zwangsarbeitern aufzunehmen. Gleichzeitig werden die Arbeitgeber ausdrücklichzuharterBehandlungderPolenangehalten.Vergangene WochehabenalleHaushalteinBerlineinFlugblattdeshiesigenBüros des‘BundesderAuslandsdeutschen’erhalten,mitdemgleichfallsvor einer Verbrüderung mit polnischen Arbeitern oder Gefangenen ge warntwird.EinigeAuszügeausdiesemDokument: ‘Deutsche,vergeßtniemals,daßdieGreueltatenderPolendenFührer veranlaßt haben, unser deutsches Volk mit Waffengewalt zu schüt zen!...DieErgebenheitderPolengegenüberihrendeutschenArbeit gebernverbirgtnurihreVerschlagenheit;ihrfreundlichesBenehmen verbirgt ihre Tücke... Denkt daran, es gibt keinerlei Gemeinsamkeit zwischen Deutschen und Polen! Hütet euch davor, daß aus der ge meinsamenReligionBeziehungenentstehenkönnen!...Vielleichtden kenunsereBauern,daßjederPole,dersiemit‘GelobtseiJesusChris tus’grüßt,einanständigerMenschist,undvielleichtantwortensieihm mit‘InEwigkeitAmen!’Deutsche!DerPolekannniemalseuerKame radsein!EristminderwertigimVergleichzuseinendeutschenVolks genossen auf dem Lande oder in der Fabrik. Verhaltet euch, wie es Deutschestetsgetanhaben,undvergeßtdabeinie,daßihrVertreter derHerrenrasseseid!’ Ich stelle fest, daß in Deutschland arbeitende Polen neuerdings ein ArmbandodereinandenMantelgenähtesAbzeichenmiteinemgro ßenroten‘P’aufgelbemGrundtragenmüssen.ImbesetztenPolen müssenJudeneinähnlichesAbzeichenmiteinem‘J’darauftragen. ...RudolfKircherberichtetinder Frankfurter Zeitung ausRom,diemili tärischeLagederAchsesähesorosigaus,daßRibbentropundMusso linidiemeisteZeitdamitverbrachthätten,die‘Neuordnung’inEuro paundAfrikazuplanen.DasmagdieGefühlederdeutschenMen 312

schen ein wenig aufheitern, denn die meisten, mit denen ich ge- sprochen habe, beginnen sich zum erstenmal ernsthaft zu fra- gen, warum es mit der Invasion Großbritanniens nicht vorwärts- geht .Siesindimmernochüberzeugt,daßderKriegzuWeihnachten vorüberseinwird.VornurzweiWochenwarensiejedochnochge nauso überzeugt, er werde vor Einbruch des Wintersvorübersein... IchhabeallemeineWettenmitNazibeamtenundZeitungsleutenüber denZeitpunkt,dadasHakenkreuzüberTrafalgarSquarewehenwird, gewonnen und müßte nein, muß von ihnen so viel Champagner bekommen, daß er den Winter über reicht. Heute habe ich einigen vonihneneineweiterekleineWettezudiesemThemaangeboten,da mitsieeinenTeildesChampagnerszurückgewinnenkönnten.Siefan dendasgarnichtlustig.Aberwettenwolltensienunauchnichtmehr. DeutscheKorrespondentenberichtenheuteausRom,daßItalienun gehaltenseibezüglichGriechenlandunddaßdieBritendieNeutralität der griechischen Küstengewässer verletzten wie seinerzeit auch in Norwegen... Ich nehme an, Griechenland wird das nächste Opfer sein.“ Mo23.09.: Die Nachtausgabe titelt: „ Neuer nächtlicher Piratenakt “. Weiter:„WiederhatWinstonChurchillgesternbritischenPilotenBe fehlerteilt,ihreBombenaufdiedeutscheZivilbevölkerungabzuwer fenunddamitdenMordandeutschenMännern,FrauenundKindern fortzusetzen.“ Die Berliner Börsen-Zeitung schreibt: „Churchill hat ges tern nacht die Serie seiner verbrecherischen Schläge gegen die deut sche Zivilbevölkerung fortgesetzt. Offen gesagt, Churchill gehört zu jenerKategorievonVerbrechern,dieinihrerdumpfenBrutalitätun belehrbarsind.“ Abend.RMVPGoebbelsgibtimHotelAdloneinEssenfürSpaniens IMSerranoSuñer. 23.30 Uhr. Die Briten bombardieren Berlin vier Stunden lang mit den bisher schwersten Angriffen. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.24./23.09.: „EinbarbarischesWetter.Nurwenig[Bombenabwürfe]überLondon geschafft.Invasionsmöglichkeitenauch[!]wegendiesestollenWetters immerungewisser.DieEngländerhabenwieder[!]unsereStützpunkte anderKüste,diesmaldochmiteinigemErfolgbombardiert.Eineng 313

lischer Kindertransport untergegangen. London behauptet, durch deutschesUBoot...AmerikastimmtindasenglischeGeschreimitein undistauchsonstsehrfrechundaggressiv...DiemilitärischeLageist noch ganz ungewiß. Man beginnt sich allmählich auf einen zweiten Winterum[!]zustellen.DasistauchdasBeste.Eserhebensichsoviele Schwierigkeiten,daßmangutdarantut,auchaufeinelängereKriegs dauer vorbereitet zu sein...Mittags beim Führer. [RProt] Neurath ist zum Vortrag da... Lange über das Problem der Invasion debattiert. OhneabsoluteLuftherrschaftnichtdurchzuführen.Davonaberkann im Augenblick noch keine Rede sein. Das Wettermachtunsunent wegtStrichedurchunsereRechnung.Alsowarten,warten!“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.23.09.: „FürdiemeistenLeutewardas[dererneuteBombenangriff]einklei nerSchock,dennmanhatteihnendieganzeWocheübererzählt,die Briten hätten mehrere Nächte versucht durchzukommen und wären jedesmal von der mächtigen Luftabwehr zur Umkehr gezwungen worden... DieStrategiederRAFkonzentriertsichaufdiedeutschenRüstungs zentren und Nachschubproduzenten. Ohne Zweifel haben sie dabei einigewichtigeZielegetroffen,etwadieLeunaWerke,woBenzinaus Kohlehergestelltwird(Leunawurdegetroffen,abernichtausgeschal tet). Ebenso steht aber fest, daß es ihnen bisher nicht gelungen ist, Deutschlands Kriegsproduktion in empfindlichem Maße zu stören odereinegrößereZahlwichtigerBetriebezuvernichten... GesternabendkameinalterdeutscherBekannterbeimirvorbei.Er istjetztbeiderLuftwaffeundgehörteindenvergangenendreiWo chen zur Besatzung eines Nachtbombers, der seine Einsätze über Londonflog... ...ErwarbeeindrucktvondenAusmaßenLondons.DreiWochenhät tensiejetztihreBombenabgeworfen,undimmernochseisovielvon derStadtübrig!.. ...DieLuftwaffegingdavonaus,mankönnedieRAFmitOperatio nenbeiTageausschalten,wiedasbeidenpolnischen,holländischen, belgischenundfranzösischenLuftstreitkräftenderFallgewesenwar. DaherhatmanvielzuwenigMännerauchfürNachtflügeausgebildet... ...Erbestätigt,daßbritischeBomberschwereNachteinsätzegegendie französischenundbelgischenKüstenbefestigungenfliegen... 314

...Erbestätigt,daßesderLuftwaffebishernichtgelungenist,Luft überlegenheit in Großbritannien zu gewinnen.AlsichvorfünfWo chen am Kanal war, meinten die Deutschen, dies sei lediglich eine Fragevonhöchstens14Tagen.TatsächlichhabendieDeutschenseit zwei Wochen Tagesangriffe in größerem Stil unterlassen und sind hauptsächlich zu Nachtangriffen übergegangen. Dies ist an sich das EingeständniseinerNiederlage.“(S484487) Di24.09.: DiePresseschreibtüberdieschwerenBombardementsder Nacht: „Trotz massivem Abwehrfeuer gelang es einigen britischen Bombern gestern nacht, die nördlichen und südlichen Vororte von Berlin zu erreichen und einige ihrer Bomben abzuwerfen. Die Ein schlaggebiete,fernaballermilitärischenoderindustriellenZiele,liefer tenerneutdenBeweisdafür,daßdiebritischenPilotenausfreienStü ckenWohngebieteangreifen.EsgabkeinemilitärischwichtigenZert sörungen.“ DtU „Jud Süß“ BerlinRVeitHarlan inAnwesenheitvonRMVPGoebbels,zahlreicherführenderMänner vonParteiundStaatsowievielerdeutscherFilmschaffender. NN,Vorbericht Jud Süß , VB v.24.09.: FerdinandMarian:„IcherlebeFreudeinjederArbeit;dennesistnach meinerMeinungwirklichDienstanderKunst,wennmandieganze Vielfalt des Lebens, also auch seine niederen und abwegigen Seiten ausdrückt.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.24.09.: „DieBombardierungwarsehrheftigundmitgroßerZielgenauigkeit... EinigewichtigeFabrikenimNordensindgetroffenworden,einGas werksowiedieEisenbahnanlagennördlichderStettinerundLehrter Bahnhofs... SelbstdieehergleichgültigenBerlinersind,wennmannachihrenGe sprächenurteilt,aufgebrachtüberihreBlätter...VieleTausendPendler aus den nördlichen Vororten, die heute dreimal die Bahn wechseln mußtenundperBusumdievonbritischenBombenzerstörtenStre ckenabschnitte herungefahren wurden, waren ziemlich erstaunt dar über,wassieinihrerZeitunglasen... FrancosSchwagerundIMSerranoSuñeristvoneinemBesuchander WestfrontgeradesorechtzeitignachBerlinzurückgekommen,daßer 315

seine erste Erfahrung mit einem britischen Bombenangriff machen konnte...WirKorrespondentenmaltenunsderweildieSzeneaus,wie Suñer nach Madrid zurückkommt und Franco (der unter enormem DruckausBerlinundRomsteht,sichjetztandenAktionenderAch senmächte zu beteiligen), ihn nach britischen Bombenangriffen auf Berlinfragt...Sie[dieDeutschenundItaliener]bestehendarauf,daß Franco entweder Gibraltar selbst erobert oder einwilligt, daß die DeutschendieOperationausführen. Berlin heute abend sehr zufrieden mit den Franzosen. Nachdem sie IndochinapraktischkampflosdenJapanernüberlassenhabenundtäg lich,ohnezumurren,neueZugeständnissegegenüberderAchsema chen,habensieheutedasFeuerdeGaulleunddieBriteneröffnet,die Dakarbesetzenwollen. DieBombenderletztenNachterinnernmichdaran,daßdersicherste LuftschutzbunkervonBerlinAdolfHitlergehört...Wennsolcherma ßenHitlerüberdenbestenLuftschutzkellervonBerlinverfügt,soha bendieJudendieschlimmsten.InvielenFällenhabensiegarkeinen. NurwoesdieBaulichkeitenhergeben,wirdihneneinkleinerRaum nebendemHauptkellereingeräumt.Indiesemversammelnsichnatür lichdie‘Arier’.IndenmeistenBerlinerHäuserngibtesnureinenKel ler.Ergehörtden‘Ariern’.DieJudenhabenindiesemFalldasErdge schoßzubenutzen,fürgewöhnlichdenHausflurvordemFahrstuhl oderderTreppe.AuchdieserOrtistziemlichsicher,wenneineBom be das Dach trifft... Jedoch haben die Erfahrungen gezeigt, daß der Hausflur der gefährlichste Ort im ganzen Gebäude ist, wenn eine BombeaufderStraßevordemHauseinschlägt...hiernahedemEin gang,wodieJudensind,dringendiemeistenBombensplitterein.“ Mi25.09.: FRK Hitler empfängt erneut Spaniens IM und Franco- Schwager Ramón Serrano Suñer, um Spanien zu einem Kriegs- eintritt zu bewegen. Abend. Der RKom/besNorwegen Terboven verkündet im Osloer Rundfunk: 1. Das norwegische Königshaus besitzt keine politische Bedeutung mehr und wird nicht nach Norwegen zurückkehren. 2. GleichesgiltfürdieExilRg.Nygaardsvold.3.JedeAktivitätfürdas Königshaus und die ExilRg. ist untersagt. 4. Auf Anordnung von FRKHitlerübernimmteinkommissarischerRatdieRg.Geschäfte.5. 316

SämtlichepolitischenParteiensindaufgelöst.6.PolitischeVereinigun genjeglicherArtsindverboten.Terbovensagtweiter,erhabever geblichmitdenaltenParteienzuverhandelnversucht,diesehättenje doch an ihren Machtpositionen festgehalten und seine Warnungen „mißachtet“. Es se jetzt klar geworden, daß der Weg der Quisling BewegungderfürNorwegeneinzigmöglichesei. 23.004.00Uhr.LuftalarminBerlin.DiebritischenBomberzerstören nurwenig,haltendieBevölkerungabervomSchlafab. Friedrich Hussong: Stärkste Wirkung von Jud Süß , Berliner Lokal- Anzeiger v.25.09.: Anwesenheit„zahlreicherführenderMännervonParteiundStaatso wie vielerdeutscherFilmschaffender“...„DasFilmtheatertrugfestli chenSchmuck.NachdemeinsehrinteressanterKulturfilm‘Baumeis terinChemie’gelaufenwar,wurdederFilm‘JudSüß’mitdersinfoni schen Dichtung von Franz Liszt ‘Les Préludes’, gespielt von der StaatskapelleunterLeitungdesStaatskapellmeistersJohannesSchüler eingeleitet...MitstarkvereinfachendenLinienstelltderzwingendges taltete Film das phantastische Geschehen dieses Lebens aus der Ju dengasse, indemFürstensaalundindeneisernenVogelkäfigüberm Galgen dar... Der Sinn all dieses Geschehens ist aus der Sphäre des nur Abenteuerlichen, nur VerbrecherischRomantischen weitheraus gehobenzueinerlebendigenDeutungdesProblemsunsererZeit,der Rassenfrage...Wieer[Süß]sichKaftan,JudenbartundPeieslockenab tut,umbeiHofeSchweinerneszuessenundinderinWahrheitrohen und kulturlosen Atmosphäre der Serenissimuswelt als ‘Kavalier’ zu glänzen,istunübertrefflich.NurhiernochineinerkriecherischenGe bärde, in einem leisen Gutturallaut noch, in einer unbeherrschten Handbewegungnochsichverratend,sonst‘Kavalier’,Freigeist,Lebe mannvonWeltundHalbwelt,mitseinemunsauberenErfolgjenenim Grunde so dummen Hochmut steigernd, der sein Verhängnis wird. KaumnocherkennbarderJude.DannwiederraschnachdemSturz raschhaltloszurückfallendinalleHäßlichkeitenseinerRasse,schnell einachtloser,verquollener,schmutzigeralternderJude,bissieihnin höhnischenStaatskleidernimeisernenKäfigüberdenGalgenhoch ziehen,denRabenzumFraß“DerHerzog...„einstmartialischerFeld herr des Kaisers in dessen Türkenkriegen, jetzt ein nie erzogener, durchdiemephistophelischenEinflüsterungendesJuden,durchseine 317

Liebedienerei,seinePferde,Edelsteine,WeiberundMachtgelüstevol lendshaltundhemmungslosgewordenervollblütigerundschlagflüs sigerSklaveseinerGierden[!]...BisgesternschriendieJudenZeter, weilnachdemTodedesHerzogs...diewürttembergischenLandstände nichtüberdiesesunsittlicheStückPapier[dasDekretzuSüß’Straflo sigkeit]stolperten,sonderninallihrerUnzulänglichkeitgültigesUrteil derGeschichtevollzogen,indemsiemitderErhängungdesJudSüß einesittlicheForderungerfüllten...Dasblutundrassenschänderische TreibendesWollüstlingsSüßwirdnurindertragischenSelbstaufop ferungderDorotheaSturm...sichtbar.“ Wilhelm Westecker: Jud Süß Urbild jüdischer Art, Berliner Börsen- Zeitung v.25.09.: ...das „mißtönige Gekreisch einer Judenfeier“ [SabbatFeier]...Albert FlorathalsObristvonRöder,demeinstigenKriegsgefährtendesHer zogs,„demdasRechtunddieNotdesVolkeszuHerzengehenund zumHandelnzwingen“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.25.09.: „AußerdemhatsichzwischendemRMVPunddemAA(diesichwe gen vieler Dinge bekriegen) eine starke Rivalität entwickelt, werden besseren Club für die ausländischenPresseleutebesitzt.Ribbentrops Einrichtung,derAuslandsPresseclubnahebeimKurfürstendamm,ist im Moment eleganter als Goebbels’ Auslandclub am Leipziger Platz [MosseHaus?]...SeitBeginnderAggressiongegenHollandundBel gien bin ich nicht mehr [zum Leipziger Platz] hingegangen, weil ich mich außerstande sehe, während meines Abendessens Beleidigungen vonNaziseinsteckenzumüssen. ...Sie[dieDeutschen]müssennichthungern.AuchnacheinemJahr Blockade haben sie noch genügend Brot, Kartoffeln und Kraut, um für eine lange Zeit durchzuhalten. Erwachsene erhalten wöchentlich einPfundFleischund¼PfundButter... DerMangelanObstistakut,unddiestrengenFröstedesletztenWin tershabendiedeutscheObsternteruiniert.OrangenundBananenwa rendenganzenletztenWinterübernichtzusehenundwerdenwahr scheinlichauchdiesenWinterwiederfehlen.DieBesetzungvonDä nemarkundHollandhatvorübergehenddieVersorgungmitGemüse undMilchproduktenverbessert,dochDeutschlandsUnfähigkeit,diese LändermitFutterzuversorgen,wirdinKürzedazuführen,daßman 318

selbst die Verantwortung für sie in Sachen Nahrung wahrnehmen muß.EsgibtkeinenZweifeldaran,daßdieDeutschensämtlicheLe bensmittelvorräte in Skandinavien, Holland, Belgien und Frankreich geplünderthaben.Esistwahr,manhatdafürbezahltinPapiermark, die nichts wert ist. Lediglich der hiesige Vertreter von Mr Herbert Hoover [USPräs. 192933, danach Vors. karitativer Organisationen] bezweifeltdieseTatsache.“ Do26.09.: Wegen des immer früheren Eintreffens der britischen Bomber werden die Anfangszeiten aller Berliner Theatervorstel- lungen von 19.30 bzw. 20 Uhr auf 18 Uhr vorverlegt. Das RMWEV weist an, daß bei Fliegeralarm bis nach Mitternacht die Grundschulen am folgenden Tag geschlossen bleiben, damit die Kinder ausschlafen können. Die BZ am Mittag schreibt: „Der größte Kriegstreiber aller Zeiten, WinstonChurchill,hatgesternerneutseineMördernachBerlinausge sandt...“ ItaliensAMGrafCianokommtzueinemBesuchnachBerlin. CarlLinfert:Rezension Jud Süß , Frankfurter Zeitung v.26.09.: „Harlan hat den ganzen Alltag der Schurkerei wie einen Berg ange häuft.Einskamzumanderennachaußenhinmöglichstso,alsginge allesmitrechtenDingenzu,bisderZündstoffsomürbbeisammen lag,daßernurnochexplodierenkonnte...Spitzundkonsequentruft derFilmdieErbitterunghervornichtnurgegendieSchlechtigkeit, dieinderWeltvorkommt,sondernvorallemgegendenExponenten solcher Schlechtigkeit. Der aber vollführt seine bösen Taten nicht, weil sie ihm Nutzen bringen. Vielmehr: er hat Lust daran, und er scheinthierzuvorbestimmtdurchseineRasse...Nurinderflackern den Synagogenszene zeigt sich, daß die Juden eigentlich fremd und abgesondert leben und auf diese Weise Widerpart des Süß sind.“... „Empörertatkraft“desvonRöder... GerhardStarke:Rezension Jud Süß , DAZ v.26.09.: „Die Verkündung des Judenbannes durch die Württemberger Land stände, mit der der Film endet, ist Symbol: ein Alpdruck wurde ge nommen;einSpukverflog.“ÜberdieRolledesSekretärsLevy:„Ein Jude,dernichtdieFähigkeitbesitzt,dasGhettohintersichzulassen, auchimÄußerlichen,derdenKaftanunddenJudenbartbehält,auch 319

wennihmderSprungin‘diegroßeWelt’glückt.Erkannnichtspielen, hatkeineMaske.SeineArroganz,Grausamkeit,Respektlosigkeitund feigeRachsuchtliegenoffenzutage.Süßistzuschlau,umsichselbst öffentlichzumRichteraufzuwerfen,Levytutes,undinseinenZügen hocktdiegrelleSchadenfreude,daßesihmgelang,denGrundsatzal tendeutschenRechtszustürzen:Iudexstatprodeo,quodIudaeusex sesenequit.JudSüßistInstinktplusIntellekt;TypLevyInstinktallein, ganzGier,ganzTrieb.DieArt,wieWernerKraußdiesenTypwieder gibt und den des Rabbi dazu, hat etwas Gespenstisches und über schreitet die Grenzen des Beschreibbaren. Nicht nur sein lallendes Mauscheln,seinnackterundtrotzallerSchläueblöderBlickistesal lein,Krauß’SpielstrahltWirkungenausohneerkennbareUrsachen.“ RabbiLoew,das„leibhaftige,talmudischeDogma...KeinZweifel,der hiererscheint,istein‘ChachamgodalhaJisroel’,eingroßerKlugerin Israel.Er‘weiß’,aberseinWissenistdämonischesWissen,dazube stimmt, dem Handeln derer, die Süß und Levy verkörpern, logische Rechtfertigung anzulügen. Und welch ungemeine Elastizität hat die dabeientwickelteDialektik,dergewißBeweisdesGegenteilsdesBe wiesenenebensogutgelänge.ImSpinnenschrittschreiteter,anzusehen wieeinSchwarzalbe,losgelassenaufeinemorbideWelt,ihrenZerfall zubeschleunigen.EwigsinddiezweiSeeleninseinerBrust:dieGott unddemGesetzzugewandte,dieahnungsvollwissendeunddiedem Goldgötzenfrönendeundsichselbstverschachernde.“ HermannErichSeifert:DiezweiteWahrheit, Der Angriff v.26.09.: „Uns scheint wichtig, daß mitdiesemFilmendgültigdasEisgebro chen ist, daß nunmehr deutsche Künstler im Film und hoffentlich mehrauchaufderBühne den Juden darstellen werden.EsistkeinZwei fel,daßdasfürdeneinzelnenKünstlereinpersönlichesOpferbedeu tet.AberdieserFilmbeweist,daßeskünstlerischeinederartiglohnen de und verlohnende Aufgabe ist, daß dieses Opfer gebracht werden kann...EsisteinfremdesGemischvonTönenundWorten,eineTon folge,unseremOhrsofremdwiefernstesAsiatentum.DiesesLieddes VorbetersistdasLied,mitdemdieJudendurchdieWeltzogen.Es klingt zum Wiegen der Oberkörper beim talmudischen Gebet, es klingtundkrächztdurchdieGassen,diedasjüdischeVolksichinden StädtenderganzenWeltSchrittfürSchritteroberthat.Einziehensie alsKrämer,TrödlerundSchächer,beladenmitSackundPackwieei 320

neasiatischeHorde,dannmästensiesichundwerdenreichundfett undprotzig.DasistderWegdesJudentumsindenletztenzweiJahr hunderten, in denen sie das Ghetto sprengten und die bürgerliche Gleichberechtigungergaunerten.“ CurtBelling:Rezension Jud Süß , VB v.26.09.: „Selbstlosigkeit“desJudSüßDarstellers...„...einesgläubigenVolkes, welches seiner ehrlichen Arbeit nachgeht und an die Gerechtigkeit seinesSouveränsglaubt.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.26.09.: „Gestern der bisher längste Luftalarm... die psychologische Wirkung warenorm. KeinererwartetedieBritenschonsozeitig,undTausendewarennoch unterwegs, mit der UBahn, derSBahn,inBussenundStraßenbah nen. Sie rannten eilig zumnächstgelegenenöffentlichenBunkerund verbrachtendortdenGroßteilderNacht... ... Ed Murrow erzählte mir letzten Winter Befragungen hätten erge ben,daß[derirobritischeÜberläuferWilliamJoycealiasLord]Haw HawmindestensdieHälfteallerenglischenRadiohörererreicht,wenn er sich aus Berlin meldet. Doch das warzueinerZeit,alsnochder ‘Scheinkrieg’ die Engländer langweilte und sie sowohl den Krieg als auchJoyceamüsantfanden... Für ihre übrigen Fremdsprachensendungen verfügen die Nazis über einobskuresSortimentangeheuerterLeutevomBalkan,fernerHol länder,Skandinavier,Spanier,AraberundHindus... ...EsgabeinekurzeZeit,unmittelbarnachdemdasReichNorwegen übernommen hatte das gleiche trifft auf Holland zu , in der Deutschland vielleicht mit Erfolg auf einigen Zuspruch seitens der einheimischenBevölkerunghättehoffenkönnen,diedieAussichtslo sigkeiteinesmilitärischenKampfesgegendieÜbermachtHitlersklar vorAugenhatte.AberdieDeutschentatenallesnurirgendMögliche, sichdiesenZuspruchzuverscherzen,undinnerhalbwenigerWochen schlugendieGefühleum.JetztwerdendiedeutschenHerrscherinal lenbesetztenLänderngehaßtwiediePest... ...will man künftig die Schwerindustrie und die technischen Zweige, die in den Sklavenländern noch funktionieren, in Deutschland kon zentrieren.DieunterjochtenVölkersollendieRohstoffefürdieseIn dustrieliefernunddieNahrungsmittelfürdiedeutschenHerren... 321

...selbst wenn Deutschland den Krieg gewinnen sollte, wird es doch seinenKampfumdieNeuordnungEuropasverlieren.DerDeutsche ist zu solch einer Neoorganisation nicht fähig davon bin ich fest überzeugt,nachdemichesjetztseitvielenJahrenmitihmzutunhabe. SeinMangelanAusgeglichenheit;seintyrannischerSadismus,wenner Macht besitzt; seine angeborene Unfähigkeit, auch nur entfernt zu verstehen, was in den Köpfen und Herzen anderer Völker vorgeht; seininstinktivesgefühl,daßBeziehungenzwischenzweiVölkernnur aufderGrundlagevonHerrundSklavemöglichsind,niemalsaufder GrundlageechterGleichberechtigung...“(S492500)

Fr27.09.: 13 Uhr. Im Festsaal der Reichskanzlei wird in Anwe- senheit von FRK Hitler der Dreimächtepakt zwischen Deutsch- land, Italien und Japan von den AM Ribbentrop und Graf Ciano sowie Botsch. Kurusu unterzeichnet . Artikel 1 bestimmt, daß Ja- pan die Führungsrolle Deutschlands und Italiens bei der Schaf- fung einer neuen Ordnung in Europa anerkennt. Artikel 2: „Deutschland und Italien erkennen die Führungsrolle Japans bei der Schaffung einer neuen Ordnung im asiatischen Groß- raum an.“ Artikel 3: „Deutschland, Italien und Japan beschlie- ßen, einander mit allen politischen, wirtschaftlichen und militä- rischen Mitteln beizustehen, wenn eine der drei vertragschlie- ßenden Parteien von einer Macht angegriffen wird, die nicht in den Krieg in Europa oder in den chinesisch-japanischen Kon- flikt verwickelt ist.“ Der Artikel richtet sich allein gegen die USA, denn Artikel 5 besagt: „Deutschland, Italien und Japan be- stätigen, daß die vorher angeführten Vertragsbestimmungen in keiner Weise den politischen Status berühren, der gegenwärtig zwischen jeder der drei vertragschließenden Parteien und Sow- jetrußland besteht.“ Der zur Unterzeichnung eingeladene Botsch. derUdSSRläßtmitteilen,erweilenichtinderStadt. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.27.09.: „VonmeinemFensteraussahich,daßdiezumJubelnindieWilhelm straßegebrachtenSchulkinderjapanischeFähnchenschwenkten... ...DenganzenSommerüber,alsdiedeutscheWeMdenWestenüber rollte,warBerlindavonüberzeugt,daßderKriegimHerbstvorüber seinwürdeunddaherdieamerikanischenHilfslieferungen,dieerstim 322

kommenden Frühjahr wirken würden, für Deutschland keine Rolle spielenkönnten...IndenletztenzweioderdreiWochensindnundie Pläne für eine Invasion Großbritanniens ins Wanken geraten. Höchstwahrscheinlichwirdsienichtstattfinden.AufjedenFalldäm merteesBerlinvoreinigenTagen,daßGroßbritannienvielleichtdoch nichtindiesemHerbstgeschlagenseinwird,daßesvielleichtnochim kommendenFrühjahrkämpftunddaßdanndieamerikanischeHilfe für Großbritannien, besonders die Lieferung von Flugzeugen, sehr schwerinsGewichtfallenwird.AlsomußteetwasgegendieVereinig tenStaatenunternommenwerden...HerrStahmer,einVertrauterRib bentrops, den man bereits auf die britischen AppeasementPolitiker angesetzthatte,wurde[nachTokio]ausgeschickt,umdasGeländezu erkunden. Dem folgt nun ein Militärpakt mit dem Ziel, Amerika zu bedrohenundausdemKriegherauszuhalten.WennichdenCharakter Amerikasauchnureinbißchenkenne,dannwirdzuHauseniemand, mitAusnahmederWheelers,NyesundLindberghs,dadurchauchnur entferntinsZitterngeraten.DieWirkungwirdgeradeumgekehrtsein, wiesieHitlerundRibbentroperwartendiebeideohneUnterlaßden angelsächsischenCharakterfalschbeurteilen. AllerdingsistdieserDreierpakteineSache,diedieAchsenmächte,vor allemDeutschland,großartigfürihrePropagandamaschinerienutzen können,umdamitdieGedankenderBevölkerungvonderTatsache abzulenken,daßdieversprocheneInvasionEnglandsaufgeschobenist undderKriegvondemjederdeutscheseitdemSommerzuversicht lichgehoffthat,daßerineinbiszweiMonatenvorbeiseinwürde aufkeinenFallvorEinbruchdesWinterszuEndegehenwird... KeinederbeidenSeitenkannderanderendiegeringsteWirtschafts oderMilitärhilfeleisten,solangesiedurchdiebritischeMarinevonein anderabgeschnittensind...“(S500505) So29.09.: KarlKorn:DerHofjude, Das Reich v.29.09.: „ManspürtunderkenntausdiesemFilm,daßdasjüdischeProblemin Deutschlandinnerlichbewältigtist.“Im„neuentotalitärenOrdnungs prinzip“isteineausreichendeSicherunggegendieGefahrder„frem denRasse“.ÜberSüß’Tod:„DerElendeweißnichtstolzzusterben. FürdasNichtsvermagkeinMenschanständigzusterben...DerFilm 323

besucherverläßtdendunklenSaalundistausdemErlebnisdieserFi gurzuderMeinunggekommen,derJudemüssesogewesensein,wie Marianihndarstellt.“...Süßwirdzum„TypdesJudenmitderheimli chenSehnsuchtnacheinemAnderssein,nachVerschmelzungmitden insteterHaßliebeumworbenenGoiim.“Faber…„brenntvorJuden haß.InseinemhagerenGesichtlodernAugen,ausdenenVerachtung und der Wille zum Kampf bis zum äußersten sprechen... dieses schwäbischeMädchen,einederschönenTöchterdesLandes,mußein Schicksalerleiden,vordemmenschlicheWorteverstummenmüssen.“ Hier sind „weibliche Süße und gute Sitte in einem Bild von feinem ReizundZauber“vereint...„DasschwäbischeVolk,dertraurigeZug derGhettojuden,diederSüßnachStuttgartholt,sinddiekollektiven Gegenspieler.“ Mo30.09.: RFSS Himmler verfügt per Erlaß Tgb.Ne. 35/142/40, „Vorsorge zu treffen, daß die gesamte SS und Polizei im Laufe des WintersdenFilm ‘Jud Süß’ zusehenbekommt“:DiePolizeiverwal tungsstellen müssen mit den örtlichen Filmtheaterbesitzern Sonder- vorstellungen fürdieAngehörigenderOrdnungsundSicherheitspo lizei,derFeuerschutzpolizeiundderFreiwilligenFeuerwehrenverein baren,beideneneinermäßigterEintrittspreisgilt.DieFamilienange hörigen dürfen an den Sondervorstellungen teilnehmen. Solche SondervorstellungenfindenspäterauchfürWeMSoldatenundLaza rettpersonalstatt. RLwM Darré verkündet, daß die Lebensmittelversorgung im kom mendenWintersichergestelltsei.DieKartoffelerntevonetwa60Mio tunddieum2MiotgeminderteGetreideernteseienausreichend,die RationierungvonFleisch,FettundBrotwerdeaberüberdenWinter bleiben. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.30.09.: „EinzweistündigerAlarmgesternnacht,aberwirhörtenkeineFlug zeuge.OffenbarhabendieBritenBrandenburgangegriffen...DieZer störungeninBerlinhaltensichbisherimmernochinGrenzen,den nochhabendieBehördendieEvakuierungallerKinderunter14Jah renangeordnet,wieichhöre. 324

Di01.10.: Der HGSt tritt in Zossen unter Gen Franz Halder zu- sammen, um den Angriffsplan gegen die UdSSR für 1941 auszu- arbeiten. Do03.10.:FRKHitlerverläßtBerlinRichtungSüdenzueinemüber stürztanberaumtenKrisentreffenmitMussoliniamBrenner.Anlaßist dermitdenDeutschennichtabgestimmtebevorstehendeÜberfallIta liensaufGriechenlandunddienochnichtausgeräumteVerärgerung ItaliensüberdasAusbleibenderdeutschenGroßbritannienInvasion. Fr04.10.: Kurz vor Mittag. Krisentreffen von FRK Hitler und Du- ce Mussolini am Brenner. Mussolini und sein AM Ciano bemer- ken, daß von einer England-Invasion bei Hitler keine Rede mehr ist. Dies erfreut den auf Hitler eifersüchtigen Mussolini nach Cianos Beobachtungen sehr. „Selten habe ich den Duce in solch guter Laune gesehen“, notiert Ciano in seinem Tagebuch. VichyFrankreich beschließt Gesetze gegen die Juden, die denen Deutschlandsweitgehendentsprechen.Das statut des juifs richtetsich auchgegenjüdischeFlüchtlingeausanderenLändern,dieausnahms losdiefranzösischeStaatsangehörigkeitverlieren. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.04.10.: „MansprichthierauchhäufigvondemdeutschenPlaneinerOffensi vedurchdieTürkeiinRichtungNaherOsten.“ Sa05.10.: Die Presse berichtet über das Treffen am Brenner, ohne überdenInhaltderGesprächezuinformieren. WolfgangMenzel:Rezension Jud Süß , Jenaer Neue Zeitung v.05.10.: „Selbstentäußerung“ des Jud SüßDarstellers...„WennhiereinWerk auseinemGußentstandenist,sodeswegen,weilalleanihmBeteilig ten sich deshalb in höchste Zucht genommen haben und nur ihrer Aufgabe dienten... entscheidende Durchbruch zu dem filmischen Kunstwerkausns.Weltanschauung.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.05.10.: „Heutebeganndie5.WochevonDeutschlandsgroßerLuftoffensive gegenGroßbritannien.UnddieDeutschensindinhellerAufregung, weilsichdieBritennichtgeschlagengeben.SiekönnenihreWutauf Churchill nicht unterdrücken, weil dieser seinem Volk immer noch 325

Siegeshoffnungenmacht,anstattdieWaffenniederzulegenundsichzu ergeben, wie es alle bisherigen Gegner Hitlers taten. Die Deutschen könneneinVolkmitCharakterundMutnichtverstehen.“ So06.10.: IngeKarsten:Rezension Jud Süß , Badener Tagblatt v.06.10.: „Diese filmische Auseinandersetzung mit dem Judentum enthält mit bemerkenswerter Objektivität alle Argumente, die zur Judenfrage überhauptzustellensind.“ Mo07.10.:22.304.00Uhr.LuftalarminBerlin.DieBritenbombardie rendieStadtsehrintensivundtreffenGleisenördlichdesLehrterund StettinerBahnhofssowieeineSBahn,wobei15Menschensterben. Di08.10.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.08.10.: „Lunch mit dem griechischen Ges. Rangabe und seiner Frau... Der Diplomatsehrernst.ErsitztaufgepacktenKoffern,fürchtettäglich eine italienische Invasion und klammert sich an die schwache Hoff nung,HitlerwerdeGriechenlandretten,wegenwieersagt‘derBe wunderungderHerrlichkeitenAthens’durchdenFührer. ... Wenn der Durchschnittsberliner für 10 Pf sein Abendblatt kauft, dannsagterzudemZeitungsjungen:‘Für10PfVergeltungbitte.’Üb rigensistesinteressant,wiewenigLeutedieAbendzeitungenkaufen. ManfahreimstärkstenFeierabendverkehrmitderUBahnoderdem Bus.KaumeinervonzehnDeutschenliesteineZeitung.Wiesiedort nachdenklichundleidgeprüftsitzen,denkeich,wirdihnenallmählich klar,daßihreZeitungenwenigTatsachenenthalten...DieNachrichten im Rundfunk sind nicht besser, und ich habe schon mehr als einen Deutschenbeobachtet,dernachdenerstenMinutenmitdemBerliner Kraftausdruck‘Quatsch!’seinenApparatausdrehte.“ Sa12.10.:DeutscheMilitärmission,der„Lehrtruppen“folgen,trifft aufErsuchenvonStaatsführerGeneralIonAntonescuinRumänien ein.EshandeltsichumeineVorbereitungdesspäterengemeinsamen ÜberfallsaufdieUdSSR.ÜberdiesenSchrittistderitalienischeDuce 326

Mussolini,derselbsteinAugeaufRumänienhat,erbost,zumalFRK HitlerihmdavonbeimTreffenam04.10.mitkeinerSilbeetwasgesagt hat. FRKHitlerverschiebtdasUnternehmenSeelöweaufeventuellFrüh jahr oder Frühsommer 1941. Die Vorbereitungensollen„alleinzum Zwecke der Aufrechterhaltung politischen und militärischen Drucks aufEngland“fortgesetztwerden. Im Herbst errichtet die Gestapo zahlreiche jüdische Ghettos, u.a. Warschau(Mi16.10.),LublinundKrakau.AmEndesindesrund50 GroßGhettos.DiejüdischeBevölkerungWarschausbetrugursprüng lich 350000 Menschen, nahm aber durch den starken Zustrom von Flüchtlingenauf500000zu.1941starbenimWarschauerGhettomo natlich6000bis7000MenschenanSeuchen. Di15.10.: William Shirer, Berlin, Tgb. v. 15.10.: „Seit einiger Zeit höre ich aus Militärkreisen, daß Hitler sich auf den Einmarsch nach Spanien vorbereitet, um Gibraltar einzu- nehmen - ob das dem hilflosen Franco gefällt oder nicht ... Das Leben in der Schweiz wird hart in diesem Winter. Obwohl Tesssichernochdortbleibenwürde,hatsiesicheinverstandenerklärt, amEndediesesMonatsnachHausezufahren. IchwerdeihrimDezemberfolgen.Ichdenke,daßmeineMöglichkei tenhier[wegenderZensur]erschöpftsind.“ Di22.10.: Deportation von Juden aus Baden, Saarpfalz und Elsaß nach Vichy-Frankreich (bis Mi23.10.). Abkommen mit Rumänien über die RücksiedlungVolksdeutscherin dasReich. Mi23.10.: Nachmittag und Abend. Neunstündiges Treffen FRK Hitlers mit dem Caudillo Franco in Hendaye. Spanien versichert, es kämpfe an der Seite Deutschlands. Die Bereitschaft zum formellen Kriegseintritt erklärt Franco aber nicht. Vor allem lehnt er Hitlers Forderungab,am10.01.41Gibraltarzuerobern,mitderHilfeeiner deutschen Spezialeinheit. Franco lehntdieHilfenunabundbeharrt 327

auf einer angeblich geplanten spanischen Alleinaktion. Hitler droht zwischendurchmitdemAbbruchderGespräche. ProtokolldesGesprächsFRKHitlersmitFrancov.23.10.: „[Franco:]SpanienwardemdeutschenVolkstetsgeistigundinvölli gerLoyalitätverbunden.IngleicherWeisehatsichSpanienvonAn beginn der Achse verbundengefühlt...ImgegenwärtigenKriegwird SpanienfreudiganderSeiteDeutschlandskämpfen.“ WilliamShirer,Genf,Tgb.v.23.10.: „Heute am frühen Morgen haben Tess und Eileen einen Schweizer Busbestiegen,dersieineinerFahrtvonzweiTagenundzweiNäch ten durch das unbesetzte Frankreich nach Barcelona bringen wird. VondortfahrensiemitderEisenbahnnachMadridundweiternach Lissabon. Dann mit dem Schiff nach Hause. Es fahren keine Züge mehrdurchFrankreich...DiemeistenderPassagierewarendeutsche Juden,aufgeregtundängstlichfastbiszurHysterie,dasiebefürchten mußten,daßdieFranzosensieausdemBusholenundHimmlersFol terknechtenausliefernwürden;oderdaßdieSpaniersieanderGrenze zurückweisenwürden.[Diemeistenvonihnenwurdenanderspani schenGrenzezurückgewiesen.]WennsienachLissabondurchkämen, würdensiesichersein.“ Do24.10.:TreffenFRKHitlersmitVichyStChMlPétaininMon toire: Pétain lehnt den Kriegseintritt ab, sichert aber eine Unterstüt zung von Kriegsmaßnahmen gegen Großbritannien in einem Ge heimvertragzu. Im Oktober beginnt Thomas Mann seine monatlichen Rundfunkan sprachen(„DeutscheHörer!“)überBBCLondon. Fr25.10.: HermannWanderscheck:Rezension Die Rothschilds , Filmwelt v.25.10.: „Der deutsche Film Die Rothschilds entlarvt am Beispiel der Schlacht von Waterloo die rücksichtslose jüdische Gewaltnatur, aus dem ver gossenenBlutderVölkerRiesenprofiteundZinsenzuziehen.Einma liginderWeltgeschichteistdieseGeschichtevomgemeinenTaschen spielertrick [Taubenpost von Waterloo nach London: Rothschild tut so, als stehe esschlechtumdieAnleihenderalliiertenRegierungen] 328

Rothschild,dermitseinenlumpigenJobbernderLondonerBörseaus millionenfacherEhremillionenfachenProfitzog.Dastarbendiebes tenSoldatenEuropas,Niederländer,Preußen,rheinischeundbraun schweigischeMänneraufdemSchlachtfeldvonWaterlooundeine dritte Macht war es, die aus Blut Kapital schlug: der Bankier Roth schild.“ WilliamShirer,München,Tgb.v.25.10.: „AlleRestaurants,CafésundBierkellersindamAbendüberfüllt.Lau tergesundeundkräftigeBayern.Bemerke,daßnichteinermehrmit ‘HeilHitler’grüßt.“ Mo28.10.: Morgen. Ein italienisches Ultimatum an die griechi- sche Rg. Metaxas weist diese zurück, Italien greift - entgegen der Absprache mit Deutschland (!) und mit relativ schwachen Kräften - von Albanien aus Griechenland an . Mussolini rächt sich damit auch für die ohne Absprache begonnene deutsche „Militärmission“ in Rumänien. Vormittag.FRKHitlertrifftsichinFlorenzmitdemDuceMusso lini,läßtsichdieVerärgerungüberdieitalienischenSchrittnichtan merken. Abend. Die Presse berichtet groß über das Treffen in Florenz, aber mitkeinerZeileüberdieitalienischeGriechenlandInvasion. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.28.10.: „KeineeinzigeZeileüberItaliensInvasioninGriechenland.MeineIn formantenberichten,GoebbelshabeumeinpaarTageAufschubge beten. Er möchte die deutsche Öffentlichkeit erst auf dieNachricht vorbereiten.“ Di29.10.:DieBritenlandenimGegenzugzuritalienischenOffen siveaufKreta.DiefürDeutschlandwichtigenrumänischenÖlfelder vonPloiestigeratendamitinReichweitederRoyalAirForce(Entfer nung:1100km). WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.29.10.: „24StundennachdemitalienischenEinmarschinGriechenlandwird dem deutschen Volk die Nachricht von seinen Herrschern immer nochvorenthalten.KeineZeileindenMorgenbzw.Mittagsblättern... 329

IndenAbendausgabenwurdedemdeutschenVolkdieNachrichtnun serviert,inFormdesTextesdesheutigenitalienischenKriegskommu niqués.Daswaralles.DazugabesschändlicheLeitartikelinderhiesi genPresse,indenenGriechenlandbezichtigtwird,eshabedie‘neue Ordnung’nichtzurKenntnisnehmenwollenundsichgemeinsammit den Briten gegen Italien verschworen... die üblichen Goebbelsschen Fälschungen. Zum Beispiel die Meldung, daß die Griechen es nicht einmalfürnötigbefundenhätten,dasUltimatumzubeantworten.In Wahrheithabensiedasjedochgetan.Siehabeneszurückgewiesen. ...DeutscheMilitärkreise,schonimmergeringschätziggegenüberden Italienern, berichten mir, daß Mussolinis Legionen in Griechenland keinleichtesSpielhabenwerden.DasbergigeGeländeerlaubekaum motorisierteOperationen,dazuverfügtendieGriechenüberdiebeste Gebirgsartillerie Europas. Wie die Deutschen weiter sagen, ist Gen Metaxas,derMP,zusammenmiteinigenweiterengriechischenOffi ziereninPotsdamausgebildetworden.“ Do31.10.: Das Warschauer Ghetto wird für nichtjüdische Polen ge schlossen. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.31.10.: „Esheißt,derFührerseivonFrankreichaus,woerFrancoundPétain getroffen hatte (sehr beeindruckt von dem französischen Marschall, dochnichtvonFranco,sagendieParteibonzen),eilignachFlorenzge flogen,umMussolinidavonabzuhalten,nachGriechenlandeinzumar schieren. Er kam vier Stunden zu spät... Aus zwei Gründen will er [Hitler]dortkeinenKrieg:erstenswürdeerdieschonjetztmangelhaf tenTransportmöglichkeiten,mitdenenNahrungsmittelundRohstoffe vomBalkannachDeutschlandgelangen,völligzumErliegenbringen; und zweitens würde er eine weitere Aufsplitterung der Streitkräfte nachsichziehen.SchonjetztmußdiedeutscheArmeeeineLiniehal ten, die sich im Westen über mehr als 1000 Meilen von Narvik bis Hendayeerstreckt.DazukommtimOstendielangeGrenzezuRuß land, wo Hitler wenigstens 35 Div.undeineganzeLuftflottestatio nierthat... [AnalysederGründefürdasAusbleibenderEnglandInvasion]... ImVerlaufdesJulihattendieDeutschenaufKanälen,Flüssenundin allengroßenHäfenentlangderfranzösischen,belgischenundhollän 330

dischenKüstedamitbegonnen,LandefahrzeugeundPontonbootezu sammenzuziehen. In Bremen, Hamburg, Kiel sowie verschiedenen HäfenDänemarkswurdenSchiffefürdenTransportvonTruppenbe reitgestellt.ÜberallimReicharbeitetendieRüstungsfabrikenanklei nen,gepanzertenPontonmotorschiffen,dieeinenPanzer,einschwe res Geschütz oder eine Abteilung Soldaten über den Kanal bringen konnten,allerdingsnurbeiruhigerSee.Ichhabeam16.08.beiCalais undBoulogneeinigedieserkleinenSchiffegesehen.“(S515525) Di05.11.: US-Präs. Roosevelt gewinnt zum 3. Mal die Präsident- schaftswahl. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.05.11.: „GingheuteabendzueinemKonzertderBerlinerPhilharmoniker... Danach spielte ich im HotelzimmeraufmeinemAkkordeon...,doch derMannimNebenraumschienmeineAnstrengungennichtzumö gen und beendete sie mit lauter Stimme und kräftigem Klopfen... WahrscheinlichgehörtmeinNachbarzujenenIndustriellenausdem Rheinland, die ihre Besuche in Berlin etwas ausdehnen, um endlich wieder einige Nächte durchschlafen zu können nachdem die RAF jetztjedeNachtüberdemwestdeutschenRaumauftaucht.DasHotel istvollvonsolchenLeuten,undsiegehenmiraufdieNerven.“ Mi06.11.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.06.11.: „Roosevelt ist für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden! Eine schallendeOhrfeigefürHitler,RibbentropunddasganzeNaziregime. Siehatteninständiggehofft,daßderRepublikanergewinnenwürde,da Willkie scharf gegen Roosevelts Versprechen zu Felde gezogen war, mitzuarbeitenamSiegGroßbritanniens.Nazibonzenmachenimklei nenKreiskeinenHehlausihrerEnttäuschung,obwohlGoebbelsdie Presseangewiesenhat,dieWahlgänzlichzuignorieren... MindestensdreiBeamtederWilhelmstraßehabenmichindervergan genen Woche aufgeregt angerufen und gefragt, ob man der Gallup UmfragekurzvorderWahltrauenkönne.SiehattengeradeausWa shington erfahren, daß nach Gallup die Chancen für Willkie 50:50 standen.DieseNachrichtmachtesieäußerstglücklich. 331

Weil Roosevelt eine der wenigen wirklichen Führerpersönlichkeiten darstellt, die die Demokraten seit dem 1. Weltkrieg hervorgebracht haben(mansehesichFrankreichan;desgleichenGroßbritannienvor Churchill!),undweilerhartseinkann,hatHitlervorihmstetsgroße Achtung, ja sogar eine gewisse Furcht empfunden. (Er achtet auch StalinwegendessenHärte.)... DochnunsehensichdieNazisfürweiterevierJahremitRoosevelt konfrontiertdemMann,vondemHitlermehrfachgeäußerthat,daß er stärker als irgendein anderer Faktor in diesem Krieg für dieAuf rechterhaltung des britischen Widerstands verantwortlich zu machen seimitAusnahmevonWinstonChurchill.“ Fr08.11.:17Uhr.FRKHitlerhälteineAnsprachezum17.Jahrestag seines bayerischen Putschversuchs – erstmals im Münchner Löwen bräukeller. Spätabends. Die britische RAF greift zum HitlerputschJahrestag MünchenmitdenbisherschwerstenLuftangriffenan. Sa09.11.:Abend.DieRRgkündigtfürden12.11.denBesuchdessow jetischenAKomMolotovan. Der Film v.09.11.: GroßerErfolgdes Jud Süß imSoldatenkinoLuxemburg„auchbeije nen deutschen Männern, die hinausgezogen sind, den jüdisch plutokratischenKriegshetzerndierichtigeAntwortzuerteilen“. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.09.11.: „HiereinigeWitze,diemansichdieserTageinBerlinerzählt. DerChefdesBerlinerLuftschutzeshatderBevölkerungjüngstemp fohlen,sehrfrühzuBettzugehen,umnochvorBeginnderAngriffe zu zwei oder drei Stunden Schlaf zu kommen. Einige befolgen den Rat,diemeistennicht.WernunspätabendsnachBeginndesAlarms inseinemKellerauftauchtunddieNachbarnmit‘GutenMorgen’be grüßt,derhatschongeschlafen.Wermit‘GutenAbend’erscheint,hat nochnichtgeschlafen.Kommtabereinerundgrüßtmit‘HeilHitler’ derhatdieganzeZeitverschlafen. IneinemFlugzeugHitler,GöringundGoebbels.Plötzlichfallenbeide Motorenaus,dieMaschinestürztab...Frage:Werwirddabeigerettet? Antwort:dasdeutscheVolk... 332

...Er[derMolotovBesuch]kanndabeihelfen,dieSchlappederWahl Rooseveltsauszubügeln(dasdeutscheVolkbekommtallmählichmit, daßdaskeineguteNachrichtfürHitlerwar)unddasgesunkeneAn sehen der Achse wieder aufzubessern, das hauptsächlich unter dem bisherigenMißerfolgderItalienerinGriechenlandzuleidenhat.“ Mo11.11.: Botsch. von Stohrer telegrafiert aus Madrid nach Berlin: SpanienhatdasgemeinsameGeheimprotokollübereinenKriegsein trittunddengemeinsamenÜberfallaufGibraltarunterzeichnet. Britische Trägerflugzeuge bombardieren heute und morgen die in Tarent ankernde italienische Flotte und schwächen sie ent- scheidend. Von Tarent aus gehen italienische Geleitzüge nach Benghasi. Die Presse übergeht USPräs. Roosevelts Rede zum Waffenstill standstag1918. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.11.11.: „Wir bringen unseren Leuten von New York bis Kalifornien jedes Wort Hitlers ins Haus, aber umgekehrt darf dasdeutscheVolkkein einziges Wort von Roosevelt kennenlernen. Das ist eine der Schwä chenderDemokratie,meineich,obwohlmancheglauben,esseigera deihreStärke.“ Di12.11.: FRK Hitler erteilt die WeM-Weisung Nr. 18 zu den ge- planten Angriffen auf Griechenland, Gibraltar und Portugal („Unternehmen Marita“, „Unternehmen Felix“, „Unternehmen Isabella“), da sich infolge der italienischen Niederlagen in Grie- chenland eine britische Balkanfront und eine fast totale Beherr- schung des Mittelmeers durch die Briten anbahnen. Als Datum für „Felix“ und (falls die Briten in Portugal eingreifen) „Isabel- la“ legt Hitler den 10.01.41 fest. Beginn des Besuchs des sowjetischen AM Molotov in Berlin (bis Do14.11.), der ohne Ergebnis bleibt. Diskutiert wird der von der UdSSR erstrebte Beitritt zum Dreimächtepakt, in dem Moskau ein wirksamesBündnisgegendieUSAundGroßbritannienerblickt.Die UdSSR kritisiert die Anwesenheit deutscher Truppen in Rumänien und Finnland. Deutschland bietet der UdSSR Teile des britischen 333

Empire an. Die Verhandlungen müssen wegen britischer Bom berangriffeteilweiseindenLuftschutzbunkerderRKverlegtwerden. FRKHitler,WeisungNr.18andieWeMv.12.11.: „DasZielderdeutschenInterventionaufderiberischenHalbinselbe steht in der Vertreibung der Briten aus dem westlichen Mittelmeer raum.ZudiesemZweckwirdGibraltareingenommenunddieStraße von Gibraltar abgeriegelt... Der Angriff auf Gibraltar erfolgt durch deutscheTruppen.SolltendieBriteninPortugalFußfassen,sosind unsereTruppenaufdenEinmarschindasLandvorzubereiten.Eine spanische Unterstützung beim Abriegeln der Straße von Gibraltar nachEinnahmederFestungwird,wennnötig,angefordert.“ ProtokolldesGesprächsvonFRKHitlerundAMMolotovv.12.11.: „DanachsprachMolotovüberdieWichtigkeitdesDreimächtepakts, überdieBedeutungderNeurordnungEuropasundAsiensunddar über,inwelcherBeziehungdieUdSSRsichdaranbeteiligenkönnte. FragenbetreffsderrussischenInteressenaufdemBalkanundinder Schwarzmeerregion müßten dazu geklärt werden. Bezüglich Rumä niens,BulgariensundderTürkeiseiesfürdierussischeRg.leichter, einebestimmtePositionzubeziehen,wennsiedazudenStandpunkt derdreiMächteerläutertbekäme.Rußlandseisehrinteressiert,Ein zelheitendergeplantenNeuordnungzuerfahren,besonders,wasdas TempounddieinsAugegefaßteFormbetrifft.Eswürdeauchgern einenEindruckvonderNeurordnunginAsiengewinnenwollen. Hitlererwiderte,daßderDreimächtepaktdieAngelegenheiteninEu ropaentsprechenddennatürlichenInteressendereuropäischenStaa tenregelnwerdeunddaßDeutschlanddieSowjetunionvorendgülti gen Festlegungen konsultieren werde. Dies gelteauchfürAsien,wo Rußlanddirekteinbezogenwerdenwürde.Hitlerhältesfürmöglich, imZusammenwirkenmitderSowjetuniondieSchwarzmeer,Balkan und Türkeifrage anzufassen. Die Schwierigkeit des Ganzen bestehe darin, jeglichen Versuch Amerikas zurDominanzinEuropazuver hindern. Molotovsagte,erbefindesichinvollerÜbereinstimmungmitHitlers BemerkungenzurRollederUSAundEnglands.Erglaube,Rußland könnesichamDreimächtepaktunterderBedingungbeteiligen,daßes alsPartneraufgenommenwerde.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.12.11.: 334

„Molotovisteingetroffen...DieDeutschenredenwortreichdarüber, MoskauseinenaltenrussischenTraumdenBosporusunddieDar danellenzuüberlassen,währendsiesichdenRestdesBalkansein verleibenwollen:Rumänien,JugoslawienundBulgarien.WenndieIta liener sich Griechenland aneignen (was allmählich zweifelhaft er scheint),dannstehtdemnichtsimWege. ...meistensmußichdeutschenPfeifentabakrauchen.SeiteinigerZeit schonschmeckterzumAbgewöhnen.“ Mi13.11.:Abend.RAMRibbentropundBVJPGöringgebeninBerlin einStaatsbankettzuEhrenvonAKomMolotov. Do14.11.:Abend.AKomMolotovgibtindersowjetischenBotsch.in BerlineinenEmpfang. WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.14.11.: „StattdessenkamendieBritenerstheuteabendihreerstenMaschi nentauchtenkurzvor9auf,währendMolotovdieDeutscheninder Sowjetbotsch.empfing.Wiewirhörten,weigertesichMolotov,inden Kellerzugehen,undbeobachtetedasFeuerwerkvoneinemverdun kelten Fenster aus.DieBritenwarensorgsambemüht,denUmkreis derBotsch.zuverschonen. DemdeutschenRundfunkundder Warschauer Zeitung zufolgehatMr HoovershiesigeramerikanischerRepräsentantseineGlückwünschean Dr. Frank übermittelt, den schlauen kleinen NaziGouverneur von Polen, anläßlich seines einjährigen Jubiläums im Amt. Er gratuliert ihmdazu,waserallesfürdiePolengetanhat! MeineInformationenbesagen,daßdiePolenalsVolknichtmehrexis tierenwerden,wennDr.FrankundseineNazischergenihreAktionen beendethaben.NatürlichkönnensienichtdieganzeBevölkerungtö ten,abersiekönnensieversklaven.“ Fr15.11.:DieGestaporiegeltdasGhettoWarschauhermetischgegen Fluchtwilligeab. Der Jud Süß ErlaßvonRFSSHimmlerv.30.09.erscheintnunauchof fiziell im Ministerialblatt des Reichs und Preußischen Ministeriums desInnern1940IIS.2116b. 335

Heinrich Himmler, RdErl. d RFSS u ChdDtPol. v. 15.11.1940O KdoWE(2)Nr.275/40: „Ichwünsche,daßalleAngehörigenderdeutschenPol.imLaufedes Winters den Film„JudSüß“zusehenbekommen,undordnedaher folgendesan: 1. Die staatl. Pol.Verw. vereinbaren mit den örtlichen Film TheaterbesitzernSondervorstellungenfürdiejenigenAngehörigender Ordnungs und , die den Film noch nicht gesehen haben. 2.DenGendarmen,diedenFilmnichtkennen,isterwährendeiner Kreisdienstversammlung vorzuführen. Die Vereinbarungen mit den FilmtheaterbesitzernhatderKommandeurderGend.zutreffen.Die AngehörigenderSicherheitspolizeisindbeidiesenVeranstaltungenzu beteiligen. 3.FürdieSchutzpol.derGemeinden,fürdieFeuerschutzpol.undfür die Angehörigen der Freiw. Feuerwehren kann von den Gemeinden diegleicheRegelungwieunterZiff.1oder2getroffenwerden.Falls dieZahlderBeamtenfüreineSondervorstellungnichtausreicht,sind mitderGend.gemeinsameVeranstaltungendurchzuführen. 4.MitdenDienststellenderSSistwegenderTeilnahmevonAngehö rigenderSSandenVeranstaltungenderPol.Fühlungaufzunehmen. 5.DieAngehörigenderOrdnungsundSicherheitspol.,diedieSon dervorführung besuchen, haben den Eintrittspreis, der bei den Son derveranstaltungenvondenFilmtheaterbesitzernentsprechendzuer mäßigenist,selbstzuzahlen. 6. Die Familienangehörigen können an den Veranstaltungenteilneh men.“ Mi20.11.(BußundBettag): WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.20.11.: „Ich ging zu einem Konzert bei Kerzenschein im Charlottenburger SchloßundhörteeinStreichquartettsehranständigBachspielen...“ Do21.11..DieeinheitlicheDeutscheWochenschauerscheinterstmals aufdenLeinwändenderKinos. Sa23.11.: 336

WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.23.11.: „Ich war gerade bei dem Diplomaten G. zu einem ausgezeichneten Dinner und interessanten Tischgesprächen, als mich gegen ¾ 9 der DieneransTelefonbat.EinMädchenvomRundfunkwaramAppa rat,ummirmitzuteilen,daßdiebritischenBomberinetwa10Minuten zuerwartenseien... AusParteikreisenhöreich,daßJuliusStreicher,dersadistischeJuden fresser,ZarvonFrankenundberüchtigteHerausgeberdesantisemiti schen Wochenblatts Der Stürmer, auf Befehl Hitlers festgenommen worden ist... Er sei wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten verhaftet worden,sagtman.WennHitlerdiesenDingenjetztwirklichnachge henwill,wirdereinigeszuuntersuchenhaben.ZumBeispieldieFra ge,wieeswohlmöglichwar,daßsovieleParteiführergroßeLandsitze undsogarSchlössererwerbenkonnten.“ Mo25.11.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.25.11.: „Ich bin schließlich derSachemitdem‘Gnadentod’aufdenGrund gekommen.EsisteineteuflischeGeschichte. MitWissenundZustimmungderdeutschenRg.istdieGestapodabei, systematischallegeistiggeschädigtenMenschenimReichumzubrin gen. Wie viele bis jetzt getötet wurden, wissen wahrscheinlich nur Himmler und eine Handvoll Nazibonzen genau. Ein konservativer und vertrauenswürdiger Deutscher sagt mir, er schätzt die Zahl auf etwa100000.Daserscheintmirzuhoch...“(S534539) Mi27.11.: WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.27.11.: „VieleGeschichtenüberwachsendeSabotageinHolland.DieDeut schentobenangesichtsdergroßenZahlihrerMännervonderWeM undderPolizei,diedesNachtsnachHandgemengenindiezahllosen holländischenKanälegestürztwerdenundertrinken.“ Do28.11.: Die Reichspropagandaleitung der NSDAP zeigt in einer Festaufführung (Premiere) imBerlinerUFAPalastamZooum16Uhr und18.30UhrzweiFassungenvon Der ewige Jude (RFritzHippler). SDBerichtüberdieReaktionenaufdenFilm Jud Süß v.28.11.: 337

„DasUrteilübereinenFilmistseltensoeinheitlichgewesenwiebei demFilm Jud Süß ,derzwarinderrealistischenDarstellungabscheuer regender Episoden ungewöhnlich weit gehe, dabei aber künstlerisch vollaufüberzeugendgestaltetundvoneinerSpannungsei,‘dieeinen nichtlosläßt’.WiesichderFilmalsganzesstimmungsmäßigauswirke, kommeinderspontanenÄußerungzumAusdruck:‘Manmöchtesich dieHändewaschen.’“DaßderFilmfürdieJugendfreigegebenwar, fand allerdings nicht ungeteilten Beifall. Aus verschiedenen Städten wurde gemeldet, daß „Eltern und Erzieherkreise“ sich „fast durch weg“gegendieVorführungdesFilmsvorJugendlichenaussprachen, undzwar„mitRücksichtaufseineaußerordentlichstarkepsychologi sche Nachwirkung“... „Unter den Szenen, die von der Bevölkerung besondersbeachtetwerden,wirdaußerderVergewaltigungsszene der Einzug der Juden mit Sack und Pack in die Stadt Stuttgart ge nannt.ImAnschlußgeradeandieseSzenenisteswiederholtwährend der Vorführung des Filmes zu offenen Demonstrationen gegen das Judentumgekommen.Sokamesz.B.inBerlinzuAusrufenwie‘Ver treibtdieJudenvomKurfürstendamm!RausmitdenletztenJudenaus Deutschland!“...„NachbisherbeobachtetenStellungnahmenüberwie gedieAnsicht,daßderHerzogfastebensoverdammungswürdigwie derJudSüßseiunddaßseinTodseinegerechteStrafesei,dieleider etwas früh komme, so daß er über die notwendige Einstellung zum JudSüßundzumJudentumüberhauptnichtmehrhabebekehrtwer denkönnen.“ Fr29.11.: Der ewige Jude wirdin66BerlinerKinosgestartet. eil: Der ewige Jude .EinUnKulturfilm, Der Angriff v.29.11.: „WereinenSaustallausmistet,derkannnichtverlangen,daßihneine Wolke von Ambra und ähnlichen Wohlgerüchenumschwebt...Mein ersterGangnachdemVerlassenderGhettosführtemichzurEntlau sungsanstalt.AuchdaswarmireinSymbol.WerdemRattenvolkder Judenzunahekommt,derinfiziertsich.“...„AusunzähligenKanälen floßGiftindasdeutscheVolk,dasdadurchparalysiertwerdensollte, umschließlichderjüdischenSpinnevollkommenausgeliefertzusein.“ Sa30.11.: FritzHippler: Der ewige Jude , Der Film Nr.48v.30.11.: 338

Hipplerberichtet,daßHarlansichdasfürden Ewigen Juden gedrehte Material„mehrfachansah,auchauchKraußhieranintensiveStudien fürdieGestaltungseinerJudenrollebetrieb“.UmmöglichenEinwän denwie„JetztschonwiedereinFilmüberdasJudenproblem!“zube gegnen,betontHippler,dasJudenproblemwerdeerstdanninaktuell, „wenn der letzte Jude das völkische und staatliche Gefüge aller anderen nichtjüdischen Nationen der Erde verlassen hat “.Daß anFilmenüberdiesesThemaInteressebestehe,seianden„unglaubli chenKassenerfolgen“von Die Rothschilds und Jud Süß abzulesen.Die Spielfilmehättenaber„beigrößterKunstundbeiallerinnerenWahr heitebendochdasUnmittelbarederWirklichkeitvermissenlassen“. „EineunmittelbareWirklichkeitswirkungzuerzielen,istnurdemDu kumentarfilmgegeben:undumeinensolchenhandeltessichbeidem Film‘DerewigeJude’. Hier werden Juden nicht dargestellt, sondern sie zeigen sich selbst, wie sie sind: kein einziges Bild ist hier gestellt, kein Jude etwa zu einer besonderen Handlung oder Stellung gezwungen worden. “ Die Kameratrupps hätten die Atmosphäre in den polnischen Städten „noch vor Wirk samwerden deutscher Verwaltungsmaßnahmen“ eingefangen. Nach dem„überwältigendendeutschenSieg“seiendieJudenbemühtgewe sen,vorderKamera„rechtsympathischundentgegenkommend“zu wirken.„Wennman...nundieBilderdesFilmsaufsichwirkenläßt, wirdmanzugebenmüssen,daßauchdiegehässigstenKarikaturenund Darstellungen an negativer Wirkung weit hinter dem zurückbleiben, was uns die Wirklichkeit zeigt. Jeder, der diese Bilder bereits zu be trachten Gelegenheit hatte, sagt dasselbe: eine Symphonie des Ekels unddesGrauens.“DasGhettoerscheineals„eineeinzigeApotheose derDunkelheitdesSchmutzes,derVerkommenheitunddesbrüten denUntermenschentums“...„...derharmloseZeitgenossenimmtnun einmaldieMenschen,mitdenenerzutunhat,so,wiesiesind;under wirdvoneinemJuden,derschonJahreundJahrzehnteineinereuro päischenGroßstadtwohnt,lediglichfeststellen,daßereinendurchaus zivilisiertenundnormalenEindruckmacht.Wieandersaber,wenner gleichzeitigdasBildvorAugenhabenwürde,dasderJudevoroder währendseinerEinwanderunggebotenhätte.DieGegenüberstellung dieserKontrastehabeichmirnunbesondersangelegenseinlassen... WirhabenunsbesondersmarkanteTypenvonGhettoJudenheraus gesuchtundsiefilmischsoporträtiert,wiesieimGhettoherumzulau 339

fenpflegen:mitPaiesundVollbart,KappeundKaftan;dannhaben wirsiegeschorenundrasiert,sieineuropäischeAnzügegestecktund dannwiederinderselbenArtaufgenommendergestalt,daßdiesesBild aus dem ersten herausblendet, und siehe da, der GhettoJude war nicht wiederzuerkennen, wenngleich auch die zweite Erscheinungs formnichtgeradebesondersanziehendaussieht.“ ErnstJerosch:Rezension Der ewige Jude , Der Film v.30.11.: ...Musik, „die sich häufig an orientalischen Rhythmen anlehnt und durchihreUntermalungdenEindruckdesFremdrassigenundgeistig Fremdennochunterstreicht.“ HansHohenstein:AhasverohneMaske, VB v.30.11.: Die Szenenfolge am Ende von Der ewige Jude sollte „durch ihre edle Größe und ihre heldischen Gestalten wieder versöhnen mit all dem GräßlichenunddemUnmenschlichen,dasunseineStundelangaus derWeltdesJudentumsentgegentrat...AberistdenneinFilm,derso viel Unfaßbares, FremdesundGrausamesenthält,überhauptfürdie Öffentlichkeittragbar?Ja,wirhabendenMut,derWirklichkeitoffen ins Auge zu sehen, weil allein die Wirklichkeit uns unser politisches Zielweist.UnddiesespolitischeZielwarundbleibtdieLehredesNS, diedasjahrtausendealteSchmarotzertumdesJudentumsinDeutsch landüberwundenhatundnunimBegriffsteht,esdurchdiesenKrieg inEuropaundinderganzenWeltzubezwingen.“ So01.12.: RobertVolz: Der ewige Jude /EinFilmdokumentvomwahrenGesicht derjüdischenRasse, Der deutsche Film v.Dez.: „DerAusklangistwieeineRückkehransLicht.DeutscheMenschen, deutschesLebenumgibtunswieder.WirkommenwieausweiterFer ne,undwirempfindendenAbstand,derunsvomJudentrennt,mit einemkörperlichenSchauer.“ AbDezemberwerdendieJudenauchindenNiederlandenausdem öffentlichenLebenverbannt. Di03.12.: Joseph Goebbels, Berlin, Tgb. v. 04./03.12.: 340

„Unser Angriff auf Gibraltar soll in etwa 3 Wochen losgehen. Große Truppenteile stehen schon in Spanien bereit. Die Italie- ner dagegen erleiden seitens der Griechen eine Schlappe nach der anderen.“ WilliamShirer,Berlin,Tgb.v.03.12.: „EineReihevonAbschiedsparties...EinBeamterdesAA,höflicher alssonst,hatteschontiefinsGlasgeschaut,alsermirerklärte,erhätte mirschonlangeZeitetwasBestimmteszeigenwollen.Worauferei nenAusweishervorholte,derihnalsMitarbeiterderGestapo[SD?!] legitimierte!Ichmußsagen,daßichbeiihmdiesenVerdachtniehatte, obwohl ich weiß, daß verschiedene seiner Kollegen Gestapospitzel sind. ...HiergehtdasGerüchtum,HitlerwerdeFrankreicheineArtzeit weiligerFriedensvereinbarunganbietenundLavalinVichyalsseinen Statthaltereinsetzen,womitPétainzurreinenGalionsfigurwürde.Im GegenzugsollFrankreichderAchsebeitretenundamKampfgegen Großbritannienteilnehmen.“ Do05.12.: ChGSt/Heer Gen Franz Halder unterbreitet FRK Hit- ler die Pläne für den UdSSR-Feldzug (Unternehmen Barbaros- sa ). Der CBSKorrespondent William Shirer verläßt Berlin in Richtung seinerHeimatUSA. Sa07.12.: Spaniens StCh Franco lehnt gegenüber Botsch. von Stohrer und ChAbw/OKW Adm Canaris trotz weiteren heftigen Drängens, das auf die deutsch-spanische Besetzung Gibraltars zielt, den Kriegseintritt endgültig ab. Franco folgt dem Rat sei- nes Schwagers und IM Serrano Suñer. Das Unternehmen Felix, die Besetzung Gibraltars durch Deutsche und Spanier, ist damit gescheitert. Do12.12.: Botsch. von Stohrer berichtet mit Bestürzung aus Madrid nach Berlin, StCh Franco habe ihn davon in Kenntnis gesetzt, daß es „für Spanien unmöglich ist, zum vorgesehenen Zeitpunkt [10.01.41] in den Krieg einzutreten“. Als Gründe nennt Franco: „Fortgesetzte Bedrohung durch die britische Marine, 341

Verzögerung des Abschlusses der militärischen Vorbereitungen Spaniens sowie die absolut unzureichende Ausrüstung Spa- niens“. Ferner habe sich Franco darüber beklagt, daß nicht nur die von Berlin zugesagten Lebensmittel- und Benzinlieferungen ausgeblieben seien, sondern FRK Hitler auch niemals konkret zu den Gebietsforderungen Spaniens in Afrika Stellung genom- men habe. Das AA entscheidet, daß bei den Judenverhaftungen im besetzten FrankreichauchdieJudenderfremdendiplomatischenVertretungen betroffenseinwürden,jedochnurdieAngestellten,nichtdieAngehö rigendesDiplomatischenKorps. LSRademacherundJüngling,Aktennotizv.12.12.40: „VoreinigerZeitliefbeiunsdieAnfragedurch,obvondenJuden maßnahmenimbesetztenFrankreichauchdieJudenderfremdendip lomatischenVertretungenbetroffenwürden.AufunsereAnfragehat Botsch. [Otto] Abetz geantwortet, soweit die Juden dem Diplomati schenKorpsangehörten,nicht,soweitsieAngestelltederVertretun gen wären, ja. Mit dieser Regelung hat sich in der Direktorenkonfe renzStSWeizsäckereinverstandenerklärt,zumaldiebetroffenenDip lomatischen Vertretungen nicht beim Deutschen Reich, sondern bei Frankreichakkreditiertwären[!].“ Fr13.12.:AdmFrancoisDarlanlöstPMLavalab,dervonderVichy Rg. vorübergehend inhaftiert und auf Druck Deutschlands wieder freigelassenwird.

Mi18.12.: FRK Hitler erteilt der WeM die Weisung Nr. 21 für den Überfall auf die UdSSR („Fall Barbarossa“) : „Die deutsche muß darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrußland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen...Vorbereitungen,dieeinelängereAnlaufzeitbenöti gen,sindsoweitnichtgeschehenschonjetztinAngriffzunehmen und bis zum 15. Mai 1941 abzuschließen... Entscheidender Wert ist daraufzulegen,daßdieAbsichteinesAngriffsnichterkennbarwird.“ JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.19./18.12.: „Unternehmen Felix (Gibraltar) vorläufig abgeblasen. Franco zieht nichtrichtig.Erkannwohlauchnicht.KeinFormat.Unddieinneren 342

VerhältnisseinSpaniensinddochallesanderealserfreulich.Daßwir Gibraltarnichthaben,isteineschwereWunde.“ UmdieJahreswendeläuftindenniederländischenKinos Jud Süß an. Mo30.12.: U „Wunschkonzert“ [26,5 Mio Kinobesucher bis Kriegsende, zweiterfolgreichsterdeutscherFilmimDrittenReichnach„Diegroße Liebe“(1942)]PCineAllianzTonfilm/UfaREduardvonBorsodyB FelixLützkendorfEduardvonBorsodyKFranzWeihmayrGünther AndersCarlDrewsDIlseWerner(IngeWagner)CarlRaddatz(Her bertKoch,Fliegerleutnant)JoachimBrennecke(HelmutWinkler)Ida Wüst(FrauEichhorn)HedwigBleibtreu(FrauWagner) Di31.12.:DieWaffenSShateineStärkevon150000Mann. 343

1941 Mi01.01.:FRKHitlerkündigtinseinerNeujahrsbotschaftdenDeut schenfürdasnunkommendeJahrdie„ Vollendung desgrößtenSie ges unserer Geschichte“ an. Viele Deutsche glauben, daß damit ein Ende des derzeit allein gegen Großbritannien geführten Kriegs ge meintist. Fr11.01.: Die deutsche Besatzungsmacht führt in den Niederlanden eineMeldepflichtfürJudenund„JüdischVersippte“ein. Mo20.01.: SDMeldungausdemReichüber Der ewige Jude v.20.01.: „Übereinstimmend wird z.B. aus Innsbruck, Dortmund, Aachen, Karlsruhe, Neustadt/Weinstraße, Bielefeld, Frankfurt/Main und Münchenberichtet,daßoftnurderpolitischaktivereTeilderBevöl kerung den Dokumentarfilm besucht habe, während das typische Filmpublikum ihn teilweise mied und örtlich eine Mundpropaganda gegendenFilmundseinestarkrealistischeDarstellungdesJudentums getriebenwurde.DieWiderlichkeitdesDargestelltenansichundvor allem die Schächtszenen seien dementsprechend immer wieder als HauptgrundgegendenBesuchdesFilmesgesprächsweisezumAus druck gekommen. Der Film sei wiederholt als eine außerordentliche ‘Nervenbelastung’ bezeichnet worden (Neustadt/Weinstraße)... Nach MeldungenausWestdeutschlandundauchausBreslauhabeneinzelne Besucher des öfteren während der Vorführung die Lichtspielhäuser angewidertverlassen.DabeiseienÄußerungenwie‘Wirhaben Jud Süß gesehen und haben nun genug von dem jüdischen Dreck!’ gefallen. Vereinzelt seien Frauen und auch Männer jüngeren Alters während derVorführungderSchächtszenenohnmächtiggeworden.Häufigsei geäußertworden, Jud Süß habedasJudentumbereitssoüberzeugend dargestellt,daßesdieserneuen,nochkrasserenBeweismittelindem unmittelbardanachaufgeführtenDokumentarfilmnichtmehrbedurft habe.“ Das Publikum habe bei der HitlerRede [v. 30.01.39!] „gera dezubefreitundbegeistert“applaudiert. 344

Mi22.01.: Die Eiserne Garde der rumänischen Nationalsozialisten richtetineinerzweitägigenAktioneinerstesGroßgemetzelunterJu denan. Mo27.01.: SDMeldungausdemReichv.27.01.über Bismarck : „GanzbesondereBeachtungfindennachdemvorliegendenBerichts materialdieParlamentsszenen(‘nurgut,daßwirheutekeinederarti genQuasselbudenmehrinDeutschlandhaben!’)unddiejenigenAb schnittedesFilms,indenendasRingenBismarcksdargestelltwird.“ Den Gesprächen sei zu entnehmen,„daßgeradeauchdiehistorisch Ungeschulten den Kampf Bismarcks...in Parallele setzten zum Eini gungswerkdesFührers“. Mi29.01.:StSFranzSchlegelbergerlöstdenverstorbenenRJMGürt nerkommissarischab. Do30.01.: FRK Hitler wiederholt in einer Rede seine Vernichtungs drohunggegendieJudenvom30.01.39. Sa01.02.: AnfangFebruarsinddieitalienischenTruppenvonGriechenlandzum Rückzug gezwungen worden und habeneinDrittelAlbaniensverlo ren. ImFebruarkommteszuSolidaritätsstreiksderniederländischenAr beiter mit den Juden und zu Straßenschlachten zwischen jüdischen JugendlichenundniederländischenNationalsozialisten. Im Februar wird das Deutsche Afrikakorps unter General Erwin Rommelgebildet. Mo03.02.: FRK Hitler spricht vor der WeMGeneralität über den UdSSRFeldzug:„WennBarbarossabeginnt,dannwirddieWeltden AtemanhaltenundkeineBemerkungdazumachen.“Hitlerweistden Einsatz der für Gibraltar vorgesehenen Flugzeuge, Geschütze und Truppen„beimneuenUnternehmenimOsten“an. 345

Do06.02.:FRKHitlerrichteteinSchreibenandenspanischenCaudil loFrancoundmahntdochnochzurBesetzungGibraltars:Jetztwird „dieZeitknapp,wirhabenschoneinenMonatverloren“.DieAchse hateinegroßeGelegenheitverpaßt,unddies„aufgrundIhrerWeige rung,am10.JanuarwievorgesehenindenKriegeinzutreten...Wenn wirnichtsiegen,dannwirdesnichtlängereinnationalistischesSpa niengeben“. „FilmKurier“v.06.02.: BeiderPremierevon‘JudSüß’inkames„zueinersponta nenKundgebung[gegendieJuden],indemdasbegeistertePublikum inlauteRufe:‘Hinausmiteuch!’ausbrach“. Mi26.02.:FrancoakzeptiertinseinerAntwortaufFRKHitlersSchrei benv.06.02.diegemachtenVorwürfe,findetabernur„warmeWor te“:„IchmöchtejedenSchatteneinesZweifelsausräumenunderklä ren,daßichheuteanIhrerSeitestehe,entschlossenundvölligzuIh rerVerfügung,vereintmitIhneningemeinsamerhistorischerMission, vorderzufliehenmeinenSelbstmordbedeutenwürdeunddasEnde derAufgabe,dieichinSpanienverkörpere“. EndeFebruarläuftindendänischenKinos Jud Süß (dän.sync.)an. EndeFebruarwirdindenNiederlandendergewaltsameWiderstand gegen die Deportation von Juden gebrochen, die Deportationen be ginnen. Fr28.02.: N.N.:Rezension Jud Süß , Kristeligt Dagblad (Kopenhagen)v.28.02.: „ImoffenenGegensatzzuderoffiziellerklärtenIdeedesFilmesund mitdem,wasjedermannsieht,wennermitAugenimKopfinsThea terkommt,verkündetdraußeneinAnschlag,daßderFilmkeinePro pagandagegendieJudenenthielte...Esistgut,daßdergrößteTeilder Fremden,diedieVorstellunginKopenhagenbesuchen,kaumunsere Spracheversteht,sonstkönntensieeinentraurigenEindruckvondä nischemGebräubekommen.“ 346

VonFebruarbisAprilverbringendieDeutschenmassenhaftJudenins GhettoWarschau,bisdortfast500000Judenleben. Sa01.03.: Di04.03.:JudenwerdenzurZwangsarbeitherangezogen.

Di11.03.: Der US-Kongreß billigt den Lend Lease Act, der US- Präsident Roosevelt umfassende Vollmacht einräumt, den Alli- ierten ohne sofortige Bezahlung Rüstungsmaterial zu liefern. Das Programm ist zu Beginn mit 7 Mrd $ dotiert und summiert sich bis Kriegsende auf mehr als 50 Mrd $. Sa15.03.:ZarahLeanderfeiertden34.GeburtstaginihremDahlemer HausMaxEythStraße12A. ErwinvonBartaSchlüter,„DerFilm“v.15.03.:WegenÜberfüllung derBudapesterKinoshabendieMilitärbehördenSondervorstellungen für Soldaten eingerichtet, die in geschlossenen Formationen „bei Trompetenschall“angetretenseien. Mo17.03.: 1. Rede Hitlers vor hohen Offizieren über die Prinzipien der Kriegführung gegen die UdSSR: Der Feldzug ist als „Vernich tungskrieg“mitbarbarischerHärtezuführen. Mi19.03.:SPDParteivorstand,SAPDLeitung,VorstanddesInternat. Sozialist. Kampfbundes (ISK) und das Neu BeginnenAuslandsbüro bildendieUniondeutschersozialistischerOrganisationeninGroßbri tannien. Di25.03.: Deutschland und Jugoslawien schließen ein Pakt, der DeutschlandeinegünstigeAufmarschmöglichkeitgegenGriechenland bietensoll. Mi26.03.:AlfredRosenbergs„HoheSchule“inFrankfurt/M.gründet das„InstitutfürErforschungderJudenfrage“. 347

Do27.03.:InBelgradwirdbeieinemPutschdiemitDeutschlandpak tierendeRg.gestürzt.

So30.03.: 2. Rede Hitlers vor hohen Offizieren über den Feldzug gegen die UdSSR. In diesem Zusammenhang erläßt Hitler auch den Befehl zur „Endlösung“ der Judenfrage, zur Ausrottung der europäischen Juden. Di01.04.: AnfangAprilbringtimIrakeinStaatsstreichdenachsenfreundlichen GenRaschidAliElGhailaniandieMacht. Fr04.04.: FRK Hitler empfängt in der Berliner RK den japani- schen AM Yosuke Matsuoka. Deutschland sagt zu, daß es im Fall eines bewaffneten Konflikts zwischen Japan und den USA „unverzüglich“ den USA den Krieg erklären wird. U„OhmKrüger“BerlinUfaPalastamZooPTobisPzEmilJannings R Hans Steinhoff RAs Herbert Maisch Karl Anton B Harald Bratt Kurt Heuser n Roman Mann ohne Volk (1934) v Arnold Krieger D EmilJannings(Paulus„Ohm“Krüger,PräsidentderSüdafrikanischen Republik[Transvaal])FerdinandMarian(CecilRhodes,Abgeordneter inBritischKaplanduBesitzerdersüdafrikanischenDiamantenfelder) Hedwig Wangel (Königin Viktoria von England) Gustaf Gründgens (KolonialministerJosephChamberlain)OttoWernicke(BritischerLa gerkommandant) Franz Schafheitlin (General Horatio Kitchener) Werner Hinz (Jan Krüger) Gisela Uhlen (Jans Frau) Lucie Höflich (OhmKrügersFrau)ElisabethFlickenschildt(MrsJameson)Flockina vonPlaten(Rhodes’Vertraute)HansH.Schaufuß(BritischerLager arzt)PdStaatspolbeswertvKünstlbeswertvVolkstümlwertvVolks bildJugendw ProtokolldesGesprächszwischenFRKHitlerundAMMatsuokav. 04.04.: „DerFRKerklärte,DeutschlandwerdeunverzüglichdieKonsequen zenziehen,sollteJapaninKonfliktmitdenVereinigtenStaatengera ten... In einem solchen Fall werde Deutschland ohne Verzögerung losschlagen...WasdiejapanischamerikanischenBeziehungenbetrifft, 348

soerklärteMatsuoka,daßeinKriegmitdenVereinigtenStaatenfrü her oder später unvermeidlich sei... Seiner Meinung nach werde der Konflikt eher früher alsspätereintreten.Denn,soargumentierteer: WarumsollteJapannichtimgeeignetenMomenteinenentscheiden denSchlagführen?“Matsuokaerklärte,esgebeallerdingsauchLeute inJapan,die„zögern,diesemGedankengangzufolgen“undihn,den AM, als „gefährlichen Mann“ betrachten... „Der FRK erklärte, DeutschlandhabealleVorkehrungendafürgetroffen,daßkeinAme rikaner in Europa landen könne. Deutschland würde mit seinen U BootenundseinerLuftwaffeeinenäußerstenergischenKampfgegen Amerikaführen,eswürdedankseinerüberlegenenErfahrungauchin diesem Kampf weitgehend überlegen sein, ganz abgesehen von der Tatsache,daßderdeutscheSoldatnatürlichweitüberdemamerikani schensteht.“ Sa05.04.:DieUdSSRundJugoslawienschließennacheinemPutschin BelgradeinenNichtangriffspakt. So06.04.: Frühmorgens. Deutschland überfällt als Bündnishilfe für Italien Jugoslawien und Griechenland, auch um die ca. 60000 britischen Soldaten in Griechenland zu vertreiben und die Be- drohung der rumänischen Öllieferungen zu beseitigen. U.a. zer- stört die 4. deutsche Luftflotte unter GOb Löhr heute und mor- gen in einem Flächenbombardement weite Teile Belgrads, da- bei sterben 17000 Zivilisten. VombulgarischenKjustendilaussto ßendie9.Panzerdiv.des40.AKunddieLSSAHaufSkopjevor. Di08.04.:InderNachtzuheuterichtenbritischeBomberbeieinem AngriffaufKielschwereSchädenan.InderselbenNachtbombardie ren400MaschinenderdeutschenLuftwaffe,und ,wobeigleichfallsschwereSchädenentstehen. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.09./08.04.: „Beim Führer:... Schweiz ist in Presse immer noch frech. Lasse ihr eins auf den Deckel geben. Wir erzählen über Attentat Bürgerbräu. Hintermänner noch immer nicht gefunden. Attentäter schweigt un entwegt.Führermeint,OttoStrasser.BeiReichstagsbrandtippterauf Torgler[1935wegenseinesantikommunistischenBuchsaus„Schutz 349

haft“entlassen,s.1940MitarbeiterbeiGeheimsenderdesRMVP]als Urheber.Haltedasfürausgeschlossen.Dazuistervielzubürgerlich. FürunserePolizeiundJustizundihrenSpürsinnhatderFührerkeine freundlicheAnerkennung.“ Do10.04.:InZagrebwirdderUnabhängigeStaatKroatien,eindeut scher Satellitenstaat, ausgerufen: Staatsführer wird Ante Pavelic, der UstaschaFührer. EinTeilder9.Panzerdiv.des40.AKerreichtNordgriechenland. Fr11.04.:EinTeilder9.Panzerdiv.des40.AKmarschiertimkosova rischenPrizrenein.

So13.04.: In Moskau unterzeichnen der sowjetische AM Molotov und der japanische AM Matsuoka einen Nichtangriffs- und Neutralitätspakt. Mo14.04.: Das zerfallene jugoslawische Heer bittet Deutschland um einenWaffenstillstand. Di15.04.: Das Großdeutsche Reich annektiert die zu Jugoslawien gehörenden slowenischen Gebiete Oberkrain und Südsteiermark bis zur Save-Drau-Mur-Linie. ChefderZivilverwaltung(CdZ)der Südsteiermark wird der RSth/GL Steiermark, in der Oberkrainwird derstvGLKärntenneuerCdZ. Do17.04.:JugoslawienkapituliertgegenüberDeutschland. Mo21.04.:WegenderVersorgungsmängelimWinter1940/41wirddie ReichsvereinigungKohlegebildet,dieBergbauundKohlenhandelko ordiniert. Di22.04.: In Serbien wird eine deutsche Militärverwaltung unter der Rg.MilanNediceingerichtet. Do24.04.:InVichyFrankreichkommt Jud Süß indieKinos. 350

Mo28.04.:AufgrundderjustiziellenundoperativenVereinbarungzwi schen OKH und SS ergeht die BrauchitschWeisung zum UdSSR Feldzug. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.29./28.04.: „Der Führer ist schärfster Gegner des ganzen Zaubers [der katholi schenKirche],abererverbietetmirdoch,ausderKircheauszutreten. AustaktischenGründen.UndfürsoeinenQuatschbezahleichnun schonseitübereinemJahrzehntmeineKirchensteuer.Dasschmerzt michammeisten.“ Ende April beginnen Truppen des achsenfreundlichen neuen iraki schenMachthabersGenElGhailanimitderEinschließungdeswest irakischenbritischenLuftstützpunktsHabbaniya. Do01.05.: Die SS errichtet das elsässische KZ NatzweilerStruthof, dasKZGroßRosenwirdvonSachsenhausenselbständig. DiegriechischeRegierungdesGeneralsGeorgiosTsolakogluwirdun terdeutscherBesatzunginstalliert. So04.05.:Abend.FRKHitlerhältvordemRTinderBerlinerKrollo pereineRedeüberdenBalkanFeldzug:„DemdeutschenSoldatenist nichtsunmöglich!...DasDeutscheReichundseineVerbündetenstel lenmilitärisch,wirtschaftlichundvorallemmoralischeineMachtdar, diejederdenkbarenKoalitionderWeltüberlegenist.“ Sa10.05.:StvFRudolfHeßfliegtmiteinerumgebautenMe110vom Flugplatz AugsburgHainstetten nach Schottland zum Landsitz des HerzogsvonHamilton,ummitLondonvordemdeutschenOstfeld zugeineÜbereinkunftzuerzielen.DieBriteninternierenHeß. So11.05.:BulgarienannektiertinNordgriechenlanddasGebietöstlich derStrumabisMaritza. Mo12.05.: Martin Bormann wird als Nachfolger von Heß Leiter der NSDAPParteikanzlei(L/PK). JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.13./12.05.: 351

„AmAbendkommteinefurchtbareNachricht:Heßistentgegendes FührersBefehl[!]mitdemFlugzeuggestartetundseitSamstagüber fällig. Man muß mit seinem Ableben rechnen.SeineAdjutanten,die alleindavonwußten,sindaufAnordnungdesFührersverhaftetwor den.“ Di13.05.: Die Briten geben die Landung und Internierung von StvF Heßbekannt. FRKHitlerschaltetperErlaßdieKriegsgerichtsbarkeitindenzube setzendensowjetischenGebietenaus:Straffreiheitbeigesetzwidrigem Vorgehen gegen Zivilisten; Straftaten Einheimischer gegen die deut schen Besatzer werden drakonisch und ohne Gerichtsverfahren ge ahndet. Oberst Draza Mihailovic beginnt mit der Organisation der national serbischenundmonarchistischenPartisanenarmeederTschetniks(če ta=Bande,Schar),dieimHerbstüber30000Kämpferverfügt. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.14./13.05.: „Gleich amfrühenMorgenbeginnendietollstenAlarmmeldungen... Dazwischen nun endlich Klarheit: Heß ist in Schottland mit Fall schirmgelandet.“ Mi14.05.:NeundeutscheBomberundJagdflugzeugewerdenzurUn terstützungderTruppendesirakischenMachthabersGenElGhailani nach Mossul entsandt, von denen drei bei einem britischen Angriff zerstörtwerden.Biszum29.05.fliegendieDeutschensechsAngriffe gegendenwestirakischenbritischenLuftstützpunktHabbaniya. ImMaiverfügtdieReichspressekammerdieSchließungvon550Zei tungen(weitereStillegungenimFrühjahr1943undAugust1944). Do15.05.: Der ursprünglich für heute angesetzte Überfall auf die UdSSR muß wegen des unerwartet starken Widerstands in Ju- goslawien verschoben werden. Als neuer Angriffstermin ist unter Vorbehalt der Wetterlage der 22.05. angesetzt.

Di20.05.: Ein Erlaß des RSHA weist die Sipo an, die Auswande- rung der Juden aus Frankreich und Belgien „im Hinblick auf 352

die zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage zu verhin- dern“. Mo26.05.: „FilmKurier“v.26.05.:DieNSDAPLandesgruppeSpanieninMad rid veranstaltete mit großem Aufwand eine Sondervorführung von ‘JudSüß’. DerFilmkommtjedochnichtindiespanischenKinos,daerunterdie Einfuhrquote1941/42fälltundkeineSondergenehmigungerhält. Fr30.05.:DieirakischeRg.deserstAnfangAprilandieMachtge putschtenachsenfreundlichenGenElGhailanimuß,geschlagenvon den Briten, in den Iran fliehen. Die britischen Truppen stehen vor Bagdad. „FilmKurier“ v. 30.05.: ... „begeisterte Äußerungen des Publikum“ über‘JudSüß’inFrankreich,z.B.„AuchinFrankreichmüssenalleJu denraus!“,heftigerBeifallfürdieSzenenAusweisungderJudenaus Stuttgart und Schlußwort Klöpfers... ein Stimmungsumschwung in dem„bisheralsjudenfreundlichangesehenenunbesetztenFrankreich.

Ende Mai bestimmt RFSS Himmler die 4 Einsatzgruppen, die im UdSSR-Feldzug die Juden massenhaft ermorden sollen. Die WaffenSSverfügtimMaiüber73000Mann. EndeMaiwirdinNordgriechenlanddasGebietvonSalonikibiswest lichderStrumaderdeutschenMilitärverwaltungunterstellt. So01.06.(Pfingsten): „Esprit“, Monatszeitschrift, Lyon, v. Juni: Kritische Rezension von ‘JudSüß’undDankanjenejungenFranzosen,diegegendenFilmöf fentlichprotestierthaben. AnfangJuniwerdenPiräusundKreta,wodieletztenbritischenVer bändegeschlagenwerden,unterdeutscheVerwaltunggestellt,derRest GriechenlandskommtunteritalienischeVerwaltung. 353

Mo02.06.:FRKHitlertrifftsichmitdemDuceMussoliniamBrenner. In dem fünfstündigen Gespräch erwähnt Hitler denbevorstehenden ÜberfallaufdieUdSSRmitkeinemWort.

Fr06.06.: Kommissarbefehl des OKW: sieht die Ermordung der politischen Kommissare in der Sowjetarmee unmittelbar nach ihrer Gefangennahme und ohne Verfahren vor. DerdeutscheFilm Die Rothschilds kommtindierumänischenKinos. ImJunivordemÜberfallaufdieUdSSRweistSipoundSDLeiter Heydrich bei zwei Treffen in Berlin und Pretzsch (bei Dresden) die Höheren SS und Polizeiführer (HSSPF), denen auch die SS Einsatzgruppen unterstehen, in ihre Mordaufgabe ein. Die SS EinsatzgruppenwarenbereitsimMaiinPretzschinihreMordaufgabe eingewiesenworden. Do12.06.:FRKHitlerempfängtinMünchendenrumänischenStP MlIonAntonescu.HitlerüberredetAntonescudazu,beimbevorste hendenAngriffaufdieUdSSRauchohneförmlichesMilitärbündnis mit einem Vorstoß seiner 3. und 4. Armee Richtung Bukowina und BessarabiendieschoninRumänienstationierte11.deutscheArmeezu unterstützen. Fr13.06.:DiedeutscheBotsch.inMoskauführtVertreterndersowje tischenRg.denKriegsfilm„ÜberdenFeldernimBalkan“vor,derdie ÜberlegenheitderdeutschenWeMdemonstrierensoll.

So22.06.: Deutschland überfällt die UdSSR (Unternehmen Bar- barossa, für dessen erfolgreichen Abschluß Hitler 3 Monate ver- anschlagt, in 8 Wochen will er in Leningrad stehen, wie er den GL kurz vor Feldzugbeginn sagt). Den 3 Heeresgruppen folgen 4 Einsatzgruppen des RSHA (Sipo und SD der SS) (A: Baltikum, B: Weißruthenien, C: Ukraine(-Nord), D: Krim (Südukraine) [Otto Ohlendorf]; insgesamt 3000 Mann), die systematisch Ju- den, kommunistische Funktionäre, Zigeuner und andere „uner- wünschte Erlemente“ ermorden sollen. Die Einsatzgruppen und Polizeibataillone ermorden 1941/42 über eine Million Menschen. 354

AuchinRumänienkommtesjetztzugrausamstenMassenpogromen gegenJuden. Di24.06.: In Garsden/Grodno? nahe der litauischdeutschen Grenze unternimmteinderSSEinsatzgruppeAdieerste MassenmordaktiondesUdSSRFeldzugs,beider201Judenerschos senwerden. Auf der Zitadelle des galizischen Zloczów erschießt der sowjetische NKWDkurzvordemAbzugderUdSSR700alssowjetfeindlichgel tendeEinwohner. Fr27.06.: Die SSEinsatzgruppe B und das Polizeibataillon 309 er schießeninBialystok2000Juden. Das ZK der KPJ bildet den „Hauptstab der Partisanenabtei- lung“ unter Josip Broz Tito, dessen Partisanenarmee im Herbst 1943 über 90000 Kämpfer verfügt.

So29.06.: FRK Hitler ernennt RMl Göring zum Nachfolger für den Fall Fall des eigenen Todes. EndeJunibeginntdasPolizeibataillon9mitseinenMordaktionenin derUdSSR,denenbiszumDezemberüber100000JudenzumOpfer fallen,inKownoerschlagenumdieMonatswendeJuni/Julilitauische HilfstruppenunterAufsichtderWehrmachtTausendeJuden. Mo30.06.: JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.01.07./30.06.: „Ostfront:...DieDingestehenimallgemeinengut,allerdingsleisten dieRussenmehrWiderstandalsmanzuerstvermutete.UnsereVerlus teanMenschenundMaterialsindnichtganzunbedeutend.“ Di01.07.: JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.02./01.07.: „Ostfeldzug: ... Versteifung und verzweifelter Widerstand des Fein des...VoneinemSpaziergangkannkeineRedesein.DasroteRegime hatdasVolkmobilgemacht.DazukommtdiesprichwörtlicheStur heitderRussen.“ 355

Mi02.07.: Im ukrainischen Lutsk erschießt das Sk 4a der SS EinsatzgruppeCüber1100Juden. AnfangJulibeginntdasSSEk8unterOttoBradfischinBialystokmit seiner ersten Mordaktion gegen Juden, die SSEinsatzgruppe C und das Polizeibataillon 307 erschießen in BrestLitovsk 6000 bis 10000 Juden, das Sk 4b der SSEinsatzgruppe C und ukrainische Miliz er schießenunderschlagenimgalizischenZloczówmehrals3000Juden (zw.01.und05.07.). ImSommerermordendieEinsatzgruppeAunddasPolizeibataillon 65inSiauliai(Schaulen)3000Juden. Do03.07.: ChGStH Franz Halder, Berlin, Tgb. v. 03.07.: „Es ist also wohl nicht zuviel gesagt, wenn ich behaupte, daß der Feldzug gegen Rußland innerhalb 14 Tagen gewonnen wur- de.“ N.N., (Artikel), Das Schwarze Korps v. 03.07.: „Nur ein Adolf Hitler konntedasdeutscheVolkzudiesemFrontwechsel[erstgegen,dann für, dann wieder gegen die UdSSR] führen, und nurdemdeutschen Volk konnte der Führer auch in diesem Augenblick bedingungslose Gefolgschaftzumuten.WennauchvoneinerweltanschaulichenAus söhnungodergarAnnäherungzwischenNationalsozialismusundBol schewismusniedieRedeseinkonnte,sokonntedieserEindruckbei oberflächlichenBetrachterndochsehrleichtentstehen.“ Fr04.07.: Die KPJ proklamiert für Jugoslawien den Volksauf- stand. So06.07.:DerBischofvonMünster,KardinalClemensGrafvonGa len,protestiertinPredigtengegendieUnterdrückungderKircheund gegendieErmorderungsog.unproduktiverMenschen. Di08.07.:RMVPGoebbelsbesuchtdasFHQimostpreußischenRas tenburg. 356

JosephGoebbels,Rastenburg,Tgb.v.09./08.07.: „DannkommtderFührervondenmilitärischenBesprechungen...Er entwickeltmirzuerstinkurzenZügendiemilitärischeSituation,dieer überraschendpositivansieht. Nach seinen handfesten und bewie- senen Unterlagen sind zwei Drittel der sowjetischen Wehrkraft bereits vernichtet oder doch sehr schwer angeschlagen. Fünf Sechstel der bolschewikischen Luft- und Tankwaffe können auch als vernichtet gelten ...Wirwerden,wenndieOperationenin dennächstenTagenundWochenglücklichverlaufen,etwabisandie Wolga, wenn militärische Notwendigkeiten es gebieten, auch bis an denUralvorstoßen.“ Do10.07.:InMoskaustelltdasZKderKPdSUden„Stabderzentra lenPartisanenbewegung“auf. Sa12.07.: Großbritannien und die UdSSR schließen einen sofort in Kraft tretenden Militärpakt über gegenseitige Hilfeleistung. Die Allianz schließt ausdrücklichen jeden separaten Frieden oder Waffenstillstand aus. Mo14.07.: Hitler glaubt den UdSSR-Feldzug bereits gewonnen und ordnet die Verlagerung des Rüstungsschwerpunkts vom Heer zu Luftwaffe und Marine an, um den Krieg gegen Großbri- tannien wieder zu verstärken. Mi16.07.:FRKHitlersagtbeieinerBesprechungdesUdSSRFeldzugs mitdenRMGöring,Rosenberg,Lammers,KeitelundBormann,die „Befriedung“ des „Riesenraums... geschehe am besten dadurch, daß manjeden,dernurschiefschaut,totschieße“.DerPartisanenkriegge be Deutschland „die Möglichkeit, auszurotten, was sich gegen uns stellt“. Do17.07.: Die SS-Einsatzgruppe D beginnt in Kischinjow mit dem ersten Großmassaker, bei dem bis 31.07. mehr als 12000 Ju- den erschossen werden. Alfred Rosenberg wird RM für die besetzten Ostgebiete (RMO). Dem neuen RM wird das Reichkommissariat Ostland unter- 357

stellt, das die vier Generalkommissariate Weißruthenien, Litau- en, Lettland und Estland umfaßt. GL SchlHol Hinrich Lohse wird Chef der Zivilverwaltung des Reichskommissariats.

Di22.07.: Der OKW-Bericht zur Lage im Osten meldet, dass die Durchbruchsoperationen der WeM und ihrer Verbündeten die sowjetische Verteidigungsfront „in zusammenhanglose Gruppen zerrissen“ habe, so dass sich eine „einheitliche Führung des Feindes“ nicht mehr erkennen lasse. Mi23.07.: Die Sowjet-Armee beginnt, nachdem sich der deutsche Vormarsch bereits festgefahren hat, bei starke Gegen- angriffe gegen Flanken und Flügel der HGrMitte. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.24./23.07.: „Zweifellos ist unsere Situation im Augenblick etwas gespannt. Das zeichnet sich auch deutlich in der gegnerischen Nachrich- ten- und Propagandapolitik ab. Wir müssen uns bezüglich des Ostfeldzuges auf eine klarere Nachrichtenpolitik konzentrieren. Wir dürfen nicht mehr soviel versprechen.“

Sa26.07.: Der Berater des USPräsidenten Roosevelt,HarryHop kins, erkundet bei einem bis Mi30.07. dauernden Besuch in Moskau bei Stalin den Bedarf der UdSSR an Rüstungsmaterial. Ausschlagge bend hierfür sind auch die ersten Verteidigungserfolge der Sowjet ArmeegegendieWeM.

Mi30.07.: FRK Hitler erteilt der HGrMitte die Weisung, wegen der starken sowjetischen Angriffe bei Smolensk zur Verteidi- gung überzugehen. Damit ist der dortige Vorstoß Richtung Moskau für einige Zeit angehalten.

EndeJulierteiltFRKHitlerVorsMR/RVGöringwegendertech nischenundpsychischenProblemebeidenMassenerschießungenvon JudeninderUdSSRdenBefehl,eineeffektivereMethodezufinden, mit der alle europäischen Juden ermordet werden können („Endlö sung“).

358

Do31.07.: VorsMR/RV Hermann Göring ernennt ChRSHA SS OGF+GenPolReinhardHeydrichzum„BeauftragtenfürdieVorbe reitungderEndlösungdereuropäischenJudenfrage“(BEJ)undbeauf tragtihn,ihm„inBäldeeinenGesamtentwurfüberdieorganisatori schen,sachlichenundmateriellenVoraussetzungenzurDurchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen“. Heydrich beauftragtL/JudRef/RSHASSOstbFAdolfEichmannmitderorga nisatorischenUmsetzungdesMassenmords. Fr01.08.: ImAugusterscheintderFilm Die Rothschilds mitdemZusatztitel Akti- en auf Waterloo wiederindendeutschenKinos.Erenthältnuneinen Schlußtitel:„AlsdieArbeitandiesemFilmwerkbeendetwar,verließen dieletztenNachkommendesHausesRothschildEuropaalsFlüchtlin ge.DerKampfgegenihreHelfershelfer,diebritischePlutokratie,geht weiter!“

Sa02.08.:USPräsidentRooseveltgibtderUdSSReinweitreichen desVersprechen,Rüstungsgüterzuschicken.DieerstenLieferungen gehennochimAugustindieUdSSRab.

So03.08.: Kardinal Clemens Graf von Galen prangert in seiner Predigt in der Münsteraner Lambertikirche erneut die Euthana- sie Geisteskranker (Aktion T 4) als Mord an.

Sa09.08.: Der britische PM Churchill trifft sich mit USPräsident RooseveltaufdembritischenSchlachtschiff Prince of Wales imAtlantik vorNeufundland(bisDi12.08.). Mo11.08.: ChGStH Franz Halder, Berlin, Tgb. v. 11.08.: „Es wird immer deutlicher, daß wir die Stärke des russischen Kolosses nicht nur im wirtschaftlichen und Transportbereich unterschätzt haben, sondern vor allem im militärischen. Am An- fang rechneten wir mit etwa 200 Feinddivisionen und jetzt haben wir bereits 360 identifiziert. Wenn ein Dutzend von ihnen ver- 359

nichtet sind, werfen die Russen ein weiteres Dutzend ins Feld. In dieser breiten Ausdehnung ist unsere Front zu dünn. Sie hat keine Tiefe. Im Ergebnis haben deshalb die wiederholten Feindangriffe einigen Erfolg.“ Di12.08.:Deutschlandbildetden„DistriktLemberg“(Ostgalizien) undgliedertdiesendemGeneralgouvernementan.

Mi13.08.: AM Eden empfängt in London den sowjetischen Bot- schafter Maiskij: Sie formulieren ein britisch-sowjetisches Ulti- matum an die iranische Rg., das die sofortige Ausweisung aller deutschen Diplomaten und Geheimagenten aus dem Iran for- dert.

Do14.08.: US-Präs. Roosevelt und der britische PM Churchill veröffentlichen ihre Gemeinsame Erklärung über Friedensziele (Atlantik-Charta): „Sie(diebeidenRegierungschefs)habendieGefahrenbetrachtet,die derWeltzivilisationausderPolitikderaufEroberungenberuhenden Militärherrschaft drohen, welche die HitlerRegierung Deutschlands undanderemitihrverbündeteRegierungeneingeschlagenhaben;... SieeinigtensichauffolgendegemeinsameErklärung:... 6.Siehoffen,daßnachderendgültigenZerstörungderNaziTyrannei einFriedengeschaffenwird,derallenNationendieMöglichkeitgibt, inSicherheitinnerhalbihrereigenenGrenzenzuleben,undderGe währ dafür bietet, daß alle Menschen in allen Ländern der Welt ihr LebenfreivonFurchtundMangellebenkönnen;..“ Fr15.08.: Das Großdeutsche Reich annektiert den polnisch und weißrussischbesiedeltenBezirkBialystok,dereinemdeutschenChef derZivilverwaltung(CdZ)unterstelltwird.Esistdieletztegroßdeut scheAnnexion. So17.08.: Großbritannien und die UdSSR unterbreiten dem Iran das am 13.08. in London formulierte Ultimatum mit der Forderung nachsofortigerAusweisungallerDeutschenausdemIran. 360

Mo18.08.: Im FHQ Rastenburg legt OBH von Brauchitsch FRK Hitler anläßlich einer Besprechung zur Krise an der Ostfront ein Memorandum des GSt vor, wonach ein rascher Vorstoß der ver- stärkten Heeresgruppe Mitte auf das Rüstungs- und Kommuni- kationszentrum Moskau dem von Hitler favorisierten Vorstoß in die Zentralukraine vorzuziehen sei. Joseph Goebbels, Rastenburg, Tgb. v. 19./18.08.: „Der Führer gibt mir eine ausführliche Darlegung der militäri- schen Lage. In den vergangenen [vier] Wochen [ seitBeginnder sowjetischen Offensive bei Smolensk am 23.07. ] hat es manchmal sehr kritisch gestanden. Wir haben offenbar die sowjetische Stoßkraft und vor allem die Ausrüstung der Sowjetarmee gänz- lich unterschätzt. Auch nicht annähernd hatten wir ein klares Bild über das, was den Bolschewisten zur Verfügung stand. Da- her kamen auch unsere Fehlurteile. Der Führer hat beispielswei- se die sowjetischen Panzer auf 5000 geschätzt, während sie in Wirklichkeit an die 20000 besessen haben. Flugzeuge, glaubten wir, hatten sie um die 10000 herum; in Wirklichkeit haben sie über 20000 besessen... Gelingt es uns, die bisher angesetzten Stöße unserer Panzerwaffe, die jetzt wieder aktionsfähig ist, wei- ter fortzusetzen, so ist zu hoffen, daß wir bis zum Einbruch der Winterszeit über Moskau hinaus gelangen werden. Damit ist ja praktisch auch wenigstens die militärische Stoßkraft des Bol- schewismus erledigt. Die Bolschewiken haben aber noch im Ural ein [Fert- ?]igungszentrum; das ist aber von untergeordne- ter Bedeutung. Auch dieses muß selbstverständlich einmal ge- nommen werden. Aber vielleicht gelingt das allein unter Einsatz der Luftwaffe... Der Führer ist innerlich über sich sehr ungehal- ten, daß er sich durch die Berichte aus der Sowjetunion so über das Potential der Bolschewiken hat täuschen lassen. Vor allem seine Unterschätzung der feindlichen Panzer- und Luftwaffe hat uns in unseren militärischen Operationen außerordentlich viel zu schaffen gemacht. Er hat darunter sehr gelitten. Es handelte sich um eine schwere Krise. Allerdings sind die Voraussetzun- gen dafür durchaus erklärlich. Es war ja auch unseren Vertrau- ensmännern und Spionen kaum möglich, in das Innere der Sow- jetunion vorzudringen... Wir haben von einer ganzen Anzahl ih- 361

rer Waffen, vor allem ihrer schweren Waffen, überhaupt keine Vorstellung besessen... Vielleicht, so meint der Führer, würde ein Augenblick eintreten, wo Stalin uns um Frieden bittet... Auf meine Frage, was er dann tun wolle, gibt der Führer zur Ant- wort, daß er auf eine Bitte um Frieden eingehen würde, natür- lich nur unter der Voraussetzung, daß er sehr umfangreiche ge- bietsmäßige Sicherungen in die Hand bekäme und die bolsche- wistische Wehrmacht bis zum letzten Gewehr zerschlagen wür- de... Der Bolschewismus ist ohne Rote Armee für uns keine Gefahr. Ist er vor allem auf das asiatische Rußland zurückge- schlagen, dann mag er sich entwickeln, wie er will... Jedenfalls geht jetzt unser ganzes Bestreben darauf, den Ostfeldzug we- nigstens bis zum Einbruch des Winters, der vemutlich um Mitte Oktober einsetzen wird, zu einem für unsere Bedürfnisse und für die weiteren militärischen Operationen befriedigenden Er- gebnis zu bringen. Selbstverständlich müssen wir später auch einmal die hinter dem Ural befindlichen sowjetischen Zentren, auch das von Omsk erledigen [ Hitler und Goebbels haben keine annäherndgenaueVorstellungvonderIndustrieproduktionimUral gebiet,KusnezkGebiet,FerganaBeckenundinKaraganda.–A.B.]. Wie das aber im einzelnen zu geschehen hat, darüber brauchen wir uns im Augenblick keine Sorgen zu machen[ !].“ Di19.08.: Das sowjetische Gebiet zwischen Dnjestr und Bug mit dem noch nicht eroberten Odessa wird rumänischer Zivilverwal- tung unter Gheorge Alexianu unterstellt. Mi20.08.: Deutschland bildet das RMO Rosenberg unterstellte Reichskommissariat Ukraine mit den 6 Generalkommissariaten Wol hynienPodolien, Nikolajew, Schitomir, Kiew, Dnjepropetrowsk und Taurien. Das Reichskommissariat wird von GLOstpreußen Erich Kochverwaltet. Do21.08.: Die von FRK Hitler gegen den Rat des Generalstabs forcierte Schlacht um Kiew beginnt, der von ChGStH Halder drin gendangerateneVorstoßaufMoskauwirdzurückgestellt. 362

Mo25.08.:DieUdSSRundGroßbritannienbeginnennachderira nischenZurückweisungihresUltimatumsvom17.08.mitdergemein samen,nachnurvierTagenmilitärischerScharmützeldurchgesetzten BesetzungdesIran–dieSowjetsimNorden,dieBritenimSüden.Ei nebritischeInfanteriebrigadeerobertdieErdölraffinierievonAbadan, fernerwirdderHafenKhorramschareingenommen. DurchdenCoupwerdenzumeinendieiranischenundarabischen Ölfelder, zum anderen der Südzugang vom Persischen Golf in die UdSSR(BahnundSeewegBenderSchahpurTeheranBenderSchah Kaspisches MeerGurjev/Winterhafen SchevtschenkoMakat bzw. Bahnlinie TeheranTabrisDschulfaBakuMachatschkalaAstrachan Gurjev – der Nordmeerzugang zur UdSSR führt über die Häfen MurmanskundArchangelsk)vordemZugriffDeutschlandsgesichert. Damit ist gewährleistet, daß Großbritannien und die USA dauer haft kriegswichtige Güter wie Flugbenzin, Kupfer, Aluminium, Sprengstoff, Eisenbahnschienen, Güterwaggons [Gesamtzahl bis Frühjahr 1945: 10000], Lokomotiven [2000], Armeelastwagen und Armeekräder [430000 – die UdSSR muß deshalb keine Lastwagen, Güterwaggons,LoksundSchienenherstellen]undsonstigeMaschinen sowieLebensmittelandieUdSSRliefernkönnen.Auch8000Panzer, 12000 Militärflugzeuge und mehr als 6000 Geschütze werden einge führt,machenabernurungefähreinZehnteldersowjetischenKriegs rüstungaus.Insgesamtlaufen4,2von17,5MiotderalliiertenLiefe rungenandieUdSSRüberdiePersienroute,dassind24Prozent.23 ProzentkommtüberdieNordmeerroute.Ambedeutendstenistaller dings die Pazifikroute über den AmurHafen Nikolajevsk (47 Pro zent).DiesowjetischenFabrikenkönnensichbisKriegsendeganzauf dieRüstungsproduktionkonzentrieren. Di26.08.: FRK Hitler billigt eine Denkschrift des OKW, wonach entgegendenErwartungennichtmiteinersiegreichenBeendigungdes OstfeldzugsimJahr1941zurechnenist. Mi27.08.: In einer zweitägigen Aktion ermorden die Deutschen in KamenezPodolski23600Juden. Fr29.08.: 363

U„Ichklagean“(RWolfgangLiebeneiner) IndenNiederlandenkommt De eeuwige Jood indieKinos. ImSommerundHerbstermordendasPolizeibataillon65undandere deutscheEinheitenbeiAktioneninKrakaumehrere1000Juden.

Mo01.09.: Juden ab 6 Jahren müssen im Deutschen Reich in der Öffentlichkeit den gelben Stern sichtbar an ihrer Kleidung tra- gen. Die Pflicht wird im Laufe des Monats September verwal- tungstechnisch durchgesetzt. Ein Verstoß gegen die Trage- pflicht wird von der Gestapo mit sofortiger Deportation „nach Polen“ in die Vernichtungslager geahndet. Sog. privilegierte Ju- den, Halb- und Vierteljuden mit arischem Ehepartner und Kin- dern, sind von der Tragepflicht ausgenommen. Die Tragepflicht dient der totalen Erfassung der Juden, und bereitet damit De- portation und Völkermord vor. Mi03.09.: In einer Versuchsgaskammer in Auschwitz vergasen die Deutschen 850 Menschen, u.a. 600 sowjetische Kriegsgefan- gene, mit Zyklon-B. Mo08.09.:SSOFVeesenmayerundderGes.Benzler(beideBelgrad) richten an das AA die dringende Bitte, 8000 männliche Juden mit LastfrachtkähnendieDonauabwärtsineinKZaufeinerrumänischen Insel im Donaudelta bringen zu dürfen, da Juden bei Sabotage und AufruhrhäufigMittäterseien. L/SSHAGFGottlobBergerwarntRFSSHeinrichHimmlerdavor, denStuttgarterOBDr.KarlStrölinoderWtRSthWilhelmMurrfür dasAmteineskünftigenRKom/SchweizinErwägungzuziehen.Die sewittertenjedochbereits„Morgenluft“. Di09.09.: Die griechische Widerstandsorganisation National RepublikanischerBundEDESwirdunterdemKommandovonZer vasgegründet.SieverfügtimHerbst1943über10000Kämpfer. Fr12.09.: Das deutsche Polizeibataillon 45 ermordet in Berditschev 1000Juden. 364

ImSeptemberermordetdasdeutschePolizeibataillon32beieinerAk tioninLembergmehrere1000Juden,einerMordaktiondesdeutschen Polizeibataillons303inSchitomirfallen18000JudenzumOpfer. Di16.09.: FRK Hitler und ChOKW GFM Keitel erlassen eine An- ordnung, wonach bei Partisanenaktivitäten für einen getöteten deutschen Soldaten 50 bis 100 „Kommunisten“, d.h. einheimi- sche Slawen und Juden, ermordet werden sollen. Die Anordnung dient auch dem bevölkerungspolitischen Ziel, in der UdSSR durch Krieg, Massenmord und Aushungerung mindestens 30 Millionen Slawen zu töten, um Raum für eine deutsche Besied- lung zu schaffen. In Teheran schicken die britischen und sowjetischen Besat- zungstruppen den deutschfreundlichen Schah Reza Pahlavi in die Verbannung nach Johannesburg (Südafrika) und ersetzen ihn durch dessen 21jährigen Sohn Mohammed Reza Pahlavi. FRKHitler,ChOKWGFMKeitel,Anordnungv.16.09.: „...dabeiistzubedenken,daßeinMenschenlebenindenbetroffenen Ländern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durchungewöhnlicheHärteerreichtwerdenkann.AlsSühnefürein deutschesSoldatenlebenmußindiesenFällenimallgemeinendieTo desstrafefür50bis100Kommunistenalsangemessengelten.“ Mi17.09.:BritischeundsowjetischeTruppenmarschiereninTeheran ein.

Do18.09.: In einem Gespräch mit GL-Wartheland Arthur Greiser äußert RFSS den Wunsch von FRK Hitler, „daß möglichst bald das Altreich und das Protektorat vom Wes- ten nach dem Osten von Juden geleert und befreit werden“. Juden benötigen für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmittelneine Erlaubnis. Di23.09.: Im KZ Auschwitz findet erneut eine „ProbeVergasung“ sowjetischerKriegsgefangenermitdemtödlichenBlausäuregasZyklon Bstatt. 365

FRK Hitler empfängt im FHQ RastenburgWolfsschanze zahlreiche NSFührerzurBefehlsausgabe,u.a.RMVPGoebbelsundChSipoSD Heydrich. JosephGoebbels,Rastenburg,Tgb.v.24./23.09.: „FlugzumFHQ...DannkannichausführlichmitdemFührerdieSi tuationuntervierAugenbesprechen...Wirhabenindennächstendrei bisvierWochenwiederumgroßeneueSiegezuerwarten.Biszum15. Oktober[demerwartetenWintereinbruch]etwa,soglaubtderFührer, wirdesdauern,daßwirernsthafteKämpfezubestehenhaben...Der nächsteStoßsollnachCharkovgehen,undermeint,daßwirdieses wichtigeIndustriezentruminwenigenTagenerreichenkönnen.Dieser StoßgehtdannweiterbisStalingrad[600kmLuftlinievonCharkov aus!]undbisandenDon.HabenwirdiesIndustriegebietinunseren Besitzgebracht,sohabenwirdieBolschewistendamitinderHauptsa chevonihrerKohlenundvonihrerRüstungsproduktionabgeriegelt. EineauflangeSichtgerichteteKriegführungistihnendamitunmög lichgemacht...DerFühreristderMeinung,daßdieJudennachund nachausganzDeutschlandherausgebrachtwerdenmüssen.Dieers tenStädte,dienunjudenfreigemachtwerdensollen,sindBerlin,Wien undPrag.BerlinkommtalsersteandieReihe,undichhabedieHoff nung,daßesunsimLaufediesesJahresnochgelingt,einenwesentli chenTeilderBerlinerJudennachdemOstenabzutransportieren.“ Fr26.09.:DasdeutschePolizeibataillon64ermordetinSajmiste6000 Juden. Sa27.09.:DievonFRKHitlerforcierteSchlachtumKiewgehtmit einemdeutschenSiegzuEnde.HitlerhältdanachdenUdSSRFeldzug fürgewonnen(s.09.10.). Ch/SipoSDReinhardHeydrichwirdStellvertretenderReichsprotektor vonBöhmenundMähren(StvRProt/BöMä). Die linke griechische Widerstandsorganisation Nationale Befreiungs frontEAMwirdinKonkurrenzzurEDESgegründet.Sieverfügtim Herbst1943über15000Partisanen. Mo29.09.: Die SS-Einsatzgruppe C, die deutschen Polizeibatail- lone 45 und 303 und ukrainische Milizsoldaten erschießen in der 366

Schlucht von Babi Jar südwestlich von Kiew in einem zweitägi- gen Massaker 33700 Juden. ImHerbstkommenbeieinerMordaktiondesPolizeibataillons11in Slutskmehrere1000JudenumsLeben,dasPolizeibataillon67ermor detinSzczebrzeszyn1000Juden,dasPolizeibataillon133beizweiAk tioneninDelatyn2000Juden.

Mi01.10.: Juden wird die Auswanderung aus dem Reich verbo- ten. Damit entfällt jede Möglichkeit einer Flucht vor Deportati- on und Völkermord. Im Oktober errichtet die SS das Vernichtungs-KZ Lublin- Majdanek, in dem zunächst mit Lkw-Abgasen gemordet wird. ImOktoberüberlegtdieSS,auchinRigaundMinskVergasungslager zurVernichtungderJudenausderUdSSRunddemBaltikumeinzu richten. Do02.10.: Das deutsche Heer beginnt die Großoffensive auf Moskau (Unternehmen „Taifun“). Bis Anfang Dezember tobt die deutsche Offensive, die mit deren Anhalten und dem Beginn einer Gegenoffensive der Sowjetarmee endet. Auf beiden Seiten gibt es schwere Verluste. Auf Befehl von HSSPF/[Rußland-]Mitte Erich von dem Bach- Zelewski erschießen heute und am 03.10. in das SS-Ek 8 und das PolBat 322 insgesamt 2273 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Die Aktion gilt zusammen mit Babi Jar (29.09.) als Fanal für die nun in kurzer Folge ablaufenden deutschen Mas- senmordaktionen gegen die Juden. Fr03.10.: Nachmittags. FRK Hitler hält auf Drängen von RMVP Goebbels zur Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks im Berliner SportpalasteineRedeüberdenUdSSRFeldzug,seineersteöffentliche Redeseitdem04.05.:„DerFeindistbereitszerschmettertundwird sichniemalswiedererheben.“ Joseph Goebbels, Berlin, Tgb. v. 04./03.10.: „Der Führer ist der Überzeugung, daß, wenn das Wetter halbwegs günstig bleibt, 367

die sowjetische Wehrmacht in vierzehn Tagen [!] im wesentli- chen zertrümmert sein wird… Die Flugblätter mit dem Aufruf des Führers sind [am 02.10.] noch rechtzeitig bis zu den vorde- ren Linien durchgekommen. Der Aufruf selbst hat wie eine Fan- fare gewirkt. Jedermann an der Front weiß, daß es jetzt um die große Entscheidung geht und daß es von der Tapferkeit der Truppe abhängt, ob wir vor Einbruch des Winters noch das gro- ße Ziel der Vernichtung der bolschewistischen Wehrmacht er- reichen werden oder ob wir auf halbem Wege stehenbleiben und die Entscheidung auf das kommende Jahr vertagen müssen… Der Führer schätzt die Widerstandskraft der Londoner Plutokra- tie als außerordentlich hart ein… Es darf in Europa eben keine Militärmacht neben der unseren existieren. Solange das noch der Fall ist, wird dieser gequälte Erdteil seine Ruhe nicht wie- derbekommen.“ Mi08.10.: Bei der „Liquidierung“ des GettosVitebskermordenEin heiten der SSEk 9 (Einsatzgruppe B unter SSBF GmjPol Arthur Nebe) heute über 4000 Juden (insgesamt dann 16000 Juden) durch Massenerschießungen. Do09.10.: PrCh/RRg+StSRMVP Otto Dietrich sagt bei einer Pressekonferenz vor den Auslandskorrespondenten im RMVP, die letzten Überreste der Sowjetarmee von Gen Timoschenko seien in zwei deutschen Kesseln vor Moskau eingeschlossen worden. Ihre „rasche und gnadenlose Vernichtung“ stehe bevor. Die UdSSR sei militärisch erledigt. FRK Hitler glaubt dies wirklich. Er ordnet in dieser Zeit die Auflösung von 40 Heeres-Div. und die Rückführung der Männer in die Industrieproduktion an, ferner eine Reduzierung der Pro- duktion von Heeresmunition. Zudem überträgt Hitler die Kriegsgefangenenunterbringung vom Heer auf das OKW, das statt des geplanten Transports nach Deutschland Lager in der UdSSR organisiert und den „massenweisen Tod russischer Ge- fangener“ (ChGStH Halder) veranlaßt. Die Kriegsgefangenen werden in Massen erschossen, auch von WeM-Einheiten. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.10./09.10.: 368

„Dr. Dietrich kommt aus dem Führerhauptquartier und spricht vor der Presse. Er gibt ein Bild der militärischen Situation,dasaußeror dentlich positiv und optimistisch ist, fastzupositivundzuoptimis tisch.WennhierbeispielsweisefürdiePressedieSchlagzeileausgege benwird:‚DerKriegistentschieden!’,sogehtdassicherlichzuweit... Der Führer beurteilt die Situation gänzlich optimistisch . Er ist derMeinung,daßvoneinemnennenswertensowjetischenWiderstand nichtmehrdieRedeseinkönne.Wassichjetztnochabspiele,seiAuf räumungsarbeit, natürlich im weiteren Sinne... Man soll die Siege nicht vorwegnehmen. Das nützt der Heimat nicht und schadet der Front. Aus militärischen Kreisen wird deshalb auch lebhafter Unwille darüber geäußert. Die Herren im OKW sind außeror- dentlich bestürzt .“ So12.10.: Die SS und das Polizeibataillon 133 ermorden in Stanisla wów12000Juden.

Di14.10.: ChOrpo Daluege erteilt den Befehl zur Massendeporta- tion von Juden aus dem Reich (Berlin) in die Ghettos Kowno, Litzmannstadt (Lodz), Minsk und Riga (bis 01.42).

Mi15.10.: ChRSHA Heydrich erteilt der SS-Einsatzgruppe A (Baltikum) die Weisung, daß „einheimische antisemitische Kräfte zu Pogromen gegen die Juden veranlaßt“ werden sollen. Do16.10.: Die sowjetische Rg. mit Ausnahme von Parteichef Sta- lin und das diplomatische Korps ziehen von Moskau nach Kuj- byschev an der Wolga um. Das deutsche Polizeibataillon 133 ermordet in Nadvornaja 2000 Juden. DiedeutscheWeMerobertOdessa. Sa18.10.: Bei der ersten großen Judendeportation aus Berlin wer- den 1013 Juden in Güterwaggons zum Ghetto Litzmannstadt (Lodz) transportiert. Der letzte Transport von 14 Juden von Ber- lin ins Vernichtungslager Auschwitz wird als Transport Nr. 63 erst am 05.01.45 abgehen. 369

DiebritischenundsowjetischenTruppenziehenausTeheranab.Sie beschränkensichimIranaufdieSicherungallerstrategischwichtigen Verkehrswege. Di21.10.:ErsteMassenmordAktionenderWeMinJugoslawienals „Repressalie“gegenPartisanentätigkeit:inKragujevacwerden2300,in Kraljevo2100Menschenerschossen. Sa25.10.: LS Franz Rademacher, Geheimer Bericht über seine Dienstreise v. 16.22.10.nachBelgradu.a.anStSErnstFhr.vonWeizsäcker: „ZweckderDienstreisewar,anOrtundStellezuprüfen,obnichtdas Problemder8000jüdischenHetzer,derenAbschiebungvonderGe sandtschaftgefordertwurde,anOrtundStelleerledigtwerdenkönne. DieersteAussprachemitGes.BenzlerundStR[Harald]Turnerauf der Dienststelle des Militärbefehlshabers von Serbien ergab, daß be reitsüber2000dieserJudenalsRepressaliefürÜberfälleaufdeutsche Soldatenerschossenwaren.AufAnordnungdesMilitärbefehlshabers sindfürjedengetötetendeutschenSoldaten100Serbenzuerschießen. ImVollzugediesesBefehlswurdenzunächstdieaktivenkommunisti schenFührerserbischerNationalitätetwa50anderZahlunddann laufendJudenalskommunistischeHetzererschossen. Im Verlaufe der Aussprache ergab sich, daß es sich von vornherein nichtum8000Judenhandelte,sondernnurumrund4000,vondenen außerdem nur 3500 erschossen werden können. Die restlichen 500 benötigtdieStapo,umdenGesundheitsundOrdnungsdienstindem zuerrichtendenGhettoaufrechtzuerhalten... In der ersten Aussprache gab StR Turner in bitteren Worten seiner EnttäuschungdarüberAusdruck,daßdenerstenHilferufennichtun mittelbarFolgegeleistetwar.DieLagewäresehrprekärgewesen,erst durchdasEingreifenderdeutschenDivisionenseisieetwasgebessert worden. Ich habe die Gründe auseinandergesetzt, weshalb die Juden weder nachRumäniennochindasGenGouvoderindenOstenabgescho ben werden konnten. StRTurnerkonntesichdiesenGründennicht verschließen.ErforderteabernachwievordieAbschiebungderrest lichenJudenausSerbien. 370

InseinzelnegehendeVerhandlungenmitdenSachbearbeiternderJu denfrage,[SS]StbFWeimannvonderDienststelleTurner,demLeiter der StapoStelle, [SS]StdF Fuchs und dessen Judenbearbeitern erga ben: 1)DiemännlichenJudensindbisEndedieserWocheerschossen,da mitistdasindemBerichtderGesandtschaftangeschnitteneProblem erledigt. 2) Der Rest von etwa 20000 Juden (Frauen, Kinder und alte Leute) sowierund1500Zigeuner,vondenendieMännerebenfallsnocher schossenwerden,sollteimsogenanntenZigeunerviertelderStadtBel grad als Ghetto zusammengefaßt werden. Die Ernährung für den Winterkönntenotdürftigsichergestelltwerden. IneinerSchlußbesprechungbeiStRTurnerwardieserbereit,einesol che Lösung grundsätzlich zu akzeptieren. Das Zigeunerviertel der StadtBelgradistabernachseinerAnsichteinabsoluterSeuchenherd undmußaushygienischenGründenniedergebranntwerden.Eskäme nuralsÜbergangsstationinFrage. DieJudenundZigeuner,dienichtalsRepressalieerschossenwerden, sollen daher zunächst im Zigeunerviertel zusammengefaßtunddann nachts zur serbischen Insel Mitrovica abtransportiert werden. Dort werdenzweigetrennteLagererrichtet.IndemeinensollendieJuden undZigeunerundindemanderen50000serbischeGeiselnunterge brachtwerden.SobalddannimRahmenderGesamtlösungderJuden frage die technische Möglichkeit besteht, werden die Juden auf dem WasserwegeindieAuffanglagerimOstenabgeschoben. Meinen Gesamteindruck in der Angelegenheit möchte ich dahin zu sammenfassen, daß die Belgrader Dienststellen unter dem Eindruck destäglichheftigerwerdendenAufstandes,wobeizeitweiligdieStadt Belgradselbstbedrohtwar,dieganzeFragezunächstzuschwarzge sehenhaben,daßaußerdemdieGesandtschaftunddieörtlichenSta poStellennichtderartigengzusammenarbeiten,wieessachlicherfor derlichist. Ges. Benzler, mit dem ich diese Frage anschnitt, bestätigte meinen Eindruck.Ersagte,erverhandlenichtmehrmitStdFFuchs.Diesha beseinenGrunddarin,daßFuchsinderFragederFreimaurerlistenil loyal gehandelt habe. Zunächst hätte er die von ihm gewünschten Freimaurerlisten überhaupt nicht herausgegeben. Auf sein Drängen 371

hätteerdanneineListe,dieunvollständigundunrichtiggewesensei. SohättenaufderListefalscheNamengestanden,einigeLeuteseien nurmitdemVornamenaufgeführt,außerdemseienaufderListeder PrinzregentundderfrühereIMZwetkowitsch[Cvetkovic]erfaßtge wesen,obwohlderStapobekanntgewesenwäre,daßdieListedazu dienensollte,dieFreimaurerzuerfassen,diefürRepressalieninFrage kämen. Seit dieser Zeit wende er sich nur noch an StR Turner unmittelbar, demFuchsbiszueinemgewissenGradeunterstelltist.Mirselbstsind StdF Fuchs und seine Sachbearbeiter stets hilfsbereit entgegenge kommen,habenmirEinblickinihreVorgängegewährtundgutmit mirzusammengearbeitet. DieAussprachemitStbFWeimann,derTurnerunterstelltist,ergab, daß bei den unmittelbaren Sachbearbeitern und ausführenden Orga neneineörtlicheLösungderFrageimGegensatzzuTurnerselbstop timistischbeurteiltwerde. Esistdaherzweifelhaft,obdieMethode,nurmitStRTurnerzuver handeln,imvorliegendenFallediezweckmäßigstewar.“ BisOktobererreichtdiemonatlicheZahlderGestapoVerhaftungen über15000Personen,dasZehnfachederZahlenvon1935/36. Fr31.10.: U„FrauensinddochbessereDiplomaten“BerlinCapitolamZooP Ufa R Georg Jacoby M Franz Grothe D Marika Rökk (MarieLuise Pally)WillyFritsch(RittmeistervonKarstein)AribertWäscher(Land graf) Hans Leibelt (Geheimrat Berger) Ursula Herking (Mariechen) CarlKuhlmann(Lambert) Mi05.11.: Ernst Jünger, Paris, Tgb. v. 05.11.: „Roland, aus Rußland zurückkehrend, berichtet über den schauerlichen Mechanismus der Tötung von [sowjetischen Kriegs-] Gefangenen. Man gibt vor, sie messen und wiegen zu wollen, läßt sie die Kleider ablegen und führt sie vor den ‚Me- ßapparat’, der in Wirklichkeit das Luftgewehr einstellt, das den Genickschuß erteilt.“ 372

Fr07.11.:DerLendLeaseActderUSAwirdaufdieUdSSRausge dehnt, die seit Ende August geheim laufende Lieferung von US Rüstungsgüternistdamitoffiziell. Ein SSEinsatzkommando und das deutsche Polizeibataillon 96 er schießenbeieinemzweitägigenMassakerinRovno21000Juden. Ein SSKommando unter SSPF Carl Zenner ermordet in einer bis Di11.11.dauerndenAktionzusammenmitdeutscherOrposowierus sischen und ukrainischenSchutzmannschaftsBataillonen6624Juden desGhettosMinsk. Sa08.11.: Abend. FRK Hitler hält im Münchner Löwenbräukeller zum 18. Jahrestag des Bürgerbräu-Putschversuchs eine Anspra- che an die „alten Kämpfer“ der NSDAP. Hitler bezeichnet die Juden als die „Schuldigen“ am Krieg, als die „Weltbrandstifter“, die zuerst „Polen vorgeschoben“ hätten, „später Frankreich, Belgien, Holland und Norwegen“, auch England und die Sow- jetunion, die „der größte Diener des Judentums“ sei. So09.11.:RundschreibenvonChSipo+SDReinhardHeydrichanalle StapoLeitstellen, Befehlshaber, Kommandeure und Inspekteure der SipounddesSDsowieanalleKommandantenderKLunddenIn spekteurderKL:„Insbesondereistfestgestelltworden,daßbeiFuß märschen,zumBeispielvomBahnhofzumLager,einenichtunerheb liche Zahl von Gefangenen wegen Erschöpfung unterwegs tot oder halbtotzusammenbricht...Esistnichtzuverhindern,daßdiedeutsche BevölkerungvondiesenVorgängenNotiznimmt.“ FRKHitlersprichtimMünchnerBraunenHauszudenRLundGL derNSDAP.Erhältein„Scherbengericht“überdenGLWestfalen Süd,JosefWagner(Bochum),unddiereligiösenÄußerungenvondes senFrau,sowieüberdenehemaligenOSAFFranzPfeffervonSalo mon.FernerermahnterdieParteiführerzuunnachgiebigerKriegfüh rung. JosephGoebbels,München,Tgb.v.10./09.11.: „DannsprichtderFvordemkleinenKreisderRLundGL…Dem KriegundseinenErfordernissengegenüberdürfeesüberhauptnicht denGedankeneinerNachgiebigkeitgeben.Erwerdeihnsolangefort 373

setzen,bisermitSiegbeenedetwerde;undsollteeinmaleineschlim meKriseüberdasVaterlandhereinbrechen,sowerdemanihnbeider letztenDivisionsehen…WasdieNiederwerfungderSowjetunionfür unsbedeutenwird,seiimAugenblicknochgarnichtzuübersehen.Sie bietefürunsLandinungeahntemAusmaße.DiesesLand,daswirmit demBlutedeutscherSöhneeroberten,werdeniemalswiederhergege ben werden. Hier sollten später einmal Millionen deutscher Bauern familienangesiedeltwerden…“ ImNovemberermordendieDeutschenbeizweiMassakerninMinsk 19000Juden. So16.11.: Joseph Goebbels: Die Juden sind schuld!, Das Reich v. 16.11. [ s. RedevonFRKHitlerv.08.11. ]: An den Juden bewahrheitet sich jetzt [mit den Massendeportati- onen nach Osten] die Prophezeiung, „die der Führer am 30. Ja- nuar 1939 im Deutschen Reichstag aussprach, daß, wenn es dem internationalen Finanzjudentum gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein werde, sondern die Vernichtung [! – A.B.] der jüdischen Rasse in Europa. Wir erleben gerade den Vollzug dieser Prophe- zeiung, und es erfüllt sich am Judentum ein Schicksal, das zwar hart [! – A.B.], aber mehr als verdient ist.“ Di18.11.:DerfürdieAufrüstungderLuftwaffezuständigeGObErnst Udeterschießtsich. Sa22.11.: StS Ernst Fhr. von Weizsäcker, Notiz zur Belgrader Judenfrage v. 22.11.: „DerFührererlaßvom28.04.ds.Js.bestimmt,daßderBevollmächtig tedesAA[Ges.Benzler]fürdieBehandlungallerinSerbienauftau chendenFragenaußenpolitischenCharakterszuständigist.Insbeson dere(d.h.alsoimRahmenderaußenpolitischenTätigkeitdesBevoll mächtigten)istesseineAufgabe,einedenpolitischenInteressendes 374

ReichsabträglicheBetätigungserbischerpolitischerElementezuver hindern. DemnachhatderGes.BenzlerundmitihmdasAAsichmitdemAb transportvonJudenausSerbiennachanderenLändernzubefassen. DagegengehtesüberBenzlersunddesAAAufgabehinaus,darinak tiv mitzuwirken, wie die dafür zuständigen militärischen [Militärbe fehlshaber]undinneren[StapoundSD]InstanzendasJudenproblem innerhalb der serbischen Grenzen bewältigen. Sie erhalten ihre In struktionenhierfürbekanntlichaufanderemWegealsdurchdasAA. IchhabedemGes.Benzlerheutemündlichdasselbegesagt.Eswird sichempfehlen,ihnnochentsprechendschriftlichzuunterrichten.“ So23.11.: Juden ab 6 Jahren müssen im Generalgouvernement den gelbenSterntragen.

Di25.11.: Eine VO entzieht den zur Deportation bestimmten deutschen Juden die Staatsangehörigkeit und beschlagnahmt ihr gesamtes Vermögen inklusive Konten und Depots. Ein kleiner Teil der Konten und Wertpapierdepots wird allerdings von den Banken weitergeführt. Mi26.11.:DieSSerrichtetdasKZAuschwitzII(Birkenau). ImNovemberundDezemberkommenbeiMordaktionenderSSund desPolizeibataillons13imMlawaBezirk12000Juden,beiMordakti onendesPolizeibataillons22undandererdeutscherEinheiteninRiga (So30.11./Mo08.12./Di09.12.)über25000JudenumsLeben. Mo01.12.: ImDezemberbeginntdasPolizeibataillon3mitseinenMordaktionen undDeportationeninderUdSSR,deneninsgesamtüber100000Ju denzumOpferfallen. Mi03.12.:ErlaßzurVereinfachungundLeistungssteigerungderRüs tungsproduktion. fordert eine Rationalisierung der Fertigungsmetho den. 375

Fr05.12.: Der deutsche Angriff auf Moskau , insbesondere der Vormarsch einer Panzereinheit von Istra in die Vororte von Moskau, ist nach Raumgewinnen steckengeblieben.

Sa06.12.: Die UdSSR-Gegenoffensive vor Moskau beginnt, zwingt die Deutschen zum Rückzug und offenbart das Scheitern des beabsichtigten Blitzfeldzugs, da das deutsche Heer auf ei- nen Winterkrieg nicht vorbereitet ist. Es ist der 1. entscheidende Wendepunkt im UdSSR-Feldzug.

So07.12.: Auch auf Drängen Deutschlands (AM Ribbentrop) überfällt Japan mit seiner Marine und Luftwaffe die Flotte der USA in Pearl Harbor. NachtundNebelerlaßfürdiebesetztennordundwesteuropäischen Gebiete(außerDänemark):StraftätergegenDeutschesindheimlichin KZeinzusperren,wennnichtsicherdasTodesurteildes gerichtszuerwartenist. Mo08.12.: Die SS errichtet das erste Vernichtungslager in Kulm- hof/Chelmno und beginnt sofort mit der systematischen Er- mordung von Juden aus dem Warthegau (zunächst aus dem Getto Litzmannstadt/Lodz) in Gaswagen, wobei Auspuffgase aus Dieselmotoren verwendet werden. Mi10.12.: FRK Hitler revidiert seine Grundsatzentscheidung vom 14.07. und befiehlt, den Rüstungsschwerpunkt von Luftwaffe und Marine (anvisierter Hauptgegner: Großbritannien) wieder auf das Heer zurückzuverlagern (anvisierter Hauptgegner: UdSSR).

Do11.12.: Deutschland erklärt als Verbündeter Japans den USA den Krieg. Fr12.12.:JudendürfenöffentlicheTelefonenichtmehrbenutzen. 376

Di16.12.: FRK Hitler verbietet im UdSSRFeldzug jeden operativen Rückzug. GGouvHansFrank,Tagebuchv.16.12.: „DieJudensindauchfürunsaußergewöhnlichschädlicheFresser.Wir habenimGeneralgouvernementschätzungsweise2500000.“

Fr19.12.: FRK Hitler entläßt wegen der Rückschläge im UdSSR- Feldzug, vor allem des gescheiterten Ansturms auf Moskau, OBH GFM Walther von Brauchitsch (Offiziell: „Wegen eines schweren Herzleidens“). Er übernimmt selbst den Oberbefehl über das Heer und ist damit FRK+OBW+OBH, also Staatschef, Regierungschef, Parteichef, Wehrmachtschef und Heereschef. Hitlers unmittelbare Assistenten in diesen fünf Funktionen sind RM Meißner, RM Lammers, RM+RL Bormann, ChOKW Keitel und ChGStH Halder (s. 24.09.42). Die von Hitler selbst verant- worteten Angriffsoperationen des Heeres sind von nun an mehr denn je durch eine weite Überdehnung der Nachschublinien gekennzeichnet, die eine wesentliche Ursache der kommenden Niederlagen sein wird. FRK+OBW+OBH Hitler, Aufruf an die Soldaten der Ostfront v. 19.12.: „Die Armeen im Osten müssen nach ihren unvergänglichen und in der Weltgeschichte noch nie dagewesenen Siegen gegen den gefähr lichstenFeindallerZeitennunmehrunterderEinwirkungdesplötzli chen [!] Wintereinbruchs aus dem Zug der Bewegung in eine Stel lungsfrontgebrachtwerden...MeineSoldaten!Ihrwerdetes...verste hen,daßmeinHerzganzeuchgehört,daßmeinVerstandundmeine EntschlußkraftabernurdieVernichtungdesGegnerskennen,d.h.die siegreicheBeendigungdiesesKrieges...DerHerrgott[!]wirddenSieg seinen[!]tapferstenSoldatennichtverweigern!“ So21.12.:DerMRimRIMundKommentatorderNürnbergerGeset ze,Dr.iur.BernhardLösener,übergibtStSWilhelmStuckartseinEnt lassungsgesuch: „...Ich ließ mich daher am 21.12.1941 bei Stuckart dringendmeldenundtrugihmfolgendesvor:ichsagte,meinMitar beiter, Dr. Feldscher, habe von einem völlig vertrauenswürdigen FreundalsAugenzeugeeineSchilderungbekommen,inwelcherWeise 377

letzthin abtransportierte Juden in Riga abgeschlachtet worden seien. DemInhaltnachsagteichfolgendes:DieJudendesbetreffendenLa gersmußtenlangeGräbenalsMassengräberausheben,sichdannvöl ligentkleiden,ihreabgelegtenSacheninbestimmteHaufensortieren undsichdannnackendaufdenBodendesMassengrabeslegen.Dann wurden sie von SSLeuten mit Maschinenpistolen umgebracht. Die nächsteGruppederzumTodeVerdammtenmußtesichdannaufdie bereits Hingerichteten legen und wurde in derselben Weise erschos sen. Dies Verfahren wurde fortgesetzt, bis das Grab gefüllt war. Es wurdedannmitErdezugeworfenundeineDampfwalzedarübergelei tet,umeseinzuebnen.IndieserWeisewurdensämtlicheMassengrä ber gefüllt. Ich sagte Stuckart, daß diese Greuel mich nicht nur als Menschenberührten,wieesbeisonstigenGreuelnderFallwar,son derndaßichdiesmalauchalsReferentdesIMbetroffenwurde,daes sichdiesmalumJuden deutscher Staatsangehörigkeithandelte.Meinen VerbleibinmeinerbisherigenStellungundimMinisteriumkönnteich fortan nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, auch auf die Gefahrhin,daßsichdiebisherigeHandhabungderMischlingsund Mischehenfrage nicht mehr halten lasse. Stuckart entgegnete hierauf wörtlich:‘HerrLösener,wissenSienicht,daßdasallesaufhöchsten Befehlgeschieht?’Ichentgegnete:‘IchhabeinmirinneneinenRich ter,dermirsagt,wasichtunmuß.“ Mi31.12.:DieUdSSRhatbisher3,35MioSoldatenalsKriegsgefange neverloren(bisKriegsendenochmals2,4Mio3,3Miovon5,75Mio sowjetischenSoldatensterbenindeutscherGefangenschaft). 1942 Do01.01.: Nach einer Zwischenbilanz hat die SS-Einsatzgruppe A (Baltikum) insgesamt 229052 Juden erschossen. Insgesamt werden von allen Einsatzgruppen über 1 Mio Juden erschossen. Im Januar ermordendieDeutschenbeiMassakerninCharkov10000 bis20000Juden.DieSSwandeltdasKZAuschwitzII(Birkenau)in daszweiteundgrößteVernichtungslagerum. 378

Ab Januar formiert sich die Führung („Kretsen“) des norwegischen Widerstands unter Paal Berg, der von Nygaardsvold als Chef der „Heimatfront“anerkanntwird. Fr09.01.:DerDeutscheWochendienst(DW)untersagtinAnweisung Nr.5990,beiderBekämpfungderJudenBezügezurchristlichenReli gionherzustellen. Sa10.01.:DieVerantwortlichendervonMaxWinklerkurzzuvorge gründetenFilmFinanzGmbHerhöhendasStammkapitalauf65Mio RMundbenennendieGesellschaftinUfaFilmGmbH(Ufi)um.Es ist vorgesehen, „daß die Haltegesellschaft [Ufi] die Filmherstellung unmittelbar, die wirtschaftlichen und technischen Gemeinschaftsauf gaben, die der Filmherstellung und –auswertung dienen, mittelbar überdieUfaAG“verwaltet.DasgesamteProduktionskapitalvonUfa, TobisGruppe, Terra, Bavaria und WienFilm ist damit unter einer Holdingvereint.EineWochespäterwirdderProduktionsbetriebder alten Ufa als UfaFilmkunstGmbHausgegliedert,deraltenUfaAG verbleibendieHerstellungvonWochenschau,Kultur,wissenschaftli chenundIndustriefilmensowieVerleihundVertrieb.DieUfigiltals „Führungsorgan des Reichsbeauftragten für die deutsche Filmwirt schaftsowiederneuinsLebengerufenenEinrichtungdesReichsfilm intendanten“(HansTraub1943).

Di20.01.: Wannsee-Konferenz im Gebäude der Internationalen -Kommission Am Großen Wannsee 56-58: Unter Leitung von ChRSHA+ ChSipoSD Reinhard Heydrich koordi- nieren 15 NSDAP-Funktionäre und Ministerialbeamte Maß- nahmen zur „Endlösung der Judenfrage“ (Heinrich Müller und Adolf Eichmann für das RSHA, SS-GF Hofmann für das Rasse- und SiedlungsHA, Eberhard Schoengarth und SS-StbF Lange für die Sipo, SS-OGF Klopfer für die Parteikanzlei, MD Kritzin- ger für die Reichskanzlei, Alfred Meyer und Georg Leibbrandt für das RMO, Wilhelm Stuckart für das RIM, Roland Freisler für das RJM, Erich Neumann für den BVJP, StS Josef Bühler für das GenGouv und Franz Luther für das AA): Heydrich eröffnet der Runde, daß VorsMR/RV Hermann Göring ihn zum „Beauftrag- 379

ten für die Vorbereitung der Endlösung der europäischen Juden- frage“ (BEJ) ernannt hat und die „Federführung“ für den Mas- senmord bei RFSS Himmler liegt. Arbeitsfähige Juden sollen in den besetzten Ostgebieten im Straßenbau verwendet werden und dabei durch „natürliche Verminderung“ ausgerottet wer- den, die übrigen Juden müßten „entsprechend behandelt wer- den“. Europa werde nach Juden „im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung...von Westen nach Osten durch- kämmt“. Die „Endlösung“ soll nun auf die NS-Satellitenländer ausgedehnt werden. Für ältere und kriegsverdiente Juden soll das KZ Theresienstadt gegründet werden, wohin die Juden nicht zu „evakuieren“ [Ziel: baldige Ermordung], sondern zu „über- stellen“ [Ermordung erst später] seien. Theresienstadt soll vor allem der Täuschung der internationalen Öffentlichkeit dienen (Besuch des Roten Kreuzes noch 1942). Von den 141000 nach Theresienstadt gebrachten Juden werden nur 23000 überleben, 33000 in Theresienstadt selbst und 85000 in Auschwitz, Lublin, Minsk und Riga sterben. So25.01.:DiedeutscheVerwaltungmußPersonalanWehrmachtund Rüstungsindustrieabgeben. Do29.01.:DeutschlandundItalienerobernBenghasi(Libyen). Fr30.01.: FRK Hitler wiederholt in einer Rede vor dem RT seine Vernichtungsdrohungen gegen die Juden vom 30.01.39 und 30.01.41. So01.02.:DasSSHAWirtschaftundVerwaltungunterSSOGFOs wald Pohl wird umgebildet für die Verwaltung von Konzentrations und Vernichtungslagern, insbesondere zur Verwertung der Haare, KnochenundGoldzähnederErmordeten. BildungderNorwegischenNationalRegierungunterVidkunQuisling, diedefactoRkomTerbovenunterworfenbleibt. ImFebruarlöstGenKarlHeinrichvonStülpnagelOttovonStülpna gelalsMBFrankreichab. 380

ImFebruarzerschlägtdieGestapodieumfangreichekommunistisch nationalrevolutionäre Widerstandsorganisation um RobertUhrigund BeppoRömer,eskommtzu45Todesurteilen. Sa07.02.: Deutschland und Italien erobern El Gazala (Libyen) und marschierenaufTobruk,dasebenfallsbaldfällt. So08.02.:BeimAbflugvomFHQFlugplatzRastenburgstürztdas FlugzeugvonRMBMFritzTodtaus400mHöheab.AlleInsassen werdenbeidemmöglicherweisedurcheinenSprengsatzverursachten Unglückgetötet.AlbertSpeerwirdNachfolgerTodtsalsRMBM.Er bautdieRüstungslenkungausundkanndiebisdatoineffektivePro duktionwesentlichsteigern,aberdenVorsprungderalliiertenRüstung nichtentscheidendverringern. Do12.02.:15Uhr.ImMosaiksaalderBerlinerReichskanzleifindetin Gegenwart der gesamten Prominenz von Staat, NSDAP und WeM derTraueraktfürRMBMTodtstatt.FRKHitlerhältdieTrauerrede. Sa14.02.: Der nationalpolnische Untergrund wird zur Heimatarmee (ArmiaKrajowa)zusammengefaßt,diederLondonerExilRg.Sikorski untersteht und mit der geheimen Volksarmee (Armia Ludowa) der Kommunistenkonkurriert. So15.02.: JudendürfenkeineHaustieremehrhalten. Nachmittag.FRKHitlerhältimBerlinerSportpalasteineöffentli che Ansprache vor 10000 Offiziersanwärtern der WeM. Hitler gibt seiner Entschlossenheit Ausdruck, mit den Juden in Europa „rück sichtslos aufzuräumen“: „Meine Prophezeiung wird ihre Erfüllung finden,daßdurchdiesenKriegnichtdiearischeMenschheitvernich tet,sondernderJudeausgerottet werdenwird.Wasimmerauchder Kampfmitsichbringenoderwielangeerdauernmag,dieswirdsein endgültigesErgebnissein.“ Di17.02.: Juden dürfen keine Zeitungen und Zeitschriften mehr besitzen. 381

Do19.02.: JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.19.02.: „VonAttentatensollmanimKriegewederimnegativennochimpo sitiven Sinne reden. Es gibt gewisse Worte, die wir scheuenmüssen wiederTeufeldasWeihwasser;dazugehörenz.B.dieWorte‘Sabota ge’und‘Attentat’.MandarfsolcheBegriffegarnichtindenAlltags jargonübergehenlassen.“ Mo02.03.:LandesbischofWurmwendetsichineinerDenkschriftan Hitlergegenden„Kulturkampf“derNSDAP. ImMärzbeginnenimVernichtungslagerAuschwitzBirkenaudiesys tematischenVergasungenvonJudenausWest,SüdundSOEuropa. Di03.03.: Abend. Britische Bomber attackieren Rüstungsbetriebe in Paris,vorallemdieRenaultWerke. Fr06.03.: Ernst Jünger, Paris, Tgb. v. 06.03.: „Mittags mit Mossakowski, dem früheren Mitarbeiter von Cella- ris [=ChAbwWeM Canaris?], bei Prunier. Wenn ich ihm Glau- ben schenken soll, so gibt es in den großen Schinderhütten, die in den östlichen Randstaaten errichtet worden sind, einzelne Schlächter, die so viel Menschen mit eigener Hand getötet ha- ben, wie eine mittlere Stadt Einwohner zählt. Solche Nachrich- ten löschen die Farben eines Tages aus. Man möchte die Augen vor ihnen schließen, doch ist es wichtig, daß man sie mit dem Blick des Arztes betrachtet, der eine Wunde prüft. Sie sind Sym- ptome des ungeheuren Krankheitsherdes, den es zu heilen gilt – von dem ich glaube, daß er heilbar ist. Wenn ich die Zuversicht nicht hätte, würde ich unmittelbar ad patres gehen. Natürlich sitzt das viel tiefer als im Politischen. Dort ist die Infamie durchgehend.“ Fr13.03.:JudenmüssenihreWohnungenkennzeichnen. 382

Mo16.03.: Das SSHA Wirtschaft und Verwaltung übernimmt die VerwaltungderKZundVernichtungslager.Ihmunterstehenauchdie SSeigenen,überwiegendmitKZHäftlingenbetriebenenWirtschafts unternehmen(Baustoffe,Rüstung,Mineralwasseru.a.). Di17.03.:DerSSundPolizeiführerimDistriktLublin,SSBFOdilo Globocnik, beginnt mit der „Aktion Reinhard“. DieSSeröffnetdas dritteVernichtungslagerBelzecundbeginntsofortmitdermassenhaf tenVergasungvonJudenausdenGhettosSüdpolens.Dortundspäter indenVernichtungslagernSobiborundTreblinkasollendiezweiMil lionenJudendesGeneralgouvernementsermordetwerden. Sa21.03.:EineVOHitlerssprichtderRüstungswirtschaftunbedingten Vorrang beim Arbeitskräfteeinsatz und bei der Verteilung von Roh stoffenundErzeugnissenzu.DieBewirtschaftungwirdaufeineneue Grundlage gestellt. GL Fritz Sauckel erhält als GenBev für den Ar beitseinsatzweitgehendeVollmachten,Fremdarbeiterausdenbesetz ten Gebieten zwangsweise in Deutschland einzusetzen, Ende 1944 sindes7,5Mio. So22.03.: Hirtenwort der katholischen Bischöfe wider den „Kampf gegenChristentumundKirche“.

Do26.03.: RMVP Goebbels lobt in seinem Tagebuch die Verga- sungen der Juden als „unauffälliges“ Verfahren. Joseph Goebbels, Tgb. v. 27./26.03.: „Aus dem GenGouv werden jetzt, bei Lublin beginnend, die Ju- den nach dem Osten abgeschoben. Es wird hier ein ziemlich barbarisches und nicht näher zu beschreibendes Verfahren [ge- meint sind die Vergasungen] angewandt, und von den Juden selbst bleibt nicht mehr viel übrig. Im großen und ganzen kann man wohl feststellen, daß 60% davon liquidiert werden müssen, während nur noch 40% in die Arbeit eingesetzt werden können.. Der ehemalige GL von Wien [Odilo Globocnik; 1938 GL Wien, 1939 SSPF Lublin, 1942 L/KZ Treblinka, 1943 L/KZ Majdanek], der diese Aktion durchführt, tut das mit zeimlicher Umsicht und auch mit einem Verfahren, das nicht allzu auffällig wirkt. An den 383

Juden wird ein Strafgericht vollzogen, das zwar barbarisch ist, das sie aber vollauf verdient haben. Die Prophezeiung, die der Führer ihnen für die Herbeiführung eines neuen Weltkrieges mit auf den Weg gegeben hat, beginnt sich in der furchtbarsten Weise zu verwirklichen. Man darf in diesen Dingen keine Sen- timentalität obwalten lassen. Die Juden würden, wenn wir uns ihrer nicht erwehren würden, uns vernichten. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod zwischen der arischen Rasse und dem jüdi- schen Bazillus. Keine andere Regierung und kein anderes Re- gime konnte die Kraft aufbringen, diese Frage generell zu lösen. Auch hier ist der Führer der unentwegte Vorkämpfer und Wort- führer einer radikalen Lösung, die nach Lage der Dinge geboten ist und deshalb unausweichlich erscheint. Gott sei Dank [!] ha- ben wir jetzt während des Krieges eine ganze Reihe von Mög- lichkeiten, die uns im Frieden verwehrt wären. Die müssen wir ausnützen. Die in den Städten des GenGouv freiwerdenden Ghettos werden jetzt mit den aus dem Reich abgeschobenen Ju- den gefüllt, und hier soll sich dann nach einer gewissen Zeit der Prozeß erneuern. Das Judentum hat nichts zu lachen, und daß seine Vertreter heute in England und in Amerika den Krieg ge- gen Deutschland organisieren und propagieren, das müssen seine Vertreter in Europa sehr teuer bezahlen, was wohl auch als berechtigt angesehen werden muß.“ EndeMärzorgansiertdiedeutscheRg.dieerstenTransportevonJu den aus Westeuropa und Deutschland ins Vernichtungslager Ausch witz. Mi01.04.: ImFrühjahrbeginnendieFlugblattaktionenderWeißenRoseinMün chen,einerstudentischenWiderstandsgruppeinkatholischbündischer Tradition. ImFrühjahrzerschlägtdieGestapodievonNeuBeginnen(Waldemar vonKnoeringen)initiiertenWiderstandsorganisationen„Revolutionä reSozialisten“inBayernundÖsterreich. 384

Sa18.04.:LavallöstwiederDarlanalsPMderfranzösischenVichyRg. ab. Mi22.04.: Auf Initiative von RMBM Speer wird die „Zentrale Pla nung“ als überministerielle Koordinations und Lenkungsinstanz zur VerteilungvonRohstoffenundEnergiegeschaffen.

So26.04.: Nachmittag. Der RT erteilt in der Berliner Krolloper FRK Hitler die Vollmacht, bei der Ahndung von „Pflichtverlet- zungen“ als „oberster Gerichtsherr“ die „bestehenden Rechts- vorschriften“ zu brechen . Hitler selbst verkündet in einer An- sprache (seiner letzten vor dem RT !) sein Recht, jeden Richter und Beamten zu entlassen oder zum Rücktritt zu zwingen. Er macht den „seit über 140 Jahren nicht erlebten“ Winter zur Ur- sache des gescheiterten Ostvormarschs der WeM. Das begin- nende Frühjahr werde „die Front wieder aus ihrer Erstarrung lö- sen“, und „dann wird die Geschichte entscheiden, wer in diesem Winter gesiegt hat“. Mi29.04.:IndenNiederlandenwirdderJudensterneingeführt. Do30.04.:MobilisierungallerKZHäftlingefürdieWehrwirtschaft. Fr01.05.: Do07.05.:DieSSeröffnetdasvierteVernichtungslagerinSobibórund beginntmitdenMassenvergasungenderJudenausdenGhettosSüd polens. Di12.05.:Judendürfenkeine„arischen“Friseuremehrbesuchen. So17.05.:Mutterschutzgesetz. Mi27.05.: Zwei Fallschimspringern der tschechischen Streitkräf- te des britischen Exils gelingt es bei einem Bombenanschlag in Prag, StvRProt/BöMä+ ChRSHA+BEJ Reinhard Heydrich le- 385

bensgefährlich zu verletzen. Die Attentäter werden von der SS in der Kirche St. Karl Borromäus gefunden und erschossen.

ImMaiverfügtdieWaffenSSüber147000Mann,74000mehralsim Vorjahr.

So31.05.: In der Nacht zu heute stecken 1000 viermotorige briti- sche Bomber unter dem Befehl von Comdg AirGen Arthur Har- ris beim bisher größten, 90 Minuten dauernden Luftangriff die Kölner Innenstadt fast vollständig in Brand. Sie legen die Tele- fon- und Telexverbindungen der Stadt lahm. Es ist der erste 1000-Bomber-Angriff der Briten. 40 Bomber werden von den Deutschen abgeschossen, ferner 45 schwer beschädigt, von de- nen 12 bei der Landung zu Bruch gingen. Nach offiziellen An- gaben gibt es in Köln 474 Tote, über 5000 Verletzte und 45000 Obdachlose. Der deutsche Luftwaffenführungsstab behauptet, es hätten nur 70 Bomber angegriffen, womit eine über 50prozentige Abschußquote suggeriert werden soll. Doch nicht einmal FRK Hitler und RMVP Goebbels glauben an OBL Gö- rings Zahlen. Die SS errichtet das Konzentrationslager Auschwitz III (Mono- witz), das ein Arbeitslager des Buna-Werks der IG Farben ist und zur Zentrale des Außenkommandos Auschwitz I (Vernich- tungslager) wird. JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.01.06./31.05.: „MorgensfrühkommenNachrichtenübereinenmassivenLuftangriff derEngländeraufKöln.Esistzuerstnichtmöglich,nähereUnterla gen dafür zu bekommen,dasowohldieTelefonalsauchdieFern schreibverbindungennachKölnabgerissensind.Darausschonkann aufdieWuchtdesNachtangriffsschließen.ImLaufedesMittagsbe kommenwirdannnähereNachrichten,dieausweisen,daßessichum einen der größten Angriffe – wenn nicht überhaupt den größten – handelt,diedieEngländerbisheraufdeutschesReichsgebietgeflogen sind.KölnistanvielenStellenzerstört.EswüteneineUnmengevon GroßundKleinbränden.WennauchderLuftwaffenführungsstabdie DingenichtsodramatischsiehtwiedieKölnerGL,somußmansich dochdarüberimklarensein,daßhierVerheerungenangerichtetwor 386

densind,dieallesbisherigeMaßweitüberschreiten...DerLuftwaffen führungsstabstehtaufdemStandpunkt,eshabesichum70Flugzeuge gehandelt.DavonkannnatürlichkeineRedesein.Ichschätzeaufetwa 250bis300angreifendeBomber,unddieseSchätzungwirdauchvom Führergeteilt.“ Mo01.06.:

Im Juni beginnen in den Vernichtungslagern die Massenmord- aktionen mit dem Blausäuregas sowie die Deportatio- nen von Juden aus Deutschland in das „Altersghetto“-KZ The- resienstadt. Im Juni beginnt ein SS-Sonderkommando damit, die Leichen der Massenexekutionen systematisch zu exhumieren und zu verbrennen, um jegliche Spuren des Judenmordes zu verwi- schen. Do04.06.: 9.30 Uhr. StvRProt/BöMä+ChRSHA+BEJ Reinhard Heydrich erliegt in Prag den Verletzungen, die er acht Tage zu- vor bei dem Attentat erlitten hat. Sa06.06.: Im besetzten Frankreich werden zur Umsetzung des Tragezwangs die gelben Sterne an Juden ausgegeben. Die Juden müssen dafür einen Punkt ihrer Kleiderkarte abliefern. So07.06.: HptErnstJünger,Paris,Tgb.v.07.06.: „InderRueRoyalebegegneteichzumerstenMalinmeinemLeben demgelbenStern,getragenvondreijungenMädchen,dieArminArm vorbeikamen.DieseAbzeichenwurdengesternausgegeben;übrigens mußtendieEmpfängereinenPunktvonihrerKleiderkartedafürab liefern.NachmittagssahichdenSterndannhäufiger.IchhalteDerar tiges,auchinnerhalbderpersönlichenGeschichte,füreinDatum,das einschneidet.EinsolcherAnblickbleibtnichtohneRückwirkungso genierteesmichsogleich,daßichinUniformwar.“ 387

Mi10.06.: Unter dem Verdacht, einen Heydrich-Attentäter be- herbergt zu haben, brennt die deutsche Polizei das Dorf Lidice nieder. Alle 192 Männer und 7 Frauen des Dorfes werden er- schossen, die übrigen Frauen ins KZ Ravensbrück gesperrt, die Kinder nach Deutschland verschleppt. Do11.06.:JudenerhaltenkeineKartenmehrfürRauchwaren. Fr12.06.: RFSS Himmler billigt den „“. JudenmüssenalleelektrischenundoptischenGeräte,Fahrräderund Schreibmaschinenabliefern. U„DiegroßeLiebe“[Fast28MioKinobesucherbisKriegsende, erfolgreichster Film im NSReich] Berlin UfaPalast am Zoo P Ufa DZ09/4103/42DOWienRomRRolfHansenBPeterGrollRolf HansennIdeeAlexanderLernetHoleniaKFranzWeihmayrMMi chaelJaryTBrunoBalz(‚DavongehtdieWeltnichtunter’‚Ichweiß, eswirdeinmaleinWundergeschehn’)DZarahLeander(HannaHol berg, Varietésängerin) Viktor Staal (Olt/Lw Paul Wendlandt) Paul Hörbiger(AlexanderRudnitzky,Pianist),GreteWeiser(Käthe,Zofe), HansSchwarzjr.(AlfredVanloo)WolfgangPreiss(Olt/LwEtzdorf) VictorJansonPaulBildt ObClausGf.Schenkv.Stauffenberg,BriefanGenPaulusv.12.06.: „Herr General werden am besten verstehen, wieerquickendeinBe such...dort[anderOstfront]ist,wobedenkenlosderhöchsteEinsatz gewagtwird,währendsichdieFührerundVorbilderumdasPrestige zanken oder den Mut, eine das Leben von Tausenden betreffende Antwort,jaÜberzeugungzuvertreten,nichtaufzubringenvermögen.“ So14.06.: ErnstJünger,Paris,Tgb.v.14.06.: „Nachmittags in Bagatelle. Charmille erzählte mir dort, daß man in diesenTagenStudentenverhaftete,diesichgelbeSternemitverschie denen Inschriften wie ‚Idealist’ und ähnliches angeheftet hatten, um damitaufdenChampsÉlyséesdemonstrativspazierenzugehen. DassindNaturen,dienochnichtwissen,daßdieZeitenderDiskussi onvorübersind.AuchsetzensiebeimGegnerSinnfürHumorvor aus.SogleichensieKindern,dieFähnchenschwingendinGewässern, 388

indenenHaifischeschwimmen,badengehen.Siemachensichkennt licher.“ Di16.06.: Ein großer britisch-amerikanischer Geleitzug erreicht das von der deutschen Luftwaffe unter Dauerbeschuß genom- mene Malta. Auch wenn die Alliierten dabei mehrere Kriegs- schiffe und Frachter verloren haben, gelingt es ihnen, Malta als Luft- und Seestützpunkt wieder voll zu etablieren. Vom US- Flugzeugträger Warp fliegen zahlreiche Spitfire -Jäger auf die In- sel und schießen in der Folge die deutschen Bomber vom Him- mel. Ab dieser Zeit bringen Deutsche und Italiener kaum noch Nachschub nach Afrika. Strategisch ist der Nordafrika-Krieg für die Achsenmächte verloren. Die Aktion ist der erste große ge- meinsame Erfolg der Westalliierten an der Atlantik-Front und dort das erste entscheidende Eingreifen der USA. Mo22.06.:JudenerhaltenkeineKartenmehrfürEier. Fr26.06.:DerdeutscheGes.Ludin(Preßburg)regtbeimAAtelegra fisch „Unterstützung durch scharfen diplomatischen Druck des Rei ches“an,umden„totenPunkt“beider„Evakuierung“von35000Ju denausderSlowakeiindieVernichtungslagerzuüberwinden. Ges.Ludin,TelegrammandasAAv.26.06.: „Die Durchführung der Evakuierung derJudenausderSlowakeiist imAugenblickaufeinemTotenPunktangelangt.Bedingtdurchkirch liche Einflüsse und durch die Korruption einzelner Beamter haben etwa35000JudenSonderlegitimationenerhalten,aufGrundderensie nichtevakuiertzuwerdenbrauchen.DieJudenaussiedlungistinwei ten Kreisen des slowakischen Volkes sehr unpopulär.DieseEinstel lungwirddurchdieinletztenTagenscharfeinsetzendeenglischeGe genpropagandanochverstärkt.MPTukawünschtjedoch,dieJuden aussiedlungfortzusetzenundbittetumUnterstützungdurchscharfen diplomatischenDruckdesReiches. ErbitteWeisung,obindieserRichtungverfahrenwerdensoll.“ So28.06.: Beginn der deutschen Sommeroffensive östlich von Kursk und Charkov. 389

DeutschlandundItalienüberschreitenbeiMarsaMatrukdieGrenze zumneutralenÄgypten,indemdieBritenmilitärischeReservatrechte besitzen. Mo29.06.: StSAA Ernst Fhr. von Weizsäcker gibt dem Ges. Ludin (Preßburg)dieerbetenediplomatischeUnterstützungfürdasVoran treiben der Evakuierung von 35000 Juden in die Vernichtungslager LublinMajdanekundAuschwitz. StSErnstFhr.v.Weizsäcker,Fernschr.a.d.Ges.Ludin(Preßburg)v. 29.06.: „DievomMPTukaerbetenediplomatischeHilfekönnenSieihmin derWeisegeben,daßSieStPTISOgegenübergelegentlichzumAus druckbringen,EinstellungJudenaussiedlungundinsbesonderedieim Drahtbericht geschilderte Ausschließung 35000 Juden von Abschie bungwürdeinDeutschlandüberraschen,umsomehralsdiebisherige Mitwirkung Slowakei in der Judenfrage hier sehr gewürdigt worden sei.“ Di30.06.: Die Truppen Deutschlands und Italiens unter GFM Rommel bleiben wegen Nachschubmangels bei El-Alamein ste- cken (s. 16.06.). Mi01.07.:JüdischeSchülerdürfennichtmehrunterrichtetwerden. Seit Mitte des Jahres beträgt die Zwangsarbeitszeit in den KZ 11¼ StundenproTag,5¼StundenamSonntag. So12.07.:SowjetGenAndrejVlassovwirdgefangengenommen.FRK Hitler lehnt Vlassovs Angebot, aus sowjetischen Kriegsgefangenen undÜberläuferneineprodeutscheArmeezuformieren,zunächstab. Mi15.07.: FRK Hitler setzt in der WeM „Offiziere für wehrgeistige Führung“ein. Fr17.07.:RFSSHimmlerbesichtigtdasVernichtungslagerAuschwitz BirkenauundbeobachtetschweigendeineVergasungsaktion. 390

Di21.07.: Die systematische Deportation der Juden des Warschauer GhettosindasVernichtungslagerTreblinkabeginnt. Do23.07.: Die SS eröffnet das fünfte Vernichtungslager in Treb- linka und beginnt sofort mit der systematischen Vergasung von Juden aus den Ghettos Südpolens und Warschaus. Mo27.07.: Geburtsanzeigeim Dresdner Anzeiger v.27.07.: „Volker\|/21.7.1942.InDeutschlandsgrößterZeitwurdeunserem ThorsteneinBrüderchengeboren.InstolzerFreudeElseHohmann... HansGeorgHohmann,SSUntersturmführerd.Res.Dresden,Gene ralWeverStraße.“ Di28.07.:RFSSHimmlerberuftsichineinemBriefanGottlobBerger aufdenpersönlichenBefehlvonHitler,dieJudenzuvernichten. Im SommerwandeltdieSSdasKZLublinMajdanekindassechste VernichtungslagerumundbeginntmitderMassenvergasungvonJu denundPolen. Im Juli und August stößt die Wehrmacht Richtung Stalingrad und Kaukasusvor. Do30.07.:JüdischeGemeindenmüssenKultgegenständeausEdelme tallabliefern. Sa01.08.: In der Nacht zu heute kommt der Filmregisseur Herbert Selpin in der Gestapozentrale an der Berliner PrinzAlbrechtStraße umsLeben,angeblichdurchSelbsttötung. ImAugustdeportiertdasPolizeibataillon101vonParczewaus5000 JudeninsVernichtungslager. ImAugustverhaftetdieGestaporund100MitgliederdervondenNa tionalsozialisten sog. Roten Kapelle, u.a. Olt Harro SchulzeBoysen (RLfM), ORgR Arvid Harnack (RWiM) und dessen amerikanische Frau. Die Hälfte davon wird wenig später nach der Prozeßführung 391

von Generalrichter Manfred Roeder [MR: Die rote Kapelle. 1952!!] hingerichtet. Sa08.08.:Die1.PanzerarmeeunterGenEwaldvonKleistbesetztdie vondenSowjetsunbrauchbargemachtenÖlfeldervonMaikop. Mi12.08.: Der britische PM Winston Churchill und USSoBftg Averell Harriman fliegen mit einem umgebauten B24Bomber von Ägypten aus zu einem bis Sa15.08. dauernden Arbeitsbesuch nach Moskau. Beim Treffen im Kreml legt Churchill Stalin dar, weshalb GroßbritanniennochkeinezweiteFrontimWesteneröffnethat,und daßeineOffensiveallenfalls1943möglichseinwerde,dieWestmäch te davor immerhin eine Landung an der marokkanischalgerischen Mittelmeerküsteplanten.StalinantwortetingrobemTon:„Siekönnen keine Kriege gewinnen, wenn Sie kein Risiko eingehen wollen... Sie dürfennichtsovielAngstvordenDeutschenhaben.“Nachdemsich das Gespräch festgefahren hat, macht Churchill das Angebot, daß GroßbritannienunddieUSADeutschlandverstärktund„gnadenlos“ vonFlugzeugenbombardierenlassenwolle.Stalinregtan,nebenFab rikenauchWohnhäuserzubombardieren,undmachtdetaillierteVor schläge,welcheStädtevorrangigzubombardierenseien. Do20.08.: Roland Freisler wird VoGHVors., sein Vorgänger Otto Georg Thierack löst Schlegelberger als RJM ab. Der VoGHprozes siert von 1937 bis 1944 gegen 14319 Menschen, von 1934 bis 1944 fällt er 5214 Todesurteile. Insgesamt fällen Justiz und WeMJustiz 27000 Todesurteile, neuere Schätzungen sprechen sogar von 50000 TodesurteilenderWeMJustiz. Fr21.08.: Die Vorhut der 1. Panzerarmee hißt auf dem Gipfel des 5633mhohenkaukasischenElbrusdiedeutscheHakenkreuzfahne. So23.08.: Die 6. Armee unter Gen Paulus erreicht die Volga un- mittelbar nördlich von Stalingrad. Di25.08.: Die 1. Panzerarmee unter Gen Ewald von Kleist stößt an den Terek bis nach Mosdok vor, nur 25 km von den ersten 392

Feldern des Ölzentrums Grosnij entfernt. Es ist der Endpunkt der deutschen Kaukasusoffensive. DasPolizeibataillon101deportiertvonMiedzyrzecaus10000Juden insVernichtungslager. EndeAugusternenntOB/SowjetarmeeStalinGenGeorgijSchu kov zu seinem Stv. Schukov wirddamitdefactoLeiterdersowjeti schenKriegsoperationen.StalinziehtsichausEinsichtindiegrößere FachkompetenzSchukovsvondieserAufgabezurückundermöglicht damitderSowjetarmeeeinedeutlichgesteigerteEffizienzihrerOpera tionen. Mo31.08.: FRK Hitler drängt den BH der KaukasusArmee, GFM SigmundList,mitallennochverfügbarenTruppenzudenÖlfeldern vonGrosnijvorzustoßen.DazureichennachdemAbzugder4.Pan zerarmee nach Stalingrad die Kräfte von Kleists 1. Panzerarmee bei weitemnichtmehr(s.09.09.). Di01.09.: Die 6. Armee und die 4. Panzerarmee beginnen mit dem VormarschindieVororteStalingrads(bisDi15.09.). ImSommeroderHerbstermordetdasPolizeibataillon67inderNähe vonZamosc2000Juden. Fr04.09.:DasPolizeibataillon306ermordetinLuninez2800Juden. Mi09.09.: FRK Hitler setzt den BH der Kaukasus-Armee, GFM Sigmund List, ab, weil dieser wegen der extrem angespannten Versorgung der weit vorgerückten Truppen den von Hitler ge- forderten weiteren Vormarsch ablehnt. Hitler ist entschlossen, auch ChHGSt Halder abzulösen (s. 24.09.). DasPolizeibataillon306ermordetinWysokie1400Juden. Do10.09.:DasPolizeibataillon306ermordetinDavidGorodok1100 Juden. Fr11.09.:DasPolizeibataillon306ermordetinStolin6500Juden. 393

Di15.09.: Die 6. Armee hat die Vororte Stalingrads nach hartnä- ckiger Gegenwehr der Sowjets eingenommen. Es ist der letzte Gewinn neuen Territoriums im Osten vor der großen Kriegs- wende . Mi16.09.:Die6.ArmeebeginntmitderEroberungStalingrads.Sie trifftinderStadtauferbittertenWiderstanddersowjetischenSolda ten,undbisMitteNovemberentfaltetsicheinKampfvonGebäude zu Gebäude, der den Deutschen nur äußerst zähGebietsgewinnein derStadtbringt(s.18.11.).

Fr18.09.: In einem Schreiben an RFSS Himmler erwähnt RJM Otto Georg Thierack offen die „Vernichtung durch Arbeit“, die „Bereinigung der Ostfragen“, die „Befreiung des deutschen Volkskörpers“ und die „Ausrottung“ der Juden. Sa19.09.:JudenerhaltenkeineMarkenmehrfürFleischundMilch. Di22.09.: Nach einer Woche der Haus-zu-Haus-Kämpfe ist klar, daß die deutschen Truppen Stalingrad nicht auf Anhieb nehmen können. Joseph Goebbels, Berlin, Tgb. v. 23./22.09.: „Bezüglich Stalingrads ist entsprechend der gänzlich ungeklär- ten dortigen Lage ein ewiges Hin und Her in der Nachrichten- gebung weiterhin festzustellen. Die Bolschewisten richten Auf- rufe an die Verteidiger von Stalingrad, weiter auszuhalten. Sie appellieren erneut an die nationale Widerstandskraft und halten der Stadt die ungeheure Bedeutung vor, die sie heute zu vertre- ten hat. Man vergleicht in London bereits unser Nichtvoran- kommen mit dem napoleonischen Debakel an der Beresina... Der Daily Telegraph erklärt jetzt, daß Stalingrad überhaupt die entscheidende Schlacht des ganzen Krieges sei. Um so mehr müssen wir uns anstrengen, sie zu gewinnen. Das ist tatsächlich eine Frage auf Leben und Tod, und unser Prestige hängt gleichwie das der Sowjetunion in stärkstem Maße von ihrem Ausgang ab... Im Laufe des Nachmittags hegt man in London 394

wieder größte Hoffnungen. Dagegen ermahnt man von Moskau aus die angelsächsischen Bundesgenossen und stellt ihnen vor Augen, daß sie unter keinen Umständen den Omnibus verpas- sen dürfen. Die Bolschewisten treiben augenblicklich eine au- ßerordentlich kluge Propaganda- und Nachrichtenpolitik. Sie drücken auf die Engländer und Amerikaner, ohne daß wir nen- nenswerte Argumente aus ihren Auslassungen schöpfen konn- ten. Überhaupt muß man dem Kreml nachsagen, dass er eine sehr listige und zum Teil auch überzeugende Führung der poli- tischen und militärischen Geschäfte der Sowjetunion durch- führt.“ Do24.09.: FRK Hitler ersetzt ChHGSt Franz Halder durch Gen KurtZeitzler.HierinkommtHitlersUnzufriedenheitmitdenfestge fahrenen Vorstößen der Truppen in Stalingrad und dem Kaukasus zum Ausdruck. Halder hatte die KonzentrationaufeinenPunktdes labilenSüdabschnittsverlangtundaufdieÜberdehnungdersüdlichen Ostfronthingewiesen,waszueinemWutausbruchHitlersführte.Die AblösungistdaspersonelleZeichendereingetretenenKriegswende. Fr25.09.: Das Polizeibataillon 306 ermordet in Janów Podlaski 2500 Juden. Do01.10.: Erster „Richterbrief“ von RJMThierackzurLenkungder Gerichte. ImHerbstermordetdasPolizeibataillon67inBilgoraj1200Juden. Mo05.10.: RFSS+ChDP Himmler befiehlt den Transport aller Juden aus den KZ des Reichs ins Vernichtungslager Auschwitz. AnnaHaag,Stuttgart,Tgb.v.05.10.: „Irodeonatram.Itwasovercrowded.Anoldladygoton.Herfeet weresoswollenthattheybulgedoutofhershoes.Sheworethestar ofDavidonherdress.Istoodupsothattheoldladycouldsit.Bythis I provoked how else could it be? the so well practiced ‘popular fury’.Someoneyelled‘Getout!’Soonawholechorusyelled‘Getout!’ Amidst the din [ Getöse ] of voices, I heard the outragedwords:‘Jew 395

slave[ Judenhöriger ]!Personwithoutdignity!’Thetramstoppedbetween stations [ auf offener Strecke ].Theconductorordered:‘Bothofyouget out!’“ ImHerbstverhaftetdieGestapodieMitgliederderRotenKapelleund läßtetwa100Widerstandskämpferhinrichten. Fr09.10.:Judendürfennichtmehrin„arischen“Buchhandlungenkau fen. Fr16.10.: StS/AA Ernst Fhr. von Weizsäcker drängt den ungari- schen Ges. in Berlin, daß dessen Rg. endlich der „Aussiedlung“ der ungarischen Juden in die Vernichtungslager im Osten zu- stimmen soll. UStSAA Martin Luther, Schreiben an die Ges. in Budpest v. 16.10.: „StS von Weizsäcker empfing Ungarischen Ges., um mit ihm im Auftrage RAMs [Ribbentrop] Judenfrage zu besprechen. StS machte dem Ges. noch einmal das Thema im Sinne dorthin er- gangener Weisungen eindringlich, erwähnte, wie wichtig es sei, daß ung. Rg. Aussiedlung der Juden nach dem Osten zustimme, und erinnerte an Äußerung RAMs, daß es sich bei kürzlichem Bombenangriff in Budapest wieder gezeigt habe, wie stark Ju- denschaft zur Panikmache in Ungarn beitrage. Ges. sagte zu, Thema auch seinerseits in Ungarn zu erörtern und zur Verwirklichung unserer Wünsche beizutragen.“ Fr23.10.: Britische Truppen unter Gen Montgomery starten bei El-Alamein in Ägypten die Gegenoffensive gegen Italiener und Deutsche. Mi28.10.:Beginnder Berliner Aufzeichnungen vonUrsulavonKardorff. Do29.10.:DasPolizeibataillon306ermordetineinerviertägigenAkti oninPinsk16200Juden(bisSo01.11.). 396

ImNovemberzerschlägtdieGestapoinHamburgdieWiderstandsor ganisationvonFranzJacobu.a. Di03.11.: Britischen Truppen gelingt bei El-Alamein der Durch- bruch in Richtung Italienisch-Libyen. Do05.11.: SSGF Werner Best löst RentheFink als RBev/BesDänemarkab.

So08.11.: 1.30 Uhr. Die Invasionsarmada von USA und Großbri- tannien landet in den Mittelmeerhäfen von Spanisch-Marokko, Französisch-Marokko und Französisch-Algerien und besetzt diese fast kampflos ( Operation Torch ), der erzwungene Rückzug Deutschlands und Italiens aus Nordafrika beginnt. Abend. FRK Hitler sagt im Münchner Löwenbräukeller vor „alten Kämpfern“,erwolleinStalingradkein„zweitesVerdun“.Esgenüge ihm,diedortigenFabrikenzuzerstörenunddenVerkehraufderLe bensaderWolgazuunterbinden.

Mi11.11.: Deutschland besetzt als Folge der kampflosen Preisga- be Marokkos und Algeriens Vichy-Frankreich, mit Ausnahme des Kriegshafens Toulon. Mi18.11.: Nach den zähen Haus-zu-Haus-Kämpfen der letzten zwei Monate hat die 6. Armee unter GFM Friedrich Paulus zirka 90 Prozent von Stalingrad besetzt .

Do19.11.: In Stalingrad beginnt unter StvOB/Sowjetarmee Schu- kov die sowjetische Gegenoffensive ( Operation Uranus ), mit der die deutsche Südfront aufgebrochen werden soll. Es wird der erste gelungene großräumige Angriff der Sowjetarmee.

So22.11.: Die 6. Armee in Stalingrad (250000 Mann) ist nach der Vereinigung der beiden sowjetischen Stoßkeile eingeschlossen. 397

Mo23.11.: FRK Hitler fliegt von Berchtesgaden ins FHQ Ras- tenburg. Er verbietet der 6. Armee, aus dem noch schwachen Stalingrader Ring auszubrechen. Di24.11.:U„DiegoldeneStadt“BerlinRVeitHarlan Do26.11.: Der Antifaschistische Rat für die Nationale Befreiung Ju goslawiens(AVNOJ)bildetinTitosHQinBihaceineprovisorische Volksregierung. Fr27.11.: Deutscher Handstreich in Toulon, die französische Flotte versenktsichselbst. Di01.12.: EndedesJahresermordetdasPolizeibataillon13inPlöhnen5000Ju den. Sa12.12.. Ein Versuch, mit der Panzerarmee von Gen Hermann Hoth die in Stalingrad eingeschlossene 6. Armee zu entsetzen, scheitert 48 km vor dem Kessel. Di22.12.: FRK Hitler verbietet der 6. Armee erneut den Ausbruch aus dem Kessel Stalingrad. Do24.12.: srp:DasReichinderBewährung, Frankfurter Zeitung v.24.12.: Bei der geistigweltlichen Ordnung des Heiligen Römischen Reiches DeutscherNationhandelteessichumeineüberstaatlicheeuropäische Ordnung,inderdemdeutschenKaiservieleundkulturellverschiede neVölkerschaftenunterstelltwaren.DiesesReichzerfiel,alssichNa tionalstaaten herausbildeten. Unter diesen hat Preußen denStaatsge danken am reinsten, „als sittliche Forderung, als geistige Haltung“, entwickelt, wodurch es zum Ordner Kleindeutschlands wurde. Als man jedoch in der Paulskirche verhandelte, wurde offenbar, daß Großdeutschlandnichteinausschließlich„völkischerStaat“seinkann, sondern übernationale europäische Aufgaben auf sich nehmen muß. 398

WasdenMännernderPaulskirchemißglückte,gelangdemFührer:er schuf das GroßdeutscheReich.VielleichtwarihmeinenAugenblick langdergeschlosseneNationalstaatmöglicherschienen.Aberdieim manenteIdeeGroßdeutschlandsdrängteihnmitNotwendigkeitwei ter.Großdeutschlandkannnurexistieren„alsKernundTrägereines neuenReiches,esträgtvorderGeschichtedieVerantwortungfüreine neueGesamtordnungundfüreinneues,derAnarchieentrücktesZeit alterdeseuropäischenKontinents...,imKriegmußessichfürdiese Aufgabebewähren“. So27.12.:DiedeutschenEmigrantenHansBetheundEdwardTeller übernehmendieLeitungdesAtombombenprojektsindenUSA. Der ehemalige SowjetGeneral Vlassov gründet dasSmolenskerKo mitee. Do31.12.: 1943 Fr01.01.: AnfangdesJahresbildenrussischeKriegsgefangeneundFremdarbei ter in Süddeutschland die Widerstandsorganisation „Brüderliche Zu sammenarbeitderKriegsgefangenen“. Mo04.01.: HptErnstJünger,Teberda(Kaukasus),Tgb.v.04.01.: „WeiterhinaufimTeberdatal[ZuflußdesKubansüdlichvonTscher kesk],biszumGefechtsstanddesHptSchmidt,derobenmitHoch gebirgsjägernzweiPässesperrt.IchbedientemichdesKettenkraftra des... Gerade traf eine Meldung bei ihm [Schmidt] ein: Russische Späh truppshattensichobeninSchneelöchereingegraben;einFeuergefecht warimGang... Doch als ich die Einzelheiten meines Aufenthalts mit Schmidt be sprach,kamausTeberdaderFunkspruch,daßunverzüglichderRück zugnotwendiggewordensei.Dasheißtwohl,daßdieLagebeiStalin gradsichnochverschlechterthat... 399

Auch in Teberda fand ich allesaufgestört.Die1.Panzerarmeelinks räumtihreStellungen;dieHochkaukasusfrontwirdvonderBewegung erfaßt. In Tagen werden Positionen aufgegeben, deren Erringung mehrBlutundMühekostete,alsjeeinHirnermißt.InfolgederÜber stürzungwirdvielzurückbleiben.DerObersthatBefehl,dieMunition zusprengenunddieVorrätezuvernichten...“ Di05.01.:DieSSerrichtetdasKZHerzogenbuschVught,dasauchals DurchgangslagerfürJudendient. Fr08.01.:FRKHitlerfordertdieUdSSRzurÜbergabeStalingradsauf. Mi13.01.: Geheimer Führererlaß über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für die Aufgaben der Reichsverteidi- gung : Zum Ausgleich der Verluste an der Ostfront soll das ge- gen den Willen RMl Görings und RMVP Goebbels’ eingerichte- te Dreiergremium RM/RK Hans-Heinrich Lammers, ChOKW Wilhelm Keitel, L/PK Martin Bormann die Menschenreserven vollständig mobilisieren, kann FRK Hitlers Erwartungen aber nicht erfüllen.

Do14.01.: In Casablanca beginnt die Konferenz zwischen US- Präsident Roosevelt und dem britischen PM Churchill (bis Mo25.01.), die die bedingungslose Kapitulation Deutschlands, Italiens und Japans fordern und die Invasion Frankreichs für 1944 planen. Im Januar faßt die belgische Exilregierung Pierlot die Légion Belge undandereWiderstandsgruppeninderArméeSecrètezusammen,mit 34000MannimSommer1943. Fr22.01.: FRK Hitler telegrafiert an die untergehende 6. Armee: „SechsteArmeehatdamiteinenhistorischenBeitragindemgewalti genRingenderdeutschenGeschichtegeleistet.“ Mo25.01.:DieSowjetarmeespaltetdenKesselvonStalingrad. 400

Di26.01.:DieLuftwaffeverpflichteterstmalsHitlerjungen,aberauch MädchenundFrauen,zumDienstals„Luftwaffenhelfer“. Mi27.01.:RVertKomFritzSauckelerläßtdieVO„zurMeldungvon Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung“: Die nichtberufstätigeBevölkerung,vorallemFrauen,sollzumEinsatzan der„Heimatfront“mobilisiertwerden. Sa30.01.: FRK Hitler löst OBM GrAdm Erich Raeder durch Adm Karl Dönitz ab und erläßt einen Baustop für Flugzeugträger (Kon zentrationaufUBootWaffe). ImJanuarundFebruarscheitertderVersuchderKPD,vonMoskau auseineneueInlandsleitungaufzubauen.

So31.01.: Der Südkessel in Stalingrad unter GFM Paulus kapitu- liert. Mo01.02.:IndenNiederlandenbildetderFührerderNationaalSocia listische Beweging NSB, Anton Mussert, ein Kabinett, das RKom SeyßInquartberät.

Di02.02.: Kapitulation des deutschen Nordkessels (90000 Gefan- gene) und damit der gesamten 6. Armee in Stalingrad. Deutsche Verluste: Fast 200000 Tote. Die Sowjetarmee erobert Rostov, Charkov und Kursk zurück. Mi03.02.:Nachmittag.DerReichsrundfunk(Rrf)gibtperSondermel dung bekannt, daß die deutschen Truppen in Stalingrad den letzten Widerstand aufgegeben haben. Danach spielt der Sender das „Lied vomgutenKameraden“.RrfLHansFritzschesprichteinenNachruf aufdiedeutschenGefallenen,derlautSDLageberichtvonvielenals „zuglattundwortgewandt“empfundenwird. Mo08.02.:IneinerzweiTagedauerndenAktionermordetdasPolizei bataillon22inSlutsk3000Juden. 401

Mi10.02.:DeutschlandundSpanienunterzeichneneinGeheimproto koll:DeutschlandbietetSpanienHilfeanfürdenFall,daßdieUSA undGroßbritannienSpanienangreifen.Spanienversichert,sichjedem Versuch amerikanischer oder britischer Truppen entgegenzustellen, von Nordafrika aufspanischesGebietvorzudringen,entgegenzustel len. Franco läßt dann in derTatstarkeKräfteinSpanischMarokko mobilisieren, die die zur Landung in Italien ansetzenden allierten TruppeninRechnungstellenmüssen.

Do18.02.: Rede von RMVP Goebbels im Berliner Sportpalast: „Wollt ihr den totalen Krieg?“, Höhepunkt einer großangelegten Propagandaaktion, die den Stalingrad-Schock zur Mobilisierung aller Kräfte nutzen will. Goebbels läßt vor allem die Angst vor dem Bolschewismus schüren. In München verhaftet die Gestapo Hans und Sophie Scholl [*1920] (Weiße Rose), die Flugblätter gegen das Regime an Wänden und in Hörsälen verbreiteten: „Obgleich wir wissen, daß die ns. Macht militärisch gebrochen werden muß, suchen wir eine Erneuerung des schwer verwundeten Geistes von innen zu erreichen. Dieser Wiedergeburt muß aber die klare Erkennt- nis aller Schuld, die das deutsche Volk auf sich geladen hat, und ein rücksichtsloser Kampf gegen Hitler und seine allzu vielen Helfershelfer...vorausgehen.“ Die ‘Weiße Rose’ sei zugleich als „Abrechnung der deutschen Jugend mit der verabscheuungs- würdigsten Tyrannei, die unser Volk jemals erduldet hat“ zu verstehen, heißt es im heutigen letzten Flugblatt der Gruppe. Das Dritte Reich habe die Jugend durch HJ, SA und SS „in den frühesten Bildungsjahren unseres Lebens zu uniformieren, zu revolutionieren, zu narkotisieren versucht“, um sie dann auf Or- densburgen „zu gottlosen, schamlosen und gewissenlosen Aus- beutern und Mordbuben, ... zur blinden, stupiden Führergefolg- schaft“ heranzuziehen. Die Weiße Rose rufe deshalb zu Streik und Sabotage gegen die Tyrannen auf, die dies „furchtbare Blutbad... im Namen von Freiheit und Ehre der deutschen Na- tion in ganz Europa angerichtet haben und täglich noch anrich- ten“. Fast alle Beteiligten, auch Willi Graf, Alexander Schmorell, Professor Kurt Huber u.a. werden hingerichtet. 402

Sa27.02.: Beginn der Deportation von Juden aus Berliner Rüstungs firmen(„Fabrikaktion“)insVernichtungslagerAuschwitzunddasKZ Theresienstadt.DienichtjüdischenEhefrauenziehenmitAngehörigen zumSammellagerinderBerlinerRosenstraßeundbeginnenmitdem Sprechchor„GebtunsunsereMännerwieder!“eineelftägigeDauer demonstration für die Rückkehr der 2000 jüdischen Männer in ihre Familien. NorwegischeWiderstandskämpferundbritischeAgentenverübenbei Rjukan einen Sprengstoffanschlag auf das Norsk HydroWerk, wo schweresWasserzurAtomenergiegewinnungerzeugtwird. Mo01.03.:16Uhr.RLfMGöringundRMVPGoebbelstreffeninGö ringsHausaufdemObersalzbergzueinerfastvierstündigenKrisen besprechungüberdieKriegslageunddieMachtkonkurrenzdurchden von FRK Hitler gebildeten Dreierausschuß aus RM Lammers, LPK BormannundChOKWKeitelzusammen.DanachstößtauchRMBM Speerzudenbeiden. JosephGoebbels,Berchtesgaden,Tgb.v.02./01.03.: „Nachmittagsum4UhrfahreichzuGöringhinauf[zuGöringsHaus aufdemObersalzberg]...Auchmachtesihm[Göring]einigeSorgen, daßwir,umdieDingeimOstenzumStehenzubringen,denWesten ziemlichentblößthaben.Wasdapassierenwürde,wenndieEngländer undAmerikanerplötzlicheineLandungversuchten,daskannmanim Augenblick noch gar nicht sagen... Die Mißhelligkeiten selbst [zwi schen Göring und Goebbels] erledige ich mit einer Handbewegung, umdannwiederaufdasvollkommeneFehleneinerklareninnenund außenpolitischen Führung [!!] zu sprechen zu kommen. Der Dreie rausschußliegtauchihmsehrimMagen;erhältvonniemandemder, wieersagt,‚heiligendreiKönige’etwas.[ChRK]Lammersistihmin tiefsterSeeleverhasst...Was[LPK]Bormannanlangt,soistsichGö ringüberseineeigentlichenAbsichtennichtklar...[ChOKW]Keitelist auch in den Augen Görings eine absolute Null, die nicht ernst ge nommenwerdenkann,derensichaberdieanderenbeidenbedienen, umzumScheinwenigstensdieWeManihrenMaßnahmenzubeteili gen...GrößtesMitempfindenhatGöringfürdenFührerselbst.Auch ihmscheintderFührerindendreieinhalbKriegsjahrenumfünfzehn 403

Jahregealtert.Esisttragisch,daßderFührersichsovomLebenab schließt und ein so unverhältnismäßig ungesundes Leben führt. Er kommtnichtmehrandiefrischeLuft,findetkeinerleiEntspannung mehr,sitztinseinemBunker,handeltundgrübelt...DaßderFührer manchmalmitdemLebengramwirdundhinundwiedersogarsagt, dassderTodfürihnkeineSchreckenmehrenthalte,istausseinerge genwärtigenStimmungzuverstehen... Göring ist sich vollkommen im klaren darüber, was uns allen drohen würde, wenn wir in die- sem Kriege schwach würden. Er macht sich darüber gar keine Illusionen. Vor allem in der Judenfrage sind wir ja so festgelegt, daß es für uns gar kein Entrinnen mehr gibt. Und das ist auch gut so. Eine Bewegung und ein Volk, die die Brücken hinter sich abgebrochen haben, kämpfen erfahrungsgemäß viel vorbe- haltloser als die, die noch eine Rückzugsmöglichkeit besitzen... Ichmacheihm[Göring]denVorschlag,vonsichauseineReihevon Männernzubenennen;dieanderenwerdeichzugewinnenversuchen. Wir wollen gar keinen von diesen in unsere eigentlichen Absichten einwehen,nämlichdenDreierausschußlangsamkaltzustellenunddie Kompetenzen auf den Ministerrat zu verlagern... Göring selbst will Himmler gewinnen. Funk und Ley sind von mir schon gewonnen. SpeeristganzmeinMann.“ AnfangMärzgelingtderdeutschenInvasionstruppeinderUdSSR eineStabilisierungderFront. ImMärzwerdendiejüdischenGhettosimOsten(Warschau,Krakau, Lemberg, Tschenstochau, Bialystok, Minsk, Wilna, Riga) gewaltsam aufgelöst,dieÜberlebendendieserMordaktionenindieVernichtungs lager transportiert. Allein im Warschauer Ghetto ermorden SS SonderkommandosunddiePolizeibataillone41und53unterdemBe fehlvonSSBF+GMajPolJürgenStrooprund60000Juden.Stroops BerichtüberdieMordaktion:„InechterWaffenkameradschaftunter stütztendieIngenieurederWeMdieSSzuverlässigindiesemUnter nehmen.“ EsbeginnendieDeportationenvonJudenausdenNiederlandenins Vernichtungslager Sobibor. Das Vernichtungslager Kulm hof/ChelmnowirdvorübergehendaußerBetriebgenommen. 404

Di02.03.: In der Nacht zu heute legen britische und amerikanische Flugzeuge beim bisher stärksten Angriff auf Berlin weite Teile der StadtmitBrandundSprengbombeninSchuttundAsche. Mi03.03.:RMVPGoebbelsundUfaGenDirLudwigKlitzschhalten imBerlinerUfaPalastamZoonacheinerEhrungderKriegsgefalle nen Reden zum 25jährigen Jubiläum der Ufa. Anwesend sind RWiM+RbkPräs Walther Funk, ROrgL+L/DAF Robert Ley und StSRMVP Leopold Gutterer. Klitzsch sagt, daß nach langen Jahren „politischer und wirtschaftlicher Haltlosigkeit“, in denen die Ufa „schutzlosjüdischenundwirtschaftlichverantwortungslosenKräften preisgegeben“gewesensei,sichimZeichendesNSdie„fruchtbrin gende Ehe zwischen Zeit und Film“ erfüllt habe. Goebbels verleiht beidemFestaktAlfredHugenbergfürseineVerdiensteumdendeut schenFilmdenAdlerschilddesDeutschenReichs,MaxWinklerund LudwigKlitzschdieGoetheMedaillefürKunstundWissenschaftund denRegisseurenWolfgangLiebeneinerundVeitHarlandenProfes sortitel.DanachwirdderPrestigefilm„Münchhausen“uraufgeführt. U „Münchhausen“ Berlin UfaPalast am Zoo P Ufa Pd Eberhard Schmidt R Josef von Baky B Berthold Bürger(=Erich Kästner) K WernerKrienTriAKonstantinIrmenTschetDHansAlbers(Baron Münchhausen) BrigitteHorney(ZarinKatharinaII.)GustavWaldau (GiacomoCasanova)IlseWerner(PrinzessinIsabellad’Este)Marian ne Simson (Frau im Mond) Andrews Engelmann (Fürst Potemkin) FerdinandMarian(GrafCagliostro)LeoSlezak(SultanAbdulHamid) KätheHaack(BaroninMünchhausen)MichaelBohnen(HerzogKarl vonBraunschweig)HubertvonMeyerinck(PrinzAntonUlrich)Her mannSpeelmans(Kuchenreuther,Diener) U„Damals“BerlinPUfaRRolfHansenBPeterGrollRolfHansenn IdeeBertRothKFranzWeihmayrMLotharBrühneRalphBenatzky D Zarah Leander (Vera Meiners, Ärztin) Hans Stüwe (Jan Meiners, Rechtsanwalt)RossanoBrazzi(Artist)JuttavonAlpen(EvaMeiners) HildeKörber(FrauGaspard)ElisabethMarkus Fr05.03.: 405

Tagesmeldung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau v. 05.03.: „Transport aus Berlin, Eingang 5.3.43, Gesamtstärke 1128 Juden. Zum Arbeitseinsatz gelangen 389 Männer (Buna) und 96 Frau- en. Sonderbehandelt wurden 151 Männer und 492 Frauen und Kinder.“ Mi10.03.: Die Gestapo läßt die 2000 jüdischen Ehemänner aus der BerlinerRosenstraßewiederfrei. Mo15.03.:DieSSeröffnetdasKZRiga. Di16.03.: JosephGoebbels,Berlin,Tgb.v.17./16.03.: „NachmittagstrittderDreierausschuß[Lammers,BormannundKei telmitGoebbels]zusammen.EsgibteineReihevonerregtenDebat ten... EskommtdanneinFErlaßzurVerlesung,den[L/RK]Lam mersentworfenhat,indemdieProminenzdesStaatesundderPartei zueinerkriegsgemäßenLebensführungangehaltenwird.DieserErlaß istgänzlichunzulänglich,weilernachderMethode:„Waschmirden Pelz, aber mach mich nicht naß!“ aufgebaut ist. Ich fordere einen schärferenErlaß.EsfindetsichindiesemKreisedagegenOpposition; aberichkannaufderGrundlagevonMaterial,dasmirvon[demBer linerPolPräs]HelldorfineinemFall[August]Nöthling[BerlinerDeli katessenhändler; im Volksmund „TütenAugust“ – nach den Tüten mitderbegehrtenWare,diesichdievordemLadenstauendenFahrer derProminenzvordenAugenderkriegsgeschädigtenBerlinerheraus reichenlassen]eingereichtwordenist,meinenArgumenteneinegroße Durchschlagskraft verleihen. In diesem Lebensmittelschieberprozeß [eshandeltsichnurumeinepolizeilicheErmittlung]sindeineganze Reihe von Prominenten von Staat und Partei verwickelt, u.a. [RIM] Dr.Frick,[RMWEV]Rust,[RLwM]Darréundsogar[L/RAD]Hierl, dazu [GFM] Brauchitsch und [OBM] Raeder. Das Material ist sehr gravierendundwirdwahrscheinlichvonmirdemFvorgelegtwerden müssen. Es ist skandalös, daß sich die Prominenten in Staat, Partei undWeMsokriegssabotierendbenehmen.Mankannsichjetztauch erklären,warumimVolkeimmerwiedervonDiplomatenrationenge 406

flüstertwird.DennwennhierohneMarkenLebensmittelinsogro ßem Umfange bezogen werden, so kann das natürlich nicht geheim bleiben. Auf jedem Fall werde ich diesem Übel steuern [Goebbels’ Anregung,dagegenineinemStrafprozeßvorzugehen,wirdbalddar aufvonFRKHitlerabgelehnt,weilderRufvonStaat,NSDAPund WeM nicht beschädigt werden dürfe. Stattdessen kommt August NöthlinginderPolizeihaftzuTode,nachoffiziellerDarstellungdurch eigenhändigesErhängen,wahrscheinlicheristdieErmordungdesun erwünschtenKorruptionszeugendurchdieGestapo–auchalsWar nunganeventuellredseligesNöthlingPersonal.].“

Do01.04.: Der „Münchener Laienbrief“ verurteilt die Vernich- tung des deutschen Judentums durch das NS-Regime. ImAprilbeginnendiemeistmörderischenmedizinischenExperimen te an jüdischen Häftlingen im Vernichtungslager Auschwitz. Ferner eröffnetdieSSdasKZBergenBelsen,zunächstalsAufenthaltslager fürJuden.

Anfang April verhaftet die Gestapo General Hans Oster, Dietrich Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi, Josef Müller und andere Mit- glieder des Widerstandskreises in der OKW-Abt. Abwehr. Durch die Verschleierungstaktik Adm Canaris’ gelingt es, den Prozeß bis zum 20.07.44 zu verschleppen. Im Frühjahr findenimVernichtungslagerBelzecdieletztenMassen vergasungenvonJudenstatt.InsgesamthatdieSSdortüber600000 Menschenermordet. Im Frühjahr sollenKPDgeführte„FreieDeutscheBewegungen“in LateinamerikaundGroßbritannien,späterinderSchweizundFrank reich, ein „Einheitsprogramm allerdeutschenAntifaschisten“vorbe reiten,dasvorallemliberaleundkonservativeEmigrantenansprechen soll. Do08.04.: Beginn des Treffens HitlerMussolini in Kleßheim (bis Fr09.04.). 407

Di13.04.: Die Deutschen entdecken bei Katyn nahe Smolensk Mas sengräbervon4143polnischenOffizieren,dieimFrühjahr1940vom sowjetischen NKWD ermordet wurden. RMVP Goebbels leitet eine PropagandaoffensivegegendieUdSSRein. Mo19.04.: Der Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto beginnt. NachderVerschleppungvon300000BewohnerninsVernichtungsla gerTreblinkaleistendieverbliebenen60000Judenbeiderendgültigen RäumungbewaffnetenWiderstand,dervonSSVerbändenunddeut schen Polizeibataillonen unter SSBrigadeführer Jürgen Stroop bis So16.05.niedergeschlagenwird. Mi21.04.: U„SymphonieeinesLebens“PTobisRHansBertramBHansBert ram Kurt E. Walter M Norbert Schultze D Harry Baur [*1880 +1943Gestapohaft] (Stephan Melchior, Komponist) Henny Porten (Maria Melchior) Gisela Uhlen (Melchiors Geliebte) Harald Paulsen AlbertFlorath

So25.04./Mo26.04.: Der katholische „Münchner Laienbrief“ ver- urteilt die Ermordung der deutschen Juden. Do29.04.:IndenNiederlandenbeginnteinGeneralstreikwegenHit lers Befehl, die im Mai 1940 entlassenen 300000 niederländischen Kriegsgefangenen zu internieren, um siezurZwangsarbeitinsReich zubringen(bisMo01.05.). Fr30.04.:AllenJudenwirddiedeutscheStaatsangehörigkeitentzogen. Fr07.05.:Mittag.ImMosaiksaalderBerlinerReichskanzleifindetder Parteitrauerakt für den tödlich verunglückten SAStCh Viktor Lutze statt.RMVPGoebbelshältdieTrauerrede,FRKHitlereinekurzeAn sprache.

Do13.05.: Die Truppen Deutschlands (Reste der Heeresgruppe Afrika unter Gob von Arnim mit der 5. Panzerarmee) und Ita- liens kapitulieren in Tunesien. 130000 deutsche und 120000 ita- 408

lienische Soldaten gehen in alliierte Gefangenschaft. Rommel ist nicht zugegen, sondern auf dem Semmering. In Rom weist GrAdm Dönitz in einem Gespräch mit Mussolini darauf hin, daß er nun die Hauptgefahr für Sizilien sehe. Der OB Süd, GFM Kesselring, hatte ihm kurz zuvor von den spärlichen Verteidi- gungsvorbereitungen Italiens berichtet. Sa15.05.: UlrichvonHassell,Tagebuchv.15.05.: Während man vergeblich die Welt durch Katyn abzulenken sucht, haust „die SS in Polen weiter in unvorstellbar beschämender Weise. UnzähligeJudenwerdeninbesondersdazugebautenHallenvergast, jedenfalls100000.“ Mi19.05.: GL Goebbels erklärt den Gau Berlin offiziell für „ju- denfrei“.

Mo24.05.: OBM GrAdm Karl Dönitz bricht die Gruppenoperati- onen deutscher U-Boote gegen alliierte Geleitzüge (Atlantik- Schlacht) ab, nachdem sich im April und Mai die alliierte U- Boot-Abwehr deutlich verbessert hat. Do27.05.: Die französischen Widerstandsgruppen schließen sich in Paris unter Jean Moulin im Conseil national de la résistance (CNR) zu sammen. Di01.06.:RMVPGoebbelserteiltVeitHarlandenAuftrag, Kolberg zu drehen. Fr11.06.:RFSS+ChDPHimmlerordnet,auchwegenderKriegswen de,dierascheErmordungsämtlicherGhettoJudenimOstenan,die absolutenVorrangvordemArbeitseinsatzerhält. Fr18.06.: RKomOstland Hinrich Lohse, Riga, Schreiben an RMO Alfred Ro senbergv.18.06.: 409

„...daßdieJudensonderbehandeltwerden,bedarfkeinerweiterenEr örterung.DaßdabeiaberDingevorgehen,wiesieindemBerichtdes Generalkommissars vom 01.06.43 vorgetragen werden, erscheint kaumglaubhaft.WasistdagegenKatyn?Manstellesicheinmalvor, solche Vorkommnisse würden auf der Gegenseite bekannt und dort ausgeschlachtet! Wahrscheinlich würde eine solche Propaganda ein fachnurdeshalbwirkungslosbleiben,weilHörerundLesernichtbe reitwären,derselbenGlaubenzuschenken.“ Sa19.06.: RFSS Himmler notiert nach einer Besprechung mit FRK Hitler: Die Judenvernichtung ist eine „weltgeschichtliche Aufgabe“, dieheroisch„durchgestanden“werdenmuß. Sa26.06.: RMBM Speer übernimmt die Kontrolle über die Mari- nerüstung und lenkt nun abgesehen von der Luftwaffenrüstung die gesamte Rüstungsproduktion . Do01.07.: Die Juden fallen in Deutschland nicht mehr unter die Gerichtsbarkeit, sondern nur noch unter Polizeigewalt. Mo05.07.:DasdeutscheHeerbeginntdieOperationZitadelle,umden KurskerFrontbogenzubegradigen. Do08.07.:NacheinerUnterredungmitSSOFVeesenmayerinFuschl entscheidet RAM Ribbentrop, derzeit nicht weiter auf den slowaki schenStPTisowegenderAbschiebungTausenderJudenindieVer nichtungslagereinzudringen. DergeheimeSDLageberichtmeldet,daß„vieleVolksgenossenunter demEindruckdesLuftterrorsgegenWestdeutschland...gedrücktund vielfachnervös“seien.EsdeutetensichÄnderungeninderGrundein stellung der Bevölkerung an. Ausländische Radiosender würden ver stärkt abgehört, die Bevölkerung sei verstärkt empfänglich für die „Feindpropaganda“.Der„deutscheGruß“werdevernachlässigt,und die„KritiksuchtgegenüberderFührungvonStaatundPartei“seiall gemeinverbreitet.Esseifestzuhalten,„daßauchdieunsinnigstenund bösartigstenGerüchteüberführendeMännerderParteiunddesStaa tes“sichschnellverbreiteten.DasGerücht,RLvonSchirachseibei 410

einemFluchtversuchindieSchweizerschossenworden,habesichin nerhalb von zwei Wochen von Bayern nach Danzig fortgepflanzt. Ähnlich verhalte es sich bei der Weitergabe „von abträglichen und gemeinen Witzen, selbst über die Person des Führers“. Allgemein werde vorausgesetzt, „daß einer heute schon jeden Witz erzählen könne, ohne mit energischer Abfuhr, geschweige denn Anzeige bei derPolizeirechnenzumüssen“. SSOFVeesenmayer,Aktennotizv.08.07.: „Nach Vortrag über den Stand der Judenfrage in der Slowakei und über meine längere inoffizielle Unterhaltung mit Tiso hat der Herr RAMentschieden,daßerderzeitnichtbeabsichtige,Tisooffiziellwe gen der restlichen Bereinigung der slowakischen Judenfrage unter Druckzusetzen.DemgemäßwünschtderHerrRAMauchnicht,daß derGes.Ludindieserhalbvorstelligwird. DagegenistderHerrRAMeinverstanden,wennichTisoinnächster Zeiterneutaufsuche,uminoffiziellbeiihmaufeinebeschleunigteBe reinigungderslowakischenJudenfragehinzuwirken.Ichkönntemich dabeiaufdieZustimmungdesHerrnRAMberufen. DerGes.LudinsollindiesemSinneverständigtwerden.“

Sa10.07.: Die Alliierten landen auf Sizilien. Mo12.07.: Die Exilkommunisten Erich Weinert und Walter Ul- bricht sowie deutsche Kriegsgefangene gründen in Krasnogorsk bei Moskau das Nationalkomitee Freies Deutschland. Di13.07.: Die deutsche Offensive in Kursk ( Unternehmen Zitadelle ) wird abgebrochen, die strategische Initiative an der Ostfront geht endgültig auf die Sowjetarmee über, die nun beginnt, die deutsche Südfront aufzurollen. ImSommerfassenWehrmachtsoffizieredenPlan„Walküre“undbe reiteneinAttentataufHitlervor. So25.07.: Sturz Mussolinis und das Ende des faschistischen Re- gimes in Italien. 411

So01.08.: ImAugustversichertGenMajHenningvonTresckowCarlGoerdeler, daßalledreiHeeresgruppenkommandeureanderUdSSRFront(Erich vonManstein,GünthervonKlugeundGeorgvonKüchler)füreinen baldigen„Protest“gegenHitlersPolitikseien. Di03.08.:BeginnderitalienischalliiertenGeheimverhandlungenüber einenWaffenstillstandinLissabon. So15.08.:DieSSeröffnetdasKZWarschau,umimGhettoAufräu mungsarbeitenvornehmenzulassen. Mo16.08.:DiePolizeibataillone251,255und256ermordenineiner fünftägigenAktioninBialystok25000bis30000Juden. Di17.08.:DeutschlandverhängtdenAusnahmezustandüberNorwe gen und interniert die 1940 aus Kriegsgefangenschaft entlassenen norwegischenOffiziere,umsiezurZwangsarbeitheranzuziehen.

Do19.08.: Die katholischen Bischöfe wenden sich in einem Hir- tenbrief gegen die Tötung unschuldigen Lebens!?!? In den Morgenstunden begeht ChGSt/Luftwaffe GOb Hans Je schonnek im Hauptquartier der Luftwaffe Selbstmord. Zu seinem NachfolgerwirdGenFlKortenernannt.

Di24.08.: Hitler ernennt Himmler zum Nachfolger von RIM Frick. Do26.08.: Auf Vermittlung von Himmlers Anwalt Carl Langbehn kommt eszueinemGesprächzwischendemRFSSundneuenRIM und PrFM Johannes Popitz über die Frage einer Ablösung Hitlers. PopitzfühltsichinseinemGlaubenbestätigt,daßauchHimmlernicht mehrbedingungslosanden„Endsieg“glaubt. Fr27.08.:DieSSeröffnetdasKZDoraMittelbaufürdieunterirdische ProduktionderV2durchZwangsarbeiter. 412

So29.08.:WehrmachtBefehlshaberHermannvonHannekenverhängt den Ausnahmezustand über Dänemark und übernimmt die vollzie hendeGewalt.DasdänischeHerrwirdinterniert.DieDänenbilden einengeheimenFreiheitsrat. Di31.08.:Die Frankfurter Zeitung erscheintzumletztenMal. Mi01.09.: Im September konferieren in der Wohnung von Friedrich Olbricht BeckundGoerdelermitGFMGünthervonKluge,derdieNotwen digkeiteinesAttentatsaufHitlerangesichtsderaussichtslosenmilitäri schenLagebejaht. Do02.09.:HitlersErlaßüberdieKonzentrationderKriegswirtschaft: AlbertSpeersRMBMlöstdasRWiMbeiderLenkungderKriegswirt schaftabundrichteteinPlanungsamtein. Fr03.09.: Geheime Unterzeichnung des italienischalliierten Waffen stillstands. Di07.09.: Vormittag. Die Landungsflotte der 5. USArmee erscheint vorSalerno.

Mi08.09.: Nachmittag. Waffenstillstand zwischen Italiens Rg. Pietro Badoglio und den Alliierten bekanntgegeben. Abend. Deutschland stellt ganz Griechenland unter seine Ver- waltung und besetzt mit von der Westfront abgezogenen Div. Norditalien, entwaffnet und interniert die italienischen Besat- zungstruppen in SO-Frankreich, Jugoslawien, Griechenland und Albanien und verbringt sie zum Teil nach Deutschland (Opera- tion Achse). Waffen und Munition fallen in großer Menge den Widerstandsbewegungen in die Hand. Do09.09.: In Rom wird unter Ivanoe Bonomi das Nationale Befrei ungskomiteegegendiedeutscheBesatzunggebildet. 413

Fr10.09.: Deutschland besetzt Rom. Sa11.09.: Im Nationalkomitee Freies Deutschland wird unter dem VorsitzvonGeneralWalthervonSeydlitzderBundDeutscherOffi zieregebildet,demimFrühjahr19454000Mitgliederangehören,u.a. GFMFriedrichPaulus. Mi15.09.: Deutsche Fallschirmjäger unter Skorzeny befreien Mussolini aus seiner Internierung in Gran Sasso (Abruzzen). Der Bevollmächtigte General der Deutschen Wehrmacht in Ita- lien, General Rudolf Toussaint, richtet eine deutsche Militär- verwaltung ein. DieSSeröffnetdieKZKauen/KownoundVaivara/Estland. MitteSeptemberverweigertderBefehlshaberder11000Mannstarken italienischen Gebirgsdivision „Acqui“ auf der griechischen Insel Kephallenia (Ionisches Meer), Gen Antonio Gandin die deutsche ForderungnachbedingungsloserNiederlegungderWaffenundÜber gabederInsel,daerkeineentsprechendenBefehlevonderlegalenRg. desKönigshabe.FRKHitlerschicktdie1.Gebirgsdivision(„Edel weiß“,HoherBrendten,Mittenwald;XXII.GebirgsArmeekorpsun terGenHubertLanz)nachKephallenia,umdieItalienersobrutalwie möglichniederzuwerfen. GleichfallsimSeptembereröffnetdieSSdasKZKlooga/Estlandals „SSArbeitslager“. Sa18.09.:FRKHitlererteiltder1.GebirgsdivisionaufKephallenia denBefehl,imKampfgegendieItalienerdürften„wegendesgemei nen und verräterischen Verhaltens... keine italienischen Gefangenen gemachtwerden“.DieitalienischenSoldatensollennacheinerKapitu lationalsomöglichstbaldermordetwerden. Di21.09.: Heute und am morgigen Mittwoch ermorden in Kephallenia mindestens 4000 Angehörige der 1. Gebirgsdivision der WeM (Alter: 20 bis 32 Jahre) etwa 5300 italienische Soldaten. 414

Die Mordaktion steht unter dem Befehl von Korpskommandant Gen Hubert Lanz. Die Opfer werden durch Erschießungen, Durchschneiden der Kehlen und Erschlagen ermordet. Allein bei Troianata sterben bei einer Massenerschießung 900 italieni- sche Soldaten in deutschen MG-Feuer. Nach vollbrachten Mordtaten ziehen die deutschen Gebirgsjäger laut Augenzeugen „laut lachend und singend“ ab. Es überleben 5000 Italiener, die ohne Waffen außerhalb des Gefechtsgebiets in geschlossenen Abteilungen überliefen. Bericht von Feldkaplan Romualdo Formato über die Morde in Kephalleniavom21./22.09.: „Es gab kein Entweichen... Man überholte sich, stürzte, zertrat sich gegenseitigundbildeteschließlicheinenzuckendenHaufen.Ausihm sprudeltenBächevonBlut.Abernichtallewarentot...Nochimmer hörtemanRöchelnundStöhnen. DanndachtensichdieDeutscheneinegrausamenTrickaus.Sieschri en:‚HiersinddieSanitäter.WernochamLebenist,kommehervor...’ NacheinigerZeitkrochenetwa20MenschenuntergrößterAnstren gung hervor, blutig, verletzt und verängstigt... Mit einer MGSalve wurdendierestlichenÜberlebendengetötet.“ Mi22.09.: Der deutsche GenKom von Weißruthenien, GL Wilhelm Kube,wirdinMinskbeieinemSprengstoffAttentatgetötet. Im Herbst geht die SS im Vernichtungslager LublinMajdanek von VergasungenwiederzuErschießungenüber. Fr24.09.: Deutschland unterstellt die italienischen Provinzen Bozen, TrientundBellunoalsOperationszoneAlpenvorlanddemGLTirols, dieProvinzenTriest,Görz,Udine,PolaundFiumealsOperationszo neAdriatischesKüstenlanddemGLKärntens,dieehemalsjugoslawi scheProvinzLaibachalsOperationszoneAlpenlanddemGLSteier marks. 8Uhr.InKephalleniaimRotenHausaufderLandzungevonAgi TheodoritagteinStandgerichtder1.GebirgsdivisionderWeM.Der BefehlshaberderitalienischenGebirgsdivision„Acqui“,GenGandin, und137seinerOffizierewerdenohneVerhandlungzumTodevuer 415

teiltundinnerhalbvonvierStundennacheinandererschossen.Dieita lienischen Mordopfer werden mit Booten aufs Meer gebracht und dort mittels Steinen versenkt. Die italienischen Marinesoldaten, die diesausführenmüssen,werdennachvollbrachterTatsofortvonden WeMSoldatenerschossen. So26.09.: Mussolini gründet die „FaschistischeRepublik“mitSitzin Salò.

Mo27.09.: In Neapel beginnt schon vor dem Einmarsch der Alli- ierten der Aufstand der Resistenza („quattro giornate“ bis Do30.09.). Fr01.10.:InderNachtzumSamstagschlägtinDänemarkeineVerhaf tungsaktion gegen die 8000 Juden des Landes weitgehend fehl. Die Bevölkerungistgewarnt,kanndieJudenversteckenodernachSchwe denbringen. Im Oktober finden im Vernichtungslager TreblinkadieletztenMas senvergasungenvonJudenstatt.InsgesamthatdieSSdort700000bis 900000Menschenermordet. Im Herbst finden imVernichtungslagerSobibórdieletztenMassen vergasungenvonJudenstatt.InsgesamthatdieSSdort250000Men schenermordet.

Mo04.10.: SS-Führerkonferenz in Posen mit RFSS Himmler, der in seiner Rede bezüglich der Ausrottung der Juden einen Bogen vom 30.06.34 bis heute schlägt: „Es ist grundfalsch, wenn wir unsere ganze harmlose Seele mit Gemüt, wenn wir unsere Gut- mütigkeit, unseren Idealismus in andere Völker hineintra- gen...Ein Grundsatz muß für den SS-Mann absolut gelten: ehr- lich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Ange- hörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst nieman- dem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das, was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ih- 416

nen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns groß- ziehen... Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird...“ Zur Ausrottung der polnischen Führungsschicht sagt Himmler: „Die mußten weg, da half nun nichts... Ich kann Ih- nen sagen, es [die Exekutionen] ist scheußlich und furchtbar für einen deutschen Menschen, wenn er das ansehen muß... Ebenso scheußlich, wie es ist, ebenso notwendig ist es gewesen und wird es auch in vielen Fällen noch sein, daß wir es durchführen. Wenn wir nämlich jetzt nicht die Nerven haben, dann werden diese schlechten Nerven an unseren Kindern und an unseren Enkeln wieder ausgehen... Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. - ‘Das jüdische Volk wird ausgerottet’, sagt ein jeder Pg., ‘ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir.’ Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Mio Deutschen, und jeder hat seinen anstän- digen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber die- ser eine ist ein prima Jude. Von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden. Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammenlie- gen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durch- gehalten zu haben und dabei - abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen - anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und nie- mals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte...“ Di05.10.: Harlan erfährt definitiv, daß er Kolberg drehen soll. Söder baum:„Hicincipittragoedia.“ Mi06.10.: Der deutsche Konsul Moellhausen (Rom) telegrafiert dem AA, SSOstbF Kappler habe von Berlin den Auftrag erhalten, die 8000inRomlebendenJudenfestzunehmen,nachOberitalienzubrin genunddortzu„liquidieren“. KonsulMoellhausen,Rom,TelegrammanRAMRibbentropv.06.10.: „OstbFKapplerhatvonBerlindenAuftragerhalten,die8000inRom wohnendenJudenfestzunehmenundnachOberitalienzubringen,wo 417

sieliquidiertwerdensollen.StKdtvonRom,GenStahel,mitteiltmir, daßerdieseAktionnurzulassenwird,wennsieimSinnedesHerrn RAMsliegt.IchpersönlichbinAnsicht,daßesbesseresGeschäftwä re, Juden, wie in Tunis, zu Befestigungsarbeiten heranzuziehen und werdediesgemeinsammitKapplerGFM[Albert]Kesselringvortra gen. ErbitteWeisung.“ Sa09.10.:RAMRibbentropteiltGes.RudolfRahnundKonsulMoell hausen(beideRom)mit,daßdie8000JudenaufGrundeinerWeisung von Hitler als Geiseln ins KZ Mauthausen gebracht werden sollen. DasAAsollesichindieseAngelegenheitderSSnichteinmischen. So10.10.: Im deutsch besetzten Griechenland bricht der Bürgerkrieg aus: Die kommunistische ELAS kämpft mit 35000 Mann gegen die nationalrepublikanischeEDES,dieüber8000Mannverfügt.

Sa16.10.: Die Preußische Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union (bis So17.10.) verurteilt in Bres- lau die Tötung von Menschen aus Alters-, Krankheits- und Ras- segründen: „Begriffe wie ‘Ausmerzen’, ‘Liquidieren’ und ‘un- wertes Leben’ kennt die göttliche Ordnung nicht. Vernichtung von Menschen, lediglich weil sie Angehörige eines Verbrechers, alt oder geisteskrank sind oder einer fremden Rasse angehören, ist keine Führung des Schwertes, das der Obrigkeit gegeben ist...“ Das gelte auch für „das Leben des Volkes Israel“ und für die Berufung auf einen Befehl: „Wir können uns nicht von Vor- gesetzten die Verantwortung vor Gott abnehmen lassen.“ DiedeutscheBotschaftbeimVatikanteiltdemAAmit,daßdieange laufeneVerhaftungsaktiongegendie8000römischenJudenzuPropa gandagegendasReichführenkönne. DeutscheBotschaft(Gumpert),TelegrammandasAAv.16.10.: „Bischof Hudal, Rektor der deutschen katholischen Kirche in Rom, wandte sich soeben mit Brief an StKdt Gen Stahel, in dem es u.a. heißt: ‘Ich darf wohl eine sehr dringende Angelegenheit hier anschließen. EbenberichtetmireinehohevatikanischeStelleausderunmittelbaren 418

Umgebung desHl.Vaters,daßheutemorgendieVerhaftungenvon JudenitalienischerStaatsangehörigkeitbegonnenhaben.ImInteresse desgutenbisherigenEinvernehmenszwischenVatikanunddemho hendeutschenMilitärkommando,dasinersterLiniedempolitischen Weitblick und der Großherzigkeit Eurer Exzellenz zu verdanken ist undeinmalindieGeschichteRomseingehenwird,bitteichvielmals, eineOrderzugeben,daßinRomundUmgebungdieseVerhaftungen sofort eingestelltwerden;ichfürchte,daßderPapstsonstöffentlich dagegenStellungnehmenwird,wasderdeutschfeindlichenPropagan daalsWaffegegenunsDeutschedienenmuß.“ So17.10.: Botsch.(Vatikan)ErnstFhr.vonWeizsäcker,TelegrammandasAA v.17.10.: „DievonBischofHudal(vergl.DrahtberichtderDienststelleRahnv. 16.10.) angegebene Reaktion des Vatikans auf den Antransport der JudenausRomkannichbestätigen.DieKurieistbesondersbetroffen, dasichderVorgangsozusagenunterdenFensterndesPapstesabge spielthat.DieReaktionwürdevielleichtgedämpft,wenndieJudenzur ArbeitinItalienselbstverwendetwürden. UnsfeindlichgesinnteKreiseinRommachtensichdenVorgangzu Nutzen,umdenVatikanausseinerReserve[!!!]herauszudrängen.Man sagt,dieBischöfeinfranzösischenStädten,woähnlichesvorkam,hät ten deutlich Stellung bezogen. Hinter diesen könne der Papst als OberhauptderKircheundalsBischofvonRomnichtzurückbleiben. Man stelltauchdenvieltemperamentvollerenPiusXI.demjetzigen Papstgegenüber. Die Propaganda unserer Gegner im Ausland wird sich des jetzigen Vorgangs sicher gleichfalls bemächtigen, um zwischen uns und der KurieUnfriedenzustiften.“ Do28.10.:BeginnderDreharbeitenzu Kolberg . DerregimekritischeOB/HGMitteGFMGünthervonKlugeerleidet einenschwerenAutounfall. Botsch. Ernst Fhr. von Weizsäcker, KurierSchreiben an das AA v. 28.10.: 419

„DerPapsthatsich,obwohldemVernehmennachvonverschiedenen Seitenbestürmt,zukeinerdemonstrativenÄußerunggegendenAb transport der Juden aus Rom hinreißen lassen. Obgleich er damit rechnen muß, daß ihm diese Haltung von Seiten unserer Gegner nachgetragenundvondenprotestantischenKreisenindenangelsäch sischenLändernzupropagandistischenZweckengegendenKatholi zismusausgewertetwird,haterauchindieserheiklenFrageallesge tan,umdasVerhältniszuderDeutschenRg.unddeninRombefind lichen deutschen Stellen nicht zu belasten. Da hier in Rom weitere deutscheAktioneninderJudenfragenichtmehrdurchzuführensein dürften,kannalsodamitgerechnetwerden,daßdiesefürdasdeutsch vatikanischeVerhältnisunangenehmeFrageliquidiertist. VonvatikanischerSeitejedenfallsliegthierfüreinbestimmtesAnzei chenvor.Der Osservatore Romano hatnämlicham25./26.10.anhervor ragender Stelle ein offiziöses Kommuniqué über die Liebestätigkeit desPapstesveröffentlicht,inwelchemesindemfürdasvatikanische Blatt bezeichnenden Stil, d.h. reichlich gewunden und unklar, heißt, derPapstlasseseineväterlicheFürsorgeallenMenschenohneUnter schiedderNationalität,ReligionundRasseangedeihen.Dievielgestal tigeundunaufhörlicheAktivitätPiusXII.habesichinletzterZeitin folgedervermehrtenLeidensovielerUnglücklichernochverstärkt. GegendieseVeröffentlichungsindEinwenduungenumsowenigerzu erheben, als ihr Wortlaut, der anliegend in Übersetzung vorgelegt wird,vondenwenigstenalsspeziellerHinweisaufdieJudenfragever standenwerdenwird.“ Fr29.10.:DerbisherigeOBder16.Armee,derhitlertreueGFMErnst Busch, wird zum Nachfolger des gestern verunglückten, schwerver letztenGFMvonKlugeernannt. Der wegen „fortgesetzter reichsfeindlicher Tätigkeit im Zusammen hangmitschwersterZersetzungderdeutschenWehrkraft“zumTode verurteilteSchauspielerRobertDorsaywirdinBerlinhingerichtet. Mo01.11.: Mi03.11.: Bei der Mordaktion „Erntedankfest“ der SS und der Poli zeibataillone41und101,der3.berittenenPolizeischwadronunddes 420

MotGendarmenbataillonswerdeninPoniatowa14000Judenerschos sen,weitere18000JudenwerdeninsnahegelegeneVernichtungslager LublinMajdanekgebrachtunddortsoforterschossen.Die3.berittene PolizeischwadronerschießtinTrawnikiweitere12000Juden. Sa06.11.:DieUdSSRerobertKiewzurück. So07.11.:ChWeMFStGenAlfredJodlhältinMünchenvordenRL undGLeinenVortragüberdiestrategischeKriegslage:DasScheitern oder Gelingen der angloamerikanischen Invasion im Westen werde kriegsentscheidend sein. DeutschlandverfügeanderWestfrontüber 1,374 Mio Soldaten, an der Ostfront über 200 Div. mit 4,183 Mio Mann. An der Ostfront sei vor allem das neue sowjetische Kampf flugzeug(„Stormovik“)fürdiedeutschenTruppen„besondersuner freulich“.JedenMonatkommeeszu1500bis2100Zerstörungenvon EisenbahnverbindungendurchSaboteure„mitweitreichendenAus wirkungenaufTruppenoperationenundEvakuierungstransporte“. ChWeMFSt Gen Alfred Jodl: Die strategische Lage am Anfang des 5. Kriegsjahres ,Vortragv.07.11.: „InIhrenGauenundIhrerBevölkerungkonzentriertsichalles,wasan feindlicher Propaganda, an Kleinmut, an böswilligen Gerüchten sich imVolkebreitzumachenversucht.Landauf,landabschreitetderTeu felderZersetzung.AlleFeigensuchennacheinemAuswegoder,wie sieihnnennen,derpolitischenLösung.Siesagen,manmußverhan deln, solange die Substanz noch vorhanden ist, und mit all diesen Schlagworten wird Sturm gelaufen gegen das natürliche Empfinden desVolkes,daßesindiesemKriegnurdenKampfbiszumLetzten gibt. Kapitulation ist das Ende der Nation, ist das Ende Deutsch lands... ErstmitdemEintretenernstererRückschlägeundzunehmenderVer schärfungunsererGesamtlagebegannmanimdeutschenVolkzufra gen, ob wir uns nicht übernommen undunserZielzuweitgesteckt hätten... NochvorAbschlußdesPolenfeldzuges[!!]hattederFührerdenEnt schlußzumAngriffgegendiesenFeind[FrankreichundGroßbritan nien]gefaßt...DaßdieserEntschlußnichtwieursprünglichvorgese hennochimSpätherbstdesJahres1939zurDurchführunggelangte, 421

warvorwiegenddurchWitterungsgründe,z.T.aberauchunsereRüs tungslagebedingt.“ So14.11.: Joseph Goebbels:..., Das Reich v. 14.11.: „Was uns betrifft, so haben wir die Brücken hinter uns abgebro- chen. Wir können nicht mehr, aber wir wollen auch nicht mehr zurück. Wir sind zum Letzten gezwingen und darum zum Letz- ten entschlossen... Wir werden als die größten Staatsmänner in die Geschichte eingehen oder als ihre größten Verbrecher.“ Do18.11.:InderNachtzuheutestartenbritischeundamerikanische Bomber eine mehrtägige Reihe stärkster Luftangriffe auf deutsche Städte,u.a.Berlin,Frankfurt/M.,BremenundLeipzig. Di23.11.: In der Nacht zu heute der bisher heftigste Bombenangriff aufBerlin,ausgeführtvonca.800RAFBombern. Fr26.11.: In Berlin sind bei den britischen Luftangriffen der letzten fünfTageüber3700Bewohnergetötetund450000obdachlosgewor den. So28.11.: In Teheran beginnt die AlliierteKriegskonferenzzwischen Roosevelt,ChurchillundStalin(bisMi01.12.):Einigkeitübereineim DetailzuklärendeAufteilungDeutschlands.DieCurzonLiniesolldie Grenze zwischen der UdSSR und Polen sein. Die UdSSR erhält N Ostpreußen mit Königsberg. Als Termin der alliierten Invasion im WestenwirdderMai1944festgelegt. Mo29.11.: In derSlowakeibildetderWiderstandinklusivederkom munistischen KSS den Slowakischen Nationalrat SNR zurVorberei tungeinesVolksaufstands. ImDezembererschießendieDeutscheninKalávrita696Griechenals Repressalie für die Aktionen von Partisanen, sie brennen 24 Dörfer und3Klösternieder. 422

Mi22.12.: Hitler befiehlt die Bildung eines NSFührungsstabes beim OKW:BisEnde1944werden47500NationalsozialistischeFührungs Offiziere(NSFO)eingesetzt. Fr31.12.: 1944 Sa01.01.: Der Kreisauer Kreis wird durch die Verhaftung von Helmuth Graf Moltke und Peter Yorck von Wartenburg zer- schlagen. Di11.01.:DieSSerrichtetinKrakauPlaszowzumletztenmaleinneu esKZ. Fr14.01.:EineGroßoffensivederUdSSRhatdieHeeresgruppeNord vonLeningradbiszumPeipusSeezurückgedrängt.

Im Januar und Februar zerschlägt die Gestapo nach der Verhaf- tung von Helmuth Graf von Moltke und Peter Yorck von War- tenburg auch die Reste des Kreisauer Kreises, das neben dem konservativ-deutschnationalen Kreis um Carl Goerdeler und Ge- nOb Ludwig Beck zentrale Forum der Bemühungen von Offi- zieren und Weimarer Politikern, die Hitler entmachten und den Krieg beenden wollen. Zu den Kreisauern gehören mit Julius Leber, Carlo Mierendorff, Theodor Haubach und Adolf Reich- wein auch Sozialdemokraten. Fr28.01.:U„DieFeuerzangenbowle“(RHelmutWeiß)inBerlin. Di01.02.: Der französische militärische Widerstand vereinigt sich zu denForcesFrancaisesdel’Intérieur(FFI).

Im Februar schaltet die Gestapo Adm Canaris und den Wider- standskreis des OKW-Amtes Ausland/Abwehr endgültig aus. Anfang Februar wendet sich der Berliner AALR Eberhard von ThaddenandenGes.inBukarest,ManfredKillinger:ErsollMarschall Antonescu davon informieren, daß die RRg den Wunsch der briti 423

schenRegierungnacheinerAusreisevonJudenkindernam26.01.so beantwortethat:„ObwohldieAnfragederbritischenRg.wegender Ausreisegenehmigungfür5000Judennichterkennenläßt,zuwelchen Gegenleistungenmanbritischerseitsbereitwäre,istdieRRgnichtab geneigt,denenglischenWunschinpositivemSinnezuerwägenundin entsprechende Verhandlungen einzutreten.“ Kurz darauf teilt LR Thadden als weitere Bedingung der RRg mit, die die britische Rg. müssedie„endgültigeNiederlassung“derJudenkinderinGroßbritan niengarantieren,danicht„einsoedlesundtapferesVolkwiedieAra ber durch die Juden aus ihrem Heimatland Palästina verdrängt wer den“ dürfe. Die Ausreise rumänischer Juden nach Palästina würde „unsbefreundeteAraberstarkverstimmen“. Fr11.02.:DerGes.Beckerle(Sofia)teiltdemAAtelegrafischmit,die bulgarischeRg.habezumdeutschenProtestgegendenTransportjü discherKinderaufdenbulgarischenMotorseglernMaritzaundBella cittaerklärt,siehabeeineErlaubniszumTransportnichterteilt. Mi16.02.:DerGes.ManfredKillinger(Bukarest)teiltdemAAtelegra fisch mit: „Marschall Antonescu möchte möglichst viel Juden aus Rumänien los werden. Auf radikale Maßnahmen will er sich we- gen ungünstiger propagandistischer Auswirkung bei Feindstaa- ten, auf Grund Einstellung maßgebender rumänischer Kreise, die zum großen Teil jüdisch versippt sind, und wohl auch wegen persönlicher Einstellung nicht einlassen .“ Do17.02.: RAM Ribbentrop erteilt Weisung, die antijüdische Aus landsinformationzuverstärkenundhierzueineArbeitstagungderAA Judenreferenten und RSHAArisierungsberater der Deutschen Missi oneneinzuberufen. Di29.02.: Eine alliierte Militärmission erreicht in Griechenland einen WaffenstillstandzwischenELASundEDES. Mi01.03.: Die italienische Resistenza organisiert in den Großstädten desNordensmehrtägigeStreiks. 424

Sa04.03.:DieUdSSRdrängtdasdeutscheHeerausderUkraineher aus. Sa11.03.:DerGes.ManfredKillinger(Bukarest)teiltdemAAtelegra fischmit:„AntwortMarschalls[Antonescuaufdendt.Protestgegen dieJudentransporte]nochnichteingegangen.HabeEindruck,daßer Entscheidungausweicht.HabegegenüberdemAuMaufdessenAn fragewegenGenehmigungAbtransportevon150Judenkindernnach PalästinaunserenablehnendenStandpunktzumAusdruckgebracht.“ So19.03.:DeutschlandbesetztUngarn(FallMargaretheI). Mi22.03.:DerungarischeGes.inBerlin,DömeSztójay,wirdMP. Im März gründen in New York Paul Tillich und Reinhold Niebuhr denCouncilforaDemocraticGermany.ErentwirftunterBeteiligung vonKommunisten,Linkssozialisten,SozialdemokratenundLiberalen einProgrammfüreindemokratischesGesamtdeutschlandalsAlterna tive zum allierten Plan der Teilung. Der CDG scheitert an der Zu stimmungderKPDzudenErgebnissenvonTeheranundJalta. Do30.03.:DasRumänischeRoteKreuzteiltdemIRKmit,eswerde unterseinemSchutzam02.04.die‘Bellacitta’mit130jüdischenKin dernund20erwachsenenJudenvonKonstanzanachIstanbulabfah renlassenundbitteumfreiesGeleit. Fr31.03.:DerGes.Jenke(Ankara)teiltdemAAtelegrafischmit:„Seit einiger Zeit laufen hier Verhandlungen mit Rotem Kreuz über Aus wanderung1500...JudenvonRumäniennachPalästina.TürkischeRg. bereit,hierfürDampfer‘Tari’zurVerfügungzustellen.Numanmit teilt, daß amerikanischer Botsch. sich in dringender Form für be schleunigte Durchführung einsetzte. Numan läßt Herrn RAM [Rib bentrop] persönlich bitten, Genehmigung zu erteilen und hinweist, daß es zur Förderung seiner Politik notwendig ist, zeitweilig ‘Ballast abzuwerfen’. Gegebenenfalls erbitte Weisung,wannundinwelchem HafenSchwarzenMeeresEinschiffungerfolgenkönnte.“ 425

Sa01.04.: Von April bis Juni führendieDeutschenMassendeportationengrie chischer und ungarischer Juden ins Vernichtungslager Auschwitz durch. In acht Wochen vergasen die Deutschen 250000 der 400000 ungarischenJuden.InUngarnunterstütztvorallemderPfeilkreuzler Salassi das Vorhaben. Zeitgleich verhandelt die Judenreferenten der GestapomitVertreternausländischerJudenübereineFreilassungge gendieBezahlungvonDevisenunddieLieferungvonLastwagenfür WehrmachtundSS.Hierdurchwerdenabernichteinmal1500Juden gerettet. Mo03.04.: In Krummhübel i. Rsgbg. findet auf Weisung von RAM Ribbentropv.17.02.eineArbeitstagung(bis04.04.)derJudenreferen ten(AA)undderArisierungsberater(RSHA)derDeutschenMissio nenAnkara,Fasano(Italien),Madrid,Paris,Lissabon,Preßburg,Sofia, Stockholm,Zagreb,Bern,BukarestundKopenhagenstatt.DieAus führungenvonLREberhardvonThaddenundSSHStFDr.Ballen siefen (RSHA) über die bereits ausgeführten Massenmordaktionen werdenwegenderGeheimhaltungnichtinsProtokollaufgenommen. Ges. Schleier, Protokoll der Arbeitstagung in Krummhübel v. 03. 04.04.: „BegrüßungdurchGes.Prof.[Habil.1936:DiePressederfremdvölki schen Minderheiten] Dr. [Diss. Die politische Propaganda der NSDAP und ihr Kampf um die Macht] [Franz Alfred] Six [*1909, 1930 NSDAP, L HA Aufklärung u. Werbung Dt. Studensch., 1939 Dekand.neugegr.Auslandswiss.Fak.Fr.Wilh.Univ.Berlin+LAmt VIIWeltanschaulicheForschungundAuswertungRSHA,1945AA, Flucht,ProzeßinNürnberg:20J.Gefängnis,4½J.verbüßt,BüroRA Ernst Achenbach, MdL FDP, Essen], der Vorsitz an Ges. Schleier übergibt. In seiner Eröffnungsansprache beschäftigt er sich mit den AufgabenundZielenderantijüdischenAuslandsaktion.Ges.Schleier verweist auf das Bekenntnis des Führers zum völkischrassischen Prinzip.DiesbedeuteAblehnungallerfremdländischenEinflüsseund den Kampf des NS. gegen das zersetzend und zerstörend wirkende Judentum. Dieser Kampf habe uns den Haß des Judentums einge bracht.Ges.SchleiererinnertandieerstenOpferdesvominternatio 426

nalenJudentumgegendasdeutscheVolkentfesseltenKampfes,Wil helmGustloffundErnstv.Rath.DieserKampfstelleeinenwesentli chenTeildesgroßenRingensdesdeutschenVolkesdar.DerFührer habe daher auch die Weisung gegeben, in verstärktem Maße den KampfgegendasJudentumundfürdieAufklärungüberdessenRolle imgegenwärtigenKriegaufzunehmen.InEnglandundAmerikaseien AnsätzezuantijüdischenTendenzenvorhanden. Es stelle sich die Frage, welche Möglichkeiten sich den europäisch deutschenMissionenfüreineantijüdischeTätigkeitböten.Diezuleis tendeArbeitmüssevoninnennachaußenundvonaußennachinnen verlaufen,erforderlichseienMeldungenüberdasVerhaltendesJuden tumsindembetreffendenLandeundüberantijüdischeRegungenda selbst. Antijüdische Propaganda in neutralen Ländern sei besonders schwierig, aber von größter Wichtigkeit, da von dort Ausstrahlungs möglichkeiten nach England und Amerika beständen. Die neutralen Länder seien aber auch als Beobachtungsposten wichtig. Presseaus schnitte,Rundfunkberichte,AufzeichnungenüberVorgängeimfeind lichen Ausland und im jüdischen Lager, die von Angehörigen der Gastländer berichtet werden, sowie Ansätze antijüdischer Tendenz müssensorgfältiggesammeltundregistriertwerden... Dieses Material würde von Inf. XIV gesammelt und bearbeitet und sodann an die Missionen zur Auswertung in Presse und Rundfunk, durch Flugblätter, Broschüren und durch Kanäle der Flüsterpropa gandageleitetwerden.DieHerausgabeerfolgeüberdiePresse,Rund funkundKulturpolitischeAbteilung. Ges.SchleierentwickeltesodanneinigekonkreteProjekte.Soseidar angedacht,eineWanderausstellungaufSchienenodermotorisiertzu veranstalten.WeiterplaneerdieHerausgabeeines antijüdischen Abriß- kalenders besondersfürdie Staaten Südosteuropas unddieEinrichtungei nesgroßenArchivsüberalleProblemederJudenfrageinpersoneller undsachlicherHinsicht,demeineBildersammlunganzuschließensei. Ges. Six spricht sodann über die politische Struktur des Weltjuden tums, die er weltanschaulich und historisch als Folge der soziologi schen Entwicklung seit der französischen Revolution erläutert. Die Zahlen, dieimJahre1933vorlagen,ergabenetwa17MioKonfessi onsjuden. Der eigentliche Kraftquell des Judentums in Europa und AmerikaseidasOstjudentum.EsstelledenAusgangspunktderWan 427

derbewegungen aus dem europäischen in den amerikanischen Raum dar. Das Ostjudentum schiebe sich langsam aus dem Osten in den Westenundzeigedabeinichtnureinreligiöses,sondernaucheinso ziales Gefälle. Das Judentum in Europa habe seine biologische und gleichzeitig seine politische Rolle ausgespielt. In den Län dern der Feindmächte nehme das Judentum eine führende Stelle in demKampfgegendenNS.undgegendasdeutscheVolkein.InSow jetRußlandseidiejüdischeFragenichtmitbesonderemAkzenther vorgehobenworden;wirwissenaberausderPraxisderKriegführung, daßderJudeinderHierarchiedesBolschewismusnachwievoreine entscheidendeRollespiele.DiejüdischeInfiltrationhabesichinder SowjetUniongehalten. DaszweiteindiesemZusammenhangwichtigeLandseiEngland.Das Judentum spiele dort eine traditionelle Rolle. Es sei gelungen, auf Grund der plutokratischen Struktur Englands Juden in die führende Schichtzuentsenden,wassichinderPolitikderOberschichtwährend des19.Jh.starkausgewirkthabe.DieseVersippungseiwichtigfürdie BeurteilungdergegenwärtigenLage. Das Zusammenspiel des englischen mit dem amerikanischen Juden tum habe eine entscheidende Rolle beim Ausbruch des Krieges ge spielt.IndenVereinigtenStaatenbefändensichca.7MioJuden.Ihre Position sei wirtschaftlich begründet. Die demokratische Weltan schauung habe sich als fruchtbarer Boden für den fortschreitenden Einfluß des Judentums erwiesen. Die starke jüdische Durchsetzung derFührungsschichtbeidendreiDeutschlandbekämpfendenMäch tenseieinFaktorvongrößterBedeutung. Ges.SixwendetsichsodanndemZionismuszu.Zionismusbedeute RückführungallerJudenindasHeimatundUrsprungslandPalästina. Manwollesiedortpolitischundbiologischzusammenfügen.Diegan ze Frage der Rückführung sei jedoch politisch überlagert durch die arabischeFrage.DurchdieBalfourDeklarationvon1917wurdeden Juden nach dem Kriege eine Heimstätte zugesichert. Das jüdische Element habe sich in Palästina sehr breit gemacht auf Kosten des Arabertums. Die physische Beseitigung des Ostjudentums entziehe dem Ju- dentum die biologischen Reserven. Seine[desJudentums]heutige StrukturseidurchseineVereinigungmitdendreiGroßmächten[Ver 428

einigte Staaten, SowjetUnion, England] gekennzeichnet. Diese Ver bindung zeige sich in der SowjetUnion durch die weltanschauliche Kombination des Judentums mit dem Bolschewismus, in England durchdasEindringenindieFührungsschichtundindenVereinigten Staaten durch die Beherrschung entscheidender Schlüsselstellung in derGroßfinanz.NichtnurinDeutschland,sondernauchinternational müssedieJudenfragezueinerLösunggebrachtwerden. LR [Eberhard] v. Thadden spricht über die judenpolitische La- ge in Europa und über den Stand der antijüdischen Exekutiv- Maßnahmen. DerRednergabeinenÜberblick,auswelchemGrunde die zionistische PalästinaLösung oderähnlicheErsatzLösungenab gelehntunddieAussiedlungderJudenindieOstgebietedurchgeführt werden müsse. Er umriß sodann den derzeitigen Stand der antijüdi schenMaßnahmeninsämtlicheneuropäischenLändern. Der Redner führte dann aus, welche Gegenmaßnahmen das Weltju dentum gegen die deutschen antijüdischen Maßnahmen in Europa durchführt. DieAusführungenwurdenmitfolgendenBittenandieVertreterder Missionengeschlossen: 1) Unterdrückung jeder, auch antijüdisch getarnten Propaganda, die geeignetist,diedeutschenExekutivMaßnahmenzuhemmenoderzu behindern. 2) Vorbereitung des Verständnisses in allen Völkern für Exekutiv MaßnahmengegendasJudentum. 3) Laufende Berichterstattung über die Möglichkeit, auf diplomati schenWegenverschärfteMaßnahmengegendasJudentumindenein zelnenLändernzurDurchführungzubringen. 4)LaufendeBerichterstattungüberAnzeichenfürGegenaktionendes Weltjudentums,damitrechtzeitigGegenminengelegtwerdenkönnen. (Da die von den Referenten vorgetragenen Einzelheiten über den StandderExekutivMaßnahmenindeneinzelnenLänderngeheimzu haltensind,istvonderAufnahmeinsProtokollabgesehenworden.) SSHStFDr.BallensiefenberichtetüberErfahrungenbeiderDurch führungderantijüdischenMaßnahmeninUngarnimZusammenhang mitdendortigenpolitischenEreignissen. Prof.Dr.MahrbehandeltinseinemReferatdieantijüdischeAuslands aktion im Rundfunk. Er fordert die Durchsetzung der deutschen 429

Rundfunksendungen nach dem Ausland mit antijüdischem Aufklä rungsmaterialunddieBeeinflussungdesRundfunksderunsnaheste hendenoderverbündetenLänderinähnlichemSinneunterWahrung der Souveränität derbetr.Länder.ImbinnendeutschenFunkseifür gutesMaterialzusorgen. Frl. Dr. Haußmann spricht über antijüdische Auslandsaktion in der PresseunddasPressebildimDienstederantijüdischenAuslandsakti on.DerBildbedarfinderinundausländischenPresseseigroß.Bei der Beschaffung antijüdischer Bilder sei die Mitarbeit der Missionen erforderlich. Wichtig sei auch die Besprechung antijüdischer Bücher und jüdischer und antijüdischer Filme in der Presse. Frl. Dr. Hauß mannzeigtdanndiepraktischenMöglichkeitenbeiderUnterbringung vonantijüdischenMeldungeninderausländischenPresseauf,wobei das Schwergewicht bei den Pressereferenten der Missionen liegen muß. Dr.WalzbehandeltdieantijüdischeAktivinformation.Eskönnekei nen wirklichen Frieden unter den Völkern geben, wenn das Juden problemnichtaufirgendeineWeisegelöstwürde.DieInformationstä tigkeitmüsseaufdiejeweiligeMentalitätderVölker,aufdieinantijü dischem Sinne eingewirkt werden soll, Rücksicht nehmen. Bei Flug blättern müßten ausländische Muster als Vorbild dienen. Es fehle bisheraneinemantijüdischenFilm,dernichtbekanntejüdischeEin zelpersönlichkeiten behandle, sondern den kleinen jüdischen Kauf mann,denjüdischenIntellektuelleninihremtäglichenWirkenzeige. LSDr.KutschersprichtüberdiePropagandathesenimRahmender antijüdischenAuslandsaktion...LSDr.Kutscherformuliertsodannei nigeLeitsätze:DieJudensinddieUrheberdesKrieges.Siehabendie VölkerindenKrieghineingetrieben,weilsieanihminteressiertsind. DieJudensinddasUnglückallerVölker.EinjüdischerSiegwürde das Ende jeder Kultur sein (Beispiel SowjetUnion). Kämpft DeutschlandgegendenJuden,sotutesdasnichtnurfürsich,sondern fürdieganzeeuropäischeKultur.DerJudehatsichmitdiesemKrieg seineigenesGrabgegraben.AufgabedieserSätzesei,denMenschen bestimmteTatsachenvorAugenzuführen,sodaßsieschließlichvon derenRichtigkeitüberzeugtseien. 430

Di04.04.:Botsch.FranzvonPapen(Ankara)telegrafiertansAA:„Ro teKreuzDelegierter mitteilt, daß es sich um Transport von 1350 Kindern handele, denen lediglich 10 Prozent erwachsene Personen, dasheißt150erwachsenePersonen,zurBetreuungbeigegeben. Türkische Rg. habe trotz ihrer Schiffsraumnot Dampfer ‘Tari’ zur Verfügung gestellt, weil es sich ausschließlich um Kinder handele. TransportsollbaldmöglichstabKonstanzaüberIstanbulnachHaifa durchgeführt werden. Alle beteiligten Nationen hätten SaufConduit erteilt, RRg werde gebeten, diesem humanitären Werk ihre Zustim mungnichtzuversagen.ZentraleGenfhabegleichlautendeAnfrage vor14Tagennachdortgerichtet,seiohneAntwort.Drahtweisung.“ Sa29.04.: Mo01.05.: Fr05.05.: RFSS Himmler hält in der Nationalsozialistischen Politi schen Erziehungsanstalt Sonthofen eine Rede vor Generalen der Wehrmacht:„DenJudenwaresvomFührerangekündigtworden,bei BeginndesKriegesodervordemKrieg.‘Wennihrnocheinmaldie europäischen Völker in einen Krieg gegeneinander hetzt, dann wird das nicht die Ausrottung des deutschen Volkes [sic!] bedeuten, son derndieAusrottungderJuden.’ Die Judenfrage ist in Deutschland und im allgemeinen in den von Deutschland besetzten Ländern gelöst ...Ich spreche das zu Ihnen als Kameraden aus. Wir sind alle Soldaten,ganzgleich,welchenRockwirtragen.Siemögenmirnach fühlen, wie schwer die Erfüllung dieses mir gegebenen Befehls war, denichbefolgtunddurchgeführthabeausGehorsamundausvollster Überzeugung.“ Mi24.05.: RFSS Himmler hält in der Nationalsozialistischen Politi schen Erziehungsanstalt Sonthofen eine zweite Rede vor Generalen der Wehrmacht: „Eine andere Frage, die maßgeblich für die innere Sicherheit desReichesundEuropaswar,istdieJudenfrage.Siewurde nachBefehlundverstandesmäßigerErkenntniskompromißlosgelöst. (Applaus der Generale )...Ichhabemichnichtfürberechtigtgehalten dasbetrifftnämlichdiejüdischenFrauenundKinder,indenKin 431

dern die Rächer groß werden zu lassen, diedannunsereVäter[sic!] undunsereEnkelumbringen.Dashätteichfürfeigegehalten.Folg lichwurdedieFragekompromißlosgelöst.“ Do25.05.:TitoentkommtbeieinemdeutschenLuftlandeüberfallauf seinHQbeiDrvar/Bosnien. Do01.06.: Der von der Gestapo bereits seit Februar kaltgestellte ChefdesOKWAmtesAusland/AbwehrAdmCanarisverliertseinen Posten. Sein Nachfolger wird ChSD/BesGebiete SSGen Walter Schellenberg. Di06.06.: Die Invasion der westalliierten Truppen in Frankreich beginnt an der normannischen Atlantikküste. Die französische Résistance unterbricht deutsche Nachrichten und Verkehrsverbin dungen.InderRegionZentralmassivkommteszuAufständen. Sa10.06.:DieSSPanzerdivision„DasReich“brenntals„Vergeltung“ gegen die Résistance OradoursurGlane nieder und ermordet über 600Bewohner,auchFrauenundKinder. Mo12.06.:DeutschlandbeginntdenBeschußbritischerZiele,voral lemLondons,mitderV1Rakete,gegendiedieAlliiertennochAb wehrchancenhaben. Di20.06.: Partisanen der UdSSR legen in ihrer größten und erfolg reichsten Aktion mit 10000 Sprengungen das Eisenbahnnetz hinter derHeeresgruppeMittelahm. Mi21.06.:RFSSHeinrichHimmlerhältinderNationalsozialistischen PolitischenErziehungsanstaltinSonthofeneinedritteRedevorGene ralenderWeM:„EineanderegroßeFragewarnochnotwendigzulö sen.EswarderfurchtbarsteAuftrag,deneineOrganisationbekom menkonnte:derAuftrag,dieJudenfragezulösen.“ 432

Do22.06.: Die Großoffensive der UdSSR gegen die Heeresgruppe Mitte beginnt und wird zu einem noch größeren Erfolg als die SchlachtumStalingrad. JuliusLeberundAdolfReichweintreffensichineinerBerlinerArzt wohnung mit Anton Saefkow, Franz Jacob und Ferdinand Thomas vomkommunistischenWiderstand. ImSommereröffnetdieSSdasVernichtungslagerKulmhof/Chelmno kurzvorderBefreiungdurchdieUdSSRnocheinmalundermordet massenhaftJuden.InsgesamtermordetdieSSinKulmhof/Chelmno mindestens152000Menschen. Fr30.06.:DieWaffenSShat595443Mann,dieallgemeineSS200498 Mann,dieKZWachmannschaften24000Mann. DerDänischeFreiheitsratorganisierteinenmehrtägigenGeneralstreik underreichtdieAufhebungderAusgangssperreinKopenhagen. Sa01.07.:ObiGClausGrafSchenkvonStauffenbergwirdzumStCh desBHdesErsatzheeres,GObFritzFromm,ernannt. ImJulifindenimVernichtungslagerLublinMajdanekdieletztenMas senerschießungen statt. Insgesamt ermordet die SS in diesem Lager 200000Menschen,darunter60000Juden. Mo03.07.:DieHeeresgruppeMitteistvonderSowjetArmeegeschla gen. Di04.07.: Unmittelbar nach dem 2. Treffen Lebers und Reichweins mit Saefkow, Jacob und Thomas verhaftet die Gestapo Leber und Reichwein.

Di11.07.: Beim Lagevortrag vor FRK Hitler auf dem Berghof am Obersalzberg verzichtet Ob iG Graf Stauffenberg auf die Auslö- sung der Bombe in seiner Aktentasche, weil RFSS Himmler nicht anwesend ist (Göring ist anwesend!). Kluge und Rommel hatten die Mitbeseitigung Himmlers und Görings gefordert. Die 433

für die Besetzung Berlins vorgesehenen Truppen sind bereits in Alarmzustand versetzt, was nachträglich als Übung getarnt wird. Do13.07.:DerGLKölnAachen,JosefGrohé,löstalsRKomfürdie besetztenGebietevonBelgienundNordfrankreichdiedeutscheMili tärverwaltungab. ImJulizerschlägtdieGestapodiekommunistischeWiderstandsorga nisationinBerlin,LeipzigundThüringen,derVolksGHverhängtTo desurteile.FernerrolltdieGestapoingroßenVerhaftungswellenWi derstandszentren in der Wehrmacht, im Staatsapparat und den Kir chenauf.StauffenbergmußdeshalbseinenAttentatsplanbeschleuni gen.

Sa15.07.: Auch der 2. Termin von Stauffenberg für ein Bomben- attentat auf FRK Hitler, diesmal im FHQ Wolfsschanze, reali- siert sich nicht, weil Himmler nicht anwesend ist. GFM Erwin Rommel richtet auf Vermittlung des mit den Stauf- fenberg-Verschwörern verbündeten Gen Hans Speidel ein Fern- schreiben an FRK Hitler: „Die Truppe kämpft allerorts helden- mütig, jedoch der ungleiche Kampf neigt sich dem Ende entge- gen. Ich muß Sie bitten, die Folgerungen aus dieser Lage unver- züglich zu ziehen. Ich fühle mich verpflichtet, als OB der HG dies klar auszusprechen.“

Mo17.07.: Bei einem Jabo-Angriff auf sein Kfz erleidet GFM Rommel in der Normandie einen schweren Unfall. Die Führung der HG B wird dem OB West, GFM Günther von Kluge, über- tragen.

Di18.07.: Die Verschwörer erfahren, daß die Gestapo Carl Goer- deler verhaften will. Stauffenberg bestimmt Goerdeler, sich zu verstecken.

Do20.07.: Frühmorgens. Ob iG Claus Graf Schenk von Stauffen- berg fliegt in Begleitung seines Adj und Freundes Olt Hans- Bernd von Haeften zum Vortrag ins FHQ Wolfsschanze. Nach 434

der Ankunft in Rastenburg lassen sie sich ein Flugzeug für den Rückflug nach Berlin bereithalten. 12.30 Uhr. Im FHQ beginnt die Führerbesprechung, die wegen des für 14.30 Uhr angekündigten Mussolini-Besuchs unter Zeit- druck steht. Stauffenberg kommt mit Verspätung, da er in einem Vorgebäude den Zeitzünder mit der Zange ausgelöst hat. 10 Mi- nuten Frist bleiben bis zur Explosion. 3 Minuten dauert der Weg durch den letzten Sperrkreis. zur Lage-Baracke. Himmler und Göring lassen sich vertreten, insgesamt sind 25 Teilnehmer anwesend. 12.42 Uhr. Ob iG Graf Stauffenbergs Bombenattentat auf Hitler scheitert im FHQ Wolfsschanze, Hitler wird nur leicht verletzt. Nachmittag. Die unmittelbar nach dem Attentat vorgesehene Besetzung der wichtigen Befehlsstellen in Berlin durch Verbän- de des Ersatzheeres mißlingt, da viele Kommandeure angesichts der unklaren Lage zögern. 15.30 Uhr. Stauffenberg und Haeften treffen mit dem Flugzeug in Rangsdorf bei Berlin ein. 15.50 Uhr. Im OKH in der Bendlerstraße löst GenInf Friedrich Olbricht erst nach dem Anruf Stauffenbergs, der den Tod Hit- lers in gutem Glauben versichert, das Stichwort „Walküre“ zur Mobilisierung des Ersatzheers aus. Kurz nach 16 Uhr. Ersatzheer-BH GOb Fromm erfährt durch ei- ne vom nichtsahnenden Gen Olbricht veranlaßten telefonische Rückfrage bei GFM Keitel, daß Hitler noch lebt, und distanziert sich daraufhin von der Verschwörung. GOb Beck beschließt, den Putschversuch fortzusetzen. 16.30 Uhr. Als neuer OB der Wehrmacht richtet GFM von Witz- leben ein Fernschreiben an die WeKr-BH und verhängt den Ausnahmezustand über das Reich: Übernahme sämtlicher Nachrichtenanlagen, Festsetzung sämtlicher NSDAP- Funktionäre bis zum KL und der Minister, Opr, PolPräs und Gestapo-Leiter, sofortige Besetzung der KZ, Verhaftung der La- gerleiter, Zernierung der SS-Wachmannschaften, Unterstellung der Waffen-SS, Besetzung der Gestapo- und SD-Dienststellen, Zusammenarbeit mit den Beauftragten der neuen RRg. 435

17.00 Uhr. Ein SS-Offizier des RSHA, der mit dem Befehl zur Verhaftung Stauffenbergs in der Bendlerstraße eintrifft, wird samt Gefolge festgenommen. 17.30 Uhr. In Berlin erhält das Wachbataillon „Großdeutsch- land“ unter dem nicht eingeweihten Maj Remer den Befehl, das Regierungsviertel abzusperren. 18.30 Uhr. Der Deutschlandsender (die vorgesehene Besetzung des Rundfunkhauses war mißlungen) verbreitet eine Sonder- meldung, daß Hitler am Leben sei. 18.35 Uhr. RMVP Goebbels stellt eine telefonische Verbindung zwischen Hitler und Remer her. Der nationalsozialistische Kommandeur des Wachregiments Berlin, Maj Ernst Remer geht nun gegen die Widerständler vor. Die militärischen Dienststel- len in der Bendlerstraße werden von hitlertreuen Truppen be- setzt. Abend. Stauffenberg, Gen Friedrich Olbricht, Ob Albrecht Mertz von Quirnheim und Olt Werner von Haeften werden in der Bendlerstraße standrechtlich erschossen. Auch der als Staatschef vorgesehene GenOb Ludwig Beck wird nach einem Selbstmordversuch erschossen. OKW-Chef Keitel verhindert das Übergreifen des Aufstandes auf die Generalkommandos und die besetzten Gebiete. Lediglich in Paris (General Karl Heinrich von Stülpnagel) und in Wien kommt es vorübergehend zur Ausschal- tung von SS und SD. 1.00 Uhr nachts. Durch eine Radioansprache macht Hitler dem Gerücht, er sei tot, ein Ende. Schon um Mitternacht war der Aufstand endgültig gescheitert. Im Radio folgen noch Ergeben- heitsadressen vom OBL Göring und OBM Dönitz. Fr21.07.: Hitler ernennt RIM Himmler als Nachfolger von GenOb Friedrich Fromm zum OB desErsatzheeres.HimmlerläßtalleVer dächtigenundderenAngehörige,insgesamt7000Personen,festneh men.InderFolgelassenderVolksGHundKriegsgerichteTausende Menschen,Offiziere,Beamte,Diplomaten,Politiker,Geistlicheusw., hinrichten,alleinaufgrundzivilerUrteile5000Hinrichtungen.Keiner der Hauptbeteiligten und kaum ein Mitwisser überleben. Der seit 436

Herbst1943erkennbareideologischeRadikalisierungdesNSRegimes beschleunigtsich. Sa22.07.:GeneralKarlKirzingerlöstKarlHeinrichvonStülpnagelals MBFrankreichab. BeginnderBefreiungdesVernichtungslagersLublinMajdanekdurch dieUdSSR(bisMo24.07.abgeschlossen). Di25.07.:EinErlaßHitlersernenntRMVPGoebbelszumRBevfür dentotalenKriegseinsatzundveranlaßtdieMobilisierungderletzten Reserven. Mi26.07.:SSOGrFundGenWafSSKarlWolffübernimmtvonTous saintdiedeutscheMilitärverwaltungüberItalien. So30.07.:„TerrorundSabotageErlaß“Hitlers:IndenbesetztenGe bieten sind Widerstandskämpfer nicht mehr der Wehrmachtsjustiz auszuliefern,sondernsofortzuermordenoderderSipozuübergeben. Mo31.07.: Den USA gelingt bei Avranches der Durchbruch, danach erobernsieFrankreichrasch. Di01.08.:InWarschaukommteszumAufstandderpolnischenHei matarmee(AK)unterGeneralBórKomorowski. Do03.08.: Die SowjetArmee vor Warschau wird durch einen deut schen Gegenstoß aufgehalten und unternimmt keine Entlastungsof fensive. RMVP Goebbels, RMBM Speer und RFSS Himmler halten bei der von RL Bormann einberufenen Tagung der RL, GL und NS VerbändeführerinPoseneineReden.Himmlerbeklagtden„Dolch stoß“desHeeresgegenNS.undSS.ErhältanderUtopievomGer manischenReichunddem„PflanzgartengermanischenBlutesimOs ten“ fest. Nun, nach dem Umbau zu einer „ns. Volksarmee“ unter ihmselbstundderReorganisationderSSkönnemanmitderWieder eroberungdesOstensbeginnen:„ÜberdasProblem,daßwirdieHun derttausendevonQkmoderdieMioqkm,diewirverlorenhaben,im 437

Ostenwiederholen,brauchenwirunsüberhauptgarnichtzuunter halten.Dasistunverrückbar,daßwirdieVolkstumsgrenzeum500km herausschieben,daßwirhiersiedeln.Esistunverrückbar,daßwirein germanischesReichgründenwerden.Esistunverrückbar,daßzuden 90Miodie30MioübrigenGermanendazukommenwerden,sodaß wirunsereBlutbasisauf120MioGermanenvermehren.Esistunver rückbar,daßwirdieOrdnungsmachtaufdemBalkanundsonstinEu ropa sein werden... unsere Enkel und Urenkel hätten den nächsten Kriegverloren,dersicherwiederkommenwird,seiesineineroder zweiGenerationen,wennnichtdieLuftwaffeimOstensprechenwir esruhigausamUralstehenwürde...WennesdenKosakengeglückt ist,sichfürdenrussischenZarenbisansGelbeMeerdurchzufressen, unddasganzeGebietallmählichzuerobern,dannwerdenwirundun sereSöhneesindreiTeufelsNamenfertigbringen,JahrfürJahr,Ge neration für Generation unsere Bauerntrecks auszurüsten und von demGebiet,daswirzunächsthinterdermilitärischenGrenzehaben, immereinigehundertKilometerzunächstmitStützpunktenzuverse henunddannallmählichflächenmäßigzubesiedelnunddieanderen herauszudrängen... Der Osten drüben wird unser Truppe nübrungsplatzsein,wowirjedenWintermitsoundsovielDivisionen inEisundSchneeundKälteübenwerden...sodaßwirdieGefahr,die ein Sieg mit sich bringen könnte, daß man wohlhabend und damit weichundbequemwird,wohlfürdienächstenJahrzehnteundJahr hundertebannenkönnen.“ So13.08.:FRKHitlerempfängtimFHQWolfsschanzedennachdem AbbruchderdiplomatischenBeziehungenzuAnkarazurückgekehrten Botsch. Franz von Papen, um ihm das Ritterkreuz des Kriegsver dienstkreuzes zu verleihen. Papens Angebot, über Spanien „mit den Westalliierten zu sondieren“, lehnt Hitler ab: „Mit diesen Leuten ist ein Kompromiß nicht möglich.“ Die deutschen Diplomaten an der BotschaftinBuenosAirestreffennachdemAbbruchderBeziheun geninLissabonein. Sa19.08.:InParisbeginntderAufstandderRésistance.Stadtkomman dant General Dietrich von Choltitz lehnt Hitlers Befehl zur Zerstö 438

rung der Stadt ab und schließt mitderRésistanceeinenWaffenstill stand. Mi23.08.:DiedeutschenTruppeninRumänienkönnendenSturzund dieAblösungvonRegierungschefAntonescudurchConstantinSana tescunichtverhindern. Fr25.08.:TruppenderUSAunddesfreienFrankreichsunterdeGaul lemarschiereninParisein. RumänienwechseltandieSeitederAlliierten.Daraufhinziehensich dieDeutschenerstausGriechenland,späterauchausJugoslawienzu rück. Di29.08.: Der Slowakische Nationalrat ruft zum Aufstand auf, Teile der Armee schließen sich an. Die Aufständischen liefern den Deut schenbeiNeusohl(BanskáBystrica)undSillein(Zilina)ausgedehnte Kämpfe. KönigPeterII.erkenntMarschallTitoalsOBdesmilitärischenWi derstandsinJugoslawienan. Fr01.09.: So03.09.: Prinz Bernhard der Niederlande übernimmt den OB über dieBinnenlandseStrijdkrachten,dieWiderstandsgruppenOrdeDienst (nationale Rechte), Knokploegen (Katholiken und Calvinisten) und RadvanVerzet(Sozialisten)schließensichzusammen. Mo04.09.:DieSSerschießtimKZDachaufast100russischeKriegs gefangeneundFremdarbeiter,diedersüddeutschenWiderstandsorga nisation „Brüderliche Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen“ ange hörten. Die belgische Untergrundarmee und die kommunistische Front de l’Indépendance besetzen den Hafen Antwerpens bis zum Eintreffen derAlliierten. 439

Di05.09.:DieSSbeginntmitderSchließungdesKZHerzogenbusch Vught und der Überstellung der Häftlinge nach Sachsenhausen (bis Mi06.09.). Fr08.09.: Deutschland beginnt den Beschuß britischer und alliierter Ziele,vorallemLondonsundAntwerpens,mitderV2Rakete,gegen die die Alliierten keine Abwehrmöglichkeit haben. Allerdings über treibtdiedeutschePorpagandadieWirkung. Sa16.09.:InDänemarkinternierendieDeutschenalsAntwortaufei nenStreikdiePolizisten,dieOffiziereverschleppensienachDeutsch land. So17.09.: DieniederländischenEisenbahnerbeginnenzurUnterstüt zungderalliiertenLuftlandeoperationbeiArnheimmiteinemStreik, derbiszurBefreiungdauert.DieDeutschenantwortenmiteinemLe bensmittelembargo,dasdiegroßenStädtetrifftundimHungerwinter 1944/45über10000NiederländerdasLebenkostet. Di19.09.: Waffenstillstand zwischen der UdSSR und Finnland; die deutschenTruppenmüssenFinnlandräumen. ImHerbsterreichtdieWaffenSSihregrößteStärkemit910000Mann in 38 motorisierten und PanzerDivisionen, darunter 310000 Volks deutsche, 50000 „germanische Freiwillige“ und 150000 Angehörige andererVölker. Mo25.09.:OhnegenügendeAusbildungundAusrüstungwerdenalle waffenfähigen Männer von 16 bis 60 Jahren zum DeutschenVolks sturmeinberufen,währenddieAlliiertengeradeimOstenundWesten diedeutschenVorkriegsgrenzenerreichen. Mo02.10.: Die polnische Heimatarmee (AK) in Warschau muß sich mangelsUnterstützungdurchdieUdSSRdendeutschenSSundPoli zeiverbändenergeben.DieWestalliiertensindverstimmtüberStalins Weigerung, westliche Versorgungsflugzeuge zur Unterstützung des AufstandsaufsowjetischenFlughäfenlandenzulassen. 440

Sa07.10.: Aufstand eines Todeskommandos im Vernichtungslager AuschwitzII(Birkenau),beidemeinKrematoriumgesprengtwird. Sa14.10.: FRK Hitlers ChAdj Gen Burgdorf und Glt Maisel fahren nachHerrlingenbeiUlmzuGFMRommelundstellendiesenvordie Alternative,entwedereinVolksGHVerfahrenwegenBeteiligungam 20.07.zugewärtigenodersichbeiSchonungderFamilieselbstzutö ten.NachkurzerBedenkzeitnimmtRommelGift.DerÖffentlichkeit teilt das Regime mit, Rommel sei „an den Folgen seiner schweren Kopfverletzung,dieeralsOBseinerHGimWestendurchKraftfahr zeugunfallerlittenhat“,gestorben. Mo16.10.:EinSSKommandozwingtineinemHandstreichUngarns ReichsverweservonHorthy,denWaffenstillstandmitderUdSSRzu widerrufen und zugunsten des Führers der Pfeilkreuzler, Férencz Szálasi,abzudanken. Mi18.10.: Im Ulmer Rathaus findet ein Staatsakt für GFM Rommel statt,beidemsichFRKHitlerdurchGFMGerdvonRundstedtver treten läßt. Hitler erklärt in einem Tagesbefehl an das Heer, mit Rommelsei„einerunsererbestenHeerführerdahingegangen“. Fr20.10.:AmTagewirdRegensburgvonUSBomberverbändenange griffen. Sa21.10.:DieUSAbesetzenalserstedeutscheGroßstadtAachen. GleichfallsimHerbstkommteszuSabotageaktenundoppositionellen AktionenrebellierenderdeutscherJugengruppenwiederEdelweißpi raten im Rheinland. Die Nationalsozialisten lassen zahlreiche Men schenhinrichten. So29.10.:DerslowakischeAufstandgegendieDeutschenbrichtnach dem Scheitern der UdSSROffensive am DuklaPaß zusammen, er wirdalsPartisanenkriegfortgesetzt. 441

Mi01.11.: RIM Himmler befiehlt, die Vergasungen in Auschwitz II (Birkenau)zubeendenunddieSpurenzuverwischen.Insgesamthat dieSSindiesemLagermehrals1000000Judenermordet. Mi08.11.: WilliamShirer,Aachen,Tgb.v.08.11.: „Es ist nicht viel von einer Stadt mehr übrig außer einem riesigen Trümmerhaufen.DieMenschen,einstsoarrogant,einstderWeltherr schaft so sicher, erscheinen als traurige Spezies. Siesindgeschlagen, sindVerlierer.Unddaswissensieundzeigenesauch,wennsieinden Trümmern herumstochern und sich bei Anbruch der Nacht in ihre Kellerlöcherzurückziehen... ...BerichtfürdieNewYorkHeraldTribune...: ‘...Zivilisten...machengelegentlicheinePausebeimGrabenundver fluchendie,womitsiedieNazismeinen...’“ Di14.11.: Deutschland läßt in Prag das „Komitee zur Befreiung der Völker Rußlands“ (KONR) gründen, das bis Januar unter General VlassovzweiDivisionenaussowjetischenKriegsgefangenen,Zivilar beitern,Kosaken,Georgiernu.a.aufstellt. Di28.11.: WilliamShirer,1.USDivisionbeiLangerwehe,Tgb.v.28.11.: „Mich interessierten die beiden weiblichen Gefangenen... Wie sich herausstellte,warenesRussinnen.Sieseien19Jahrealt,sagtensie.Sie hießenSojaundDusjaundkämenauseinemDorfinderNähevon Charkov.AlsdieDeutschenindieUkraineeinrückten,warensie16 gewesen.WieMillionenandererRussenhattemansiealsSklavennach Deutschlandgebracht. Sojasprachziemlichfließenddeutsch... Zuerst brachten die Deutschen sie zur Arbeit auf einen Bauernhof. Dort mußte sie schwer schuften, viele Stunden täglich, das Essen reichtegerade,umaufdenFüßenbleibenzukönnen.UndderBauer warständighinterihrher,umsieentwederzuschlagenoderzuver gewaltigengewöhnlichbeides.AmEndeliefsieweg.Indernächsten StadtwurdesieaufgegriffenundzurZwangsarbeitineineTextilfabrik gebracht. 442

Lohn?EinigewenigeMarkproMonat.Esssen?TäglichSpinat.Sonn tags Kartoffeln. Niemals Fleisch. Unterkunft? 500 russische Frauen zusammengepfercht in einer leerstehenden Lagerhalle. Wenn sie Glückhatten,vielleichteinSchulhaus...AlssichvonWestendiebriti schenundamerikanischenTruppenDeutschlandnäherten,holteman die Frauen aus den Fabriken und brachte sie mit Viehwaggons in Richtung Front. In den Städten hinter den deutschen Linien haben mansiebuchstäblichwieSklavenaufAuktionenfeilgeboten... Sie seien in einer Schule oder einem Rathaus zusammengetrieben worden,erklärteSoja.DannkamenBauernausderUmgebung,örtli che Unternehmer und handwerker, Heeresoffiziere und meldeten beimAufseherihrenBedarfan.‘Ichbrauche10FrauenfürdieErnte’, erklärteeinLandwirt...“ Fr01.12.: WilliamShirer,Paris,Tgb.v.01.12.: „...derKriegistimWesten(beinahe)zumStillstandgekommen...“ Di05.12.: WilliamShirer,Paris,Tgb.v.05.12.: „TrafzufälligErikaMann,dieebenimElsaßundinAachenwar.Sie sei davon überzeugt, meinte sie, daß die Deutschen heutzutage alle samtschizophrenseien.Ichkonntedemzustimmen...ThomasMann? Erverabscheut,wasausdendeutschenMenschenunterdemNazis musgewordenist.“ Di12.12.: WilliamShirer,USLuftwaffenbasisAzoren,Tgb.v.12.12.: „Wegen des Wetters werden wir nicht, wie geplant, um Mitternacht weiterfliegenkönnen.Sosindauchunsere12deutschenKriegsgefan genen, auf deren Lufttransport in die USA irgendein Bürohengst in Washingtonbestandenhatte,festgehalten.DenganzenTagvonParis hierherhabensieunsinderMilitärmaschinegegenübergesessen,noch in der Gefangenschaft ebenso arrogant wie alle deutschen Offiziere, denenichjemalsbegegnetbin.“ 443

Sa16.12.: Die deutsche ArdennenOffensive beginnt. Sie scheitert nachAnfangserfolgen. Do21.12.: WilliamShirer,NewYork,Tgb.v.21.12.: „Die Deutschen haben die Frontlinie unserer 1. Armee in Belgien durchbrochen,ihrVorstoßkonnteverlangsamt,abernichtangehalten werden.WennmaneinerMengesaturierterLeutehierzuhört,soist derKriegpraktischverloren...“ Mi27.12.: WilliamShirer,NewYork,Tgb.v.27.12.: „Die 3. Armee hat unsere heldenhafte eingeschlossene Garnison in Bastogne freigekämpft. Zum ersten Mal seit Beginn der Schlacht an derBulgeklangheutederBerlinerSenderwenigerzuversichtlich...“ So31.12.: 1945 Mo01.01.: Fr12.01.:DieUdSSRbeginntmitihrerGroßoffensivegegenDeutsch land. Di16.01.: Hitler kehrt endgültig in den Bunker der Berliner Reichs kanzleizurück. Sa27.01.: Die Truppen der UdSSR befreien Auschwitz, finden dort abernurnoch5000nicht„evakuierte“krankeLagerinsassenvor.Die Gaskammern und Krematorien hatte RFSS Himmler kurz zuvor sprengenlassen. So28.01.: WilliamShirer,NewYork,Tgb.v.28.01.: „43TagenachdemBeginnvonRundstedtsüberraschendemGegen angriffimWestenfindensichdieDeutschenwiederinihreAusgangs stellungzurückgedrängtunterVerlustvon100000Soldatenundei 444

ner beträchtlichen Zahl von Panzern und Geschützen. Ihr großes Wagnisistfehlgeschlagen.“ Di30.01.: Letzte Radioansprache FRK Hitlers: 12. Jahrestag der Machtergreifung. U„Kolberg“BerlinTauentzienPalast+LaRochellePUfaPdWil helm Sperber DZ 10/4308/44 DO Potsdam RegionBerlin Kolberg KönigsbergRVeitHarlanBVeitHarlanAlfredBraun[ungen.:Joseph Goebbels]KBrunoMondiMNorbertSchultzeSWolfgangSchleifD Kristina Söderbaum (Maria) Heinrich George (Nettelbeck, Stadtver ordneter) Paul Wegener (Lucadou, Stadtkommandant) Horst Caspar (GenGneisenau)GustavDiessl(LeutnantSchill)OttoWernicke(Kö nigFriedrichWilhelmIII.)KurtMeisel(Klaus) Do01.02.: So04.02.: Die Alliierte Kriegskonferenz von Jalta/Krim beginnt (bis So11.02.):Stalin,RooseveltundChurchillvereinbarenfürdaskünftige Deutschland die Hinzuziehung Frankreichs als 4. Besatzungsmacht, deren Zone zu Lasten der amerikanischen (Südbaden, Südwürttem bergundHohenzollern)undbritischen(Südrheinland,PfalzundSaar gebiet) zugeschnitten wird. Beschlossen wird ferner eine dauerhafte EntwaffnungDeutschlands,dieBestrafungderdeutschenKriegsver brecherunddasVerbotjeglicherns.Betätigung. Di13.02.: US und britische Flugzeuge bombardieren Dresden (bis Mi14.02.). Do15.02.:DeutscheStandgerichtesollendenKampfeswillensichern. Den Vorsitz führt ein Strafrichter, Beisitzer sind ein NSDAP FunktionärundeinOffiziervonWehrmacht,WaffenSSoderPolizei. DieeinzigeSanktionistdieTodesstrafe. Do01.03.: Fr02.03.: WilliamShirer,NewYork,Tgb.v.02.03.: 445

„AmerikanischeTruppenhabendenRheinerreicht!Heutehatunsere 9.ArmeeNeusseingenommen...“ Mo05.03.: Deutschland beruft den Jahrgang 1929 (16jährige) zum KriegsdienstinderWeMein. Mi07.03.: US-Truppen überqueren den Rhein über die Luden- dorff-Eisenbahnbrücke bei Remagen, wenige Minuten vor der geplanten Sprengung durch die Deutschen. Mo12.03.:RFSSHimmlergibtimEinvernehmenmitHitlersLeibarzt Dr.MorelldenBefehl,keineKZInsassenmehrzutöten.Erwillmit denWestalliierteneinBündnisgegendieUdSSRschließen. Do15.03.: RMBM Speer opponiert in einer Denkschrift gegen den Vorwurf,dasVolkhabeversagt,sowiegegenHitlersZerstörungsbe fehlegegendaseigeneLand. Mo19.03.:Hitlers„NeroBefehl“:Zerstörungallermilitärischen,Ver kehrs, Nachrichten, Industrie und Versorgungsanlagen. RMBM Speerundanderevereitelndies. Do22.03.:DieDeutscheWochenschauNr.755/10passiertalsletzte dieZensur. So01.04.: Mo02.04.: Die Bekanntgabe der Organisation „Werwolf“ ,diehin ter den feindlichen Linien den Widerstand fortsetze, ruft Abwehr maßnahmenderAlliiertenhervor,auchwennessichweitgehendum einenPropagandacouphandelt. FRK Hitler diktiert einen ersten Entwurf für sein politisches Testa ment:„DasmitFüßengetretenedeutscheVolksolltesichinseinerna tionalenOhnmachtstetsbemühen,dieGesetzederRassenlehrehoch zuhalten,diewirihmgaben.Ineinermoralischmehrundmehrdurch dasjüdischeGiftverseuchtenWeltmußeingegendiesesGiftimmu nisiertesVolkschließlichundendlichdieOberhandgewinnen.Soge 446

sehen,wirdmandemNationalsozialismusewigdankbarsein,daßich dieJudenausDeutschlandundMitteleuropaausgerottethabe.“ WilliamShirer,NewYork,Tgb.v.02.04.: „Heute melden die Korrespondenten übereinstimmend, eswerdean derWestfrontkeinegroßenSchlachtenmehrgeben. Die Deutschen sind erledigt ...“ So08.04.: WilliamShirer,NewYork,Tgb.v.08.04.: „Heutestehtunsere9.Armeenurnochreichlich200kmvonberlin entfernt. Die 3. und 7. Armee nähern sich Leipzig, Nürnberg und München. Die Russen haben den Sturm auf Königsberg begonnen und die Umzingelung von Wien praktisch vollzogen. Jetzt wird es nichtmehrlangedauern.“ Mo09.04.:AufBefehlvonRFSS+ChDPHimmlerläßtinderNacht zuheutederSonderbeauftragtevonRSHAChefKaltenbrunner,Wal terHuppenkothen,dieWiderständlerAdmCanaris,GenOster,Diet rich Bonhoeffer und andere im KZ Flossenbürg erhängen mittels absichtlichlangsamerStrangulierung. Mi11.04.: Im KZ Buchenwald übernehmen nach der Flucht der SS Wachmannschaften Häftlinge das KZ und übergeben es den US Truppen.ÄhnlichesgeschiehtinanderenLagern. Do12.04.:HitlerbefiehltbeiAndrohungderTodesstrafenocheinmal allenDeutschendieVerteidigungdeutscherStädte. Fr13.04.:DieUdSSRerobertWien. So15.04.: Truppen Großbritanniens befreien das KZ BergenBelsen; 14000HäftlingesterbennochdanachanUnterernährung. Mo16.04.:DieUdSSRbeginntdenGroßangriffaufBerlin. Fr20.04.:FRKHitlerwird56.Erverschiebtseinenfürheutegeplan tenAbflugnachBerchtesgaden(„OperationVerschanzung“). 447

So22.04.:16.30Uhr.LagebesprechungimFührerbunker.FRKHitler sagtangesichtsderschockierendenWeMLageberichtedie„Operation Verschanzung“mitdemUmzugvonRRgundOKWnachBerchtes gaden ab und beschließt, in Berlin zu bleiben. Danach verlassen die GeneräledenBunkerundbegebensichnachRechlin/Müritzsee,dem letztenHQderWeM. Mo23.04.: RIM+RFSS+ChDP Heinrich Himmler und ChOKW A/AuslAbwSSGenWalterSchellenbergbieteninLübecküberGraf BernadotteundSchwedendenWestmächteneineTeilkapitulationim Westenan. Der rechtzeitig aus Berlin entkommene RM Göring fragt aus Mün chenbeiFRKHitlerinBerlinan,oberdieFührungdesReichsüber nehmensoll. Hitler ist wütend und entläßtGöringundHimmlerausallenStaats undParteifunktionen. InderNachtzuheutewirdeineGruppeausgesuchterHäftlinge,dar unterAlbrechtHaushofer,KlausBonhoefferundseinSchwagerRü diger Schleicher, zum Schein aus dem BerlinMoabiter Gefängnis Lehrter Straße entlassen und in einer benachbarten Grünfläche am Reichspoststadion von einem SSKommando durch Genickschüsse ermordet. Di24.04.:ErfolgreicherAufstandderResistenzainMailand. ImAprilwirdausallentschechischenWiderstandsgruppenderTsche chischeNationalrat(CNR)gegründet. ImAprilundMaikommtesvoralleminSüddeutschland(Freiheitsak tionBayern)zuzahlreichenlokalenundregionalenWiderstandsaktio nengegensinnloseVerteidigungundZerstörungen,diezumTeil,so Ende April in Penzberg/Obb., von SS und Werwolf blutig unter drücktwerden. Mi25.04.:TruppenderUSAundderUdSSRtreffensichbeiTorgau anderElbe. 448

Do26.04.: FRK Hitler ernennt Glt Ritter von Greim als Nachfolger GöringszumOBL. Sa28.04.: Italienische Partisanen verhaften den Richtung Schweiz flüchtigen Mussolini am Comer See und erschießen ihn mit dessen GeliebterClaraPetacci. So29.04.: Früher Morgen. Sowjetische Panzer stoßen in Berlin zum PotsdamerPlatzvor. DiedeutschenTruppeninItalienkapitulieren. 16Uhr.FRKHitlermachtseinpersönlichesundseinpolitischesTes tament: Er ernennt GrAdm Dönitz zum RP+RKrM+OBW+OBM, RMVPGoebbelszumRK,L/PKMartinBormannzumParteiminis ter, RMoG+RKomBesNdl SeyßInquart zum RAM; er schließt Gö ring und Himmler nun auch aus der NSDAP aus und ernennt GL KarlHankezumRFSS+ChDPundGLPaulGieslerzumRIM. Abend.AdolfHitlerundEvaBraunheiraten. FRKHitler,„MeinpolitischesTestament“v.29.04.: „...IchhabeaberauchkeinenZweifeldarübergelassen,daß,wenndie Völker Europas wieder nur als Aktienpakete dieser internationalen Geld und Finanzverschwörer angesehen werden, dann auch jenes VolkmitzurVerantwortunggezogenwerdenwird,dasdereigentlich SchuldigeandiesemmörderischenRingenist:dasJudentum!Ichhabe weiterkeinendarüberimunklarengelassen,daßdiesesMalnichtnur Millionen Kinder von Europäern der arischen Völker verhungern werden, nicht nur Millionen erwachsener Männer den Tod erleiden undnichtnurHunderttausendeanFrauenundKindernindenStäd tenverbranntundzuTodebombardiertwerdendürfen,ohnedaßder eigentlichSchuldige,wennauchdurchhumanereMittel,seineSchuld zubüßenhat... ...ernenne ich als Führer der Nation folgende Mitglieder des neuen Kabinetts: RP:[GrAdmKarl]Dönitz RK:Dr.[Joseph]Goebbels Parteiminister:[Martin]Bormann RAM:[Artur]SeyßInquart 449

RIM:GL[Paul]Giesler RKrM:[GrAdmKarl]Dönitz OBH:Schörner OBM:[GrAdmKarl]Dönitz OBL:[GltRittervon]Greim RFSSundChDP:GL[Karl]Hanke RWiM:[Walter]Funk RLwM:Backe RJM:[OttoGeorg]Thierack Kultusminister[=RMWEV]:Dr.[GustavAdolf]Scheel RMVP:Dr.Naumann RFM:[LutzGraf]SchwerinvonKrosigk RArbM:Dr.Hupfauer RMBM:Saur LDAFundMitglieddesReichskabinetts:RMDr.[Robert]Ley“ Mo30.04.: Kurz nach 15.30 Uhr. Im Führerbunker der Berliner Reichskanzlei erschießt sich Hitler, während seine frischanget- raute Frau Eva Braun durch die Einnahme von Gift stirbt. Ihre Leichen werden kurz darauf im RK-Garten von „RK“ Goebbels, RL Bormann sowie Angehörigen der LSSAH mit 170 Liter Ben- zin übergossen und verbrannt. Kurz vor 23 Uhr. SS-Männer verscharren die Leichen Hitlers und Eva Brauns in einem Granattrichter vor dem Eingang zum Füh- rerbunker. DieGruppeUlbrichtderKPDkehrtausMoskaunachDeutschland zurück und übernimmt in den von der UdSSR besetzten Gebieten Verwaltungsaufgaben. Di01.05.: Nachmittag. „RK“ Joseph Goebbels und seine Frau Magda bringen ihre sechs Kinder (3 bis 12 Jahre alt) um. Abend. Goebbels und seine Frau Magda begehen Selbstmord. RP GrAdm Karl Dönitz hält im Geiste Hitlers und des NS eine Radioansprache an die Deutschen: „Unser Führer Adolf Hitler ist gefallen. In tiefster Trauer und Ehrfurcht verneigt sich das deutsche Volk. Frühzeitig hatte er die furchtbare Gefahr des Bolschewismus erkannt und diesem Ringen sein Leben geweiht. 450

Am Ende dieses seines Kampfes und seines unbeirrbaren, gera- den Lebensweges steht sein Heldentod in der Hauptstadt des Deutschen Reiches. Sein Leben war ein einziger Dienst für Deutschland. Sein Einsatz im Kampf gegen die bolschewisti- sche Sturmflut galt darüber hinaus Europa und der gesamten Kulturwelt.“

Mi02.05.: Das von der Sowjet-Armee besetzte Berlin kapituliert. RPGrAdmDönitzinPlönbeauftragtRFMGf.SchwerinvonKro sigk als Nachfolger von „RK Goebbels“ mit der Bildung einer ge schäftsführendenRRg. Do03.05.:RPDönitzverlegtseinHQnachMürwikbeiFlensburg. Fr04.05.: GenAdm von Friedeburg unterzeichnet in Montgomerys HQinLüneburgdieKapitulationderdeutschenStreitkräfteinHol land,NWDeutschland,DänemarkundNorwegen.AuchdieHeeres gruppeSüdwestkapituliert. Sa05.05.:InPragbrichtunterderFührungdesCNRderAufstanddes tschechischenWiderstandslos.EskommtbiszurallgemeinenKapitu lationzuerbittertenKämpfenmitSSEinheitenundzuschwerenAus schreitungengegendeutscheZivilisten. RPDönitzlöstdieNSDAPauf. Mo07.05.: GenOb Jodl unterzeichnet in Gen Eisenhowers HQ in ReimsdiebedingungsloseKapitulationderDeutschenWeM. DieUdSSRbefreitdasKZTheresienstadt. Di08.05.: ChOKW GFM Keitel, GenAdm von Friedeburg und GenOb Stumpff wiederholen namens des OKW in Marschall Schukovs HQ in Berlin-Karlshorst in Gegenwart aller vier Sie- germächte die bedingungslose Kapitulation der Deutschen WeM und übergeben den vier Mächten die deutschen Streitkräf- te. Alle Kampfhandlungen sind um 23.01 Uhr MEZ einzustellen. KapitulationderDeutschenWeMMilitärischeKapitulationsurkunde v.08.05.: 451

„1.Wir,diehierUnterzeichneten,diewirimAuftragedesOKWhan deln, übergeben hiermit bedingungslos dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte [A.W. Tedder] und gleichzeitig demOberkommandoderRotenArmee[G.Schukov]allegegenwärtig unter deutschem Befehl stehenden Streitkräfte zu Lande, zu Wasser undinderLuft.“ Mi23.05.: Die Alliierten lösen die von RP Dönitz ernannte ge- schäftsführende RRg unter „RK“ Graf Schwerin von Krosigk auf, die bis dahin in Flensburg-Mürwik mit einer alliierten Kon- trollkommission kooperierte (De-facto-Übergang der obersten Rg.-Gewalt). InLüneburgbegehtderinbritischeGefangenschaftgerateneehemali geRFSS,RIMundChDPHimmlerdurchSchluckeneinerZyankali KapselSelbstmord. Fr01.06.: Mo04.06.: Der Alliierte KontrollraterklärtdieNSDAPfüraufgelöst undverfügtdieVerhaftungbzw.InternierungihrerFunktionäre. Di05.06.:InderBerlinerErklärungübernehmennamensihrerRg.en dievieralliiertenMilitärbefehlshaberGenArmDwightD.Eisenhower (USA), MarSU Georgij Schukov (UdSSR), FM B.L. Montgomery (Großbritannien)undArmGenT.deLattreTassigny(Frankreich)die obersteRg.GewaltinDeutschland. ErklärunginAnbetrachtderNiederlageDeutschlandsundderÜber nahmederoberstenRegierungsgewalthinsichtlichDeutschlands(Ber linerErklärung)v.05.06.: „DieRg.endesVereinigtenKönigreichs,derVereinigtenStaatenvon Amerika, der Union der Sozialistischen SowjetRepubliken und die Provisorische Rg. der Französischen Republik übernehmen hiermit dieobersteRg.GewaltinDeutschland,einschließlichallerBefugnisse derdeutschenRg.,desOKWundderRg.en,VerwaltungenoderBe hörden der Länder,StädteundGemeinden.DieÜbernahmezuden vorstehendgenanntenZweckenderbesagtenRg.GewaltundBefug nissebewirktnichtdieAnnektierungDeutschlands.“