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Kulturlandschaft Rundlinge im

Ein Welterbekandidat INHALT

4 grußworte 6 Vorwort

Kapitel 1 9 Wendländische Kulturlandschaft 14 die Rundlinge als Welterbe

Kapitel 2 19 auswahl des Welterbegebietes und charakteristika der ausgewählten Rundlingsdörfer

Kapitel 3 29 niedersächsische Stipendiatenstätte Künstlerhof Schreyahn 34 Kulturelle Landpartie 36 pfingstmarkt in Satemin 38 museum »Wendlandhof Lübeln« 42 rundlingsbewohner im Porträt

Kapitel 4 51 die Geschichte der Rundlinge im Wendland 56 der Bauernhaustyp »Niederdeutsches Hallenhaus« GRUSSWORT GRUSSWORT

Dr. Gabriele Heinen-Kljaji´c Jürgen Schulz

Niedersächsische Ministerin Landrat des Landkreises für Wissenschaft und Kultur Lüchow-

Die Kulturlandschaft der Rund­ zur Identitätsbildung in der Gäste des Niederen Rückblickend auf die geschicht­ Beispiel für eine traditionelle wir mit den Menschen in unse­ linge im Niederen Drahwehn ­Region bei und unterstützt wohlfühlen. Damit ist eine liche Entwicklung des Wend­ Siedlungsform, an der sich rem Landkreis die Chancen im Hannoverischen Wendland die Entwicklung der Region ­zentrale Voraussetzung für lands wird deutlich: Wir liegen die Wechselwirkung zwischen und Rahmenbedingungen ist innerhalb der reichhaltigen insgesamt.­ die nachhaltige Entwicklung bis heute abseits großer Ver­ dem wirtschaftenden Menschen ­offen diskutieren, damit sie Kulturlandschaft Niedersach­ dieser schönen Region kehrswege. Das hat unsere und seiner Umwelt bis heute sich mit diesem Ziel identifi­ sens außergewöhnlich. Gemein­ Zu den Besonderheiten des ­Niedersachsens geschaffen. wirtschaftliche Entwicklung ge­ ablesen lässt. Folge­richtig setzt zieren. Bereits heute lässt sich sam mit dem Alten Land wur­ Hannoverischen Wendlands hemmt. Aber es hat gleichzeitig die Samtgemeinde Lüchow alle erkennen, dass die Beschäfti­ den die Rundlinge deshalb als zählen die mittelalterlichen Ich wünsche den Mitwirkenden dazu beigetragen, dass wir Bemühungen­ daran,­ dieses gung mit diesem Thema bei niedersächsische Vorschläge Siedlungsstrukturen im Niede­ in der Samtgemeinde Lüchow über die Jahrhunderte ­einen ­kulturelle Erbe für die Nachwelt vielen Bürgerinnen und Bürgern für die Tentativliste für die ren Drahwehn, die in einer viel Freude und Erfolg! Schatz gerettet haben, der zu sichern, indem sie bei der zu einer neuen Wertschätzung ­UNESCO-Welterbestätten der außerordentlichen­ Vielzahl heute national wie international ­UNESCO die Anerkennung als dieser überlieferten Siedlungs­ Bundesrepublik Deutschland überliefert sind. Dazu zählt in dieser Dichte und diesem Welt­erbe ­anstrebt. Bis zur form geführt hat. In diesem im Jahr 2012 ausgelobt und aber auch die differenzierte ­Erhaltungszustand einmalig ist: ­endgültigen Anerkennung ist Sinne wünsche ich der Samt­ vorgeschlagen. historische Entwicklung der die Rundlingsdörfer. Sie zu noch ein ­langer Weg. Er ist gemeinde Lüchow und uns Kulturlandschaft mit speziellen ­erforschen und ihren Erhalt zu nur zu schaffen, wenn alle ­allen viel Erfolg auf dem weite­ Niedersachsen ist reich an Vegetationen, prägenden sichern war in den vergange­ kommunalen und staatlichen ren Weg zur Anerkennung als unterschiedlichen­ Kulturland­ ­Gebäuden, besonderer Sozial­ nen Jahrzehnten das Ziel vieler ­Ebenen zusammenwirken. Welterbe durch die UNESCO! schaften und vielfältigen geschichte und typischen Wissenschaftler und ehren­ Der Kreistag des Landkreises ­Regionen. Gerade in dieser ­Gebräuchen. amtlich Tätiger und fand sein Lüchow-Dannenberg hat hierfür Viel­zahl liegt eine der Stärken äußeres Zeichen u.a. in der bereits in einem Beschluss unseres Landes. Mit der vor­ Kulturlandschaft schafft Identi­ Gründung des Rundlingsvereins­ vom 19. 12. 2011 seine Unter­ liegenden Broschüre trägt tät, eine Voraussetzung dafür, im Jahre 1969. Die ­ stützung zugesagt. Wir werden 4 die Samtgemeinde Lüchow dass sich die Bewohner und landschaft ist ein hoch aktuelles ­darauf zu achten haben, dass 5 VORWORT

Hubert Schwedland Besuchen Sie uns im Wendland. Samtgemeinde-Bürgermeister der Samtgemeinde Lüchow (Wendland) Wir freuen uns auf Sie!

Liebe Leserinnen und Leser,

seit rund 40 Jahren gibt es Mittel­alter ist diese ­weitgehend kann, denn ein ausreichendes ­Dennoch, Visionen die hier Welterbestatus lassen sich mitteln. Der angestrebte Status die UNESCO-Konvention zum unverändert erhalten und in Einkommen und eine positive ­gedacht werden, müssen sich wirtschaftliche, soziale, ökolo­ einer Welterbestätte würde Schutz des Kultur- und Natur­ Ausprägung und Erhaltungs­ Beschäftigungsprognose sind auch schnell auf dem Boden gische und kulturelle Aspekte ­diesen Wert auch im globalen erbes der Welt. Mit der Unter­ zustand einzigartig. Viele Hof­ auch eine Voraussetzung da­ der Machbarkeit beweisen und für eine nachhaltige Regional­ Maßstab dokumentieren und zeichnung der Konvention stellen konnten über Genera­ für, weiter in die Erhaltung der pragmatisch sein! Wir haben entwicklung als Lebens-, die Wertschätzung der Rund­ ­verpflichten sich die Länder, tionen erhalten werden. Wo Rundlingslandschaften inves­ gelernt, unsere Möglichkeiten ­Wirtschafts-, Tourismus- und linge als Erbe der Menschheit ihre Welterbestätten zu bewah­ nötig, wurde behutsam moder­ tieren zu können. Öffentliche optimal zu nutzen. In ver­ Kulturraum bestens verbinden. auch bei unserer eigenen Be­ ren und für zukünftige Genera­ nisiert oder auch restauriert. Mittel stehen nur im Einzelfall gleichsweise kurzer Zeit ist es Wir können national und inter­ völkerung weiter fördern. Wir tionen zu erhalten. Was bisher In welchem Maße das gelingt, und sehr begrenzt zur Verfü­ zum Beispiel gelungen, hier national bekannter werden alle spielen als Vermittler und in der Verantwortung eines hängt aber immer auch davon gung. Bisher fehlt es an Infra­ eine Modellregion für Erneuer­ und von einer zu erwartenden Unterstützer der Welterbeidee einzelnen Staates lag, wird so ab, welche finanziellen Mittel struktur und die Auswirkungen bare Energien zu entwickeln. wirtschaftlichen und demogra­ eine Rolle. Wir haben die ein­ auch zu einer Aufgabe der zur Erhaltung der Substanz des demografischen Wandels Aus meiner Sicht ist es nur fischen Belebung profitieren. malige Chance, Teil des globa­ Völker­gemeinschaft. In jedem aufgewendet werden können. werfen auch bei uns ihre konsequent, auch beim Erhalt len Netzwerkes der heraus­ Jahr entscheidet ein interna­ Bisher liegt diese Aufgabe Schatten voraus. Die fehlende unseres Lebensumfeldes neue Diese Broschüre informiert über ragendsten Kultur- und Natur­ tionales Welterbe-Komitee ­allein auf den Schultern der Wirtschaftskraft, eine dünne Wege zu beschreiten. Wenn es Motivation, Aussichten und güter zu werden. Dieser Ge­ ­darüber, welche Kultur- und privaten Eigentümer. Lüchow- Besiedlung und die Lage im gelingt, für die Rundlingsland­ den möglichen Verlauf ­einer danke treibt mich an und ich Naturstätten in die Liste der Dannenberg gehört zu den ehemaligen Zonenrandgebiet schaften den Welterbestatus Anerkennung als ­UNESCO- hoffe, dass auch Sie sich dafür Welterbestätten­ aufgenommen strukturschwächsten Regionen haben vielleicht aber auch zu erlangen, werden uns für Welterbe. Sie soll ­unseren begeistern werden – wenn Sie werden. Die Samtgemeinde der Bundesrepublik. Industri­ die Ansiedlung von Menschen den Erhalt unseres kulturellen ­Bürgerinnen und Bürgern und es nicht schon längst sind. Lüchow (Wendland) hat sich elle Ansiedlungen sind hier ­gefördert, die Grenzen im Erbes, der Schönheit der Natur allen Interessierten die Welt­ für die Aufnahme der Kultur­ kaum vertreten. Wir sind dank­ Denken verschieben und krea­ und der Innovationskraft unse­ erbe-Idee näherbringen und landschaft Rundlinge im bar für jeden Arbeitsplatz, der tiv und innovativ auf Heraus­ rer Wirtschaft neue Wege zur ­ihnen den besonderen Wert 6 Wendland beworben. Seit dem in der Region erhalten werden forderungen reagieren wollen. Verfügung stehen. Mit dem unserer Kulturlandschaft ver­ 7 Wendländische Kulturlandschaft

Die Erhaltung von historischen Weiterentwicklung bereit­ sind aber nicht nur Ausdruck Kulturlandschaften ist ein zustellen. Begrenzende natür­ ­solcher begrenzender natür­ Thema, das seit 1992 vorder­ liche Faktoren haben zu licher Faktoren, sondern auch gründig in den Fokus der ­besonderen Formen der Land­ regionaler kultureller Identität, ­UNESCO gerückt ist. Dies liegt nutzung geführt, die sich im welche diese kontinuierlich vor allem daran, dass es be­ Laufe der Zeit zu unverwechsel­ auf verschiedenste Weise prägt. sonders im europäischen Raum baren Merkmalen von Kultur­ So handelt es sich bei den kaum noch Flächen gibt, die landschaften entwickelten. ­Kulturlandschaften um eine nicht von menschlichen Aktivi­ Die jeweilige Form und der ­besondere Kategorie des täten geformt und überformt Charakter der Kulturlandschaft Kulturerbes,­ die sich zumeist wurden. Unsere Umwelt be­ steht fast ausschließlich aus Kulturlandschaften, die in allen Epochen dynamischen Prozes­ sen unterworfen waren und auch weiterhin starken Ver­ änderungen ausgesetzt sind. Viele dieser Prozesse wurden vom Mensch ausgelöst mit dem Ziel, einer wachsenden Bevölkerung­ ausreichend ­Ressourcen zur Erhaltung ihrer ­ Lebensgrundlage und für ihre 9 Lesbare Feldstrukturen prägen die Kulturlandschaft.

über einen Zeitraum von vielen eines Dorfes zu den feuchten oder Hecken getrennt waren. Jahrhunderten herausgebildet Wiesen zeigte und der Aus­ Durch fortschrittlichere Tech­ und weiterentwickelt hat. Hier gang aus dem Dorf sich in nik und effektivere Anbau­ spiegelt sich die Interaktion Richtung der trockeneren weisen waren die Bauern nicht von Mensch und Natur. Kultur­ ­Felder öffnete. Diese natur­ mehr so stark von der Boden­ landschaften sind nicht ein­ räumlichen­ Gegebenheiten qualität ihrer ­Felder abhängig. seitig von Menschen geformt, ­b­estimmten also die Lage der Im Zuge der Gebietsreform sondern entstammen einer Rundlingsdörfer in der Land­ wurden außerdem die Hof­ Wechselwirkung aus mensch­ schaft. Die landwirtschaftliche parzellen der Rundlingsdörfer lichem Wirken und natürlichen Tätigkeit der Bewohner wie­ durch Hof­wiesen und -weiden Gegebenheiten. Dies lässt derum veränderte die Kultur­ ergänzt, die nun tiefer in die sich sehr gut am Beispiel der landschaft im Laufe der Jahr­ Landschaft hineinreichten. Kulturlandschaft­ Rundlinge hunderte. Die Feldstruktur Hier wird ­deutlich, dass die im Wendland erklären. Die war zu Beginn bestimmt durch Ent­wicklung der historischen Haupt­elemente der charakteris­ viele schmale Riegenschläge, Rundlingslandschaft nach ihrer tischen Landschaftsentwick­ die eine gerechte Verteilung mittelalter­ lichen­ Planung einen lung sind die Rundlingsdörfer, von guten und schlechten ­organischen Verlauf nahm die im Zuge der Ostkolonisa­ Landstücken ermöglichten. und die Anpassung an die Be­ tion im 12. Jahrhundert ge- Mit der Gebietsreform im dürfnisse und Notwendigkeiten plant und errichtet wurden. 19. Jahrhundert wurden die ­ihrer ­Bewohner wichtig war. Diese Siedlungen wurden gern Riegenschläge in größere Die ­UNESCO spricht daher von am Rand von Niederungen ­Felder zusammengeführt,­ die sich organisch fortentwickeln­ 10 ­platziert, sodass die Rückseite zum Teil durch Baumreihen den Kulturlandschaften. 11 Wie Tortenstücke liegen die Grund­ stücke der Höfe, durch Knicks ­getrennt, in der Landschaft.

Auch die Entwicklung der abzusehende Bedürfnisse Haus gilt es hier zwar auch, Kulturlandschaft­ Rundlinge ­anzupassen, muss auch weiter­ die gesamte Kulturlandschaft im Wendland ist bis heute hin gewährleistet bleiben. und ihre geschichtlichen nicht abgeschlossen. Dennoch Nur so kann die zukünftige ­Besonderheiten im Blick zu stehen für die Welterbe- Versorgung der Bevölkerung ­behalten, doch sollten für nominierung ihre historischen sichergestellt werden. Neben ­deren Erhaltung »nur« die für ­Elemente im Vordergrund. dieser Forderung für die zu­ ihre Geschichte repräsentativen Die wendländische Kulturland­ künftige Nutzbarkeit der Elemente identifiziert werden. schaft ist weiterhin ein Raum, ­Kulturlandschaft hat sich auch Diese Elemente müssen in der in dem eine sich ständig ver­ der Wunsch nach der Erhaltung Planung für die weitere Ver­ ändernde Landwirtschaft be­ ihrer historischen Bestand- änderung der Kulturlandschaft trieben wird, durch die wich­ teile als ein gesellschaftliches als ein wichtiger Aspekt tige Ressourcen bereitgestellt ­Interesse herausgebildet. Beide berück­sichtigt und bewahrt werden. Sie ist außerdem Themen – wirtschaftliche werden. Deshalb ist die Identi­ ­geprägt durch eine unverzicht­ ­Nutzung und Bewahrung der fizierung der besonderen bare Infrastruktur und auch Kulturlandschaft – scheinen ­Wesensbestandteile der Kultur­ der Wunsch nach Gewinnung sich gegensätzlich gegenüber­ landschaft Rundlinge im von umweltverträglicher Ener­ zustehen. Tatsächlich muss ­Wendland ein wichtiger Schritt gie hat deutliche Spuren hinter­ bei der Planung für Kulturland­ im Nominierungsvorhaben. lassen. schaften die Abwägung im Dieses Thema wird die Arbeit ­jeweiligen Einzelfall im Vorder­ für einen Welterbetitel stets Die Möglichkeit, diese Kultur­ grund stehen. Ähnlich wie bei begleiten.­ 12 landschaft an bisher noch nicht einem denkmalgeschützten 13 Die kreisförmige Anordnung der Die Rundlinge als Welterbe ­Hallenhäuser mit ihren Giebeln zur Platzkante ist eine unverwechselbare Charakteristik der Dorfstruktur.

Kulturlandschaften werden im verfahrens deutlich heraus- lieferten menschlichen Sied- ordnung entstanden ist und Rahmen der Welterbekonven­ stellt und, wenn er existiert, lungsform, Boden- oder sich in ­ihrer Form des 18. und tion als eigene Kategorie aner­ durch die Listung als Welterbe Meeresnutzung­ darstellen, 19. Jahrhunderts weitreichend kannt und als »gemeinsame bestätigt wird. Für die Beurtei­ die für eine oder mehrere be- erhalten hat. Durch die große Werke von Natur und Mensch« lung, ob eine Stätte diesen stimmte Kulturen typisch ist, Zahl außerordentlich gut er­ definiert. Sie sollen »für die ­Außergewöhnlichen Universel- oder der Wechselwirkung haltener Rundlinge auf engem Entwicklung der menschlichen len Wert besitzt, wurden zehn ­zwischen Mensch und Umwelt, Raum und die dazwischen­ Gesellschaft und Ansiedlung Kriterien formuliert. Davon insbesondere, wenn diese liegenden Flächen ist eine im Verlauf der Zeit« beispiel­ sind sechs Kriterien für die unter dem Druck unaufhalt­ Kulturlandschaft­ entstanden, haft sein. Die Kulturland- ­Einordnung von Kulturerbe­ samen Wandels vom Unter- die nicht nur ausschließlich schaft Rundlinge im Wendland stätten vorgesehen. Für jede gang bedroht wird. aus Rundlingen besteht, son­ entspricht dieser Definition. Welterbestätte muss der dern auch in hervorragender ­Kulturlandschaft zu einem und Integrität. Im Rahmen der ­Konkret handelt es sich um ­Außergewöhnliche Universelle Diese Begründung stützt sich Weise ihre bäuerlich-ländliche global einzigartigen Beispiel Welterbekonvention bedeutet eine organisch entwickelte Wert im Sinne von mindestens hier auf zwei Kernthemen: Ästhetik erhalten hat. Die be­ einer zentraleuropäischen Authentizität die Glaubwürdig­ ­Kulturlandschaft, deren Ent­ einem dieser Kriterien nach­ die Kulturlandschaft in ihrer sonders klare Ablesbarkeit der bäuerlichen­ Siedlungsform. keit einer Stätte in ihrer Präsen­ wicklungsprozess noch nicht gewiesen werden. Für die Ganzheitlichkeit und die Dorftypologie, gestaltet durch tation eines Außergewöhnlichen abgeschlossen ist. ­Nominierung der Kulturland­ charakteristische­ Dorfstruktur. kreisförmig um einen freien Neben der überzeugenden Universellen Wertes. Dies kann schaft Rundlinge im Wend- Die wendländischen Rundlinge Kern angeordnete giebelseitig ­Anwendung eines Kriteriums Form und Gestaltung ebenso Alle Welterbestätten müssen land wurde das Kriterium (v) bilden eine außergewöhnliche ausgerichtete Hallenhäuser, muss die Darlegung des betreffen wie den Aspekt der einen sogenannten Außer­ gewählt:­ und einzigartige historische sowie die gute Erhaltung der ­Außergewöhnlichen­ Universel- Funktion, Tradition oder Nut­ gewöhnlichen Universellen Kulturlandschaft, welche durch sich von den Dorfzentren aus­ len Werts noch zwei weitere zung. Integrität dagegen meint Wert besitzen, der sich im [Die Stätte sollte] ein hervor­ die geplanten Dorfanlagen breitenden radial geplanten Bedingungen erfüllen: den die Vollständigkeit und Unver­ 14 ­Rahmen des Nominierungs­ ragendes Beispiel einer über­ und die angrenzende Flur­ Hofstücke machen diese Nachweis von Authentizität sehrtheit einer Stätte und der 15 links: 2.000 Hektar Kulturlandschaft stellen einen repräsentativen Aus­ schnitt aus der Rundlingslandschaft im Wendland dar.

rechts: Jedes Hallenhaus ist mit seiner »Groot Dör« und dem Spruchbalken ­individuell gestaltet. Jahreszahlen und Namen erinnern an ihre früheren und heutigen Besitzer.

für ihren Außergewöhnlichen­ alle Elemente, die notwendig verhältnisse sowie zum Schutz Authentizität auf, deren radiale Ausbreitung schaftlichen Nutzung, die Universellen Wert aussage­­ sind, um den Außergewöhn­ der zumeist als Gärten oder an den erhaltenen Hecken und auch lokalen Bedarf bedient, kräftigen Kernelemente. lichen Universellen Wert einer Streuobstwiesen genutzten Die historische Kulturland­ Weideflächen erkennbar bleibt. oder dem Obstanbau in fast ­Hierfür muss eine Stätte mit im Mittelalter geplanten Sied­ ­Flächen gegen Viehverbiss schaft der Rundlingsdörfer Die giebelständigen Hallen­ ­allen Hofparzellen. Weiterhin ­ihren Grenzen so festgelegt lungsform und ihrer kreis­ ­verwendet wurden. Darüber ist ein authentisches Zeugnis häuser haben sich mit den gibt es im Gebiet sehr positive sein, dass sie all die Elemente förmigen Dorfstruktur zu ver­ ­hinausgehend sind die Dichte der Entwicklung zunächst ­wenigen Ausnahmen von Neu­ ­Beispiele für den erfolgreichen enthält, auf die sich der mitteln. Die charakteristischen und Ausschließlichkeit der hufeisenförmiger­ Siedlungen, bauten, die nach Bränden im Zuzug junger Familien, der ­Außergewöhnliche Universelle meist vierständigen Hallen­ Rundlinge in der designierten die sich später zu geschlosse­ 20. Jahrhundert notwendig ­einer Überalterung der Dorf­ Wert bezieht. Weiterhin darf häuser mit reich verzierten Kulturerbestätte­ ein Phäno­ nen Runddörfern verdichtet wurden, in der Erscheinungs­ bevölkerung entgegenwirkt sie nicht unter nachteiligen ­Giebelseiten zum mittigen men, welches der Landschaft ­haben. Die Dorftypologie ist form des 18. und 19. Jahrhun­ und die Aufrechterhaltung Auswirkungen von Entwicklung ­Dorfplatz zeigen in den keil­ eine besondere Ganzheitlich­ durch die Kontinuität des Sied­ derts erhalten. Während ihre gemeinschaftlichen­ dörflichen oder Vernachlässigung leiden. förmig angelegten Hofparzel­ keit und Vollständigkeit ver­ lungsplans und der einzelnen Grundrisse die vorneuzeitliche Lebens garantiert. Für die Kulturlandschaft Rund­ len die einheitliche Formen­ leiht. Die Größe der ausge­ sektorenförmigen Parzellen Dorfplanung fortsetzten, linge im Wendland werden sprache der Dorftypologie. wählten Kulturlandschaft von und Hofgrundrisse in ihrer ­geben die mit engem gitter­ Mit der Auswahl der Dörfer beide Bedingungen wie folgt Die im Zuge der Gebietsreform ­deutlich über 2.000 Hektar ­ursprünglichen Form und Lage förmigen Fachwerk und mit und der Festlegung der bestimmt: des 19. Jahrhunderts entstan­ stellt einen angemessenen ablesbar. Obgleich die ehemals pfahlartigen Zierden und ­Grenzen wird dem oben be­ dene Flurordnung mit den an Ausschnitt der Rundlingsland­ kleinräumigen Flurstücke in Spruchbändern dekorierten schriebenen Konzept für die die Hofstellen anschließenden schaft im Wendland dar, die Teilen der Kulturlandschaft Giebel ein in Material und Welterbe­ -Nominierung eine Integrität ­radialen Flurstücken ist alle relevanten Elemente der durch großflächige Agrarnut­ ­Design authentisches Zeugnis konkrete Form gegeben. ­weiterhin im Landschaftsbild historischen Kulturlandschaft zung ersetzt wurden, weisen ihrer Entstehungszeit. Der Die als Nominierungsgebiet ablesbar und zeigt die Hecken­ enthält. die meisten Rundlinge weiter­ ­Charakter der bäuerlich ge­ vorgeschlagene Kulturland­ bepflanzung, die zur Kenn­ hin markante Spuren der histo­ prägten Landschaft zeigt sich 16 schaft Rundlinge umfasst zeichnung der Eigentums­ rischen Landnutzungsformen in der fortgesetzten landwirt­ 17 Auswahl des Welterbegebietes und charakteristika der ­ausgewählten Rundlingsdörfer

Die Überarbeitungen des ‣ die Dörfer sollten eine tradi­ Die Ergebnisse der örtlichen ­Konzeptes für das UNESCO tionelle Rundlingsstruktur be­ Be­gehung führten schließlich Welterbenominierungsverfah­ sitzen, die sowohl für Besucher zur Auswahl von 19 Dörfern, ren machen es notwendig, im Dorf als auch aus der Luft die in den neuen fachlichen auch die Auswahl der beteilig­ klar erkennbar ist. Vorschlag für das Welterbe­ ten Dörfer noch einmal zu gebiet aufgenommen werden durchdenken und zu diskutie­ ‣ der Gebäudebestand sollte sollen. Diese werden hier ren. Die Auswahl soll die einige historische Hallenhäuser vorgestellt.­ ­sichtbaren Ankerpunkte für enthalten. Die Beeinflussung die Bewerbung und die interna­ durch moderne Bebauung Mit der Festlegung dieser tionale Bedeutung der Rund­ sollte gering sein. ­Dörfer ergab sich ein geschlos­ linge im Wendland vermitteln. senes Vorschlagsgebiet. Für Mit dem neuen Konzept er­ ‣ die an die Gebäude anschlie­ die notwendige Festlegung der geben sich folgende Kriterien, ßende Landschaftsstruktur Grenzen wurden die histori­ die eine schlüssige Auswahl sollte zumindest im direkten schen Gemarkungsgrenzen bestimmen: Randbereich zum Dorf noch in ­herangezogen, die auf den Teilen radial ausgebildet sein. sogenannten­ Urkatasterkarten ‣ die ausgewählten Dörfer der Jahre 1870 bis 1875 doku­ sollten ein zusammenhängen­ Im August 2013 wurde eine mentiert sind. In vielen Fällen des Gebiet bilden, welches Reihe von Begutachtungen wurden diese Grenzen für das ­ausschließlich aus Rundlings­ durchgeführt, bei denen über Welterbegebiet übernommen. dörfern besteht. 30 Dörfer mit Blick auf diese Es waren allerdings auch einige Kriterien geprüft wurden. Abweichungen notwendig, um 19 Lübeln Diahren

Gühlitz Bausen Prießeck

Granstedt Satemin Bausen hat seine historische Bussau zeichnet sich durch die Diahren weist eine längliche Bussau Jabel Form eines offenen Hufeisens sehr gut erhaltene Parzellen­ Form auf, da die Parzellen­ aus dem 13. Jahrhundert struktur und ungewöhnlich viele struktur im Westen keilförmig Püggen Kremlin ­beibehalten. Dies liegt daran, denkmalgeschützte Hallen­ und im Osten eher gerade dass es keine späteren Teilun­ häuser aus dem 19. Jahrhun­ ­ausgerichtet ist. Die meisten Ganse gen oder Erweiterungen durch dert aus. Diese sind um einen erhaltenen Gebäude sind Köhlen zusätzliche Kossaterstellen fast kreisrunden Dorfplatz Vierständer­ -Hallenhäuser aus Mammoißel Lensian Güstritz Klennow gab, die in anderen Rundlingen ­angeordnet, der durch einen dem 19. Jahrhundert; sie Dolgow Schreyahn eine Verengung der Zufahrt engen Zugang zu erreichen ist. ­stehen fast alle unter Denkmal­ ­bewirkten. Die Parzellenstruk­ Somit ist auch die traditionelle schutz. In Diahren ist es ge­ tur ist intakt und sehr deutlich Form eines Sackgassendorfes glückt, dass die zahlreichen aus der Luft zu erkennen. gegeben. Die meisten ­Parzel­- neu hinzugezogenen Familien Sechs giebelständige Hallen­ len sind keilförmig angelegt. das gemeinschaftliche Dorf­ häuser umstehen den Dorf­ Eine Ausnahme bilden drei leben fortführen und dies auch platz und bestimmen das ­gekrümmte Parzellen, deren in Einklang mit den alteinge­ mögliche Konflikte des Welt­ standene Grenze wurde von Satellitenaufnahme mit dem ­Dorfbild. Eines davon ist ein Form allen Höfen einen glei­ sessenen Anwohnern tun. Das erbestatus mit moderner den Gutachtern mit Fotos und ­umrandeten Nominierungsgebiet und rares­ Dreiständer-Hallenhaus chen Zugang zur Feuchtwiese privat organisierte Sonntags­ ­Bebauung und Landnutzung GPS-Daten dokumentiert. So den darin enthaltenen Rundlingen aus dem Jahr 1756. und zu den Hofwäldern südlich café ist ein beliebter Treff­ zu vermeiden. Dann wurden entstand der Vorschlag für ein des Dorfes ermöglicht. Die punkt, auch für Anwohner der Straßen oder Feld- und Wald­ flurstückgenau festgelegtes ­typischerweise außerhalb des umliegenden Dörfer. wege als Markierung genutzt, Gebiet, das für Nominierungs­ Rundlings befindliche Kirche ebenso wie Bäche, Gräben vorhaben diskutiert werden und die Mühle waren früher 20 und Feldgrenzen. Die so ent­ kann. von überörtlicher Bedeutung. 21 Dolgow zeichnet sich vor allem­ Ganse erscheint auf den ersten Granstedt ist ein kleiner Gühlitz liegt an zentraler Stelle Güstritz ist eine Zusammen­ Jabel ist eines von zwei durch seine klare ­Parzellen- Blick als untypischer , ­Rundling. Er besitzt noch die zwischen Lübeln und ­Satemin, legung von zwei früheren ­Dörfern im Gebiet, das eine und Dorfstruktur aus. Es ist ein denn im Gegensatz zu vielen Parzellenstruktur, wie sie be­ ist aber deutlich ­kleiner als Rundlingen aus verschiedenen ­hybride Dorfstruktur aufweist. Sackgassendorf, das ­darüber anderen Rundlingen im Gebiet reits durch die Verkoppelungs­ seine zwei großen Nachbarn. Kirchspielen: Alt-Güstritz und Nach dem Brand der nord- hinaus über einen gut gestalte­ besitzt es keinen kreisrunden karte von 1823 nachgewiesen In Gühlitz haben sich zwei Brese. Die ehemalige Trennung öst­lichen Seite des Dorfes im ten Dorfplatz ­verfügt. Die Dorfplatz, dafür aber die ehe­ ist. Ähnlich wie im benachbar­ ­besonders gute Exemplare des ist bis heute erkennbar. 1851 Jahr 1838 wurde dieser Be- ­Parzellen sind ­keilförmig und mals öfter vertretene finger­ ten Bussau gibt es gekrümmte Niederdeutschen Hallenhauses brannte das Dorf komplett ab reich als Straßendorf neu auf­ regelmäßig. Das ganze Dorf artige Erschließung. Diese war Parzellen, die den Bauern erhalten: ein ­rares Dreiständer- und wurde als Rundling in gebaut. Alle sieben Höfe auf ist nach einem Großbrand im zu Zeiten der landwirtschaft­ ­gleichermaßen Zugang zu Haus von 1732 und ein sehr ­einem Guss wiederaufgebaut. der west­lichen Seite sind keil­ Jahr 1813 neu, aber wieder als lich aktiven Höfe ­wesentlich Feuchtwiesen und Hofwäldern frühes, aber undatiertes Vier­ Dadurch ist Güstritz relativ förmig um den Dorfplatz Rundling aufgestellt worden. sinnvoller, da die großen ermöglichten. Der Blick des ständer-Haus (wahrscheinlich groß und beinhaltet mehrere ­angeordnet, alle sechs Höfe Es haben sich vier Hallenhäuser ­Wagen und später ­Maschinen heutigen Besuchers­ wird vor vor 1750). Gühlitz hat eine unter Denkmalschutz stehende auf der öst­lichen Seite recht­ aus diesem Jahr erhalten. sich mit dem Umfahren eines allem auf die mächtige Eiche ­intakte Parzellenstruktur und Vierständer-Hallenhäuser sowie­ eckig entlang der Straße. runden Dorfplatzes eher gelenkt, die den kreisrunden Teile der originalen Hofwälder die sogenannte »Rübenburg« Somit ist auch Jabel ein gutes schwer getan hätten. Dorfplatz ­dominiert und der sind noch hinter den vier aus der Gründerzeit. Beispiel im Landkreis für Ver­ großzügigen­ Sitzgelegenheit ­westlichen Höfen zu sehen. änderungen der Dorfstruktur Schatten spendet.­ Nennenswert ist außerdem, nach Großbränden. dass Gühlitz Sitz des einzigen Bauern ist, der noch Milch­ viehwirtschaft im Rundling betreibt.­

22 23 Klennow ist ein besonders Köhlen ist ein Rundling mit Kremlin ist ein kleiner Rund­ Lensian ist der mittlere in Lübeln ist stattlich groß, hat Mammoißel zeigt aus der Luft ausdrucksvoller Rundling, weil ­einer interessanten Dorfstruk­ ling, der fern von anderen ­einer Gruppe von drei sehr nah eine gute historische Bau­ betrachtet die Struktur eines er groß und fast perfekt rund tur. Nach einem Großbrand Rundlingen liegt und seine beieinanderliegenden Rund­ substanz, eine hervorragende perfekten Rundlings. Das Dorf ist. Bemerkenswert ist auch im Jahr 1885 wurde die Anord­ ­Ursprünglichkeit nie verloren lingen, zu der auch Schreyahn keilförmige Struktur und viele ist kreisrund und hat eine stark die Struktur der zwanzig eng nung der neu zu errichtenden hat. Vier seiner acht Haupt­ und Ganse gehören. Betrachtet erhaltene Hofwälder (70 %). ausgeprägte Parzellenstruktur, zusammengerückten keilförmi­ Häuser entlang der Straße häuser stehen unter Denkmal­ man diese drei Dörfer aus Vor über 40 Jahren wurde hier die tief in die umliegenden gen Parzellen. Das Dorf hat ­begradigt und es entstand schutz. Die Parzellenstruktur der Luft, wirken sie wie drei das Rundlingsmuseum, der Wiesen hineinreicht. Abseits nur eine Zufahrt, die am Dorf­ eine hybride Form, die den ist ebenfalls rundlingstypisch Perlen an einer Kette. So gren­ »Wendlandhof Lübeln«, eröff­ der Durchgangsstraße gelegen platz als Sackgasse endet. Wandel in der Dorfentwicklung und bleibt durch die fast zen auch die Parzellen der net. Neben der Entwicklung der verläuft nur die relativ kleine Es gibt auch so gut wie keine sehr gut dokumentiert. ­Neben durchgehende Erhaltung von drei Rundlinge fast aneinander. Rundlinge als Dorfform vermit­ Straße nach Püggen durch ­störenden Einfriedungen vor seinen traditionellen Hallen­ Flurhölzern sehr gut sichtbar. In Lensian gibt es vier Hallen­ telt das ­Museum in mehreren das Dorf, sodass der Eindruck den »Groot Dören« und die häusern hat Köhlen auch einen Eher ungewöhnlich sind die häuser und zwei Scheunen, Neben­gebäuden auch die Kul­ von Geschlossenheit nur wenig ­alten Hofwälder sind immerhin erstaunlich großen Teil seiner beiden langen quer zur Straße die unter Denkmalschutz tur ­bäuerlichen Wohnens und ­gestört wird. Mammoißel be­ noch zu 15 % erhalten. Hofwälder beibehalten. gelegten Gebäude, die eine ­stehen und überwiegend aus ­Arbeitens im Wendland des sitzt eine Reihe historischer unverwechselbare­ Eingangs­ dem Jahr 1814 stammen. 19. Jahrhunderts. Etabliert ha­ Gebäude, von denen die situation schaffen. ben sich außerdem zwei Hotels ­meisten unter Denkmalschutz mit zugehörigen Restaurants stehen. wie auch ein Atelier für Kunst­ handwerk. Der Dorfplatz bietet eine große begrünte Fläche, die sowohl als Spielplatz für Kinder als auch als Raum für 24 andere Veranstaltungen dient. 25 Prießeck ist vor allem auf­ Püggen gehört zu den größten Satemin zählt mit ca. zwanzig Schreyahn gilt als einer der grund seines Bestandes histori­ Rundlingen im Vorschlags­ Vierständer-Hallenhäusern aus schönsten Rundlinge im Wend­ scher Gebäude einzigartig. gebiet und kann drei der ältes­ dem Jahr 1850 zu den größten land, was sowohl an seinem Nachdem viele Häuser während ten Hallenhäuser im Landkreis Rundlingen im Gebiet. Die dichten Bestand giebelständi­ des Großbrandes im Jahr 1780 vorzeigen: zwei Dreiständer- ­Häuser entstanden nach einem ger Vierständer-Hallenhäuser abgebrannt waren, wurden Hallenhäuser aus den Jahren Großbrand und wurden in nur aus dem frühen 19. Jahrhun­ diese durch Dreiständer- 1632 und 1658 und eine wenigen ­Monaten aufgebaut. dert als auch an dem mit Bäu­ Hallenhäuser ersetzt. Drei sehr seltene Wassermühle von Bei gleichem Baudatum und men bepflanzten Dorfplatz ­dieser Häuser haben bis heute 1651. Hinter der Mühlen­ Typ variieren sie im Detail. Am liegt. Die beiden Dorfeingänge überlebt und bilden damit parzelle beginnt der denkmal­ Dorfrand liegen die pittoreske sind relativ eng, sodass sie die die größte Ansammlung von geschützte Kirchsteig zur Kirche und der Friedhof. Im Wahrnehmung der geschlosse­ Dreiständer-Hallenhäusern ­Kirche im benachbarten Zeetze. Zuge der Dorferneuerung nen Dorfstruktur kaum stören. in der Region. Ähnlich wie Die historischen wie auch die wurde der Dorfplatz mit Bäu­ Die Umnutzung eines der Diahren hat Prießeck einen jüngeren Gebäude ­bilden eine men und ­Rasenflächen begrünt; Vierständer­ -Hallenhäuser zum starken Zuzug von jungen bemerkenswert klare Rund­ die Hauseinfahrten wurden mit Künstlerhof Schreyahn, der der ­Familien erfahren, die sich sehr lingsstruktur.­ In Püggen sind Kopfsteinpflaster statt Asphalt Unterbringung von Stipendia­ für das Dorf engagieren und außerdem noch vier Landwirte gelegt. In Satemin gibt es be­ ten und als Veranstaltungsort zuletzt den alten Spielplatz aktiv, was dem historischen reits touristische Infrastruktur: dient, hat das Dorf und die erneuert­ haben. Charakter der ­Kulturlandschaft das Markthotel, zwei Cafés ­umliegende Region wesentlich entspricht. und die Töpferei. Der jährliche bereichert. Pfingstmarkt lockt viele Künst­

ler in den Rundling und ist weit Altes wird neu entdeckt, wie 26 über die Region hinaus bekannt. die bepflanzte Tränke in Satemin. 27 Niedersächsische Stipendiatenstätte Künstlerhof Schreyahn

Die Niedersächsische Stipen­ Im Mai 1981 konnten die diatenstätte Künstlerhof ­ersten Künstler in das fertig­ Schreyahn bietet seit ihrer gestellte Haupthaus ­einziehen. Gründung im Jahre 1979 1983 stand zusätzlich das Schriftstellern und Komponis­ ­Nebengebäude für Musiker ten 3-, 6- oder 9- monatige zur Verfügung. ­Stipendienaufenthalte. Zentrum der Stipendiaten- Der Künstlerhof liegt als einer stätte ist und bleibt die ge­ von 14 Höfen im Rundlings- räumige Diele des Hauses, dorf Schreyahn in der Kultur­ die mit ­ihrem Kamin und der landschaft Wendland. Der großen verglasten Fronttür ­ehemalige Hof Techand, den ­Offenheit zum Dorf demons­ Lüneburg; ein Kooperations­ die Samtgemeinde Lüchow triert und ­zugleich den ­Rück- abkommen besiegelte dann als Träger der Einrichtung ­zug in die vertraute Gesprächs­ den Austausch von Wissen­ 1979 zusammen mit dem runde am offenen Feuer schaft und Kreativität. Abseits Landkreis und den Städten bietet. vom Alltagsbetrieb der Hör- Lüchow und Wustrow ankaufte, säle erfahren die Studentinnen war ­geeignet, um hier die Über die Jahre hinweg verdich­ und Studenten auf dem Hof ­damals dritte niedersächsische tete sich auch die Zusammen­ in Ganztagsseminaren aus Künstlerstätte – nach Worps­ arbeit mit dem Fachbereich ­erster Hand Details über das wede und Bleckede – einzu­ »Angewandte Kulturwissen­ Handwerk des Schreibens und richten. schaften« an der Universität das Überleben als Dichter. 29 Die Abgelegenheit und Aura Schreyahn lebte und arbeitete. Bundesrepublik und besonders des Ortes in seiner ländlichen Die lange Liste der Bewerber die Musiker können auf eine Umgebung machen das Stipen­ signalisiert großes Interesse. starke Fraktion internationaler dium in Schreyahn trotz er­ Komponisten verweisen, die schwerter Verkehrsanbindun­ Ein Überblick über die Auswahl zu Gast in Schreyahn waren. gen für Künstler begehrt. Und der Stipendiaten zeigt, dass Seit 2013 liegt die künstleri­ so nimmt es nicht wunder, der Beirat in Bezug auf Alter, sche Beratung, die seit 1997 dass im Sommer des Jahres Herkunft, Reputation und neben der wissenschaftlichen 2000 der frisch gekürte ­Geschlecht völlig offen urteilte: Beratung von Axel Kahrs Büchner­ -Preisträger Arnold Neben Niedersachsen finden ­gewährleistet wurde, allein in 30 Stadler für drei Monate in sich Künstler aus der gesamten den Händen von Vivian ­Rossau. 31 Schriftsteller Andreas Maier über den Künstlerhof Schreyahn und das Dorfleben

»Das war nicht das letzte Mal Später dann, als Andreas Maier zum Frühschoppen.« Dort saß im Wendland!« Für den Schrift­ längst ins Dorfleben integriert Andreas Maier oft dabei, an­ steller Andreas Maier wurde ist, interessiert ihn der Zusam­ fangs als Gast auf Zeit, ­später im Sommer 2003 ein Stipen­ menhalt der Menschen im All­ als guter Freund. Er half beim dium auf dem Künstlerhof im tag. Er sagt: »Nennen wir es Grillen für die Feuerwehr­ Rundling Schreyahn zur Ent­ einfach Leben.« Seine Beobach­ jugend und fegte den Dorf­ deckung seiner zweiten ­Heimat. tungen, die in Feuilleton- platz. 2014 wird er, erneut als Wenige Monate genügten ihm, Artikel eingehen und in seinen Stipendiat des Künstlerhofes, damit er, der gleich mit seinem ­Büchern nachlesbar sind, für längere Zeit wiederkom­ ­ersten Roman »Wäldchestag« ­drehen sich um den zentralen men. Er hat – und zitiert damit das Publikum begeisterte und Dorfplatz des Rundlings, den einen beliebten Schnack der seine Leser danach immer die Bewohner einfach »Dorf« Schreyahner Männer – »mit ­wieder mit neuen Themen nennen. Andreas Maier schaut ­denen noch ein Fass aufzu­ überraschte, sich sicher war. genau hin. »Die Frauen hassen machen«. es mitunter, dass die Männer Seine Liebeserklärung an aufs Dorf gehen. Zuhaus’ Schreyahn fiel zunächst eher die Kinder, aber die Männer zurückhaltend aus. Er sprach ­müssen aufs Dorf. Müssen es von »einer spröden Gegend, mähen, müssen die Zäune ­einer der schönsten Gegenden streichen, müssen die Straße in Deutschland, wenn auch fegen und das Laub zusam- Bauernhof in Schreyahn – nicht lieblich, sondern windig, menklauben,­ müssen auf die Licht und Schatten spielen mit 32 flach«. Dorfversammlung, müssen den Katzenaugen im Giebel. Seit 1990 öffnet das Wendland Kulturelle Landpartie ­zwischen Himmelfahrt und Pfingsten mit der »Kulturellen Landpartie« – kurz KLP – seine Dorfplätze, Hoftore, ­Scheunen, Werkstätten und Ateliers für interessierte Besucher. An über 100 »Wunderpunkten« präsentieren Jahr für Jahr ca. 600 Künstler und Kunsthandwerker aus ganz Deutsch­ land eine Vielfalt an zeitgenössischer Kunst.

35 Pfingstmarkt in Satemin

Seit 2006 findet der Pfingstmarkt Bereichen Keramik, Glas, Holz, Leder, Satemin jedes Jahr für drei Tage am Textilien, Schmuck und Grafik ver- Pfingstwochenende im größten teilen sich mit ihren Ständen im Rundlingsdorf des Wendlands statt. Dorfrund und in den Dielen der alten An die 60 Kunsthandwerker aus den Hallenhäuser.

36 37 Das Museum »Wendlandhof Lübeln« Museum »Wendlandhof Lübeln« zählt zu den wenigen deutschen ­Freilichtmuseen mit einer natürlich ­gewachsenen Einbindung in die vorhandene­ Landschaft.

Die in ihrer Konzeption einzigartige und kontinuierlich erweiterte Samm­ lung beinhaltet die Volksarchitektur sowie die wendländische Lebens- und ­Arbeitsweise in der Kulturlandschaft der Rundlinge.

39 Der Wendlandhof wird nach Umbau­ plänen von Erich Kulke als Ensemble mit Vier- sowie Dreiständerhäusern und Neben­gebäude museal genutzt. Der Ziehbrunnen ist typisch für die Wasser­versorgung auf der Hofstelle, wie das Foto von 1916 auf dem Hof Mieth Nr. 9 in Lübeln bezeugt.

40 41 Kräutergarten auf dem Museums­ Rundlingsbewohner gelände des »Wendlandhofs Lübeln« im Porträt

Lübelner aus Leidenschaft Hanna und Helmut Mieth, Lübeln

Im Rundlingsdorf Lübeln liegt ­maroden Balkens zu geben, ­einfach glatt gemauert wur- erfreulich. »Wir können uns der Hof von Hanna und Helmut und zur Verstärkung den den. Das war ­wesentlich ­preis- noch gut an die Touristen­ Mieth. Der Spruchbalken über ­Landeskonservator aus Hanno­ ­werter, als das Fachwerk zu ströme erinnern, die hier bis der »Groot Dör« kündet davon, ver kommen ließ, kam der ­rekonstruieren.« Das Bewusst­ kurz nach der Wende durchs dass die Familie schon seit Stein ins Rollen. »Der Landes­ sein und auch das Geld für Dorf pilgerten«, erzählt Helmut 1686 auf diesem Flecken Erde konservator schlug die Hände die Erhaltung der alten Hallen­ Mieth. »Dabei konnte es pas­ lebt. Das einstige Zweiständer­ über dem Kopf zusammen, als häuser fehlten oft. Beide, Mut­ sieren, dass die Kühe auf dem haus wurde 1923 zum Vier­ er sich im Rundling um­sah«, ter und Sohn, hängen sehr an Weg von der Weide in den Stall ständerhaus vergrößert. Und erzählt Hanna Mieth. »Ein Dorf ihrer Heimat und schützen das reihenweise die Seitenspiegel damit fing eigentlich alles an. in diesem historischen Zustand alte Wissen mit Leidenschaft. der dicht an dicht geparkten »Durch einen Fehler bei den hatte er noch nie gesehen.« Hanna Mieth erinnert sich: Autos umklappten.« Dass der Bauarbeiten verwand sich der Die 75-jährige lacht. »Ja, und »Bereits mit 14 Jahren habe Tourismus und der Erhalt Spruchbalken im Laufe der so fing die ganze Sache an.« ich mit meinem kriegsversehr­ der Hallenhäuser, Dorfwälder Jahre nach außen. Ständig lief 1969 wurde der Rundlings­ ten Vater die Landwirtschaft und heckenbesäumten Äcker Regenwasser auf das Holz und verein gegründet, dessen Mit­ auf unserem Hof in Tüschau und Wiesen für die Region irgendwann war er kaputt«, glied Hanna Mieth von Anfang geführt. Ich weiß, wie guter gut sein werden, darin sind ­berichtet Helmut Mieth Junior, an war und der 1975 das ­Boden sich anfühlt.« 1959 sich beide Generationen einig. der als Einziges der vier Mieth- ­Rundlingsmuseum in Lübeln ­heiratete sie auf den Hof nach »Und den Denkmalschutz Kinder mit seiner Familie mit eröffnete. »Das kam gerade Lübeln und führt seitdem dort ­kennen wir als Museumsdorf auf dem Hof lebt. Als die noch rechtzeitig«, erinnert sich ihr arbeitsames Leben weiter. schon, der schreckt uns nicht«, ­Denkmalschutzbehörde sich Sohn Helmut: »Es gibt so viele Dass auch Lübeln zu dem sagt Hanna Mieth, bevor sie weigerte, ihre Genehmigung Hallenhäuser, deren Giebel­ Welt­ erbekandidaten­ gehört, die Tür schließt, um das 42 für die Erneuerung des seiten bei der ­Renovierung ist für Helmut und Hanna Mieth Abendessen­ zuzubereiten. ­­

Bildhauerkurse im Rundling Neues Leben im Rundling Doris Gessner, Köhlen Familie Karmann, Diahren

Seit vier Jahren lebt Doris 23 Jahre lang lebte Doris des Wendlands zu genießen. Katrin Karmann kam mit ihrem Süßigkeiten schnorren. Katrin Freunde, das Sonntagscafé, ­Gessner im Rundlingsdorf ­Gessner in Ostfriesland und »Ich freue mich über jeden, Mann Oliver Kranik 2001 ins Karmann und ihr Mann wollten das im Sommer viele Gäste ­Köhlen, und das sehr gern. war dort glücklich. Doch nir­ der ­wiederkommt, um hier Wendland. Nach anfänglicher ursprünglich eine Hofgemein­ nach Diahren lockt, wird inzwi­ »Das Wendland ist meine gends, so findet die Künstlerin, ­Urlaub zu machen«, sagt Doris Suche auch in anderen Regio­ schaft in Alleinlage gründen. schen von einem siebenköpfi­ große Liebe«, lacht die quirlige gibt es so schöne Naturgärten Gessner. Weil das so ist, ­öffnen nen Deutschlands entschied Heute ist sie froh, dass es nicht gen Kollektiv getragen. »Das Bildhauerin. Im Jahr 2006 wie im Wendland. Bei einem sie und weitere Künstler ihre sich das Paar für einen Hof in so gekommen ist: »Wir haben läuft nicht immer reibungslos. kam sie zum ersten Mal zur Spaziergang um ihr Heimat­- ­Ateliers auf Anfrage auch Diahren. »Die Mischung aus hier eine starke Gemeinschaft. Muss es ja auch nicht!«, sagt Kulturellen Landpartie hierher, dorf bleibt sie an einem großen ­außerhalb der Kulturellen aktiver­ politisch-kultureller Und uns verbinden nicht nur Katrin Karmann. »Und es ist und während ihrer Touren Bauerngarten stehen und gerät ­Landpartie. Die Bewerbung um Szene, schöner Landschaft und die Kinder.« Die heutige Form auch längst noch nicht alles durch die Region wurde ihr ins Schwärmen: »Hier darf das UNESCO-Weltkulturerbe interessanten Dörfern hatte des Zusammenlebens ist verwirklicht, was es so an schnell klar: »Das ist das, alles wachsen, und doch sieht verfolgt die Bildhauerin mit es uns angetan«, erinnert sich ­langsam und ganz natürlich Ideen und Plänen gibt.« Aber was ich mir immer gewünscht es nicht verwahrlost aus.« Begeisterung:­ »Ostfriesland die Künstlerin. Sohn Luis wurde gewachsen. »Nach und nach an Enthusiasmus mangelt es habe. Die Mischung aus Men­ Auf der Obstbaumwiese hinter ist eine absolute Touristen­ 2004 geboren, kurz bevor zogen spannende Menschen, den Diahrenern nicht. Im schen, ­Natur und schönen dem Garten wird ihre Nach­barin gegend. Dort habe ich erfahren, ­Katrin Karmann im Rahmen meist mit Kindern, hierher. nächsten Jahr soll es wieder ­Dörfern hat mich sofort be­ eine Wildblumenwiese anlegen. wie viele Vorteile für Infra- der Kulturellen Landpartie ihre Das haben wir auch aktiv ­unter- eine Ausstellung geben, der zaubert.« Auch im Garten von Doris struktur und Lebensqualität erste Ausstellung eröffnete. stützt«, erzählt die gebürtige kommunale Kartoffelacker will Gessner dürfen allerlei seltene es ­bringen kann, wenn es eine Der Rundling Diahren ist ein Rheinländerin. Die Kinder geplant und beackert werden. Drei Jahre später kam sie mit Pflanzenarten wachsen. rege Besuchskultur gibt.« lebendiges Dörfchen: Sechs sind überall im Dorf zu Hause, Das UNESCO-Kulturerbe wird ihrem Partner zurück und fand ­Familien mit Kindern leben wachsen in einer lebendigen auch in Diahren diskutiert: das Haus in Köhlen, in dem 50 bis 60 Schüler kommen hier, ein Vollerwerbs- und zwei Umgebung auf. Jeder im Dorf »Wir wollen kein Museumsdorf sie heute Bildhauer-Kurse gibt pro Jahr auf den Hof der ­Bild- Teilerwerbs-Landwirte gehören tut, was er kann – Nachbar sein. Wir leben hier und wün­ und selber Kunstwerke aus hauerin, um hier zu lernen ebenfalls dazu wie Altbäuerin Gero Wachholz kocht jede schen uns, dass unsere Gäste 44 Stein und Mooreiche schafft. und die Kultur und Natur Reni, bei der die Kinder gern ­Woche für seine Nachbarn und dies respektieren.« 45

Konventionelle Landwirtschaft Christine und Hans-Jürgen Oelke, Schreyahn

»Eigentlich«, sagt Hans-Jürgen geflohen und hatten dort »Ich bin ein Viehmensch«, sagt ihren Rundling. Das Dorf wird Oelke, »eigentlich müssen Sie einen Hof gepachtet. Als der Oelke über sich. 60 Milchkühe gemeinsam gepflegt und nahm ja meine Frau befragen, wenn damals 24-jährige Landwirt haben die Oelkes, zu dem schon oft erfolgreich an Wett­ es um den Rundling geht.« 1976 zu einer Familienfeier konventionell­ bewirtschafteten bewerben teil. Und auch wenn Christine Oelke, geborene nach Schreyahn kam und vom Hof gehören 110 Hektar ­Weide- das Ehepaar die Bewerbung um Schulz, lebt seit vielen Genera­ Schreyahner Dorfkrug die und Ackerland. »Meine jüngere das Weltkulturerbe begrüßt – tionen auf dem Vollerwerbshof kleine Stichstraße in das Rund­ Schwester hat einen Bio-Hof in die Sorge um allzu große in Schreyahn. All ihre Vorfah­ lingsdorf hinunterlief, öffnete Nemitz, meine ältere arbeitet ­Beschränkungen zum Schutze ren hießen Schulz, bis in den sich unversehens das Rund im Bereich Pflanzenschutz. Und der Kulturlandschaft treibt Dreißigjährigen Krieg lässt der Höfe vor ihm. »Auch noch wir reden noch miteinander«, die Oelkes um. »Wir hoffen sich das im Wustrower Kirchen­ mit direktem Blick auf ein schmunzelt Christine Oelke. auf ­Gesprächsbereitschaft und register zurückverfolgen. »Tat­ ­Storchennest«, erinnert er sich Von Grabenkämpfen zwischen ein gutes Konzept.« sächlich«, bedauert die Land­ noch heute. Ein unvergess­ den unterschiedlichen Wirt­ wirtin, »geht die Erinnerung licher Moment für Hans-Jürgen schaftsweisen in der Landwirt­ noch bis zur Großmutter. Alles Oelke. Fünf Jahre später sollte schaft halten die beiden nicht was davor war, gerät schnell er seine Christine heiraten viel. Doch als konventioneller in Vergessenheit.« und den Hof in Schreyahn Betrieb sind sie angewiesen übernehmen. Vielleicht auch, auf moderne Technik und Hans-Jürgen Oelke kam 1976 weil seine Eltern von der eige­ große Flächen. »Nur so können zum ersten Mal nach Schreyahn. nen Scholle fliehen mussten, wir wettbewerbsfähig bleiben«, Seine Eltern waren nach der reizte es ihn sehr, einen Hof erklärt Landwirt Oelke. Wie Gut erhaltene Prunkgiebel mit ­Bodenreform östlich der zu führen, der seit so langer die gesamte Dorfgemeinschaft ­»Wendenknüppel« sind eine der 46 aus dem Oderbruch nach Celle Zeit in Familienbesitz ist. sind auch die Oelkes stolz auf Besonderheiten in Schreyahn. Wochenendpendler Biobäuerin Werner , Gühlitz Annette Quis, Mammoißel

Eigentlich wollte der Ober- ­Gesprächskreise, aber auch zwischen Februar und Novem­ »Schön quer zur Faser« schnei­ Wendland in einer Kommune lassen. Die Bewerbung um das studienrat a.D. Werner Gifhorn die reiche Kulturlandschaft des ber zahlreiche Stauden und det Annette Quis den Schinken lebte, brachte sie auf andere UNESCO-Weltkulturerbe findet nach seinem Lehramtsstudium Wendlands gefallen uns sehr«, Blumen, eine Kastanie breitet für einen Kunden auf dem Gedanken: Zunächst arbeitete sie »im Prinzip gut«. Viele nach Wolfsburg ziehen oder sagt Werner Gifhorn. Gerade ihr dichtes Blattwerk über den ­Dannenberger Markt. Jeden sie für den Ergotherapeuten­ ­Touristen kaufen im Sommer nach Celle. Dorthin hatte er die Fülle von Möglichkeiten, Rasen. Werner ­Gifhorn freut Mittwoch steht die Bio-Bäuerin verband in Lüchow-Dannen­ regelmäßig bei ihr ein. Auch schon Kontakte geknüpft. Aber die einheimische Natur durch sich über die ­Bewerbung um aus Mammoißel in Lüchow und berg, während erste Ideen von gegen die drohende Entvölke­ dann wurde 1968 in Lüchow qualifizierte Exkursionen und das UNESCO-Weltkulturerbe. jeden Donnerstag in Dannen­ der Selbstversorgung auf der rung des Landkreises erhofft dringend ein Deutschlehrer Vorträge kennenzulernen, Seine Hoffnung: »Der Schutz berg auf dem Markt und ver­ eigenen Scholle reiften. 1984 sich die Bio-Bäuerin Hilfe. ­gesucht und Werner Gifhorn ­bedeutet ihm viel. In ihrem unserer Kulturlandschaft.«­ kauft Obst, Gemüse, Brot, Käse kaufte sie dann ihr Haus in »Doch viele Landwirte sorgen zog mit seiner Frau Uta ins ­alten Bauernhaus mit der Feldlilien und andere seltene und Fleisch, unter anderem aus Mammoißel. Der nette Nachbar sich um einschneidende Regu­ Wendland. Für zwei Jahre woll­ ­braunen »Groot Dör«, das zu Pflanzenarten­ würden von den eigener Erzeugung von ihrem war Biolandwirt. Noch heute la­rien als Folge einer Auf­ ten sie hier bleiben und dann einem früheren Vollhufner-Hof Richt­linien der UNESCO profi­ Bauernhof. Viele ihrer Kunden lebt sie dort und züchtet nahme in die Weltkulturerbe- weiterziehen. Dass am Ende des Dorfes gehört, leben sie tieren, der neue Status könnte kennt sie mit Namen, weiß über Schafe, während Uli Quis Obst Liste.« Annette Quis hofft, ­alles anders kam, spricht für seit 1977. Eine alte Schlaf- viele neue Impulse auch für deren Vorlieben und Gewohn­ und Gemüse zieht. Im Gegen­ dass für die mit dem Welterbe die Region: »Tief verwurzelt« butze hat die Renovierungs­ den Landschaftsschutz geben, heiten Bescheid. satz zu ihrem Bruder leben verbundenen Herausforderun­ fühlt sich der Naturfreund in arbeiten überlebt, die Gifhorns hofft Werner Gifhorn. die beiden erwachsenen Töch­ gen gute Lösungen gefunden der Region. Eine Fülle von mochten die lauschige Schlaf­ »Ich bin eine klassische Aus­ ter nicht im Wendland, doch werden. wichtigen Dingen sei es, die stätte der Vorbesitzer nicht steigerin«, sagt die 61-jährige für Annette Quis ist hier inzwi­ ihn hier habe heimisch werden ­herausreißen. Eine Kopie die­ über sich. Denn eigentlich hatte schen ihre Heimat. Auch ihr lassen: »Die Arbeit für den ses bäuerlichen Bettes gibt es sie nach ihrem VWL-Studium ­Engagement im Widerstand Landtag von 1970 bis 1974, in einem der Bauernhäuser eine klassische Karriere im ­gegen das atomare Endlager die Freunde, unser Haus in im Museumsdorf Lübeln. Im Frankfurter Bankenviertel be­ in hat sie tiefe Wur­ 48 Gühlitz, die spannenden Garten der Gifhorns blühen gonnen. Eine Cousine, die im zeln in der Region schlagen 49 Die Geschichte der Rundlinge im Wendland

Abseitslage

Obwohl das Wendland heute in der Mitte Norddeutschlands liegt, blieb es über die Jahr- hunderte hinweg in einer ­Randlage: Schon zur Zeit der Völkerwanderung verliefen die Handelswege um das Wend­ land mit seinen sumpfigen ­Ebenen und ertragsarmen ­Böden herum. Einzig entlang der Elbe entstanden früh Schutzburgen wie Hitzacker oder Höhbeck. Das Hinterland jedoch blieb dünn besiedelt und damit uninteressant.

Die politischen Machtstruktu­ ren wechselten im Laufe der keine Autobahn, keine wich­ti­ ­geprägte ­Region. Dies half Zeit, die strukturelle Rand- gen Bahnlinien und wenig die ländliche Kulturlandschaft lage jedoch blieb erhalten. Industrie.­ Das Wendland ist bis in das 21. Jahrhundert zu Bis heute gibt es im Wendland eine stark landwirtschaftlich erhalten. 51 links: Ein typisches Merkmal der ­Siedlungsform ist die außerhalb des Dorfes angelegte Kirche.

rechts: Im Wendland stehen die ­Hallenhäuser mit dem Wirtschaftsteil und giebelständig zum Dorfplatz.

Entstehung die Rundlinge in ihren Grund­ der Dorfrunde, oft gegenüber Die starke bauliche Verdich­ land. Er zeigt sich auch im und zwei kleine Seitentüren merkmalen: Die sektorförmi­ dem Eingang, lag ein erblich tung der Dörfer barg eine hohe ­Dorfbild – zum Beispiel in den zum Ausmisten der Ställe Von Prag bis zur Ostsee ent­ gen Hofplätze grenzen direkt privilegierter Hof, der Schulzen­ Brandgefahr. Noch heute zeu­ aufwändigen Prunkgiebeln der sind allen Häusern gemein- standen im 12. Jahrhundert ­aneinander und bilden eine hof. Weil die Christianisierung gen Spruchbalken vom Wieder­ Bauernhäuser. sam. Kein Haus gleicht dem entlang des Verlaufs der Elbe, hufeisenförmige Anordnung. des Wendlands erst spät be­ aufbau nach Dorf­bränden. ­anderen und doch sind sie die als deutsch-slawische Der Dorfinnenraum kann von gann, wurden Kirchen stets Im Gebiet der wendländischen sich alle ­ähnlich. Die Unter­ ­Kontaktzone fungierte, plan­ halbrund über oval bis kreis­ ­außerhalb des Hofrunds vor Die Kombination aus historisch Rundlinge wurde das Nieder­ schiede ­zeigen sich eher in mäßig angelegte kleine Sied­ rund variieren. Hierhin führt dem Dorf errichtet. gewachsener Siedlungsform deutsche Hallenhaus in Fach­ der Ausschmückung des lungen in Form von Rundlingen. meist nur ein Zugang, der hier und den zahlreichen gut erhal­ werkbauweise gebaut. Diese ­Hauses, ­weniger im typischen Im Wendland waren das kleine und da durch kleine Viehtriften Die heute existierende rundlich tenen Niederdeutschen Hallen­ großen Einheitshäuser be­ Grundriss. hufeisenförmige Dorfanlagen oder Kirch- und Mühlenwege geschlossene Form der Dörfer häusern aus dem 18./19. Jahr­ herbergten Wohn-, Wirtschafts- mit wendischen Bewohnern. ergänzt wird. entstand erst um 1500, als hundert macht die Besonderheit und Vorratsräume unter einem In der niederen westlich viele Hofanlagen geteilt wurden, der Rundlinge im Wendland Dach. Hier im Wendland stehen von Lüchow sind diese Rund­ Die topografische Lage der um der gestiegenen Be­völke­ aus. sie mit dem Wirtschaftsteil linge bis heute in einer beson­ Rundlinge passt sich den land­ rungszahl Rechnung zu tragen. und giebelständig zum Dorf­ deren Dichte erhalten – oft schaftlichen ­Gegebenheiten Weil es der wendischen Be­ platz, während der Wohnteil nur ein bis zwei Kilometer vom an. Bevorzugt wurde die An­ völkerung nicht möglich war, Niederdeutsche Hallenhäuser sich am entgegengesetzten Nachbardorf entfernt. Trotz lehnung der Hofrunde an eine die Bürgerrechte zu erwerben, Ende des Hallenhauses befin­ ­individueller Unterschiede – feuchte Niederung mit der blieb eine Abwanderung in Der Flachsanbau und die ihm det. Die Giebel haben ein abhängig von landschaftlichen ­Dorföffnung zum höher ge- die Städte aus und sorgte für nachgeordnete Leinenerzeu­ reich verziertes Fachwerk mit Gegebenheiten und den Vor­ legenen Ackerland, das den eine nur schleichende Assimila­ gung sorgten im 17. und Inschriften auf den Torbalken. stellungen der damaligen ­Höfen in vielen schmalen Strei­ tion der Wenden an deutsche 18. Jahrhundert für beträcht­ Die große Einfahrt zum Wirt­ 52 Grundherren – gleichen sich fen zugeordnet war. Inmitten Sprachen und Gebräuche. lichen Wohlstand im Wend- schaftsteil, die »Groot Dör« 53 Die meisten der heute noch Rundlingsmuseum in Lübeln großer wachsender Betriebe existierenden Hallenhäuser auf seinem Gelände. führte zu Leerstand von nicht im Wendland sind Vierständer­ mehr zeitgemäß nutzbaren häuser aus dem 18. und Hallenhäusern. Diese drohten 19. Jahrhundert. Ihr Dach wird Rundlinge heute zu ­verfallen oder wurden durch von vier Ständerreihen getra­ reine Wohnhäuser ersetzt. gen. Jede Reihe hat bis zu 14 Nach 1945 wirken weitere Die Tendenz wird in den oder 15 Ständer, abhängig von ­Faktoren auf die Rundlinge. 1960er-Jahren von manchen der Länge des Hauses. Mit der Flüchtlingswelle kamen Wend­ländern, aber jetzt beson­ 1945 Menschen in großer ders auch von »Obrigkeiten« den Erhalt der Siedlungsform Laufe der Zeit ergeben: Künst­ linke Seite: Altes nicht mehr erhaltenes Das Dreiständerhaus hat drei Zahl in die Dörfer. Die erneute und Wissenschaftlern als er­ der Rundlinge im Wendland ler nutzen die großen Häuser Lübelner Zweiständerhaus (links) und Ständerreihen. Daraus ergibt Grenzlage, gravierender als schreckend und bedauerlich einzusetzen. als Ateliers, Wirtschaftsteile ­restauriertes Dreiständerhaus im Wendlandhof Lübeln (rechts) sich seine asymmetrische Form: je zuvor, verstärkte das Abseits betrachtet. Die Verbindung wurden umgebaut und be-

Eine Seite des Daches ist weit der Region. Das westdeutsche der wirtschaftlichen Interessen Die meisten Rundlinge sind wohn­bar gemacht, kleine hand­ rechte Seite: Die Kleinteiligkeit des heruntergezogen, während­ Wirtschaftswunder der 1950er- mit dem Traditionsbewusstsein heute keine reinen Bauern­ werkliche Betriebe kommen Fachwerks im Prunkgiebel ist Aus­- die andere Seite ­einem Vier­ Jahre ermöglichte die wirt­ der ansässigen Bevölkerung dörfer mehr. In vielen Dörfern in den traditionellen Bauern­ druck des Wohlstands. Schmale Durch­ ständerhaus gleicht. schaftliche Förderung des und zusätzlich mit dem An­ gibt es jedoch noch einzelne häusern ebenso unter wie fahrten erschließen den nach hinten gelegenen Hof. ­entlegenen Gebiets. Die tech- liegen denkmalorientierter Landwirte, die ihren Hof unter Cafés, Ferien­wohnungen oder Der früheste Haustyp im Wend­ nische Entwicklung in der ­Wissenschaftler führte Landes- Zupachtung von landwirtschaft­ gar kleine ­Hotels. Die Rund­ land war das Zweiständerhaus. Landwirtschaft stellte neue und Kommunalpolitiker, lichen Flächen teils im Voll-, linge im Wendland sind keine Diese Hausform findet sich nur ­Anforderungen an die Wirt­ ­Regionalplaner, Heimatforscher teils im Nebenerwerb bewirt­ »Schlafsiedlungen« für Pendler noch in wenigen Rundlingen. schaftsgebäude.­ Die Aufgabe und Wissenschaftler zusam­ schaften. Neue Nutzungs­ geworden, sondern lebendige 54 Ein typisches Beispiel zeigt das vieler kleiner Höfe zugunsten men, um gemeinsam Kräfte für möglichkeiten haben sich im Dörfer geblieben. 55 Der Bauernhaustyp »Niederdeutsches Hallenhaus«

Der Bauernhaustyp »Nieder­ ergeben um den Dorfplatz (bis Ende des 19. Jahrhunderts) links: Ursprungszustand Lübeln mit Verbreitungsgebiet der Hallenhäuser deutsches Hallenhaus« ent­- ­geordnet ein Bild von Torten­ wurden ausschließlich Hallen­ 11 Hauptgebäuden Niederdeutsches Hallenhaus als stand in der norddeutschen Zwei-, Drei- und Vierständerhaus (mit abgewandelten holländi­ stücken oder Kreissektoren. häuser um den Platz gruppiert Mitte: Zeichnung eines 1686 erbauten Tiefebene von den Niederlan­ schen und belgischen Formen) Die Teilung der Grundstücke und immer mit dem Wirt­ Hallenhauses von Heinrich Tessenow Altfriesenhaus den bis Polen, jedoch nach hat in den meisten Fällen zu schaftsgiebel zum Platz gerich­ rechts: Schmuckdetail eines Tor­ Geestharden- und ­Süden begrenzt durch eine Wandständerhaus einer gleichmäßigen Verkleine­ tet. Bei aller Regelmäßigkeit pfostens mit Entstehungsjahr 1850 ­Linie ­ – Gulfhaus, Bargschün, rung der Tortenstücke und ­erhielt doch jedes Dorf ein Stelp und Haubarg

Stettin. Das Gebiet der Rund­ Archäologisch ­Verdoppelung ihrer Anzahl ­individuelles Bild, eine kreis­ nachgewiesene Hallen lingsgründungen zieht sich ­geführt. Aber in vielen Rund­ runde oder eine ovale Form volle Fachwerkfassade mit ­dagegen vom westlichen Teil lingen verlief die Entwicklung oder andere Variationen. ­eingeschnitzten und farbig der Ostsee in einem breiten nicht gleichförmig. Es ent­ ­gemalten Dekorationen. Dabei Streifen links und rechts der standen unterschiedlich große Auch die Hallenhäuser haben tragen die langen Balken reli­ Elbe nach Süden bis Böhmen. Höfe und manche zusätzlichen trotz sehr gleichförmiger giöse Sprüche, der Torbalken Beide Verbreitungsgebiete Gebäude wurden etwas in den ­Architektur jeweils ein indivi­ die Namen der Erbauer und überschneiden sich, ohne Dorfplatz vorgezogen und duelles Gesicht. Bei genauer das Baujahr und die Torständer deckungsgleich zu sein. Das ­andere nach hinten zurück­ Betrachtung gleicht keines sind mit Blumenornamenten »Niederdeutsche Hallenhaus«, versetzt. Jedenfalls wurde die ­einem anderen. Oberflächlich geschmückt. ein »Alles-unter-einem-Dach- Bebauung dichter. Bei allen betrachtet sind sie alle ähnlich, Gebäude« von beträchtlicher geräte. Allerdings gab es auf Wirtschaftsdiele zum Dorfplatz ­Variationen wurde aber darauf mit einem großen zentralen Es gibt drei Arten von Nieder­ Größe, beherbergte nicht nur dem Hof Nebengebäude wie gerichtet, während auf der geachtet, dass die Gesamt­ hoch und breit geschwungenen deutschen Hallenhäusern und den Bauern und seine Familie, Scheune, Schweinestall oder Rückseite der Wohnbereich struktur des Dorfes mit dem Einfahrtstor in der Mitte und diese Typen sind im Wendland sondern auch sein Vieh, die Backhaus. Typischerweise ist zum Hof und Garten blickt. Die zentralen Platz erhalten blieb, zwei kleinen Stalltüren an den noch in beträchtlicher Anzahl 56 Futtervorräte und Arbeits­ das Hallenhaus mit Stall und keilförmigen Hofgrundstücke und über viele Jahrhunderte Seiten. Sie haben eine kunst­ vorhanden. 57 links: Schematische Darstellung unterschiedlicher­ Ständertragwerke und der einhergehenden Veränderung im Grundriss

rechte Seite: links: Zweiständerhallenhaus.­ Vor dem 1916 noch reetgedeckten Haus der Familie Mieth ­posieren die ­Bäuerinnen, die Magd und die Kinder. Mitte: Dreiständer­hallenhaus, erbaut 1698, Lübeln, Haus Nr. 7 rechts: Restauriertes Vierständerhaus

Dadurch entstehen­ links und gibt es im Verbreitungsgebiet plausibel klingende Argumente, Im Süden und Osten des Wend­ rechts ­neben der Diele niedrige des Niederdeutschen Hallen­ warum die Dörfer in der Region lands (Preußische ) Räume, die vornehmlich als hauses selten, aber im Wend­ sich so und nicht anders ent­ wurde schon im 18. Jahrhun­ Stall für Kühe und Pferde land vergleichsweise häufig. wickelten und bis ins 21. Jahr­ dert wegen der Brandgefahr dienen.­ hundert erhalten blieben; sie der Neubau von Hallenhäusern Das Vierständerhaus ergibt müssen jedoch Spekulation verboten und für eine Tren­ Die drei Typen des Nieder- einem Zweiständerhaus. Das Dreiständerhaus hat sich nun plausibel, wenn eine bleiben. Abseitslage von wirt­ nung von Wohnhaus und Wirt­ deutschen Hallenhauses: Bis zu 14 Grundelemente im Wesentlichen die gleiche vierte Ständerreihe auf der schaftlichen und politischen schaftsgebäuden und damit Zwei-, Drei- und Vierständer- stehen­ hintereinander­ über ­Konstruktion. Aber es wird ­anderen Seite des Hauses die Zentren können ein Grund auch für eine Auflösung der häuser die Länge des Hauses und eine ­zusätzliche Ständerreihe Außenwand bildet. Bei voller sein, auch Armut der Gegend engen Dorfstruktur gesorgt. ­bilden das Grundgerüst für angefügt, die gleichzeitig Symmetrie haben beide Außen­ wird gern als Grund genannt. Auch im Königreich Hannover Keines dieser Häuser steht das Gebäude. Somit ergeben eine Außenwand bildet, die wände die gleiche Höhe (jedes Dem steht entgegen, dass die drängten Obrigkeit und Feuer­ nur auf zwei, drei oder vier sich zwei ­Ständerreihen, die nun deutlich höher ist als die Grundelement der Gesamt­ Bevölkerungsdichte hier im versicherungen nach Groß- Ständern. Diese Einteilung die Dachbalken tragen und ­ gegenüberliegende­ Außen­ konstruktion besteht aus vier Vergleich zu Nachbargebieten feuern auf eine Umstrukturie­ ­bezieht sich lediglich auf die gleichzeitig als ­Gerüst für wand. Das Haus bekommt Ständern, einem waagerechten am höchsten war. Die Land­ rung der Dorfanlage. Dies Anzahl der Ständer, die einen die Seitenwände der Diele durch diese Bauweise eine Balken und zwei schrägen wirtschaft war durch Boden- ­gelang in anderen Regionen Dachbalken tragen, auf dessen ­genutzt werden. Beim Zwei­ asymmetrische Giebelfläche. Dachsparren.) Bis ins 19. Jahr­ und Wasserverhältnisse im und auch bei einigen Dörfern Enden wiederum die Sparren ständerhaus wird das Dach Das große Dielentor steht in hundert entwickelte und er- Wendland begünstigt und so­ im Wendland, besonders im stehen. Wenn ein solches über die tragenden Balken der Mitte der Grundlinie des hielt sich die Dorfform des mit konnte ein gewisser Wohl­ nördlichen Bereich, aber viele Grundelement (»Gebinde«), hinaus nach unten verlängert­ Giebels, aber versetzt zum Rundlings in Verbindung mit stand erwirtschaftet werden. wendländische Dorfgemein­ ­bestehend aus Sparren, Balken und es werden zwei niedrige Dachfirst (die Giebelspitze ist der ­Bebauung durch Nieder- Dafür spricht auch die geringe schaften waren gegenüber und Ständern nur zwei Ständer Außenwände ­angefügt, die nicht über der Mitte der Grund­ sächsische Hallenhäuser nur Zahl von Auswanderern nach solchen­ Modernisierungen 58 enthält, spricht man von aber das Dach nicht tragen. linie). Das Dreiständerhaus im Wendland. Es gibt einige Amerika im 19. Jahrhundert. lange resistent. So wurden bis 59 Die Pflege des Brauchtums besitzt links: Eine schmale Zufahrt führt in heute wie damals einen hohen den Sackgassenrundling Bussau. ­Stellenwert im Wendland. rechts: Gegenüber der Zufahrt liegt der ehemalige Schulzenhof, heute Hof Kulke (siehe Markierung).

unten: Dorfplatz in Bussau – der Hof Kulke ist links im Bild zu sehen.

Mitte des 19. Jahrhunderts Ein entscheidender Faktor für Nutzung für die Gebäude Rundlinge als solche wieder den Erhalt der Rundlinge und ­finden und das Vorhandene aufgebaut lediglich mit kleinen ihrer Hallenhäuser waren die mit behutsamer Renovierung Kompromissen bezüglich Ab­ zahlreichen Liebhaber alter in ­Besitz nehmen würden. stand der Häuser und vielleicht ­Gebäude, die vornehmlich ­Mehrere Trends trugen dazu Aussiedlung einzelner Höfe. aus Berlin, aber auch aus der bei, dass sich diese Hoffnung Auf jeden Fall hielt man aber ganzen Bundesrepublik kamen erfüllte, und es gelang dem bis zum Ende des 19. Jahr- und die leer stehenden Höfe behördlichen­ Denkmalschutz, hunderts am Bau von Hallen­ aufkauften. Sie setzten ihr die Kreativität der neuen häusern fest. Die Dorfbevölke­ ­außerhalb des Wendlands ­Eigentümer von schützens­ rung wollte ihr Wohn- und ­erwirtschaftetes Kapital mit werten Objekten auf das ­Arbeitsumfeld so gestalten ­Engagement und Gefühl für ­Gefühl für die erhaltenswerte und erhalten, wie es nur die die Restaurierung der alten ­Substanz zu lenken. So ent­ spezielle Form des Rundlings Bausubstanz ein. stand in diesen Dörfern neben und seiner Hallenhäuser mög­ den nach wie vor vorhande- lich macht. Trotz aller Nach­ Es war den neuen Besitzern nen Landwirtschaftsbetrieben teile der Enge des sozialen klar, dass die Nutzung der eine hoch differenzierte ­Zusammenlebens muss das historischen­ Bauernhäuser ­Sozialstruktur­ von Menschen, hier mögliche Gemeinschafts­ durch kleine Landwirte keine die entweder hier blieben gefühl stärker gewesen sein Zukunft hatte. Deshalb hoffte oder hierher kamen, weil sie als der Drang nach Privat­ man auf Menschen mit Krea- in ­dieser Art zu wohnen und sphäre und individuellen Ent­ ti­vität, Fantasie und Unter­ zu leben ihre Lebensqualität 60 wicklungsmöglichkeiten. nehmungslust, die eine neue finden. Der ehemalige Schulzenhof in Bussau wurde von der Familie Kulke restauriert und umgestaltet. Er veranschaulicht eine zeitgemäße Nutzung.

Die voll verglaste »Groot Dör« ermög­ licht Ausblicke und Einblicke. Der Dorf­ platz verschmilzt mit dem Innenraum.

rechts: Grundriss und Schnitt des ­Hallenhauses Kulke in Bussau

62 Impressum

© 2013 Samtgemeinde Lüchow Bildnachweis Teilnehmer der ­(Wendland), Autoren und Fotografen HUSTEDT Network: S. 2, 13, 21 (M.), Projektkoordination Welterbe 25 (M.), 27 (r.), 28, 29, 30, 31, 33, 34, Samtgemeinde Bürgermeister Hubert Projektkoordination: Claudia Lange, 38, 39, 40 (o., u. r.), 41 (o.), 43, 47, 55, Schwedland, Claudia Lange (Abteilungs­ Samtgemeinde Lüchow (Wendland) 59 (r.), 61 (u.), 62, 63 leitung 4), Kerstin Duncker (Unterer Konzept und Realisierung: bp Archi­ Samtgemeinde Luchow (Wendland): Denkmalschutz, Landkreis Lüchow- komm, Bernd Pastuschka S. 4, 5, 7, 23 (l.), 24 (l., r.), 25 (l.), 42, Dannenberg), Ilka Burkhardt-Liebig Konzeptstudie: Nele Hinrichs, ­ 44, 45, 46, 48, 49, Umschlagklappe (Rundlingsverein), Burkhardt Kulow Texte: Samtgemeinde Lüchow vorne und hinten (Rundlingsverein), Axel Kahrs (Künstler­ (Wendland) bp Archikomm: S. 8, 9, 10, 11, 12, hof Schreyahn), Jürgen Weinhold Lektorat: ALISA, Agentur für Literatur 15, 16, 18, 21 (l., r.), 22, 23 (M., r.), (ehem. Baudirektor Landkreis Lüchow- und Sachbuch, Hamburg 24 (M.), 25 (r.), 26 (l., M.), 27, 35, 36, Dannenberg) Grafik: Petra Wagner, Hamburg 37, 50, 52, 53, 54 (r.), 57 (r.), 61 (o. l.) Druck: DZA Druckerei zu Altenburg Rundlingsverein/ Wendlandarchiv : S. 40 (u. l.), 54 (l.), 59 (l., M.), 60 Teilnehmer des Survey Umschlagabbildungen: Wendlandhof : 41 (u.) Michael Schmidt, Britta Rudolff, Vorderseite: UNESCO – HERITAGE / Suhrkamp Verlag: S. 32 Leo Schmidt, Susann Harder (Institut Designing Effective Exhibition für ­Heritage Management GmbH), Studentischer Ideenwettbewerb ­ S. 20: GIS Lüchow Kerstin Duncker (Unterer Denkmal­ SS 2013, 1. Preis: Marc Herbst S. 51, 57 (l.), 58: Willy Schulz, in: schutz, Landkreis Lüchow-Dannenberg), Klappe vorne: Güstritz, Torpfosten Mitteilungen Deutscher Heimatbund, Ilka Burkhardt-Liebig, Adrian Green­ (außen); Kurhannoversche Landes­ Rundlinge und ihre Pflege und wood, Burghard Kulow (Rundlings­ aufnahme des 18. Jahrhunderts ­Erneuerung verein) 87 Lüchow. Reproduktion LGN Landes­ S. 56: Herbert Schröder, Bauernhäuser, vermessung + Geobasisinformation Bauernhöfe mit ihren Bergeräumen ­Niedersachsen, Hannover 2003 (innen) in Nordwestdeutschland, Jütland und Dank Klappe hinten: Güstritz, Katzenaugen den Niederlanden Ein besonderer Dank gilt allen, die (außen); Teilungskarte Güstritz, S. 57 (M.), 61 (o. r.): Erich Kulke, sich für die UNESCO-Anerkennung ca. ­Anfang des 20. Jahrhunderts, ­Niedersächsiche Baupflege 8/78 der ­Rundlinge in der wendländischen ­Darstellungsstand: letztes Drittel ­Heinrich Tessenow durchwandert ­Kulturlandschaft mit Ideen und des 19. Jahrhunderts (innen) das Hannoversche Wendland Tatkraft engagieren. S. 63 (o.): Carl Ingwer Johansen, Trennerbilder: Das Niederdeutsche Hallenhaus und S. 2: Hof Kulke in Bussau; S. 8: Bussau; seine Nebengebäude S. 18: Lübeln; S. 28: Künstlerhof Schreyahn; S. 50: Güstritz

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