Albert Schäfer

Die Kruppsche Bahn von der Grube Louise bei zum Bahnhof II. Teil

Ein „Schichtenbuch flir die Grubenbahn Louise - Seifen”erzählt

Aus der Anfangszeit des Betriebes der „Kruppschen Bahn” ist ein sorgfältig geführtes Schichtenbuch erhalten geblieben.13) Es berichtet über den Zeitraum vom 1.4. 1883 bis zum 31. 10. 1892 und gewährt interessante Einblicke in den Personaleinsatz, die Arbeitsverhältnisse und vor allem die Förderzahlen der Grube Louise. Von Interesse ist auch, daß die Erze der Nachbargrube „Friedrich Wilhelm” (Hufer Schacht)14) mit Inbe- triebnahme der Kruppschen Bahn fortan der Verladestation auf Grube Louise zuge- fiihrt wurden. Dies bedeutete auch für diese Grube eine erhebliche Einsparung der Transportkosten, brauchte doch nun nur noch der Erztransport vom Friedrich Wil- helm-Schachtgebäude (am Verbindungsweg von Florhausen nach gelegen) auf einer lediglich 11h km langen Strecke mit Vieh- fuhrwerk vonstatten zu gehen. Demnach blieb es vor- erst nur noch auf der Grube Georg bei Will- roth beim althergebrach- ten Erztransport mit Fuhrwerk zur Sayner Hütte. Dies änderte sich jedoch im Jahr 1899 auch dort, nachdem Krupp nach einjähriger Bauzeit eine Seilbahn von Grube Georg aus unmitrelbar zum „Bahn- hof Grube Louise” nach dem System Pohlig hatte bauen lassen. (Vgl.: Tras- senverlauf der Seilbahn). Das Schichtenbuch der Kruppschen Bahn ver- zeichnet auch, daß die Erze der Grube Harz- berg bei (still- gelegt 1939) ebenfalls Grube Georg (1901) mit der 1899 erbauten Seilbahn. der Kruppschen Bahn Ein Kipplore kommt leer von der Grube Louise zurück. zugebracht wurden. Dies Der zweirädrige Erzwagen hat ausgedient.

140 geschah in gleicher Weise wie bei der Grube Georg mittels einer Seilbahn, die der Bahnstrecke unweit (unmittelbar südlich des heutigen Freibades) zugeführt wurde. Von allen Gruben wird bei den angegebenen Transportmengen nach den Erzarten un- terschieden: Spath, Brauneisenstein und gelegentlich aus geringere Mengen an Kupfer- und Bleierzen. Die Transportangaben der Kruppschen Bahn vom April 1889 mögen beispielhaft wie- dergeben, wie sehr dieser neue Verkehrsweg die Region förderte: Louise: Brauneisenerz 1350 Tonnen gerösteter Spath 1810 Tonnen Rothspath (2. Sorte) 310 Tonnen Kohlen 90 Tonnen Koks 70 Tonnen Harzberg: Brauneisenerz 100 Tonnen gerösteter Spath (1. Sorte) 1000 Tonnen (2. Sorte) 340 lönnen Rohspath 80 Tonnen Kohlen 100 Tonnen Koks 30 Tonnen Friedrich-Wilh. Gerösteter Spath 490 Tonnen Rohspath 10 Tonnen Kohlen 20 Tonnen Koks 20 Tonnen Bahnbetrieb: Kohlen 10 Tonnen Bergschmied: Leonhard (Harzberg): Kohlen 10 Tonnen Harzberg: Grubenbahn (Seilbahn) 10 lbnnen Consum-Anstalt: diverse Collis 7,96 Tonnen Kartoffeln (Louise, Harzberg, Friedrich Wilhelm, Wllh.): 20,64 Tonnen Summe: 5490 Tonnen 388,60 Tonnen Die Gesamttransportleistung an Erzen von den obengenannten Gruben mittels der Kruppschen Bahn betrug im Jahr 1890 64093,130 Tonnen.

Ein Zeitzeuge berichtet Als Zeitzeuge wurde Heinrich Praßel aus Bürdenbach (1907 - 1995) über den Betrieb der Kruppschen Bahn (Grube Louise-Seifen) befragt. Er berichtet: „Am 1. April 1925 machte ich meine erste Schicht a u f Grube Louise. Von Anfang an hatte ich a u f dem Kruppschen Bähnchen Dienst zu tun. Unsere erste Fahrt zur Verladerampe am Bahn- hofSeifen wurde morgens immer kurz nach sechs Uhr durchgeführt. Der Lok wurden 2 6 bis 30 Wagen angehängt. Jeder Wagen hatte ein Fassungsvermögen von ungefähr 4 Tonnen Röstgut oder ungeröstetem Erz. Durch das Gefalle im Lahrbachtal und a u f der ebenen Strecke von Brü- chermühle nach Seifen war dies möglich. A u f den Streckenstücken mit stärkerem Gefälle war die Lok nicht in der Lage, den Zug genügend abzubremsen, hauptsächlich dann nicht, wenn die Schienen bei Regen- oder Nebelwetter naß waren. Sobald sich die Geschwindigkeit des Zuges steigerte, kletterte ich als junger Bursche, was eigentlich verboten war, vom Führerstand der Lok

141 aus über die Wagen zurück bis zu dem Wagen, der eine Bremsvorrichtung hatte. Ge- legentlich entgleisten die Wa- gen, und man mußte sie un- ter großer Mühe wieder a u f die Schienen setzen. Bei der Fahrt früh morgens fiuhren immer einige Kinder der Grubenbeamten in einem eigens dafrir hergerichteten Wagen, der rundum Sitzbän- ke hatte, mit bis zum Bahnhof Seifen. In Oberlahr stieg z. B. der Sohn des a u f Grube Louise tödlich verunglückten Steigers Zimmermann noch zu, nach- dem dieser von Burglahr aus, wo er in einem Kruppschen Haus unweit des Alvenslebens- Auszug aus der „ Übersichtskarte des Vorkommens Stollens zu Hause war, jeden nutzbarer Mineral-Lagerstätten im Bergrevier Wied, Morgen zu Fuß dorthin ge- Oberamtsbezirk Bonn”, Bonn 1886 langt war. Von Seifen aus fuh- in: K. Diesterweg: Beschreibung des Bergreviers Wied, ren diese Kinder dann mit der Bonn 1888. Staatsbahn weiter nach Alten- eingetragen: zur weiterführenden Kruppsche Grubenbahn von Grube Louise nach Seifen, Schule. Einige setzen von dort Unterwesterwaldbahn, aus die Fahrt fort bis nach Seilbahn von Grube Harzberg (34) Betzdorf, weil es in Altenkir- zur Kruppschen Grubenbahn, mit Anschluß bei Oberlahr. chen damals noch kein Gym- nasium gab. In Döttesfeld machte der Zug an der Waage halt. Es wurde streng darauf geachtet, daß jeder Wagen genau 4 Tonnen Ladung aufwies, so daß entweder zu- oder abgeladen werden mußte, natürlich von Hand. Immer lag au f dem Flachdach des Wiegehäuschens Röstgut zur Regulie- rung des Gewichtes. Dann wurde weiter nach Seifen gefahren. Die Lok konnte nicht alle Wagen a u f einmal hoch a u f die Verladerampe ziehen. So lang war sie auch nicht, daß alle Wagen darauf Platz ge- funden hätten. Deshalb mußte ab- und angekoppelt werden. An den Wagen wurden die Bracken aufgeschlagen, und das Röstgut rutschte in die unter der Rampe stehenden Güter- wagen der Staatsbahn. Bei der Rückfahrt von Seifen zur Grube wurden allerlei Güter mitgenommen, die fü r den Grubenbetrieb erforderlich waren, aber auch Waren fü r den häuslichen Gebrauch oder fü r die Landwirtschaft, feder Bergmann hatte ja nebenher noch einen kleinen landwirtschaftli- chen Betrieb. Die zweite Fahrt wurde dann gegen M ittag ausgeführt und gelegentlich gegen Abend noch eine dritte. Was die Seilbahn, die von der Grube Georg bis zur Grube Louise verlieft an Röstgut mit- brachte, wurde aus den Hängeloren über Schüttschnauzen in die Waggons der Kruppschen Bahn umgeschlagen.

142 Insgesamt betrieben wir bis 1927den Erztransport mit vier Mann: Otto Pees, Willi Fischer, der Lokführer war, mein Onkel Josef Praßel und ich. Meine Tätigkeit au f der Kruppschen Bahn fand schon am 21. Oktober 1927ein jähes Ende: An diesem Montagmorgen leckte ein Wasserhahn an einem der drei Ventile über die Feuerkiste der Lok. Wir wollten ihn mit ei- nem Schraubenschlüssel anziehen. Dabei brach das Ventil ab und flog unter hohem Druck mit einem Schwall kochendheißem Wasser gegen mich und meine Kollegen. Wir erlitten schwere Verbrühungen, ich leide heute noch darunter. Am schlimmsten wurde mein Onkel getroffen. Von und herbeigerufene Arzte leisteten erste Hilfe. Mein Onkel, der sehr religiös war, machte damals das Gelübde, so lange wie möglich täglich zum Gottesdienst nach Horhausen zu gehen, wenn er nicht an den Folgen der Verbrühun- gen sterben würde und wieder zum Gehen käme. Er hat dieses Versprechen tatsächlich so lange gehalten, wie er in einem der Kruppschen Wohnhäuser au f Grube Louise zu Hause war. Lch selbst war wegen der starken Verbrühungen nicht mehr in der Lage, über Tage zu arbei- ten, weil ich kälteempfindlich geworden war. Nach meiner Gesundung, soweit man davon sprechen konnte, habe ich unter Tage au f der 180 m Sohle gearbeitet. Trotz meines Unfalls und der schweren Arbeit unter Tage kann ich heute noch sagen, daß es eine schöne Zeit a u f Grube Louise war. Vor allem der Zusammenhalt innerhalb der Beleg- schaft war gut.

ÄV " Trassenverlauf der Seilbahn von Grube Georg zu Grube Louise. Auszug aus einer Karte des Landkreises Neuwied (mit südlichem Teil des Kreises Altenkirchen), Strüder-Verlag, Neuwied, etwa 1901. Die Karte zeigt die Seilbahn von Grube Georg zum „Bahnhof Grube Louise’’ und Streckenteile der Unterwesterwaldbahn sowie der Bahnlinie Linz-Flammersfeld.

143 Ich habe dann nach der Schließung der Grube im März 1930 bei der Demontage mitgehol- fen, eine traurige Sache. Die Firma Fendel aus Düsseldorf kaufe alle demontierten Eisentei- le. Gußeiserne Teile haben wir mit einem 25 Pfund schweren Dreimann-Hammer zerschla- gen. Die Kruppsche Bahn transportierte diese Fracht, was uns traurig stimmte, zur Staatsbahn nach Seifen. M it der Schließung der Grube begann fü r die ehemalige Belegschafi eine schwere Zeit. Nur ein paar Leute wurden a u f der Grube Georg gebraucht. Ich selber habe erst 1937 wieder an- gefangen zu bergen. Meine erste Arbeit au f der Grube Georg war, den Wetterschacht von der 450 m Sohle auf400 m auszuschießen und auszumauern. ”

Eine Bahn an der Bahn vorbei Am 30. September 1912 wurde die „Westerwaldbahn” (Linz-Flammersfeld) eröffnet. Sie stellt eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Erschließung des vorderen Westerwaldes dar. Entscheidend für ihren Bau waren die reichen Basaltvorkommen auf der Linzer Höhe und bei Fernthal. Auch an den Erztransport war gedacht worden. Hatte der Zug die Rheinhöhe von Kasbach aus erreicht und war er von dort aus an Elsafif vorbei bei Wiedmühle zum Wiedtal gelangt, so führte die weitere Strecke an Neustadt, , Burglahr und Oberlahr entlang, bis daß sie bei Flammersfeld auf die Unterwesterwaldbahn traf. Von Brüchermühle aus folgte die neue Bahnstrecke also dem Verlauf der Kruppschen Bahn. Eine Erzverladung von der Kruppschen Bahn auf die Staatsbahn hätte sich demnach schon bei Oberlahr empfohlen. Dennoch verzich- tete die Firma Krupp auf Neuinvestitionen und beließ es bei dem bisherigen Erztrans- port nach Seifen. Lediglich die Grube Silberwiese schloß sich mit ihrer 2050 Meter langen Grubenbahn an die Staatsbahn im Bahnhof Oberlahr an.

Das Ende der Kruppschen Bahn Am 29. März 1930 schloß die Grube Louise wegen Erschöpfung ihrer Erzmittel. Ge- waltige Anstrengungen waren unternommen worden, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können: Von der 250 m Sohle war in das Grubenfeld Friedrich-Wilhelm von 1916 an eine Untersuchungsstrecke gehauen worden in der Hoffnung, dort abbauwürdige Erzvorräte anzutreffen. Spätestens 1925 erwies sich, daß diese Hoffnung trog.17) Die Grube Friedrich Wilhelm (Hufer Schacht) hatte selbst schon 1896 wegen Verrauhung des Ganges bei einer Teufe von 125 Metern geschlossen werden müssen. Lediglich die Grube Georg bei verfügte zum Zeitpunkt der Schließung von Grube Louise über gute Betriebsaussichten. Doch 1930 ruhte dort wegen in Angriff genommener Modernisierungs- und Vorrichtungsmaßnahmen der Betrieb, so daß zu diesem Zeit- punkt die Aufrechterhaltung der Kruppschen Bahn wenig sinnvoll erschien. Man trug sich stattdessen mit dem Gedanken, die von der Grube Georg zur Grube Louise führende Seilbahn über den „Harzberg” hinweg bis nach Peterslahr zu verlän- gern, um dort eine neue Verladestelle an die Westerwaldbahn zu errichten.17) Dies be- trachtete man als einfacher durchführbar als dem gewundenen Lahrbachtal bis zum Bahnhof Oberlahr zu folgen. Mit dem Ende der Grube Louise wurde die bergbautreibende Bevölkerung auf dem Horhauser Gangzug von einer schweren Strukturkrise getroffen. Die Übertageanlagen der Grube wurden im Sommer 1930 von der Firma Brothage (Hümmerich) abgerissen, die Kruppsche Bahn im Anschluß daran im sogenannten Rückbauverfahren.

144 Markscheider E. Noot, der die Grube Louise durch seine Vermessungstätigkeit genaue- stem kannte, nahm deren Schließung zum Anlaß zu bemerken:19) „So liegt nun das Tälchen^, welches in den langen Jahren durch den Betrieb der Grube (Louise) belebt war, still und friedlich da, und die Bewohner werden, wie in früheren Jah- ren, zum großen Teil zur Landwirtschaft zurückkehren oder auswandem müssen, da die Nachbarbetriebe Georg und Silberwiese nicht alle Bergleute aufhehmen können. ”

Das Ende der Grube Louise im Jahre 1930 Abriß der Ubertage-Anlage.

Anmerkungen:

13) Privatsammlung 14) Albert Schäfer: Das „Eisenerzbergwerk Friedrich Wilhelm bei Horhausen im Bergrevier ”; Willroth 1996 (unveröffendicht). 15) Anmerkung: Bei Brauneisenerz, gelegentlich auch bei Spath, wurde je nach Qualität auf Röstung verzichtet. 16) Anmerkung: Vom „Bahnhof Grube Louise” führte ein Schmalspurgleis in die Kellerräume des Kruppschen Konsums. 17) Zechenbuch der Grube Louise. 18) Akten der Grube Georg beim Bergbaumuseum Bochum. 19) E. Noot: Schicksale zweier Gruben im Siegerland; in: Zeitschrift „Nach der Schicht”, Ausgabe Oktober 1930. 20) Anmerkung: Das Lahrbachtal.

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