Gesellschaft

SPIEGEL-GESPRÄCH „Mit den Beinen auf der Erde“ Die Begum über ihr neues Leben an der Seite des Ismailiten-Führers, das Image ihres Mannes und ihre Erfahrungen mit dem deutschen Hochadel

SPIEGEL: Hoheit, seit wenigen Wochen sind Mensch mit Witz und Charme. Mich be- In der Öffentlichkeit waren wir nur beruf- Sie die neue Begum Aga Khan. Ist da ein eindrucken seine Disziplin, sein großartiges lich gemeinsam zu sehen. Märchen Wirklichkeit geworden? Engagement für die Verbesserung der Le- SPIEGEL: Warum diese Heimlichtuerei? Begum Aga Khan: Das mag manchen Le- bensbedingungen seiner Anhänger und für Begum Aga Khan: Wir wollten keine Spe- sern einer bestimmten Presse so erschei- andere in der Dritten Welt. Wir wußten kulation im Vorfeld, und die Hoch- nen. Mit einer Aschenputtel-Story kann übrigens beide ziemlich schnell, daß wir zeit wünschten wir uns so privat wie ich aber nicht dienen. Ich komme nicht zusammengehören. möglich, nur mit der Familie und den aus dem Märchenwald. Meine Welt, mei- SPIEGEL: Das haben Sie ja geschickt ver- Führern der ismailitischen Gemeinschaft, ne alte wie meine neue, ist ganz real. borgen. Selbst die Klatschpresse hat nichts das war meinem Mann ganz wichtig. Hier beim Aga Khan wird genauso ernst- herausbekommen. Im Oktober veranstalten wir dann ei- haft gearbeitet wie in meinem Eltern- Begum Aga Khan: Es war nicht immer ein- nen großen, richtig schönen Ball für alle haus. fach. Wir sind praktisch nie ausgegangen. Freunde. SPIEGEL: Den Aga Khan, einen SPIEGEL: Ihr Mann, Karim Aga der reichsten Männer der Khan IV., ist der Imam, das Welt, trifft man aber nicht Oberhaupt der Ismailiten, einer beim Schuster um die Ecke, islamischen Glaubensgemein- oder? schaft. Welche religiöse Rolle Begum Aga Khan: Nein. Ich hat- spielen Sie als seine Begum? te mich bei der Unesco in Pa- Begum Aga Khan: Die Begum ris für die Gleichstellung von hat keine religiöse Rolle. Mädchen und Frauen in der SPIEGEL: Trotzdem haben Sie Dritten Welt engagiert. Und einen muslimischen Namen, dort traf ich Karim Aga Khan, Inaara, angenommen und sind der ja nicht nur geistliches zum Islam übergetreten. Ist Ih- Oberhaupt von 15 Millionen nen das nicht schwergefallen? Ismailiten ist, sondern auch Begum Aga Khan: Nein. Mein sehr erfolgreiche Hilfsprojekte Mann hat es auch gar nicht von unterhält, darunter etliche mit mir verlangt. Denn eine multi- der Unesco.Wir haben uns auf konfessionelle Ehe ist im Islam Anhieb gut verstanden. durchaus möglich. Selbst der SPIEGEL: Was nahm Sie für Prophet Mohammed war auch ihn ein? mit Nicht-Musliminnen verhei- Begum Aga Khan: Alles. Er ist ratet. Ich wollte aber übertre- eine große Persönlichkeit, hat ten, weil ich finde, daß ich als eine faszinierende Ausstrah- Frau und Partnerin des Imam lung. Er ist ein natürlicher seine Welt so besser verstehen kann. Außerdem bin ich von den ethischen Werten dieser Begum Inaara Religion überzeugt. Wie das Aga Khan Juden- und das Christentum ist wurde 1963 als Gabriele Ho- auch der Islam eine monothei- mey in am Main stische Religion, wir erkennen geboren und besuchte die alle denselben, einen Gott an. Internate Schloß Salem am SPIEGEL: Was wird beim Über- Bodensee und Ecole de tritt verlangt? Roche in der Normandie. Begum Aga Khan: Nach einer Die promovierte Juristin eingehenden Unterweisung wurde 1991 die zweite Frau durch den Rektor der Moschee von Karl-Emich Fürst zu in hat mich der Groß-

Leiningen. Nach der Schei- M. ZUCHT / DER SPIEGEL mufti geprüft. In der Über- dung heiratete sie am 30. Mai trittszeremonie spricht man 1998 Prinz Karim Aga Khan IV.,den geistlichen Führer von rund 15 Millionen Ismai- dann wichtige Gebete aus dem Koran und liten. Die Begum, so ihr neuer Titel, nahm zusätzlich den Namen Inaara an, der sich die Schahada, das Glaubensbekenntnis. vom arabischen Wort für Licht ableitet. Ihre Mutter Renate Thyssen-Henne, seit 1988 SPIEGEL: Prüfungsangst war in Ihrem Fall mit dem Münchner Unternehmer Ernst Theodor Henne verheiratet, wurde in den acht- wohl überflüssig. ziger Jahren durch die lukrative Sanierung des Wienerwald-Konzerns bekannt. Begum Aga Khan: Oje! Prüfungsangst gehört bei mir immer ein bißchen dazu. Außer-

96 der spiegel 30/1998 Aga Khan, Ismailiten in Tadschikistan (1995): „Interpret des Glaubens“ dem wußte der Großmufti nichts von un- meines Mannes bis zu seinem Großvater SPIEGEL: … mit rund 500 Vollblütern … serer Verbindung. Das wußte niemand. Sultan Mohammed Shah Aga Khan wur- Begum Aga Khan: … und er geht auch gern SPIEGEL: Hatten Sie keine Zweifel? den bei Jubiläen mit Gold oder Edelsteinen mal zum Rennen, wenn eines seiner Pfer- Begum Aga Khan: Sehen Sie, ein Grund- aufgewogen.Aber diese indische Tradition de läuft. Und am liebsten, wenn eines ge- prinzip des Islam ist praktizierte Näch- hatte nichts mit der Religion zu tun, son- winnt, wie vor kurzem in Ascot. Aber er stenliebe, wie im Christentum. Die Stär- dern diente der Steuererhebung für die führt wahrlich kein Jet-set-Leben. keren unterstützen die Schwächeren. Die Gemeinschaft. Der Gegenwert des Goldes SPIEGEL: Und wie kommt es dann zu dem Ismailiten halten sehr eng zusammen. Sie und der Edelsteine wurde mit den Führern notorischen Playboy-Image der Familie? missionieren nicht. Das finde ich sehr im- der ismailitischen Gemeinschaft im voraus Begum Aga Khan: Das rührt noch aus der ponierend. aufgeteilt – für verschiedene Hilfswerke. Zeit von Prinz Ali Khan, dem Vater meines SPIEGEL: Aber in der islamischen Welt Die Diamanten wurden für diese Gele- Mannes. Er war nie Imam und starb sehr sind die Ismailiten doch nur eine unbe- früh, mit 48, bei einem Autounfall.Viele er- deutende Minderheit. Was unterscheidet innern sich heute mehr an seine Ehe mit diese Gruppe von anderen Muslimen? dem Hollywood-Star Rita Hayworth als an Begum Aga Khan: Da muß ich etwas ausho- seine Arbeit bei den Vereinten Nationen als len. Vor fast 1400 Jahren, nach dem Tode der Botschafter Pakistans. Auch der des Propheten Mohammed, entstanden die Großvater meines Mannes, sein unmittel- beiden Hauptzweige des Islam, die Sunna barer Vorgänger, spielte eine wichtige poli- und die Schia. Die Schiiten glauben, daß tische Rolle, er war Präsident des Völker- der Prophet Mohammed seinen Schwie- bundes. Wie er braucht auch mein Mann gersohn Ali mit dem vererblichen Amt be- keinen Glamour und ich auch nicht. Er ist traute, den Islam verbindlich auszulegen. ein harter Arbeiter. Er hat einen Zwölf- Ein Teil der Schia, die Ismailiten, sind An- stundentag, sechs Sekretärinnen, er arbeitet

hänger des jeweiligen männlichen Nach- GAMMA / STUDIO X am Wochenende, im Urlaub, auf Reisen, die folgers von Ismail, dem ältesten Sohn des Ehepaar Aga Khan (M.) in Lissabon* Post verfolgt ihn überallhin. sechsten Imam nach Mohammed. Und „Arbeit mit allen Konfessionen“ SPIEGEL: Ist die Verwaltung seines sagen- demzufolge ist mein Mann als der 49. haften Vermögens so anstrengend? Nachfolger Mohammeds der heutige Imam genheit bei Banken ausgeliehen. Nur den Begum Aga Khan: Man muß das Privatver- und somit das Oberhaupt der Ismailiten. allerkleinsten Stein behielt der Aga Khan mögen und das Vermögen seiner Institution SPIEGEL: Und er wird, so steht es in jedem für sich – zur Erinnerung. Mein Mann hat streng voneinander trennen. Nein, mein zweiten Artikel, von seinen Anhängern wie diese Zeremonie abgeschafft. Mann ist in erster Linie Staatsoberhaupt ein Halbgott verehrt. SPIEGEL: Aber auf den Rennplätzen von der Ismailiten … Begum Aga Khan: Nein, nein, das wäre Got- Ascot bis Chantilly und in der High- SPIEGEL: … ohne Staatsgebiet. teslästerung und eine Beleidigung für die Society hat Ihr Mann doch wenigstens Begum Aga Khan: Stimmt, die Ismailiten le- Ismailiten und alle Muslime. Es gibt nur noch seinen Stammplatz? ben über 25 Länder verstreut. Der Aga einen Gott, und das ist für uns Allah. Mein Begum Aga Khan: Seine Familie züchtet seit Khan führt eine Reihe von sehr effekti- Mann ist ein Nachkomme Mohammeds fünf Generationen Pferde, und mein Mann ven, weltweit anerkannten Hilfsorganisa- und nur der Interpret unseres Glaubens. führt diese Tradition fort … tionen, die sich um die religiöse, ökono- SPIEGEL: Aber er darf sich doch regelmäßig mische und kulturelle Entwicklung küm- in Gold aufwiegen lassen? * Mit dem portugiesischen Staatspräsidenten Jorge Sam- mern. Sehen Sie, die Ismailiten leben ja paio und dessen Ehefrau Maria José Ritta bei der Ver- Begum Aga Khan: Das ist auch so ein phan- leihung des Großkreuzes des portugiesischen Ver- unter sehr unterschiedlichen Bedingun- tastisches Mißverständnis. Die Vorgänger dienstordens. gen. Menschen in Kanada etwa geht es

der spiegel 30/1998 97 SPIEGEL: Dallas und Denver un- ter deutschen Schloßdächern.Wie wurden Sie denn in der Familie des Propheten empfangen? Begum Aga Khan: Mit offenen Ar- men. Dieses Offensein für Neues wird sich über kurz oder lang auch im deutschen Hochadel durchsetzen, da bin ich sicher. SPIEGEL: Was muß sich da än- dern? Begum Aga Khan: Ich möchte niemanden belehren; aber ich denke, daß man auch im Adel heutzutage unternehmerisch und liberal handeln muß, und das

J. HOWARD J. PEOPLE IMAGE verträgt sich nicht mit Standes- Ali Khan, Hayworth (um 1950) Thyssen-Henne, Tochter AP Sultan Mohammed Shah Aga Khan (1946)

Familien Aga Khan, Thyssen-Henne GRAHAM / SYGMA T. „Ich brauche keinen Glamour“ Aga Khan (2. v. r.), Inaara Aga Khan in Ascot dünkel. Und viele Adlige leben ja auch schon danach. nun einmal besser als Menschen in Indien auf den schon vom Großvater bestimmten SPIEGEL: Ging Ihnen diese Welt nicht oder Pakistan. Erben, meinen damaligen Mann Karl- manchmal auf den bürgerlichen Wecker? SPIEGEL: Sind die Organisationen erfolg- Emich. Man riegelt seinen sterbenden Va- Begum Aga Khan: Es ist eine Welt für sich. reich? ter ab, läßt einen wendigen Anwalt Dut- Schauen Sie: Die Stellung, die der Aga Khan Begum Aga Khan: Oft gehört zu den Pro- zende Klagen, Anträge und Hilfsanträge als Religionsführer und Staatsoberhaupt in- jekten ein langer Atem, aber oft stellen abfeuern, und darüber gehen eine alte Fa- nehat, ist vergleichbar mit der, die der deut- sich die Erfolge auch ganz schnell ein. Im- milie und ein großes Vermögen zugrunde sche Adel vor seiner Entmachtung 1918 hat- mer geht es um Hilfe zur Selbsthilfe. Die – seit acht Jahren ist das Haus führungslos. te. Die Tradition der Familie Aga Khan geht Ziele sind dieselben wie bei allen angese- Mitarbeiter werden entlassen und so fort. zurück bis ins Jahr 632, als der Prophet Mo- henen internationalen Organisationen: Am Ende sind alle am Bettelstab, nur die hammed starb, und sie dauert immer noch Frieden, sicheres Wohnen, sauberes Was- Anwälte werden reich, 2010, wenn alles an. Ich finde das alles sehr interessant. ser, Nahrung; zum Schul- und Gesund- vorbei ist. SPIEGEL: Ihre eigene Familie ist dynastisch heitswesen haben hundert Prozent der Is- SPIEGEL: Der damalige Fürst, Ihr Schwie- eher unbelastet. Ihre Mutter, Renate mailiten heute schon Zugang.Wir arbeiten gervater, soll die Ehe seines Sohnes mit Ih- mit allen großen Konfessionen zusammen. nen, einer Bürgerlichen, als nicht standes- Gerade waren wir in Lissabon, wo mein gemäß abgelehnt haben, und Ihr Ex-Mann Mann mit dem katholischen Patriarchen soll deshalb enterbt werden. Wie steht es von Lissabon gemeinsame Arbeitsgruppen jetzt im Erbschaftskrieg? vereinbart hat. Außerdem haben wir das Begum Aga Khan: Eigentlich müßte er nach ismailitische Zentrum eingeweiht, 6000 unserer Scheidung beigelegt sein. Aber ich Quadratmeter bebaute Fläche auf 18000 war immer nur der Vorwand. Das wirkliche Quadratmetern Grund. Ziel war und ist die Einsetzung des schwa- SPIEGEL: Zuletzt erregten Sie allerdings chen jüngeren Bruders, damit andere hin- nicht mit Wohltätigkeit Aufsehen. Ihre ge- ter ihm regieren können. Das zweite Ziel scheiterte Ehe mit dem Fürsten zu Leinin- ist die Bestrafung meines früheren Mannes gen machte bundesweit Schlagzeilen. Es dafür, daß er sich nach dem Unfalltod sei- ging um ein beachtliches Erbe. Blicken Sie ner ersten Frau ein zweites Mal seine Part- im Groll zurück? nerin selbst aussuchen wollte.

Begum Aga Khan: Grollen liegt mir nicht. M. ZUCHT / DER SPIEGEL Aber Trauer und Mitleid überkommen ei- * Stefan Aust und Joachim Kronsbein in Aiglemont bei Ehepaar Aga Khan, SPIEGEL-Redakteure* nen da schon: Ein Familienclan stürzt sich Paris. „Von den ethischen Werten überzeugt“

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Thyssen-Henne, hat sich in erster Gene- ration mit einer wahren Wirtschafts- wunder-Karriere großen Reichtum erar- beitet. Begum Aga Khan: Ja, sie hat alles aus eige- ner Kraft erreicht. Meine Mutter kommt aus einer westfälischen Kaufmannsfamilie. Ihr Großvater, Hermann Kerkhoff, war als Kaufmann in Bottrop in Westfalen hoch angesehen, Sägewerk, Kiesgruben, Immo- bilien. Ihr unternehmerisches Talent hat sie wohl von ihm geerbt. Mit 20 Jahren startete sie als Jungunternehmerin, mit 23 Jahren produzierte sie unter anderem Er- frischungstücher, vollautomatisch mit 150 Mitarbeitern. Mit 25 Jahren baute sie zu- sätzlich eine Restaurantkette mit 300 Mit- arbeitern auf. Später sanierte sie den ma- roden Wienerwald-Konzern. SPIEGEL: Und stieß ihn rechtzeitig mit ei- nem satten zweistelligen Millionen-Gewinn ab – und Sie waren Mitgesellschafterin. Begum Aga Khan: Sie übergab ein gewinn- und zukunftsträchtiges Unternehmen mit 1600 Mitarbeitern. SPIEGEL: Was hat Ihnen denn die tüchtige Frau Mutter außer ihrem phänomenalen Aussehen noch mitgegeben? Begum Aga Khan: Eine Lebenseinstellung mit beiden Beinen auf der Erde. Eine gute Ausbildung, Fremdsprachen, einen Stu- dienabschluß. Mein Bruder Joachim und ich lieben unsere Mutter, sie ist unser großes Vorbild.Trotz ihrer umfangreichen Unternehmungen war sie immer ver- ständnisvoll, immer für uns da. Gleichzei- tig hat sie uns zu Leistungs- und Verant- wortungsbewußtsein erzogen. Was sie an- faßt, verfolgt sie mit Disziplin und großem Engagement, ob es sich um ihre Arbeit handelt oder um finanzielle und prakti- sche Hilfe für bedürftige Menschen und Tiere. SPIEGEL: Viele Leute halten Sie trotz dieser vorbildlich humanitären Kinderstube für ehrgeizig. Haben Sie Ihre Karriere in der High-Society regelrecht geplant? Begum Aga Khan: Was ich tue, will ich gut machen. Sie können das Ehrgeiz nennen. Aber wie sollte man sein Schicksal planen können? In der High-Society will und wer- de ich jedenfalls nicht Karriere machen. Das paßt nicht zu meinem Mann, und das paßt nicht zu mir. SPIEGEL: Was haben Sie sich als Begum vor- genommen? Begum Aga Khan: Ich möchte eine wür- dige Nachfolgerin der alten Begum Sul- tan Mohammed Shah werden, die ja ge- rade in Deutschland noch immer sehr beliebt ist. SPIEGEL: Das mit der Würde kann mitunter schwierig werden. Begum Aga Khan: Na ja, im Leben ist vieles schwierig. Aber was ich mir bisher vorge- nommen habe, habe ich meistens auch ge- schafft. SPIEGEL: Hoheit, wir danken Ihnen für die- ses Gespräch.

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