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Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Sept/Okt 2008

Great soprano! Great singing!

Barbara Frittoli

Otello, Norma, Bohème: Es sind vor allem die großen italienischen Opern, die ein rascher Online-Check des Namens Barbara Frittoli in einem Video-Webdienst auswirft. Doch natürlich auch Mozart – und mit einiger Verspätung Schubert: Einblicke in ein großes Sängerleben.

Bleiben wir ein wenig in der Welt der schnellen Online-Resultate. Gute 149.000 Treffer erhält man, wenn man in einer prominenten Suchmaschine den Namen „Barbara Frittoli“ eintippt, schon ein kurzes Überfliegen reicht aus, um die Fülle an internationalen Auftritten der Sopranistin zu erfassen.

So sang sie zuletzt die Gräfin in Mozarts „Le nozze di Figaro“ am Royal Opera House Covent Garden in London unter Sir und erntete entsprechenden Jubel: „Die musikalischste Gräfin unter den heutigen Sängern“, kommentierte ein Kritiker ihre Gestaltung, und ein anderer lobte Frittolis Fähigkeit, die Verletzlichkeit des Charakters der betrogenen Ehefrau in einem berührenden „Dove sono“ auszudrücken. Ebenfalls in London war sie kürzlich als Giorgetta in Puccinis „Tabarro“ zu erleben, weiters gab sie die Amelia in „“ an der San Francisco Opera unter Donald Runnicles, und noch diesen Oktober geht die Sopranistin mit der Wiener Staatsoper auf Reisen: als Fiordiligi in „Così fan tutte“ nach Tokio. Dazu weltweit erfolgreiche Liederabende mit ausgesuchten, klug und attraktiv zusammengestellten Programmen.

Wohldosierte Selbstsicherheit Man merkt: Eine ausgesprochen vielbeschäftigte Sängerin, die allseits gefragt ist und an allen wichtigen Zentren der Musikwelt zu Hause ist. Bei den Opernhäusern, die in ihrer Biographie eine Rolle spielen, fehlt keine der Top-Adressen: die Mailänder Scala genausowenig wie die New York, die Bayerische Staatsoper nicht minder als die Opéra Bastille in Paris oder die großen Häuser in Dresden, Zürich, Bologna und Valencia. Legion sind auch die Namen der berühmten Dirigenten, mit denen die Sopranistin bereits zusammenarbeitete: oftmals mit , mit , Daniele Gatti, Semyon Bychkov, Antonio Pappano, Lorin Maazel, , Bernard Haitink, Valery Gergiev, Sir .

Und dennoch: Eine Sängerin, die in all diesem Trubel, in all dieser Aufmerksamkeit nicht abhebt, sondern fest mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Tatsächlich mit zwei Beinen: Denn Barbara Frittoli weiß einerseits genau, was ihr als Künstlerin und Mensch gut tut und was ihr wichtig ist – und verteidigt dies auch mit entsprechendem Nachdruck. Keine Diva im negativen Sinne, sondern eine, die sich mit wohldosierter Selbstsicherheit und einem Wissen um ihre Qualitäten durchzusetzen versteht und nicht zum Spielball der Interessen des Musikbiz wird.

Professionalität und Wissen Nicht immer ist es einfach, ein Interview mit ihr zu bekommen, doch sind diese stets ehrlich geführt und es wird direkt argumentiert. Als Bühnenpartnerin wiederum wird sie von ihren Kollegen auch aufgrund ihrer Professionalität geschätzt, der sich nicht zuletzt in der genauen

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Kenntnis des jeweiligen Stoffes niederschlägt.

Zweitens aber weiß Barbara Frittoli auch genau, was ihrer Stimme gut tut und was dieser wichtig ist. Beachtlich ist dies schon deshalb, weil sie sich dadurch von vielen Fachkollegen abhebt, die gerade das Technische und Vernünftige missachten und mit ihren Anlagen nicht hauszuhalten verstehen. Steile, aber kurze Karrieren sind dann die Folge, ein rascher Verschleiß der Stimmbänder und des Gesangsapparates kürzen Laufbahnen radikal ab.

Das Wissen aber um die eigenen Grenzen und idealen Möglichkeiten schließt natürlich ebenso ein, dass Barbara Frittoli ihr Repertoire sehr genau festlegt und die Partien, die sie singt, mit entsprechender Aufmerksamkeit aussucht. „Als Sänger muss man wissen, wann und unter welchem Umständen man etwas machen kann“, definierte sie in der Fachzeitschrift „Opernglas“ ihren strengen Zugang zu Partien. Zwei Zentren sind dabei auszumachen: Mozart und Verdi.

Der Verdi-Kosmos und andere Gefilde Den Verdi-Kosmos geht sie mit Weitblick an und baut ihr Repertoire in sorgsamen Schritten nach und nach auf. Neben der Desdemona, die zu ihren absoluten Paradepartien gehört – sie sang inzwischen beinahe 100 Vorstellungen in rund zwölf verschiedenen Produktionen – ist die Amelia in „Simon Boccanegra“ eine ihrer führenden Rollen; aber auch Alice, , Elisabetta in „Don Carlo“ oder – auf der Konzertbühne – das Verdi-. Kommenden Sommer wird sie bei den Münchner Opernfestspielen erstmals die Titelfigur in „Aida“ unter Daniele Gatti übernehmen und dann abwarten, ob sich die Partie mit ihrer Stimme verträgt. „Wir werden sehen, wie es funktioniert. Ich habe das Angebot, die Rolle in München zu singen, akzeptiert, und nun wollen andere Opernhäuser mich auch als Aida. Aber ich möchte zuerst die Rolle ausprobieren und schauen, wie es läuft. Das habe ich immer so getan. Wenn sie schlecht für mich ist, lasse ich sie, wenn es gut geht, mache ich mit der Aida weiter.

Es ist besser, nicht zu viele Opern zu machen – sondern jene, die für dich richtig sind, dein Repertoire“, meinte sie erst kürzlich in einem Interview im Webforum „musicalcriticism“. Spannend wird jedenfalls ihr Debüt als Thaïs in Turin in diesem Herbst, zumal das französische Repertoire – trotz Micaëla in „“, Marguerite in Gounods „“ und Antonia in Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“ – noch nicht allzu viel Raum in ihrem Auftrittskalender einnimmt. Ebenso, wie Frittoli heute eher sparsam mit Werken von Puccini umgeht. Und Richard Strauss? Diesem Komponisten hat sie sich zwar bei den „Vier letzten Liedern“ bereits genähert, doch will sie die großen Partien, wie etwa die Marschallin im „Rosenkavalier“ nur dann singen, wenn sie sich auch die sprachliche Seite genau erarbeitet hat.

Kein Updaten im Bühnenraum Eindeutig sind Fittolis Aussagen zur szenischen Gestaltung auf Opernbühnen. Sie fordert von Regisseuren Logik im Konzept und eine genaue Kenntnis des Werkes ein, von ihren Sängerkollegen wiederum den Mut, sich einer sinnlosen Inszenierungsidee einmal entgegenzustemmen. Auch das mutwillige Verschieben von Opernwerken in andere Epochen betrachtet sie im „musicalciriticism“-Gespräch kritisch: „Obwohl ich eine moderne Art des Schauspiels schätzte, überzeugt mich ein Updaten des Bühnenraumes nicht. Es ist wie bei

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Shakespeare: Es hat keinen rechten Sinn, ,Romeo und Julia‘ in einer anderen als der originalen Zeit zu machen.“

Zuletzt noch einmal das Internet. Nicht nur schnell ist dieses Medium, sondern oft auch von einer prägnanten, treffenden Kürze. Und so wird etwa, und dem ist wenig hinzuzufügen, in dem obengenannten Videoforum ein Filmausschnitt mit Barbara Frittoli in aller Schnelligkeit klar umrissen: „Great soprano! Great singing.“ Was braucht es da noch der Worte?

Oliver Láng Mag. Oliver Láng ist Dramaturg an der Wiener Staatsoper.

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