Hundert Jahre "Neue Tonhalle" in Zürich : Notizen Zur Musikgeschichte Zürichs
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Hundert Jahre "Neue Tonhalle" in Zürich : Notizen zur Musikgeschichte Zürichs Autor(en): Briner, Andres Objekttyp: Article Zeitschrift: Schweizer Monatshefte : Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur Band (Jahr): 75 (1995) Heft 10 PDF erstellt am: 24.09.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-165467 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch DOSSIER .' _.'_s Andres Briner, geboren 1923 In Zürich, lehrte nach seiner Promotion mit einer musikwissenschaftlichen Arbeit einige Jahre an der University of Hundert Jahre «neue Tonhalle» in Zürich Pennsylvania in Philadelphia Notizen Zürichs und übernahm nach zur Musikgeschichte seiner Rückkehr in die Schweiz die Musikredaktion Vier Tage lang fanden im Oktober 1895 Einweihungskonzerte der 'Neuen Zürcher statt. Johannes Brahms spielte und dirigierte; Friedrich Hegar Zeitung'. Seit dem Rücktritt hatte eine Festouvertüre sein Orchester als Feuilletonredaktor für komponiert. (1988) ist er für Seit 100 Jahren nun ist die Zürcher Tonhalle der berühmteste mehrere musikwissenschaftliche Konzertsaal der Schweiz. Hier wurde Musikgeschichte und musikalische geschrieben — schweizerische und europäische. Publikationen tätig. L/ie früheste Zürcher «Tonhalle» zerin der grössten Musikbibliothek in der stand auf dem heutigen Sechse- Stadt, als auch die erst acht Jahre alte läutenplatz und war nicht für Töne und Tonhalle-Gesellschaft wie die wichtigsten Chöre schon gar nicht für Musik gebaut. Dieses und die Schulsynode waren vertreten. notdürftig umgebaute «Kornhaus» war Noch wichtiger wurde in den 1870er zwar, als die Seelandschaft und dann auch Jahren allerdings die Errichtung des neuen die von Bürkli gebauten Quaianlagen Konzerthauses, das in Anlehnung an das immer beliebter wurden, zu einem Mittelpunkt umgebaute Kornhaus den Namen der Erholung für die Zürcher «Tonhalle» erhalten sollte. Man diskutierte in geworden, aber seine Akustik muss sehr Zürich verschiedene mögliche Standorte; schlecht gewesen sein. Der 1841 in Basel man dachte an einen Neubau auf dem geborene Friedrich Hegar, der von 1863 an alten Tonhalleplatz, wo auch ein als Konzertmeister des Zürcher Orchestervereins Grossprojekt für eine Verbindung von Theater- und dann als erster Kapellmeister und Konzerthaus, aber noch vor dem Bau des Tonhalle-Orchesters wirkte, schilderte des Stadttheaters, bestand. Die «Neue sie als miserabel. Zürcher Zeitung» setzte sich als einzige Allerdings war Hegar, Chefdirigent der Zeitung, wahrscheinlich weil persönliche Tonhalle-Gesellschaft zwischen 1868 und Verbindungen zum Vorstand der Tonhalle 1906, einer der eifrigsten, die sich für den bestanden, für einen Exklusivneubau der Bau einer neuen, einer eigentlichen «Tonhalle» Tonhalle ein. einsetzten. Er fühlte sich richtigerweise Der damalige Präsident des Tonhalle- berufen, das erste ständige Orchester Vorstands, Karl Keller, liess mitten in den Zürichs in eine professionelle Ära zu führen, Auseinandersetzungen, im Jahr 1873, eine und er wusste, dass dies nur in einem Broschüre erscheinen, die seine expansiven richtigen Konzertbau möglich sein würde. Vorstellungen bekannt machte. Diese Er war sich auch bewusst, dass in Zürich kompakte Schrift, «Einige Gedanken betreffend ein Konservatorium fehlte, das die Zukunft der zürcherischen Berufsmusiker, und damit auch Orchesterspieler, Tonhalle, zur Beherzigung mitgeteilt» bricht ausbilden konnte. So gehörte Hegar zu den eine Lanze für einen Konzertsaal für Gründern der ersten städtischen Musikschule, dreitausend Hörer. Keller dachte an einen Neubau die 1876 ihre Tätigkeit an der Napfgasse in den Anlagen hinter dem Stadthaus, aufnahm. Die Zusammensetzung des in der Gegend des Schanzengrabens. Seit Verwaltungsrats zeigte die enge Verflechtung dem Abtrag der Schanzen war diese von Ausbildung und professioneller Gegend noch wenig in die Planung einbezogen Darbietung, denn sowohl die Allgemeine worden. Ein grosser Pavillon sollte den Musikgesellschaft, damals noch die Besit¬ Restaurationsbetrieb beherbergen, auf den SCHWEIZER MONATSHEFTE 75. JAHR HEFT 10 13 DOSSIER TONE, WORTE, SYMBOLE keines der vielen Projekte verzichtete. In für noch nicht gelöst. Man holte auf den Erwartungen auf das kommende, Wunsch der «Quai-Direktion» ein «finanzielles eigentlich erst werdende Zürcher Gutachten betreffend die neue Konzertpublikum gingen die Schätzungen weit Tonhalle in Zürich» ein, das bald vorlag. Die auseinander; nicht alle waren so beherzt Einschaltung der Quai-Behörde, der die wie die von Karl Keller. gesamte bauliche Entwicklung am See Übereinstimmung bestand in der oblag, erwies sich als glücklich. Diese Vorstellung, dass die damals aktiven Behörde, der vor der Eingemeindung von Oratorienchöre einen wichtigen Teil der Hörer Enge und Riesbach in die Stadt (1893) ausmachen würden. Der Zeitpunkt für die eine Schlüsselstellung zukam, untersuchte Planung einer neuen Tonhalle war insofern in Zusammenarbeit mit dem Tonhalle- günstig, als in den siebziger und achtziger Vorstand alle Gelände, die in Frage kamen. Jahren die Entwicklung der Orchester Man einigte sich nach gründlichem zu ihrer mittel- und spätromantischen Studium der landschaftlichen, verkehrspraktischen Grösse schon feststand. Friedrich Hegar und finanziellen Aspekte auf den selber, mit den Werken seines Freundes Standort am linken Seeufer, ausserhalb des Johannes Brahms vertraut, machte als Schanzengrabens, der heute noch, innerhalb Komponist bei der farblichen Ausdehnung des der Stadt, der Enge zugehört. Mit den Werken Orchesters mit. Zwar konnte man sich Zwar war so die Standortfrage gelöst, damals noch nicht die Expansionen der seines Freundes aber der Charakter des Baus war noch Orchester der «Neudeutschen», allem nicht entschieden. Das 1889 wurde in vor von Johannes Brahms Jahr Richard Strauss vorstellen, aber man dachte der Tonhalle-Frage ein «heisses». Die Stadt glücklicherweise nicht in feststehenden vertraut, machte Zürich, die den Tonhalle-Vorstand zur Grössen, sondern in Entwicklungen, in die Friedrich Hegar Eile bewegen wollte, kündigte im August man, etwas überproportioniert, auch die den Mietvertrag für das Areal des alten als Komponist Chöre einbezog. Für sie wollte man gute Tonhalleplatzes, des heutigen Sechseläu- Probenräume schaffen. Diese Chöre zeichneten bei der farblichen tenplatzes. Die Quai-Verwaltung war im auch Aktien der Tonhalle-Gesellschaft Oktober bereit, den Platz in der für Ausdehnung des Enge und waren selbstverständlich in den vorbestimmten Zweck zu verkaufen. Orchesters mit. ihrem Vorstand vertreten. Aber die mit der Quai-Verwaltung eng Eine dämpfende Wirkung hatte der verbundene Stadt hatte von ihrer Finanz- und Umstand, dass man in den achtziger Jahren Baukommission ein Gutachten verlangt, in Zugzwang geriet. Die damals noch das beschreiben sollte, wie eine Tonhalle selbständige Gemeinde Enge wollte zu gestalten sei. Offenbar sah die Stadt Gebrauch davon machen, dass im Quai-Vertrag Zürich schon damals die zu gewährende von 1881 eine Konzertinsel im Unterstützung, wenn auch nicht ihre Seegebiet vorgesehen war. Die Gemeinde sah Höhe, voraus. Erst seit sechs Jahren hatte darin eine gute Gelegenheit, auf eigene Art sich die Stadt mit der Tonhalle wirtschaftlich ihren Seeanstoss zu nutzen und auch zu befassen. die Zürcher auf ihre eigene Halbinsel zu In einem Schreiben der Tonhalle-Gesellschaft locken. So musste der Tonhalle-Vorstand, vom 12. November 1889 an die der in der Quai-Kommission vertreten Stadt kommt ein Malaise zum Vorschein. war, handeln. Er schrieb 1887 einen als Die Tonhalle befürchtete, durch den Vertrag «Ideenconcurrenz» bezeichneten Wettbewerb mit der Quai-Verwaltung in ein für eine Tonhalle aus. Zwei Projekte, Abhängigkeitsverhältnis zu geraten. Bis jetzt eines aus Paris und eines aus Berlin, liefen sei die Gesellschaft «in dem ihr zur ein; charakteristischerweise waren beide Verfügunggestellten Gebäude Meister» gewesen Projekte für Konzerthallen ohne besondere (das konnte nicht stimmen, denn im Probemöglichkeiten für Chöre und «Kornhaus» rissen die Klagen über Störungen damit ohne die schweizerische Eigenheit. nicht ab). Zwar sahen die Verantwortlichen Diese Projekte wurden nicht berücksichtigt. der Tonhalle damals in keiner Weise die Subventionen und zukünftigen Ein später, aber richtiger Entscheid Abhängigkeiten des 20. Jahrhunderts voraus, aber sie waren sich im klaren darüber,