– Heft 4 –

Bäche Schutz der Lebensadern des Ost-Erzgebirges

Große Wassergasse 9 01744 Dippoldiswalde Tel. 0 35 04 / 61 85 85 [email protected] www.grueneliga-osterzgebirge.de Munter plätschert der Bergbach zwischen den Erlenwurzeln, tost hier über moos- Von der Quelle bis zur Mündung bedeckte Steine, windet sich da durch eine kleine Wiesenaue. Wenn die Sonne scheint und das fließende Wasser im Gegenlicht glitzert, dann wird bereits eines Wo beginnen eigentlich Bäche und wo hören sie auf? Darauf gibt es keine deutlich – Bäche sind keine starren Gebilde, sondern dynamische Systeme, die einfache Antwort. Sowohl an Quellen zu Tage tretendes Grundwasser als auch eigentlich nie still stehen. abfließendes Oberflächenwasser bilden Bächlein, die durch stetige Wasserzu- Lebensadern gleich bewegen sie das wichtigste Lebensmittel, nicht nur für uns, tritte dann zu Bächen werden. Und später, wenn immer wieder neue Bäche sondern für alle Lebewesen. Bachauenwälder, Uferstaudenfluren und Feuchtwie- und Bächlein zugeflossen sind, werden daraus irgendwann kleine Flüsse, deren sen können eine außerordentlich reiche Tier- und Pflanzenwelt beherbergen. Wasser von großen Flüssen aufgenommen und Richtung Meer getragen wird. Auch unter der Wasseroberfläche tummeln sich viele interessante Organismen. Diese Abfolge der verschiedenen Fließgewässertypen, die Längszonierung, lässt Vom Laub, das in die Wellen fällt, ernähren sich winzige Bachflohkrebse, die sich nach den jeweiligen Leitfisch-Arten darstellen: selbst die Nahrungsgrundlage für die Larven von Feuersalamandern und Libellen und zahlreichen anderen kleinen Bachbewohnern bilden. Diese wiederum werden Fließ- Struktur/ Fach- Leitfisch- Beispiel von Groppen und Forellen gefressen, und von denen holen sich unter anderem richtung Abschnitt begriff Art Graureiher und Schwarzstörche ihren Anteil. Großer Potamal Barbe, Fluss Blei Nur ist diese „Biologische Vielfalt“ an und in den Fließgewässern nichts Selbst- verständliches. Seit Beginn der Besiedlung mussten die Bäche auf vielerlei Weise Kleiner unteres Äsche untere den Menschen dienen: als Transportmittel für die Holzversorgung der Städte am Fluss Rhithral Müglitz Gebirgsfuß, als Antriebsmedium für Pochwerke, Mühlräder und Turbinen, nicht Bach oberes Bach- obere zuletzt auch als billige Abwasserentsorgung. Andererseits waren sie dem Men- Rhithral forelle Müglitz schen immer wieder im Wege, wenn die nährstoffreichen Auen landwirtschaftlich Quelle & Krenal fischfrei kleine genutzt oder mit Straßen, Eisenbahnen, Fabriken Quellbach Müglitz- und Wohnhäusern bebaut werden sollten. Viele Zuflüsse Fließgewässer wurden und werden an den Rand ihres natur­gegebenen Reviers gedrängt, begradigt, Neben der Längszonierung ist auch die geographische Höhe eingemauert. über dem Meeresspiegel von Bedeutung, die wiederum zu Bis beim nächsten Hochwasser der dynamische, Einteilungen der Gewässer hinsichtlich der Höhenstufe führt. sonst munter plätschernde Bergbach wieder ein- Im Ost-Erzgebirge mal außer Rand und Band gerät. finden wir aufgrund der Höhenlagen in der Regel montane und submontane Bergbäche vor, Wiesenbäche mit geringem Gefälle können im Ein- zelfall auch den Charakter eines Tieflandbaches aufweisen.

2 3 Wo der Bach entspringt: Quellen Bachtypen im Ost-Erzgebirge Weitgehend unbeeinflusste Quellen sind heute sehr selten geworden. Ihrem Schutz und Erhalt kommt großer Stellenwert zu. Dafür ist die Kenntnis der Auch bei den Bächen des Ost- naturnahen Quellbereiche unerlässlich. Es werden folgende Quelltypen unter- Erzgebirges dominieren steinige schieden: Substrate. Es handelt sich daher überwiegend um den Typ „grob­ Fließquelle: Der punktuelle Quellaustritt ist in der Regel deutlich als solcher materialreicher, silikatischer erkennbar (z.B. Gesteinsklüfte). Im Gegensatz zum sickernden Austritt erfolgt Mittelgebirgsbach“. der Abfluss überwiegend oberirdisch. Größere Gewässer wie die Freiberger Linearquelle: Beim linearen Quellaustritt sammelt sich das Wasser unterirdisch silikatisch, fein- bis grobmaterialreicher , die Müglitz und die Gottleuba Mittelgebirgsfluss: Flöha bei Rauenstein und sickert von hier nach und nach hangabwärts. Häufig kommt es zu kleinen sind in ihren Unterläufen für den Stillwasserzonen. Typ „silikatischer, fein- bis grob­ Sickerquelle: Das Quellwasser tritt in einem flächigen Quellsumpf zutage, der materialreicher Mittelgebirgsfluss“­ allmählich in die Umgebung übergeht. Eine fließende Wasserbewegung ist in der charakteristisch. Regel erst im Quellbach zu beobachten. Nur auf Sonderstandorten im Bereich Tümpelquelle: Das Quellwasser tritt am Grunde eines Weiherbeckens aus und der Hochflächen und Moorgebiete fließt schließlich über dessen Rand ab. Möglich ist der Quellaustritt auch am können auch organisch geprägte, Grunde eines Fließgewässers, wo sich das Wasser schnell vermischt. meist zur Versauerung neigende Fließgewässer angetroffen werden, Außerdem kann eine Unterscheidung der Quellen nach dem die als „organisch geprägter Bach“ dominierenden Substrat vorgenommen werden. bezeichnet werden. organisch geprägt: Das Quellsubstrat besteht aus ab- Der grobmaterialreiche, silikatische gestorbenem organischem Material sowie aus Algen und Mittelgebirgsbach zeichnet sich Moosen. Das gelblich-braune Quellwasser weist einen durch relativ geringe organische hohen Gehalt an Huminstoffen auf. organisch geprägter Bach: feinmaterialreich: Der überwiegende Anteil des Quellsub- Flájský potok/Oberlauf der Flöha strates besteht aus mineralischem Ton/Schluff und Sand. grobmaterialreich: Es herrschen Kies/Grus und Steine vor. Belastung aus. Durch die (aufgrund der blockmaterialreich: Die Quellsohle besteht überwiegend Höhenlage) geringe Wassertemperatur, aus Blöcken und Fels. weitgehende Beschattung sowie die Im Ost-Erzgebirge dominieren die grob- und blockmaterial- turbulente Strömung wird in ausrei- reichen Quellen, wobei meist Fließ-, Linear- oder Sicker- chendem Maße Sauerstoff in die Gewäs- quellen anzutreffen sind, Tümpelquellen sind dagegen ser eingebracht. sehr selten, oft aber auch durch die Anlage von Teichen grobmaterialreiche und Tümpeln in Quellbereichen sekundär entstanden oder Sickerquelle überprägt. grobmaterialreicher Mittelgebirgsbach: die Bahre

4 5 Ein Bach ist nicht nur eine Abflussrinne! Leben im und am Bach Durch Laufveränderungen der Fließgewässer infolge von Hochwasserereignissen Fließgewässer und ihre Auen sind Ökosysteme, in denen eine besonders mannig- oder umgestürzten Uferbäumen kommt es zur Entwicklung von vielfältigen faltige Lebenswelt zu Hause ist. Strukturen im und neben dem Gewässer. Das Wasser kann sich in seiner ange- stammten Bachaue einen neuen Weg bahnen, der alte Bachlauf teilweise ver- Kleintiere des Gewässer-Grundes („Makrozoobenthos“) landen und vom Hauptteil des Fließgewässers abgetrennt werden. Es entstehen sogenannte Altwässer, entweder teils durchflossen oder nur noch nach Starknie- In Bächen leben viele Insektenlarven mit Entwicklungszeiten von einigen Wo- derschlägen mit dem eigentlichen Bach verbunden. Diese strömungsberuhigten chen bis zu mehreren Jahren. In dieser Zeit sind sie dem umgebenden Medium Bereiche sind für einige Arten der Bachaue ebenfalls sehr wichtig. ausgesetzt und liefern damit eine Langzeitaussage über die Wasserqualität oder das Strömungsregime. Bei chemischen Beprobungen kann hingegen nur der Fließgewässerdynamik ist ein faszinierendes Zusammenspiel hochkomplexer phy- Augenblickszustand erfasst werden. Aufgrund des vertretbaren Aufwandes eignet sikalischer Prozesse. Nach jedem Extremregen zeigt sich, wo und wie das Wasser sich daher diese Indikatorgruppe ausgezeichnet, um Fließgewässer-Lebensräume natürlicherweise zu Tale strömen würde. Wir können stets aufs Neue versuchen, zu charakterisieren. uns mit massiven Mauern und teurer Technik dagegenzustemmen – oder begin- nen, die Natur der Bäche und Flüsse weitestmöglich zu akzeptieren. Aufgrund ihrer großen Habitatvielfalt weisen Mittelgebirgs- bäche natürlicherweise sehr artenreiche Kleintierfauna auf. Eintagsfliegen (Ephemeroptera), Steinfliegen (Plecoptera) Gräben: menschengemachte FlieSSgewässer und Köcherfliegen (Trichoptera) können in naturnahen Ge- wässern dieses Typs bis zu 70 % der vorkommenden Indivi- Mühlgräben, forstliche Entwässerungsgräben, die kleinen (heute fast verges- duen stellen. Die strukturelle Vielfalt bedingt das Vorkom- senen) Zuleitungsgräben der Wässerwiesen – das Ost-Erzgebirge wurde im Laufe men speziell angepasster und auch anspruchsvoller Arten. der Kulturlandschaftsgeschichte von vielen künstlichen Wasseradern durchzo- gen. Pflanzen und Tiere, die eigentlich an den natürlichen strömungsberuhigten Außerdem kommen oft auch Planarien, Egel, Schnecken Altwässern zu Hause waren, haben hier Ersatz-Lebensräume gefunden. Doch und Muscheln, Wasserkäfer und Libellen-Larven vor. Gräben, die nicht mehr genutzt werden, verlanden recht rasch, werden verfüllt, Selten geworden ist der Edelkrebs. Köcherfliege viel zu oft auch vermüllt. typische Larven in einem Mittelgebirgsbach: (Drusus annulatus) Ganz besondere Biotope sind die zahlreichen Gräben des Berg- baus. Allein das ausgeklügelte System der Freiberger Revier­ wasserlaufanstalt umfasst 54 km sogenannter Kunstgräben. Die RWA ist ein bedeutendes Kultur- denkmal, aber auch ein einzig­ artiges Biotopverbundsystem.

Eintagsfliege (Epeorus assimilis) – die einzige Art mit Steinfliege (Dinocras cephalotes) Floßgraben bei Cämmerswalde nur zwei statt drei Schwanzfäden

6 7 In einem Bächlein helle ... Vögel und Säugetiere ... leben in der Forellenregion ab einer Besonders typisch für unsere Bergbäche sind Wasser- Mindestwasserführung Bachforellen, amsel, Gebirgsstelze und Bachstelze, in den unteren begleitet von Kleinfischen wie Elritze, Berglagen lässt sich gelegentlich auch das schillernde Groppe und Bachneunauge. Die ersten, Gefieder eines Eisvogels entdecken. Häufig bauen Zaun- um 2000 ausgesetzten Lachse, sind könige ihre Nester, gut getarnt, im Wurzelbereich der wieder in die Müglitz zurückgekehrt. Ufergehölze, Stockenten ziehen ihre Jungen in Stauden- Wichtig für alle diese Fischarten ist die fluren groß. Auf Schotterbänken kann auch der Flussre- Durchgängigkeit des Lebensraumes, die genpfeifer brüten. Graureiher und Schwarzstorch nutzen es den Tieren erlaubt, sowohl bachauf- Bäche zur Nahrungssuche. wärts als auch -abwärts zu schwimmen. Gefällestufen und Querverbauungen sind ein Problem für unsere Fische. Bachforelle Quellbäche, die aufgrund der geringen Wasserführung sowie den vielen na- Schwarzstorch türlichen Abstürzen über Totholz oder Steinen keinen Lebensraum für Fische bieten können, werden mitunter vom Feuersalamander genutzt. Dort leben in durchströmten Mulden des Quellbaches die Larven des selten gewordenen Schwanzlurches.

Stockente

Bachneunauge Seit einigen Jahren wieder heimisch ist der Fischotter. Nur selten kann man diesen nachtaktiven Marderartigen in der Natur beobachten – meist deuten nur Spuren auf seine Anwesenheit hin. Neben Überresten verspeister Fische sind das Spuren im Sand oder Schnee und die schwärzlichen, streng nach Fisch riechenden Markie- rungen mit Grätenresten auf Steinen oder Stubben an markanten Uferstellen, beispielsweise an Gewässermün- dungen oder auch an Brücken. Nicht ganz so selten, aber ebenso heimlich, ist der klei- nere Verwandte des Fischotters, der Iltis, ein Bewohner der Bachauenwälder. Auch der Biber breitet sich wieder Trittsiegel Feuersalamander Groppe bis ins untere Erzgebirge aus. eines Fischotters

8 9 Vögel: Zeichnung: Wasseramsel Jens Weber, 2015 Gebirgsstelze Eisvogel Graureiher Schwarzstorch Stockente Erlenzeisig Zaunkönig

Säugetiere: Fischotter Iltis Wasserspitzmaus

Gehölze der Bachauen: Schwarz-Erle Esche Berg-Ahorn Knack-Weide Traubenkirsche Hasel Schneeball Seidelbast Pfaffenhütchen Holunder

Bäche sind Lebensräume: Wirbellose am und im Bach: Uferpflanzen: Lurche Rote und Weiße Pestwurz (in strömungsberuhigten Bereichen): Strudelwürmer Steinfliegen Frauenfarn Bitteres Schaumkraut Feuersalamander, Grasfrosch, Erdkröte Fische: Flussnapfschnecke Wasserkäfer Straußenfarn Sumpfdotterblume Wasserpflanzen: Moose (im Wasser und auf Bachforelle Edelkrebs Frühe Adonislibelle Hain-Sternmiere Echtes Springkraut Schild-Wasserhahnenfuß überspülten Steinen): Groppe Bachflohkrebse Blauflügel-Prachtlibelle Bär-Lauch Alpenmilchlattich Wasserstern Brunnenmoos, Beckenmoos, Bachneunauge Köcherfliegen Grüne Keiljungfer Milzkräuter Rote Lichtnelke Bachbungen-Ehrenpreis Welliges Spatenmoos Elritze Eintagsfliegen Zweigestreifte Quelljungfer Pflanzenwelt im Wasser Schnellfließende, schattige Bergbäche beherbergen zwar viele Kleintiere, aber eine eher bescheidene Artenzahl an Pflanzen. Meist sind Moose zu entdecken, im Wasser das Brunnenmoos (Fontinalis antipyretica), auf teilweise überspülten Steinen das Beckenmoos (Pellia epiphylla) und Welliges Spatenmoos (Scapania undulata). In besonnten Bachabschnitten wachsen, als charakteristische Was- serpflanzen, der Schild-Wasserhahnenfuß und Wasserstern – vorausgesetzt, die Wasserqualität ist dafür gut genug.

Schild-Wasserhahnenfuß im Oelsabach Wasserstern im Zethaubach Erlen-Bachauenwälder wie im Trebnitzgrund stoppen im Hochwasserfall viel Geröll – damit es Bäche brauchen Bäume – Erlen! talabwärts nicht gegen Brückenpfeiler oder Häuser geschleudert wird. Der Baum der Talgründe im Gebirge ist die Schwarz-Erle. Von Natur aus dominiert sie in den Erlen-Bachauenwäldern. Von diesen haben die Menschen größtenteils Uferflora nur noch einen schmalen, galerieartigen Saum entlang der Bäche belassen. Dort In Uferfluren, Quell- und Auenwäldern bieten im April/Mai viele Frühblüher ein aber hat sie eine wichtige Funktion: Mit ihren langen Luftzellen können Erlenwur- buntes Bild – bevor sich das Kronendach über ihnen schließt. Zu den ersten zeln bis weit in die wassergesättigten Bodenbereiche hineinwachsen und damit Boten des Frühlings gehören die Blütenstände der Roten und Weißen Pestwurz, die Ufer stabilisieren. Beim Hochwasser 2002 stellten die alten Erlen eindrucksvoll erstere im unteren, die andere eher im oberen Bergland. Ihre großen Blätter ihre Standfestigkeit unter Beweis. Ohne sie wären die Schäden in den unterhalb entfalten sie erst später. Wechsel- und Gegenblättriges Milzkraut, Sumpf-Dot- liegenden Ortschaften vermutlich noch weitaus größer gewesen! Ganz anders übri- terblume, Bitteres Schaumkraut, Bär-Lauch und natürlich die den Hainmieren- gens die flachwurzelnden Fichten und Lärchen, die auf feuchten Böden zwar auch Erlen-Bachauewäldern namensgebende Hain-Sternmiere sind einige weitere gut wachsen, aber im Ernstfall keinen Halt finden. Beispiele aus der artenreichen Uferflora. Vor allem in nährstoffreicheren Quellmulden, aber auch an Waldbächen, gedeihen Befördert durch Hochwasser und die nachfolgenden umfangreichen Bagger­ außerdem Eschen, und auch der Berg-Ahorn kann in Gewässernähe zu stattlichen arbeiten in Gewässern und Auen, aber auch durch Ablagerungen von (Garten-) Exemplaren heranwachsen. Abfällen an den Ufern, haben sich in den letzten Jahrzehnten einige nicht- Außerhalb des Waldes fallen im Frühjahr vielerorts die weißen Blütenstände der heimische Pflanzenarten rasant ausgebreitet. Zu den besonders kritischen Traubenkirschen auf. Und schließlich sind die Knack- oder Bruch-Weiden hervor­ Neophyten gehören Japanischer Staudenknöterich und Drüsiges („Indisches“) zuheben, deren Triebe einst regelmäßig als Flechtmaterial geschnitten wurde. Springkraut.

12 13 Fließgewässer – Geschichte und Gefährdungen Heute verursachen vor allem die mit Stickstoff- düngern und oft auch Pestiziden befrachteten An den Oberläufen der Bäche Ackerabspülungen schwere Schäden an den entstanden vor acht Jahrhun- Bach-Ökosystemen. Schlamm erstickt die Tiere derten die Dörfer des Erz­ im Bachkies; das Nährstoffüberangebot führt zur gebirges, die Quellen lieferten Reduzierung des Sauerstoffs am Gewässergrund. ihnen Trinkwasser. Fließendes Noch immer gibt es Bestrebungen, Gewässer Wasser diente der Flößerei in ein verordnetes Bett zu zwingen. Dies mag und als Energieträger für in Ortschaften stellenweise unvermeidbar sein, Wasser­räder, die Mühlsteine natürlich ist es aber nicht. Bäche sind eben von und Säge­gatter sowie die Natur aus dynamische Systeme, die permanenten Pochwerke und Erzwäschen Veränderungen unterliegen und ihre Ufer und des Bergbaus in Gang hielten. Gewässerbetten selbst formen. Umso wichtiger Derweil unterlagen die Bäche deshalb, ihnen außerhalb von Ortschaften einer immer größeren Ein- wesentlich mehr Freiraum zu gewähren! grenzung ihrer natürlichen Erosion nach einem Gewitter Dynamik. Uferbefestigungen Mehr Entspannungsbereiche für Fließgewässer am Lerchenberg nahmen zu, Brücken wurden in naturnahen Auen anstatt beschleunigend kleine historische Brücke im Trebnitzgrund gebaut und immer größere wirkende Kanäle zwischen Mauern - dies wäre ein wirklich wertvoller Beitrag Bachabschnitte eingeengt. zum Hochwasserschutz. Und doch wird seit 2002 der Bau von zahlreichen teuren Die Bäche verloren den größten Teil ihrer Auen. Immer gravierendere Hoch­ Dämmen vorangetrieben, sogenannten Hochwasserrückhaltebecken (HRB). Ob wasserprobleme waren die Folge. diese tatsächlich dauerhaften Schutz bieten, kann nur die Zukunft zeigen. Den Fischen und Fischottern versperren sie, trotz aller Ausgleichsmaßnahmen, die Im 20. Jahrhundert ersetzten Turbinen zur Stromerzeugung die alten Wasser- Wanderrouten, die Populationen der kleineren Gewässerorganismen werden räder. Die damit einhergehenden, für Fische unüberwindlichen Wehre sowie isoliert. die Wasserentnahmemengen bedeuteten einen tiefgreifenden Einschnitt in die Gewässerökologie. Das Konfliktfeld „Erneuerbare Energie“ versus „Naturschutz“ Derweil gibt es immer neue Baugenehmigungen in Bachauen, die eingemauerte sorgt auch heute noch für erregte Debatten. Mit Umgehungsgerinnen und Fließstrecke vieler Bäche und kleinen Flüsse wird immer länger. „Fischtreppen“ lassen sich allenfalls einige der Eingriffsfolgen abmildern. Aber auch Abfälle und Fäkalien werden mit dem Wasser hinweggespült, so dass manche Bäche und Flüsse in der Vergangenheit zu Abfall- und Abwasser-Samm- lern wurden, mit schlimmen Folgen für die Lebewesen und andere Funktionen des Wassers. Kaum noch vorstellbar die braune Farbe der Müglitz vor 25 Jahren, als sich hier die Abwässer von Zinnerzbergbau und Pappenfabriken mischten! Gleiches gilt für die damals extrem schwermetallbelastete . Hinzu kamen (und kommen immer noch) die Folgen des „Sauren Regens“ – bis Ende der 1990er Jahre vor allem durch die schwefelreichen Abgase der Braun- Bürgerengagement gegen ein kohleverbrennung hervorgerufen. Inzwischen tragen immer mehr die Stickoxide Dammbauvorhaben im Bielatal des Verkehrs zur Gewässerversauerung bei. bei Bärenstein 2010

14 15 Gewässergesetze Neben der Qualität des Wassers selbst ist vor allem auch der Erhalt der „Biolo- gischen Vielfalt“ wichtig. Entsprechend der sog. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Wasserprobleme haben längst auch eine globale Dimension. Daher wurde im Jahr der Europäischen Union wurden entlang der meisten Bachtäler im Ost-Erzgebirge 2000 die europäische Wasserrahmenrichtlinie in Kraft gesetzt. Diese fordert von besondere Schutzgebiete (NATURA 2000) ausgewiesen. Naturnahe Fließgewässer den EU-Mitgliedsstaaten, bis 2015 für alle Gewässer einen „guten chemischen mit Unterwasservegetation gelten als „Lebensraumtypen von gemeinschaft- Zustand“ und einen „guten ökologischen Zustand“ herbeizuführen. Besonders lichem Interesse“, für die ein günstiger Erhaltungszustand gewährleistet werden von letzterem sind auch viele Bäche und Flüsse im Ost-Erzgebirge noch weit muss. Das gleiche gilt für feuchte Hochstaudenfluren sowie Erlen-, Eschen- und entfernt. Weichholzauenwälder, außerdem für eine Reihe von Pflanzen- und Tierarten, die in der FFH-Richtlinie explizit aufgeführt sind, z.B.: Die Wasserrahmenrichtlinie wurde mit dem (bundesdeutschen) Wasserhaus- haltsgesetz und dem daran anknüpfenden Sächsischen Wassergesetz in nati- Biber Fischotter Groppe Lachs onales Recht umgesetzt. Hierin ist auch geregelt, dass bei „Gewässern erster Bachneunauge Grüne Keiljungfer (Bild rechts) Ordnung“ die sogenannte Gewässerunterhaltungspflicht dem Freistaat Sachsen Unabhängig von sonstigen rechtlichen Vorgaben obliegt – und in dessen Auftrag der Landestalsperrenverwaltung. Die Gewässer – und auch ohne formelle Unter­schutzstellung – erster Ordnung sind im Ost-Erzgebirge: gelten Bachlebensräume nach Bundesnaturschutz- Flöha gesetz als Besonders Geschützte Biotope: Haselbach und Saidenbach Kunstgräben und Röschen der Revierwasserlaufanstalt § 30 BNatSchG, Abs. 2: „Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen Striegis (ab Oberschöna) erheblichen Beeinträchtigung folgender Biotope führen können, sind verboten: Freiberger Mulde 1. natürliche oder naturnahe Bereiche fließender und stehender Binnengewässer Gimmlitz (ab Talsperre) einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen (ab Hartmannsdorf) oder naturnahen Vegetation sowie ihrer ... Altarme und regelmäßig über- Wilde Weißeritz schwemmten Bereiche. Rote Weißeritz (ab Galgenteich) 2. ... Sümpfe ... Nasswiesen, Quellbereiche ... Neu- und Quergraben bei Altenberg Lockwitz (ab HRB Reinhardtsgrimma) 4. ... Sumpf- und Auenwälder ...“ Müglitz Seidewitz (ab HRB Liebstadt) Die Nutzung von Fließgewässern durch Angler ist im Sächsischen Fischerei­ Gottleuba Bahra + Mordgrundbach gesetz geregelt. Müglitz Für alle übrigen Bäche – die Gewässer zweiter Ord- am Schlossberg Bärenstein nung – sind die Kommunen zuständig. Grundstück mit Bach – was ist zu tun? Nach § 24 des Sächsischen Wassergesetzes gehören zu den Gewässern auch zu Schutz der Einzugsgebiete, Quellbereiche und Uferzonen! schützende Gewässerrandstreifen. Jeweils fünf Meter rechts und links der Bach­ Förderung des Laubwaldanteils (Fichten- und Lärchennadeln versauern das ufer ist es unter anderem verboten, Dünge- oder Pflanzenschutzmittel auszu- Wasser) bringen, Gebäude oder sonstige Anlagen zu errichten, Gegenstände abzulagern, deutliche Reduzierung der Feinstoff-Einträge durch erosionsvermeidende die den Wasserabfluss behindern könnten. Landwirtschaft (z.B. in Pachtverträgen darauf bestehen) Der § 25 legt darüber hinaus fest: „Hat sich ein Gewässer infolge natürlicher Keine Pestizide und Gülle in Quell- und Gewässernähe ausbringen! Ereignisse dauerhaft ein neues Bett geschaffen oder hat sich das Gewässerbett Eintrag von Müll, Gartenabfällen, Holzhäcksel u.ä. verhindern (keine Kom- wesentlich aufgeweitet, so ist es in diesem Zustand zu erhalten." posthaufen oder sonstige Ablagerungen in Gewässernähe)

16 17 in Ufernähe keine Giftstoffe (Unkrautvernichtungsmittel, Farben, Öle, Tausalze ...) Literatur verwenden Landschaftspflegeverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, 2014: Wir für lebendige Eintrag von Abwässern vermeiden Bäche – Entdecken, Informieren, Vernetzen, Handeln. Broschüre Natürliche Bachdynamik zulassen! Schönborn, W. 1992. Fließgewässerbiologie. Gustav Fischer Verlag. Jena. Förderung naturnaher Gewässerstrukturen (verrohrte oder anderweitig überbaute SMUL. 2005. Ufersicherung – Strukturverbesserung. Anwendung ingenieurbiologischer­ Abschnitte öffnen; Quer- und Längsbauwerke, wo immer möglich, beseitigen) Bauweisen im Wasserbau. Handbuch (1). nach Hochwasserereignissen: größtmögliche Akzeptanz neuer Gewässerstrukturen; www.umwelt.sachsen.de/umwelt/wasser/7077.htm (Informationen zur Situation von Ausufern auf Wiesen oder im Wald zulassen Oberflächengewässern in Sachsen) Erhöhung der Strukturvielfalt an Gewässersohle und -ufer (Kies, Steine, Vertiefungen, www.wrrl-info.de (Informationen zur Wasserrahmenrichtlinie) Altwasserbereiche) Teiche nicht im Direktschluss, sondern neben den Bächen anlegen Wer kann weiterhelfen? Uferbereiche nicht beweiden (auskoppeln!) Wasserbehörden Insbesondere bei langen Trockenphasen das (Niedrig-)Wasser im Bach lassen anstatt Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Referat Gewässerschutz (Untere damit den Garten zu gießen Wasserbehörde) Weißeritzstraße 7, 01744 Dippoldiswalde; Ingenieurbiologie statt Ufermauern! Tel. 0 35 01 / 5 15 34 10; [email protected] Uferbereiche, wenn nötig und möglich, unregelmäßig gestalten (Prall- und Gleit­ Landratsamt Mittelsachsen, Referat Wasser (Untere Wasserbehörde), hänge beachten!) Leipziger Straße 4, 09599 Freiberg, Tel. 0 37 31 / 7 99 40 40, Uferbereiche mit Erlen befestigen statt mit Rasengittersteinen oder Mauern [email protected] wenn künstliche Uferbefestigung unvermeidlich sind: Faschinen, Steinrampen oder Landestalsperrenverwaltung Sachsen, Bahnhofstraße 14, 01796 Pirna, Trockenmauern! Tel. 0 35 01 / 79 60, [email protected] unvermeidliche Eingriffe ins Gewässer oder „Unterhaltungsmaßnahmen“ möglichst im Sommer (Vogelbrutzeit März bis Juni; Amphibienruhezeit November bis April; Fisch- Naturschutzbehörden laichzeit Oktober bis Mai) Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Referat Naturschutz (Untere für Neophytenbekämpfung gilt jedoch: Drüsiges Springkraut regelmäßig vor Ausbil- Naturschutzbehörde) Weißeritzstraße 7, 01744 Dippoldiswalde; dung der Samen herausreißen/mähen, ebenso Riesen-Bärenklau (funktioniert bei Tel. 0 35 01 / 5 15 34 30; [email protected] Japanischem Staudenknöterich leider nicht) Landratsamt Mittelsachsen, Referat Naturschutz und Landwirtschaft (Untere Naturschutzbehörde), Leipziger Straße 4, 09599 Freiberg, zusätzlich mögliche Tel. 0 37 31 / 7 99 41 44, [email protected] NaturschutzmaSSnahmen Wasseramselkästen unter Brücken Förderbehörden für NaturschutzmaSSnahmen: oder an anderen geschützten Stellen Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie – Förder- und anbringen Fachbildungszentrum Kamenz, Garnisonsplatz 13, 01917 Kamenz; Tel. 0 35 78 / 33 74 00; in besonnten Uferbereichen Kopf- [email protected] (für den Landkreis SSO zuständig) weiden stecken (die sich bereits Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie – Förder- und nach wenigen Jahrzehnten zu sehr Fachbildungszentrum Zwickau, Werdauer Straße 70, 08060 Zwickau; wertvollen Kleinbiotopen entwickeln) Tel. 03 75 / 5 66 50; [email protected] Umweltbildung spielt ebenfalls eine wich- Fachliche Projektunterstützung tige Rolle, denn: Man kann nur schützen, nature concept, Dr. Hanno Voigt, Krug-von-Nidda-Str. 5, 01705 Freital; was man auch kennt und versteht. Tel. 03 51 / 26 32 78 28; [email protected] Grüne Liga Osterzgebirge e.V., Große Wassergasse 9, 01744 Dippoldiswalde; Tel. 0 35 04 / 61 85 85 (Büro donnerstags nachmittags besetzt); Drüsiges Springkraut [email protected]

18 19 Die wichtigsten Regeln, damit Bäche Lebensadern bleiben: Bäche und Uferrandstreifen freihalten! • keine Bauwerke im oder am Gewässer errichten (Mauern, Brücken) • keine Ablagerungen im Uferrandstreifen (Müll & Abfälle, Komposthaufen, Holzstapel) gehölze ans Gewässerufer – aber die richtigen! • Flachwurzler und Koniferen gehören nicht in den Gewässerrandstreifen • Schwarz-Erle, Esche und Bergahorn helfen mit ihren Wurzeln, Böschungen und Ufer dauerhaft zu sichern • Weiden sind vor allem bei geringerem Gefälle ebenfalls zur Ufersicherung und -begrünung geeignet

auch an die Lebewesen im und am Bach denken! • bei Niedrigwasser auf Wasserentnahmen verzichten • keine Abfälle ins Gewässer oder ans Ufer werfen • Abwässer gehören nicht in den Bach sondern behandelt und gereinigt! www.osterzgebirge.org 2015, Grüne Liga Osterzgebirge e.V. Text: Hanno Voigt, Jens Weber Fotos: Jan Gläßer, Norbert Kaiser, Borges Neubauer, Dietmar Schubert, Hanno Voigt, Jens Weber, Christian Zänker Satz und Layout: Olaf Sokatsch, [email protected] Spendenkonto bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden IBAN: DE51 8509 0000 4600 7810 01 BIC: GENODEF1DRS Die Grüne Liga Osterzgebirge ist als gemeinnützig anerkannt, Spenden sind deshalb von der Steuer absetzbar.

Gefördert vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft www.eler.sachsen.de